Protokoll:
10169

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 169

  • date_rangeDatum: 25. Oktober 1985

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:14 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/169 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 169. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 Inhalt: Wahl der Abg. Frau Pack als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats an Stelle des ausscheidenden Abg. Schmitz (Baesweiler) 12688 D Aktuelle Stunde betr. Verhältnis von Kapital und Politik in der Bundesrepublik Deutschland an Hand des aktuellen Beispiels der angedrohten Kapitalflucht in Hessen Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12661 B Seiters CDU/CSU 12662 C Westphal SPD 12663 C Hoffie FDP 12664 D Dreßler SPD 12666 A Glos CDU/CSU 12667 C Grüner, Parl. Staatssekretär BMWi . . 12668 C Voigt (Frankfurt) SPD 12670 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 12671D, 12675 B Dr. Steger, Staatsminister des Landes Hessen 12673B, 12675 D Weirich CDU/CSU 12677 D Dr. Solms FDP 12678 D Peter (Kassel) SPD 12679 D Link (Frankfurt) CDU/CSU 12680 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 12682 B Dr. von Wartenberg CDU/CSU 12683 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 12684 B Schreiner SPD 12684 D Pfeffermann CDU/CSU 12685 D Dr. Sperling SPD 12686 D Dr. Warrikoff CDU/CSU 12688 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Schutz vor unzumutbarem Verkehrslärm — Drucksache 10/3654 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel (I) hier: Einführung einer Lkw-Verkehrsabgabe — Drucksache 10/3644 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel (II) hier: Maßnahmen gegen überhöhte Geschwindigkeiten durch Lastkraftwagen — Drucksache 10/3645 — Daubertshäuser SPD 12689 B Hanz (Dahlen) CDU/CSU 12690 D Senfft GRÜNE 12692 B Hoffie FDP 12695 A Buckpesch SPD 12697 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 Baum FDP 12699 A Schmidbauer CDU/CSU 12699 D Antretter SPD 12702 A Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 12704 B Haungs CDU/CSU 12704 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude — Drucksache 10/4042 — Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF . 12707 A Klose SPD 12707 D Dr. Schwörer CDU/CSU 12709 B Vogel (München) GRÜNE 12710D Dr. Solms FDP 12711D Dr. Wieczorek SPD 12712 D von Schmude CDU/CSU 12715B Fragestunde — Drucksache 10/4050 vom 18. Oktober 1985 — Einfluß von befristeten Arbeitsverträgen für Frauen auf Abtreibungen MdlAnfr 30, 31 18.10.85 Drs 10/4050 Immer (Altenkirchen) SPD Antw PStSekr Vogt BMA 12717 B ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 12717 C Änderung des Ladenschlußgesetzes MdlAnfr 32 18.10.85 Drs 10/4050 Ranker SPD Antw PStSekr Vogt BMA 12718 B ZusFr Ranker SPD 12718B ZusFr Brück SPD 12718C Verteilung der für die Erdbebenopfer in Mexiko gespendeten Hilfsgüter und Gelder nur noch über nicht-staatliche Organisationen MdlAnfr 62, 63 18.10.85 Drs 10/4050 Ströbele GRÜNE Antw StMin Dr. Stavenhagen AA . . . 12719A ZusFr Ströbele GRÜNE 12719 B ZusFr Rusche GRÜNE 12719C Erklärungen eines Beamten des Auswärtigen Amtes über das Wiedervereinigungsgebot in der Evangelischen Akademie Loccum MdlAnfr 64 18.10.85 Drs 10/4050 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. Stavenhagen AA . . . . 12720 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 12720 C Verstoß der Sowjetunion gegen die Genfer Konvention durch erneuten Einsatz chemischer Kampfstoffe in Afghanistan MdlAnfr 67, 68 18.10.85 Drs 10/4050 Berger CDU/CSU Antw StMin Dr. Stavenhagen AA . . . 12720 D ZusFr Berger CDU/CSU 12720 D ZusFr Rusche GRÜNE 12721 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 12721 D Nächste Sitzung 12722 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 12723*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 12723* B Anlage 3 Einreise in die DDR mit Sportbooten MdlAnfr 29 18.10.85 Drs 10/4050 Hettling SPD SchrAntw BMin Windelen BMB . . . 12725* B Anlage 4 Verbesserte Versorgung von Herzpatienten; den Krankenkassen durch Operationen im Ausland entstehende Kosten MdlAnfr 33, 34 18.10.85 Drs 10/4050 Dr. Enders SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA . . . . 12725* C Anlage 5 Heranziehung der in West-Berlin lebenden Wehrpflichtigen zu einem sozialen Ersatzdienst MdlAnfr 36 18.10.85 Drs 10/4050 Dr. Schierholz GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . 12726* A Anlage 6 Rücknahme von tierexperimenterprobten Medikamenten wegen erheblicher Nebenschädigungen in den letzten fünf Jahren; prozessuale Auseinandersetzungen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 III MdlAnfr 39, 40 18.10.85 Drs 10/4050 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 12726* B Anlage 7 Ausstattung der Kraftfahrzeuge mit retro-reflektierenden Kennzeichen MdlAnfr 42, 43 18.10.85 Drs 10/4050 Jaunich SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12727*A Anlage 8 Komplikationen bei der letzten Pustertaler Eisenbahnfahrt; Verbot des Einsatzes von Dampflokomotiven MdlAnfr 44, 45 18.10.85 Drs 10/4050 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12727* C Anlage 9 Auswirkungen der Komplikationen bei der letzten Pustertaler Eisenbahnfahrt MdlAnfr 46 18.10.85 Drs 10/4050 Weirich CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12727* D Anlage 10 Personalabbau bei der Bundesbahn angesichts des Ziels der Vollbeschäftigung im Sinne des Stabilitätsgesetzes; Beitrag des Bundesministers für Verkehr zur Erreichung dieses Ziels bei der Bundesbahn MdlAnfr 47, 48 18.10.85 Drs 10/4050 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12728*A Anlage 11 Weiden (Oberpfalz) als Standort für ein Regionaldezernat der Bundesbahn; Pläne im Zusammenhang mit der Bundesbahnstrecke München-Regensburg-Hof-Berlin MdlAnfr 51, 52 18.10.85 Drs 10/4050 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12728* C Anlage 12 Vergleich zwischen dem viergleisigen Ausbau der Strecke Stuttgart-München und der Alternative, dem Bau der Schnellbahnstrecke Beimerstetten-Günzburg, unter finanziellen und ökologischen Gesichtspunkten MdlAnfr 53, 54 18.10.85 Drs 10/4050 Tischer GRÜNE SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 12729* A Anlage 13 Zahl der Anschlüsse bei den Kabelpilotprojekten Ludwigshafen und München am 1. Juli 1985; Erfahrungen im Hinblick auf die Anschlußbereitschaft MdlAnfr 55, 56 18.10.85 Drs 10/4050 Bernrath SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 12729* B Anlage 14 Beteiligung von Gemeinden an Verkabelungskosten MdlAnfr 57 18.10.85 Drs 10/4050 Lowack CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 12729* D Anlage 15 Zulassung der zwangsweisen Koppelung von Satelliten-Programmen und kommerziellen Regional- und Lokalfernsehprogrammen gegen zusätzliche Gebühren durch den Bundespostminister nach Intervention der bayerischen Landesregierung MdlAnfr 58, 59 18.10.85 Drs 10/4050 Paterna SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 12730* B Anlage 16 Telefonüberwachung verdächtiger Personen bei anonymen telefonischen Belästigungen mittels Zählvergleichseinrichtung der Bundespost; Unterrichtung der betroffenen Bürger nach Abschluß der Überwachung MdlAnfr 60, 61 18.10.85 Drs 10/4050 Liedtke SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 12730* D IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 Anlage 17 Beteiligung der DDR am sowjetischen SDI-Programm MdlAnfr 65, 66 18.10.85 Drs 10/4050 Dr. Todenhöfer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . 12731*A Anlage 18 Verfahren gegen Bundesbürger im Ausland wegen Drogendelikten; Betreuung durch die Botschaften MdlAnfr 69, 70 18.10.85 Drs 10/4050 Duve SPD SchrAntw StMin Dr. Stavenhagen AA . 12731* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 12661 169. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1985 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 25. 10. Bastian 25. 10. Dr. Becker (Frankfurt) 25. 10. Berschkeit 25. 10. Dr. Blüm 25. 10. Böhm (Melsungen) ** 25. 10. Breuer 25. 10. Broll 25. 10. Dr. Ehmke (Bonn) 25. 10. Ertl 25. 10. Eylmann 25. 10. Dr. Faltlhauser 25. 10. Frau Geiger 25. 10. Gerstein 25. 10. Gerstl (Passau) ** 25. 10. Grünbeck 25. 10. Dr. Haack 25. 10. Haase (Fürth) 25. 10. Haehser 25. 10. Handlos 25. 10. Dr. Hauff 25. 10. Dr. Hennig 25. 10. Herterich 25. 10. Frau Hoffmann (Soltau) 25. 10. Frau Huber 25. 10. Dr. Jahn (Münster) 25. 10. Jansen 25. 10. Jaunich 25. 10. Keller 25. 10. Kittelmann ** 25. 10. Dr. Kohl 25. 10. Dr. Kreile 25. 10. Kuhlwein 25. 10. Dr. Kunz (Weiden) 25. 10. Lohmann (Witten) 25. 10. Frau Männle 25. 10. Neuhausen 25. 10. Frau Odendahl 25. 10. Pfeifer 25. 10. Pohlmann 25. 10. Porzner 25. 10. Reimann 25. 10. Reuschenbach 25. 10. Schmidt (Hamburg-Neustadt) 25. 10. Schmidt (München) ** 25. 10. Schröder (Hannover) 25. 10. Schröer (Mülheim) 25. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 25. 10. Spilker 25. 10. Stobbe 25. 10. Stockhausen 25. 10. Tischer 25. 10. Vahlberg 25. 10. Verheugen 25. 10. Voigt (Sonthofen) 25. 10. Werner (Dierstorf) 25. 10. Frau Dr. Wex 25. 10. Zander 25. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Zimmermann 25. 10. Frau Zutt 25. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 27. September 1985 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 27. September 1985 eine Entschließung zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes gefaßt hat. Die Entschließung ist als Drucksache 10/4062 verteilt. Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 18. Oktober 1985 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt hat: Gesetz über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen (Landpachtverkehrsgesetz - LPachtVG) Drittes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik Gesetz zu dem Vertrag vom 10. September 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Burundi über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 1. Oktober 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Dominicanischen Bund über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz über eine Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1987) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz 1983 (BVerfGE 65, 1) gebotene verläßliche Aufklärung des Auskunftspflichtigen möglichst umgehend nach Verkündung des Volkszählungsgesetzes 1987 in Abstimmung mit den Ländern einzuleiten. Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 18. Oktober 1985 beschlossen hat, zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache 10/4066 verteilt. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 22. Oktober 1985 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Rücknahme des Entwurfs der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung" - Drucksache 10/3871 - zurückzieht. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Memorandum Nr. 2 der Kommission zur Zivilluftfahrt und insbesondere zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu den Vorschlägen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für 12724*Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 — eine Entscheidung über bilaterale Abkommen, Vereinbarungen und Abmachungen zwischen Mitgliedstaaten über den Luftverkehr; — einen Vorschlag für eine Verordnung zur Anwendung von Artikel 85 Abs. 3 des Vertrags auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Luftverkehr (Drucksache 10/3963) zuständig: Ausschuß für Verkehr Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung zur Festlegung der Bedingungen für die Inanspruchnahme der Regelung, die aufgrund der Revidierten Rheinschiffahrtsakte den Schiffen der Rheinschiffahrt vorbehalten ist (Drucksache 10/3965) zuständig: Ausschuß für Verkehr Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Urteil des Gerichtshofs zu der gemeinsamen Verkehrspolitik und den Leitlinien dieser Politik (Drucksache 10/3966) zuständig: Ausschuß für Verkehr Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Ratifizierung der Beitrittsverträge mit Portugal und Spanien (Drucksache 10/3980) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1985 (Drucksache 10/3991) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Juni 1985 und dem Beschluß vom 11. Juni 1985 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, zur Europäischen Atomgemeinschaft und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl; hier: Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 10/3927) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Mai 1985 über das System der eigenen Mittel der Gemeinschaften; hier: Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 10/4053) zuständig: Haushaltsausschuß (federführend) Finanzausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Fünfundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — (Drucksache 10/4023) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 30. Januar 1986 vorzulegen Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Auschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Sachstand bei der Harmonisierung und Weiterentwicklung der vorhandenen Ansätze auf dem Gebiet der Umweltverträglichkeitsprüfung (nationales UVP- onzept) (Drucksache 10/2143) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit dem die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz betreffenden Teil des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes und zu der Frage eventueller Benachteiligungen von Frauen außerhalb des Bereiches des Arbeitslebens (Drucksache 10/14) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Verstärkung der Vorbeugungsmaßnahmen in bezug auf Fluorchlorkohlenwasserstoffe in der Umwelt — EG-Dok. Nr. 9791/81 — (Drucksachen 9/961 Nr. 14, 10/358 Nr. 17) Vorschlag für einen Beschluß des Rates über eine Ergänzung zu Anhang IV des Übereinkommens zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung betreffend Cadmium und Mitteilung der Kommission an den Rat über die Empfehlung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung betreffend die Überwachung der Cadmium-Ableitungen — KOM (84) 673 endg. — EG-Dok. Nr. 11260/84 — (Drucksache 10/2798 Nr. 10) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates (EWG) zur Abweichung von der Richtlinie 82/606/EWG für die Durchführung in Griechenland der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Erhebungen über die Verdienste der ständig beschäftigten Arbeiter und der Saisonarbeiter in der Landwirtschaft — KOM (84) 506 endg. — EG-Dok. Nr. 9423/84 — (Drucksache 10/2206 Nr. 17) Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Grenzwerte für die Ableitungen von Cadmium in die Gewässer und die Qualitätsziele für die Gewässer, in die Cadmium eingeleitet wird — EG-Dok. Nr. 4936/81 — (Drucksachen 9/334, 10/358 Nr. 15) Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/1035/EWG über die Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art mit Herkunft aus Drittländern — KOM (85) 305 endg. — EG-Dok. Nr. 7758/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 45) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1787/84 betreffend den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung — KOM (85) 331 endg. — EG-Dok. Nr. 8253/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 10) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufstockung des durch die Verordnung (EWG) Nr. 3195/84 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifstelle 50.05 A des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 259 endg. — EG-Dok. Nr. 7103/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 1) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für 2-tert-Pentylanthrachinon der Tarifstelle ex 29.13 F des Gemeinsamen Zolltarifs KOM (85) 261 endg. — EG- Dok. Nr. 7302/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Einführung im Jahre 1985, von spezifischen Gemeinschaftsmaßnahmen zur regionalen Entwicklung und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1787/84 — KOM (85) 243 endg. — EG-Dok. Nr. 7308/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 3) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufstockung der für das Jahr 1985 eröffneten Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Güteklassen von Ferrochrom der Tarif- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 12725* stelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 268 endg. — EG-Dok. Nr. 7104/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 4) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmten hydraulischen Baggern mit Ursprung in Japan und zur Annahme von Verpflichtungen in Verbindung mit dem Verfahren — KOM (85) 301 endg. — EG-Dok. Nr. 7341/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 5) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Anwendung zusätzlicher allgemeiner Zollpräferenzen auf bestimmte auf der Berliner Übersee-Importmesse „Partner des Fortschritts" verkaufte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern — KOM (85) 291 endg. — EG-Dok. Nr. 7685/85 — (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 203 vom 1. August 1985) (Drucksache 10/3788 Nr. 6) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Polystyrolfolien mit Ursprung in Spanien — KOM (85) 357 endg. — EG-Dok. Nr. 7854/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 11) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1893/79 und (EWG) Nr. 2592/79 betreffend die Registrierung der Einfuhren von Rohöl in der Gemeinschaft — KOM (85) 389 endg. — EG-Dok. Nr. 8536/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 12) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung für die Einfuhr bestimmter Waren mit Ursprung in Jugoslawien (1986) — KOM (85) 402 endg. — EG- Dok. Nr. 8591/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 13) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Glykokoll mit Ursprung in Japan — KOM (85) 432 endg. — EG-Dok. Nr. 8431/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 14) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Durchführung des Beschlusses des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich, Finnland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden, der Schweiz zur Ergänzung der Anhänge II und III des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen durch Aufnahme alternativer Prozentregeln für die Waren der Kapitel 84 bis 92 des Zolltarifschemas des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens und Entwurf für einen Beschluß des Gemischten Ausschusses EWG-Finnland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden, der Schweiz zur Ergänzung der Anhänge II und III des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen durch Aufnahme alternativer Prozentregeln für die Waren der Kapitel 84 bis 92 des Zolltarifschemas des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens — KOM (85) 277 endg. — EG-Dok. Nr. 7531/85 — (Drucksache 10/3788 Nr. 15) Anlage 3 Antwort des Bundesministers Windelen auf die Frage des Abgeordneten Hettling (SPD) (Drucksache 10/4050 Frage 29): Berücksichtigt die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit der DDR über den Reise- und Besuchsverkehr auch die Einreise mit Sportbooten, wenn nein, ist die Bundesregierung bereit, diese Frage in Verhandlungen mit der Regierung der DDR aufzunehmen? Die DDR-Behörden lassen die Mitnahme von Sportbooten im privaten Reiseverkehr nicht zu. Die Bundesregierung hat dies bereits mehrfach gegenüber der Regierung der DDR angesprochen. Bisher hat die Regierung der DDR keine befriedigende Regelung zugesagt. Ob und wann sie zu einem Einlenken bereit ist, läßt sich nicht voraussagen. Die Bundesregierung wird sich weiter um eine Lösung bemühen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 33 und 34): Hält die Bundesregierung die Zahl der Plätze für Operationen „am offenen Herzen" in der Bundesrepublik Deutschland für ausreichend, und welche Maßnahmen hat sie gegebenenfalls für eine verbesserte Versorgung der Herzpatienten vorgesehen? Hält es die Bundesregierung für notwendig, daß weiterhin herzkranke Patienten aus der Bundesrepublik Deutschland Operationen im Ausland durchführen lassen müssen, und welche zusätzlichen Kosten erwachsen daraus den Krankenkassen? Die Zuständigkeit für die Planung und Investitionen im Krankenhausbereich liegt seit dem 1. Januar 1985 ausschließlich bei den Ländern. Diese haben aufgrund der in der Herzchirurgie entstandenen Situation 1984 eine Planung zur Erweiterung und Anpassung der Operationskapazitäten aufgestellt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Die Zielvorstellungen der Länder wurden bisher unter Beachtung des Zeitplans eingehalten. Die Bundesregierung hat, wie ich bereits auf die Anfrage des Herrn Kollegen Menzel am 12. Dezember 1984 geantwortet habe, die Bemühungen der Länder z. B. dadurch unterstützt, daß sie von 1983 bis 1985 für die Errichtung eines neuen Herzzentrums in Berlin Mittel im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Berlinhilfe in Höhe von 52 Millionen DM bereitgestellt hat. Auch die Errichtung der Herzzentren in Bad Oeynhausen und in Bad Nauheim wurden seit 1981 mit Modellmitteln nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz in Höhe von 23,25 Millionen DM und 5,0 Millionen DM gefördert. Mit der kostenneutralen Auflösung der Mischfinanzierung von Bund und Ländern im Bereich der Krankenhausinvestitionen durch das Krankenhaus-Neuordnungsgesetz 1984 ist § 23 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz a. F. und damit die bisherige Rechtsgrundlage für die Finanzierung von Modellmaßnahmen durch den Bund aufgehoben worden. Die Gesundheitsministerkonferenz hat in ihrer Sitzung vom 8./9. Oktober 1985 mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die Versorgungssituation bei Herzoperationen in der Bundesrepublik bereits wesentlich verbessert worden ist. Nach derzeitiger Planung wird in der Bundesrepublik Deutschland bis 1988 eine Kapazität von 26 600 Operationen erreicht sein. Nach Berechnungen der Gesundheitsministerkonferenz kann hiermit der Bedarf an Herzoperationen in den nächsten Jahren 12726* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 in der Bundesrepublik grundsätzlich gedeckt werden. Unabhängig davon, wird die Bedarfssituation von den Bundesländern laufend überprüft. Die Notwendigkeit der Durchführung von Herzoperationen im Ausland ist nicht nur von der Operationskapazität in der Bundesrepublik bestimmt, sondern auch von der aufgrund der Indikation erforderlichen Operationsmethode. In Ausnahmefällen haben die Krankenkassen deshalb die Kosten übernommen. Diese liegen nicht wesentlich über den Operationskosten in der Bundesrepublik Deutschland. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schierholz (GRÜNE) (Drucksache 10/4050 Frage 36): Wie beurteilt die Bundesregierung neuerliche Anregungen von Mitgliedern des Senats von West-Berlin, auch in West-Berlin wohnende Wehrpflichtige zu einem sozialen Ersatzdienst zum Ausgleich für den von ihnen nicht abzuleistenden Grundwehrdienst/Zivildienst heranzuziehen, und wieweit sind im Bereich der Bundesregierung entsprechende Vorbereitungsarbeiten gediehen? Die Bundesregierung hält solche Anregungen und Vorschläge vor dem Hintergrund der weiteren Verbesserung der Wehrgerechtigkeit im Ansatz für verständlich. Aus rechtlichen Gründen — leider — wird jedoch keine Möglichkeit zur direkten Realisierung gesehen. Der am 2. Oktober 1985 vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes" enthält deshalb keine solchen Überlegungen. Aber durch die beabsichtigte Anhebung der Einberufungsaltersgrenze von 28 auf 32 Jahre soll auch sichergestellt. werden, daß Wehrpflichtige, die sich ohne Genehmigung des zuständigen Kreiswehrersatzamtes nach Berlin (West) begeben, noch bis zur Vollendung des 32. Lebensjahres zum Grundwehrdienst herangezogen werden können, wenn sie vor diesem Zeitpunkt wieder in das Bundesgebiet zurückkehren. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 10/4050 Fragen 39 und 40): Welche tierexperimenterprobten Medikamente führten in den letzten fünf Jahren auf Grund erheblicher Nebenschädigungen zu prozessualen Auseinandersetzungen, und welche tierexperimenterprobten Medikamente sind darüber hinaus im gleichen Zeitraum aus dem Markt genommen worden? Ist der Bundesregierung bekannt, daß es zahlreiche Pharmazeutika gibt, die im Tierversuch therapeutische Effekte erkennen ließen, die dann beim Menschen aber, trotz langer Anwendung, nicht beobachtet werden konnten, wenn ja, welche Schlußfolgerungen zieht sie hieraus? Zu Frage 39: Das Bundesgesundheitsamt hat für die Fertigarzneimittel, die nach den Überleitungsvorschriften zum Arzneimittelgesetz als zugelassen gelten, d. h., die vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes vom 24. August 1976 im Verkehr waren, in der Regel keine Unterlagen, aus denen hervorgeht, ob für diese Fertigarzneimittel Tierversuche durchgeführt wurden. Solche Unterlagen stehen dem Bundesgesundheitsamt jedoch für alle Fertigarzneimittel zur Verfügung, die nach dem Arzneimittelgesetz von 1976 zugelassen wurden. Wegen Nebenwirkungen von Fertigarzneimitteln, die nach dem Arzneimittelgesetz von 1976 zugelassen wurden, gab es in den letzten Jahren keine prozessualen Auseinandersetzungen mit dem Bundesgesundheitsamt. Das gilt auch für tierexperimenterprobte Arzneimittel. Eine Übersicht über prozessuale Auseinandersetzungen wegen der Nebenwirkungen tierexperimenterprobter Arzneimittel zwischen Arzneimittelherstellern und Dritten liegt der Bundesregierung nicht vor. Von den bisher 5 500 durch das Bundesgesundheitsamt zugelassenen Fertigarzneimitteln sind 9 tierexperimenterprobte Arzneimittel (Coxigon, Zomax, Normud, Osmogit, Flosin, Altimol, Selacryn, Corvaton, Fluversin) in 22 verschiedenen Darreichungsformen und -stärken auf Veranlassung des BGA nicht mehr im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes erhältlich. Zu Frage 40: Der Bundesregierung ist bekannt, daß bei Tierversuchen erkannte Wirkungen von einzelnen Arzneimitteln, therapeutische Wirkungen wie auch unerwünschte Wirkungen, nicht unbedingt auch bei der Anwendung dieser Arzneimittel am Menschen zu beobachten sind. Dies gilt aber nicht generell für alle Arzneimittel. Der Tierversuch hat zum Ziel, aus den Beobachtungen am Tier Aussagen über das Verhalten des menschlichen Organismus abzuleiten, um die Gefährdung menschlicher Gesundheit durch Versuche soweit wie irgend möglich zu vermeiden. Auf diesem Hintergrund kommt das Tierexperiment im Rahmen der Arzneimittelprüfung generell zunächst als Grundlage für Aussagen über Wirkungen, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneistoffen in Betracht. Beobachtungen belegten bei der Auswahl des richtigen Tiermodells weitgehende Übereinstimmung zwischen Reaktionen des menschlichen und tierischen Organismus. Auf Tierversuche kann z. Z. nicht verzichtet wer= den, da sonst der Mensch unverantwortlichen Risiken bei der Anwendung von Arzneimitteln ausgesetzt würde. Die Bewertung des konkreten Tierversuches darf unter keinen Umständen schematisch vorgenommen werden, sondern immer nur unter Berücksichtigung der konkreten Aussagemöglichkeit des zu beurteilenden Versuchs. Der Tierversuch hat seine Bedeutung 1. als Grundlage der Risikoabschätzung für die erste Anwendung eines Arzneistoffes am Menschen, also in der klinischen Prüfung, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 12727* 2. als Hinweis für eine weitere Beobachtung des Medikamentes im Rahmen seiner Erprobung am Menschen bis in die Phasen seiner breiten Anwendung nach ausgesprochener Zulassung, 3. als Hinweis auf möglicherweise am Menschen zu erwartende Wirkungen, die gezielte klinische Studien in dieser Richtung nahelegen. Die Bundesregierung ist bemüht, daß Tierversuche so weit wie möglich eingeschränkt oder durch Alternativmethoden ersetzt werden. Auch das Bundesgesundheitsamt handelt entsprechend. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Jaunich (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 42 und 43): Ist der Bundesregierung bekannt, daß zahlreiche Verkehrsexperten seit längerem vorschlagen, durch Gesetz die Einführung sogenannter retroreflektierender Nummernschilder bei Kraftfahrzeugen vorzuschreiben, weil derartige Sicherheitskennzeichen von den Autofahrern nachts insbesondere bei parkenden Autos besser erkannt werden, und ist der Bundesregierung ferner bekannt, daß in 14 europäischen Ländern und den meisten US-Bundesstaaten derartige Sicherheitskennzeichen seit geraumer Zeit obligatorisch sind und nach Einführung dieser Kennzeichen, deren Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Kennzeichen lediglich rund 5 DM betragen, nach einer Untersuchung in einem US-Staat die Zahl der nächtlichen Auffahrunfälle auf parkende Fahrzeuge um 58 v. H. zurückging? Ist der Bundesregierung angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern und einer Umfrage eines deutschen Automobilclubs, wonach 92 v. H. der Befragten angaben, parkende Fahrzeuge, die mit Sicherheitskennzeichen ausgestattet waren, besser zu erkennen und 98 v. H. der Befragten die Überzeugung vertraten, daß derartige Sicherheitskennzeichen ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit darstellen, bereit, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen, mit dem Ziel, die obligatorische Ausstattung der Kraftfahrzeuge mit retroreflektierenden Kennzeichen vorzuschreiben? Zu Frage 42: Um den rd. 30 Millionen Fahrzeughaltern die Führung reflektierender Kennzeichen aufzuerlegen, muß der Nutzeffekt einwandfrei belegt und begründet werden. Unstreitig ist, daß die Sichtbarkeit bei Verwendung reflektierender Kennzeichen verbessert wird, wenn eine fremde Lichtquelle diese Kennzeichen anleuchtet. Ob aber diese Verbesserung der Sichtbarkeit auch ihren Niederschlag in einem nennenswerten Rückgang der Auffahrunfälle findet, ist nach wie vor ungeklärt. Nach den hier vorhandenen Unterlagen sind reflektierende Kennzeichen in 14 europäischen Staaten zwangsweise vorgeschrieben, in 4 europäischen Staaten wahlweise zugelassen und in 2 westeuropäischen und fast allen osteuropäischen Staaten noch nicht erlaubt. Die zwangsweise Einführung reflektierender Kennzeichen wird zwar in zeitlichen Abständen immer wieder gefordert. Dabei handelt es sich jedoch nicht ausschließlich um Verkehrsexperten, sondern auch um andere Interessenten. Zu Frage 43: Die erwähnte Umfrage und ihr Ergebnis ist der Bundesregierung nicht mitgeteilt worden. Tatsache ist, daß von der seit 1971 bestehenden Möglichkeit, reflektierende Kennzeichen zu verwenden, nur ca. 10 bis 15% der Fahrzeughalter Gebrauch machen und die Tendenz derzeit rückläufig sein soll. Somit hat die große Mehrheit der Fahrzeughalter reflektierende Kennzeichen bis heute nicht akzeptiert. Die obligatorische Einführung müßte also gegen diese Mehrheit der Fahrzeughalter durchgesetzt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt daher derzeit nicht die obligatorische Einführung reflektierender Kennzeichen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/4050 Fragen 44 und 45): Warum hat die betagte Pustertaler Eisenbahn (Typ 685 —191, Baujahr 1920) bei ihrer nostalgischen Abschiedsfahrt von Innichen nach München im Oktober 1985 den Zielbahnhof in der Hauptstadt des Freistaates Bayern nicht in der gleichen Konstellation von Lokomotiven und Wagen erreichen können, in der sie sich auf den Weg gemacht hatte? Ist zu erwarten, daß die Deutsche Bundesbahn in Zukunft jedweden Einsatz von Dampfloks aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der Rettung der Umwelt unterbinden wird? Zu Frage 44: Die italienische Museums-Dampflokomotive der Pustertaler-Eisenbahn entsprach nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn nicht den Bestimmungen der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung sowie den internen betrieblichen Vorschriften. Der historische Zug mußte deshalb auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn von einem anderen Triebfahrzeug befördert werden. Zu Frage 45: Nein. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 10/4050 Frage 46): Welche psychischen Auswirkungen aus der Komplikation der Pustertalfahrt befürchtet die Bundesregierung angesichts ihrer strengen Sicherheitsbestimmungen auf die restromantischen Eisenbahngefühle der Bewohner der Alpenländer? Aus der Tatsache, daß die Pustertaler Eisenbahn statt mit der Originallokomotive mit einem Triebfahrzeug der Deutschen Bundesbahn auf der Strecke der Bundesbahndirektion München befördert worden ist, hoffte die Bundesregierung keine 12728* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 wesentlichen negativen psychologischen Auswirkungen auf die Gefühle der Bewohner der Alpenländer ausgelöst zu haben. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 47 und 48): Entspricht der Personalabbau bei der Deutschen Bundesbahn (DB) dem Ziel der Sicherung von Vollbeschäftigung im Sinne des auch für die DB geltenden Gesetzes zur Förderung von Stabilität und Wachstum? Durch welche Anordnungen nach § 13 des Stabilitätsgesetzes hat der Bundesminister für Verkehr in den letzten Jahren dafür gesorgt, daß die Deutsche Bundesbahn zum Erreichen des Zieles der Vollbeschäftigung beiträgt? Zu Frage 47: Die Zielsetzungen des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 dienen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen von Bund und Ländern sollen im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu einem hohen Beschäftigungsstand, gleichzeitig aber auch zur Stabilität des Preisniveaus und zu außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. Die auf Konsolidierung der Staatsfinanzen gerichtete Politik der Bundesregierung hat inzwischen drei dieser Zielsetzungen des sogenannten magischen Vierecks wieder hergestellt; die zu beobachtende Zunahme des Arbeitsplatzangebotes deutet darauf hin, daß längerfristig auch mit einem höheren Beschäftigungsstand — Abbau der hohen Arbeitslosigkeit — gerechnet werden kann. Für die Deutsche Bundesbahn als wirtschaftlichen Teilbereich hat die Bundesregierung mit den Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn vom 23. November 1983 diese Politik konkretisiert. Die ersten Erfolge sind sichtbar: Jahresfehlbetrag 1982 4,15 Milliarden, 1984 3,12 Milliarden DM und dies bei gestiegenen Investitionen. Die Steigerung der Investitionen um 1,1 Milliarden DM seit 1982 entspricht einem Arbeitsmarkteffekt von etwa 20 000 Arbeitsplätzen. Die Personalverminderung hat mit dazu beigetragen, daß die Deutsche Bundesbahn in etwa vergleichbare Produktivitätssteigerungen wie ihre Wettbewerber erzielen konnte und damit ihre Stellung im Markt stabilisiert hat. Sie hat so dafür Sorge getragen, die Arbeitsplätze der Eisenbahner langfristig zu sichern und damit den Zielen des Stabilitätsgesetzes genüge zu tun. Im übrigen wurde kein Eisenbahner entlassen. Zu Frage 48: Die von der Bundesregierung in den letzten Jahren getroffenen Maßnahmen fördern die Ziele des Stabilitätsgesetzes: Dies gilt sowohl für die Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn als auch für die zu einem großen Teil vom Bund finanzierten Investitionen in den Streckenausbau sowie für Bahnanlagen und Fahrzeuge (5,3 Milliarden DM 1985 gegenüber 4,2 Milliarden DM 1982). Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 51 und 52): Wird der Bundesminister für Verkehr den Vorstand der Deutschen Bundesbahn (DB) in seiner Absicht bestärken, in Weiden (Oberpfalz) ein Regionaldezernat zu errichten, oder treffen Hinweise zu, wonach der Bundesminister für Verkehr den Vorstand der DB dahin gehend zu beeinflussen versucht, das Regionaldezernat in Hof zu errichten? Welche mittel- und langfristigen Ziele verfolgt die Bundesregierung mit der Bundesbahnstrecke München-Regensburg-Hof-Berlin, und was wird sie unternehmen, um diese Achse im Zusammenhang mit den künftigen Bundesbahninvestitionen nicht ins Abseits geraten zu lassen? Zu Frage 51: Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat zu der von ihm beabsichtigten organisatorischen Veränderung von Bundesbahndirektionen durch Aufhebung der Ämterinstanz gemäß § 44 des Bundesbahngesetzes den örtlich beteiligten obersten Landesverkehrsbehörden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach Vorliegen aller Stellungnahmen wird der Vorstand die Vorschläge der Bundesbahndirektionen noch einmal überprüfen und ggf. notwendige Änderungen vornehmen; er wird sodann den Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn beteiligen, der über diese Angelegenheiten gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 11 Bundesbahngesetz zu beschließen hat. Als wesentliche organisatorische Veränderung einer Bundesbahndirektion ist die Organisationsmaßnahme schließlich gemäß § 14 Abs. 3 Buchstabe e Bundesbahngesetz vom Bundesminister für Verkehr zu genehmigen. Der Bundesminister für Verkehr ist daher zur Zeit mit der Angelegenheit noch nicht befaßt. Es ist im jetzigen Zeitpunkt vielmehr Sache der obersten Landesverkehrsbehörde, die von der Deutschen Bundesbahn gegebenen Möglichkeiten zur Stellungnahme zu nutzen und dabei die Auffassung des Landes zur Geltung zu bringen. Zu Frage 52: Im Zuge der Untersuchung zur Fortschreibung der Bundesverkehrswegeplanung wurden in der Relation München-Regensburg-Hof keine signifikanten Engpässe festgestellt, die umfangreiche Ausbaumaßnahmen rechtfertigen würden. Selbstverständlich ist sich die Bundesregierung der Bedeutung bewußt, die auch den Eisenbahnverbindungen von und nach Berlin (West) für die Gewährleistung des lebensnotwendigen Verkehrs zu- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 12729* kommt. Angesichts des rückläufigen Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene haben sich die Bundesregierung, die Deutsche Bundesbahn und der Senat von Berlin um Verbesserungen des Eisenbahnverkehrs bemüht. Im Jahre 1985 sind eine Reihe von Verbesserungen wirksam geworden. So setzt die Deutsche Reichsbahn nur noch Neubauwagen ein (2.-Klasse-Abteile mit nur noch 6 statt bisher 8 Sitzplätzen); sämtliche Speisewagen sind Neubauwagen; schließlich konnten im Rahmen IC '85 in Hannover die Anschlüsse zum IC verbessert werden. Diese Bemühungen werden fortgesetzt. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Tischer (GRÜNE) (Drucksache 10/4050 Fragen 53 und 54): Welche Möglichkeiten wird die Bundesregierung in der Planung einer Schnellbahntrasse der Deutschen Bundesbahn im Streckenabschnitt Stuttgart—München ausschöpfen, um sicherzustellen, daß der wirtschaftlich bedeutsame Verkehrsknotenpunkt Hauptbahnhof Ulm/Donau und der Intercity-Anschluß so wie bisher und ohne Einschränkungen im Personenverkehr bestehen bleibt? Welche Unterschiede ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in finanzieller Hinsicht (Baukosten, Landaufkauf usw.) und in ökologischer Hinsicht (Landverbrauch, Eingriffe in Moorflächen usw.) zwischen der Planungsvariante Schnellbahntrasse Beimerstetten—Günzburg und der Alternativlösung viergleisiger Ausbau des bestehenden Schienenweges? Zu Frage 53: Die Deutsche Bundesbahn hat als zuständiger Planungsträger der Neu- und Ausbaustrecke Plochingen—Günzburg zugesichert, daß der Hauptbahnhof Ulm und der Intercity-Anschluß sowie bisher bestehen bleiben. Ich habe dies bereits dem Wahlkreisabgeordneten Werner und dem Oberbürgermeister Ludwig mitgeteilt. Zu Frage 54: Die Deutsche Bundesbahn untersucht zur Zeit die Auswirkungen eines viergleisigen Ausbaues des Streckenabschnittes Beimerstetten—Günzburg. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Die finanziellen und ökologischen Unterschiede gegenüber einer Neubauvariante Beimerstetten—Günzburg können daher noch nicht aufgezeigt werden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Bernrath (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 55 und 56): Wie groß war am 1. Juli 1985 bei den Kabelpilotprojekten Ludwigshafen und München die Zahl der anschließbaren („versorgten") Wohneinheiten, der angeschlossenen Wohneinheiten, die nur die ortsüblichen Programme beziehen, und der angeschlossenen Wohneinheiten, die gegen Zusatzgebühr mit dem gesamten Programmangebot versorgt werden'? Wie wertet die Bundesregierung die Erfahrungen in diesen Pilotversuchen im Hinblick auf die vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen immer wieder vorgetragene Erwartung, die Anschlußbereitschaft der Bürger steige proportional zur Zahl der angebotenen Programme? Zu Frage 55: Die Zahl der anschließbaren Wohnungseinheiten betrug am 1. Juli 1985 in Ludwigshafen ca. 123 000 und in München ca. 58 000. Die an die BK-Netze in den Pilotprojektgebieten angeschlossenen normalen BK-Teilnehmer können bereits mehr als ortsübliche Fernseh- und UKW-Hörfunkprogramme empfangen. Die Zahl der auf dieser Basis im Juli 1985 angeschlossenen Wohnungseinheiten betrugen in Ludwigshafen ca. 6 200 und in München ca. 16 500. Die Zahl der Pilotprojektteilnehmer betrug zur gleichen Zeit in Ludwigshafen ca. 18 600 und in München ca. 4 200. Zu Frage 56: Wie schon mehrfach darauf hingewiesen, schafft die Deutsche Bundespost bei den Kabelfernseh-Pilotprojekten nur die netztechnischen Voraussetzungen für die Durchführung der von sämtlichen Bundesländern beschlossenen Versuche. Für die Auswertung der Versuche sind bekanntermaßen sowohl projektspezifische wissenschaftliche Begleitkommissionen wie auch die Medienkommissionen der Länder eingesetzt. Soweit bereits Untersuchungsergebnisse dieser Institutionen vorliegen, bestätigen diese in vollem Umfang den von der Bundesregierung erkannten Bedarf an erweiterten Empfangsmöglichkeiten und die Nachfrage nach zusätzlichen TV- und Hörfunkprogrammen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Frage des Abgeordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 10/4050 Frage 57): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, wonach sich Gemeinden, in denen eine Verkabelung noch nicht kostendekkend für die Post möglich sei, an den Aufwendungen der Verkabelung beteiligen sollten, und wie exakt läßt sich ermitteln, wann eine Verkabelung „kostendeckend" ist? Etwa 1,5 Millionen Haushalte sind derzeit schon an Kabelfernsehnetze der Deutschen Bundespost angeschlossen. Bei der Vielzahl der noch vorliegenden Anträge auf Anschließung ist es inzwischen immer schwieriger geworden, alle Anschlüsse bedarfs- 12730* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 gerecht und in angemessener Zeit zu befriedigen; aus kostenspezifischen Gründen kann der Ausbau der Kabelfernsehnetze nur schwerpunktmäßig und nicht überall und gleichzeitig erfolgen. Die Deutsche Bundespost ist aber verpflichtet, in einem mittelfristig überschaubaren Zeitraum die Voraussetzungen zur Rentabilität der Kabelfernsehnetze zu schaffen, weil nur so die Refinanzierung der eingesetzten Finanzmittel erreicht werden kann. Daher ist es unabdingbar, möglichst rasch die dichtbebauten Gebiete zu verkabeln. Um die Rentabilität erreichen zu können, wird als finanzielle Führungsgröße für die Planung ein Durchschnittswert von 700 DM je Wohneinheit verwendet. Dies bedeutet aber, daß durch den verstärkten und weniger kostenaufwendigen Ausbau dichtbesiedelter Bereiche zum Ausgleich auch locker bebaute Bereiche mit einem deutlich höheren Kostenaufwand pro Wohneinheit ausgebaut werden können. Gemeinden, für die bei Einhaltung der oben angeführten Randbedingungen ein Ausbau zur Zeit noch nicht vorgesehen ist und die zu einem früheren Zeitpunkt verkabelt werden wollen, können dies durch besondere finanzielle, sachliche oder akzeptanzerhöhende Leistungen erreichen. Die Deutsche Bundespost wird ihr Ausführungsprogramm dann entsprechend umstrukturieren. Bei finanziellen Leistungen richtet sich der zu leistende Betrag nach der bereits genannten Größe von 700 DM je Wohneinheit. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Paterna (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 58 und 59): Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, daß die Deutsche Bundespost die zwangsweise Koppelung von Satelliten-Programmen sowie kommerziellen Regional- und Lokalfernsehprogrammen gegen zusätzliche Gebühren zuläßt, und wie verträgt sich dieses Vorhaben mit den Vorstellungen der Bundesregierung von der Wahlfreiheit des „mündigen Bürgers"? Treffen Zeitungsmeldungen zu, daß die „Zwei-Paket-Lösung" zunächst vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen abgelehnt, dann aber nach massiver Einflußnahme der bayerischen Staatsregierung akzeptiert wurde, und ist der Bundesregierung bekannt, wie die übrigen zehn Bundesländer diese Lösung beurteilen? Zu Frage 58: Die Deutsche Bundespost ist für die Zulassung von Kopplungen der bundesweiten Satellitenprogramme mit privaten Regional- und Lokalprogrammen nicht zuständig. Besondere Anforderungen an Rundfunkprogramme und die Organisation von Fernsehprogrammen fallen in die Kompetenz der Länder. Ebenfalls Sache der Länder ist es, ob sie diese verschiedenen Fernsehprogramm-Erweiterungen mit landesrechtlichen Gebühren oder Entgelten belegen. Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Wahlfreiheit der Teilnehmer gegeben, weil in diesen Fällen nach der 28. ÄndVFO zwischen der Regel- und der Grundleistung des Programmangebots der Deutschen Bundespost auf Antrag gewählt werden kann. Zu Frage 59: Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hatte und hat die Sorge, daß wegen des landesrechtlichen Entgelts für die Paketlösung in Bayern Akzeptanzhemmnisse auftreten werden. Er sah es als unausgewogen an, daß die degressiven und teilweise pauschalen monatlichen Grundgebühren der Deutschen Bundspost mit der 28. ÄndVFO in großen Wohnanlagen stark gesenkt werden und sich dieser für den Bürger günstige Verbilligungseffekt durch das Entgelt wieder aufhebt. Das Ergebnis der Verhandlungen mit der Bayerischen Staatskanzlei bestand jedoch in der Respektierung der Rundfunkhoheit Bayerns. Dies ist ein ganz normaler Vorgang. Die übrigen zehn Bundesländer dürften mehrheitlich gegen die Paketlösung eingestellt sein. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Liedtke (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 60 und 61): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundespost bei anonymen telefonischen Belästigungen in den Fällen, in denen der Belästiger nicht mittels Fangschaltung festgestellt werden kann, sich vom Belästigten verdächtige Personen nennen läßt, deren Telefonverkehr sie dann mittels Zählvergleichseinrichtung überwacht? Wie wertet die Bundesregierung insbesondere die Tatsache, daß die betroffenen Bürger auch nach Abschluß der Überwachung nicht über die gegen sie gerichtete Maßnahme unterrichtet werden? Zu Frage 60: Der Einsatz von Zählvergleichseinrichtungen in begründeten besonderen Fällen ist der Bundesregierung bekannt. Zu Frage 61: Der Einsatz einer Zählvergleichseinrichtung stellt keine Überwachung des Gesprächsverkehrs dar. Die Zählvergleichseinrichtung hält nur Zeitpunkt und gewählte Rufnummer fest, vom Inhalt der Gespräche kann nicht Kenntnis genommen werden. Das bloße Registrieren dieser Daten durch die Deutsche Bundespost ist bei begründetem Verdacht des Mißbrauchs von Telefoneinrichtungen von der Rechtsprechung als rechtmäßig anerkannt. Die Deutsche Bundespost hält es für zweckmäßig und richtig, den Inhaber des vermuteten Anschlusses nachträglich nicht über die Schaltung einer Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Oktober 1985 12731* Zählvergleichseinrichtung zu unterrichten. Das Verfahren ist mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Todenhöfer (CDU/CSU) (Drucksache 10/4050 Fragen 65 und 66): Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wonach die DDR bereits im April 1985 beim Treffen der Partei- und Staatschefs in Warschau von der Sowjetunion angewiesen worden ist, sich am sowjetischen SDI-Programm zu beteiligen? Trifft es zu, daß zu den Gebieten, die der DDR zugewiesen worden sind, die Fotoelektronik, die Meßtechnik und die Feinmechanik gehören? Der Bundesregierung liegen in diesem Zusammenhang Informationen vor. Danach trifft es zu, daß der sowjetische Verteidigungsminister Sokolow im April 1985 auf einer Tagung der WarschauerPakt-Staaten ankündigte, daß sich alle WarschauerPakt-Staaten und darüber hinaus befreundete sozialistische Länder an der Planung, an der Forschung und an der Entwicklung eines Gegenprogramms zu SDI „beteiligen müßten". Vorliegenden Hinweisen zufolge wurde die DDR schon vor einigen Jahren an der Entwicklung eines Waffensystems zur Satellitenbekämpfung beteiligt. Auch sollen Fortschritte der Lasertechnik erzielt worden sein. Stärken der DDR auf SDI-betreffenden Gebieten liegen in folgenden Schwerpunkten: Bildsignalübertragung, Feinmechanik, optische und IR-optische Zielsysteme, digitale Bildverarbeitung, Regelungstechnik, Optoelektronik. Anlage 18 Antwort des Staatsministers Dr. Stavenhagen auf die Fragen des Abgeordneten Duve (SPD) (Drucksache 10/4050 Fragen 69 und 70): Wie viele Verfahren gegen Bundesbürger im Ausland sind der Bundesregierung im Bereich der Drogen- und Rauschgiftdelikte bekannt? Kann die Bundesregierung — nach Ländern aufgeschlüsselt — Angaben darüber machen, wie viele Angeklagte, Untersuchungshäftlinge und Strafgefangene die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit im Ausland wegen Drogen- und Rauschgiftdelikten betreuen? Zu Frage 69: Der Bundesregierung liegt keine umfassende Statistik für diesen Deliktsbereich vor. Zu Frage 70: Die Bundesregierung kann aus den soeben genannten Gründen nur Annäherungswerte nennen. Aufgrund einer kürzlichen Umfrage bei unseren Vertretungen in den für diesen Fragenkomplex wichtigsten Ländern ergibt sich, daß weltweit z. Z. zwischen 180 und 200 wegen Verstößen gegen Betäubungsmittelgesetze Inhaftierte von den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland betreut werden. Schwerpunktmäßig können folgende Zahlen genannt werden (ohne Unterscheidung nach Angeklagten, Untersuchungshäftlingen oder Strafgefangenen): Frankreich: zwischen 40 und 50 Betreute im Jahresdurchschnitt Spanien: 82 Betreute z. Z. Italien: 16 Betreute z. Z. Großbritannien: 3 Betreute z. Z. Türkei: 2 Betreute z. Z. Marokko: 10 Betreute z. Z. (hier fanden im August 1985 aufgrund einer Generalamnestie des Königs anläßlich des Papstbesuchs viele Entlassungen statt) Indonesien: 2 Betreute z. Z. Peru: 12 Betreute z. Z. Kolumbien: 1 Betreuter z. Z. Brasilien: 4 Betreute z. Z. Thailand: 14 Betreute z. Z. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß es sich bei diesen Zahlenangaben nur um Momentaufnahmen handeln kann, die laufender Fluktuation unterliegen. Eine exakte Zahl der in den Niederlanden wegen Betäubungsmittelvergehen Inhaftierten konnte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit von unseren Vertretungen in den Niederlanden nicht ermittelt werden, da in den Niederlanden die Betreuung der wegen Verstößen gegen die Betäubungsmittelgesetze Inhaftierten durch den Deutschen Hilfsverein durchgeführt wird. Dieser Verein hat 1984 161 Gefängnisbesuche in dem angesprochenen Deliktbereich durchgeführt. Die Klienten des Vereins waren dabei ganz überwiegend Deutsche mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (89 %).
Gesamtes Protokol
Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
Verhältnis von Kapital und Politik in der Bundesrepublik Deutschland an Hand des aktuellen Beispiels der angedrohten Kapitalflucht in Hessen
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller (Bremen).

Dr. Joachim Müller (GRÜNE):
Rede ID: ID1016900100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Umweltminister der GRÜNEN in Hessen reichte aus, um den Vorstandsvorsitzenden von Hoechst dazu zu bringen, Investitionsverlagerungen aus Hessen anzudrohen. Ein Umweltminister der GRÜNEN, und schon wurden mit Kapitalflucht gedroht, das Chaos an die Wand gemalt usw. Der Kanzler, der Chemiegewerkschaftsführer Rappe, Stoltenberg und einige CDU- Wirtschaftsminister — unter Führung Ernst Albrechts aus Niedersachsen —, alles Minister aus Ländern mit höherer Arbeitslosigkeit als in Hessen, schlossen sich dem Gerede an.
Das Verlogene an diesen Kapitalfluchtandrohungen ist, daß sie ausgerechnet von denjenigen Leuten vorgetragen werden, die den GRÜNEN bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorwerfen, daß sie nicht bereit seien, konkrete Programme vorzulegen oder Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seit dieser Kampagne wissen wir genau, daß dieser Vorwurf immer nur polemisch gemeint gewesen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ein vorzügliches, großartiges Programm: Fischer [Frankfurt]!)

Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist,
warum eigentlich ein demokratisch gewählter, bis
jetzt ja erst designierter Umweltminister der GRÜNEN ausreicht, um gleich Kapitalflucht aus Hessen anzudrohen.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Die Herrschaften sind nervös! — Zuruf von der CDU/ CSU: Von wem ist der denn demokratisch gewählt?)

Das Umweltgewissen des Hoechst-Konzerns muß schon extrem schlecht sein, wenn es eine Investitionsentscheidung an die Regierungsbildung in Hessen knüpft.
Ausgerechnet wieder die Firma des Ministers Schwarz-Schilling besitzt die Frechheit, sich an den Drohungen zu beteiligen. Die Firma Sonnenschein ist j a immer dabei, wenn es darum geht, Gesetze zu brechen und die Umwelt zu vernichten.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Was ist denn eigentlich, meine Damen und Herren von der CDU, an einem Umweltminister der GRÜNEN so wirtschaftsfeindlich, als daß er erwarten läßt, daß die bestehenden Umweltgesetze eingehalten werden?

(Frau Hönes [GRÜNE]: Ganz einfach, genau!)

Dies ist es, wovor die mit Kapitalflucht drohenden Konzerne Angst haben.
Offensichtlich gibt es in Sachen Umweltschutz so etwas wie eine rechtliche Grauzone, in der munter auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit der Bevölkerung giftige Stoffe emittiert werden. Allein um diese Grauzone geht es, wenn Unternehmen Betriebsverlagerungen in andere Bundesländer androhen, die j a die gleichen Umweltgesetze haben.

(Bueb [GRÜNE]: Die brechen nämlich die Gesetze!)

Was nutzen uns denn alle Gesetze zum Umweltschutz, wenn wirtschaftliche Macht ausreicht, um diese rechtlichen Grauzonen für weitere Umweltzerstörung zu nutzen? Es stellt sich doch angesichts der Drohung der Industrievertreter die Frage, wer hier eigentlich der Souverän ist: die demokratisch gewählten Parlamente oder die Industrielobby?

(Beifall bei den GRÜNEN)




Dr. Müller (Bremen)

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie dieses Verhalten der Industrie hier verteidigen, dann machen Sie uns eines deutlich: Diese Demokratie und auch der Umweltschutz sind Ihnen gleichgültig.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von den GRÜNEN)

Machen Sie mir bitte einmal klar, wie das Verursacherprinzip angewendet werden soll, wenn umweltfeindliche Unternehmen wie damals die Seveso-Fässer durch Europa geistern! Wie soll denn ein Schutz der Bevölkerung, der Natur gewährleistet werden, wenn man sich auf diese Art und Weise dem Gesetz entzieht? Wir schaffen doch durch Umweltauflagen und Umweltgesetze nur dann wirklich Arbeitsplätze — das ist unsere Absicht —, die meinethalben auch steuerlich subventioniert werden können, wenn ökologisch unverträgliche Produktionsprozesse umgerüstet werden. Dies ist doch die Chance, die zu nutzen wäre. Für diese Chance steht in der Zukunft selbstverständlich auch ein grüner Umweltminister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine große Mehrheit in der Bundesrepublik, die jenseits ihrer Parteienwahl für mehr Umweltinvestitionen ist. Diese Mehrheit ist für eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Sie ist es auch, die eingeschüchtert und erpreßt werden soll, wenn wegen eines grünen Umweltministers Betriebsverlegungen angedroht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Mehrheit wird es auch nicht billigen, daß durch Standortverlagerungen Umweltzerstörung fortgesetzt wird, denn dies ist ja der materielle Gehalt dieser Androhung. Es gibt also eine Mehrheit jenseits der Koalitionsparteien, weil deutlich geworden ist, daß sie auch jeden Umweltschutz gegenüber privatwirtschaflichem Interesse verleugnen würden. Das ist das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben.
Was Sie wollen, meine Herren von der Koalition, ist, aber auch jede Gelegenheit zu nutzen, die GRÜNEN überall dort zu denunzieren, wo Sie auch nur die Chance einer Möglichkeit sehen, Ihrer Ideologie der freien Marktwirtschaft das Wort zu reden.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Man muß Ihnen nur zuhören, dann weiß man Bescheid! Allein Ihre Rede reicht!)

Es ist ja kein Zufall, daß auch der Hoechst-Konzern, der j a die Kapitalflucht angedroht hat, auf den Spendenlisten steht, die wir von den Parteifinanzierungsskandalen her kennen.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016900200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.

Dr. Joachim Müller (GRÜNE):
Rede ID: ID1016900300
Mein letzter Satz: Das Thema dieser Debatte ist nicht nur der grüne Umweltminister oder die rot-grüne Koalition, sondern das Thema ist, daß Sie endlich begreifen werden, daß in dieser Republik nicht alles käuflich ist, auch nicht zu Hoechst-Preisen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Bei solch einer Rede versteht man die Furcht der Industrie!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016900400
Das Wort hat der Abgeordnete Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1016900500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden nicht zulassen, daß die GRÜNEN mit ihrer Verfälschung der demokratischen und wirtschaftspolitischen Realität der Bundesrepublik Deutschland von dem eigentlichen Vorgang ablenken, der sich in Hessen abspielt. Die SPD eröffnet einer extremen Bewegung, die dem Industriestaat den Kampf angesagt hat, die den Ausstieg aus der Kernenergie,

(Zurufe von den GRÜNEN)

die Abschaffung von Kohlekraftwerken und die Demontage der chemischen, der pharmazeutischen und der Automobilindustrie fordert

(Frau Hönes [GRÜNE]: Unsinn!)

und in deren Programm steht: Gesetzesverletzungen können bis zur gezielten Sabotage gehen, wenn andere Mittel nicht mehr greifen —

(Bueb [GRÜNE]: Wo steht denn das? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

die SPD eröffnet dieser Partei mit der Verschacherung des Umwelt- und Energieministeriums um der Macht willen den direkten Zugriff auf einen zentralen und sensiblen wirtschaftspolitischen Bereich, verhindert wichtige Investitionsentscheidungen und gefährdet Zigtausende von Arbeitsplätzen. Das ist die wahre Lage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn der Vorsitzende der IG Chemie und SPD- Bundestagsabgeordnete Rappe — ich würde mich freuen, wenn er ans Rednerpult träte — in dieser Woche mit Blick auf die hessischen Verhältnisse erklärt, wichtige Investitionsentscheidungen für die Zukunft und damit neue Arbeitsplätze würden verhindert, wenn er die ökologischen Forderungen der GRÜNEN mit dem industrie- und arbeitnehmerfeindlichen Morgenthau-Plan und der Abschaffung unserer Industriegesellschaft vergleicht, mag dies die frühere Arbeitnehmerpartei SPD, Herr Vogel, nicht mehr interessieren, dann mag dies auch Herrn Börner nicht mehr interessieren, der sich vor Jahren nicht einmal auf einer Fotomontage mit den GRÜNEN zeigen wollte

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Am Wahlabend!)

und jetzt die Stirn besitzt, zu sagen — man muß sich diesen Unfug einmal anhören —, er wolle die protestierende Jugend von den Mitwirkungschancen im demokratischen Staat überzeugen und damit die arbeitnehmerfeindliche Koalition in Hessen verteidigt. Ein wirklich grober Unfug!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

Ich sage an die Adresse der SPD: Sie machen sich zu Zieheltern von Leuten, die diese Gesellschaft



Seiters
nicht vor Gewalt schützen wollen, sondern sie mit Arbeitslosigkeit bedrohen; denn wo die GRÜNEN die Rahmenbedingungen setzen

(Zuruf von den GRÜNEN: Wer hat denn die Arbeitslosigkeit zu verantworten?)

und darüber entscheiden, unter welchen Bedingungen Industrieunternehmen investieren, forschen und arbeiten können, brauchen wir uns keine Gedanken mehr über neue Arbeitsplätze zu machen, über internationale Wettbewerbsfähigkeit, unseren Wohlstand und letztlich auch nicht über den Erhalt unserer Umwelt, die nur wirksam geschützt werden kann bei Wachstum und florierender Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist es geradezu lächerlich, wenn SPD und GRÜNE den Unternehmern vorwerfen, sie übten mit ihren Befürchtungen über den Bestand von Arbeitsplätzen unzulässigen Druck auf die Regierung aus. Solche Töne waren bei den Demonstrationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der letzten Woche, wo nun wirklich massiver Druck auf die Regierung ausgeübt werden sollte, überhaupt nicht zu hören, weder von Ihnen von der SPD noch von den GRÜNEN.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Die „Frankfurter Allgemeine" hat geschrieben: In den Äußerungen aus der Industrie ist der SPD und der hessischen Landesregierung nicht das Recht auf autonome politische Entscheidung bestritten worden; aber jedermann weiß, die Industrie kalkuliert bei ihren Standort- und Investitionsentscheidungen auch Vorteile oder Behinderungen ein, die auf politische Verhältnisse zurückgehen;

(Zurufe von den GRÜNEN)

täte sie dies nicht, liefe sie Gefahr, ihre Projekte auf Sand zu bauen.
Eine andere Zeitung schreibt, man könne einer Industrie nicht verübeln, wenn sie auf andere Länder blicke, wo man ein investitionsfreundliches Klima, Schutz vor Eingriffen der Maschinenstürmer

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN) und politisch stabile Verhältnisse finde.


(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Meine Damen und Herren, daß dies GRÜNE nicht begreifen, ist mir ja einleuchtend; aber daß es die Sozialdemokraten nicht begreifen, zeigt ein weiteres Mal, daß man wirtschaftspolitische Verantwortung in diesem Lande — jedenfalls heute — in ihre Hände nicht legen darf.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine letzte Bemerkung. Da der mutmaßliche Kanzlerkandidat der SPD Johannes Rau nach seinem mißglückten Ausflug in die Sozial- und Wirtschaftspolitik in der vergangenen Woche zu den hessischen Vorgängen schweigt, müssen wir fragen, ob Hessen der rot-grüne Probelauf für die Bundespolitik werden soll. Wäre dies so, dann wären die Eckpunkte der Rau'schen Wirtschaftspolitik schon bekannt: nach Herrn Posser Staatsschulden wie in Brasilien und Mexiko und nach Herrn Börner die Blockade von Investitionen und die Vernichtung von Arbeitsplätzen.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Davor sollten wir die Bundesrepublik Deutschland bewahren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016900600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, ich empfehle uns, doch zuzuhören; auch das gehört zur Demokratie.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016900700
Lieber Kollege Seiters, nachdem unser Kollege Rappe, der sonst sehr oft für uns redet, heute morgen nicht dabei ist, will ich eine Minute meiner Redezeit — —

(Zurufe von der CDU/CSU: Er ist da!)

— Er ist da. Ich zitiere ihn, ich gebe ihm meine Redezeit.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Hermann Rappe hat zu Hessen gesagt:
Wir erwarten, daß der neue hessische Umweltminister seine Pflicht als Minister tut und daß er sich in die Disziplin einer Landesregierung einfügt. Wir erwarten ferner, daß alle verantwortungsbewußten Unternehmer ihre Entscheidungen nach objektiven Kriterien treffen und nicht nach Stammtischmaßstäben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sollte es aber Unternehmen geben, die sich absetzen, bin ich fast geneigt, zu wetten, daß sie bei ihrer Produktion in punkto Umweltschutz einiges ins reine zu bringen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, kein Parlament kann ungestraft hinnehmen, daß seine auf Grund von Wahlergebnissen getroffenen Entscheidungen durch gesellschaftliche Gruppen mit dem Einsatz von parlamentarisch nicht kontrollierter Macht konterkariert oder gar zum Schaden von Bürgern verändert werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Damit wir uns recht verstehen: Wenn eine gesellschaftliche Gruppe meint, daß eine Koalition gegen ihre Interessen gerichtet sei, oder meint, eine Regierung mache falsche Politik, dann ist es das Recht dieser Gruppe, dies laut zu sagen und dafür auch zu demonstrieren. Aber jeder von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, würde doch empört sein, wenn ein Gewerkschaftsvertreter mit dem Mittel des Streiks gegen eine Entscheidung einer von der Mehrheit getragenen Regierung vorgehen wollte.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




Westphal
Deshalb muß jeder von Ihnen, müssen wir alle, die wir unser Ja zu der parlamentarischen Demokratie ernst nehmen, mit aller Entschiedenheit Front machen gegen ein Verhalten, bei dem die andere Seite des Wirtschaftslebens, die unternehmerische Seite, die ihr gegebene Möglichkeit der freien Standortwahl als Drohung gegen eine Koalitionsbildung oder gar zur Erpressung einer anderen Politik benutzt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist demokratiefeindlich!)

Die Endphase der Weimarer Republik sollte jeden lehren, wohin es führen kann, wenn wirtschaftliche Macht politisch mißbraucht wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU])

Doch bevor ich, meine Damen und Herren, ein Wort zum Unternehmerverhalten sage, wende ich mich bewußt zuerst an diejenigen, die staatliche Verantwortung tragen. Da betreiben Minister benachbarter, CDU-geführter Bundesländer

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: RheinlandPfalz!)

Industrieabwerbung in Hessen. Die Wähler, um die die CDU in Hessen wirbt, werden sich sicher schön mit Beifall bedanken — oder nicht?

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Lassen Sie sie einmal wählen!)

Meine Damen und Herren, hier wird ein Verhalten praktiziert, das dem Geist des Grundgesetzes Hohn spricht

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Sie stellen die Dinge auf den Kopf!)

und außerdem bewußt Angst um die Existenzgrundlage in hessische Familien trägt.
Nun zu den Aussagen der Verbandsvertreter und Manager: Es ist schlimm, was da der Präsident des BDI gesagt hat. Es ist auch schlimm, wenn ein Manager von Hoechst Andeutungen über die Verlagerung von Investitionen macht. Es ist erst recht schlimm, wenn ausgerechnet das Unternehmen Sonnenschein ähnliche Töne ausspricht, ein Unternehmen also, dessen Zweigbetrieb in Berlin vom zuständigen Senator, der nicht den GRÜNEN angehört, wegen unzulässiger Umweltbelastung zeitweilig geschlossen werden mußte.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich! Er wurde wieder geöffnet!)

Meine Damen und Herren, ich mag trotz dieser Fälle nicht glauben, daß unsere Unternehmerschaft so unklug, so unvernünftig, ja, so wenig gemeinwohlbezogen ist; ich kann es mir nicht denken. Es wäre ja auch das Nachlaufen hinter einer eingebildeten eigenen Macht, wenn man sich gegen den Willen unserer Bürger stellen würde. Die erwarten von uns nämlich mit Recht, daß wir dieses Land demokratisch regieren und keine anderen Machtzentren zulassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Gilt das wirklich in jeder Situation, auch nachträglich für 1933?)

Bleibt noch ein wichtiger Gesichtspunkt: Arbeitnehmer haben nicht nur Sorgen vor irrationalen oder einseitigen Unternehmerentscheidungen

(Zuruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU])

— Herr Pfeffermann, Ihre Zwischenrufe kenne ich —, sondern sie haben — warum sollte man dies nicht offen aussprechen? — auch Sorgen vor einer möglicherweise illusionären Politik der GRÜNEN, die nicht abwägt, was in einem auf industrielle Arbeitsplätze angewiesenen Land vertretbar, machbar ist. Diese Sorgen nehmen wir Sozialdemokraten sehr ernst.

(von Schmude [CDU/CSU]: Die nehmen Sie überhaupt nicht ernst! Sie leugnen die Gefahren!)

Die sich daraus ergebende Frage ist doch: Sind diese Sorgen etwa bei der CDU oder gar bei der FDP besser aufgehoben?

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja, bei uns sind sie in der Tat besser aufgehoben!)

Nein, die Antwort kann nur sein: Diese Sorgen vor einer illusionistischen Politik sind in den Händen des Sozialdemokraten Holger Börner am besten aufgehoben.

(Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/ CSU] und von Schmude [CDU/CSU]: Wegen seiner Glaubwürdigkeit! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Dem wünschen wir guten Erfolg bei seiner schwierigen Aufgabe, mit schwierigen Partnern zu regieren.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016900800
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Ach, du meine Güte! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)


Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID1016900900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rot-grüne Aufgeregtheit über die angebliche Kapitalflucht aus Hessen ist an Scheinheiligkeit nun wahrlich überhaupt nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Wer hat sich denn aufgeregt?)

Das, was den GRÜNEN politisch nicht in den Kram paßt, wird, meine Damen und Herren, seit eh und je mit Demonstrationen, mit Hausbesetzungen und — nicht nur auf Startbahnen — mit Krawallen beantwortet. Das, was dem DGB und der SPD nicht ins politische Konzept paßt, wird mit Massendemonstrationen und Aktionswochen beantwortet. Aber



Hoffie
wenn in Hessen der eine oder andere Unternehmer darüber nachdenkt, wie denn künftig — —

(Anhaltende Unruhe)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016901000
Meine Damen und Heren, ich bitte, dem Redner zuzuhören.

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID1016901100
Wenn in Hessen der eine oder andere Unternehmer darüber nachdenkt, wie denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Konsequenz aus einem rot-grünen Bündnis zukünftig aussehen, dann wird dies als Eingriff in Kompetenzen von Parteien und Fraktionen oder als Revisionsversuch demokratischer Wahlen und als unheilige Verbrüderung von Kapital und Politik diffamiert, meine Damen und Herren.

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau das ist es ja auch! — Zurufe von der SPD)

Wenn wir soweit sind — diese Frage muß man sich j a stellen —, bevor die GRÜNEN in Hessen überhaupt in der Regierung sind, wie sieht es denn dann nachher mit der Meinungsfreiheit in diesem Lande aus, Herr Dr. Steger?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dabei besteht nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für alle Bürger in Hessen Anlaß zur Besorgnis. Denn SPD und GRÜNE gehen doch wohl davon aus, daß ihre hessische Koalition ernstgenommen werden soll. Dann muß man doch auch ernst nehmen, meine Damen und Herren,

(Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt!)

was in den Wahlprogrammen steht, was man in Wahrheit vorhat und was nicht in Koalitionsvereinbarungen hineingeschrieben worden ist.

(Rusche [GRÜNE]: Im Gegensatz zur FDP stehen wir zu unserem Programm!)

Meine Damen und Herren, dies ist doch auch dann ernst zu nehmen, wenn der Bundesvorstand der GRÜNEN sagt, da werde künftig ein Politchaot, einer, der keine Ahnung habe, im Kabinett sitzen. Da muß ich die Koalition doch auch ernst nehmen, obwohl sie sich auf einen doppelten Wahlbetrug gründet, nämlich einerseits darauf, daß DIE GRÜNEN aus lauter Angst vor Neuwahlen ihren Grundsatz der Unabhängigkeit geopfert haben,

(Lachen bei den GRÜNEN)

und andererseits darauf, daß Herr Börner zwar immer regieren wollte, aber niemals mit den GRÜNEN.

(Zuruf von der SPD: Regen Sie sich doch nicht so auf!)

Es wäre gut, wenn die Unternehmer das wirklich ernst nehmen könnten, was der Ministerpräsident von Hessen in seiner Regierungserklärung gesagt hat, nämlich daß die hessischen Unternehmen nicht nur eine Bestands-, sondern auch eine Entwicklungsgarantie in diesem Lande hätten.

(Zurufe von der SPD: Natürlich!)

Aber wie es damit in Wahrheit aussieht, Herr Dr.
Steger, haben wir gerade im Zusammenhang mit
dem Gezerre um die Nuklearbetriebe in Hanau erfahren. Wer die Wahrheit in Hessen kennt, weiß, daß es dicke Aktenordner im hessischen Wirtschaftsministerium gibt — noch bevor DIE GRÜNEN dabei sind.

(Zurufe von den GRÜNEN: Aha!)

Diese werden ständig hin und her gereicht zwischen hessischem Umweltministerium und hessischem Wirtschaftsministerium und beinhalten die Fälle, in denen hessische Unternehmer aus bestimmten Gründen keine Genehmigung für bestimmte Anlagen und Vorhaben bekommen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Diese Aktenordner wird künftig Joschka Fischer unter dem Arm haben.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wie sieht denn die Politik alleine gegenüber den drei größten hessischen Arbeitgebern aus? Da steht in den Wahlprogrammen, aus Ford wolle man eine Fahrradfabrik machen. Ich weiß nicht, was man in Hessen aus Opel machen will. Da sagen DIE GRÜNEN seit Jahren: Wir wollen nicht nur die Abschaffung des Nachtflugverkehrs, sondern wir wollen den europäischen Flugverkehr eingestellt wissen. Da muß man einmal fragen, wie das künftig für diesen Arbeitgeber in Hessen aussieht. Da sagt man, die chemische Industrie solle bitte reduziert werden auf reine Ökowaren. Das betrifft dann nicht nur die Farbwerke Hoechst. Das ist alleine die Politik gegenüber den drei größten Arbeitgebern.

(Dr. Vogel [SPD]: Können Sie das Mikrophon nicht ein bißchen leiser stellen? Das tut einem ja weh!)

Nein, meine Damen und Herren, seit Jahren fordern DIE GRÜNEN den Ausstieg aus der Industriegesellschaft, die Abkopplung von der EG, den Verzicht auf den Export und damit den Verzicht auf jeden dritten Arbeitsplatz. Seit Jahren soll die Marktwirtschaft durch ein Rätesystem, sollen Unternehmer durch Struktur- und Sozialräte ersetzt werden. Das hat Herr Börner für die SPD ja schon auf dem Münchner Parteitag gefordert. Insoweit hat er wirklich recht mit seiner Behauptung, das Bündnis sei logisch und konsequent. Ist das die von Herrn Börner gerade beschworene neue Kultur in Hessen, wenn Unternehmen das Recht auf politische Stellungnahme abgesprochen wird? Ist das die proklamierte Aussöhnung zwischen Ökologie und Ökonomie? Das muß man doch fragen dürfen.
Dennoch, kein Unternehmer wird deshalb seine Fabrik unter den Arm klemmen und aus Hessen auswandern.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Dazu hat Hessen viel zu viele natürliche Standortvorteile.

(Zuruf von den GRÜNEN: Eben!)

Dazu gibt es genügend Vorteile, die die Wirtschaftskraft dieses Landes bisher begründet haben. Dabei
wird es bleiben. Hessens Lage, Hessens Infrastruk-



Hoffie
tur und Hessens qualifizierte Arbeitnehmer werden dafür sorgen, daß dieses Land ein Wirtschaftsland bleibt.

(Beifall bei der FDP Demonstrativer Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Der niedersächsische Kandidat Ihrer Partei, Herr Schröder, auch der Kanzlerkandidat zur Anstellung Johannes Rau

(Oh-Rufe von der SPD)

und dazu noch der Bundesvorstand der GRÜNEN haben erklärt, dieses hessische Bündnis werde kein Modell für die Bundesrepublik Deutschland sein. Ich glaube, dann hat der hessische Landesvorsitzende der FDP wirklich recht, wenn er sagt, das Gebot der Stunde sei etwas mehr Gelassenheit und weniger Aufgeregtheit und Scheinheiligkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016901200
Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.

Rudolf Dreßler (SPD):
Rede ID: ID1016901300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wer das Mehrheitsprinzip in Zweifel zieht, legt die Axt an die Wurzel der Demokratie.

(Zuruf von der CDU/CSU): Wer tut das

denn?)
Wo kommen wir hin, wenn jede in demokratischen Wahlen unterlegene Minderheit zum Widerstand gegen Parlament, Regierung und Gesetz aufruft?"

(Beifall bei der SPD — Scharrenbroich [CDU/CSU]: Wo ist das denn geschehen?)

Wenn Ihr Fraktionskollege Dr. Geißler anwesend wäre, hätte er jetzt lebhaften Beifall geklatscht, denn diese beiden Sätze stammen von ihm. Sie waren an die Friedensbewegung gerichtet, natürlich nicht an jene Verbandsfunktionäre und wohlgebetteten Manager, deren Hinweis auf den angeblichen drohenden Verlust tausender Arbeitsplätze an politische Nötigung grenzt.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Sehr gut!)

Die Debatte über die Regierungsbildung in Hessen nimmt von Tag zu Tag groteskere Formen an.

(Feilcke [CDU/CSU]: Die ganze Regierungsbildung ist grotesk!)

Sie wird im Stil einer Bananenrepublik geführt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Scharrenbroich [CDU/ CSU]: Eine Dachlattenregierung! — Feilcke [CDU/CSU]: Eine Bananenregierung!)

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Herr Langmann, will in Hessen das Chaos ausgemacht haben. Herr Langmann befürchtet es nicht; er stellt das Chaos für die Gegenwart fest.

(Dr. Vogel [SPD]: Hoi!)

Chaos steht für totale Verwirrung, steht für Auflösung aller Ordnungen.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Für etwas anderes!)

Das nenne ich einen demagogischen Umgang mit der Sprache.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und, wie ein Kommentator formulierte, es offenbart einen aufdringlichen Hang zur politischen Einflußnahme.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Die vom BDI-Präsidenten veröffentlichten Unterstellungen an die Adresse des hessischen Ministerpräsidenten und seine Arbeitsplatzhysterie — leider im Gleichklang mit der CDU — werfen die Frage auf, für welche Art Unternehmer dieser Mann eigentlich spricht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das unverantwortliche Gerede, daß vor dem Hintergrund der hessischen Koalitionsentscheidung Investitionen dort nicht mehr in Betracht kämen, ist nicht nur politisch anfechtbar. Es begünstigt ein Bild von Unternehmerentscheidungen, auf das die Preußische Elektrizitäts-AG zu Recht mit dem Begriff „Unsinn" reagierte.

(Dr. Vogel [SPD]: Aha! — Zuruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

Die Urheber dieser Kampagne haben nicht nur der politischen Kultur geschadet, sie haben auch der Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen.

(Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

Herr Langmann sollte als Präsident des BDI zurücktreten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Seine Positionen werden von der schweigenden Mehrheit deutscher Industrieller nicht akzeptiert.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Fischer Minister und Langmann zurücktreten: das ist das Richtige! Es ist unglaublich!)

Will die Christlich Demokratische Union eigentlich leugnen, daß die im Grundgesetz geforderte Bundestreue auch für das Verhalten der Länder untereinander gilt? Wieweit sind CDU-Landesregierungen bereit, rückwärts in die Geschichte zu gehen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Und die Landesregierung in Hessen?)

Welchem Lernprozeß haben sich CDU-geführte Bundesländer unterworfen, die die Versuche der Wirtschaft, ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Politik zu treiben, dadurch unterstützen, daß sie notorischen Umweltsündern Rabatt oder Asyl gewähren wollen?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es ist nicht auszudenken, welchen Aufschrei die
CDU/CSU organisiert hätte, wenn die deutsche Ge-



Dreßler
werkschaftsbewegung die Grenze politischer Nötigung für sich reklamiert hätte!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN — Feilcke [CDU/CSU]: Das macht sie doch ständig!)

Die Arbeitnehmer und ihre Familien beharren auf dem Vorrang der Politik. Deshalb muß es sie empören, wenn finanzschwache CDU-Landesregierungen wie Niedersachsen und Rheinland-Pfalz offenkundig bereit sind,

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

die ihnen vom Wähler auf Zeit übertragene Macht teilweise der Wirtschaft in die Hände zu legen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU — Pfeffermann [CDU/CSU]: Unglaubliche Demagogie! — Zuruf des Abg. Seiters [CDU/CSU])

Ob CDU-Politiker damit der immer noch jungen Demokratie in der Bundesrepublik einen Dienst erweisen, ist ihnen offensichtlich völlig egal.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Man kann es auch Schwachsinn nennen!)

Wieder einmal entsteht der Eindruck, als ob finanzkräftige Kreise sich mit Geld und Propaganda Regierungen nach ihrem Gutdünken zusammenzimmern wollten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, daß die Wahlentscheidung der hessischen Bürger Ihnen keine Mehrheit gegeben hat — der SPD allerdings auch nicht. Aber Sie können sicher sein, daß Holger Börner lieber allein regiert hätte.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ganz allein am liebsten, auch ohne Sozialdemokraten!)

Aber haben wir als Parlamentarier oder Minister über demokratische Wahlentscheidungen zu rechten?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Nein, wir haben nach bestem Wissen und Gewissen unsere Arbeit ausgeführt. Und das hat die sozialdemokratische Regierung in Hessen verantwortlich getan. Von allen Flächenstaaten

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Er hat schon ein paar Jahre ohne Wähler regiert!)

hat Hessen die stärkste Wirtschaftskraft pro Kopf der Bevölkerung.

(von Schmude [CDU/CSU]: Und die Kommunen sind am höchsten verschuldet!)

Die Arbeitslosigkeit liegt bei einer hohen Beschäftigungsquote ganz am Ende der Tabelle. Und ich sage Ihnen: Ihr Keksbäcker in Niedersachsen würde doch 24 Stunden am Tag Pressekonferenzen geben, wenn er auf solche Wirtschafts- und Arbeitsmarktzahlen verweisen könnte wie Holger Börner.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016901400
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.

Rudolf Dreßler (SPD):
Rede ID: ID1016901500
Als letztes einen Satz von Heiner Geißler: Wenn Blockaden, Sitzstreiks und Sabotage die Richtlinien der Politik bestimmen würden, wären demokratische Prinzipien außer Kraft gesetzt. — Ich habe Heiner Geißler nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE] — Feilcke [CDU/ CSU]: Die ganze Rede von Geißler zitieren!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016901600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glos.

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1016901700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die scheinheiligen und polemischen SPD-Reden sollen davon ablenken, daß sich diese traditionsreiche Partei mit einem Partner ins Bett gelegt hat, mit dem spazieren zu gehen man vor noch gar nicht allzu langer Zeit als unehrenhaft bezeichnet hat.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das sind die Wechselfälle des Lebens!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutschen Unternehmer sind Demokraten, aber die deutschen Unternehmen können auch rechnen, Gott sei Dank.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Im Gegensatz zu Ihnen!)

Noch immer haben wir, auch wenn Sie es nicht wollen und es Ihnen nicht gefällt, eine freie Wirtschaftsordnung. Und solange wir diese freiheitliche Wirtschaftsordnung haben werden, wird es freie Wahl des Arbeitsplatzes für die Arbeitnehmer und auch freie Wahl der Niederlassung für die Unternehmer geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn man dann beginnt, darüber nachzudenken, wo sich Investitionen noch lohnen, wie man noch längerfristig planen kann, so ist das meiner Ansicht nach nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der Unternehmer, die mit eigenem und mit dem Geld anderer Leute umgehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen doch, daß dies besser geschieht, als es die Neue Heimat mit dem Geld der Gewerkschaftsmitglieder getan hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Böcke zu Gärtnern macht, der muß sich nicht wundern, wenn sich Blumenfreunde überlegen, ob sie sich einen anderen Garten suchen. Und wer Politclowns wie den Herrn Fischer, der aus der AnarchoSzene kommt, zu Ministern macht,

(Lachen bei den GRÜNEN)

der muß sich nicht darüber wundern, wenn man dann überlegt, ob man von diesem Minister in Zukunft Genehmigungsbescheide erwarten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Glos
Die GRÜNEN haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß es ihnen um den Ausstieg aus der industriellen Gesellschaft geht, daß sie dabei die Vernichtung von Arbeitsplätzen locker in Kauf nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die deutschen Gewerkschaftsbosse haben in früherer Zeit davor gewarnt. Sie tun es zum Teil heute noch. Und wir sollten diese Warnungen sehr ernst nehmen.
Ich bin der Meinung, wir sollten weder Unternehmen aus Hessen abwerben noch ihnen verbieten, sich zu überlegen, ob sie sich woanders ansiedeln wollen. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht Schleichwerbung, sondern es ist offene Werbung, wenn ich sage, daß es in Bayern sehr viel Industriegelände gibt,

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

auch in meinem Wahlkreis. In Kleinostheim allerdings — das liegt gleich neben Hessen —

(Dr. Vogel [SPD]: Was kostet der Quadratmeter?)

habe ich gestern mit dem Bürgermeister telefoniert, und der hat mir gesagt, das Industriegelände dort, 80 000 qm, sei bereits vergeben, es sei fest in hessischer Hand.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Also, man muß dann schon ein Stückchen weiter nach Bayern wandern. Wie gesagt: Herzliche Einladung dazu.
Wir in Bayern sind bereit, die Rolle der liberalen Fürsten zu übernehmen, die in der Vergangenheit

(Dr. Vogel [SPD]: Hugenotten!)

die Hugenotten aus Frankreich — Sie sagen es — aufgenommen haben, nachdem sie sich dort nicht mehr hatten entfalten und wohlfühlen können.
Dieses Thema, von den GRÜNEN heute als Unternehmerschelte in die Debatte gebracht, wird für Sie zu einem Schuß nach hinten und macht uns möglich, deutlich zu machen, daß Sie eine Industrie- und wirtschaftsfeindliche Politik betreiben, daß Sie Leute wie Herrn Fischer zu Ministern machen, daß Sie in Zukunft nicht berechenbar sind, wenn es um Baugenehmigungen geht. Deswegen ist dieses Verhalten zu verurteilen.
Auch wenn wenige bayerische Kollegen anwesend sind: Alle haben mir gestern einzeln versichert, sie hätten in ihren Wahlkreisen noch Gelände anzubieten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das war ein guter Beitrag zum vorgezogenen Karnevalsbeginn!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016901800
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Grüner.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist aber kein GRÜNER!)


Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID1016901900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Niemand kann sich darüber wundern, daß die konkrete Aussicht auf eine Koalition zwischen Sozialdemokraten und GRÜNEN einen Schock ausgelöst hat, und zwar sicher nicht in erster Linie wegen der GRÜNEN, sondern wegen der Bereitschaft der Sozialdemokraten, unter diesen Voraussetzungen ein solches Bündnis einzugehen.

(Beifall bei der FPD und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Totale Unverläßlichkeit! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Tödlich für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmer!)

Die GRÜNEN haben oft erklärt, daß sie einen anderen Staat wollen. Ich erinnere nur an die besonders arbeitnehmer- und beschäftigungsfeindlichen Forderungen der GRÜNEN: an die Forderung nach sofortiger Stillegung aller Kernkraftwerke

(Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN)

zugunsten kleiner Kohlekraftwerke in der Übergangsphase, bis genügend regenerative Energieträger vorhanden sind, oder an die Forderung nach Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel mit dem Ziel, das Auto überflüssig zu machen.

(Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN — Unruhe bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wer sich angesichts der Beschäftigungslage in unserem Land solche Forderungen vergegenwärtigt, muß sich doch darüber im klaren sein, daß ein solches Bündnis zwischen SPD und GRÜNEN auch die Vorstellung einschließt, daß die mit politischen Mitteln beabsichtigte Umstrukturierung unserer Volkswirtschaft verheerende Auswirkungen haben müßte,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen die GRÜNEN doch!)

wenn dafür politische Mehrheiten gefunden würden.
Meine Damen und Herren, eine Umstrukturierung, wie sie in diesen beiden Fällen als politische Zielsetzung angekündigt ist, würde in ihrer Auswirkung auf die Beschäftigung in unserem Lande die beiden Ölpreiskrisen und ihr Gefolge als ein Frühlingslüftchen erscheinen lassen.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist der eigentliche Hintergrund der Befürchtungen.
Wenn nun Herr Ministerpräsident Börner dieses Bündnis in Hessen auch als eine Chance für die Versöhnung zwischen Ökologie und Ökonomie anpreist und wenn die Sozialdemokraten in ihrer Bereitschaft, den GRÜNEN einen Schritt entgegenzu-



Parl. Staatssekretär Grüner
gehen, den Verzicht auf die Kernenergie — wenn auch nur langfristig — aussprechen, dann muß man doch einmal nüchtern fragen: Was bedeutet denn ein Verzicht auf Kernenergie für die Umweltpolitik? Das ist doch eine wirklich hohle Phrase, wenn wir uns nüchtern eingestehen, daß beim derzeitigen technischen Stand die Erzeugung von Energie aus Kernkraft die umweltfreundlichste Art der Energieerzeugung darstellt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Widerspruch bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, würden wir einmal unterstellen, daß die heute bei uns vorhandenen Kernkraftwerke nicht existieren würden und daß an ihrer Stelle Kohlekraftwerke in Betrieb wären

(Westphal [SPD]: Sie sind in einer Regierung, die auf Kohlevorrang festgelegt ist!)

— ich will das sagen, weil hier die Versöhnung von Ökonomie und Umwelt behauptet wird — durch Verzicht auf Kernenergie,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Richtig!)

dann würde das für uns in der Bundesrepublik als Orientierungsgröße bedeuten: 450 000 t Schwefeldioxid mehr im Jahr, 250 000 t Stickoxide mehr im Jahr, 50 000 t Stäube mehr im Jahr.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Wenn wir uns vorstellen, die Großfeuerungsanlagenverordnung in ihren heutigen Ausprägungen wäre schon wirksam,

(Vogel [München] [GRÜNE]): Völlig unzureichend!)

und es würden diese Kernkraftwerke durch Kohlekraftwerke modernster Bauart ersetzt, durch Kraftwerke, die unseren zukünftigen Umweltschutzvorschriften entsprechen, wären es immer noch 70 000 t Schwefeldioxid mehr, 40 000 t Stickoxide mehr und 10 000 t Stäube mehr. Wer hier von einer Versöhnung von Ökologie und Ökonomie spricht und die Abschaffung der Kernenergie fordert, der täuscht seine Wähler!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Lassen Sie mich hinzufügen, daß sich die von mir als Orientierungsgröße genannten Umweltbelastungswerte verdreifachen würden, wenn etwa unsere unmittelbaren Nachbarn, die Schweiz, Frankreich, die Niederlande, Belgien, die CSSR und die DDR, nicht auch einen Teil ihrer Energie mit Kernkraft erzeugen würden.
Ich meine, daß es darauf ankommt, daß diese Zusammenhänge gesehen werden, und daß das der Hintergrund der berechtigten Sorgen ist, die wir alle angesichts dieses Bündnisses haben.
Wenn beispielsweise der Hoechst-Vorsitzende Hilger angesichts des rot-grünen Bündnisses von einer „gewissen Bestürzung" gesprochen hat und die Verlagerung von Investitionen in andere Bundesländer als „durchaus ernste Alternative" bezeichnet hat, so ist das j a nichts anderes als das, was etwa der Vorsitzende der IG Chemie, unser Kollege Rappe, in diesem Zusammenhang gesagt hat. Er hat wörtlich gesagt: „Wichtige Investitionsentscheidungen für die Zukunft und damit für neue Arbeitsplätze werden verhindert."

(Hört! Hört! bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was für Gewerkschafter gilt, gilt auch für andere Gruppen. In unserer Demokratie können gesellschaftliche Kräfte, aber auch einzelne politische Entscheidungen zu beeinflussen versuchen und auch Bedenken gegen absehbare Entwicklungen vortragen. Sie müssen die Verantwortung dafür tragen. Nichts anderes ist hier geschehen. Niemand — Herr Dreßler, diesen Popanz müssen Sie sich nun wirklich abschminken — aus der Industrie und aus der Politik hat der SPD und der hessischen Landesregierung das Recht auf autonome politische Entscheidungen bestritten, niemand!

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Gar nicht wahr!)

Die Wirtschaft muß bei ihren Entscheidungen aber auch die Vorteile und die Behinderungen einkalkulieren, die durch politische Mehrheiten im Landtag von Hessen geschaffen werden oder geschaffen worden sind. Sonst liefe die Industrie Gefahr, Arbeitsplätze und Produktivkapital auf schwankendem Grund aufzubauen.
Diese Bundesregierung will der Bevölkerung Vertrauen und Zuversicht in eine verläßliche Politik der Sozialen Marktwirtschaft vermitteln. Gerade der Bundeswirtschaftsminister weiß — er hat das immer betont —, wie wichtig das Wirtschaftsklima für mehr Investitionen und damit für mehr Beschäftigung bei uns ist.
Meine Damen und Herren, wenn das neue Wirtschaftsprogramm der Sozialdemokraten, das ja noch nicht verabschiedet wurde, das aber schon auf dem Tisch liegt, wiederum eine Zusatzbesteuerung für die Besserverdienenden fordert, dann wird ja auch hier wieder eine Politik gefordert, die unsere Beschäftigung zusätzlich belasten würde. Denn wir haben j a gestern hier in diesem Hause darüber diskutiert, daß gerade die etwa 1,9 Millionen kleinen Unternehmen und Selbständigen hier in der Bundesrepublik, die zwei Drittel aller abhängig Beschäftigten stellen und deren Erträge heute mit 70 % Steuer belastet sind, von einer solchen zusätzlichen Besteuerung betroffen würden. Das ist das Gegenteil dessen, was etwa die fünf wirtschaftswissenschaftlichen Institute als eine Voraussetzung für mehr Investitionen und für mehr Beschäftigung gefordert haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Auch deshalb ist es so ernst zu nehmen, wenn die Sozialdemokraten in Hessen ihre Hand ausstrekken und damit die Bereitschaft der SPD erklären, um ihrer Mehrheitsfähigkeit willen eine Politik der Grünen zu unterstützen, die ich hier charakterisiert habe.

(Zurufe von der SPD)

Die für Hessen politisch Verantwortlichen müssen sehen, welche Konsequenzen sich aus einem Bündnis mit den Grünen für das Investitionsklima



Parl. Staatssekretär Grüner
in der Region ergeben. Ich fordere die hessische Landesregierung auf, alles zu unternehmen, damit sich für Hessen beim Wirtschaftsklima kein negatives Gefälle zu anderen Bundesländern ergibt — im Interesse der Arbeitslosen und der Beschäftigten in Hessen, die auch in Hessen ihre Chancen für mehr und wettbewerbsfähigere Arbeitsplätze nicht unnötig geschmälert sehen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016902000
Das Wort hat der Abgeordnete Voigt (Frankfurt).

(Feilcke [CDU/CSU]: Herr Voigt, versuchen Sie es jetzt doch mal sachlich!)


Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID1016902100
Herr Staatssekretär, ich glaube, wenn Sie ehrlich wären, dann würden Sie selber auch eingestehen: Ihre staatspolitischen Bedenken sind vorgeschoben. In Wirklichkeit fürchten Sie, daß FDP und CDU durch diese Koaltion auf Dauer von der Regierungsverantwortung in Hessen ausgeschlossen bleiben. Das ist auch so, und so soll es auch sein.

(Beifall bei der SPD — von Schmude [CDU/CSU]: Das Gegenteil ist der Fall! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Also doch ein Probelauf für den Bund! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Denn wirtschaftspolitisch gesehen ist es ja völlig klar: Die Arbeitsplätze in Hessen sind sicherer als in den meisten anderen Bundesländern. Die Arbeitslosenzahlen in Hessen sind niedriger

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Noch! — von Schmude [CDU/CSU]: Die Schulden sind höher!)

als in den meisten von der CDU geführten Bundesländern. Mit seiner wirtschaftlichen Leistungskraft liegt Hessen an der Spitze aller Bundesländer.

(von Schmude [CDU/CSU]: Das haben wir doch schon gehört!)

Das Wirtschaftswachstum in Hessen ist höher, und die Zahl der Konkurse ist niedriger als in anderen Bundesländern.

(Beifall bei der SPD — von Schmude [CDU/CSU]: Nun vergessen Sie doch bitte die Schulden nicht!)

Das ist eine erfolgreiche Leistungsbilanz hessischer Politik. Diese Politik wird jetzt von Holger Börner fortgesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung fordert Optimismus. In Hessen ist wirklich Anlaß und Grund für Optimismus.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, die jetzt
gegen die Politik der hessischen Landesregierung
stänkert, ist in Wirklichkeit ein Kostgänger der hessischen Landesregierung.

(Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

Hessen ist Zahlmeister für die meisten minderbemittelten CDU-Regierungen.

(Scharrenbroich [CDU/CSU]: Und Nordrhein-Westfalen!)

Hessen kann zahlen, weil es eine vorausschauende Politik betreibt, die Arbeit und Umwelt gleichermaßen sichert.

(Sehr gut! bei der SPD)

Denn Arbeitsplätze können durch Umweltschutz gesichert werden, und diese Politik betreibt Hessen. Die Bundesregierung dagegen hat durch ihr umweltpolitisches Chaos, z. B. in der Frage des Katalysators, sowohl der Umwelt geschadet als auch Arbeitsplätze gefährdet.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die hessischen Arbeitnehmer wissen, daß eine konsequente Umweltschutzpolitik nötig ist, damit ihre Arbeitsplätze auch langfristig gesichert bleiben.

(Zustimmung bei der SPD)

Und in Wirklichkeit wissen das auch die Vertreter der chemischen Industrie. Wenn man bei der Hoechst AG, die in meinem Wahlkreis liegt, nachfragt: Die sind doch immer stolz auf ihre Umweltschutzinvestitionen.

(Dr. Vogel [SPD]: Sie zeigen sie jedem!)

Sie zeigen sie jedem und sagen: Soundsoviel davon verkaufen und exportieren wir. Also auch die Hoechst AG verkauft Umweltschutz, und dabei werden auch bei ihr Arbeitsplätze gesichert.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Also ist das doch nicht der Grund der Beunruhigung!)

Sie weiß genau, daß Umweltschutz nötig ist, auch im Interesse der chemischen Industrie.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Dagegen haben wir doch auch gar nichts! Es geht um die Planungssicherheit für die Zukunft!)

Die Leute, die bei Hoechst arbeiten, arbeiten doch nicht nur dort, sondern sie leben auch in den Stadtteilen drum herum. Diese Bürger sind an Umweltschutz genauso interessiert wie jeder andere Bürger auch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn die Sprecher der Industrie jetzt versuchen, mit ihrer wirtschaftlichen Macht Parlamentarier unter Druck zu setzen, dann wissen sie doch genau, daß das nicht klappt.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Die einzige Reaktion, die sie damit hervorrufen, ist
doch, daß auch in der SPD wieder darüber disku-



Voigt (Frankfurt)

tiert wird, ob man Investitionsentscheidungen der Industrie demokratisch kontrollieren muß.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Ob das die Reaktion ist, die die hessischen Industriellen wirklich wollen, und ob es im Interesse der hessischen Industrie liegt, diese Reaktion hervorzurufen, das frage ich mich.
Und dann ist doch auch ganz klar: Jeder hessische Minister muß nach Recht und Gesetz entscheiden, und er wird auch nach Recht und Gesetz entscheiden — übrigens auch ein Landesminister Joschka Fischer.
Das ist doch das eigentlich Interessante an dieser gesamten Entwicklung: daß bei den GRÜNEN inzwischen ein rasanter Veränderungsprozeß stattfindet, wenigstens bei den GRÜNEN in Hessen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Bei der SPD auch!)

noch nicht bei den GRÜNEN auf Bundesebene, nicht so, daß man auf Bundesebene eine Koalition machen könnte.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber in Hessen benehmen sie sich inzwischen weitgehend wie eine stinknormale parlamentarische Partei.

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Jeans sind zwar geblieben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind korrumpiert!)

aber die versprochene „neue Zärtlichkeit" ist einem erbitterten innerparteilichen Machtkampf gewichen. Und diejenigen, die ursprünglich als Fundamentalopposition gegen alle anderen Parteien antraten, sind inzwischen zu Kompromissen und Koalitionen bereit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind jetzt gewendet!)

Ich begrüße das. Sie übernehmen Funktionen im Staatsapparat.

(Zuruf von der FDP: Kompromißgrüne!)

Damit sind sie zum Teil dessen geworden, was Joschka Fischer mal „Teil der öffentlichen Gewalt" nannte. Sie sind zum Teil der öffentlichen Gewalt geworden. Er selber ist zum Teil der öffentlichen Gewalt geworden.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn ein ehemaliger Streiter im Häuserkampf jetzt plötzlich zum staatstragenden Minister wird, zum etablierten Politiker, dann kann ich als Sozialdemokrat das doch nur begrüßen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein rapider Wandlungsprozeß auf dem Weg zum parlamentarischen Reformismus.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das hat Adolf Hitler auch so von sich gesagt!)

Und wenn ihn jetzt Gruppierungen in Frankfurt mit Eiern bewerfen, die 10 Jahre vorher mit seiner Unterstützung mich mit Eiern bewarfen,

(Heiterkeit)

dann meine ich, daß das bei ihm einen Lernprozeß auslösen sollte: einen Lernprozeß nicht nur in Richtung Parlamentarismus — den vollzieht er zur Zeit bereits —, sondern auch in Richtung Sozialdemokratie.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016902200
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID1016902300
Aber noch wichtiger ist es, daß sich nicht nur einzelne GRÜNE sozialdemokratisieren, noch wichtiger ist es, daß grüne Wähler die Sozialdemokratie wählen.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016902400
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1016902500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den vielen Stichworten dieser Diskussion möchte ich zwei aufnehmen. Das eine ist die Frage nach den demokratischen Spielregeln, die Herr Westphal gestellt hat, und das andere ist das Stichwort vom Herrn Kollegen Voigt von dem rasanten Veränderungsprozeß.
Der „rasante Veränderungsprozeß", Herr Kollege Voigt, hat sich nicht bei den GRÜNEN vollzogen, sondern beim hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen haben Herr Börner und die sozialdemokratische Partei in Hessen ein Glaubwürdigkeitsproblem, das durch noch so forsche Sprüche und polemische Reden von Ihrer Seite nicht aus der Welt geschafft werden kann. Es sind dieselben grünen Abgeordneten in Hessen, die Kandidaten vor der Wahl, die Abgeordneten nach der Wahl. Es sind dieselben grünen Parolen und Programme, die Herr Börner bis in die jüngste Vergangenheit als — wie das dann so heißt — „politikunfähig" beschrieben hat, von deren Verwirklichung oder auch nur teilweisen Beeinflussung der Politik des Landes Hessen er verhängnisvolle Folgen für die Bürger, die wirtschaftliche Zukunft, den Arbeitsmarkt vorhergesagt hat. Es ist überhaupt nicht wahr, daß sich die Personen — Herrn Fischer kennen wir aus langjähriger Tätigkeit im Deutschen Bundestag — und die Positionen so grundlegend verändert haben. Wahr ist, daß Herr Börner das vertritt, was er gestern verurteilt hat, daß Herr Börner und seine Pflichtverteidiger in diesem Hause heute das recht-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
fertigen wollen, was er gestern als eine Katastrophe beschrieben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist der Sachverhalt, der auch durch noch so viel Dialektik nicht aus der Welt geschafft werden kann.
Nun geht es um die demokratischen Spielregeln, Herr Kollege Westphal. Zu den demokratischen Spielregeln gehören in diesem Zusammenhang

(Zuruf von den GRÜNEN: Graf Lambsdorff!)

Investitionsentscheidungen, nicht das Mehrheitsprinzip. Hierzu gehört das Recht auf Freizügigkeit, auf Niederlassungsfreiheit, ein Grundrecht für Bürger und ein Grundrecht auch für Unternehmer, das nicht zur Disposition irgendwelcher Mehrheiten steht.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Das ist nicht nur ein Grundrecht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in der Europäischen Gemeinschaft.

(Dreßler [SPD]: Darum geht es doch gar nicht! Sie reden daran vorbei!)

Es gilt heute — was ein großartiger Tatbestand ist
— faktisch für alle westlichen Industrieländer. Im Jahre 1909 ist einmal die Firma IBM aus den Vereinigten Staaten nach Sindelfingen gegangen. Warum? Marktchancen,

(Dr. Sperling [SPD]: Weil es GRÜNE in Amerika gab!)

qualifizierte Arbeitnehmer und eine attraktive Gesetzgebung! — Man kann alles in der Form von Kabarettismus behandeln. Das machen Sie in Hessen zur Zeit j a auch und verlieren Ihre Glaubwürdigkeit als SPD dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gab also eine attraktive Gesetzgebung, die eine solche Investition vernünftig erscheinen ließ.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Was heißt das in Sachen Umweltschutz?)

— Eine attraktive Gesetzgebung heißt, daß die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Steuerquote, die Abgabenquote bei jeder Investition eine große Rolle spielen. Das ist doch eine bare Selbstverständlichkeit. Das gilt selbst für alternative Betriebe heute, die sich auch überlegen, wohin sie gehen, sobald sie ernsthafte Produktion betreiben.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das heißt Abschreibung für Umweltvernichtung!)

Nur haben Sie im Elfenbeinturm der Universität Bremen jeden Kontakt mit der Wirklichkeit arbeitender Menschen verloren, Herr Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In den 60er Jahren sind so Tausende von ausländischen Unternehmen zu uns gekommen. Sie haben Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Natürlich sind unter diesem Vorzeichen auch zwei- bis dreistellige
Milliardenbeträge von deutschen Unternehmen im Ausland investiert worden. Wir begrüßen das. Wir begrüßen es vor allem, wenn sie in Schwellen- und Entwicklungsländer gehen und dort Arbeitsplätze schaffen.
Aber wohin gehen diese Investitionen? Sie gehen in der Regel in Länder und Regionen mit einem stabilen und wirtschaftsfreundlichen Klima.

(Zuruf von den GRÜNEN: Südafrika!)

Deswegen haben unsere Vorgänger — Herr Kollege Vogel, auch Regierungen, denen Sie angehört haben — über 70 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen — deutsche Regierungen seit den 60er Jahren —, um die Voraussetzung gegen politische Risiken zu verbessern. Das ist die erklärte Politik der verschiedenen Bundesregierungen in den letzten 25 Jahren gewesen.
Aber in puncto Hessen — das muß ich Ihnen sagen — würde keine private Versicherungsgesellschaft heute ein solches politisches Investitionsschutzabkommen ins Auge fassen bei den Risiken, die dort jetzt durch Ihr verantwortungsloses Handeln geschaffen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Natürlich, meine Damen und Herren, gibt es auch Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland.

(Zuruf von der SPD: Das ist unglaublich! — Lutz [SPD]: Das ist so unsinnig!)

— Das ist doch ein Tatbestand, über den ich hier spreche. — In den letzten 25 Jahren haben sich über 500 Unternehmen aus Hamburg entschlossen, ihren Sitz nach Schleswig-Holstein zu legen. Auf diese Weise ist der Süden des Landes — leider nicht der Norden — eine der blühenden Wachstums- und Wirtschaftsregionen in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Warum?

(Zurufe von den GRÜNEN)

— Ich verstehe gar nicht, daß Sie sich bei der Darstellung von Tatsachen pausenlos erregen müssen, meine Damen und Herren. — Warum haben sie das getan? Reden Sie einmal mit Herrn von Dohnanyi darüber. Warum, Herr Kollege Vogel?

(Dr. Vogel [SPD]: Das ist eine Frage der Fläche!)

— Nein, das ist nicht ein Thema der Flächen, sondern Thema einer zu schwerfälligen, von mangelndem Verständnis für Investitionsnotwendigkeiten getragenen Hamburger Kommunalpolitik gewesen. Das ist der Grund gewesen.

(Dr. Vogel [SPD]: Waren Sie schon einmal Bürgermeister? Wissen Sie, wovon Sie reden? Keine Ahnung!)

— Herr Kollege Vogel, ich habe meine Jugend in einer schleswig-holsteinischen Stadt 30 km von der Hamburger Landesgrenze entfernt verbracht und bin elf Jahre lang Ministerpräsident des Landes



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Schleswig-Holstein gewesen. Mir zu sagen, ich hätte von diesen Problemen keine Ahnung,

(Dr. Vogel [SPD]: Keine Ahnung, Herr Stoltenberg!)

ist ebenso absurd wie das, was Herr Börner zur Zeit in Hessen über seine Politik erklärt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben Freizügigkeit. Wir haben länderübergreifende Investitionsentscheidungen innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik. Wir haben einen vernünftigen Wettbewerb der Bundesländer um attraktive Standortbedingungen.

(Dr. Vogel [SPD]: Die höchste Arbeitslosigkeit!)

Wir haben einen internationalen Wettbewerb der Steuersysteme, der Gesetzgebung, der politischen Rahmengrundlagen und Investitionen weit über Europa hinaus. Sie sollten unter diesen Bedingungen, unter denen wir leben und arbeiten, unter denen Entscheidungen für und gegen Arbeitsplätze fallen, aufhören, mit den Parolen der Schlagworte, der Polemik, der Drohungen und der Klischees zu bestreiten, daß das, was in Hessen mit einer zentralen Verantwortung des früheren Abgeordneten Fischer für die Energie- und Umweltpolitik geschieht, ohne Wirkungen auf die wirtschaftlichen und Arbeitsmarktdaten der Zukunft bleibt. Freie Bürger entscheiden, wo sie leben und arbeiten wollen, und freie, selbstverantwortliche Unternehmer entscheiden, wo sie investieren. Diese Grundtatsachen können Sie durch noch so viele Sprüche nicht aus der Welt schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016902600
Ich erteile dem hessischen Staatsminister für Wirtschaft und Technik, Herrn Dr. Steger, das Wort.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID1016902700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß der hessische Ministerpräsident Holger Börner keine andere Wahl hatte, diese Koalition unter den zweifellos schwierigen Bedingungen einzugehen, so hat ihn die heutige Debatte erbracht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Denn was hier vom „Stahlhelm"-Flügel der Union vorgetragen worden ist

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)

— und die hessische CDU steht ja für diesen Flügel —,

(Zuruf von der CDU/CSU: „Keine Ahnung"!)

ist ja nun wirklich für Sozialdemokraten weder koalitions- noch konsensfähig.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016902800
Herr Staatsminister, wir haben in diesem Parlament vereinbart, daß wir bestimmte Bezüge auf die Vergangenheit zurückweisen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(von Schmude [CDU/CSU]: Der Herr Staatsminister muß sich rügen lassen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Staatsminister, fahren Sie in Ihrer Rede bitte fort.

(Zurufe von der CDU/CSU: Rote Karte für ihn!)


Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID1016902900
Herr Abgeordneter Hoffie, wenn Sie hier die instabilen Verhältnisse in Hessen beklagen, so muß ich Sie daran erinnern, daß dies die Folgen des mißglückten Putsches zum Sturz der sozialliberalen Koalition sind, den Sie in Hessen inszeniert haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Es ist unglaublich! „Putsch" nennt er das! — von Schmude [CDU/CSU]: Pfui!)

Meine Damen und Herren, ich — —

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das wird man mit Aufmerksamkeit hören! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016903000
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, daß wir uns gegenseitig zuhören. Es gehört auch zur politischen Kultur einer Demokratie, daß man sich gegenseitig zuhört.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID1016903100
Herr Präsident, meine Damen und Herren, hier ist Herr Rappe als Vorsitzender der IG Chemie zitiert worden. Er sitzt hier im Saal.

(Seiters [CDU/CSU]: Warum redet er eigentlich nicht?)

— Herr Rappe, ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus — nicht nur, weil ich mich Ihnen und Ihrer Gewerkschaft persönlich verbunden fühle — gern versichern, daß das, was Sie als Erwartung an die hessische Landesregierung hinsichtlich der Stabilität und Gesetzestreue der Landesregierung formuliert haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er nicht ohne Grund gesagt!)

Ministerpräsident Holger Börner auch in Zukunft so garantieren wird, wie er es in der Vergangenheit getan hat.

(Beifall bei der SPD)

Von daher besteht nicht der geringste Anlaß,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Dachlatten-Holger)

daß Parteien und Wirtschaftsverbände, die sonst bei jeder Gelegenheit versuchen, Mitbestimmungsrechte zu beschneiden und sich einer aktiven Beschäftigungspolitik zu verweigern, plötzlich Krokodilstränen für Arbeitnehmerinteressen verlieren.
Meine Damen und Herren, die hessischen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften wissen, daß auch die hessische Landespolitik für sie viele Chancen



Staatsminister Dr. Steger (Hessen)

eröffnet und daß in dieser Konstellation Fortschritte für Arbeitnehmer möglich sind, die woanders und in anderen politischen Konstellationen nicht möglich gewesen sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der FDP: Welche? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Es war doch wirklich auffällig in den Argumenten der Oppositionsparteien — ich wollte sagen: der künftigen Oppositionsparteien —, der Koalitionsparteien, daß sie peinlich vermieden haben, auch nur mit einem Satz auf die Politik einzugehen, die die hessische Landesregierung nun immerhin seit drei Jahren betreibt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das nennen Sie Politik? — Freiherr von Schorlemer [CDU/ CSU]: Der Dachlatte!)

Wir sind unter den Stichworten Arbeit, Umwelt, soziale Gerechtigkeit angetreten, um in der Tat eine Alternative zur Bundespolitik zu zeigen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Lassen Sie mich nur zwei Beispiele aufzeigen, die Ihnen vielleicht verdeutlichen, warum auch die Politik der hessischen Landesregierung dazu beigetragen hat, daß dieses Land so gut dasteht,

(Zuruf von der FDP: Trotz Börner!)

wie hier schon mehrfach hervorgehoben; ich will das nicht wiederholen.
Als ich mein Amt antrat,

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Waren Sie noch ein einigermaßen vernünftiger Kerl, aber jetzt?!)

wurde von der hessischen CDU der Vergleich zwischen dem Kohlekraftwerk Borken aus den 50er Jahren und dem Kraftwerk Buschhaus mit der größten Dreckschleuder gezogen.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)

Wir haben in schwierigen Verhandlungen mit der PREAG aber dann letztlich im Konsens erreicht, daß Borken sehr viel schneller nachgerüstet wird als das die Großfeuerungsanlagen-Verordnung vorsieht, sondern daß das Kraftwerk dann auf ein Sechstel der Werte geht, die Herr Zimmermann für Altanlagen noch für zulässig hält.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Wenn wir diese Politik nicht gemacht hätten, wäre in Borken nicht nur das Kraftwerk 1986 geschlossen worden, sondern wären auch 900 Arbeitsplätze im Braunkohlenbergbau hinfällig geworden.

(Beifall bei der SPD)

Durch die Umweltschutzinvestitionen haben wir nicht nur den Umweltschutz vorangebracht, sondern auch 900 Arbeitsplätze im Braunkohlenbergbau gerettet.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Beispiel für die Politik der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Seiters, wenn die hessische Lehrstellenbilanz so schlecht wie die niedersächsische oder die schleswig-holsteinische aussehen würde,

(Zurufe von der CDU/CSU: Die nordrheinwestfälische!)

dann würde ich mich schämen, hier zu reden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Daß die hessische Lehrstellenbilanz so gut aussieht,

(Zuruf von der FDP: Trotz Börner!)

hat etwas damit zu tun, daß sich die Landesregierung in einem überdurchschnittlichen Ausmaß engagiert und zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hat.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Es fehlen doch 3 500!)

Jeder zehnte Ausbildungsplatz in Hessen ist 1984 mit den Mitteln der Landesregierung finanziert und gefördert worden, und damit haben wir ein Beispiel dafür gesetzt, daß aktive Beschäftigungspolitik zu positiven Ergebnissen führt und daß wir den jungen Leuten eine Ausbildungschance in Hessen bieten können.

(Beifall bei der SPD — Feilcke [CDU/CSU]: Das ist an der Wahrheit vorbei! Sie wissen, daß in Hessen die Steigerungsraten unterdurchschnittlich sind!)

Ich möchte hier meine Zeit nicht überziehen; lassen Sie mich nur einen abschließenden Satz zu den Vertretern der Bundesregierung sagen. Ich will hier nicht auf die gute Übung, Herr Bundesminister Stoltenberg, verweisen,

(Zuruf von der SPD: Der hört gar nicht zu!)

daß normalerweise Verfassungsorgane nicht öffentlich miteinander streiten. Aber ich hätte von Ihnen und vom Bundeswirtschaftsminister schon erwartet, daß Sie die CDU/CSU-regierten Bundesländer darauf aufmerksam machen, daß es unzulässig ist, Subventionen anzubieten, um aus Hessen Unternehmen abzuwerben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Hoffie [FDP]: Das macht Hessen seit Jahren!)

Die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe sind dafür da, überall in strukturschwachen Ländern neue Arbeitsplätze zu schaffen, und nicht dafür, noch eine finanzielle Prämie dafür zu zahlen, daß sich manche Unternehmen offensichtlich erhoffen, sie bekämen in CDU-regierten Ländern einen Rabatt auf die Umweltgesetze.

(Beifall bei der SPD)

Mittlerweile hat die Industrie selber erkannt, wie sie Standortbedingungen belastet, wenn sie diesen Eindruck erweckt, manche Betriebe würden in Regionen gehen, weil dort die Umweltschutzgesetze nicht so eingehalten würden wie in anderen Ländern. Wissen Sie, was Sie als Konservative wirklich



Staatsminister Dr. Steger (Hessen)

bedenken sollten — ich sage das in allem Ernst —: Die Konservativen hatten traditionell ein Verständnis dafür, daß der Staat nicht zur Beute von Interessengruppen werden soll, sondern daß er über den Interessengruppen stehend

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Konflikte in einer pluralistischen Gesellschaft regulieren und ausbalancieren muß. Aber die Art und Weise, wie sich die Bundesregierung auch heute morgen zu Spießgesellen von einzelnen Interessengruppen gemacht hat, ist staatspolitisch ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Sie reden von Spießgesellen, mit denen Sie morgen wieder reden müssen!)

Die hessische Landesregierung wird ihren Verfassungsauftrag wahrnehmen, und wir werden uns hüten, in eine solche moralisch skandalöse Position zu rutschen, wie es die Bundesregierung getan hat.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016903200
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1016903300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister Steger hat Fragen und ungewöhnliche harte Attacken gegen die Bundesregierung gerichtet. Ich will zu seinen Fragen Stellung nehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Übel war das!)

Herr Minister Steger, Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung auch bei der Verwendung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsförderung auf Recht und Gesetz achten wird. Diese Mittel können nicht für einen gegen die Vorschriften verstoßenden unlauteren Subventionswettbewerb verwandt werden.
Daß wir auf Recht und Gesetz achten, hat die Bundesregierung deutlich gemacht, indem sie Ihnen die Anweisung gegeben hat — eine Anweisung war ja hier notwendig —, die nach Recht und Gesetz erforderlichen Genehmigungen zur Sicherung der Arbeitsplätze und der Zukunft wichtiger hessischer Betriebe wie ALKEM und NUKEM in Hanau zu erteilen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Minister Steger, Sie sollten die Tatsachen nicht verdrehen. Sie waren wegen der gefährlichen Abhängigkeit von den GRÜNEN im Begriff, Recht und Gesetz zu brechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß Recht und Gesetz in diesem wichtigen Bereich auch in Hessen zur Anwendung kommen.

(Dr. Vogel [SPD]: Amnestieminister! — Weitere Zurufe von der SPD)

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Vogel, Ihre Aufregung wäre wenige Minuten vorher begründet gewesen.

(Dr. Vogel [SPD]: Das überlassen Sie mir! Reden Sie nicht über Recht und Gesetz! — Weitere Zurufe von der SPD)

Der Herr Minister Steger hat die Stirn gehabt, die Bundesregierung zu ermahnen, nicht zu Spießgesellen von einzelnen Interessenten zu werden.

(Pfui!-Rufe von der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Das ist eine Bemerkung eines Mitglieds einer Landesregierung an die Bundesregierung mit Ausdrükken wie Spießgesellen, die man nur mit Empörung in diesem Hohen Hause zurückweisen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Reden Sie mit Herrn Geißler! — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der neue hessische Stil! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

Der Herr Minister Steger hat als Mitglied des Bundesrates Diskussionen in der Freien Demokratischen Partei, in Hessen zu einem Regierungswechsel zu kommen, mit dem Ausdruck Putsch bezeichnet. Ich empfinde das als eine Ungeheuerlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist nicht die Sprache von Demokraten, Herr Steger.
Der Herr Minister Steger hat auch in dem j a erlaubten Lob der hessischen Leistung für die Ausbildungsplätze — ich habe da gar nichts hinzuzufügen — so nebenbei zwei andere Bundesländer, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in einer Weise herabgesetzt, die mit den Tatsachen, z. B. der hervorragenden Ausbildungsbilanz Schleswig-Holsteins, nichts zu tun hat. Ich empfinde das als eine Reihe von ungewöhnlichen Entgleisungen, die wir von der Bundesratsbank in diesem Hause nicht gewohnt sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016903400
Das Wort hat der hessische Staatsminister für Wirtschaft und Technik, Dr. Steger.

(Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt aber Mäßigung! — Nicht wieder so eine demagogische Rede!)


Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID1016903500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich



Staatsminister Dr. Steger (Hessen)

will nicht darüber nachkarten, Herr Bundesminister Stoltenberg,

(Zuruf von der CDU/CSU)

wer den Ton in diese Debatte gebracht hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben ihn eingebracht, Sie, Herr Steger! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Aber Sie müssen eines wissen: das Bundesland Hessen hat es nicht notwendig, sich in dieser Weise von der Bundesregierung schurigeln zu lassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Wir sind es mittlerweile gewohnt, daß die Bundesregierung alles tut, um die hessische Landesregierung und damit aber auch die hessischen Bürger, meine Damen und Herren, in vielfältiger Weise zu benachteiligen.

(Zurufe von der CDU/CDU)

Ich erinnere beispielsweise nur daran, daß bei der Fortschreibung des Bundesfernstraßenausbauplanes die hessische Quote entgegen allen objektiven Kriterien massiv gekürzt werden soll,

(Hört! Hört! bei der SPD — von Schmude [CDU/CSU]: Sie wollen doch gar keinen Straßenbau mehr mit den GRÜNEN, mit Ihrem Koalitionsfreund! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

nicht etwa deshalb, weil wir nicht genügend Projekte angemeldet hätten, ganz im Gegenteil;

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

wir haben noch so manches Umgehungsstraßenprojekt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen doch die GRÜNEN gar nicht mehr!)

— einige Kollegen, die mir Briefe schreiben, wir sollten das realisieren, sitzen ja hier —, das wir auch realisieren könnten.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ist es denn ein Zufall, daß beispielsweise der Bundesforschungsminister bei Eureka Projekte anmeldet und dabei das Bundesland Hessen, das ja nun eine anerkannte Forschungs- und Technologiekapazität hat, meidet wie der Teufel das Weihwasser?

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Er weiß ja gar nicht, worum es geht, der Forschungsminister! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Lassen Sie mich nur noch kurz auf das Thema Hanau eingehen, wobei ich gerne zugebe, daß dies mit zu den bittersten Erfahrungen in meinem Leben gehört.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Aber was war denn die Situation? Wir haben bei einer der Hanauer Firmen gravierende Rechtsverstöße festgestellt.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

— Nein, nein, meine Damen und Herren, Sie können Herrn Warrikoff gerne mal befragen, die zuständigen Beamten, gegen die die GRÜNEN ja Strafanzeige erstattet haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Ihre Koalitionsfreunde!)

sind alles andere als rot-grüne Chaoten;

(Zuruf des Abg. Hoffie [FDP])

so werden sich die Herren sicherlich nicht abstempeln lassen.

(Hoffie [FDP]: Sie hätten sich gelegentlich mal vor sie stellen können!)

— Herr Abgeordneter Hoffie, Ihre Partei hat bislang immer dankbar anerkannt, daß ich das auch getan habe.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen, was die Situation war. Eine der Hanauer Firmen hat gravierende Rechtsverstöße begangen, die uns in Vollzug der Atomaufsicht auf Grund der Gesetzeslage eindeutig gezwungen haben, zu handeln und zu reagieren. Ich glaube, daß, wenn das Atomgesetz nicht nur Papier sein soll, auch jedes andere Bundesland und jeder andere Minister so gehandelt hätte.

(Zuruf von der SPD: So hätte handeln müssen!)

Und was ist dann passiert? Herr Bundesminister Stoltenberg, nicht Recht und Gesetz, sondern Herr Warrikoff hat sich dann beim Bundesinnenminister die Weisung besorgt, die er in seinem Firmeninteresse brauchte.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist der eigentliche Skandal bei dieser Geschichte, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Ein Skandal, was Sie hier behaupten!)

Daß die GRÜNEN mich zwingen wollen, aus politischen Erwägungen dieses Genehmigungsverfahren nicht sauber durchzuführen, meine Damen und Herren,

(Zurufe von der CDU/CSU)

damit lebe ich. Wir haben durch unsere Entscheidungen bislang bewiesen, daß wir diesem Druck standhalten. Aber daß sich der für die Atomaufsicht zuständige Bundesinnenminister in dieser Weise dafür hergibt, sich ohne Konsultation mit der zuständigen Landesbehörde zum Handlanger einer Firma zu machen,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Demagoge allererster Ordnung! — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

dies hat mein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit mehr erschüttert, als alle grünen Forderungen zusammen. Dies will ich Ihnen hier mal deutlich sagen.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)




Staatsminister Dr. Steger (Hessen)

— Wissen Sie, was unglaublich ist?

(Dr. Bötsch [CDU/CSU] und Hinsken [CDU/CSU]: Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Dieses Parlament hat 1975 ein Gesetz verabschiedet, das die Hanauer Nuklearbetriebe einer nachträglichen Genehmigung unterwerfen soll. Ich frage Sie: Wieso, Herr Hoffie, haben Sie und Ihr Vorgänger acht Jahre lang keinen Strich an diesen Genehmigungsverfahren getan?

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Unerhört!)

Ich bin der erste Minister, der nach zehn Jahren eine positive Entscheidung in diesen Genehmigungsverfahren getroffen hat. Damit Sie klarsehen: Wir werden in diesem Genehmigungsverfahren auch weitere Entscheidungen zügig treffen, obwohl das Management uns Schwierigkeiten macht, weil es eben nicht bereit war, auf die Forderungen, die der Gesetzgeber in diesem Hause einstimmig beschlossen hat, mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit und Akribie einzugehen. Das ist die Lage in Hessen.
Wenn in dieser Situation gesagt wird, die hessische Landesregierung hielte sich nicht an Recht und Gesetz, dann antworte ich: Herr Bundesminister Stoltenberg, wir hatten die Kooperation mit den GRÜNEN platzen lassen, weil wir nicht bereit waren,

(von Schmude [CDU/CSU]: Aber jetzt sind Sie bereit, jetzt sind Sie zu allem bereit!)

uns dem Beschluß der Landesversammlung der GRÜNEN zu beugen, die atomrechtliche Genehmigung, die zu erteilen war, nicht zu erteilen. Aber der Bundesinnenminister hat dem Druck der Industrie nachgegeben und sich hier wider besseres Wissen seiner Beamten — ich wiederhole es — zum Handlanger einer Firma gemacht.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Unerhört!) Dies ist rechtsstaatlich der eigentliche Skandal.


(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich um Verständnis:

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir nicht!)

Das Bundesland Hessen hat eine lange und rechtsstaatliche Tradition.

(Zurufe von der CDU/CSU: Gehabt! — von Schmude [CDU/CSU]: Ein Handlanger der GRÜNEN sind Sie!)

— Nein. — Wir lassen uns nicht, gerade weil wir mit Stolz auf unsere Leistungen blicken, in dieser Art und Weise diffamieren, diskreditieren.

(Seiters [CDU/CSU]: Spießgesellen der GRÜNEN!)

Denn Sie erzeugen doch erst die miese Stimmung, die dann hinterher von den Unternehmern gegenüber der Landesregierung beklagt wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie polemisieren, Sie reden doch den Unternehmern was ein, Sie versuchen doch, sie zu verängstigen und sie zu veranlassen, daß sie ihre Firmen wie Beduinenzelte abbrechen und in andere Bundesländer bringen.

(Scharrenbroich [CDU/CSU]: Das schaffen Sie allein! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Sie erzeugen doch erst den Meinungsdruck, auf den hin dann solche unglückseligen Äußerungen entstehen, wie der BDI-Präsident sie getan hat.
Meine Damen und Herren, darüber sollten Sie sich klar sein; aber auch darüber, daß die Hessen eines zu wachen Sinnes sind, als daß sie das nicht bemerken würden. Die letzten Kommunalwahlen haben der CDU ja gezeigt, wie weit Sie mit Ihrem Gerede vom rot-grünen Chaos wirklich kommen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016903600
Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung und vom Bundesrat — —

(Anhaltende Unruhe)

— Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Es muß doch noch möglich sein, daß man sich in diesem Haus gegenseitig zuhört. — Die von der Bundesregierung und vom Bundesrat in Anspruch genommene Redezeit beträgt mehr als 30 Minuten. Damit verlängert sich nach den Richtlinien die Dauer der Aussprache ebenfalls um 30 Minuten.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Weirich.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wie heißt der Mann? — Heiterkeit bei den GRÜNEN)


Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID1016903700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Steger, ich möchte drei Bemerkungen machen.
Erstens. Nach dieser schlimmen Rede, die Sie hier heute morgen gehalten haben, fängt Hessen offensichtlich an, mit seiner langen und großen rechtsstaatlichen Tradition zu brechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein zweites: Die hessische CDU mag einen Stahlhelm tragen, Herr Steger, aber ein Stahlhelm ist besser als ein Brett vor dem Kopf.

(Beifall bei der CDU/CSU — Bueb [GRÜNE]: Sie tragen einen Stahlhelm und haben ein Brett vor dem Kopf!)

Ich möchte Ihnen ein Drittes sagen: Wenn wir zu der hessischen Politik nicht Stellung genommen haben, dann deswegen, weil uns dazu nichts mehr einfällt; denn in Hessen wird nicht regiert, sondern es wird nur noch intrigiert, und in Hessen wird nicht mehr gestaltet, sondern es wird nur noch unterdurchschnittlich verwaltet. Das ist das Problem Hessens.



Weirich
Vorgestern hat die „Berliner Morgenpost" geschrieben:
Wegen eines Parlamentsclowns wie Fischer als Energie- und Umweltminister geht die Demokratie nicht kaputt. Schlimmer ist das Verhalten der SPD, dieser bespiellose Glaubwürdigkeitsverlust.
Recht hat das Blatt. Nicht die GRÜNEN, die sich in ihrem Überlebenskampf jetzt an jeden roten Koalitionsstrohhalm klammern, sind das Thema, sondern die SPD und ihre Mehrheit „diesseits der Union", die Willy Brandt vor einigen Monaten bereits herbeigewünscht hat.
Die Wirtschaft und die Arbeitnehmer brauchen auch in Hessen Vertrauen. Ich sage Ihnen eines: Wer vor der Landtagswahl die GRÜNEN in der Nähe von Faschisten angesiedelt hat wie Herr Börner, wer inbrünstig den Wählern zugerufen hat: „Mit denen nie", wer als anständiger Sozialdemokrat und Naßrasierer gesagt hat, er möchte beim Anblick des Spiegels dort nicht hineinspucken müssen, und wer gleichzeitig gesagt hat — ich zitiere ihn wörtlich —, er werde denen mit der Dachlatte in die Fresse hauen, jetzt aber gleichzeitig mit dieser Gruppierung aus reinem Machtopportunismus paktiert, der verdient kein Vertrauen, sondern blankes und erklärtes Mißtrauen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer wie Holger Machiavelli die Wähler in einer solchen Weise an der Nase herumgeführt hat, der ist für den Glaubwürdigkeitsverlust und für den Zerfall der politischen Kultur in diesem Lande zuständig. Wer einem Abgeordneten wie Herrn Fischer zugerufen hat — an dieser Stelle hat Herr Börner das getan —, er sei politikunfähig, ihn jetzt aber unkritisch als Minister ins Kabinett holen will, der hat jeden Bezug zur Leistung und zu seiner eigenen Aussage verloren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Wirtschaft trifft ihre Investitionsentscheidungen nicht nach Gunst und Laune, auch nicht nach Parteibuch, sondern nach Rentabilität und Rahmenbedingungen. Was hat sie von Ihnen in Hessen bekommen? Beschimpfungen wegen angeblicher Profitgier, partielle und temporäre Investitionsverbote, Blockade neuer Technologien und immer wieder behördliche Verschleppungstaktik. Daß das zu Investitionsattentismus führen muß, ist doch klar. Es haben ja auch Sozialdemokraten eindringlich davor gewarnt: der zurückgetretene Finanzminister Reitz, der SPD-Bundestagsabgeordnete Rappe, der Staatssekretär Lenz. Und ein Abgeordneter aus Ihren Reihen legt jetzt sein Mandat nieder — Herr Haase aus Fürth —, weil er diese ominöse Entwicklung nicht mehr mittragen kann.
Da wundern Sie sich über Besorgnisse von Unternehmungen, sprechen von einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Wer am Rande der Arena steht und zu der sozialdemagogischen Kampagne des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen die erfolgreiche Politik der Regierung Kohl Beifall klatscht und gleichzeitig Unternehmern einen
Maulkorb umhängen will, der handelt linksautoritär — doppelbödig in unglaublicher Form.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich drei Schlußbemerkungen machen.
Mittel- bis langfristig werden Sie die Standortgunst des Rhein-Main-Gebietes verspielen. Wir finden das nicht schön, weil wir als hessische Abgeordnete stolz sein wollen auf unser Land und weil dieser unheilvolle Kurs uns alle belastet.
Ein Zweites: Die beste Wirtschaftspolitik für Hessen wäre ein schneller Regierungswechsel auch in Wiesbaden, damit die positiven Wirkungen der Wirtschaftspolitik der Regierung Kohl zum Tragen kämen.
Eine dritte und letzte Bemerkung: Der liebe Gott, die Wähler, Helmut Kohl und auch die Union mögen uns 1987 vor einem Wiesbadener Modell in Bonn bewahren, für das jetzt der Probelauf gestartet wird. Wer Raus Abgrenzungssprüchen gegenüber den GRÜNEN glaubt, dem sei die politische Lebensgeschichte eines Holger Börner zum Studium empfohlen. Glaube und Glaubwürdigkeit gehören in der Politik zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016903800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1016903900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wenn man die hessische Regierungspolitik und politische Entwicklung der letzten zwei Jahre beobachtet: sozusagen vom Streit mit der Dachlatte über ein zweijähriges Konkubinat in eine ungeliebte Ehe. Aber wer muß die Kosten für diese Ehe und die bevorstehende Scheidung zahlen?

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das sind die Arbeitnehmer in Hessen. Denn die Voraussetzungen für eine vernünftige Entwicklung in Hessen werden jetzt zerstört. Die Folgen werden wir erst in den 90er Jahren erleben.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN — Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Denn was ist die Mitgift, die die sozialdemokratische Braut in diese Ehe einbringen muß? Sie muß ihr zartrosa Kleid der Tugenden einer alten Arbeitnehmerpartei ablegen, um mit einem ungeliebten dahergelaufenen Heiratsschwindler ins Bett gehen zu müssen, der eigentlich einer östlichen Braut in einem feuerroten Kleid schon längst versprochen ist.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die Situation.
Und wenn der Herr Steger hierher als Wolf im Schafspelz kommt,

(Zurufe von den GRÜNEN)

dann soll das niemanden darüber hinwegtäuschen,
welche Gefahr hinter einer solchen Entwicklung in



Dr. Solms
Hessen, aber nicht nur in Hessen, sondern für das ganze Bundesgebiet steht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

Ich will mir nicht vorwerfen lassen, hier nicht rechtzeitig davor gewarnt zu haben.
Ich will ein Weiteres sagen.

(Voigt [Frankfurt] [SPD]: Daß Sie in die Opposition müssen!)

Die GRÜNEN waren nie zaghaft, wenn es darum ging, Unternehmen zu beschimpfen, zu bedrohen, zu verunsichern und sozusagen davonzujagen.

(Werner [Westerland] [GRÜNE]: Umgekehrt!)

Es darf sich doch keiner wundern, wenn die Beschimpften dadurch verunsichert werden. Sie alle wissen, daß Wirtschaftspolitik zu einem guten Teil eine Frage des Vertrauens, eine Frage der Psychologie ist. Es schafft eben kein Vertrauen in einem Land, wenn die Leute, die investieren sollen und die sich um die künftigen Ausbildungs- und Arbeitsplätze kümmern sollen, laufend verunsichert, verunglimpft, bedroht und beschimpft werden. Ich als hessicher Unternehmer sage Ihnen: Das bringt keine positive Stimmung.
Und dann überlegt man sich natürlich bei künftigen Investitionen: Muß man sich dem denn eigentlich aussetzen?

(von Schmude [CDU/CSU]: Muß man sich das gefallen lassen?)

Kann man denn nicht bessere Plätze in der Bundesrepublik finden, wo man bessere Voraussetzungen hat, um diese Investitionen zu tätigen? Und da wird man feststellen: Hessen hat zwar die besten Voraussetzungen, weil es in der Mitte des Landes liegt. Man würde gern in Hessen bleiben. Es hat hervorragende Arbeitnehmer, gut ausgebildete Arbeitnehmer, gute Ausbildungsstätten. Allein, die Regierung und die politischen Voraussetzungen sind nicht geeignet, solch eine Entwicklung auf Dauer zu sichern.

(Schily [GRÜNE]: Konkret! Was sind das denn für Verhältnisse?)

Ich frage mich: Welches Demokratieverständnis haben eigentlich die Leute, die Meinungsäußerungen von seiten der Unternehmer diffamieren und die den Unternehmern das Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Land nehmen wollen? Gehören die Unternehmer nicht mehr zu unserem demokratischen System? Haben sie nicht mehr das Recht der freien Meinungsäußerung, das Recht, ihre Meinung auch gegenüber Andersdenkenden auszusprechen?

(Ströbele [GRÜNE]: Doch!)

Die GRÜNEN sind j a wahrlich nicht zimperlich gewesen

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Gott sei Dank!)

in der Wahl der Mittel, ihre Meinung durchzusetzen. Demonstrationen, Hausbesetzungen, Fabrikblockaden, Kampf um die Startbahn West: Waren das keine Drohungen? Ist das kein Druck? Seit wann regen sich die GRÜNEN darüber auf, daß Druck auf eine Regierung ausgeübt wird? Die bloße Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung in Hessen hat sie offensichtlich schon so verunsichert und korrumpiert, daß sie jeden zum Staatsverbrecher machen, der sich über die künftige rot-grüne Regierungspolitik besorgt äußert.
Ich weise darauf hin: Ohne Vertrauen geht es nicht. Wenn sich eine große Partei wie die Sozialdemokraten auf ein solches Experiment einläßt, müssen sie die Risiken kennen und sich der Risiken immer bewußt sein. Zum Schluß müssen die Sozialdemokraten selber die Suppe auslöffeln, die sie sich jetzt einbrocken.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Die Risiken haben sie in der sozialliberalen Koalition gelernt! — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die Suppe schmeckt gut! Suppengrün ist immer was Schönes!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016904000
Das Wort hat der Abgeordnete Peter (Kassel).

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1016904100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich als Abgeordneter, der aus Kassel kommt, nicht in diesen Wettbewerb einmischen, wie demokratisch denn der Herr Langmann ist. Ich glaube, die Zitate des Herrn Langmann sprechen für sich.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist ein gestandener Demokrat; dafür sprechen die Zitate!)

Es ist kein Zufall, daß es zum Ausgang der Weimarer Republik einen Langnam-Verein gab, dessen Zielsetzung war, das Bündnis zwischen Kapital und Konservativen zum Schaden der Demokratie vorzubereiten. Ich möchte auch nicht über diese Neuauflage der Harzburger Front von Kapital und Konservativen reden, die sich hier heute morgen an ein paar Stellen angedeutet hat.

(Austermann [CDU/CSU]: Er ist mehr für Rotfront!)

Ich habe den Eindruck, daß hier manche, wenn sie von rot-grün reden, wie die Blinden von der Farbe reden.

(Glos [CDU/CSU]: Wieder ein Oberlehrer!)

Ich möchte deshalb versuchen, aus der Sicht Kassels Erfahrungen darzustellen.
Diese Erfahrungen sind gut. Die Begleitmusik, die heute morgen hier abläuft, ist für mich eine ganz vertraute Begleitmusik aus dem Jahre 1981. Da hat der Herr Weirich, der sich hier eben auch aufgeführt hat, die gleiche Rolle gespielt. Da ist das rot-grüne Chaos auf Kassel herabgebetet worden.



Peter (Kassel)

Das Ganze entpuppte sich dann sehr schnell als ein Sturm im Wasserglas.

(Austermann [CDU/CSU]: Mit welchen Zugeständnissen?)

In Kassel gab es im Durchschnitt mehr Ausbildungsplätze als in anderen hessischen Gemeinden, beispielsweise CDU-regierten. In Kassel gab es keine Rücknahme freiwilliger sozialer Dienstleistungen für die Bürger wie beispielsweise in Frankfurt. In Kassel gab es im Vergleich zu anderen hessischen Städten mehr Umweltschutzinvestitionen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Kassel ist ein Programm durchgesetzt worden, das das Wohnumfeld für Bürger lebenswerter gemacht hat. Und in Kassel gibt es ein gerechteres Schulsystem und eine menschenfreundlichere Verkehrspolitik, als sie in Ihren Köpfen herumspukt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es gab gewiß Konflikte in Kassel. Es gab auch Konflikte zwischen Rot und Grün. Es gab aber auch Lernprozesse.

(Voigt [Frankfurt] [SPD]: Auch beim Wähler!)

Karsten Voigt hat vorhin einige dieser Lernprozesse angedeutet. Die haben sich als langandauernd und glaubwürdig erwiesen. Es gab aber auch Lernprozesse bei der Kasseler Wirtschaft; denn da sind keine Arbeitsplätze abgezogen worden. VW hat seinen Beschäftigtenstand aufgestockt. Das liegt wahrscheinlich daran, daß ein Unternehmer, der nüchtern kalkuliert, seine betriebswirtschaftlichen Kennziffern zur Grundlage von Investitionsentscheidungen macht und nicht irgendwelche ideologischen Warnungen, wie sie vorhin von Herrn Hoffie erhoben worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Andernfalls wäre er ein unvernünftiger Unternehmer.
In diesem Sinne, Herr Hoffie und auch Herr Solms, fand ich gut, was der Herr Gerhardt in der letzten Woche im hessischen Landtag gesagt hat, als er an die hessischen Unternehmer appellierte, sich von Herrn Langmann und seinen Sprüchen nicht bange machen zu lassen,

(Hoffie [FDP]: Hat er nicht gesagt!)

sondern im Lande zu bleiben. Ich habe bei den CDU-Rednern aus Hessen heute morgen einen ähnlichen Appell an die Vernunft vermißt.

(Beifall bei der SPD — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die CDU ist antihessisch!)

Vor Ort sieht doch alles ein bißchen anders aus. Ich habe gestern in der Zeitung über Mainhausen gelesen. In Mainhausen gibt es auch ein Chaos. Diesmal ist es nur kein rotgrünes, sondern es ist ein schwarz-grünes Chaos. Ich bin sicher, daß auch dieses schwarz-grüne Chaos zu einer vernünftigen, die Interessen der Bürger weiter berücksichtigenden Kommunalpolitik führen wird, wenn Sie von der CDU dazu in der Lage sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und in Kassel gab es noch etwas: In Kassel gab es eine Volksabstimmung über das rot-grüne Chaos, und zwar die Kommunalwahlen 1985. FDP und CDU hatten überall, auf jedem Plakat gewarnt: Rot-Grün! Rot-Grün! Das Ergebnis dieser Volksabstimmung war: Die Sozialdemokraten haben wieder die absolute Mehrheit errungen.

(Austermann [CDU/CSU]: Also niemand wollte die GRÜNEN mehr haben!)

Die GRÜNEN haben Stimmen hinzugewonnen. Und CDU und FDP sind in Kassel zusammen politisch noch nie so schwach gewesen wie jetzt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Zu Recht!)

Das ist der Grund für Ihre Angst und Ihre ganze künstliche Aufgeregtheit heute morgen. Das ist etwas, was in der Tierpsychologie als Angstbeißertum bezeichnet wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016904200
Das Wort hat der Abgeodnete Link (Frankfurt).

Helmut Link (CDU):
Rede ID: ID1016904300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung eines Abgeordneten aus Frankfurt: Die hier beschworene wirtschaftliche Leistungskraft des Landes Hessen besteht im Kern darin, daß allein Frankfurt am Main über 40% des Steueraufkommens aufbringt. Gleichzeitig aber wird es vom Land Hessen permanent benachteiligt. In Frankfurt regieren Wallmann und die CDU.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Börner und die SPD in Hessen haben unter Wortbruch und Wählertäuschung den verhängnisvollen Weg einer Koalition mit den grünen Aussteigern beschlossen und festgelegt.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Umsteiger!)

In Hessen schwindet deshalb das Vertrauen in eine berechenbare Politik; Unsicherheit und Mißtrauen breiten sich aus. Firmen und Arbeitnehmer sehen sich durch die rot-grüne Koalition gefährdet, sehen ihre Zukunft und die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und der Betriebe zunehmend bedroht.

(Zuruf von der SPD: Durch Ihre Politik vielleicht!)

Der Zugriff der GRÜNEN auf besonders empfindliche Bereiche der hessischen Wirtschaft wie die Chemieindustrie, die Energiewirtschaft und die Autoindustrie durch einen neuen grünen Umwelt- und Energieminister, durch Joschka Fischer, ist eine Kampfansage an die Interessen der Arbeitneh-



Link (Frankfurt)

mer, der Gewerkschaften und der Wirtschaft und an eine konsensfähige Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Ein Sprecher der GRÜNEN hatte in Hessen schon vor Monaten gesagt: Wir werden Jahr für Jahr die Schrauben für das enger drehen, was sich die Industrie in diesem Land noch leisten kann.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Richtig!)

Wer aufmerksam die politischen Absichten und Ziele der GRÜNEN — sowohl programmatisch als auch in den Reden ihrer führenden Repräsentanten — verfolgt, muß den unüberbrückbaren Widerspruch zwischen den existentiellen Interessen der Arbeitnehmer und der Industriegesellschaft einerseits und den geradezu abenteuerlichen Vorstellungen der GRÜNEN andererseits sehen.

(Zuruf von der SPD: Und deshalb bauen Sie die Arbeitnehmerrechte ab?)

Zu den zentralen politischen Zielen der GRÜNEN gehören die sofortige Stillegung von Kernkraftwerken, der Ausstieg aus der Kernenergie, die politische Bekämpfung der chemischen Industrie, der mittelfristige Ausstieg aus den Kohlekraftwerken, die Verhinderung moderner Kommunikationstechniken oder der Ausstieg aus ihnen und die Verhinderung und Blockierung notwendiger Straßenbaumaßnahmen. Die GRÜNEN polemisieren gegen das Auto und prophezeien die autofreie Gesellschaft. Gewalt, Rechtsbruch und ein zwielichtiges, ungeklärtes Verhältnis zum Rechtsstaat sind Bestandteil grüner Politik. Die GRÜNEN fordern auch den Austritt aus der NATO und dem westlichen Sicherheitsbündnis. Im Klartext: Die GRÜNEN propagieren und arbeiten zielstrebig am Ausstieg aus der Industriegesellschaft und dem westlichen Sicherheitsbündnis. Sie gefährden die Sicherheit, und mit ihren technologiefeindlichen Zielen bedrohen sie die wirtschaftliche und die soziale Existenz der Arbeitnehmer und ganzer Wirtschaftszweige und damit auch die Stabilität der Bundesrepublik Deutschland.
Wie weit ist die SPD unter Wortbruch und Wählertäuschung schon auf die schiefe Bahn abgerutscht, daß sie mit diesen Aussteigern und Verweigerern koaliert?

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Dagegen protestieren alle: Arbeitnehmer, Betriebsräte, Gewerkschaftler und Unternehmer.

(Zurufe von der SPD)

Als langjähriger Betriebsrat kann ich sehr gut verstehen, daß hessische Bauarbeiter bei einer Demonstration Transparente mit der Aufschrift „Grün-rot macht Arbeitsplätze tot" trugen. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Farbwerke Hoechst sowie alle sechs Vorsitzenden der Betriebsräte der Zweigwerke in Hessen haben Börner einen eindringlichen Brief geschrieben, in dem sie u. a. folgendes sagen:
Wir fordern Sie deshalb auf: Ziehen Sie das
Koalitionsangebot zurück, bevor es von den
GRÜNEN angenommen wird, deren Wirtschaftspolitik das Ende der Industriegesellschaft anstrebt

(Hört! Hört! bei der FDP)

und mit ihrer Umweltpolitik das Geschäft der Angst betreibt. Die GRÜNEN haben mit uns Arbeitern und Angestellten nichts im Sinn. Ihre utopischen elitären Programme setzen sich mit Arroganz, Intolerenz, Maßlosigkeit über die Interessen der arbeitenden Menschen hinweg.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

So weit das Zitat der Betriebsräte der Farbwerke Hoechst.
Der frühere hessische Finanzminister Reitz sagte:
Früher war Hessen in Sachen Wirtschaft eine erste Adresse. Heute ist dies wegen der wirren Vorstellungen der GRÜNEN nicht mehr so. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter,

(Zuruf von den GRÜNEN: Soll ich Ihnen einen Pullover verkaufen?)

wenn ich daran denke, wie die GRÜNEN unsere Wirtschaftskraft beschneiden wollen.
Das sagte der SPD-Finanzminister aus Hessen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)

Der Vorsitzende der IG Chemie sagte mit Bezug auf die GRÜNEN:
Die negative Haltung der GRÜNEN zur modernen Industriegesellschaft, zur Technologie unserer Zeit, und ihr gestörtes Verhältnis zum parlamentarischen Rechtsstaat macht sie für die Arbeitnehmer unwählbar. Die Gewerkschaften müssen ein Bollwerk gegen die GRÜNEN sein.
So der Gewerkschaftsführer. An anderer Stelle sagte er:
Die weitreichenden Kompetenzen des grünen Umweltministers in Hessen führen zu einer Verunsicherung der Wirtschaft. Wichtige Investitionsentscheidungen und damit neue Arbeitsplätze werden verhindert.
Die Gewerkschaftsführer Konrad Carl, Rappe, Schmidt, Döding haben öffentlich vor den schlimmen Folgen einer von den GRÜNEN mitbestimmten Politik gewarnt. Carl fügte hinzu, Hunderttausende von Arbeitsplätzen würden gefährdet. Und das nennen Sie nun Panikmache.

(Zurufe von den GRÜNEN: Ja!)

Die Gewerkschaftsführer haben vor den schlimmen Folgen gewarnt. Wenn nun schon die Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften der betroffenen Wirtschaftszweige sowohl die künftigen Investitionen als auch die Arbeitsplätze in Hessen bedroht sehen, wen wundert es da noch, daß Unternehmer bei dieser politischen Vertrauenskrise in Hessen ebenfalls laut und öffentlich darüber nach-



Link (Frankfurt)

denken, ob ihre künftigen Investitionen außerhalb Hessens zu tätigen sind, wo politische Stabilität und Berechenbarkeit vorhanden ist. Wenn der soziale Friede in Hessen gefährdet ist, wie Umfaller und Wortbrecher Börner meint, dann nicht durch Unternehmer und Wirtschaft, sondern allein durch die rot-grüne Aufkündigung einer konsensfähigen Politik, die ständig am Abgrund entlang operiert und durch das Konfliktbündnis einer permanenten Erpressung ausgesetzt ist. In Hessen erprobt die SPD das Modell für die Bundesrepublik Deutschland. Den gegenteiligen Beteuerungen von Rau in der SPD ist ebensowenig zu glauben wie denen des wiederholten Wortbrechers Börner. Sie verbrennen heute alles, was Sie gestern noch angebetet haben, wenn es Ihnen nützlich erscheint.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016904400
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommem Sie zum Schluß.

Helmut Link (CDU):
Rede ID: ID1016904500
Ich bin fertig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016904600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert (Marburg).

Hubert Kleinert (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1016904700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß ich mich zunächst einmal nicht auf die Ausführungen meines Vorredners beziehe, sondern auf das, was die Bundesregierung heute morgen hier vorgetragen hat. Ich finde, das, was Sie — das gilt sowohl für Sie, Herr Grüner, als auch für den Herrn Stoltenberg — hier heute morgen zu dem Thema gesagt haben, war mehr als scheinheilig. Was Sie hier vorgetragen haben, sollte dazu dienen, zu verschleiern, worum es Ihnen in dieser Debatte eigentlich geht. Sie wollen den Menschen nämlich Angst machen vor den Grünen, und Sie wollen ihnen Angst machen vor einer politischen Alternative in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie wollen ihnen deshalb Angst machen, weil Sie um ihre politischen Mehrheiten fürchten, und weil Sie fürchten, daß sich das, was in Hessen in Gang gekommen ist, hier in Bonn einmal wiederholen kann, und daß Sie das die Stühle kosten kann, auf denen Sie jetzt sitzen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Uldall [CDU/ CSU]: Genau das befürchten wir! — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der Herr Stoltenberg betreibt psychologische Kriegsführung!)

Sie fürchten das, und deshalb wollen Sie den Arbeitnehmern einreden, Umweltpolitik in Hessen werde Arbeitsplätze gefährden.
Wenn der Herr Stoltenberg hier im Blick auf die Wirtschaft von einer „attraktiven Gesetzgebungspolitik" gesprochen hat, dann sollte das schon Anlaß sein zu überlegen, was er damit eigentlich meint. Wenn ich mir ansehe, was die Bundesregierung in den letzten Jahren an Gesetzgebung vorgelegt hat, dann muß ich sagen: Das war keine „attraktive Gesetzgebungspolitik", das war Gefälligkeitspolitik!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Folgen dieser Gefälligkeitspolitik, meine Damen und Herren, werden nicht nur im Flick-Ausschuß noch immer behandelt. Wenn hier das Wort „Spießgesellen" von Herrn Steger gebraucht worden ist, dann kann ich nur sagen:

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ein schlimmes Wort eines Ministers!)

Wenn ich mir manche Gesetzgebungswerke ansehe, und wenn ich mir ansehe, was Sie beispielsweise zur Vermögensteuer beschlossen haben, dann kann ich auch wiederum nur den einen Schluß ziehen, daß Sie — wenn man sich diese Dinge ansieht, wenn man das zum Maßstab nimmt — tatsächlich die „Spießgesellen" einzelner Interessen sind, so wie das heute morgen schon formuliert worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

Aber zurück zum eigentlichen Problem. Hier ist von der Freiheit unternehmerischer Entscheidung die Rede gewesen. Die Freiheit unternehmerischer Entscheidungen war die Umschreibung für den gezielten Versuch von Unternehmerverbänden, schon im Vorfeld politischer Koalitionsentscheidungen massiven politischen Druck auszuüben.
Es ist nicht zu Unrecht mehrfach an die Weimarer Republik erinnert worden. Es ist auch schon angedeutet worden, daß solche Themen im Hinblick auf Gewerkschaften hier schon öfters eine Rolle gespielt haben. Ich will dazu nur noch eines anmerken: Wo immer in den letzten Jahrzehnten bei Gewerkschaften vom Streik als politischem Kampfmittel überhaupt nur die Rede war, waren es doch die politischen Kräfte auf der rechten Seite in diesem Haus, die, wenn davon auch nur gesprochen wurde, die Demokratie schon in Gefahr sahen.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Genau!)

Und wenn jetzt Unternehmer mit Abzug von Produktionsanlagen drohen, dann finden Sie das ganz in Ordnung, meine Damen und Herren. Das ist ein merkwürdiges Verständnis von Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn ein demokratich gewählter grüner Minister ausreichen soll, um hier solche Angstbeißerei in Gang zu setzen, dann muß ich mich schon fragen: Wie schlecht ist das Umweltgewissen der Konzerne wie Hoechst, wie schlecht ist das Umweltgewissen Ihrer politischen Freunde, und wie schlecht ist das Umweltgewissen anderer Unternehmen, wenn ein BDI-Präsident solche Angst vor den Grünen bekommen kann?
Und wovor haben Sie eigentlich diese Angst? Ich will es Ihnen sagen, meine Damen und Herren. Ich habe in der Tat den Eindruck, daß es in Sachen Umweltschutz eine Art Grauzone gibt, wo seit Jahren und Jahrzehnten munter auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Bürger Giftstoffe emittiert werden. Es ist also gar nicht die Frage, ob ein grüner Minister sich an Recht und Gesetz hält; die



Kleinert (Marburg)

Frage ist eher umgekehrt zu stellen: nämlich ob die Wirtschaftsunternehmen bereit sind, zu akzeptieren, daß endlich mal ein Minister da ist, der darauf bestehen wird, daß Recht und Gesetz konsequent eingehalten werden zum Nutzen von Natur, zum Nutzen von Umwelt und zum Nutzen der Menschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016904800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Wartenberg.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016904900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für alle die, die in den letzten anderthalb Stunden neu hinzugekommen sind, darf ich in Erinnerung rufen, worüber wir diskutieren.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Die GRÜNEN haben eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Verhältnis von Kapital und Politik in der Bundesrepublik Deutschland an Hand des aktuellen Beispiels der angedrohten Kapitalflucht in Hessen".

(Vogel [München] [GRÜNE]: Genau das ist der Punkt!)

Dieses Thema entspricht der Fragestellung eines volkswirtschaftlichen Grundseminars, setzt allerdings die Bereitschaft zum Zuhören und die Fähigkeit zum Verstehen voraus.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Und was kommt jetzt?)

Weil einige Unternehmen die Möglichkeit angedeutet haben, auf Grund der sich anbahnenden rotgrünen Koalition in Hessen industrielle Standorte von Hessen in ein anderes Bundesland zu verlegen, wird von den GRÜNEN und von der SPD behauptet, die Wirtschaft setze die hessische Landesregierung unter Druck. Korrekt?
Wer so argumentiert, verwechselt Ursache und Wirkung. Bei freier Beweglichkeit fließt das Kapital immer an den Ort seiner bestmöglichen Verwendung.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Bis jetzt fließt der Dreck in den Main! Das ist das Problem! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

Langfristige Investitionen setzen günstige Erwartungen voraus, und zwar nicht nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch hinsichtlich der Stabilität der ökonomischen Rahmenbedingungen.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist Fachhochschule!)

Ändern sich diese Daten — so ist ja auch Ihr Thema —, so reagieren die Anleger mit großer Sensibilität und wählen eine andere, eine attraktivere Form des Kapitaleinsatzes.

(Zuruf von der CDU/CSU zu den GRÜNEN — Gegenruf des Abg. Schily [GRÜNE]: Halten Sie Ihre Schnauze! Das ist ja unsäglich! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist hier ein Ton! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: So eine Frechheit habe ich lange nicht mehr gehört! — Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Wir sind hier nicht bei der RAF! — Weitere lebhafte Zurufe zwischen der CDU/CSU und den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016905000
Meine Damen und Herren, ich bitte, diese Störungen zu unterlassen. — Bitte, fahren Sie mit Ihrer Rede fort.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Dann hören Sie mal, was der Herr da sagt! — Schily [GRÜNE]: Wenn hier „Goebbels-Verschnitt" gesagt wird! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: So eine Beleidigung habe ich mir lange nicht anhören müssen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016905100
Meine Damen und Herren, wenn Investitionen ein Seismograph für wirtschaftliche Rentabilität sind, dann sind die Aufmerksamkeit der Grünen und die Argumentation der Grünen hier ein Seismograph dafür, wie ernst Sie diese aktuelle Stunde gemeint haben. Sie wollen nichts weiter als Demagogie, statt ein Thema sachlich auszudiskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

In der Fragestellung der Grünen steckt ja auch die Frage: Wie verhält sich denn Kapital in bezug auf politische Stabilitätsbemühungen? Ein Blick über die Grenzen zeigt — wenn ich mir einmal die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die internationalen Kapitalströme betrachte —, daß Kapital kaum in Länder fließt, in denen es keine Garantie vor Enteignung gibt, daß Kapital nicht in Länder fließt, die keinen Rücktransfer von Devisen ermöglichen, daß Kapital kaum in Länder fließt, in denen politisch instabile Verhältnisse herrschen.
Nun haben die GRÜNEN nicht nur in Hessen hinreichend oft erklärt, daß sie ein anderes Wirtschaftssystem wollen. Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind alles andere als auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen beruhend. Nun wird ein Vertreter der GRÜNEN Minister für Energie und Umwelt. Er muß nach seinem Verständnis und auch nach dem Verständnis der SPD erfolgreich arbeiten. Das verändert die ökonomischen Rahmenbedingungen. Das ist eine gravierende Änderung der Bedingungen, unter denen die Unternehmen in Hessen zu arbeiten haben. Die Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik, soweit sie überhaupt von einer Landesregierung beeinflußt werden kann, gehen vollends verloren.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Das ist der Punkt!)

Man kann diese ökonomischen Zusammenhänge ignorieren. Sie gelten aber trotzdem. Wenn davon die Rede ist, Betriebe in ein anderes Bundesland zu verlagern, so ist das nur ein Reflex auf die zu erwartende Veränderung der politischen Standortbestim-



Dr. von Wartenberg
mung, ein Reflex auf die zu erwartenden Reglementierungen und keine Strafaktion.

(Zuruf von der SPD: Reflektor!)

Es ist allein eine Ausweichreaktion auf eine Politik, die das Wirtschaften erschwert, und ist insofern die Wahrnehmung legitimer ökonomischer Arbeitsplatzinteressen.
Wer behauptet, dies sei der Versuch, Druck auf die Politik auszuüben, nimmt eine vordergründige Schuldzuweisung vor und enthebt sich selbst der Notwendigkeit, seine eigene Position zu überprüfen.
Damit im Zusammenhang steht auch der Vorwurf der Verdächtigung eines fragwürdigen — —

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016905200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016905300
Zweifelhaft ist nicht das Demokratieverständnis derjenigen, die ihre ökonomischen Dispositionen an veränderte politische Gegebenheiten anzupassen haben, sondern zweifelhaft ist das Demokratieverständnis derjenigen, die es anderen verbieten wollen, sich frei zu entscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016905400
Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.

(Zuruf von den GRÜNEN: Jetzt kommen die Nordrhein-Westfalen! — Dr. Penner [SPD]: Die wandern jetzt ab nach Hessen!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016905500
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als ich soeben den ehemaligen Kollegen Steger, zur Zeit Staatsminister in Hessen, seine wenig staatsmännische Rede halten hörte, habe ich mich gefragt: Ist das eigentlich der alte Kollege Steger, den wir aus dem Bundestag kennen, der sachlich argumentierte, der im Rahmen seiner sozialdemokratischen Möglichkeiten ein fairer, abwägender Politiker war? Nein, da ist ein erstaunlicher Wandel, Herr Kollege Steger, bei Ihnen vorgegangen. Dafür gibt es vermutlich nur zwei Ursachen: erstens ein schlechtes Gewissen — das kann ich verstehen —, und zweitens scheinen Sie vom grünen Bazillus angesteckt worden zu sein. Dieser Bazillus verbreitet sich offensichtlich bei der hessischen SPD immer schneller.
Nun beschweren Sie sich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß einige Unternehmer in Hessen nicht mehr investieren wollen. Ich bin einer von diesen so verteufelten Übeltätern, die vom Ausbeuten anderer Leute leben. Ich bin also einer jener Unternehmer, die hier heute beschimpft werden. Verehrte Kollegen von den GRÜNEN, fragen Sie sich einmal ehrlich: Würden Sie mir zumuten, in Hessen ein Unternehmen zu gründen?

(Zurufe von den GRÜNEN: Nein!)

Würden Sie mir zumuten, in Hessen zu investieren? Würden Sie einem Unternehmer, der sich redlich um Arbeit bemüht, zumuten können —

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: In welcher Branche sind Sie tätig?)

mit einem Koalitionspartner, der das Wirtschaftssystem auf den Kopf stellen will — zu investieren?

(Schily [GRÜNE]: Kommen Sie in die Sprechstunde! Dann reden wir darüber!)

Ich will es einmal auf eine Kurzformel bringen. Unter einem Minister Fischer, von dem auch Sie offensichtlich nichts halten — denn die Unfähigkeit wird ihm laufend aus den eigenen Reihen bescheinigt —, würde ich nicht auf die Idee kommen und kann auch niemandem empfehlen, zu investieren. Aber damit das klar ist: Auch bei politisch Andersdenkenden, z. B. unter einem Minister Hermann Rappe, würde es mir ein Vergnügen sein zu investieren. Ich sage das, damit es keine Mißverständnisse gibt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie verspielen die Standortvorteile — das waren ja Vorteile, die Hessen gehabt hat —, und andere werden sich darüber freuen. Unter diesen Rahmenbedingungen kann man ehrlichen Herzens keinem Unternehmer empfehlen, zu investieren in einem Land, wo man nicht weiß, wann die Regierung die Fabriken schließt, blockiert oder Aussperrungen auf umgekehrte Art praktiziert. Aus diesem Grunde sage ich mit allem Freimut: Ich werde meinen Kollegen ehrlichen Herzens und mit Überzeugung nicht empfehlen können, in Hessen zur Zeit auch nur eine müde Mark zu investieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016905600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1016905700
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte das, was die Kollegen Wartenberg und Cronenberg zum Schluß gesagt haben, für das eigentliche Problem dieses Vormittags. Der Kollege Wartenberg hat ausgeführt, es sei völlig legitim, daß die Unternehmer bei ihren ökonomischen Dispositionen die politischen Strukturen berücksichtigen. Ich denke, wenn dies zur Generallinie in der Bundesrepublik werden würde, wäre dies der Anfang vom Ende unseres demokratischen Systems.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Ich will Ihnen das begründen.

Ich komme aus dem Saarland — wir regieren dort ohne die GRÜNEN —, wo der Präsident der Industrie- und Handelskammer vor einigen Tagen öffentlich verkündet hat, daß die Ansiedlungsstrategie der Unternehmungen natürlich auch berücksichtige, daß im Saarland der Extremistenerlaß aufgehoben worden ist, daß im Saarland von der Regierung erwogen wird, unter dem Gesichtspunkt der Ökologie eine Verbandsklage einzuführen, daß die Regierung im Saarland erwägt, die Zahl der Gesamtschulen — bisher gibt es nur eine — auf drei, vier oder fünf auszuweiten.



Schreiner
Wenn die Wirtschaft beispielsweise die Abschaffung des Extremistenerlasses, der im Saarland in zehn Jahren nur zu einem einzigen Fall geführt hat, also gewissermaßen eine Nullrelevanz besessen hat, zum Kriterium von Ansiedlungsstrategien machen will — wohl wissend, daß gerade der Extremistenerlaß nahezu im gesamten westlichen Ausland Anlaß zu Zweifeln an der Demokratiefähigkeit der Deutschen gegeben hat —, dann frage ich mich, was die Großwirtschaft aus den eigenen historischen Erfahrungen denn jemals gelernt haben mag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als weiteres Beispiel nenne ich die Zerstörungsprozesse in unserer Natur. Gerade die Vorlage des jüngsten Waldschadensberichtes zeigt, daß in der Bundesrepublik mit weiteren Zerstörungsprozessen im Bereich des Waldes — dies ist gewissermaßen die generelle Linie — zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund wird erwogen, neue Instrumente zum Schutz unserer natürlichen Güter zu finden. Wenn dies aber zum Anlaß genommen wird, ökonomische Gegenstrategien zum Aushungern von demokratisch gewählten Landesregierungen öffentlich zu propagieren, so ist auch dies der Anfang vom Ende unserer Demokratie.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage: Es wäre interessant gewesen — die Zeit reicht nicht aus, um es zu tun —, einige geschichtliche Streiflichter hier aufzuführen. Eines ist sicherlich wahr: Die massiven Einmischungsversuche des großen Geldes in Deutschland waren mit eine wesentliche Bedingung für das Heraufziehen des deutschen Faschismus.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich denke, wenn man aus diesen historischen Erfahrungen — kein Land ist davon so geprügelt worden wie unser Land — seine Konsequenzen ziehen möchte, so wäre der dringendste Appell der an die Großwirtschaft, sich politisch möglichst bescheiden zu gebärden. Was jetzt heraufzieht, ist das genaue Gegenteil dessen, was auf Grund der eigenen Erfahrungen des deutschen großen Geldes historisch geboten wäre.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich deshalb folgendes formulieren. Ich bin der festen Überzeugung, daß angesichts dieser Sachlage der eigentliche Skandal, das eigentliche Problem in unserem Hause heute morgen darin besteht, daß nicht alle demokratischen Parteien — ich habe keinen Zweifel, daß CDU, CSU und FDP demokratische Parteien sind — in einem breiten Konsens und einhellig diese antidemokratischen Interventionsversuche der deutschen Großwirtschaft zurückgewiesen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Link [Frankfurt] [CDU/CSU]: Die Betriebsräte bei Hoechst protestieren doch auch dagegen!)

Das ist das eigentliche Problem. Wo wollen wir in Zukunft in diesem Haus noch von demokratischem Grundkonsens reden,

(Zurufe von der CDU/CSU)

wenn Sie, die Herrschaften von der konservativen Seite, es ungestraft durchgehen lassen, daß sich die Verbandsfunktionäre der Großwirtschaft gewissermaßen zur Straf- und Korrekturinstanz von Wahlentscheidungen des deutschen Volkes begreifen?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das getan? — Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist der Punkt. Wo bleibt der demokratische Konsens in diesem Lande,

(Zuruf von der CDU/CSU: Es ist j a nicht zu fassen!)

wenn es die Schwarzen und die Gelben ungestraft durchgehen lassen, daß das, was an demokratischer Gestaltungs- und Meinungsvielfalt in dieser Republik möglich sein soll und vom Grundgesetz vorgegeben wird, in Zukunft nur unter entsprechenden Erlaubniszeichnungen des deutschen großen Geldes möglich sein soll?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wo bleiben Ihre Stellungnahmen — —

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016905800
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluß.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1016905900
Zum Schluß will ich mich mit einem einzigen Satz bei den hessischen Steuerzahlern ganz herzlich bedanken. Es waren die hessischen Arbeitnehmer, es waren auch die hessischen Unternehmer, die mit ihren Beiträgen letztlich über den Länderfinanzausgleich über viele Jahre mit dazu beigetragen haben, daß eine geradezu bankrotte saarländische Landesregierung bis zu Weihnachten letzten Jahres den saarländischen Beamten das Weihnachtsgeld auszahlen konnte.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016906000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeffermann.

(Zurufe von der SPD)


Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID1016906100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen von Wartenberg dankbar, daß er noch einmal auf den eigentlichen Anlaß der Aktuellen Stunde heute morgen aufmerksam gemacht hat.
Wer soeben den Kollegen Schreiner gehört hat, kommt leicht in die Versuchung, Ursache und Wirkung miteinander zu verkennen. Ich denke, wir alle werden darin übereinstimmen: Natürlich wird kein hessischer Unternehmer seinen Betrieb unter den Arm nehmen und irgendwo anders hingehen. Aber ist dies das eigentliche Problem, um das es hier geht?
In Wahrheit geht es doch darum, welche Planungssicherheit für die Zukunft gegeben sein wird, um Investitionen vorzunehmen die die Arbeits-



Pfeffermann
plätze von heute sichern und die von morgen ermöglichen. Das ist doch das Problem.
Dazu ein Beispiel aus dieser Zeit. Ich komme aus Darmstadt. In unserer Nähe ist die Mülldeponie Messel. Die hessische Landesregierung hat durch alle Instanzen hindurch rechtlich gesichert, daß diese Mülldeponie laufen soll. 30 Millionen DM sind in der Zwischenzeit investiert. Als reines Zugeständnis an die Koalition mit den GRÜNEN wird nun der Weiterbau durch die hessische Landesregierung behindert.

(Hoffie [FDP]: Mit Herrn Steger!)

Stellen Sie sich dies in einem Privatbetrieb vor. Genehmigungen, die mit Herrn Steger an der Spitze gelaufen sind, werden aus politischem Opportunismus zurückgenommen!

(Ströbele [GRÜNE]: Im Interesse der Bürger!)

Ein solcher Betrieb geht bankrott. Dies ist die Überlegung, die im Hintergrund der Unternehmen steht,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

die bedenken, wie sich die Dinge weiter entwikkeln.
Wir haben heute morgen ein trauriges Beispiel politischer Auseinandersetzung miterlebt. Herr Kollege Steger, Herr Minister, ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich bewußt waren, was Sie eigentlich taten, als Sie den Kollegen Warrikoff in dieser — ich möchte fast sagen — unverschämten Weise attackierten. Da setzt sich ein Mann für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Hessen ein,

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wissen Sie eigentlich, wieviel?)

er arbeitet dafür, daß dringend notwendige neue Investitionen getätigt werden, und dann wird er von Ihnen in dieser Weise diskriminiert, wie Sie das hier gemacht haben. Herr Steger, ich frage Sie: Wenn die Anweisungen des Bundesinnenministers widerrechtlich waren, warum setzen Sie sie den jetzt um? Dann hätten Sie doch längst rechtliche Wege finden müssen, um deutlich zu machen, daß das, was vom Bundesinnenminister veranlaßt worden ist, wider Recht und Gesetz ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nein, Sie setzen sie um, weil Sie nämlich Politik mit Augenzwinkern machen. Sie wollen den GRÜNEN signalisieren, Sie kommen ihnen einen Schritt entgegen, aber Sie hoffen auf die Bundesregierung, daß sie auch im Lande Hessen für Gesetz und Ordnung sorgt. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Ausgangslage wird allerdings natürlich unter einem grünen Umweltminister in empfindlicher Weise behindert werden. Dies ist die Schwierigkeit, die hessische Unternehmen heute sehen. Niemand der hessischen Unternehmen will gegen Gesetze handeln, sondern sie fragen sich: Können wir auf der Basis geltender Gesetze überhaupt noch in die Zukunft investieren? Das ist die Ausgangslage.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Zu meinem Erschrecken haben einige heute morgen auf die Weimarer Zeit Bezug genommen, auch der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Herr Westphal. Auch der Kollege aus Kassel hat diesen Schritt getan. Es wurde auf die Wirtschaft Bezug genommen. Ich habe den Kampf Holger Börners in seiner Partei über eine gewisse Zeit mit aufmerksamer Anerkennung verfolgt. Ich kenne seine Überlegungen. Er sieht sich in der Tradition von Ministerpräsidenten — nicht unbedingt hessischer Prägung —; sein großes Vorbild ist der frühere preußische Ministerpräsident Braun. Was aber in diesen Tagen und in den letzten Monaten in Hessen geschieht, bringt für mich im Rückblick auf die Weimarer Zeit die Frage: Wird Holger Börner eigentlich eines Tages Braun als Vorbild haben, oder wird er nicht sehr viel mehr mit dem, was er jetzt tut, zum Hindenburg unserer Zeit?

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist eine Frechheit! Eine Unverschämtheit! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Einstmals als Fels in der Brandung gefeiert, und später einen solchen Burschen, wie es der Herr Fischer ist, ins Kabinett zu nehmen unterscheidet ihn nicht wesentlich vom Versagen des damaligen Reichspräsidenten.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist die größte Frechheit, die je geleistet worden ist, eine Unverschämtheit! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016906200
Herr Kollege Pfeffermann, ich darf auch Sie darauf hinweisen, daß wir uns verständigt haben, diese Bezüge im Hause nicht mehr herzustellen.

(Pfeffermann [SPD]: Herr Präsident, der Herr Westphal hat diesen Bezug hergestellt! Er hat von der Weimarer Zeit gesprochen!)

Das Wort hat der Abgeordnete Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1016906300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Vorbild für Holger Börner, was das Ordnen politischer Verhältnisse angeht, ist Johannes Rau und nicht irgend jemand anderes. Das exportfähige Modell von Sozialdemokraten für den Bund ist nicht Hessen, sondern das Saarland oder Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen auch in Hessen absolute Mehrheiten. Der Versuch einer Unternehmensberatung aus dem Kollektiv des Deutschen Bundestages heute morgen dürfte von den Konkurrenten der Unternehmensberater als gescheitert betrachtet werden.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wenn man — wie Herr Wartenberg — nach Kapitalfluß fragt und erwägt, wohin das gehen wird, ist mir klar: Eine Regierung Börner, ob mit oder trotz



Dr. Sperling
Joschka Fischer, wird dafür sorgen, daß Hessen ein hervorragender Standort für energiesparende Investitionen und Produktionsverfahren sein wird, die Umwelt und Natur schützen. Damit wird Hessen seine Position zur Sicherung des Industrielandes Bundesrepublik ausbauen. Die Welt wird nach Produkten schreien,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)

die Natur und Umwelt schützen. Die hessische Landesregierung — mit oder trotz Joschka Fischer —

(Hoffie [FDP]: Trotz Börner! — Gegenruf von den GRÜNEN: Durch!)

wird dafür sorgen, daß die Bundesregierung recht behält, wenn sie in Zukunft — ob von den GRÜNEN wie in diesem Fall oder von anderen — über die Lage in Hessen gefragt wird: Wie antwortet die Bundesregierung?

(Hoffie [FDP]: Der Spatz in der Hand!)

Die Arbeitslosenquote in Hessen liegt im Vergleich mit allen Bundesländern, einschließlich Berlin (West), seit 1977 an zweitbester Stelle. Das liegt insbesondere an der günstigen Wirtschaftsstruktur in der geographischen Mitte der Bundesrepublik Deutschland.

(Hoffie [FDP]: Nicht an Börner!)

Hessen verfügt nicht zufällig dauernd über sozialdemokratisch geführte Regierungen. Herr Hoffie — Sie ermuntern mich; das Zitat abzubrechen —, als Sie von dem Sessel herunterrutschten, den Sie in Hessen hatten, haben Sie Ihre hessische FDP - ich sage: leider — in die Koalitionsunfähigkeit in Hessen geführt;

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Hoffie [FDP])

denn sonst wären Sie ja vielleicht auf dem Stuhl, den Sie dem Joschka Fischer neiden.

(Lachen bei den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Hoffie [FDP])

Da wären Sie doch gelandet. Jetzt sind Sie von Wallmanns Gnaden koalitionsunfähig. Welche Politik bieten Sie denn an? Keine Beschäftigungspolitik,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Falsch! Stimmt nicht!)

nichts, was die hessischen Wähler interessieren könnte. Schauen Sie, was der Herr Zimmermann in puncto Umweltschutz treibt!

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Der beste, den es je gegeben hat!)

Sie dürften sich schämen. Im Punkt Sozialpolitik

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Hervorragend!) ist der Abbau Ihr Prinzip.

Für diese Form falscher Politik darf es in Hessen keine Große Koalition geben. Folglich bleiben uns die ungeliebten GRÜNEN als einziger Partner übrig,

(Zurufe von den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht Ihr ungeliebter Partner!)

nicht weil wir sie wollten, sondern weil Sie, Herr Hoffie, es mit Ihrer hessischen FDP nicht können, weil Herr Wallmann nur eine falsche Politik anbietet.
Nun lassen Sie es sich gesagt sein, das Einziehen von GRÜNEN in ein Parlament taugt nicht dazu, den Staatsnotstand auszurufen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Große Koalitionen können doch nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß diese Kollegen hier sind oder daß deren Kollegen in Hessen im Landtag sitzen. Also, machen Sie es mal eine Nummer kleiner. Fragen Sie danach, was es denn wirklich bedeutet. Wir werden aus dem Unternehmerlager, ja, aus dem Konzern Hoechst Stimmen haben, die es in der Industrie- und Unternehmensberatung versuchen. Gleichzeitig haben wir in Hessen im Konzern Hoechst Firmen, auf deren Reißbrettern längst umweltfreundliche Produktionsverfahren entwickelt worden sind,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

die am Main leider noch nicht stehen; sonst bräuchte sich doch der Farbwerkekonzern Hoechst nicht vor Gericht bescheinigen zu lassen, wie es denn eigentlich mit seiner eigenen internen Organisation zum Schutz der Umwelt und des Mainwassers aussieht. Der befindet sich doch vor Gericht, nicht die hessische Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen halten wir all dieses Gerede, na, sagen wir es bescheiden, für Unsinn.
Eines können die anderen Bundesländer natürlich tun; sie können versuchen, in Konkurrenz mit Hessen zu treten. Wenn sie umweltschädliche Produktionen aus meinem Heimatland abwerben, dann sollen sie das von mir aus tun; aber sie sollen dann nicht anschließend kommen und sagen, wir wollen aus dem Länderfinanzausgleich aus Hessen das Geld haben, um anschließend die Schäden zu beseitigen; das darf dann auch nicht passieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Und wenn die anderen Bundesländer, die von Ihnen regiert sind, den Geist aufgeben, nachdem sie bisher Industrieansiedlungspolitik betrieben haben, dann ist ein Wettbewerb mit Hessen um Standorte für umweltverträgliche Produktionen und naturschützende Produkte in der Tat für die Bundesrepublik ratsam. Nehmen Sie deswegen doch die auch von uns nicht als sehr freundlich geschätzte Hert ausforderung an, und bringen Sie sie in Ihre Bundesländer heim. Wenn ich mir anschaue, wo wir in Hessen stehen, sage ich: Wir haben die Wahl, mit Unzuverlässigen die richtige Politik zu machen — —




Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016906400
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß, bitte.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1016906500
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. — Wir haben die Wahl, mit Unzuverlässigen die richtige oder mit Zuverlässigen die falsche Politik zu machen. Unsere Wahl ist klar.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist ja sehr interessant! Das heißt, Politik für die GRÜNEN ist die Politik, die Sie wollen!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016906600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Warrikoff.

Dr. Alexander Warrikoff (CDU):
Rede ID: ID1016906700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Steger, Sie haben ausgeführt, daß Sie die Genehmigungsverfahren für die Nukleargesellschaften in Hanau zügig durchführen. Ich komme darauf zurück. Wie wäre es denn, wenn Sie einen Schritt darüber hinausgingen und nicht nur sagen wollten, Sie wollen Genehmigungsverfahren durchführen, sondern sagen würden, Herr Minister Steger, Sie wollen die Firmen haben? Wie wäre es denn, wenn Sie hier sagen würden, Sie wollen die Nukleargesellschaften in Hessen haben? Wie wäre es denn, wenn Sie ein Bekenntnis zu Wackersdorf und dem Schnellen Brüter ablegen würden? Denn dazu gehört auch die ALKEM. Ohne Wackersdorf und den Schnellen Brüter ist die ALKEM nicht sinnvoll. Das wissen Sie ganz genau. Warum sagen Sie das nicht? Sagen Sie das nicht mir?

(Zuruf von den GRÜNEN: Interessant!)

— Das ist ganz gleichgültig. Bitte, sagen Sie doch mal den Mitarbeitern, die sich Sorgen machen,

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie machen sich da ganz andere Sorgen!)

sagen Sie den vielen Hunderten von Leuten in Hanau

(Zurufe von den GRÜNEN)

— daß Ihnen die Menschen, die arbeiten, gleichgültig sind, ist mir klar —,

(Zuruf des Abg. Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE])

sagen Sie mal den Leuten in Hanau, daß Sie das durchführen wollen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Mir liegt das Schicksal der Mitarbeiter am Herzen

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das liegt Ihnen überhaupt nicht am Herzen!)

— Daß es Ihnen nicht am Herzen liegt, weiß ich. — Sagen Sie uns, daß Sie uns wollen. Tun Sie das bitte hier und an dieser Stelle.
Nächster Punkt. Wenn Sie die Genehmigungsverfahren so großartig zügig durchführen, warum haben Sie sich bei NUKEM darauf beschränkt, nur die Genehmigung zu erteilen, die ja, wie Sie wissen, durch acht Jahre Prozesse geht? Warum mußten Sie vom Bundesinnenminister gezwungen werden, den Sofortvollzug anzuordnen? Warum haben Sie, wenn Sie Dinge so zügig betreiben, dies nicht von sich aus getan? Warum halten Sie die Genehmigung für die Firma ALKEM zurück? Warum kündigen Sie in der Öffentlichkeit an, daß Sie Plutoniumwirtschaft und damit die ALKEM endgültig nicht haben wollen? Wir wollen in Hessen bleiben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die Nuklearindustrie will in Hessen bleiben.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wer ist hier „wir"?)

— Sie wissen schon ganz genau, was ich meine.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Schließlich und endlich möchte ich auf das Element des persönlichen Angriffes zurückkommen, den Sie, Herr Minister Steger, für richtig gehalten haben.

(Anhaltende Zurufe von den GRÜNEN — Zurufe von der SPD)

Sie haben es für richtig gehalten, hier vorzutragen, daß ein rechtswidriges Verhalten vorgelegen habe; Herr Kollege Pfeffermann ist bereits darauf eingegangen. Wenn es rechtswidrig gewesen ist, Herr Minister Steger — es wäre natürlich wunderbar, wenn Sie zuhören würden, aber ich bin ja Schlimmstes gewöhnt —, warum haben Sie bzw. Ihre Beamten dies dann jahrelang geduldet? Warum haben Sie dann diese Verfügung, die hier inkriminiert ist, an einem Freitagnachmittag losgeschickt, obwohl nicht die geringste Eilbedürftigkeit bestand? Warum haben Sie schließlich und endlich die entsprechende Anweisung des Bundesministers des Innern vollzogen?
Herr Minister Steger, Sie zwingen mich auf ein Niveau herab, auf dem ich mich nicht wohlfühle. Aber da Sie dieses Niveau vorgegeben und mir rechtswidriges Verhalten vorgeworfen haben, kann ich nur antworten: Herr Minister Steger, Sie haben rechtswidrig gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das hören wir gern, daß Sie als Nuklearvertreter Probleme in Hessen haben! — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Sprechen Sie als Geschäftsführer?)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1016906800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Bevor wir in der Tagesordnung weiterfahren, darf ich mitteilen, daß der Abgeordnete Schmitz (Baesweiler) als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ausscheidet. Die Fraktion der CDU/CSU hat die Abgeordnete Frau Pack als seine Nachfolgerin benannt. Sind Sie damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist die Abgeordnete Frau Pack als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarats gewählt.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 18 a bis 18c auf:



Präsident Dr. Jenninger
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Schutz vor unzumutbarem Verkehrslärm
— Drucksache 10/3654 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:. Ausschuß für Verkehr (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN
Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel (I)

hier: Einführung einer Lkw-Verkehrsabgabe
— Drucksache 10/3644 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr (federführend) Innenausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN
Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel (II)

hier: Maßnahmen gegen überhöhte Geschwindigkeiten durch Lastkraftwagen
— Drucksache 10/3645 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr (federführend) Innenausschuß
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 18 a bis 18 c und eine Aussprache von 90 Minuten vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (SPD):
Rede ID: ID1016906900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von der sozialliberalen Bundesregierung eingebrachte Verkehrslärmschutzgesetz ist in der 8. Legislaturperiode in Stufen gescheitert. Nachdem der Bundestag das Verkehrslärmschutzgesetz damals fast einstimmig angenommen hatte, ist dieser damalige Gesetzesbeschluß nicht über die Hürde der Bundesratsmehrheit gekommen. Im Vermittlungsausschuß konnte zwar ein Einigungsvorschlag zwischen Bundesrat und Bundestag erzielt werden; aber bei der abschließenden Beratung hier im Bundestag waren es CDU/ CSU und FDP gemeinsam, die diesen Einigungsvorschlag mit Blick auf den damaligen Bundestagswahlkampf mit einer fadenscheinigen Argumentation abgelehnt haben.

(Hoffie [FDP]: Wegen der Verwässerung! — Zuruf des Abg. Baum [FDP])

— Herr Kollege Hoffie, ich gebe Ihnen gerne zu, daß Sie verschiedene Motivationen hatten, aber im Ergebnis haben Sie den damaligen Einigungsvorschlag beide abgelehnt; anderes sage ich nicht. —
Wenn Vertreter der Bundesregierung nun in öffentlichen Verlautbarungen erklären, die jetzt in Kraft befindlichen Richtlinien zum Schutz vor Verkehrslärm seien zur Schadenseindämmung ausreichend und es bestehe kein weiterer Handlungsbedarf, dann ist das allerdings den Bürgern Sand in die Augen gestreut.

(Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

Diese Richtlinien, die 1983 von dieser ehemaligen Verhinderungskoalition in Sachen Lärmschutz in die Welt gesetzt worden sind, sind ja nur ein Minimalkonsens zwischen dem Bundesverkehrsminister und dem Bundesinnenminister. Er ist zustande gekommen, weil man sich eben nicht auf ein Verkehrslärmschutzgesetz und auch nicht auf eine Verordnung einigen konnte.
Noch im Januar 1983 kündigte der Bundesinnenminister vor der Hanns-Seidel-Stiftung an, er werde den Entwurf einer Rechtsverordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorlegen, um Grenzwerte für Lärmbelastungen für neue Straßen und Schienenwege festzusetzen. Er hat hier seine Zusage wieder einmal nicht eingehalten, aber er hat bei den Bürgern große Erwartungen geweckt.
Die nun vorgelegten Richtlinien stehen qualitativ weit hinter seinem Versprechen zurück. Denn diese Richtlinien haben keine Bindungswirkung für die Straßenbaulastträger und selbstverständlich auch keine Bindungswirkung für die Gerichte. Eine Verordnung oder ein Verkehrslärmschutzgesetz hätte diese Wirkung selbstverständlich.
Ihre Richtlinien können keinesfalls eine normative Regelung ersetzen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Auflagenvorschrift, die wir im Fernstraßengesetz haben. Dort ist das in § 17 geregelt, der im Gegensatz zu den Richtlinien nicht nur auf den Schutz der baulichen, sondern auch auf die allgemeine Grundstücksnutzung abstellt.
Jetzt rächt sich, daß die heutigen Koalitionsfraktionen im Juli 1980 die Umweltpolitik auf dem Altar parteiegoistischer Interessen geopfert haben. Seitdem liegt dieses Thema trocken. Aber Tatsache ist, daß sich nach wie vor über 60 % unserer Bürger vom Verkehrslärm erheblich belästigt fühlen. Wir wissen, Lärm entwickelt sich zu einer Volkskrankheit. Deshalb wird die Bundesregierung auch um klare Aussagen und konkretes Handeln nicht herumkommen.
Für uns ist es zugegebenermaßen von einem gewissen Reiz, eine Bundesregierung zu einer politischen Wertung des Lärmschutzproblemes aufzufordern, deren sie tragende Fraktionen für das parlamentarische Scheitern des Verkehrslärmschutzgesetzes im Juli 1980 verantwortlich waren.
Mit der zunehmenden Motorisierung ist die Bekämpfung des Verkehrslärms zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Problem geworden. In dem Zeitraum von 1970 bis 1983 ist der Bestand an zulassungspflichtigen Kraftfahrzeugen von 17 Millionen auf etwa 28 Millionen angestiegen, und die jährliche Gesamtfahrleistung hat sich in diesem Zeitraum von 234 Millarden auf 335 Milliarden km erhöht. Lärm macht den Menschen krank. Am härte-



Daubertshäuser
sten — auch das muß man wissen — sind in aller Regel diejenigen betroffen, die in eng bebauten Ortskernen oder dicht gebauten Siedlungen wohnen, weil sie nicht das nötige Geld haben, sich ein Häuschen im Grünen leisten zu können. Ich meine, der Verkehrslärmschutz muß mithelfen, daß ungestörtes Wohnen nicht zu einem Luxusartikel wird.
Ebenso hart betroffen sind natürlich viele Arbeitnehmer, die häufig einer Doppelbelastung ausgesetzt sind, nämlich zum einen dem Streß, dem Lärm am Arbeitsplatz und zum anderen ähnlich belastenden Bedingungen in ihrem Wohnumfeld. Deshalb muß hier dringend etwas geschehen, und zwar rasch und effektiv.
Die autogerechte Stadt fordert natürlich ihren Tribut. Sie fordert ihn in Form von Verkehrslärm, Abgasen, Lebensbedingungen, die das alte Wort „Stadtluft macht frei" schon lange in das Gegenteil verkehrt haben.
Die früheren Diskussionen mit Vertretern von Wissenschaft und Technik sowie den Betroffenen — auch im Bundestag — haben deutlich gemacht, daß wir das Lärmproblem insgesamt nur durch eine Paketlösung in den Griff bekommen können. Deshalb fordern wir in unserem Antrag nicht nur aktive und passive bauliche Lärmschutzmaßnahmen. Vielmehr fordern wir ein Bündel von sich ergänzenden Maßnahmen, nämlich auch Maßnahmen am Fahrzeug, verkehrslenkende und verkehrsordnende Maßnahmen.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Aber nicht reduzierende Maßnahmen!)

— Doch, natürlich. Wir wollen den Verkehrslärm eben auf ein für Menschen hinnehmbares Maß zurückdrängen, und zwar durch den Einsatz dieses umfassenden Maßnahmenbündels zum Schutz gegen unvermeidbaren Verkehrslärm.
Das, was wir vorschlagen, ist der Versuch, eine durchhaltbare Balance zu finden zwischen umwelt- und verkehrspolitischen sowie zwischen gesundheitspolitischen und städtebaulichen Notwendigkeiten, aber auch gleichzeitig die auf Grund unseres föderativen Staatsaufbaus diffizilen Finanzierungsfragen zu lösen, ohne daß man die Gesamtkostensituation aus dem Auge verliert.
Eine Sonderregelung, wie sie auch in der Diskussion ist, nur für Bundesstraßen wird von uns abgelehnt, weil sie insbesondere im kommunalpolitischen Bereich vielerorts Streit entfachen würde. Keine Kommune könnte es politisch durchstehen, wenn die Anwohner einer Ortsdurchfahrt, die Bundesstraße ist, für Schallschutzmaßnahmen an ihren Gebäuden Entschädigung erhalten, während die Bürger, die an einer ebenso lauten oder sogar noch stärker verkehrsbelasteten kommunalen Straße wohnen, leer ausgehen sollen. Das heißt, wir wollen eine einheitliche Regelung des Lärmschutzes sowohl für die Bundesfernstraßen als auch für die Landes- und Kommunalstraßen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das beseitigt die jetzt noch vorhandene Rechtsunsicherheit und führt auch zur Gleichbehandlung aller betroffenen Straßenzüge.
Die Bundesratsmehrheit hat seinerzeit den damaligen Gesetzentwurf abgelehnt, weil angeblich die Kosten nicht finanzierbar seien. Wir wissen inzwischen, daß die damals in der Diskussion befindlichen Kosten überhöht angesetzt waren. Die Kosten, die entstehen würden, sind finanziell darstellbar, auch für die Kommunen, weil über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 60 % für den Lärmschutz beim Neubau kommunaler Straßen vom Bund übernommen werden. Der Bund würde mit 69,4 % der Gesamtkosten auch die Hauptlast des Verkehrslärmschutzgesetzes zu tragen haben.
Neu ist unser Finanzierungsvorschlag für die Lärmsanierung von Landes- und Gemeindestraßen aus unserem Programm „Arbeit und Umwelt". Hierfür soll die Mineralölsteuer zweckgebunden um einen Pfennig erhöht werden. Dies ist für die Länder und die Kommunen deshalb von Interesse, weil dadurch Landes- und Kommunalhaushalte nicht in Anspruch genommen werden und weil das strenge Verursacherprinzip zur Grundlage der Finanzierung" genommen würde.
Wir verstehen ein Verkehrslärmschutzgesetz eben nicht als ein bloßes Reparaturinstrument. Es soll vielmehr Mut machen, neue Prioritäten zu setzen, Mut auch zu einer menschengerechten Verkehrsplanung, Mut, die Fußgänger, Radfahrer, motorisierten Zweiradfahrer und Autofahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer zu behandeln, Mut auch, die öffentlichen Nahverkehrsmittel so zu fördern, so auszubauen und so attraktiv zu machen, daß sie vom Bürger angenommen werden.
Der Verkehrslärmschutz erfordert aber auch Ideenreichtum. Er erfordert Kreativität in der Raum- und der Verkehrsplanung. Besonders hier müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, wieder eine Stadt für Menschen zu schaffen statt eine Drehscheibe für Blechkarossen.
Es ist nicht möglich — das wissen wir —, von heute auf morgen den Verkehrslärm aus der Welt zu schaffen. Ein sinnvolles Gesamtkonzept braucht einen längeren Zeitraum. Auch unsere Initiative wird nicht schlagartig eine leise Umwelt herbeiführen. Aber unser Antrag nennt die Instrumente, die eine erhebliche Verbesserung des gegenwärtigen Zustands bringen. Und dies ist eine konstruktive Umweltpolitik im Interesse unserer Bürger.
Danke sehr.

(Beifall bei der SPD — Schulte [Menden] [GRÜNE]: Klatschen bei fünf Sozialdemokraten!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016907000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hanz.

August Hanz (CDU):
Rede ID: ID1016907100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Daubertshäuser hat sich sehr breit über das Verkehrslärmschutzgesetz, das wir in der 8. Wahlperiode beraten haben, ausgelassen. Ich glaube, daß



Hanz (Dahlen)

dieses Gesetz und sein Ergebnis kein Ruhmesblatt der vorigen Koalition sind.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Richtig!)

Denn ganz eindeutig war die Vorlage damals völlig unzulänglich. Erst die Beratungen im Ausschuß haben viel gebracht, was auch Sie jetzt als Postulat vorgetragen haben, nämlich die Einbeziehung aller Straßen. Es gab sicher viele Gründe für das Scheitern damals. Aber einer der Hauptgründe war die Unfähigkeit der damaligen Koalition, sich zu einigen und es durchzusetzen. Ich glaube, das sollten wir hier festhalten. Es gab natürlich auch eine Anzahl anderer Gründe. Vielleicht komme ich auf den einen oder anderen zurück.

(Zuruf des Abg. Schulte [Menden] [GRÜNE])

Mir, Herr Kollege Daubertshäuser, ist keine einzige Äußerung aus der jetzigen Koalition oder der Bundesregierung bekannt, die besagt, es gebe beim Lärmschutz keinen Handlungsbedarf. Natürlich können wir darüber streiten, in welcher Form wir den Lärmschutz entwickeln. Aber daß es auch für die Zukunft keinen Handlungsbedarf gebe, das sagt niemand.

(Zuruf des Abg. Zink [SPD])

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland derzeit 30 Millionen zugelassene Kraftfahrzeuge, und die Tendenz steigt.

(Zuruf des Abg. Ströbele [GRÜNE])

Rund 80 % des Verkehrsaufkommens entfallen auf den Individualverkehr.
Der Bundesbürger legt Wert darauf, sein Verkehrsmittel frei zu wählen.

(Zuruf des Abg. Ströbele [GRÜNE])

Wir sind aufgefordert — und die Bundesregierung folgt dem —, dieser Wahl in einem freiheitlichen Rechtsstaat grundsätzlich Rechnung zu tragen.

(Senfft [GRÜNE]: Freiheitliches Tempo!)

Dies bringt natürlich, wie wir alle wissen, große Umweltprobleme und große Diziplin für den einzelnen mit sich.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016907200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schulte (Menden)?

August Hanz (CDU):
Rede ID: ID1016907300
Nein, meine Redezeit ist so knapp — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016907400
Nein. Das wird nicht angerechnet. Das ist Ihre freie Entscheidung.

August Hanz (CDU):
Rede ID: ID1016907500
Nein.
Insbesondere der Verkehrslärm ist, wie wir alle wissen, zu einer großen Belastung der Menschen in unserem Lande geworden. Hinzu kommt noch, daß sich die Zunahme des Verkehrslärms bei uns besonders stark auswirkt, weil die Bundesrepublik Deutschland besonders dichte Siedlungs- und Wirtschaftsräume aufweist. In anderen Ländern sind die Verhältnisse hier bei weitem weniger ungünstig. Daher wird auch dort dem Verkehrslärm nicht die Bedeutung beigemessen wie in der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesem Grunde haben wir es manchmal schwer, bei unseren europäischen Partnern für unsere viel stärker greifenden Maßnahmen Verständnis zu finden und gemeinsame Lösungen aufzuzeigen.
Noch einmal zu dem Verkehrslärmschutzgesetz aus der 8. Legislaturperiode. Einer der Hauptgründe war natürlich, daß der Bundesrat wegen der aus der damaligen Sicht auf Länder und Gemeinden zukommenden großen Kostenlast diesen Gesetzentwurf abgelehnt hatte. Heute, meine Damen und Herren, sprechen nach meiner Meinung viel mehr Gründe gegen den für ein neues Verkehrslärmschutzgesetz in dieser 10. Legislaturperiode.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Ohne ein eigenes Gesetz braucht und darf unser Bemühen um Lärmschutz keineswegs nachlassen. Aber schon allein der Zeitraum von knapp einem Jahr Gesetzgebungsarbeit reicht nicht aus, ein so umfassendes Gesetzeswerk zu verabschieden. — Aber auch in den vergangenen Jahren war die Bundesregierung auf dem Gebiet des Lärmschutzes nicht untätig. Um die Vereinheitlichung des Lärmschutzes zu erreichen, hat der Bundesminister die auch eben angezogenen Richtlinien 1973 erlassen. Diese Richtlinien fußen ganz eindeutig auf dem Ergebnis der Beratungen in der 8. Legislaturperiode. Diese Richtlinien sollten — und haben dies nach meiner Meinung getan — eine Vereinheitlichung der Lärmgrenzwerte und des Lärmschutzes in der Bundesrepublik Deutschland, auch für Länder und Gemeinden, herbeiführen.
Hauptbestandteil dieser Richtlinien sind die Emissionsgrenzen für Lärmsanierung und Lärmvorsorge. Die Ergebnisse — ich sagte es schon — der damaligen zweitägigen Anhörung sind voll mit eingeflossen.
Zu unserer Genugtuung, möchte ich noch einmal sagen, ist fast in allen Ländern eine gleichmäßige Behandlung der Lärmgrenzwerte für Kreis- und Landesstraßen durch die Baubehörden festzustellen.
Der Antrag der SPD, wie er hier vorliegt, ist zudem so äußerst kostenintensiv, daß er nach meiner Meinung im Bundesrat keine Mehrheit erwarten kann. Und Steuererhöhungen kommen für diese Koalition in der jetzigen Legislaturperiode nicht in Frage.
Meine Damen und Herren, wenn wir durch unsere Lande fahren, können wir an der Vielzahl der Lärmschutzwände feststellen, daß die Zeit nicht stillgestanden hat. Nur manchmal — das möchte ich hier klar betonen — bin ich nicht nur traurig, sondern auch böse darüber, was hier teilweise angerichtet wurde. Oft noch geschmackloser als manche Hochbauten der 50er oder 60er Jahre stehen Lärmschutzwände an unseren Straßen. Man könnte manchmal glauben, sich auf der Fahrt in einem Ostblockland zu befinden. Hier muß nach meiner Meinung Abhilfe geschaffen werden. Österreich, aber auch die Schweiz und andere Länder, können ein



Hanz (Dahlen)

nachahmenswertes Beispiel für die Gestaltung unserer Lärmschutzwände sein. Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit gar nicht alle verurteilen, sondern die loben, die geschmackvolle und moderne Lärmschutzwände in die Landschaft eingepaßt haben.
Nun, meine Damen und Herren, die Grenzwerte für bestehende Straßen können im Rahmen der bisher für Lärmschutzmaßnahmen vorhandenen Mittel gesenkt werden, weil neue Bauverfahren zu einer Minderung der Kosten für den Bau entsprechender Anlagen geführt haben. Die Fraktion der CDU/CSU wird sich dafür einsetzen, daß die notwendigen Schritte und Maßnahmen zur Verkehrsverbesserung unverzüglich durchgeführt werden. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat in den Beratungen zum Verkehrshaushalt die Absenkung der Grenzwerte bei Lärmschutzmaßnahmen an bestehenden Fernstraßen gebilligt. Dadurch können vor allem Krankenhäuser, Schulen, Kurheime usw. an stark befahrenen Bundesstraßen besser geschützt werden.
Meine Damen und Herren, für uns ist klar, daß trotz erheblicher Leistungen zur Verbesserung der Lärmsituation in den vergangenen Jahren noch immer viele Menschen unter der Beeinträchtigung durch Verkehrslärm leiden. Auf der Grundlage der derzeit noch bestehenden Grenzwerte gibt der Bund 250 Millionen DM jährlich für Lärmvorsorge aus. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß dies nur ein Beitrag zur Verbesserung der Lärmsituation sein kann. Der beste Lärmschutz ist nach wie vor der an der Quelle des Lärms, also z. B. beim Motor, wozu auch ein rücksichtsvoller Fahrstil unserer Kraftfahrer gehört.
Meine Damen und Herren, die Aufforderung in dem Antrag der SPD an die Straßenbaubehörden vor Ort, die Vorschriften aus dem Erlaß des Bundesministers für Verkehr vom 6. November 1981 zu erfüllen, um die Verkehrsbelastung der Bevölkerung zu reduzieren, können wir nur unterstützen. Besonders darauf hingewiesen wurde aber wohl deshalb, weil das die einzige Maßnahme ist, die die damalige Koalition an Lärmvorsorge getroffen hat. Wenn wir auch mit dem Antrag der SPD in manchen Punkten nicht voll übereinstimmen, glauben wir doch, daß bei der Beratung etwas herauskommen kann.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016907600
Das Wort hat der Abgeordnete Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016907700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN wollen beim Straßenverkehrslärm direkt an der Quelle ansetzen. Wir wollen deshalb die umweltverträglichen Verkehrsmittel fördern und die Verkehrsmittel, die die Bürger am meisten beeinträchtigen, zurückdrängen. Dabei geht es aus unserer Sicht insbesondere um den Lkw.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Moped!)

Wir haben deshalb hier im Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem wir eine Schwerverkehrsabgabe für Lkw fordern. Ich möchte kurz begründen, warum dies unbedingt notwendig ist.
Bei allen gesellschaftlichen Folgekosten des Straßenverkehrs steht der Lkw an erster Stelle. Er ist Hauptverursacher. Das wird hier im Deutschen Bundestag immer wieder vernachlässigt, was auch seine Gründe haben wird; ich komme darauf noch zu sprechen.
Bei den Emissionen z. B. verursacht der LkwVerkehr folgende Werte: 500 000 t Stickoxide; das sind 31 %, also rund ein Drittel der gesamten Stickoxidemissionen des Straßenverkehrs. Das heißt, auch wenn Sie eine Umrüstung bei den Pkw vornehmen und die Bürger jetzt dazu verleiten wollen, neue Autos mit Katalysator zu kaufen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt hier „verleiten"?)

muß man hier eindeutig sagen: Sie haben die Industrie und das Gewerbe wieder in Schutz genommen. Sie hätten hier, beim Lkw, ansetzen sollen; denn immerhin bekommen Sie ein Drittel der Emissionen nicht von der Straße weg, wenn Sie nur den Pkw-Verkehr angehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Lkw verursachen 83 000 t Kohlenwasserstoffe; das sind 13 % der Emissionen im gesamten Straßenverkehr. Ferner entstehen 42 000 t Schwefeldioxid — das sind 62 % der betreffenden Emissionen des Straßenverkehrs — und 50 000 t Partikel und Ruß; das sind 75% der gesamten Emissionen. Durch diese Emissionswerte wird sehr deutlich, daß etwas getan werden muß.
Meine Damen und Herren, entsprechend hoch ist der Energieverbrauch. 23 % des gesamten Energieverbrauchs im Straßenverkehr geht zu Lasten der Lkw, obwohl der Lkw-Verkehr nur 8,5% des gesamten Verkehrs ausmacht. Bei dem Lärm, den Lkw verursachen, bei den sonstigen Belästigungen durch Erschütterungen usw. sieht es nicht anders aus. Sie bekommen sicherlich auch laufend die Protestbriefe der Bürger, in denen geschrieben steht: Wir halten diesen Lärm nicht mehr aus, wenn die Lkw hier bei uns vorbeidonnern. Das werden Sie sicherlich auch immer wahrnehmen müssen. Nur, es wird nichts getan. Es ist also auch Handlungsbedarf bei der Belästigung durch Lärm vorhanden.
Das gilt aber genausogut für die gefährlichen Güter. Sie wissen, daß die Bahn das sicherste Verkehrsmittel ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere an die schweren Unfälle — an die sogenannten Nebel-Unfälle —, die im Januar dieses Jahres passiert sind. Es waren aber keine Nebel-Unfälle, sondern diese Unfälle sind durch die Raserei von Lkw verursacht worden. Sie sind mit überhöhter Geschwindigkeit — mit 120 km/h — durch den Nebel gerast. — Was ist dann passiert? Überhaupt nichts.
Deshalb haben wir unseren zweiten Antrag eingebracht, in dem wir grundsätzlich eine technische



Senfft
Vorrichtung bei Lkw fordern, damit die nicht mehr schneller fahren als 85 km/h. Das sind immerhin noch 5 km/h mehr als die erlaubte Geschwindigkeit.
Bei den Unfällen mit Lkw ist es genauso. Betroffen sind vor allen Dingen diejenigen, die am unschuldigsten, die am schwächsten sind. Wir haben den starken Lkw auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Fußgänger und die Radfahrer. Wir haben 200 tote Radfahrer im Jahr, und zwar überwiegend deshalb, weil der Deutsche Bundestag und diese Bundesregierung unter anderem nicht in der Lage sind, die Lkw-Unternehmen anzuweisen, sie sollen Seitenschutzbleche bei den Lkw installieren und einen lumpigen zusätzlichen Außenspiegel an der einen Seite anbringen, damit der „tote Winkel" endlich beseitigt wird. Nicht einmal diese 49,50 DM oder was dieser Spiegel kostet, wollen Sie den Unternehmen aufbürden. Das Ergebnis sind 200 tote Radfahrer jedes Jahr. Sie haben den Artikel im „stern" wahrscheinlich auch gelesen.
Hinzu kommen noch die unverschämten Arbeitsbedingungen und die Sozialvorschriften, die im Lkw-Verkehr immer wieder umgangen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt kaum einen brutaleren Arbeitsplatz als den des Lkw-Fahrers im Fernverkehr. Wenn die 15 Jahre auf dem „Bock" gesessen haben, dann sind sie psychisch und physisch fertig mit der Welt. Das ist die Realität. Das geht alles auf die Knochen der Arbeitnehmer. Hier besteht auch Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal die Entwicklung an. Es ist ganz eindeutig: Der Lkw ist der Hauptverursacher. Die Bahn indessen ist das umweltfreundlichste und sicherste Verkehrsmittel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will Ihnen die Zahlen einmal nennen. Der Straßengüterfernverkehr ist in den letzten 15 Jahren von 41,9 Milliarden tkm auf 88,1 Milliarden tkm gewachsen. Das heißt: Das Aufkommen hat sich mehr als verdoppelt. Das gilt aber nur für den Fernverkehr. Die Zahl der ausländischen Fahrzeuge hat sich verfünffacht.
Schauen wir uns jetzt die umweltfreundliche Eisenbahn an. Was ist da passiert? 71,5 Milliarden tkm 1970; bis 1984 hat sich diese Zahl auf 60 Milliarden tkm verringert. Es ist permanent eine Verkehrspolitik betrieben worden, die noch mehr Verkehr auf der Straße und — zu Lasten der Bahn — immer weniger Verkehr auf der Schiene zuläßt. Das muß dringend geändert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Regierungspolitik zielt hingegen darauf ab, das Geschäft der Lkw-Verkehrsunternehmen noch weiter zu erleichtern und damit die Belastungen und Gefährdungen der Bürger zu erhöhen. Sie predigen immer den kombinierten Verkehr. Was machen Sie aber? Erstmals seit den letzten sechs Jahren fallen die Unterstützungszahlungen für den kombinierten Verkehr an die Deutsche Bundesbahn in Höhe von 156 Millionen DM ersatzlos weg. Sie haben das ersatzlos gestrichen. Begründen Sie einmal, warum sie den kombinierten Verkehr, von dem Sie hier immer reden, nicht mehr durch Unterstützungszahlungen fördern wollen.
Sie geben immer neue Genehmigungen im Güterbezirksverkehr auf der Straße. 2 100 neue Genehmigungen sind erteilt worden. Für 4 t-Nutzlast-Lkw wollen Sie gar keine Genehmigungen mehr erteilen; da wollen Sie den Wettbewerb bis zum Erbrechen. Das drückt immer weiter, auch auf die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer. Sie erhöhen die Benzinfreimengen. Sie verschärfen die gesamte Situation zu Lasten der Bahn und

(Straßmeir [CDU/CSU]: Zugunsten der Verbraucher!)

zu Lasten derjenigen, die diese Arbeit dort leisten müssen, meine Damen und Herren.
Wenn ich mir die Prognosen angucke, nach denen Sie Ihre Verkehrspolitik ausrichten, dann ergibt sich folgendes Bild: Sie erwarten weiterhin eine Steigerung im Straßengüterfernverkehr um bis zu 40 % bis zum Jahre 2 000. Das ist der absolute Wahnsinn.

(Bueb [GRÜNE]: Das ist Chaos!)

Sie richten Ihre Verkehrspolitik darauf aus, anstatt hier politisch zu handeln. Es wäre Ihre Aufgabe, politisch zu handeln, einzugreifen und massiv dazu beizutragen, daß der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird.

(Ströbele [GRÜNE]: Das sind eben Chaoten!)

Unsere Forderungen: die Schwerverkehrsabgabe. Wir sind dafür, daß die Preise im Güterverkehr nicht etwa sinken; sie müssen vielmehr erhöht werden, und zwar unter anderem deshalb, damit — erstens — unnötige Transporte wegfallen.

(Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

Den Bürgern bringt das gar nichts. Nehmen wir z. B. dieses Hin- und Herschaukeln der Milch. Was haben die Bürger davon, wenn die schleswig-holsteinische Milch mit Lkw nach Bayern oder nach Italien gebracht wird und wenn die bayerische Milch nach Schleswig-Holstein gefahren wird? Milch ist Milch. Das sind völlig unnötige Transporte.
Bei dem Restverkehr wollen wir die Verlagerung auf die Bahn und beim kombinierten Verkehr eine Erhöhung der Dezentralität. Deshalb haben wir eine Schwerverkehrsabgabe in Höhe von 5 bis 32 Pf pro Tonnenkilometer gefordert. Das würde den gesellschaftlichen Kosten entsprechen, die der Lkw-Verkehr verursacht.
Ich möchte hier aber auch noch etwas zur Durchsetzung solcher Forderungen sagen. Dabei möchte ich an die Debatte anknüpfen, die wir heute morgen geführt haben. Wir sind uns darüber im klaren, daß es jede Regierung, wie auch immer sie gestaltet sein mag, schwer haben wird, solche Forderungen gegenüber der brutalen Lkw-Lobby durchzusetzen. Es gibt kaum eine schlimmere, brutalere Interes-



Senfft
senvertretung als die der Unternehmer im Straßengüterfernverkehr.
An dieser Stelle möchte ich nur einmal daran erinnern, daß es damals die Fuhrunternehmer waren, die mit den Unterstützungsgeldern der CIA die demokratische Regierung Allendes in Chile in die Knie gezwungen und eine Militärregierung installiert haben.
Ich möchte hier auch daran erinnern,

(Zurufe von der CDU/CSU)

daß die Lkw-Unternehmer, als die Schweiz demokratisch, per Volksabstimmung, eine Schwerverkehrsabgabe nicht nur für die ausländischen, sondern auch für die heimischen Unternehmen beschlossen hatte, ihre Arbeitnehmer dazu getrieben haben, mit ihren Lkw den Straßenverkehr zu blokkieren. Ich möchte an die Straßenverkehrsblockaden am Brenner erinnern.
Was war denn da mit Ihrem Staatsverständnis? Was ist da passiert? Herr Strauß ist dort hingefahren, aber nicht etwa deshalb, um die Lkw-Unternehmer und die Beteiligten darauf hinzuweisen, daß sie einem Rechtsstaat grob zuwiderhandeln, daß sie wirklich kriminell handeln. Nein, er hat Ihnen heißen Kaffee gebracht.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Wechseln Sie doch das Thema! Das glaubt Ihnen doch kein Mensch!)

Auf der anderen Seite haben wir bei den friedlichen, symbolischen Besetzungen von Straßen oder Plätzen vor Militäreinheiten vergeblich darauf gewartet, daß Herr Strauß kommt und uns heißen Kaffee bringt. Nein, da kamen die Wasserwerfer!

(Zuruf von der CDU/CSU: Das habe ich auch schon mit Blockierern vor meiner Haustür so gemacht! — Straßmeir [CDU/ CSU]: Wasser ist umweltfreundlich!)

Das zeigt Ihr gespaltenes Rechtsbewußtsein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte hier noch ganz kurz auf den Antrag der SPD zum Verkehrslärm zu sprechen kommen. Die meisten Forderungen, die in diesem Antrag enthalten sind, unterstützen wir. Wir teilen diese Forderungen. Ich kann diesen Antrag allerdings nicht so ganz ernst nehmen, wenn ich dort den Punkt 5 sehe. Ich muß ihn hier einmal zitieren:
Die Kosten der Lärmsanierung sind aus den jeweiligen Mitteln für den Straßenbau und aus dem bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau einzurichtenden Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" ... aufzubringen.
Erstens. Die SPD hat zur Finanzierung dieses Sonderprogramms vorgeschlagen, die Mineralölsteuer um 2 Pf pro Liter zu erhöhen. Und was passiert am Mittwoch im Verkehrsausschuß bei der Beratung des Antrags der CDU/CSU und der FDP? Ich beantrage, die Mineralölsteuer für bleihaltiges Benzin um auch nur 2 Pf pro Liter zu erhöhen. Wer lehnt ab? Dreimal können Sie raten: die Sozialdemokraten!

(Zuruf von der SPD: Das ist nur die halbe Wahrheit!)

Zweitens. Sie sagen, Sie wollen aus den Mitteln des Straßenbaus finanzieren. Was passiert in der Woche zuvor im Ausschuß bei der Beratung des Verkehrshaushalts? Ich beantrage die Umverteilung der Mittel von der Straße auf die Schiene in Höhe von 3,6 Milliarden DM. Daß das mit den Sozialdemokraten nicht geht, war mir klar. Ich mache ein Angebot und sage: Liebe Leute, laßt uns doch wenigstens schrittweise etwas heruntergehen beim Straßenbauetat. — Nein. Statt dessen haben die Sozialdemokraten einer Erhöhung der Mittel für den weiteren Bundesfernstraßenbau um 50 Millionen DM von diesem Jahr zum nächsten Jahr zugestimmt. Also noch mehr Mittel für den Bundesfernstraßenbau.
Und wenn ich mir dann den Auftritt von Herrn Steger heute morgen hier angucke, dann muß ich doch fragen: Was ist denn hier passiert? Er hat um mehr Straßenbaugelder gebettelt. Und was passiert in Nordrhein-Westfalen? Dort stellt sich der Verkehrsminister hin und verkündet: Bei uns ist der Straßenbau beendet, Baustopp! — Ich habe es hier, dicke Schlagzeilen: Es wird hier nichts mehr gebaut. Ich möchte den Verkehrsminister oder den Staatssekretär mal fragen: Wieviel hat er denn an Geldern angefordert? Die volle Summe wie vorher. Die Bettelei geht weiter.
Dann möchte ich meinen ehemaligen Kollegen — Heinz Suhr war auch dabei — im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Jo Leinen ansprechen. Er ist heute Umweltminister im Saarland. Ich kann mich daran erinnern, daß wir damals gemeinsam brennende Pressemitteilungen gegen den Straßenbau geschrieben haben. Wenn ich heute sehe, daß er als Umweltminister des Saarlandes bei diesem Verkehrsminister geradezu darum bettelt, daß er mehr Gelder für den Straßenbau bekommt, dann wird diese Doppelzüngigkeit der SPD ganz eindeutig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie von der Koalition haben eine klare Position zu den Fragen, die den Straßenbau angehen. Sie sagen: Jawohl, wir halten ihn für notwendig. Sie vertreten das auch in der Öffentlichkeit. Auch wir haben eine klare Position zu dieser Frage. Wir sagen: Nein, wir wollen keinen Straßenbau mehr. Und wir vertreten das hier auch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und gehen zu Fuß und fahren mit dem Fahrrad!)

Was macht die SPD? Die SPD sagt in der Öffentlichkeit: Um Gottes willen, der Straßenbau ist weitestgehend abgeschlossen. Wir wollen nicht mehr. Sie beantragt hier und über die Länder mehr Mittel für den Straßenbau. Das ist die bittere Realität. Deshalb können wir Ihren Antrag nicht ganz ernst nehmen. Es ist stückweit ein Schauantrag, den Sie da im Zuge des bevorstehenden Wahlkampfes gestellt haben.



Senfft
Lassen Sie mich zum Schluß noch eines zu den Landesstraßenbaumitteln in Hessen feststellen. Hessen ist das einzige Bundesland, wo die Landesstraßenbaumittel schrittweise Jahr für Jahr gekürzt worden sind. Das geschah nicht etwa, weil dort die SPD den Ministerpräsidenten stellt, sondern weil die GRÜNEN mit bzw. gegen die Sozialdemokraten das durchgesetzt haben.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir Ihre Verkehrspolitik anschaue, die Sie betreiben, dann wird mir schwarz vor Augen, wenn ich daran denke, wie dieses Land in zehn Jahren aussehen wird und wie die Bürger allein durch den Straßenverkehr darunter zu leiden haben.

(Suhr [GRÜNE]: Eine Betonwüste!)

Ich kann Ihnen eines sagen: Wir werden jede Gelegenheit, die sich uns bietet, nutzen, um 1987 mit bzw. gegen die Sozialdemokraten

(Zuruf von den GRÜNEN: Trotz!)

— trotz der Sozialdemokraten — den Straßenbau zu verringern und eine Wende in der Verkehrspolitik endlich einzuleiten und durchzusetzen, im Interesse der Bürger unseres Landes. Denn Sie sind dazu absolut nicht fähig, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016907800
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID1016907900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit der Verkehrspolitik auseinandersetzen,

(Suhr [GRÜNE]: Jetzt kommt der Geisterfahrer! Geisterfahrer Hoffie!)

die die GRÜNEN betreiben wollen. Ich will deshalb gleich zu zwei Anträgen der GRÜNEN reden, die hier Gegenstand der Debatte sind, nämlich die Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel.
Was von den GRÜNEN gefordert wird, ist eine Lkw-Verkehrsabgabe von 5 Pfennig je Tonnenkilometer für die 1-t-Lkw, die es praktisch überhaupt nicht gibt,

(Senfft [GRÜNE]: Doch!)

und 32 Pfennig je Tonnenkilometer für Lkw über 20 t Nutzlast, wie sie im Fernverkehr, im grenzüberschreitenden Verkehr, aber auch im Bezirksgüterverkehr in aller Regel eingesetzt werden. Der Antrag, meine Damen und Herren, ist ein sehr eindrucksvolles Beispiel für die Wirtschafts- und Verkehrsfeindlichkeit der GRÜNEN, wie sie ja in Hessen künftig praktiziert werden soll.
Machen wir, Herr Senfft, eine ganz einfache Rechnung auf. Ich hoffe, daß Sie das nachvollziehen können. Dann zeigt sich das ganze Ausmaß Ihrer utopischen Vorstellungen. Im Straßengüterverkehr ist die Situation die, daß wir jährlich allein von bundesdeutschen Unternehmen eine Verkehrsleistung von 129,5 Milliarden Tonnenkilometern registrieren. Diese Leistung, multipliziert mit dem in der Regel eingreifenden Satz von 32 Pfennig, den Sie jetzt draufschlagen wollen, gibt eine Summe von rund 41 Milliarden DM, die von Ausländern zu verlangenden Zahlungen noch gar nicht mitgerechnet.

(Ströbele [GRÜNE]: Sehr gut!)

Der gesamte Umsatz des Straßengüterverkehrsgewerbes, meine Damen und Herren, beträgt jährlich 31,3 Milliarden DM einschließlich Mehrwertsteuer. Somit übersteigt die Verkehrsabgabe für Lkw, die Sie hier fordern, den Umsatz von 24 Pfennig je Tonnenkilometer um 33 %.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Konsequenz der Einführung — ich weiß nicht, ob Sie dann auch noch klatschen — wäre mithin eine Erhöhung der Transporttarife um satte 133%, was jeden Transport derart verteuern würde, daß sich Unternehmer es nur noch dann leisten könnten,

(Ströbele [GRÜNE]: Wenn es unbedingt notwendig ist!)

solche Transporte auf den Lkw zu nehmen, wenn es gilt, Gold oder Platin zu transportieren. Was hier also beantragt wird, ist schlicht und einfach — unter anderer Überschrift, unter anderem Etikett — die Abschaffung des Lkw-Verkehrs.

(Senfft [GRÜNE]: Nein!)

Das ist ja wohl auch beabsichtigt, wenn man die Begründung liest, in der Sie sich für die Bundesbahn sehr stark machen. Ich werde Ihnen gleich sagen, welche Konsequenzen das hätte.

(Abg. Schulte [Menden] [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich muß meine Redezeit voll nutzen. Am Ende lasse ich — wie immer — gerne Zwischenfragen zu, wenn sie nicht auf die Redezeit angerechnet werden.
Daß zunächst einmal Tausende von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und 80 000 Arbeitsplätze im Transportgewerbe vernichtet würden, wissen Sie. Dazu haben Sie aber nichts gesagt.

(Senfft [GRÜNE]: Was kümmern Sie die Arbeitsplätze bei der Bahn? Überhaupt nicht!)

Sie müßten dazu aber etwas sagen. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, die von Ihnen so freundlich bedachte Bundesbahn wird Ihnen diese Art von Förderungsprogramm aber wohl kaum danken können, denn sie müßte, wollte sie die Transportleistungen der Lkw tatsächlich übernehmen, allein für die Verkehrsleistungen bundesdeutscher Spediteure ihre Kapazitäten um ca. 1 000% steigern,

(Ströbele [GRÜNE]: Das wäre sehr vernünftig!)

Wozu sie beim besten Willen nicht in der Lage ist.

(Ströbele [GRÜNE]: Das schafft viele Arbeitsplätze!)

Der Antrag ist also in jeder Hinsicht unsinnig. Wenn Sie 1000 % mehr Verkehrsleistungen im Güterverkehr, der heute 8 % ausmacht, auf die Schiene nehmen, müßten Sie — und zwar sofort — ein Netz



Hoffie
zur Verfügung haben, das das 10- bis 20fache an Transportleistungen ermöglicht. Dies haben Sie aber nicht zur Verfügung.

(Senfft [GRÜNE]: Fangen Sie doch einmal an! Sie wollen ja noch nicht einmal anfangen!)

— Wir fangen ja damit an. Meine Damen und Herren, dieses ist die erste Bundesregierung, die für Neubauinvestitionen der Bahn mehr Geld als für entsprechende Investitionen für den Bereich Straße zur Verfügung stellt. Das hat es bisher unter keiner anderen Bundesregierung gegeben. Das sind die Tatsachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie hätten all das, was die Bundesbahn zu übernehmen hätte, leicht errechnen können, wenn Sie, Herr Kollege Senfft, das Gesprächsangebot des Verbandes, den Sie hier noch einmal beschimpft haben, angenommen hätten

(Senfft [GRÜNE]: Ich habe keinen Verband beschimpft!)

und sich vielleicht einmal mit Fachleuten unterhalten hätten, anstatt ihnen Briefe zu schreiben, daß man sich nichts zu sagen habe.

(Abg. Daubertshäuser [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016908000
Herr Kollege Hoffie, gilt Ihre Aussage von vorhin generell, oder lassen Sie jetzt eine Zwischenfrage zu'?

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID1016908100
Am Ende lasse ich gerne Zwischenfragen zu. Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege Daubertshäuser.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016908200
Ich komme in zehn Minuten darauf zurück.

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID1016908300
Meine Damen und Herren, all das zeigt, daß es hier nicht um Politik geht, sondern um das alte Theaterspiel, das wir schon so oft erlebt haben.
Die Abwegigkeit dieser Verkehrsabgabe wird auch noch durch etwas anderes deutlich. Alles, was Sie an Gegenständen hier im Plenum oder in Ihrem Büro sehen — z. B. der Stuhl, auf dem Sie sitzen, der Schreibtisch, an dem Sie sich solchen Unfug einfallen lassen, das Papier, auf dem Sie ihn dann auch noch niederschreiben —, ist mindestens einmal irgendwann mit einem Lkw transportiert worden. Wenn Sie den Lkw-Verkehr abschaffen wollen, müssen Sie demnächst mit dem Bollerwagen zum Bahnhof ziehen, um sich dort Ihre Latzhosen und Ihre Turnschuhe selbst abzuholen. Sie können es natürlich auch mit dem Fahrrad tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gegenüber dem, was Sie hier fordern, war der heftig umstrittene, 1968 eingeführte sogenannte LeberPfennig geradezu eine lächerliche Kleinigkeit. Er wurde 1972 wieder abgeschafft, weil er gegen EG- Recht verstieß, genau wie der Antrag, den Sie heute einbringen, gegen EG-Recht verstößt. Herr Senfft,
das hätten Sie leicht nachlesen können. Es sollte hier nicht unerwähnt bleiben, mit welcher Leichtfertigkeit Sie hier glauben, großzügig Anträge vorlegen zu müssen.
Ihr zweiter Antrag betreffend Maßnahmen gegenüber überhöhte Geschwindigkeiten von Lkws —Sie fordern die Einführung der Einbaupflicht von Geschwindigkeitsreglern — erscheint mir rechtlich nun wirklich widersinnig. Erst wird der Lkw-Verkehr durch Ihre 32-Pfennig-Regelung praktisch verboten, und dann verordnet man dem Toten auch noch eine Kur. Die Idee ist ja nicht neu. In Frankreich gibt es diese Einbaupflicht, wobei die eingestellte Geschwindigkeit aber eine andere ist als die, die Sie fordern. Sie fordern eine 85-km/h-Grenze. Das liegt daran — das ist ein Problem —, daß nicht in allen europäischen Ländern die gleiche Geschwindigkeitsbegrenzung für Lkws besteht. Das heißt, Sie würden den deutschen Lkws einen Geschwindigkeitsregler verpassen, der dann in einem ausländischen Land, wenn man die Grenze überschritten hat, schon deswegen nicht mehr richtig ist, weil der Lkw z. B. in Frankreich schneller fahren dürfte.

(Senfft [GRÜNE]: Dann fährt er halt nicht schneller!)

Der deutsche Lkw kann dann nicht schneller fahren, weil er den Geschwindigkeitsbegrenzer eingebaut hat, und damit ist er im Verhältnis zu den Franzosen aus dem Wettbewerb. So unsinnig ist also auch dieser Antrag.

(Senfft [GRÜNE]: Was hat der in Frankreich zu suchen?)

Das wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, wenn Sie einmal nachgesehen hätten, welche Geschwindigkeitsbegrenzungen für Lkws in welchen europäischen Ländern vorgeschrieben sind. Dann hätten Sie einen solchen Antrag gar nicht gestellt.

(Senfft [GRÜNE]: Die sollen in der Bundesrepublik bleiben, und wenn Sie ins Ausland wollen, sollen Sie mit der Bahn fahren!)

Meine Damen und Herren, Ihre Angaben zur Senkung der durchschnittlichen Geschwindigkeit und des NOx-Ausstoßes glauben Sie doch wohl selbst nicht. Sie tun so, als würden praktisch alle Lkw-Fahrer durchschnittlich 5 km/h zu schnell fahren.

(Senfft [GRÜNE]: Es ist mehr! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Hören Sie doch einmal zu, Herr Senfft! Dann begreifen Sie es vielleicht.
Wenn das so wäre und wenn Sie den Geschwindigkeitsregler auf 85 km/h einstellen, dann senken Sie nach Ihren eigenen Angaben die Durchschnittsgeschwindigkeit um höchstens 2 km/h und nicht um 10 km/h, wie Sie das bei einer rein theoretischen und deshalb falschen Berechnung angeblicher Schadstoffsenkungen zugrunde gelegt haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)




Hoffie
Wenn Sie dem Bundestag also schon Anträge zumuten, dann wäre etwas mehr Sorgfalt bei der Begründung angebracht.
Was die aufgeführten Stichprobenmessungen anbelangt, so sollten Sie uns nicht mit alten Zahlen behelligen, wenn der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, was Sie hätten nachlesen können, gerade neue Zahlen vorgelegt hat, die besagen, daß die Geschwindigkeitsüberschreitungen um 33 % abgenommen haben und nur noch bei 1 % aller Fälle von einem schweren Verstoß gesprochen werden muß. Damit geht die stetige Verbesserung der Unfallbilanz einher, die 1985 auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren überhaupt angekommen ist. Bei alledem sehe ich über die im Verkehrssicherheitsprogramm beschlossenen und von den Verbänden geplanten Maßnahmen hinaus keinen Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren, diese beiden Anträge allein — der Kollege Baum wird gleich noch zum Verkehrslärm Stellung nehmen — charakterisieren, welch schwachsinnige und unüberlegte verkehrspolitische Forderungen Sie tatsächlich hier einführen, die, würden Sie sich auch nur ein einziges Mal mit den Tatsachen auseinandersetzen, niemals gestellt würden.
Herzlichen Dank.

(Senfft [GRÜNE]: Herr Hoffie, Sie halten Ihre Versprechungen zum Schluß Zwischenfragen zu beantworten, nie ein! Aber er hat auch nichts zu antworten!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016908400
Meine Damen und Herren, seine Redezeit war zu Ende, und am Schluß kann man dann nicht noch Zusatzfragen stellen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was sollen dann die blöden Versprechungen?)

— Es ist in der Hand des Redners, seine Zusagen einzuhalten. Die Redezeit war vorbei.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Buckpesch.

Walter Buckpesch (SPD):
Rede ID: ID1016908500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Senfft, wenn Sie draußen in Bürgerinitiativen lautstark wie berechtigt den Bau von Ortsumgehungen fordern, um stark belastete Ortskerne oder Wohngebiete zu entlasten, aber im Verkehrsausschuß die dafür notwendigen Mittel aus dem Verkehrshaushalt herausnehmen wollen, dann ist das aus unserer Sicht schlicht unehrlich. Das können Sie mit uns nicht machen. Soweit die Antwort auf das, was Sie vorhin vorgetragen haben.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns heute auf Grund des Antrags der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit dem Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Verkehrslärm befassen, dann befassen wir uns mit einer Geißel der Menschheit in der modernen Industriegesellschaft. Das Max-Planck-Institut für Arbeitspsychologie hat bereits vor Jahren betont, der Lärm sei das stärkste Umweltgift von heute. Mit diesem Umweltgift befassen wir uns heute im Deutschen Bundestag nicht zum ersten Mal, sondern leider zum wiederholten
Male. Aber wir Sozialdemokraten tun dies in der Hoffnung, daß unsere Initiative nun endlich zum Erfolg führt, und wir tun das in der Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, insbesondere von der Regierungskoalition, mit uns bereit sind, am Ende der Auseinandersetzung das dringend notwendige Verkehrslärmschutzgesetz zu verabschieden.
In der Auseinandersetzung wird oft darauf hingewiesen, daß es zum Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm an sich keines eigenen Gesetzes. bedarf. Auch der Kollege Hanz hat so etwas Ähnliches gesagt, wenn er zwar andeutete, daß es einen Handlungsbedarf gebe, aber erklärte, Sie wollten nichts tun oder jedenfalls im Moment kein Verkehrslärmschutzgesetz verabschieden. Da kommt also ebenfalls der Hinweis: Wir haben das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die dazu erlassenen Richtlinien, und das ist ein Instrumentarium, das zur Bewältigung der Probleme völlig ausreicht. Über die Unverbindlichkeit dieser Richtlinien, Herr Kollege Hanz, hat Kollege Daubertshäuser schon einiges ausgeführt.
Ich werde darüber hinaus noch einige Gründe vortragen, wie wir das bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre getan haben, warum wir Sozialdemokraten glauben, daß das vorhandene Instrumentarium zur Bekämpfung des Verkehrslärms völlig unzureichend ist.
Der erste Grund: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz von 1974 enthält keine konkreten Angaben darüber, ab wann, d. h. ab welcher Lärmschwelle der durch den Verkehr verursachte Lärm als schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist.
Der zweite Grund: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz verlangt Lärmschutz nur „bei dem Bau oder bei der wesentlichen Veränderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen und Straßenbahnen". Das Gesetz kennt also keine Regelungen für Verkehrswege, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestanden. Das Argument, die Anwohner dieser Verkehrswege werden sich möglicherweise schon an den Lärm gewöhnt haben, ist für uns Sozialdemokraten unerträglich. Aus diesem Grunde fordern wir auch den Abbau von Altlasten. Wir fordern also die sogenannte Lärmsanierung.
Der dritte Grund: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sieht für die Entscheidungen, für die notwendigen Immissionsschutzmaßnahmen keine Abwägung mit anderen öffentlichen Belangen vor, insbesondere keine Abwägung mit finanzpolitischen Notwendigkeiten. Daraus folgt, daß die im Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehene Verordnung, die im Gesetz selbst nicht vorgesehene Abwägung ebenfalls nicht übernehmen kann. So formuliert es jedenfalls die höchstrichterliche Rechtsprechung.

(Mann [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Der vierte Grund: Die im Bundes-Immissionsschutzgesetz ausgesprochene Ermächtigung für diese Rechtsverordnung ist so eng, daß die für eine zweckmäßige Handhabung des Rechtsschutzes in der Praxis erforderlichen Regelungen in der Ver-



Buckpesch
ordnung nur sehr lückenhaft getroffen werden können.
Alle diese Gründe wurden bereits in der 8. Legislaturperiode vom Deutschen Bundestag gewürdigt. Sie wurden sogar mit großer Mehrheit akzeptiert. Das damals vorgelegte Gesetz scheiterte allerdings zunächst an der Unionsmehrheit im Bundesrat und dann an der damals schon unheiligen Allianz von CDU/CSU und FDP im Deutschen Bundestag.

(Mann [GRÜNE]: Sehr wahr!)

Das war damals kurz vor einer Wahl, und es war blanker Opportunismus.

(Mann [GRÜNE]: So ist es!)

Wir können an Sie nur die Bitte richten, Ihre jetzigen Entscheidungen auf Grund der folgenden Diskussion nicht wieder im Opportunismus versinken zu lassen.

(Baum [FDP]: Sie hätten damals anders entscheiden müssen!)

Wir sollten uns doch alle darüber im klaren sein, daß wir, je länger wir das dringend notwendige Verkehrslärmschutzgesetz hinauszögern, den Schaden für die betroffene Bevölkerung vergrößern und daß die Sanierung der Altlasten mit jedem Tage teurer wird.

(Mann [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Wir Sozialdemokraten können auch nicht einsehen, weshalb nur die Anwohner an Verkehrswegen des Bundes in den Genuß solcher Lärmschutzmaßnahmen kommen sollen. Wir wollen selbstverständlich auch die bestehenden Landes- und Kommunalstraßen in ein Verkehrslärmschutzgesetz einbezogen wissen, denn gerade in den Städten und Gemeinden tritt das Lärmproblem an den bestehenden und stark frequentierten Straßen ganz besonders deutlich hervor. Dort, in den Städten und Gemeinden, wohnt doch die Masse der Bevölkerung, die vor den schädlichen Umwelteinflüssen des Verkehrs geschützt werden muß.
Nun zeigen zwar die Entscheidungen höchster Gerichte, daß die Rechtsprechung auch ohne gesetzliche Grundlagen Gemeinden und Kreise zwingen könnte, entsprechende Schutzmaßnahmen zu erlassen. Dabei entsteht aber doch die Gefahr, daß die Rechtsprechung ohne die Entscheidung des Gesetzgebers, also ohne unsere Entscheidung, regional unterschiedliche Umweltmaßstäbe an die zu treffenden Schutzmaßnahmen anlegen würde. Dies gilt es eben zu verhindern.
Unserem Antrag ist auch zu entnehmen, daß wir — wie früher — wiederum einen Schienenbonus für die Schienenwege vorgesehen haben, aber nicht deshalb, weil wir der Schiene einen Vorteil gegenüber der Straße einräumen wollen, und auch ganz besonders nicht deshalb, weil wir in erster Linie mit diesem Bonus das Bundesunternehmen Deutsche Bundesbahn in einen Vorteil bringen wollen, sondern es gibt vielmehr objektive Gründe, die es erfordern; denn der Schienenverkehrslärm ist gegenüber dem Straßenverkehrslärm schon allein dadurch benachteiligt, daß durch die Verwendung der
Maßgröße für den Schienenverkehrslärm Nachteile entstehen. Bei der Verwendung dieser Maßgröße werden nämlich die tieferen Frequenzen erheblich unterdrückt, das heißt, für die Geräusche mit einem starken Anteil tiefer Frequenzen — und dazu gehören die Geräusche aus dem Straßenverkehrslärm — wird das Meßergebnis reduziert. Damit ist es nach der Aussage der Wissenschaftler durchaus geboten, den Schienenverkehrslärm mit einem Bonus zu versehen, den die Wissenschaft etwa bei 5 Dezibel ansetzt. Deshalb erscheint es uns nur recht und billig, diese Benachteiligung im Meßverfahren auszugleichen.
Der beste Lärmschutz, meine Damen und Herren, ist jedoch der, den Lärm erst gar nicht entstehen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist übrigens auch volkswirtschaftlich völlig unsinnig, für den Lärmschutz enorme Investitionen vorzunehmen, ohne gleichzeitig den Versuch zu machen, lärmmindernde Maßnahmen zu ergreifen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist ein Appell an die Automobilhersteller, noch mehr als bisher den Lärm an der Quelle, den Lärm am Kraftfahrzeug, zu reduzieren.

(Zuruf von den GRÜNEN: Und weniger Autos!)

Es ist aber auch ein Appell an unsere Stadt- und Verkehrsplaner; denn eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsumwelt läßt sich durch Verkehrsberuhigungsmaßnahmen erreichen. Verkehrsberuhigungsmaßnahmen als umfassender Umweltschutz dienen gleichzeitig auch der Lärmminderung.
Über die heute bekannten Möglichkeiten der Verkehrsberuhigung hinaus gibt es mit Sicherheit weitere Maßnahmen. Wir alle — Automobilhersteller, Stadtplaner, Verkehrsteilnehmer und Politiker — müssen nur unsere Phantasie und unsere Kreativität in eine andere als die bisher übliche Richtung lenken. Umdenken tut not auch beim Lärmschutz.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

So müssen doch unsere Automobilhersteller stolz darauf sein, ein Automobil konstruiert zu haben, das sich zwar nicht in sechs Sekunden von 0 auf 100 km pro Stunde beschleunigen läßt, aber schadstoffarm fährt und sogar mit einem Motor ausgerüstet ist, der sich bei niedriger Geschwindigkeit im Stadtverkehr noch elastisch fahren läßt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016908600
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schlußsatz.

Walter Buckpesch (SPD):
Rede ID: ID1016908700
Wir müssen doch stolz darauf sein, Wohngebiete geplant zu haben, in denen die Kinder mehr Rechte als das Automobil haben. Und wir müssen als Verkehrsteilnehmer stolz darauf sein, wenn wir mal auf das Fahrrad umsteigen, und wir müßten als Politiker stolz sein, wenn es uns gelänge, noch in dieser Legislaturperiode ein gutes



Buckpesch
und ein wirksames Verkehrslärmschutzgesetz zu verabschieden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016908800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID1016908900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon genug über die Gefahren des Lärms gehört. Die Lärmbekämpfung ist nach dem Kriege nicht zügig genug vorgenommen worden. Ich habe mich auch manchmal über das Verhalten der Automobilhersteller — lärmarme Kraftfahrzeuge - geärgert. Das alles wissen wir. Wir wissen, welche Auswirkungen Lärm auf Gesundheit, auf die Planung unserer Städte und den Wohnwert unserer Städte hat. Deshalb ist es nützlich, daß wir uns hier unterhalten.
Auch ich bin der Meinung, daß zu viel auf der Straße transportiert wird. Nur, Ihr Mittel, Ihr Instrument ist völlig falsch. Ich bin auch der Meinung, daß man jetzt mal überlegen muß, ob man in reinen Wohnbereichen mit der Geschwindigkeit nicht drastisch heruntergeht.

(Zuruf von den GRÜNEN) Das sind Fragen, die auch wir diskutieren.

Es hat bei den ganzen Bemühungen um Lärmschutz neben wesentlichen Fortschritten in der vorigen Koalition auch einen Rückschlag gegeben, und an dem Rückschlag war auch die damalige Opposition beteiligt. Ich erinnere mich noch gut, wie mein Kollege Hoffie gekämpft hat. Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses war dann unzureichend. Sie, die beiden großen Parteien, hätten es akzeptiert. Es ist dann aber nicht zustande gekommen, und zwar aus Kostengründen, die die Länder und Gemeinden vorgetragen haben. Und die Kollegen von der SPD nehmen doch nicht im Ernst an, daß ihre eigenen Länder jetzt das annehmen, was sie hier vorgeschlagen haben. Denken Sie doch einmal an die Finanzsituation in Nordrhein-Westfalen! Das, was Sie vorgeschlagen haben, würde eine Verdoppelung bis Vervierfachung der Kosten bedeuten. Das ist so nicht möglich.
Nun zur Frage eines Gesetzes: Ich sage, es geht, es läuft ohne Gesetz.

(Abg. Mann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich möchte nicht, vielen Dank. — Es gibt die Richtlinien, die 1983 aufgestellt worden sind und die für die neuen Straßen gelten. Sie haben Rechtseinheitlichkeit bewirkt; es ist keine Abweichung festzustellen. Der Bund hat die Richtlinien quasi vorgeschrieben, und sie gelten in der praktischen Anwendung.
Und wir haben jetzt eine bemerkenswerte Entscheidung der Koalition im Haushaltsausschuß: Ab 1986 werden die Lärmwerte in empfindlichen, in schutzwürdigen Bereichen und reinen Wohngebieten bei bestehenden Bundesfernstraßen um 5 Dezibel gesenkt. Sie müssen sich bitte vorstellen, daß das menschliche Gehör 10 Dezibel als eine Verdoppelung empfindet. Das ist also eine drastische Herabsetzung durch Haushaltsmittel des Bundes. Hier wird eine Priorität für den Lärmschutz gesetzt. Das ist praktisches Handeln. Wozu brauchen wir Gesetze, wenn wir handeln können? Wir können es ja, und es wird auch im Rahmen der Möglichkeiten getan.

(Beifall bei der FDP)

Die Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei haben Finanzierungsvorschläge gemacht.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich habe Bedenken gegen die Finanzierungsvorschläge Ihres Programms „Arbeit und Umwelt". Auch die Sachverständigen haben Ihnen gegenüber hier in Bonn vor einigen Tagen solche Bedenken geäußert. Wollen Sie denn die Abgaben, die Steuern weiter erhöhen? Wir haben das Verursacherprinzip, und auch der andere Weg, den wir jahrzehntelang gegangen sind, ist viel besser. Die Mineralölsteuer haben wir doch jetzt erhöht.

(Mann [GRÜNE]: Um wieviel denn, Herr Baum?)

Im übrigen steht in Ihrem Antrag ein Satz, den Sie zurücknehmen müssen. Es steht da sinngemäß, der Bundesfinanzminister habe auf Grund der Mineralölsteuerspreizung zugunsten des bleifreien Benzins einen Überschuß gemacht. Ich hoffe, daß dieser Überschuß jetzt nach den neuesten Beschlüssen zugunsten des Umweltschutzes abfließt. Also, Ihre Finanzierung steht wirklich auf tönernen Füßen.
Ich halte den Weg, den die Bundesregierung jetzt geht, für richtig. Ich meine, wir sollten ihn so fortsetzen. Hier werden wirklich praktische Erfolge erzielt. Es ändert alles nichts daran, daß wir alle, meine Kollegen, auch Sie von den GRÜNEN, Lärm erzeugen

(Senfft [GRÜNE]: Sie wollen ja auch nichts ändern!)

- wir steigen gleich ins Auto —; wir sollten den Leuten nichts vormachen. Es muß an der Quelle des Übels angesetzt werden:

(Senfft [GRÜNE]: Sie wollen da aber nicht ansetzen, das wollen Sie nicht!)

beim Auto, beim Straßenbelag, bei den Reifen; da gibt es Forschungsvorhaben. Nur, so wie Sie das hier vorgeschlagen haben, Herr Senfft, nämlich den großen Hammer zu nehmen, geht das nicht. Wir sind auf dem richtigen Wege.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Senfft [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Verursacherprinzip! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016909000
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016909100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den die SPD zum Verkehrslärm vorgelegt hat, verleitet, Herr Kollege Daubertshäuser, in der Tat zur Betrachtung der Beratung vom März 1980. Ich



Schmidbauer
bin Ihren Ausführungen mit großer Aufmerksamkeit gefolgt und meine, daß Ihre Position im März 1980 in der Tat die war, die Sie auch heute hier vertreten haben. Nur, wenn wir die Position der SPD von heute, so wie der Antrag formuliert ist, mit ihrer damaligen Position vergleichen, dann müssen wir feststellen, daß hier ein eklatanter Wechsel eingetreten ist.
In Ihrem heutigen Antrag ist von der damaligen Position wenig zu spüren. Sie fordern heute nach dem Motto „schneller", „schärfer" und stellen diese Forderung heute auf, auch wenn es technisch nicht machbar ist. Herr Kollege Daubertshäuser, ich würde Sie bitten, die technischen Angaben in Ihrem Antrag einmal zu überprüfen. In diesem Antrag wird zum Teil auch der Versuch gemacht, Ladenhüter in neuer Verpackung zu verkaufen. Da die Argumente Emissionsminderung in Verbindung mit Tempolimit nicht mehr so richtig greifen, wird jetzt der Lärm als Pseudoargument herangezogen.

(Senfft [GRÜNE]: Das ist ein Argument!)

Nur muß man wissen — und das wissen Sie sehr genau

(Zuruf von den GRÜNEN)

— ob Sie es wissen, weiß ich nicht; ich bin mir fast sicher, daß Sie davon überhaupt nichts verstehen, so wie Sie heute dazu geredet haben —:

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lärm ist ein örtliches Problem. Wenn an Außerortsstraßen und an Autobahnen Lärmprobleme auftreten, können bereits heute die Straßenverkehrsbehörden Geschwindigkeitsbegrenzungen einführen.

(Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

Allerdings — das muß auch gesagt werden — sind die möglichen Verbesserungen durch ein Tempo 80 und 100 minimal. Sie betragen genau 1 dB (A). Daß das als Maßnahme nicht ausreicht, müssen Sie inzwischen auch erkannt haben. Deshalb werden in der Praxis aus Lärmschutzgründen auch niedrigere Geschwindigkeiten vorgeschrieben.
Mit der Verordnung über die versuchsweise Einführung einer Zonen-Geschwindigkeitsbegrenzung vom Februar 1985 ist, so denke ich, ein ausreichendes Instrument zur Einführung von örtlichen Tempo-30-Zonen gegeben. Es sei aber an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, daß Geschwindigkeitsreduzierung nicht immer mit Lärmminderung gleichzusetzen ist. Wenn Sie ein Beispiel brauchen: 32 Pkw mit 2 000 Umdrehungen sind genauso laut wie 1 Pkw mit 4 000 Umdrehungen.
In dem SPD-Antrag werden zwei wichtige Bereiche nicht angesprochen; auch insoweit möchte ich mich an Sie wenden, Herr Kollege Daubertshäuser. Erstens sprechen Sie nicht die Erziehung zu lärmarmer, energiesparender Fahrweise an — das gehört mit in ein Maßnahmenbündel — und zweitens nicht die Überwachung der Fahrzeuge im Verkehr, insbesondere die der motorisierten Zweiräder.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016909200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Senfft?

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016909300
Am Ende bitte, kurz vor Schluß.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016909400
Dann müssen Sie daran erinnern.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016909500
Ich tue das gern.
Hierauf legt die SPD offensichtlich aber keinen großen Wert. Sie zielt offensichtlich nur darauf ab — das finde ich bei Ihren Ausführungen an sich schade —, ein Verkehrslärmschutzgesetz zu verabschieden, allerdings — das wiederhole ich — mit unrealistischen und zum Teil technisch nicht machbaren Grenzwerten.
In diese Richtung geht auch ein Antrag des Landes Hessen, der aber im Bundesrat offensichtlich keine Mehrheit finden wird. Wenn ich etwas Positives zu Hessen im Unterschied zu heute morgen sagen kann, so dies, daß in diesem hessischen Entwurf wenigstens von realistischen Grenzwerten ausgegangen wird. Es wird nicht wie im SPD-Antrag nach Rasenmähermethode vorgegangen und eine Reduzierung aller Werte um 5 bis 7 dB (A) verlangt; übrigens im Gegensatz zu Ihrem eigenen Entwurf 1980. Das ist die Schwäche dieses Entwurfs. Ich sage das ohne Polemik; denn ich habe auf Grund der beiden Ausführungen von Ihnen heute erkannt, daß wir hier in der Tat ein Stück weiterkommen. Sachlich sind wir nicht weit auseinander. Aber wir müsen überlegen, ob wir die Werte, die Sie in dem Antrag angeben, technisch überhaupt realisieren können.
Die Bundesregierung — das ist vorhin vom Kollegen Hanz gesagt worden, auch wenn er mißinterpretiert wurde — hat sehr rasch gehandelt. Wir haben in der Tat Mitte 1983 Richtlinien eingeführt, die es erlauben, neue Grenzwerte anzugehen.
Inzwischen ist eine neue Situation durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1985 zur Lärmvorsorge eingetreten, das erst im September bekanntgeworden ist. Danach müssen wir uns überlegen — wir sind dabei, das zu tun —, ob wir nicht im Rahmen des § 43 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eine Rechtsverordnung erlassen müssen, die angemessene Grenzwerte für die Lärmvorsorge normativ festlegt. Hier ist eine Grauzone entstanden; denn die Richtlinien reichen nicht aus, und das neueste Urteil sagt ja deutlich, daß das geändert werden müsse. Ich denke, wir müssen hier in der Tat ein Stück weiterkommen.
Wenn ich den Antrag der SPD kurz werten darf, dann meine ich, daß die quantitativen Forderungen in allen Punkten überzogen sind, sowohl was Lärmvorsorge als auch Lärmsanierung, sowohl was Straße als auch Schiene betrifft. Sie sind kaum finanzierbar und bedeuten in der Praxis eine ausgedehnte Bepflasterung der Bundesrepublik Deutschland mit Schallschutzwänden. Auch das wurde von Ihnen — daran zeigt sich, daß Sie auch Ästheten in der Fraktion haben — im Haushaltsausschuß fest-



Schmidbauer
gestellt, wo Sie ausgeführt haben: häßlicher Schallschutz an Bundesautobahnen.
Welches ist aber jetzt der richtige Weg? Ich denke, nicht die Forderung nach überzogenen Sekundärmaßnahmen, und zwar Sekundärmaßnahmen um jeden Preis mit zum Teil umweltschädigenden Folgen, sondern die Durchsetzung von Primärmaßnahmen, d. h. Maßnahmen an der Quelle zur Emissionsminderung. Sie sagten das, und dem stimme ich ebenfalls zu. So wurden die Grenzwerte für Kraftfahrzeuge in den letzten zwei Jahren deutlich verschärft. Hier wird die Politik der Bundesregierung ja klar und deutlich. Während unter der SPD-Regierung noch Fahrzeuge in den Verkehr kommen konnten, und zwar bis zum Oktober 1983, die den Geräuschanforderungen von 1966 entsprachen, wurden unmittelbar nach Regierungsübernahme zum 1. Oktober 1983 schärfere Grenzwerte eingeführt. Und ab Oktober 1985, also in diesen Tagen; wurde zudem ein deutlich schärferes Meßverfahren verbindlich.
Darüber hinaus — das ist der SPD entgangen — sind auf Grund unserer Interventionen entsprechende EG-Richtlinien bereits verabschiedet und werden neue, schärfere Grenzwerte eingeführt, die zum Oktober 1989 bzw. 1990 EG-weit in Kraft treten. Dies bedeutet besonders für die lästigen Lkw-Geräusche eine Verschärfung der Anforderungen und führt damit zu einer Reduzierung des Lärms um 90 %. Um das zu verdeutlichen: 10 Lkw des Jahrgangs 1990 werden zusammen nur so laut sein wie ein einziger Lkw des Jahrgangs 1980. Auch hier wird deutlich, was wir inzwischen erreicht haben.
In Großbritannien wird ein Forschungsprogramm mit 10 Millionen Pfund aufgelegt und der Industrie zur Verfügung gestellt, allein um diese EG-Grenzwerte einzuhalten. Man sieht also deutlich, daß hier ziemlich hohe Anforderungen für die Zukunft gestellt werden.
Zusätzlich haben wir in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, die am 1. Dezember 1984 in Kraft getreten ist, den Begriff des lärmarmen Lkw aufgenommen. Auch damit werden höhere Anforderungen an die Geräuschdämmung gestellt.
Die Forderungen des SPD-Antrags, die noch darüber hinausgehen — nach bewährtem Muster einfach 2 bis 5 dB (A) weniger fordern —, sind technisch nicht machbar. Ich will das an Beispielen aus dem Pkw-Bereich kurz demonstrieren. Bereits die Reifengeräusche liegen in der von der SPD gewünschten Größenordnung. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Nur ein Golf ohne Motor könnte Ihre Grenzwerte erreichen. Und das wird wohl nicht Sinn und Zweck Ihres Antrags sein.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies zeigt erneut, daß hier relativ realitätsfern gedacht wird und daß der umweltpolitische Sachverstand sich noch nicht durchgesetzt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Mann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich kann Ihre Frage leider nicht zulassen, weil meine Redezeit zu Ende geht. Ich würde es gern tun
— im Unterschied zu Ihnen.
Der Kollege Hauff, der j a immer dann nicht da ist, wenn es um die Dinge geht, die er nach außen vertritt, hat damals, als er noch Verkehrsminister war, den Antimanipulationskatalog aus unerfindlichen Gründen verhindert. Nachdem wir an die Regierung gekommen waren, haben wir hier sofort gehandelt und haben damit auch bei Mopeds und Mofas natürlich einen Fortschritt erreicht.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016909600
Herr Abgeordneter, Sie haben vorhin gesagt, Sie wollen am Schluß Zwischenfragen zulassen.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016909700
Ich will jetzt noch einen Satz sagen, den Schlußsatz. Ich komme eh nicht hin. Danach, wenn Sie es nicht anrechnen: Zwischenfragen.
Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Anträge der Opposition keine neuen sachlichen Hinweise enthalten, wohl aber die Ansätze der beiden Vorredner von der SPD Anlaß geben, daß wir in der Beratung dieser Problematik mit Ihnen — das hoffe ich — ein gutes Stück weiterkommen werden.
Herzlichen Dank.
Ich lasse jetzt die Zwischenfragen zu. Ich war noch in der Zeit.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016909800
Eine lasse ich zu. Es sind noch elf Sekunden. Bitte schön, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016909900
Herr Kollege Schmidbauer, wir wollen ja versuchen, hier wirklich zu gemeinsamem Handeln im Sinn der Bürger zu kommen. Das finde ich bei Ihrem Beitrag sehr gut.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht mit den GRÜNEN!)

Stimmen Sie mit uns darin überein, daß der beste Lärmschutz an der Quelle eine wirklich alternative Verkehrspolitik wäre, wo wir gemeinsam aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, z. B. mit einem eindeutigen Vorrang für die Bundesbahn gegenüber dem Güterverkehr auf der Straße?

(Zuruf des Abg. Dr. Rumpf [FDP])


Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016910000
Wenn Sie mir zugehört haben, haben Sie gehört, daß ich dargestellt habe, welche Bemühungen wir gemacht haben, um hier ein Stück voranzukommen. Wenn Sie mit alternativen Bemühungen Ihre eigenen Bemühungen und die Bemühungen, die in Ihren Anträgen stehen, meinen, kann ich dem beim besten Willen nicht zustimmen. Aber darauf wird nachher Herr Kollege Haungs eingehen. Ich habe mich, wie Sie bemerkt haben, mit den GRÜNEN heute nicht beschäftigt. Sie tun mir in dem Zusammenhang, was den Sachverstand Ihrer Anträge angeht, ein bißchen leid.



Schmidbauer
Deshalb habe ich mich heute nur mit der SPD auseinandergesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Mann [GRÜNE]: Das können die Bürger besser beurteilen, wer wem weswegen leid zu tun hat!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016910100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Antretter.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1016910200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Kollegen Schmidbauer möchte ich sagen, daß der Kollege Volker Hauff sich als einziger Deutscher bei der UNO-Umweltkonferenz in Kolumbien befindet, zu der er wegen seines Sachverstands eingeladen wurde.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Rumpf [FDP]: Da fliegt er mit einem Flugzeug ohne Motor hin!)

Ich möchte gerne auf den Punkt eingehen, der heute ein bißchen zu kurz gekommen ist: Wie sieht es eigentlich bei den Menschen aus, die davon betroffen sind? Was geschieht bei ihnen? Schon lange vor der Lärmtaubheit oder Gehörlosigkeit — so sagen uns die Fachleute — setzen vegetative, psychische und physiologische Störungen ein. Im Laufe der Zeit werden im Ohr die Zellkerne der Sinneszellen zerstört. Dies ist dann weder durch Operationen noch durch Hörgeräte reparabel. Der Betroffene bleibt lebenslang taub. Diese Taubheit bildet die brutalste Behinderung, die es gibt.

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Vor allem durch die Disco!)

— Ja, natürlich, Herr Kollege Schwörer. Bei manchen tritt es auch nicht gleich ein; da muß man zuerst noch den kleinen Mann im Ohr wegnehmen.

(Heiterkeit)

Eines Tages
— hat um die Jahrhundertwende der Berliner Seuchenforscher Robert Koch vorhergesagt —
wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.
Ich glaube, dieser Tag ist da. Darum ist es angemessen, daß wir über dieses Thema sehr ernsthaft diskutieren.

(Beifall des Abg. Senfft [GRÜNE])

Natürlich hat sich der Lärm längst zu einer Volkskrankheit ausgewachsen. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Bundesrepublik fühlt sich schon heute durch den Lärm erheblich belästigt. Dabei Ist, wie alle Umfragen zeigen, der Straßenverkehr die Lärmquelle Nr. 1, und so müssen wir sie auch angehen.
Wir sehen auch hier wieder, meine Damen und Herren: Wie alle Technik ist das Auto beides, Beleg unseres Wohlstandes und zugleich Umweltbelastung, Sorgenkind der Umweltpolitik. Es ist Zugpferd der Konjunktur und Barometer für den Zustand unserer Wirtschaft. Diese Zugpferdrolle der Autoindustrie, meine Damen und Herren, wird auch in den nächsten Jahren bleiben, wenn das umweltfreundlichere Auto verstärkt auf den Markt kommt. Natürlich wissen wir: Jeder siebente Arbeitsplatz in der Bundesrepublik hängt direkt oder indirekt vom Auto ab. Und wem wäre die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Schaffung von Arbeitsplätzen wichtiger als den Sozialdemokraten in diesem Haus?
Wir brauchen natürlich auch in Zukunft Autos. Dies kann keine Frage sein. In einem Land wie der Bundesrepublik mit seiner großen Zersiedelung ist es überhaupt nicht möglich, jeden Ort mit dem öffentlichen Nahverkehr auf der Schiene oder mit dem Bus zu erreichen. Wir werden immer auf das Auto angewiesen sein. Das ist überhaupt keine Frage.
Die Märkte der Zukunft, meine Damen und Herren, gehören aber auf jeden Fall dem umweltfreundlicheren. Kraftfahrzeug.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016910300
Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Senfft?

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1016910400
Bitte, gern, Herr Senfft. Vizepräsident Westphal: Bitte schön.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016910500
Zu der Frage der Pkw: Selbstverständlich brauchen wir auch in Zukunft Autos. Sind Sie der Auffassung, daß wir in Zukunft die angepeilte Zahl von 30 Millionen Pkw wirklich brauchen, oder können Sie sich andere Verkehrssysteme oder eine andere Aufteilung feststellen, auf Grund deren diese hohe Zahl nicht mehr notwendig ist?

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1016910600
Ich kann mir vorstellen, Herr Kollege Senfft, daß man durch eine weit bessere Attrahierung des öffentlichen Personennahverkehrs die Entwicklung von selbst in eine vernünftige Richtung lenkt. Natürlich wird es nicht sinnvoll sein, wenn jede deutsche Familie drei oder vier Autos hätte. Vernünftig wird sein, dem Auto den Platz zu geben, den es als ein Fortbewegungsmittel zu beanspruchen hat, ohne das wir nicht auskommen, aber nicht den eines Fortbewegungsmittels, bei dem in erster Linie Geschwindigkeit, Hochgeschwindigkeit, Styling eine Rolle spielen, nicht den eines Fortbewegungsmittels, das auf vierspurige Trassen angewiesen ist. Wir müssen vernünftig überlegen: Wie machen wir alles eine Nummer kleiner, damit es diesen Platz auch ausfüllt, ohne daß wir es verteufeln müßten?

(Beifall bei der SPD)

Die öffentliche Diskussion hat sich bereits in den letzten Jahren der vom Auto ausgehenden ökologischen Probleme angenommen. Aber es ist eben so, daß sich heute leider viel mehr um die PS-Zahlen, das Sprintvermögen, äußerstenfalls noch um den Benzinverbrauch kümmern als um das Abgasverhalten, den Lärm oder die Sicherheitssituation kümmern.
Ich bin überzeugt: Eine umweltorientierte Absatzstrategie wird sich auch für die Automobilindustrie lohnen; denn es gibt bereits heute einen überzeugenden Markt für umweltfreundliche Pro-



Antretter
dukte, auch wenn ihn die Industrie noch nicht überall entdeckt hat. Das Umweltbewußtsein unserer Bevölkerung ist jedenfalls heute schon sehr ausgeprägt, und ich bin sicher: Es wird noch wachsen.
Meine Damen und Herren, ich würde es begrüßen, wenn sich die Marketing-Leute, die sich heute in Frankfurt zu ihrem Kongreß zusammenfinden, auch einmal Gedanken darüber machten, wie man Bedürfnisse nicht nur wecken kann, um der Industrie zu helfen, sondern z. B. um unsere Lebensgrundlagen für das nächste Jahrtausend zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es kann keinen Zweifel geben: Beim Thema „Auto und Umwelt" geht es nicht nur um Lärmgrenzwerte, Schadstoffstandards, Verbrauchszahlen oder Produktionsziffern; es geht auch um die Zukunft des Verkehrsmittels Auto selbst, des zentralen Verkehrsmittels unserer Industriegesellschaft. Die Zukunft dieses Verkehrsmittels hängt natürlich von entsprechenden Fortschritten in puncto Reduzierung der Umweltbelastung ab. Die Industrie muß sich dabei gewiß stärker, als es bisher geschehen ist, auf ihre innovative und kreative Führungsrolle besinnen. Sie hält sich auf ihre Flexibilität und auf ihre Innovationskraft etwas zugute, und sie muß auch bei der ökologischen Neuorientierung unseres Verkehrswesens ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Nur derjenige verdient in unserer Zeit die Qualifikation des Unternehmers, der wirklich innerlich verstanden hat, daß unsere Verantwortung für die Umwelt eben nicht als eine von Politikern auferlegte Fessel, sondern als eigenständige, originäre Mitverantwortung und damit als Aufgabe, als Herausforderung angenommen werden muß.
So sagte Edzard Reuter, Mitglied des Vorstands der Daimler-Benz AG, bereits Anfang der 80er Jahre.
Meine Damen und Herren, der Autolärm geht den hochmotorisierten Deutschen mittlerweile so sehr an die Nerven, daß heute die Mehrheit unserer Bürger den Schutz vor Lärm für wichtiger hält als den Bau neuer Straßen. Der Lärmschutz muß also ganz wesentlich intensiviert werden. Dabei ist wichtig, zu wissen, daß schärfere Lärmschutzbestimmungen keinesfalls Arbeitsplätze gefährden; im Gegenteil, sie sichern Arbeitsplätze und schaffen neue, und zwar nicht nur in der Bauindustrie, sondern auch und vor allem in der Fahrzeugindustrie; denn der Bekämpfung des Lärms an der Quelle kommt natürlich ein ganz besonderer Stellenwert zu. Es ist sicherlich der richtigere Weg, den Lärm vom Entstehungsort her erst gar nicht nach außen dringen zu lassen, als die Menschen mit Ohrenschützern auszurüsten.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch wenn der erstgenannte Weg etwas schwieriger und teurer ist, muß er begangen werden, denn er verspricht gute Resultate. Wir fordern deshalb in unserem Antrag die Bundesregierung auf, die
Lärmbekämpfung an der Quelle entscheidend zu forcieren.
Meine Damen und Herren, gerade in dem für den Menschen so lästigen Bereich des Mofa-, Moped- und Kleinkrafträderlärms gibt es keine EG-Richtlinie. Die Lärmgrenzwerte müssen deshalb durch Änderung der nationalen Vorschriften entscheidend reduziert werden. Hier erwarten wir von der Bundesregierung industriepolitische Schrittmacherdienste. Zwar hat — dies ist unbestritten — der Antimanipulationskatalog zu einer gewissen Lärmminderung beigetragen; die deutsche Industrie hat jedoch mittlerweile wesentlich lärmärmere Zweiräder entwickelt, deren Großeinsatz ich für wünschenswert halte, und zwar aus Umweltschutzgründen, aus Gründen der Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzsicherung und auch aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie im Ausland, denn wir stehen auf diesem Gebiet offenbar sehr gut da.
Nun wurde hier vom Kollegen Schmidbauer behauptet, wir hätten, was die Geschwindigkeitsbegrenzung betrifft, eine unklare Linie. Herr Kollege Schmidbauer, ich muß Sie an diesem Punkt korrigieren. Für uns war die Geschwindigkeitsbegrenzung stets ein Instrument mit dreifacher Wirkung:
Erstens. Wir wollen weniger Verkehrstote in diesem Land. Wir wissen, daß wir — so makaber das klingt — die Weltmeister im Kindertotfahren sind. Deshalb sagen wir: Tempo 30 in Wohngebieten!
Zweitens. Wir wissen, daß der Kraftfahrzeugverkehr durch die Stickoxide zu einem guten Teil zum Waldsterben beiträgt. Deshalb sagen wir: Da, wo am meisten Stickoxide emittiert werden, nämlich auf den Autobahnen und auf den Bundesfernstraßen, herunter mit der Geschwindigkeit!
Drittens haben wir stets die Position vertreten und halten sie auch heute noch für richtig, daß auch im Lärmbereich eine Geschwindigkeitsreduzierung ihre Wirkung tun kann.
Dies ist unsere Position zum Thema „Geschwindigkeitsbegrenzung".

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016910700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidbauer?

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1016910800
Gerne. Bitte, Herr Kollege.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016910900
Herr Kollege, Sie haben mich offensichtlich mißinterpretiert. Ich habe festgestellt, daß ein Tempolimit von 80/100 für die Lärmreduzierung nur Minimales bringt, nämlich 1 dB(A), und deshalb habe ich ausgeführt, daß dies ein Pseudoargument ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016911000
Da muß jetzt aber ein Fragezeichen kommen, Herr Kollege.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016911100
Ich wollte das nur feststellen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016911200
Das geht nicht.




Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1016911300
Ich könnte das auch in Frageform kleiden, Herr Präsident, aber ich will es abkürzen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016911400
Daß es abgekürzt wird, will ich zulassen.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1016911500
Ich will es gerne als Frage aufgreifen, Herr Kollege Schmidbauer, und Ihnen das sagen, was dazu zu sagen ist. Beim Pkw ist es beispielsweise so: Das Lärmgeräusch des Fahrzeugs ist so groß, daß erst bei über 50 km/h das Rollgeräusch größer wird. Beim Lkw wird erst bei über 80 km/h das Rollgeräusch größer. Dies sind doch, glaube ich, eindrucksvolle Daten, die man zur Grundlage einer solchen Aussage und eines solchen Antrages machen kann.
Meine Damen und Herren, ein ganz wesentlicher Faktor in einem umfassenden Konzept zur Förderung lärmarmer Fahrzeuge, meine ich, muß die Erhöhung der Marktchancen durch ökonomische Anreize sein. Ich möchte hier, weil ich jetzt natürlich durch meine Bereitschaft zur Beantwortung von Zwischenfragen in Zeitverzug gekommen bin, darauf hinweisen, daß wir in Reichenhall ein hervorragend funktionierendes Modell haben. Ich möchte die Bundesregierung ermuntern, auf diesem Wege fortzufahren, woanders ähnliche Modelle einzurichten. Ich habe das Gefühl, daß der Benutzervorteil, den man dem lärmärmeren Fahrzeug einräumt, ein wichtiges Instrument, eine gute Gelegenheit ist, um zu weniger Lärm in unserer Republik zu kommen.
Lassen Sie mich jetzt etwas abrupt zum Schluß dieser weithin doch sehr sachlich geführten Debatte sagen, meine Damen und Herren: Der Antrag, den wir vorgelegt haben, verdeutlicht, glaube ich, eindrucksvoll, daß der Gesamtkomplex Lärmbekämpfung nur mit einer umfassenden Paketlösung zu bewältigen ist. Eine humane Gesellschaft braucht auch eine menschenwürdige Umwelt. Unser Antrag „Schutz vor unzumutbarem Verkehrslärm" wird, glaube ich, einen guten Beitrag dazu leisten. Ich wäre froh, wenn die Debatte im Ausschuß so konstruktiv wie weithin heute vormittag im Plenarsaal verlaufen würde.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016911600
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Dr. Schulte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016911700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in ganz, ganz wenigen Worten vier Feststellungen zu der Frage Verkehrslärm und zu dem Antrag der SPD treffen:
Erstens. Die Richtlinien für den Straßenbau aus dem Jahre 1983 haben eine Verbesserung gebracht. Sie haben sich bewährt, sie sind erfolgreich. Kein Bundesland baut schlechter, als es diese Richtlinien ausweisen. Keine Gemeinde in der Bundesrepublik Deutschland hat schlechtere Lärmgrenzwerte, als in diesen Richtlinien steht. Die Deutsche Bundesbahn hält sich bei ihren Neuinvestitionen genauso an konkrete Werte. Deswegen brauchen wir kein Gesetz, wie dies im SPD-Antrag gefordert wird.
Zweitens. Der Bund stellt in diesem Jahr 260 Millionen DM für Schutz gegen Verkehrslärm zur Verfügung. Diese Zahl ist heute noch nicht genannt worden, aber Sie sehen daran, wie ernst es der Bundesregierung ist, den Verkehrslärm auch über das Verkehrsministerium zu bekämpfen.
Drittens. Der Haushaltsausschuß hat kürzlich beschlossen, daß die Lärmgrenzwerte an bestehenden Straßen um 5 Dezibel gesenkt werden. Ich habe in den Reden der drei SPD-Abgeordneten nichts davon gehört. Offensichtlich stimmt die Kommunikation mit Ihren Haushaltspolitikern nicht mehr. Dies wird eine erhebliche Verbesserung bringen.
Viertens möchte ich feststellen, daß die von Ihnen in Ihrem Antrag geforderten Absenkungen bei den Lärmgrenzwerten je nach Kategorie das Zwei- bis Vierfache von dem kosten, was wir in diesem Jahr für die Bekämpfung des Verkehrslärms bereitgestellt haben. Wer solche Anträge stellt oder wer so wenig rechnet, stellt sich offensichtlich auf eine lange Oppositionszeit ein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Die Regierung hat nicht viel zu dem Thema zu sagen, scheint mir!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016911800
Das Wort hat der Abgeordnete Haungs.

Rainer Haungs (CDU):
Rede ID: ID1016911900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegen zwei Anträge der GRÜNEN zur Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel vor. Dahinter steckt — wie schon immer und auch schon bei früheren Anträgen zu den gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs — eine tiefsitzende Abneigung gegen das Auto. Rational ist dies alles nicht erklärbar. Die unbestreitbaren und allen sichtbaren individuellen und volkswirtschaftlichen Vorteile und Nutzen des Fahrzeugs werden nicht gesehen. Die Nachteile werden maßlos übertrieben. An die Arbeitsplätze in den Automobilfabriken, bei den Tausenden von Zulieferern, in den Kraftfahrzeugwerkstätten denken Sie bewußt nicht, wollen Sie nicht denken.
Sie fordern die Einführung einer Lkw-Verkehrsabgabe. Darüber kann man reden; darüber reden andere auch. Nur, man müßte es besser begründen. Und wenn man es wirklich gut begründet, kann man darauf verzichten, Verbände zu beschimpfen und Lkw-Fahrer zu kriminalisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Straßenbau und Straßenverkehr werden von Ihnen als Verursacher von Umweltbelastungen genannt. Deshalb behaupten Sie wider besseres Wissen, daß die Wegekosten durch Mineralölsteuer und Kraftfahrzeugsteuer nicht gedeckt werden, und deshalb fordern Sie, das Güterverkehrsvolumen auf der Straße zu verringern und auf die Schiene zu verlegen. Dieser Antrag — ich versuche, in der kurzen Zeit dies darzulegen — verkennt völlig die Grundbedingungen, unter denen eine arbeitsteilige Industriegesellschaft funktioniert. Wenn Sie dies al-



Haungs
lerdings nicht wollen, dann hat er eine gewisse innere Logik. Wenn Sie nicht wollen, daß unsere Bürger mobil sind, wenn Sie die Forderungen nach gleichwertigen Lebensbedingungen in den Regionen nicht wollen,

(Zuruf des Abg. Mann [GRÜNE])

wenn Sie die Voraussetzungen für die Leistungskraft der Wirtschaft und des Wachstums der Wirtschaft nicht wollen und wenn Ihnen die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen uninteressant sind, dann müssen Sie solche Anträge stellen.

(Senfft [GRÜNE]: Sie vernichten doch die Arbeitsplätze!)

Sie werden allerdings keine Mehrheiten dafür bekommen. Wir brauchen Investitionen in Verkehrswege, in Straßen und in Bundesbahnstrecken gleichermaßen. Daß diese Investitionen teurer werden als früher, liegt daran, daß wir richtigerweise dem Umweltschutz und den Aspekten des Umweltschutzes größere Bedeutung beimessen.
Wenn der Straßenverkehr — seien es der Personen- oder der Güterverkehr — bisher die Umwelt mit Lärm und Abgasen belastete, dann sind technische Innovationen gegen die Umweltbelastung beim Automobil notwendig. Deshalb brauchen wir hier ein offensives Konzept, sei es beim Pkw oder beim Lkw. Deshalb verstehe ich nicht, daß mein Vorredner von den GRÜNEN beklagt hat, daß wir Anreize zum Kauf des schadstoffarmen Autos geben. Das ist meines Erachtens der einzig richtige Ansatz. Ihrer ist der falsche.

(Senfft [GRÜNE]: Wir wollen einen Anreiz, auf die Bahn umzusteigen!)

— Auch dafür brauchen wir Anreize. Wir brauchen Anreize, schadstoffarme Autos zu kaufen, und wir brauchen Anreize, die Bundesbahn zu benutzen.

(Senfft [GRÜNE]: Ich brauche kein Auto!)

— Dann sind Sie einer der wenigen, die kein Auto brauchen. Fragen Sie mal Ihre grünen Freunde, wie sie zu den Demonstrationen kommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen Anreize, daß die Bundesbahn benutzt wird. Deshalb ist die derzeitige Politik der Bundesbahn zu begrüßen, weil sie zum erstenmal etwas tut, um — ich will das in kurzen Worten sagen — die Bundesbahn doppelt so schnell wie das Auto und halb so schnell wie das Flugzeug zu machen. Ich warte nur noch auf den ersten Antrag der Grünen, der fordert, die Geschwindigkeit der Bundesbahn auf den neuen Schnellstrecken zu begrenzen. Der wird wahrscheinlich auch noch kommen.

(Tatge [GRÜNE]: Im Gegenteil!)

Ihren dirigistischen Ansatz, den individuellen Pkw- und Lkw-Verkehr zu begrenzen, halten wir für falsch.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Sie verkennen die Tatsache, daß sich heute 90% des
Personenverkehrs und 50 % des Güterverkehrs auf
den Straßen bewegen, dort mit zunehmender Tendenz abgewickelt werden.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Das kann man wieder ändern!)

Es ist ja nicht die Vorhersage der Regierung, daß sich der Straßenverkehr in der Zukunft noch mehr steigern wird, sondern es ist die Prognose eines unabhängigen Instituts.

(Senfft [GRÜNE]: Sie sagen, die Prognose ist da, und die Bundesregierung muß sich danach richten! Sie handelt j a nicht!)

Da wir wissen, daß die Nachfrage nach Straßengüterverkehrsleistungen in Zukunft wächst — trotz Leistungsverbesserng der Bahn, die wir wollen —, daß der Lkw-Verkehr weiter wächst, dann müssen wir natürlich auch für die Verkehrswege arbeiten.

(Senfft [GRÜNE]: Sie wollen die Leistungsverbesserung nicht!)

Ich bitte Sie ja lediglich um etwas mehr Realismus, auch wenn es schwerfällt. Wenn wir für die Bundesbahn als umweltverträgliches Verkehrsmittel sind und ihr die finanziellen Möglichkeiten geben, damit sie ihre Neubaustrecken bauen kann, dann frage ich Sie, wieviel Grüne schon gegen den Bau neuer Verkehrsstrecken demonstriert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Mann [GRÜNE]: Reden Sie mal von den Altbaustrekken!)

Sie müssen einmal überlegen — ich bemühe mich ja, Ihren Antrag zu verstehen, auch wenn es nicht gelingt — was es rein theoretisch bedeuten würde, das Straßengüterverkehrsvolumen auf die Bahn umzulenken, und dafür die notwendigen Neubaustrecken zu errichten. Ich würde mich nicht wundern, wenn Sie an den Rändern der Neubaustrekken stehen und Ihre umweltfreundliche Bahn sehr schnell vergessen würden.

(Mann [GRÜNE]: Was ist mit den Altbaustrecken?)

Investitionen im Straßenbau, vor allem Ortsumgehungen — das hat der Kollege Buckpesch gesagt —, sind notwendig.

(Senfft [GRÜNE]: Meinen Sie die Ortsumgehung vom Ruhrgebiet an die Nordsee, oder welche meinen Sie? Für Sie ist der „Ostfriesenspieß" schon eine Ortsumgehung!)

Sie sind notwendiger, komplementärer Beitrag zu den fahrzeugtechnischen Innovationen der Automobilindustrie, bei Pkw und Lkw gleichermaßen.
Die Anträge der Grünen im Zusammenhang mit der europäischen Verkehrspolitik zu sehen ist äußerst schwer. Wenn von Ihnen behauptet wird, daß selbst bei Anerkennung von Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer der Lkw keinen ausreichenden Beitrag zu den Wegekosten bringe und man deshalb zusätzlich eine Lkw-Verkehrsabgabe fordern müsse, dann haben Sie völlig übersehen, daß der deutsche Lkw schon heute steuerlich im Europavergleich überbelastet wird. Es ist von wenig Sach-



Haungs
kenntnis getrübt, wenn auch nur an eine Kraftfahrzeugsteuererhöhung gedacht wird. Genau das Gegenteil ist richtig.

(Senfft [GRÜNE]: Wir wollen keine Kraftfahrzeugsteuererhöhung, sondern eine Schadstoffabgabe!)

Wir müssen sie drastisch senken, um Wettbewerbsnachteile für das deutsche Gewerbe im Zuge der Liberalisierung zu verhindern.

(Senfft [GRÜNE]: Sie haben den Antrag nicht richtig durchgelesen!)

— Doch, das habe ich.
Ich will Ihnen nur einmal eine Zahl vorlegen. Ein 38-t-Lastzug hat bei einer Jahresleistung von 100 000 km und einem Treibstoffverbrauch von 451 je 100 Kilometer

(Senfft [GRÜNE]: Das ist ungeheuer viel!)

in Deutschland 37 130 DM Steuerbelastung, während er in dem Wettbewerbsland Niederlande auf 19 988 DM kommt.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Wie wäre es mit einer Transitabgabe?)

Deshalb ist Ihre Behauptung einfach lächerlich, daß Pkw und Lkw ihre Wegekosten nicht decken und daß sie zu den größten Subventionsempfängern gehören.

(Senfft [GRÜNE]: Das hat die Bundesregierung selber gesagt! Das ist die Position der Bundesregierung!)

Das kann man so nicht aufrechterhalten, bei aller Problematik, die Wegekostenberechnungen heute haben.
Unabhängig von verschiedenen zugrunde gelegten Rechnungsvarianten könnte man höchstens zu dem Schluß kommen, daß ausländische Nutzfahrzeuge ihre Wegekosten, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland fahren, nicht voll decken. Unter diesem Aspekt kann man darüber nachdenken, ob es bei der notwendigen Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen in der EG nicht sinnvoll wäre, bei massivem Abbau der deutschen Kraftfahrzeugsteuer auf ein europäisches Durchschnittsniveau einen Gebührenausgleich für alle gewerblichen Straßenbenutzer festzusetzen. Denn die derzeitige Regelung ausländischer Autobahngebühren ist und bleibt für tins völlig unbefriedigend. Ich entnehme dies allerdings nicht Ihrem Antrag. Insofern ist dieser Antrag wie auch der nächste, der sich mit dem Einbau von Geschwindigkeitsreglern befaßt, abzulehnen. Das wird von Fachleuten überwiegend abgelehnt, da eine Überprüfung von überhöhten Geschwindigkeiten über Fahrtenschreiber und Kontrollgeräte schon jetzt möglich ist. Auch hier haben Sie bei der Beurteilung des Vorschlags den Europaaspekt völlig übersehen.

(Senfft [GRÜNE]: Europa ist Ihr einziger Fluchtweg, den Sie noch haben! Sie benutzen Europa nur als ideologischen Fluchtweg!)

Sie können diese Einführung nur national machen, nur am deutschen Auto, so daß die beklagte Überschreitung der Geschwindigkeit durch ausländische Fahrzeuge auch in Zukunft nicht zu verhindern ist. Sie bringen aber den deutschen Unternehmern, die schon jetzt in einer schwierigen Wettbewerbslage sind, Nachteile, wenn sie im Ausland zulässige höhere Geschwindigkeiten nicht fahren können.

(Senfft [GRÜNE]: Reden Sie von den betroffenen Bürgern!)

Wenn Sie allerdings der Meinung sind, wie Ihre Diskussionsbeiträge und Ihre Zwischenrufe deutlich zeigen, daß in der Europäischen Gemeinschaft gar kein grenzüberschreitender Verkehr beim Abbau der Grenzen stattfinden sollte,

(Senfft [GRÜNE]: Doch! Auf der Bahn! — Ströbele [GRÜNE]: Schiene!)

dann ist dies kein Beitrag zu einer konstruktiven Europapolitik. Sinnvoll wäre eine solche Lösung, wenn man sie wirklich ernsthaft will, nur im Rahmen einer europäischen Lösung, die für alle gleichermaßen gilt.
Sie haben die Kontrollmaßnahmen angesprochen. Damit will ich zum Ende kommen. Bei uns in der Bundesrepublik müssen wir ja beklagen, daß wir eine im Europavergleich weitaus höhere Dichte der Kontrolle haben als in anderen Ländern. Bei uns kontrollieren gleichermaßen die Verkehrspolizei, die BAG und das Gewerbeaufsichtsamt die Unternehmen. Es ist einfach nicht wahr, wie Sie gesagt haben, daß Lkw immer mehr wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen an Unfällen beteiligt sind. Die Beteiligung von Lkw an Unfällen ist in den letzten 20 Jahren glücklicherweise zurückgegangen. Trotz der von Ihnen erwähnten spektakulären und traurigen Massenunfälle im Nebel, die nicht auf überhöhte, sondern auf unangepaßte Geschwindigkeit zurückzuführen waren,

(Senfft [GRÜNE]: Also überhöhte!)

haben wir im ersten Halbjahr 1985 einen absoluten Tiefpunkt bei den Unfällen erreicht. Das ist erfreulich. Im Laufe dieses Jahres — das hat uns die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mitgeteilt — haben die Geschwindigkeitsüberschreitungen, die von Ihnen und uns gleichermaßen beklagt werden, deutlich abgenommen.
Deshalb: Beide Anträge von Ihnen sind nicht logisch, führen in der Sache nicht weiter und sind von uns abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Das haben wir nicht anders erwartet!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016912000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 10/3654, 10/3644 und 10/3645 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.



Vizepräsident Westphal
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude
— Drucksache 10/4042 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Herr Dr. Häfele hat das Wort.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID1016912100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Regierungsentwurf zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude handelt es sich um einen weiteren Schritt der Bundesregierung zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen und damit für mehr Beschäftigung. Ich erinnere daran, daß am Anfang das Haushaltsbegleitgesetz 1983 stand. Als weitere Schritte folgten das Steuerentlastungsgesetz 1984 und das Steuersenkungsgesetz 1986/88, das schon seit Sommer dieses Jahres im Gesetzblatt steht.
Nun geht es um die Verkürzung der Abschreibungsdauer für Produktionsgebäude. Wir wollen vor allem aus zwei Gründen Verbesserungen vornehmen.
Einmal geht es um eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit. Die alten Abschreibungszeiträume von 50 Jahren sind durch die Lebenswirklichkeit überholt. Technischer Fortschritt und wirtschaftlicher Wandel sowie die Anpassung an neue Bedürfnisse lassen heute viel kürzere Abschreibungsfristen als früher geboten erscheinen.
Zweitens wollen wir mit zu einer Verstetigung der Bautätigkeit beitragen. Auch der Bauwirtschaft ist nicht mit Wechselbädern gedient. Deshalb ist eine dauerhafte — nicht befristete — Verbesserung, auf die sich die Unternehmen einstellen können, ganz entscheidend.
Im einzelnen ist vorgesehen, den Abschreibungszeitraum von 50 auf 25 Jahre herunterzusetzen. Damit werden die linearen jährlichen Abschreibungssätze von 2 % auf 4 % verdoppelt. Bei der degressiven Abschreibung gibt es natürlich eine entsprechende Anpassung. In den ersten vier Jahren wird die Abschreibung auf immerhin 40 % gegenüber bisher nur 20 % angehoben. Das bedeutet einen gewaltigen Anreiz gerade in der Anlaufphase.

(Conradi [SPD]: Eine richtig schöne Umverteilung!)

— Wollen Sie nicht mehr Beschäftigung, Herr Kollege? Wollen Sie Ideologie oder mehr Beschäftigung?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen dieses Thema jetzt nicht ausweiten. Ich kenne Ihre Ideologie. Wir wollen hier praktisch handeln.

(Abg. Conradi [SPD] meldet sich zu. einer Zwischenfrage.)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016912200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID1016912300
Nein, wir wollen hier handeln und uns nicht mit Ideologen auseinandersetzen.
Zugleich wird der Fördervorsprung der für das Zonenrandgebiet und Berlin besteht, etwas ausgeweitet. Man soll sich in diesen Bereichen bei der Förderung nicht benachteiligt vorkommen. Ich möchte aber vor weiteren Verbesserungen warnen. Die Anreize in Berlin und im Zonenrandgebiet sind so gewaltig — gerade in den ersten Jahren —, daß wir hier nicht zuviel des Guten tun dürfen. Auch hier müssen wir maßhalten.
Um keine Abwartehaltung zu erzeugen, haben wir ferner den Begünstigungsstichtag so bemessen, daß die Verbesserungen schon für solche Wirtschaftsgebäude gelten, für die der Bauantrag nach dem 31. März dieses Jahres gestellt ist. Jeder kann sich darauf verlassen, daß daran nichts mehr geändert wird. Alle entsprechenden Vorhaben werden also erfaßt. Wir werden die Regelungen selbstverständlich — die beiden Koalitionsfraktionen haben das dankenswerterweise schon bekundet — auch in den Ausschüssen und in zweiter und dritter Lesung beibehalten, um Vertagungen bei den Investitionen zu vermeiden. Andererseits haben wir das Gesetz auch so ausgestaltet, daß keine Mitnahmewirkungen entstehen. Es geht uns um eine effektive Fördermöglichkeit.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Zu drei Vierteln Mitnahmeeffekte!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016912400
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Klose.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1016912500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vier Anmerkungen zu diesem Gesetzentwurf machen.
Die erste ist diese. Ich habe eigentlich wenig oder fast nichts gegen die Ziele dieses Gesetzentwurfs einzuwenden, denn — Herr Staatssekretär, darin stimme ich Ihnen zu — es ist sinnvoll, betriebliche Anlagevermögen — hier Wirtschaftsgebäude — zu erneuern, und zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten, unter ökonomischen Gesichtspunkten — aus der Sicht der Betriebe selbst und aus der Sicht der Baubranche —, unter ökologischen Gesichtspunkten und sicher auch unter dem Gesichtspunkt der Humanisierung der Arbeitsverhältnisse. Es ist auch für mich ganz unbestritten, daß es hier bei



Klose
Wirtschaftsgebäuden, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, einen Nachholbedarf gibt. Also nichts gegen die Ziele!
Ich habe aber — das ist meine zweite Bemerkung —, Herr Staatssekretär, erhebliche Zweifel, ob der eingeschlagene Weg, dieses Ziel zu erreichen, richtig und wirksam ist. Es sind im wesentlichen drei Erwägungen, die mich zweifeln lassen.
Zum einen: Investitionsentscheidungen dieser Art werden doch nicht kurzfristig

(Beifall bei der SPD)

und mit Blick auf steuerliche Vorteile getroffen, die erfolgen doch längerfristig geplant, aus betrieblichen, betriebswirtschaftlichen Gründen. Braucht man ein neues Gebäude, hilft es einem, besser zu arbeiten, kann man dieses neue Gebäude aus dem Ertrag finanzieren? Das sind die Fragen, die sich ein vernünftiger Unternehmer stellt.

(Beifall bei der SPD)

Zum anderen: Große Unternehmen sind, wie wir alle wissen, in der Regel von sich aus in der Lage, die notwendige Erneuerung zu finanzieren. Die brauchen keine Steuerentlastung, werden sie aber natürlich gerne in Anspruch nehmen, ohne daß dadurch irgendwelche zusätzlichen Wachstumseffekte ausgelöst werden.
Und schließlich: Bei kleinen und mittleren Unternehmen kann die aus betrieblichen Gründen zu treffende Entscheidung für einen Neubau durch finanzielle Anreize erleichtert werden. Deshalb wäre eine Regelung, die ihnen in spezifischer Weise hilft, durchaus wünschenswert, aber sie ist als gezielte Maßnahme über den Weg der Steuerentlastung nicht möglich.
Die steuerliche Regelung, hier die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten, wirkt unterschiedlos und bringt Hilfen für kleine, mittlere und große Unternehmen mit der Folge, daß die Mitnahmeeffekte nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein werden. Eine gezielte Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen müßte mit anderen Maßnahmen erreicht werden, z. B. durch regionale Wirtschaftsförderungsmaßnahmen, obwohl dazu auch vor allen Dingen ordnungspolitisch viel anzumerken wäre.
Dritte Bemerkung: Ganz und gar unakzeptabel ist für uns die vorgeschlagene Finanzierung. Vorgeschlagen wird eine Abschreibungsregelung, die überwiegend die Länder und die Gemeinden belastet. Die Bundesregierung selbst schätzt in dem Entwurf die Steuerausfälle auf jährlich bis zu 4 Milliarden DM, im Entstehungsjahr 1 Milliarde DM, nur 349 Millionen DM Minus beim Bund, der Rest bei den Ländern und bei den Gemeinden, und im Jahr 1989 sind es nach den Angaben der Bundesregierung 3,8 Milliarden DM, davon nur 1,3 Milliarden DM beim Bund und der Rest wiederum bei den Ländern und bei den Kommunen. Zu mehr als 60 % werden diese Wohltaten nicht aus Mitteln des Bundes, sondern aus Mitteln der Länder und der Gemeinden finanziert.
Ich habe mir nun, um das konkret zu machen, mal ausrechnen lassen, was diese Zahlen für die
Freie und Hansestadt Hamburg bedeuten würde. Da sieht es so aus: Hamburg würde im Jahre 1986 durch diese Maßnahme Steuerausfälle in der Größenordnung von 43 Millionen DM brutto haben, 20 Millionen DM netto. Die Nettozahlen ergeben sich unter Berücksichtigung des Länderfinanzausgleichs. 1987 wären es schon minus 120 Millionen DM, netto 50 Millionen DM, 1988 wären es 198 Millionen DM, netto 100 Millionen DM, und 1989 wären es 208 Millionen DM, netto 100 Millionen DM. Ich möchte gern verdeutlichen, was diese Beträge für den Hamburger Haushalt bedeuten. Ich mache das so konkret, damit Sie nicht hinterher sagen können, hier werde abstrakte Politik gemacht. Man kann diese Zahlen auch für andere Länder und Gemeinden umrechnen. Um die Größenordnung deutlich zu machen: Hamburg finanziert Investitionsausgaben für Universität und Fachhochschulen mit jährlich 21 Millionen DM, Lehr- und Lernmittel an Schulen mit 29 Millionen DM, Ausbildungsplatz-Sonderprogramme für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz mit 52 Millionen DM, ABM-Maßnahmen für 4 000 Arbeitslose mit 143 Millionen DM, Wohngeld mit jährlich 150 Millionen DM. Diese Zahlen machen deutlich, daß es hier um ganz erhebliche Beträge geht, daß die Kommunen und die Länder als Folge dieser Maßnahme erhebliche Mindereinnahmen haben werden und daß sie gezwungen sind, erhebliche Abstriche bei den Ausgaben vorzunehmen,

(Beifall bei der SPD)

zumal sie ja gerade in erheblichem Umfang durch die sogenannte große Steuerreform belastet sind.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Verbesserung der Länderposition bei der Umsatzsteuerverteilung um 0,5 Prozentpunkte bringt fast nichts, z. B. für Hamburg jährlich 20 Millionen DM netto. Das heißt, die Verluste, die die Kommunen und die Länder als Folge dieser Maßnahmen erleiden, sind ungleich viel höher als das, was ihnen über die Veränderung bei der Umsatzsteuer zugebilligt wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich erlaube mir noch einen Hinweis zur Finanzierungsproblematik, Herr Staatssekretär: Die vorgesehenen Abschreibungsverbesserungen gelten für Wirtschaftsgebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehören. Sie sollen nicht für Betriebsgebäude gelten, die zu einem Privatvermögen gehören. Dagegen wird mit Sicherheit — das sage ich Ihnen voraus — der Gleichbehandlungsgrundsatz ins Feld geführt werden. Ob zu Recht oder zu Unrecht, will ich hier nicht entscheiden; das werden am Ende, vermute ich, die Gerichte entscheiden. Wie sie entscheiden, kann niemand voraussehen, weil, wie Ihr Herr Minister immer sagt, vor deutschen Gerichten und auf Hoher See der Mensch mit Gott allein ist. Darin stimme ich Ihnen zu. Aber jedenfalls ist die Entscheidung zweifelhaft, und es ist nicht auszuschließen, daß die Bundesregierung durch Gerichtsentscheid gezwungen wird, den Anwendungsbereich dieses Gesetzes auszudehnen mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für den Bund, für Länder und für die Gemeinden.
Fazit: Das Ziel der vorgesehenen Gesetzesänderung ist in Ordnung. Der eingeschlagene Weg ist



Klose
nach unserer Einschätzung nicht wirksam. Die Finanzierung ist absolut unakzeptabel. Die Bundesregierung sollte daher meines Erachtens die Vorlage überprüfen. Jedenfalls sollte sie so fair sein, Steuergeschenke selbst zu finanzieren, statt sie zu mehr als 60 % auf andere abzuwälzen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016912600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Häfele?

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1016912700
Nein, ich bin sowieso am Ende.
Herr Staatssekretär, bestellen Sie doch bitte Ihrem Bundesfinanzminister, der aus sicherlich zwingenden Gründen nicht anwesend sein kann, einen schönen Gruß von mir.

(von Schmude [CDU/CSU]: Der bedankt sich dafür!)

Erinnern Sie ihn bitte daran, daß er, als er noch Ministerpräsident von Schleswig-Holstein war, in Gesprächen der Ministerpräsidenten mit dem damaligen Bundeskanzler diese Position — keine Geschenke zu Lasten der Länder und Gemeinden — mit meiner damaligen Zustimmung sehr nachdrücklich vertreten hat. Sagen Sie ihm, ich würde ihm auch heute gerne zustimmen, wenn er so handelte, wie er damals geredet hat.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016912800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.

Dr. Hermann Schwörer (CDU):
Rede ID: ID1016912900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU begrüßt,

(Ströbele [GRÜNE]: Das haben wir uns gedacht!)

daß die Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1986 am 1. Juli eine Reihe von Maßnahmen beschlossen hat, um die Investitionskraft in der Wirtschaft zu stärken und den Anpassungsprozeß im Baubereich zu erleichtern. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für die Wirtschaftsgebäude, die mit dem heutigen Gesetzentwurf verwirklicht werden soll.
Es handelt sich dabei um die Verwirklichung eines Anliegens, für das wir uns, insbesondere die Mittelstandsvereinigung unserer Partei, schon lange eingesetzt haben. Abschreibungsverbesserungen sollen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen verstärken und eine Verstetigung der Baunachfrage auf dem Sektor des Wirtschaftsbaus einleiten. Damit wird ein wichtiger Beitrag, meine Herren Kollegen, zur Sicherung der Beschäftigung in der Bauwirtschaft, aber auch in der übrigen Wirtschaft geleistet.

(Dr. Spöri [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Spöri, wir haben so wenig Zeit. Treten Sie doch selber auf; ihr habt ja noch gar nicht alle Zeit verbraucht.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016913000
Das war eine Absage, Herr Abgeordneter.

Dr. Hermann Schwörer (CDU):
Rede ID: ID1016913100
Nach geltendem Recht können Wirtschaftsgebäude grundsätzlich nur über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschrieben werden. Ein so langer Abschreibungszeitraum ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Die Unternehmen müssen in die Lage versetzt werden, die im Betrieb erwirtschafteten Erträge für die notwendige Modernisierung des überalterten Anlagevermögens einzusetzen. Wir wissen doch, wie sich die Schere geöffnet hat, wie diese Investitionslücke entstanden ist, und zwar vor allem wegen der katstrophalen Eigenkapitalsituation unserer Betriebe in den letzten 15 Jahren. Eine solche Lücke ist für einen Industriestaat lebensgefährlich.
Moderne Produktionsbedingungen erfordern auch moderne Abschreibungsbedingungen. Besonders der schnelle technologische Wandel bringt häufiger als früher die Notwendigkeit zu Neubaumaßnahmen mit sich.
Im Ausland ist das früher als bei uns erkannt worden. So sieht das Steuerrecht in Kanada, Belgien und Frankreich für Produktionsgebäude eine Abschreibungsdauer von 20 Jahren vor; in den USA sind es 18 Jahre. In Großbritannien, Italien, der Schweiz und in Österreich sind die Bedingungen noch weit günstiger. Deshalb ist auch die Gefahr der Abwanderung von Betrieben groß.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Aus Rheinland-Pfalz wohl! — Zurufe von der SPD)

Es ist zu begrüßen, daß die Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen nicht als Steuervergünstigungen ausgestaltet werden, sondern daß sie eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen darstellen.
Was der Gesetzentwurf enthält, hat der Herr Staatssekretär bereits gesagt. Es geht um eine Verbesserung sowohl der linearen als auch der degressiven Abschreibungsbedingungen. Vor allem in den Anfangsjahren werden die degressiven Abschreibungssätze stark angehoben. Ich gebe zu, diese Verbesserung kommt hauptsächlich den Unternehmen zugute, die Gewinne erzielen.

(Dr. Spöri [SPD]: Sowieso! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Einer aktiven und zukunftsorientierten Finanz- und Strukturpolitik, Herr Kollege Dr. Spöri, entspricht dies.
Wenn die Betriebe nicht die hohen Abschreibungsbedingungen in Anspruch nehmen wollen,

(Zurufe von den GRÜNEN)

können Sie auf die lineare Abschreibung in Höhe von 4 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten ausweichen.

(Dr. Spöri [SPD]: Und was ist mit den öffentlichen Investitionen, die jetzt zurückgehen?)

— Darauf komme ich noch, Herr Spöri. — Hierin
wird die Wende deutlich, die von einer Politik der
Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft geprägt



Dr. Schwörer
ist, einer Politik, die uns in nahezu idealer Weise Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein angemessenes, stetiges Wirtschaftswachstum gebracht hat.

(Dr. Spöri [SPD]: Und die Massenarbeitslosigkeit!)

— Die Massenarbeitslosigkeit kommt doch aus Ihrer Zeit, Herr Spöri; das wissen Sie doch ganz genau.

(Lachen bei der SPD)

Diese Politik führt auch zunehmend zu einer Verbesserung der Beschäftigungslage.
Die Erfahrungen mit einer zeitlich befristeten, kreditfinanzierten Konjunkturpolitik mit Konjunkturprogrammen haben gezeigt, daß sie die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Die Konjunkturprogramme von 1974 bis 1982 haben 80 Milliarden DM gekostet.

(Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

In dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit von 273 000 auf 1,833 Millionen Arbeitslose angestiegen;

(Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD]) die Arbeitslosenzahl hat sich versiebenfacht.


(Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

Gleichzeitig hat sich die Kurzarbeit bis auf 1,2 Millionen im Winter 1982 erhöht.
Wir setzen nicht auf Konjukturprogramme; wir setzen darauf, die private Initiative anzuregen, ihr die Betätigung zu ermöglichen, sie von steuerlichen und bürokratischen Fesseln zu befreien.
Besonders die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation liegt uns mit dieser Initiative am Herzen. Nicht nur in der Bauwirtschaft, auch in den übrigen Bereichen, in den Zulieferungsbereichen, hoffen wir Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. Eine Untersuchung des Ifo-Instituts hat ergeben, daß sich die Zahl der Beschäftigten durch dieses Gesetz in der Gesamtwirtschaft um 70 000 erhöhen wird. Das ist zwar für die unterbeschäftigte Bauwirtschaft längst nicht ausreichend; aber es ist immerhin ein Lichtblick für viele, vor allem auch für ältere Arbeitnehmer im Bau, die es schwer haben, in anderen Bereichen unterzukommen.
Nun, manche kritisieren — Herr Klose hat es wieder getan — die Mindereinnahmen des Staates. Das Ifo-Institut hat eine Mindereinnahme für die ersten drei Jahre von 2,5 Milliarden DM errechnet, also eine niedrigere als die von der Regierung errechnete. Letztlich wirken aber — Herr Klose, das wissen Sie auch — die Abschreibungsverbesserungen beim einzelnen Investitionsobjekt nur als Steuerstundung. Verbesserte Erträge, höhere Umsätze, eine bessere Beschäftigungslage werden die Ausfälle schnell wettmachen.
Auch die Gemeinden können nicht das Klagelied anstimmen, das Sie hier angestimmt haben. Selbst wenn man diesen Gesetzentwurf und auch den Gesetzentwurf zur Reduzierung der Lohnsteuern mit Wirkung zum 1. Januar 1986 und 1. Januar 1988 berücksichtigt, werden die Gemeinden nach den neuesten Steuerschätzungen bis 1989 dennoch j ahresdurchschnittlich Mehreinnahmen von 5 % haben. Also, dieses Klagelied können Sie nicht aufrechterhalten.

(Dr. Spöri [SPD]: Um den Preis des Investionsverfalls!)

Auch müßten die Gemeinden, Herr Spöri, daran interessiert sein, daß die Firmen in ihrem Bereich konkurrenzfähig bleiben und damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das ist doch auch ein Punkt, der die Gemeinden sehr stark interessiert.

(Dr. Spöri [SPD]: Er redet gegen die Bauindustrie!)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, daß Sie nicht wieder das Stichwort gebracht haben, daß die Abschreibungsvergünstigungen nur den Unternehmern zugute kämen und die Reichen begünstigten. Ich hätte Ihnen sonst entgegengehalten, daß Sie in Ihren neuen Programmen von der Begünstigung von Investitionen reden. Also muß dieses Gesetz Ihnen sehr wohl zupaß kommen. Sie müßten diesem Gesetz sogar zustimmen, wenn Sie da konsequent bleiben wollen.

(Dr. Spöri [SPD]: Sie sind völlig falsch eingestellt!)

Die Stimmen für eine Förderung von Investitionen von außerhalb des Hauses sind gewichtig; Sie wissen das. Die Bundesbank, alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die Fünf Weisen, die EG- Kommission, die OECD, bekannte Wirtschaftswissenschaftler und auch die Beiräte des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums sprechen sich ausdrücklich für Verbesserungen der Investitionsbedingungen aus. Mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf macht die Bundesregierung einen Schritt in diese Richtung.
Ich behaupte: Wenn wir diesen eingeschlagenen Weg der dauerhaften und nachhaltigen Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen konsequent fortsetzen, wird die Wirtschaft ihre Aufgabe erfüllen können, in absehbarer Zeit die heute noch fehlenden Arbeitsplätze anzubieten. Dem dient dieser Gesetzentwurf mit in erster Linie. Wir hoffen, daß die Wirtschaft, kräftig davon Gebrauch macht.
Deshalb unterstützen wir diese Initiative der Bundesregierung. Wir sind sicher, daß sie in der gegenwärtigen Konjunktur-, aber auch Struktursituation einen wichtigen Beitrag leisten wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016913200
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1016913300
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Wirtschaftsgebäude soll zukünftig nicht mehr davon ausgegangen werden, daß sie 50 Jahre genutzt werden können, sondern nur noch 25 Jahre. Damit soll — ich zitiere aus der Begründung des Gesetzentwurfes — dem „tiefgehende(n) Wandel der Wirtschaft ... eine rasche Anpassung an die gewandelten Verhältnisse" ermöglicht werden. Welchem Wandel soll denn



Vogel (München)

da Rechnung getragen werden? Ist es vielleicht der Wandel, der sich in Silicon Valley, dem amerikanischen Computerzentrum, ereignet hat, der jetzt als neue Norm dafür gelten soll, wie lange Wirtschaftsgebäude zu nutzen sind? Dann ist allerdings die halbe Abschreibungszeit auch noch viel zu lang. Da müßte man dann auf acht Jahre heruntergehen. Oder vielleicht haben Sie noch einen Gesetzentwurf in petto, mit dem Sie dann auf vier Jahre heruntergehen, der Dauer der Legislaturperiode entsprechend, damit die Unternehmen ihre Investitionen im Hinblick auf die jeweils im Amt befindlichen Regierungen planen können. Das hat sich ja heute in der Debatte schon angedeutet.

(von Schmude [CDU/CSU]: Wenn Sie an die Regierung kämen, müßte man sofort abschreiben!)

Übrigens, da wir gerade bei Silicon Valley -sind: Es ist schon interessant, daß es den Firmen in Silicon Valley zu einem Zeitpunkt, in dem deutsche Landesfürsten und die Bundesregierung immer noch davon ausgehen, daß dies die Zukunftstechnologien sind, gar nicht mehr so gut geht. Im Februar dieses Jahres noch war Blüm in den USA und meinte dort: „Innovationen und Investitionen bringen uns aus der Arbeitslosigkeit heraus." Dies hat er bei einem Besuch in der Firma Intel gesagt. Am selben Tag wurden von der Firma Intel, dem viertgrößten Halbleiterproduzenten der Welt, 1000 Arbeitskräfte entlassen, was ihn natürlich nicht irritiert hat. Weiter hat z. B. die Firma Apple in diesem Sommer 1200 Mitarbeiter entlassen und drei Werke geschlossen. Data General hat 1300 Mitarbeiter, Wang Laboratories hat 5 %, Commodore International 15% ihrer Belegschaft entlassen, und Hewlett Packard hat alle US-Werke für mehrere Tage geschlossen. IBM hat massive Ertragseinbrüche sowie enorme Absatzschwierigkeiten gemeldet. Und da träumen einige deutsche Städte immer noch von ihrem eigenen Technologiepark. In Wirklichkeit wird sich das alles nicht lohnen. Auch in den USA wird am Ende ein Beton- und Asphalt-Valley bleiben, aber nicht diese traumhafte neue Technologiezone, die man sich einmal vorgestellt hat.
Dort hat sich wahrlich ein tiefgreifender Wandel vollzogen, der seine Spuren im Wasser, in der Luft und im Landschaftsbild unübersehbar hinterläßt.
Welcher Wandel soll denn nun mit diesem Gesetzentwurf gefördert werden? Welcher Wandel in der Industriearchitektur wird hiermit gefördert? Die Verkürzung der Abschreibungsfristen fördert doch genau die Ex-und-hopp-Fertighallen, die sich rund um die Gemeinden wie die Pest ausbreiten und die eher an Slums als an Wirtschaftsgebäude erinnern, von landschaftsangepaßter Architektur einmal ganz zu schweigen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir halten auch die für Berlin und für das sogenannte Zonenrandgebiet in dem Gesetz enthaltenen Sonderregelungen für ungeheuerlich. Für in Berlin gelegene Wirtschaftsgebäude, deren Errichtung oder Erweiterung nach dem 31. März dieses Jahres beantragt wurde, soll die Investitionszulage von 15 auf 20% angehoben werden. Wenn die Gebäude Forschungs- und Entwicklungszwecken für drei Jahre dienen, sollen sogar 25% Investitionszulage gezahlt werden. Diese Investitionszulage wird neben den erhöhten Abschreibungen, die sowieso in Berlin gelten, gewährt. Damit ist es also möglich, daß Wirtschaftsgebäude in Berlin in fünf Jahren zu 75% abgeschrieben werden, für die vorher 20 bzw. sogar 25% Investitionszulage gezahlt wurden.
Für das Zonenrandgebiet sind die erhöhten Abschreibungen nicht ganz so hoch wie für Berlin, weil es immer noch rentabler sein soll, vom Zonenrandgebiet nach Berlin abzuwandern. Das hat ja Bayreuth schon erlebt, wo die dortigen Zigarettenfabriken dichtgemacht und nach Berlin verlegt wurden, und zwar unter einem riesigen Verlust von Arbeitsplätzen; denn natürlich haben auch Rationalisierungsmaßnahmen stattgefunden. In Berlin sind dann mit Millionenzuschüssen des Bundes wesentlich weniger Arbeitsplätze entstanden, als vorher in Bayreuth vorhanden waren. Das ist dann die neue Berlin-Beschäftigungspolitik der Regierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir halten es für eine völlig falsche Politik, gerade in den Gebieten, in denen hohe Abwanderungen von Betrieben bestehen, die Abwanderung auch noch zu unterstützen, zu beschleunigen. Im Zonenrandgebiet hat sich in den letzten Jahren die Anzahl der Betriebe ohnehin im Vergleich zum Bundesgebiet überproportional verringert. Ganz besonders gilt das für Oberfranken; ich habe das ja gerade an einem Beispiel geschildert. Durch erhöhte Abschreibungssätze wird die auf kurzfristiges Ansiedeln orientierte Unternehmenspolitik noch zusätzlich unterstützt.
Der durch das Gesetz bewirkte Steuerausfall beträgt im nächsten Jahr rund 1 Milliarde DM. 1988 werden es 3,7 Milliarden DM sein; Herr Klose hat das bereits angesprochen. 3,7 Milliarden DM, das ist der Gegenwert von zweieinhalbmal BAFÖG — um einmal die Dimension auf der Bundesebene aufzuzeigen —, das man den Studenten nur gibt, um es nachher wieder hereinzuholen. Das hätte man damit praktisch finanzieren können.
3,7 Milliarden DM werden hier also wieder einmal mit lockerer Hand für eine wirtschaftspolitisch fragliche Maßnahme, für eine aus baupolitischen, strukturpolitischen und insbesondere auch aus ökologischen Gedanken sogar völlig verwerfliche Maßnahme ausgegeben. Die Förderung von Ex-undhopp-Bauten und die Verbesserung des Anreizes, aus Berlin und aus dem Zonenrandgebiet schnell das Kapital abzuziehen, nachdem dort vorher Investitionszulagen in gewaltiger Höhe abgesahnt wurden, eine solche Politik lehnen wir ab.
Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016913400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1016913500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion un-



Dr. Solms
terstützt den Antrag zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude,

(Vogel [München] [GRÜNE]: Kein Wunder!)

weil dieser Antrag in die langfristige Politik zur Verbesserung der Bedingungen für die Wirtschaft paßt.

(Berger [CDU/CSU]: So ist es!)

Das ist ein Element einer angebotsorientierten Politik, die bis jetzt schon erfolgreich gewirkt hat. Ich erinnere nur an die Erfolge im Bereich der Konsolidierungspolitik, im Bereich der Verbesserung des Geldwertes, im Bereich der Verbesserung des Aktivsaldos bei der Handelsbilanz — wir erzielen ja von Monat zu Monat neue Rekorde — und im Bereich des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Der Erfolg dieser Politik wird j a bestätigt durch den Bundesbankbericht für Oktober 1985. Ich darf daraus wörtlich zitieren:
Die Wirtschaft hat damit ihre wichtigste innere Antriebskraft zurückgewonnen, die sowohl auf das übrige konjunkturelle Geschehen positiv austrahlt als auch die strukturellen Bedingungen für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum verbessert. Die Erweiterung, Modernisierung und technologische Erneuerung der Sachanlagen schafft zugleich günstigere Bedingungen für die Bewältigung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Zu der ausgeprägten Entfaltung der Investitionskonjunktur trug bei, ja war unerläßliche Voraussetzung, daß sich die Ertrags- und Finanzierungsverhältnisse der Wirtschaft verbesserten.
Ich glaube, daß die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude notwendig und zeitgemäß ist. Die Bedingungen, die bislang gelten — eine Dauer von 50 Jahren —, entsprechen nicht mehr der Nutzungsdauer von Wirtschaftsgebäuden heute.
Die Begrenzung auf das Betriebsvermögen, Herr Kollege Klose, ist insofern begründet, als wir mit diesem Gesetz j a nicht wollten, daß durch die Ausdehnung auf Betriebsgebäude im Privatvermögen neue Abschreibungsgesellschaften wieder entstehen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, daß diese Begrenzung akzeptiert werden kann.
Ich sagte bereits, daß die derzeitigen Abschreibungsbedingungen dem normalen Nutzungsverlauf nicht mehr entsprechen. Darüber hinaus wird diese Verkürzung auf 25 Jahre ein Beitrag zur Verstetigung in der Bautätigkeit sein. Denn eine Befristung, die ja ebenfalls diskutiert worden ist, würde dazu führen, daß die Bautätigkeit kurzfristig vorgezogen würde und nach dieser Frist natürlich entsprechende Ausfälle bei der Bautätigkeit entstehen müßten.
Die Verbesserung ist auf Neubauten begrenzt. Dies ist sinnvoll. Die Ausdehnung auf Altbauten hätte enorme zusätzliche Ausfälle gebracht und hätte der Bauindustrie natürlich keine neue Anregung gegeben.
Im Finanzausschuß sind im wesentlichen zwei Themen zu diskutieren. Das eine ist die Frage, wie der Präferenzvorsprung des Landes Berlin erhalten werden kann. Es wird ja vorgeschlagen, daß die Sonderabschreibungen für Betriebsgebäude von 40 auf 50 % im Zonenrandgebiet angehoben werden, und in Berlin wird die Investitionszulage für Betriebsgebäude von 15 auf 20 % und im Bereich von Forschung und Entwicklung von 20 auf 25 % erhöht. Wir sind der Meinung, daß dann, wenn — wie das Land Berlin sagt — der Präferenzvorsprung für das Land Berlin dadurch nicht voll erhalten bliebe, ins Auge fassen sollte, ob nachträgliche Herstellungsarbeiten an beweglichen Wirtschaftsgütern in die Vergünstigung des Berlinförderungsgesetzes, also in die Investitionszulagenregelung, einbezogen werden können.
Darüber hinaus haben wir die Frage der Einbeziehung von Heizungs- und Warmwasseranlagen in den § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zu diskutieren. Auch dies ist quasi beschlossen und soll in diesem Gesetz eingebracht werden. Wenn allerdings dieses Gesetz später in Kraft tritt, könnte man es eventuell schon in das Steuerbereinigungsgesetz einbeziehen und damit eine möglichst baldige Verabschiedung gewährleisten. Sicher ist jedenfalls, daß die Vergünstigung rückwirkend zum 1. Juli 1985 in Kraft tritt, so daß hier kein weiterer Grund für Attentismus vorhanden ist.
Ich sage abschließend: Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt diesen Gesetzesantrag. Wir hoffen, daß wir ihn nach einer kurzen, vernünftigen und sachgerechten Beratung, wie wir es im Finanzausschuß gewöhnt sind, bald zum Abschluß bringen können.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016913600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wieczorek.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016913700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Häfele, ich habe mit Interesse gelesen, daß Sie in einem Interview gesagt haben, es gehe darum, steuerliche Vergünstigungen und Schlupflöcher auf den Prüfstand zu stellen und lieber niedrigere Steuersätze und weniger Ausnahmen als hohe Steuersätze zu haben. Das ist ein lobenswertes Unterfangen. Ich frage mich da nur, wie Sie auf diesen Gesetzentwurf gekommen sind. Denn dieses Gesetz schafft ja wohl eine steuerliche Subvention in dem erheblichen Umfang von rund 10 Milliarden DM bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Wir werden das allerdings — da stimme ich Ihnen zu — vergeblich im Subventionsbericht suchen, weil Sie erklären: Es ist eine auf Dauer angelegte Maßnahme zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen. Und durch so einen Trick erscheint es dann nicht in der Subventionsstatistik. Das ist ja schön. Nur, wissen Sie — wenn Sie schon, Herr Schwörer, so fragen —, warum es eine Subvention



Dr. Wieczorek
ist? Es war doch bisher Brauch und richtig und gutes Prinzip, Wirtschaftsgüter nach der Maßgabe ihrer tatsächlichen voraussichtlichen Lebensdauer abzuschreiben. Wenn es real davon Abweichungen gab, konnten Sie schon immer früher und schneller abschreiben. Wenn dieses Prinzip hier gelten würde, müßte ich unterstellen, daß die deutsche Bauindustrie — das wollen Sie, Herr Schwörer, doch nun sicherlich nicht sagen — plötzlich nur noch Bauten errichtet, die nur noch die Hälfte von dem wert wären, was sie früher wert waren. Wollen Sie ernsthaft behaupten, wir hätten jetzt die Wegwerfwirtschaft in der Bauindustrie?

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Es geht um die Praktikabilität des Gebäudes!)

— Aber ich bitte Sie. Da kommen wir doch zum nächsten Punkt, Herr Schwörer.
Sie nehmen doch auch bei diesem Gesetz in Kauf, daß Gebäude, die vor dem 31. März 1985 erstellt wurden, noch in den Büchern stehen, während neuere Gebäude nicht mehr drinstehen. Wenn dieses sinnvoll sein soll, möchte ich wissen, warum.
Das gleiche gilt für die Aktivierungspflicht von Erneuerungen und Umbauten an älteren Gebäuden. Kollege Klose hat im übrigen schon auf die Problematik der betrieblich genutzten Gebäude, die in Privatvermögen stehen, hingewiesen.
Ich halte das für einen hervorragenden Beitrag zur Klarheit im Steuerrecht, Herr Häfele. Ich muß Sie da an Ihren Spruch in der „Bank-Information" erinnern.
Ich habe da allerdings einen Verdacht. Wenn ich mir die Gesetzesbegründung ansehe, wo Sie sagen, der Gesetzgeber habe einen großen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum, also meinen, dieses extra betonen zu müssen, habe ich den Verdacht, daß Sie uns wieder so etwas präsentieren wie bei der Investitionshilfeabgabe und klammheimlich hoffen, daß das Gericht die steuerliche Vergünstigung für diese anderen steuerlichen Tatbestände auch noch gewähren wird. Dann allerdings hätten Sie ein Risiko für die öffentlichen Haushalte geschaffen, das immens wäre.
Nun kann es sein, daß Sie sich sagen: Na ja, das betrifft uns nicht mehr. Nach 1987 sind wir nicht mehr dran. —

(Berger [CDU/CSU]: Da werden Sie sich irren!)

Das wird voraussichtlich auch so sein, und wir hoffen auch, daß es so sein wird. Nur, damit wird Ihre Gesetzgebung wirklich nicht seriöser.
Daß das Ganze eine Konjunkturmaßnahme ist, geben Sie in Ihrer Gesetzesbegründung auch zu, nur kleiden Sie es in die Form einer Strukturmaßnahme.
Es ist auch löblich, wenn Sie nun endlich Wirtschaftspolitik betreiben wollen. Aber der von Ihnen so geschätzte Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten vom 23. Juli 1985 Ihnen klar ins Stammbuch geschrieben, daß das eine ungeeignete Maßnahme ist. Lesen Sie Ziffer 34 dieses Sondergutachtens nach.
Dann führen Sie — Herr Schwörer, Sie selber haben das in Ihrer Rede gemacht — die Ifo-Untersuchung ins Feld. Nun gut, dann wollen wir mal sagen, was die selber sagen. Da steht — ich zitiere den Schlußsatz der Autoren, die sehr redlich vorgegangen sind —:
Insgesamt dürften die unterstellten Anstoßeffekte der Abschreibungserleichterungen nicht unrealistisch sein, möglicherweise bilden sie aber doch die Obergrenze.
Wenn Sie alle anderen Einschränkungen, die in diesen Simulationsrechnungen enthalten sind, lesen, kommen Sie zu dem Ergebnis, daß Sie mit diesem Gesetz der Bauindustrie nun sicherlich nicht helfen; denn was Sie erreichen, sind private Anstöße höchst zweifelhaften Charakters, aber daneben Kürzungen bei den Haushalten der Kommunen und der Länder. Und die werden sich dann bei ihren Investitionen gezwungenermaßen zurückhalten. Das wird das Ergebnis sein. Ich halte es für eine unredliche Politik, sich als Bundesregierung hier hinzustellen und zu sagen: „Jetzt sollen doch die Gemeinden gefälligst investieren", während Sie ihnen auf der anderen Seite über 1 Milliarde DM allein durch dieses Gesetz wegnehmen. Das ist einfach unredlich.

(Dr. Spöri [SPD]: Der öffentliche Hochbau wird Sie verfolgen, Herr Schwörer!)

Und Sie werden sehen, daß die Mitnahmeeffekte bei diesem Gesetz erheblich überwiegen werden; denn die sind ja — dankenswerterweise haben Sie das selber zugegeben — vor allem für Unternehmen interessant, die eh und je verdienen. Wenn die aber eh und je verdienen, brauchen sie dieses Steuergeschenk nun wirklich nicht.
Aber auch für die, wie auch für die anderen, wäre es töricht, in etwas zu investieren, was sich nur wegen dieser Steuervergünstigung rechnete.

(Dr. Spöri [SPD]: Das ist eine Beleidigung von Unternehmern!)

Das ist nicht das Denken eines Unternehmers entsprechend dem unternehmerischen Investitionskalkül, sondern das Denken eines Abschreibungskünstlers. Sie wollen doch wohl nicht die Unternehmer zu Abschreibungskünstlern machen.

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Aber Sie wollen es im Privatvermögen womöglich auch noch!)

— Ich will es nicht im Privatvermögen. Ich will das Ganze nicht, verehrtester Herr Kollege, weil ich es für eine unsinnige Maßnahme halte. Das versuche ich Ihnen gerade zu erklären, auch an Hand der von Ihnen geschätzten Studie.

(Berger [CDU/CSU]: Ihnen paßt die ganze Richtung nicht!)

Man muß einfach feststellen, daß Bauinvestitionen im Unternehmensbereich von den langfristigen Ertragserwartungen, nicht von steuerlichen Begünstigungen, abhängen. Sie können auch keine Vor-

Dr. Wieczorek
zieheffekte erreichen; denn Sie wollen es dauerhaft machen. Es gibt also keinen Grund, das jetzt vorzuziehen. Insofern beißt sich das sogar mit Ihren Erwartungen im Hinblick auf die Konjunktur. Sie hoffen aber, daß sich einige Leute unter dem Gesichtspunkt, Steuern zu sparen, dazu verführen lassen, zu investieren — nicht aber zugunsten einer gesunden Struktur unserer Volkswirtschaft. Primäreffekte sind doch bei Bauinvestitionen selten der Grund dafür, daß man investiert.
Normalerweise haben wir ja einen sehr guten Baubestand. Im Gegensatz etwa zu England mit seinen hervorragenden Abschreibungsmöglichkeiten haben wir einen guten Bestand. Den wollen die Unternehmen nutzen, indem sie Umbauten, Anbauten u. ä. gefördert sehen wollen. Nur, es ist mehr als zweifelhaft, ob das unter dieses Gesetz fällt. Ein neues Werk dagegen, eine neue Halle wird man doch nur aufbauen, wenn man wirklich ganz neue zusätzliche Anlagen bauen will, etwa im maschinellen Bereich, oder wenn man Anlagen hat, die nicht mehr hineinpassen. Das ist das eigentliche Motiv.
Jetzt komme ich genau an die Stelle, an der das alles zweifelhaft wird. Das Ifo-Institut sagt in seiner Modellrechnung selber, die Begünstigung wirkt ähnlich wie eine Zinssenkung von 1 % bei der linearen Abschreibung und von 3/4 % bei der degressiven. Aber das gilt ja nur für den Bauanteil an einer Gesamtinvestition; der maschinelle Teil ist im Zweifel viel größer. Gemessen an dem, was ansonsten noch zum Betriebsvermögen hinzukommt, ergibt sich bei einer Neuinvestition in diesem Sinne also nur ein marginaler Effekt.
Sie wollen auf der einen Seite viel Geld für so etwas ausgeben, was mit Sicherheit keine einzige sinnvolle unternehmerische Investition veranlassen wird; das ist -das eigentliche Problem das Sie mit diesem Gesetz haben. Deswegen komme ich dazu, daß Sie auf der anderen Seite im Ergebnis eigentlich nur einen Abschreibungsvorteil gewähren, der in der Beschäftigung ohne Folgen bleibt. Diese Effekte haben Sie offensichtlich übersehen.
Wenn Sie dann diese höheren Abschreibungen haben und als Unternehmer eine Vollkostenkalkulation machen, haben Sie im übrigen plötzlich auch bloß deshalb höhere Kosten, weil ein Steuervorteil gewährt wird. Das heißt, Sie setzen indirekt auch eine Preistreibung in Gang.
Ein weiterer Punkt: Die Gewinn- und Verlustrechnung wird natürlich die Gewinne falsch ausweisen. Sie stellen sich immer hin - das macht j a gerade auch der Bundesfinanzminister gerne — und sagen, wir müssen jetzt breitere Kreise der Bevölkerung am Betriebsvermögen, am Produktivvermögen, beteiligen. Schön, wenn Sie aber über solche Sonderabschreibungen und die damit entstehenden stillen Reserven den Betreffenden die Gewinne vorenthalten, betreiben Sie im Bereich der Beteiligung am Produktivvermögen natürlich genau das Gegenteil einer Förderungspolitik.
Ein weiterer Effekt entsteht, weil die Thesaurierung der stillen Reserven ja wohl nur für den Mehrheitsgesellschafter von Vorteil ist, nicht für den kleinen Aktionär; da wollen wir uns j a nichts vormachen. Sie sündigen nämlich gegen den von Ihnen sonst immer so gepriesenen Geist der Marktwirtschaft. Herr Solms, ich wundere mich darüber, daß Sie darauf nicht eingegangen sind; Sie haben das sonst ja immer gepachtet. Wenn Sie über steuerliche Maßnahmen falsche Gewinnsignale geben, stören Sie natürlich den Steuerungsmechanismus der Marktwirtschaft, weil Sie die wichtige Marktinformation „Gewinn" schlicht und einfach steuertechnisch in eine falsche Richtung lenken. Ich habe meine Zweifel daran, daß Ihnen das so genehm sein kann. Nun habe ich allerdings auch Zweifel daran, daß Sie es mit der Marktsteuerung tatsächlich so ernst nehmen; wenn es um andere Dinge geht, sind Sie da ja auch großzügiger.

(Beifall bei der SPD) Auch dies ist dafür ein schönes Beispiel.


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016913800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordeten Dr. Solms?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016913900
Bitte sehr.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1016914000
Herr Kollege, wären Sie bereit, zuzugestehen, daß es betriebswirtschaftlich heute — wie immer — richtig ist, den Abschreibungsverlauf möglichst nahe an den tatsächlichen Nutzungsverlauf anzupassen, und daß eine 25jährige Abschreibungsdauer im Durchschnitt dem tatsächlichen Nutzungsverlauf eher entspricht als eine 50jährige Abschreibungsdauer?

(Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914100
Wenn dies denn so wäre, frage ich mich, warum Sie nicht Material darüber vorgelegt haben, daß die Abschreibung für den Bestand an Bauten geändert werden muß; denn das würde ja wohl auch für die Altbauten gelten. Es ist doch wohl logisch, daß eine Änderung dann nicht nur für Neubauten gelten kann,

(Sehr richtig! bei der SPD)

oder? Es tut mir leid, da komme ich nicht mit.
Der nächste Punkt: Dadurch, daß Sie jetzt stille Reserven haben, die aber in der Bilanz nicht erscheinen, werden Sie natürlich weiterhin die Klagelieder aus dem Unternehmerlager zu hören bekommen, wie schlimm es denn mit der Eigenkapitalausstattung stehe, und da müsse man unbedingt etwas machen. Insofern legen Sie hier natürlich ganz geschickt die Grundlage für neue Anforderungen, weitere Steuergeschenke zu machen. Das ist natürlich für Sie etwas sehr Schönes; aber leider hilft es der deutschen Volkswirtschaft gar nicht.
So schlimm ist es übrigens — wenn Sie das anziehen, Herr Schwörer — mit der Eigenkapitalausstattung auch nicht. Ich empfehle Ihnen da doch einmal sehr, die Studien der KW in ihren Geschäftsberichten zu lesen. Sie sollten beachten, was in den zusätzlichen Bemerkungen darüber, was die stillen Reserven ausmachen, steht, und sollten auch beachten, was denn eigentlich die Trennung zwischen Be-



Dr. Wieczorek
triebsvermögen und Privatvermögen, zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft, unter diesem Gesichtspunkt bedeutet. Das empfehle ich sehr! Sie kennen ja die Überraschung auf seiten deutscher Unternehmen, die an amerikanische Börsen gehen wollen und plötzlich feststellen, wie dort ihr Eigenkapital berechnet wird. Dann stimmt nämlich diese Mär, es gebe ein so geringes Eigenkapital, häufig gar nicht mehr. Ich habe im übrigen gar nichts dagegen, bei jungen Unternehmen, die anfangen, da etwas zu tun; da haben Sie uns auch immer auf der richtigen Seite gefunden.
Sie haben noch einen weiteren schönen Effekt. Wenn Sie diese stillen Reserven legen, haben Sie künftig noch um so mehr Vergnügen bei der Gewährung von Übertragungsmöglichkeiten nach § 6b. Daran sollte man auch einmal erinnern.
Ich komme zum Schluß. Wenn man das Gesetz bewertet, so muß man feststellen, das es nicht dazu beiträgt, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Hierdurch wird nur eine neue Subvention geschaffen. Es wird eingeführt um den Preis weiterer Einnahmeausfälle bei den Gemeinden und bei den Ländern. Die Baukonjunktur wird damit nicht gefördert. Zugleich aber verkommt eine wichtige Steuergrundregel, und die Steuergesetzgebung wird mißbraucht, um eine wirtschaftlich unnötige Subvention zu tarnen. Das Gesetz entbehrt damit einer vernünftigen Rechtfertigung. Es muß deshalb zu Recht abgelehnt werden, und wir werden das auch tun.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016914200
Das Wort hat der Abgeordnete von Schmude.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den Ausführungen meines Vorredners folgen wollte, was sehr schwierig war, weil es, Herr Wieczorek, Ausführungen waren, die völlig an der Realität und auch an der unternehmerischen Praxis vorbeigingen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

der mußte doch feststellen, daß Sie im Interesse der Schaffung neuer Arbeitsplätze offensichtlich nicht bereit sind, hier ein wichtiges Gesetz zu befürworten.
Abschreibungsbedingungen beeinflussen — das ist allgemein unbestritten — in starkem Maße das Investitionsverhalten der Wirtschaft, und zwar nicht nur bei uns, sondern überall. Abschreibungsbedingungen, Abschreibungsmöglichkeiten, Herr Klose, sind keine Steuergeschenke; sie haben vielmehr steuerstundenden Charakter, nicht mehr und nicht weniger. Um Ihnen das auch zu sagen, weil Ihnen das offensichtlich unverständlich ist: Unternehmen — jedenfalls ist es in Deutschland so — finanzieren ihre Investitionen selten allein aus den Erträgen — es wäre sehr schön, wenn das möglich wäre —, sondern sie finanzieren sie aus dem Cash flow bzw. dann zusätzlich auch aus Fremdmitteln. Das ist die unternehmerische Wirklichkeit 1985.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der vorliegende Gesetzentwurf trägt im Grunde genommen einer langjährigen Forderung unserer Industrie- und Handelskammern und auch der Wirtschaftsverbände Rechnung,

(Dr. Spöri [SPD]: Das glaube ich!)

die zu Recht darauf hingewiesen haben, daß der Wandel der Zeit und auch der Fortschritt der Technik im Ansatz bei der steuerlichen Berücksichtigung eine reduzierte Lebensdauer von Gebäuden notwendig macht.
Wenn man den Vergleich mit unseren europäischen Nachbarländern anstellt, so ist aus Gründen des Wettbewerbs eine Verkürzung auf 25 Jahre dringend geboten.
Ich möchte auf die Studie des Ifo-Instituts eingehen, aus dem Sie j a dankenswerterweise zitiert haben. Ich finde es jedoch sehr merkwürdig, daß Sie nicht zitiert haben, daß das Ifo-Institut zu dem Ergebnis kommt, daß in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren 150 000 bis 200 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das wäre das Ergebnis einer Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, wie wir sie heute zur Beschlußfassung vorliegen haben.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016914400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wieczorek?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914500
Ja, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914600
Es interessiert mich ja, wie Sie zu der Zahl kommen. Das Papier liegt mir hier vor. Darin ist — mit all den Einschränkungen, die ich hier zitiert habe — von 70 000 Arbeitsplätzen die Rede. Deswegen hätte ich gerne gewußt, wie Sie aus dem Papier der Simulationsrechnung aus dem IfoSchnelldienst unter Berücksichtigung der Beschränkungen, die das Ifo-Institut selber nennt, auf die Werte kommen, die Sie soeben genannt haben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914700
Ich beantworte Ihre Frage gern. Die Zahl von 70 000 Arbeitsplätzen entspricht einem Zeitraum von drei Jahren. Dabei bleibt die gleichzeitige Anhebung der Präferenzen bei der Abschreibung für Zonenrand und Berlin unberücksichtigt.
Das Herbstgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute belegt auch — das möchte ich Ihnen hier auch gleich dazusagen —, daß eine Belebung bei den gewerblichen Baumaßnahmen feststellbar ist. Durch dieses Gesetz wird diese Belebung jetzt allerdings nachhaltig verstärkt.
Im Zusammenhang mit den bisher gestiegenen Ausrüstungsinvestitionen in der deutschen Wirtschaft — in diesem Jahr sind sie um 17 % gestiegen — können die verbesserten AfA-Bedingungen jetzt auch dazu beitragen, daß ein erhebliches Bauvolumen geschaffen wird, wodurch die unbefriedigende Lage der Bauwirtschaft bedeutend verbessert wird.



von Schmude
Die Anhebung der Sätze der degressiven Abschreibung von 25 % auf 45 % in den ersten fünf Jahren bewirkt einen starken Investitionsanreiz auch für mittelständische Unternehmen, die insgesamt einen beachtlichen Investitionsbedarf offen haben. Wenn man in Verbindung damit die günstigen Kapitalmarktzinsen und auch die niedrigen Baupreise und die günstige Konjunkturentwicklung, die ja vorausgesagt worden ist, berücksichtigt, dann wird ein außerordentlich günstiger Rahmen vorgegeben.
Erfreulich an dem Gesetzentwurf ist auch, daß der Präferenzvorsprung des Zonenrandes und Berlins Berücksichtigung findet. Die Anhebung der Sonderabschreibungen im Zonenrandgebiet von 40 auf 50 % in Verbindung mit der Verdopplung der linearen MA ergibt, bezogen auf den Restwert, wenn man es umrechnet, eine Gesamtabschreibung in den ersten fünf Jahren von 61 %, bezogen auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten.
Für Berlin verbleibt es bei den 50 % Sonder-AfA, weil damit wohl auch, jedenfalls in bezug auf die Abschreibungen, das Ende der Fahnenstange erreicht sein dürfte. Allerdings profitieren auch die Berliner Firmen zusätzlich von der höheren Abschreibung, der linearen MA, und, was am wichtigsten ist, von der Anhebung der steuerfreien Investitionszulage um 5 Punkte auf 20 %, im Bereich Forschung und Entwicklung sogar auf 25 %.
Dennoch sollte einmal grundsätzlich in Anbetracht dieses Gesetzes und auch anderer Maßnahmen geprüft werden, ob der Präferenzvorsprung Berlins insgesamt noch ausreichend ist. In jedem Fall machen die vorgesehenen Abscheibungsverbesserungen das Investieren in Berlin und im Zonenrandgebiet bedeutend attraktiver. Dies ist auch notwendig, weil die Bauwirtschaft in weiten Teilen des Grenzlandes auf Grund der dort vorhandenen Strukturprobleme sich in einer schwierigen Situation befindet. Die rückläufigen Investitionen im Baubereich, ausgelöst durch die Zurückhaltung der Landwirtschaft, haben der Branche in der Vergangenheit schwer zu schaffen gemacht. Die vorgesehenen Abschreibungsverbesserungen sind auch in anderen von der Strukturpolitik besonders benachteiligten Räumen von großem Wert.
Die nun angesprochenen Steuerausfälle bei den Gemeinden sind — und auch das muß man sich bei dem Charakter von Abschreibungen vor Augen halten — nur vorübergehend. Sie werden für die Gemeinden für 1986 mit 182 Millionen DM veranschlagt, ansteigend bis auf 1,3 Milliarden DM im Jahr 1989. Aber da die Investitionsdynamik erheblich steigt, ist für die Gesamtsituation der Gemeinden in Deutschland eine positive Auswirkung zu erwarten. Die Länder, Herr Klose, haben deshalb diesem Gesetzentwurf im Prinzip auch bereits zugestimmt,

(Dr. Spöri [SPD]: Welche Länder?)

weil sie ähnliche Auswirkungen auf ihre Länderfinanzen erwarten.

(Dr. Spöri [SPD]: Welche Länder?)

Denn man muß dabei berücksichtigen, daß auch in Anbetracht dieses Gesetzes, auch in Anbetracht des Steuerentlastungsgesetzes, die durchschnittlichen Steuereinnahmen der Kommunen um 5 % jährlich ansteigen werden. Deshalb ist es ein unverantwortliches Gerede, die Sache so darzustellen, als würden die Kommunen durch ein solches Gesetz in ihrer Investitionskraft nachhaltig geschwächt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

Das Gegenteil, Herr Spöri, wird eintreten, weil die Gemeinden mittelfristig von den Investitionen, die durch dieses Gesetz ausgelöst werden, stärker profitieren, als sie es sich heute vielleicht vorstellen.

(Dr. Spöri [SPD]: Eine Abnahme in den letzten 5 Jahren!)

Lassen Sie mich zum Schluß eines sagen. Es ist schon merkwürdig, daß sich die Sozialdemokraten bei diesem Gesetz verweigern wollen, offensichtlich aus taktischen Motiven, wie ich vermute. Sie sollten vielmehr aus Gründen des sozialen Gewissens sagen: Wir wollen mehr Arbeitsplätze schaffen, deshalb sagen wir ja zu diesem Gesetz. Und das müßte Ihnen eigentlich um so leichter fallen, als Sie in Ihrer Regierungszeit Abscheibungspraktiken in Deutschland nicht nur geduldet, sondern begünstigt haben, die zu verheerenden Auswirkungen auf dem Baumarkt geführt haben. Abschreibungskünstler, die wir damals erlebt haben, haben schwere Fehlentwicklungen auf dem Baumarkt mitverursacht,

(Dr. Spöri [SPD]: Dann machen Sie doch mal was dagegen!)

auf Grund der Gesetzgebung, die Sie damals begünstigt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Wieczorek [SPD]: Sie haben keine Ahnung! — Dr. Spöri [SPD]: Sie haben doch gar nichts dagegen gemacht! — Berger [CDU/CSU]: Die haben immer Politik für die Reichen gemacht! So war das!)

Wir haben diese Steuergesetze geändert. Und heute stellt sich Herr Wieczorek hierhin und sagt: Nun sollen die Gebäude, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, auch begünstigt werden.

(Dr. Wieczorek [SPD]: Ich habe gesagt, sie wollen das bei Gericht erstreiten!)

Ich sage Ihnen: Damit erreichen Sie dasselbe an Auswüchsen, an Wildwuchs, wie Sie ihn schon einmal gehabt und geduldet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jeder Steuerpflichtige hat heute die Wahlmöglichkeit. Jeder Steuerpflichtige kann sagen, ob sein Grundstück zum Betriebsvermögen gehören oder draußen vorbleiben soll. Jeder hat diese Wahlmöglichkeit. Aber wir wollen verhindern, daß es wieder Konstruktionen gibt, die es gestatten, auf einem Umweg — auch unter Ausschluß jeder Haftung — die Vorteile des Steuerrechts mitzunehmen und sich dann — in der Sonne dieses Steuerrechts — bei Veräußerungsgewinnen steuerfrei zu halten.



von Schmude
Das kann und darf nicht sein. Das ist nicht unsere Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016914800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich kann also die Aussprache schließen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/4042 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen sowie zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es weitere Vorschläge? — Das ,ist nicht der Fall. Die Überweisung ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, dann beginnen wir nunmehr mit der
Fragestunde
— Drucksache 10/4050 —
Wir haben noch die Bereiche Arbeit und Sozialordnung und Auswärtiges abzuhandeln.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Vogt steht uns zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Immer aus Altenkirchen auf:
Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, daß die im § 1 Bundesbeschäftigungsförderungsgesetz erlaubte Vereinbarung von befristeten Arbeitsverträgen sich in vielen Fällen bei Frauen als Pression dahin gehend ausgewirkt hat, daß sie, um eine Daueranstellung nicht zu gefährden, Kinder abgetrieben haben, und wie vereinbart sich diese Folgewirkung mit der erklärten Absicht der Bundesregierung, ungeborenes Leben zu schützen?
Der Abgeordnete Immer betritt eben den Saal. Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, mit der Beantwortung der Frage zu beginnen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016914900
Herr Präsident, mit Erlaubnis des Fragestellers würde ich gern die Fragen 30 und 31 gemeinsam beantworten.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915000
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, damit in Zukunft nicht weiterhin durch die Gewährung von befristeten Arbeitsverträgen Frauen einer Pression ausgesetzt werden, die darin besteht, daß sie ungeborenes Leben abtreiben lassen, um eine Dauer- bzw. Anschlußbeschäftigung nicht zu gefährden?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung weist die in der Frage enthaltene Unterstellung mit aller Entschiedenheit zurück. Die Behauptung, Frauen könnten durch die erweiterte Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen einer Pression dahingehend ausgesetzt sein, um eine Daueranstellung nicht zu gefährden, Kinder abzutreiben, entbehrt jeder Grundlage. Auch schon vor Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes waren befristete Arbeitsverträge zulässig. Spätestens seit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts von 1960 steht fest, daß der Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes bei rechtmäßig befristeten Arbeitsverträgen nicht greift, wenn vorher das Arbeitsverhältnis wegen Fristablauf endet. Trotzdem ist bisher nie behauptet worden, Frauen würden abtreiben, um unbefristet eingestellt zu werden.
Im übrigen stellt die Frage die Dinge auf den Kopf. Gerade das Beschäftigungsförderungsgesetz erleichtert die Einstellung von Frauen. Die vereinfachte Befristung von Arbeitsverhältnissen baut psychologische Einstellungsbarrieren bei den Arbeitgebern ab. Durch die Einbeziehung der Arbeitgeberleistungen nach dem Mutterschutzgesetz in das Ausgleichsverfahren nach dem Lohnfortzahlungsgesetz sind bei kleineren Betrieben Bedenken wegen möglicher zusätzlicher finanzieller Belastungen durch die Beschäftigung von Frauen ausgeräumt worden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915100
Bitte schön, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016915200
Herr Staatssekretär, nachdem die Bundesregierung den § 1 des Gesetzes dahin gehend begründet hat, daß durch die Zeitverträge die Chance bestehen solle, Dauerarbeitsverträge im Anschluß daran zu erreichen, möchte ich Sie fragen: Ist nicht doch eine Schwangerschaft vor Ablauf des Zeitvertrages ein Hinderungsgrund dafür, daß ein Anschlußvertrag gewährt wird?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Nein.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915300
Weitere Zusatzfrage.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016915400
Ist Ihnen bekannt, daß Schwangerschaftsberatungsstellen immer darauf hingewiesen haben, daß Frauen in der Beratung deutlich gemacht haben, daß sie einer inneren Pression — nicht einer von außen — ausgesetzt sind, eben die Schwangerschaft abbrechen zu lassen, um ihre Chance nicht zu vergeben, einen Dauerarbeitsplatz zu erreichen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß wiederholen: Die Behauptung, Frauen könnten durch die erweiterte Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen einer Pression dahin gehend ausgesetzt sein, um eine Daueranstellung nicht zu gefährden, Kinder abzutreiben entbehrt jeder Grundlage.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915500
Sie haben noch zwei weitere Zusatzfragen, bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016915600
Herr Staatssekretär, also muß ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, den Schutz des ungeborenen Lebens auch dadurch zu gewährleisten, daß Kündigungsschutz auch nach Zeitarbeitsverträgen eingerichtet wird?



Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Schlußfolgerung ist unzulässig.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915700
Nun noch Ihre letzte Zusatzfrage.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016915800
Herr Staatssekretär, ein Mitarbeiter Ihres Hauses, Herr Reuber, hat nach einem Bericht der Zeitung „Express" offiziell gesagt — ich zitiere —:
Innerhalb der Laufzeit befristeter Arbeitsverträge gilt der Mutterschutz genauso wie bei unbefristeten.
Das ist unbestritten.
Würde man den Mutterschutz über die Laufzeit des Arbeitsvertrages hinaus ausdehnen, würden die Chancen aller arbeitslosen Frauen sinken, wenigstens einen befristeten Arbeitsvertrag zu erhalten.
Läßt das nicht darauf schließen, daß selbst Ihr Haus davon ausgeht, daß dann, wenn eine Schwangerschaft innerhalb der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages eintritt, die Chancen einer Frau, einen Anschlußvertrag zu erhalten, gleich Null sind?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Nein, Sie interpretieren den Sprecher des Hauses falsch. Herr Reuber hat darauf hingewiesen, daß wenn schwangere Frauen davon ausgeschlossen würden, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, die Beschäftigungschancen dieser Frauen noch weiter gemindert würden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016915900
Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Ich rufe dann die Frage 32 des Abgeordneten Ranker auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Überlegungen zur Änderung des Ladenschlußgesetzes, wonach die obersten Landesbehörden die Offenhaltung von Verkaufsstellen innerhalb einer baulichen Anlage, die der Verknüpfung zwischen dem Personennah- und -fernverkehr dient, aus besonderen örtlichen Gründen, insbesondere der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, an allen Tagen von 6 Uhr bis 22 Uhr bewilligen können?
Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung steht solchen Überlegungen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Sie prüft derzeit, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, solchen Anliegen Rechnung zu tragen. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich dem Ergebnis dieser Prüfung heute nicht vorgreifen möchte.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016916000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ranker.

Fred Ranker (SPD):
Rede ID: ID1016916100
Herr Staatssekretär, wie steht die Bundesregierung zu der scharfen Kritik der Hauptgemeinschaft des Einzelhandels zu diesen Fragen, die ja in etwa aussagt, daß es auf Grund der Zuständigkeit der Behörden der einzelnen Bundesländer in der Praxis zu erheblichen Ungleichbehandlungen und Ungereimtheiten bei der Regelung der Ladenschlußzeiten kommen würde, und wie gedenken Sie angesichts dessen zu verfahren?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nachdem ich gesagt habe, daß die Prüfung dieser Frage nicht abgeschlossen ist, kann ich natürlich auch nicht zu den Anwürfen, die Sie hier gerade zitiert haben, Stellung nehmen, denn je nachdem, welches Ergebnis die Prüfung hat, wird die Antwort auf die Anwürfe unterschiedlich sein.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016916200
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ranker. Wenn Sie sie selber stellen wollen, brauchen Sie nicht den Kollegen zu bemühen.

Fred Ranker (SPD):
Rede ID: ID1016916300
Ich wollte in diesem Zusammenhang auch einmal die Frage nach Wettbewerbsverzerrungen stellen, die gerade im Bereich der kleinen Einzelhandelsbetriebe entstehen. Sie sind j a aber noch nicht mit Ihren Ergebnissen zu Rande gekommen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016916400
Gut. Dann hat der Abgeordnete Brück zu einer Zusatzfrage das Wort.

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID1016916500
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung in ihre Überprüfung auch die Tatsache einbeziehen, daß verlängerte Öffnungszeiten automatisch zu einem höheren Umsatz in den Geschäften führen, die länger geöffnet haben, und daß dieser Umsatz dann den Geschäften, die nicht länger öffnen dürfen, verlorengehen wird und dies auch zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten für solche Geschäfte führt, weil eine Wettbewerbsverzerrung erfolgt?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, selbstverständlich wird in die Prüfung die Frage einbezogen, ob durch diese oder jene Regelung neue oder zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen eintreten. Dies wird ein wichtiger Gesichtspunkt sein, der für die endgültige Stellungnahme der Bundesregierung maßgebend sein wird.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016916600
Der Abgeordnete Dr. Enders hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingebrachten Fragen 33 und 34 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit stehen wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Der Bundesminister des Auswärtigen wird durch Herrn Staatsminister Dr. Stavenhagen vertreten, der uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung steht.
Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Ströbele auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Berichte der Medien aus Mexico City, die auch von Deutschen in Mexiko bestätigt werden, daß die gespendeten Hilfsgüter aus der Bundesrepublik Deutschland für die Erdbebenopfer in Geschäften und auf Märkten der Stadt zum Teil noch in der Originalver-



Vizepräsident Cronenberg
packung zu Höchstpreisen verkauft werden und daß gespendete Gelder von Staatsangestellten vereinnahmt wurden und die Hilfebedürftigen nie erreichen?

Dr. Lutz G. Stavenhagen (CDU):
Rede ID: ID1016916700
Herr Kollege, nach Aussage der deutschen Botschaft in Mexico City gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß aus der Bundesrepublik Deutschland gespendete Hilfsgüter für die Opfer des Erdbebens in Mexiko in privaten Geschäften oder auf den Märkten der Stadt verkauft werden.
Die im Rahmen der Hilfsaktion der Bundesregierung nach Mexiko eingeflogenen zwei Rettungsfahrzeuge des Technischen Hilfswerkes und das in diesen beförderte Rettungsgerät wurden nach Beendigung des Einsatzes der zuständigen örtlichen Polizei für den Aufbau eines Katastropheneinsatzkommandos übergeben. Ein weiteres mitgeführtes Fahrzeug wurde einem unter deutscher Leitung stehenden Sozialzentrum geschenkt.
Die vom Deutschen Roten Kreuz zur Verfügung gestellten 1,5 t Medikamente wurden zusammen mit weiteren zur Ausrüstung der deutschen Helfer gehörenden Hilfsgüter dem Mexikanischen Roten Kreuz ausgehändigt. Der Präsident des Mexikanischen Roten Kreuzes hat der Botschaft versichert, daß diese Hilfsgüter an die unmittelbar betroffenen Erdbebenopfer verteilt werden. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß in Einzelfällen Betroffene Hilfsgüter weiterverkaufen, um sich Bargeld zu verschaffen.
Der deutschen Botschaft in Mexiko ist weiterhin nichts darüber bekannt, daß mexikanische Staatsangestellte Bargeldspenden veruntreut hätten. Die mexikanische Regierung hat ein Sonderkonto für alle in- und ausländischen Spenden eingerichtet. Der mexikanische Präsident hat sich öffentlich persönlich für eine nachprüfbare Verwendung der Spendenmittel verbürgt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016916800
Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016916900
Herr Staatsminister, wollen Sie damit sagen, daß andere Hilfsgüter als die von Ihnen genannten zwei Apparate und Medikamente aus der Bundesrepublik nicht nach Mexiko geliefert worden sind?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen eine Aufstellung darüber geben, was im Rahmen der Soforthilfe geliefert worden ist. Die weiteren Maßnahmen, die für den Wiederaufbau geleistet werden, müssen einer Prüfung vorbehalten bleiben. Hierfür ist das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917000
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016917100
Herr Staatsminister, können Sie ausschließen, daß von diesen Hilfsgütern, die Sie bisher nicht im einzelnen aufgeführt haben, auf öffentlichen Auktionen in Mexiko Stadt mit der ausdrücklichen Begründung verkauft werden, daß dieses Geld dann den Erdbebenopfern zur Verfügung gestellt werden soll?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, nach den mir vorliegenden Informationen kann ich dies ausschließen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917200
Zusatzfrage des Abgeordneten Rusche.

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1016917300
Welche Kontrollmaßnahmen gibt es, um einen unseriösen Umgang mit den Hilfsmitteln aus der Bundesrepublik zu verhindern?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben folgende Dinge geleistet. Einmal sind es die Fahrzeuge, deren Verwendung klar ist, deren Verwendung ich Ihnen geschildert habe. Die Barzuwendungen, die wir geleistet haben, sind für den Einsatz der 56 deutschen Helfer aufgewendet worden. Somit ist der Nachweis für dieses Geld eindeutig klar. Das weitere Geld ist für die Wiederbeschaffung des in Mexiko übergebenen Rettungsgeräts bestimmt. Damit ist der Leistungsnachweis für das aufgewendete Geld, glaube ich, lückenlos.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917400
Danke schön.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Ströbele auf.
Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Forderung Deutscher Residenten in Mexico City, in Zukunft Hilfsgüter und Geldspenden nur noch über nichtstaatliche Organisationen, wie z. B. die Handelskammer, direkt an die Hilfebedürftigen gelangen zu lassen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Intentionen zu unterstützen?
Herr Staatsminister.
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung unterstützt über die Botschaft in Mexiko Bemühungen der dort vertretenen deutschen Organisationen und Institutionen um eine möglichst zweckentsprechende Verwendung deutscher Spenden. Diese Mittel sollen für ein konkretes überprüfbares Projekt, z. B. den Wiederaufbau einer zerstörten Schule, verwendet werden. Die mexikanische Regierung und der Oberbürgermeister der Stadt Mexiko haben dem deutschen Botschafter gegenüber ihr grundsätzliches Einverständnis mit diesem Vorgehen erklärt. Geldspenden des Deutschen Roten Kreuzes und der christlichen Hilfsorganisationen werden ohnehin nicht über staatliche Stellen, sondern über die jeweiligen Partnerorganisationen geleitet.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917500
Danke schön.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele, bitte schön.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016917600
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung aus Presseberichten oder vielleicht aus Berichten der deutschen Botschaft in Mexiko Stadt bekannt, daß sich vor allen Dingen in den zerstörten Gebieten von Mexiko Stadt Selbsthilfeorganisationen der Bürger gebildet haben, und ist die Bundesregierung bereit, direkt an diese



Ströbele
Selbsthilfeorgansiationen der betroffenen Bürger Hilfeleistungen und Zahlungen zu geben?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, wie ich schon ausführte, ist die Aktion der humanitären Hilfe, diese Sofortaktion, abgeschlossen. Nun wird sich die Bundesregierung über die Soforthilfe hinaus am Wiederaufbau in Mexiko beteiligen. Da sind die Überlegungen in vollem Gange und auch noch nicht abgeschlossen. Infolgedessen sind auch die Überlegungen über den Kreis derjenigen, die die Mittel bekommen, und über die Abwicklung noch nicht abgeschlossen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917700
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016917800
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, den deutschen Botschafter in Mexiko Stadt zu bitten, sich mit mir, wenn ich Anfang übernächster Woche in Mexiko Stadt bin, in Verbindung zu setzen, damit ich diesem dort andere als die offiziellen Regierungsadressen nennen kann, wo er sich über den Verbleib der deutschen Hilfsgüter in Mexiko Stadt informieren und dann vielleicht die Informationen an die Bundesregierung weitergeben kann?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, selbstverständlich wird Ihnen der deutsche Botschafter in Mexiko Stadt zur Verfügung stehen und Ihnen auch bei Ihrer Reise im Rahmen seiner Möglichkeiten behilfreich sein.

(Ströbele [GRÜNE]: Es geht nicht um mich, sondern um die Hilfsgüter!)

— Er steht Ihnen zur Verfügung.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016917900
Zusatzfrage des Abgeordneten Rusche. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1016918000
Welche Möglichkeiten außer der genannten sieht die Bundesregierung sonst, den unseriösen Umgang mit Spendenmitteln zu verhindern?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung wird alles versuchen und alles unternehmen, im Rahmen bewährter Wege, z. B. über das Rote Kreuz und andere Einrichtungen, Hilfeleistungen zu gewähren und dabei ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Es ist nicht das erstemal, daß wir an ein betroffenes Land Hilfeleistungen geben. Dies hat sich in der Vergangenheit bewährt und wird sich auch in der Zukunft bewähren.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918100
Danke schön.
Ich rufe die Frage 64 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welches Dokument liegt dafür zugrunde, daß ein Beamter des Auswärtigen Amtes in der Evangelischen Akademie Loccum erklären konnte, „das Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz gelte nur für die beiden Teile Deutschlands und reiche daher territorial nur bis zur Oder-Neiße-Grenze" (Süddeutsche Zeitung 27. September 1985)?
Herr Staatsminister.
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die in Ihrer Frage wiedergegebene Meldung der „Süddeutschen Zeitung" vom 27. September 1985 über angebliche Äußerungen eines Beamten des Auswärtigen Amtes trifft nicht zu.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1016918300
Ich bedanke mich für die Auskunft.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918400
Das war keine Zusatzfrage, sondern eine Höflichkeitsfloskel, die der Staatsminister sicher gern entgegengenommen hat.
Die Fragen 65 und 66 des Abgeordneten Dr. Todenhöfer werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe jetzt die Frage 67 des Abgeordneten Berger auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend (Frankfurter Allgemeine Zeitung 16. Oktober 1985) denen zufolge die Sowjetunion im Kampf gegen die Freiheitskämpfer in Afghanistan erneut chemische Kampfstoffe eingesetzt haben soll, obwohl nach der Genfer Konvention von 1925 diese Waffen geächtet sind und deren Einsatz nur als Repressalie erlaubt ist?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, Pressemeldungen über den Einsatz chemischer Kampfstoffe in Afghanistan bei einer kürzlichen Militäraktion sowjetischer und afghanischer Truppen bei Maydan in der Provinz Wardak müssen als nicht hinreichend gesichert betrachtet werden. Jedoch ist es richtig, daß sowjetische Verbände und afghanische Regierungstruppen in der ersten Oktoberhälfte eine großangelegte Aktion zu Lande und aus der Luft gegen Widerstandspositionen im Raume Maydan und Paghman durchgeführt haben.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918500
Zusatzfrage des Abgeordneten Berger. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016918600
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, die in diesen Pressemeldungen genannten diplomatischen Quellen vielleicht doch noch weiter daraufhin zu erforschen, ob ein solcher Verstoß gegen die Genfer Konvention von 1925, wie er dort behauptet worden ist, nicht doch verifiziert werden kann?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat in der kurzen ihr zur Verfügung stehenden Zeit bis zur Beantwortung der Frage versucht, dies zu kären, und ist zu dem Ergebnis gekommen, das ich Ihnen vortragen konnte. Wenn sich darüber hinaus neuere Gesichtspunkte ergeben, werden wir sie Ihnen selbstverständlich mitteilen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918700
Dann rufe ich die Frage 68 des Abgeordneten Berger auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Vertragspartner dieser Genfer Konvention von 1925 Sowjetunion nach dieser wiederholten Vertragsverletzung zukünftig zu vertragstreuem Verhalten zu veranlassen?



Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, ich verweise auf meine Antwort auf Ihre vorangegangene Frage. Darin habe ich dargelegt, daß der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse über einen Einsatz chemischer Kampfstoffe durch die Sowjetunion in Afghanistan vorliegen.
Der immer wieder auftauchende Verdacht eines Einsatzes von chemischen Kampfstoffen in verschiedenen Teilen der Welt und der von einer Expertenkommission der Vereinten Nationen festgestellte Einsatz solcher Kampfstoffe im Golfkrieg unterstreicht die Dringlichkeit eines baldigen weltweiten und umfassenden Verbotes aller chemischen Waffen.
Ein solches Verbot ist das Ziel der Verhandlungen in der Genfer Abrüstungskonferenz, an denen sich die Bundesregierung intensiv beteiligt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß die Bundesregierung die Bemühungen um die Schaffung einer Verifikationsregelung für das Genfer Protokoll von 1925 unterstützt hat. Diese Bemühungen haben inzwischen in einer Resolution der Vereinten Nationen ihren Niederschlag gefunden. Diese Resolution fordert den Generalsekretär der Vereinten Nationen auf, im Falle des Verdachts einer Verletzung des Genfer Protokolls selbständig Untersuchungen anzuordnen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016918800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016918900
Herr Staatsminister, stimmt die Bundesregierung in Konsequenz des eben Vorgetragenen mit meiner Auffassung überein, daß es gerade wegen immer wieder auftauchender Gerüchte über Verstöße gegen die schon bisher geltende Genfer Konvention notwendig ist, ausreichende Verifikationen als Vertragsbestandteil zu vereinbaren, und daß das als ausreichend auch nur dann betrachtet werden kann, wenn schon im Falle des Verdachts eine Überprüfung vor Ort ermöglicht wird?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, wie ich schon sagte, ist ja in der Resolution vorgeschlagen, den Generalsekretär der Vereinten Nationen aufzufordern, im Falle des Verdachts einer Verletzung der Genfer Konvention — genau wie Sie gesagt haben — selbständig Untersuchungen anzuordnen. Im übrigen ist es Auffassung der Bundesregierung, daß hier der Verifikation eine ganz besondere Bedeutung zukommt und ein Vertrag mit einer ausreichenden und wirksamen Verifikation versehen sein muß.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016919000
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016919100
Herr Staatsminister, stimmen Sie und stimmt die Bundesregierung weiter mit meiner Auffassung überein, daß, solange es nicht zu einer weltweiten kontrollierten Vernichtung der Bestände an chemischen Waffen und ihrer Produktionsmöglichkeiten kommt, eine Repressalienkapazität, wie sie auch nach dem Genfer Protokoll von 1925 erlaubt ist, im Interesse unserer — der westlichen — Sicherheit daher zwingend erforderlich ist?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die Auffassung der Bundesregierung ist, daß wir zu einem globalen Abkommen, zu einer globalen Beseitigung von chemischen Waffen kommen müssen. Wir sind der Auffassung, daß auch nur ein solches globales Abkommen ausreichend verifizierbar ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016919200
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rusche.

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1016919300
Es ging bei der Frage um vertragstreues Verhalten. Ich wollte Sie fragen: Ist die Lagerung von chemischen Waffen der USA in der Bundesrepublik Deutschland vertragstreues Verhalten in diesem Sinne?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016919400
Die Frage lasse ich nicht zu; es ist kein sachlicher Zusammenhang.
Herr Abgeordnete Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016919500
Herr Präsident, vielleicht kann ich die Frage so formulieren: Herr Staatsminister, würden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß schon die Lagerung von chemischen Kampfstoffen in Afghanistan zu erheblichen Gefahren für die Bevölkerung führen muß und deshalb von der Bundesregierung abzulehnen ist und daß der gleiche Maßstab auch in der Bundesrepublik angewandt werden sollte?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, die Auffassung der Bundesregierung ist, daß chemische Waffen weltweit verschwinden müssen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das ist die Auffassung der Bundesregierung, und ich glaube nicht, daß dem noch etwas hinzuzufügen ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016919600
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1016919700
Herr Staatsminister, wie kann überhaupt eine Verifikation des Einsatzes von chemischen Waffen in Afghanistan erfolgen?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, derzeit kann man im Rahmen der Möglichkeiten, die man hat, solchen Informationen nachgehen und versuchen, Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist dabei sehr schwierig, gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, wie ich zu der Eingangsfrage schon ausführte.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016919800
Danke schön.
Der Herr Abgeordnete Duve hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 69 und 70 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers des Auswärtigen.
Der Ordnung halber möchte ich noch mitteilen, daß die Fragesteller der Fragen 42 bis 48, 51 bis 54, 36, 39, 40, 55 bis 61 um schriftliche Beantwortung



Vizepräsident Cronenberg
1 ihrer Fragen gebeten haben und daß die Fragesteller der Fragen 3, 35, 37, 38, 41, 49 und 50 ihre Fragen zurückgezogen haben. Die schriftlichen Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. November 1985, 13 Uhr ein und wünsche Ihnen allen ein gutes Wochenende.
Damit ist die Sitzung geschlossen.