Protokoll:
10163

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 163

  • date_rangeDatum: 4. Oktober 1985

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:29 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/163 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 163. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Inhalt: Verzicht des Abg. Horacek auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 12183A Eintritt des Abg. Rusche in den Deutschen Bundestag 12183A Aktuelle Stunde betr. Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt Kuhlwein SPD 12183 B Daweke CDU/CSU 12184 B Frau Zeitler GRÜNE 12185 B Neuhausen FDP 12186 B Frau Steinhauer SPD 12187 B Frau Männle CDU/CSU 12188 B Frau Seiler-Albring FDP 12189 B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 12190A Vogelsang SPD 12191C Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 12192 B Weisskirchen (Wiesloch) SPD 12193A Scharrenbroich CDU/CSU 12193 D Frau Odendahl SPD 12194C Rossmanith CDU/CSU 12195 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes — Drucksache 10/3923 — Zink CDU/CSU 12196 B Lutz SPD 12199 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 12202 A Tischer GRÜNE 12204 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 12206 B Kirschner SPD 12208 D Cronenberg (Ansberg) FDP 12212A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes — Drucksache 10/3678 — Dr. Olderog CDU/CSU 12213C Wartenberg (Berlin) SPD 12215A Dr. Hirsch FDP 12217 B Ströbele GRÜNE 12219 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 12221B Erste Beratung des von den Abgeordneten Waltemathe, Müntefering, Dr. Apel, Conradi, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Reschke, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Frau Weyel, Frau Blunck, Ranker, Kuhlwein, Büchler (Hof), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes — Drucksache 10/3401 — Büchler (Hof) SPD 12223 B Magin CDU/CSU 12224 B Werner (Westerland) GRÜNE 12225 A Beckmann FDP 12225 D Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär BMBau 12226 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Fragestunde — Drucksache 10/3918 vom 27. September 1985 — Auf das „Sobernheimer Konzept" zurückzuführende Vorkommnisse in dem von der Düsseldorfer Regionalstelle für Flugsicherung kontrollierten Luftraum im Juni/Juli 1985 MdlAnfr 47 27.09.85 Drs 10/3918 Ströbele GRÜNE Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12227 A ZusFr Ströbele GRÜNE 12227 B ZusFr Mann GRÜNE 12227 C ZusFr Würtz SPD 12227 D ZusFr Schulte (Menden) GRÜNE 12227 D ZusFr Senfft GRÜNE 12228A ZusFr Lange GRÜNE 12228 A ZusFr Vogel (München) GRÜNE 12228 B ZusFr Tillmann CDU/CSU 12228 C Bedeutung und Dauer des Versuches zur zivil-militärischen Flugsicherung (Sobernheimer Konzept) im Düsseldorfer Luftraum MdlAnfr 48, 49 27.09.85 Drs 10/3918 Werner (Westerland) GRÜNE Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12228 D ZusFr Werner (Westerland) GRÜNE 12228 D ZusFr Ströbele GRÜNE 12229A ZusFr Vogel (München) GRÜNE 12229 C ZusFr Senfft GRÜNE 12229 C ZusFr Tillmann CDU/CSU 12230A Sicherheitsbedürfnis der zivilen und militärischen Teilnehmer an der Luftfahrt MdlAnfr 50 27.09.85 Drs 10/3918 Lange GRÜNE Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12230 A ZusFr Lange GRÜNE 12230 B ZusFr Würtz SPD 12230 C ZusFr Ströbele GRÜNE 12230 C ZusFr Senfft GRÜNE 12230 D ZusFr Tillmann CDU/CSU 12230 D ZusFr Schulte (Menden) GRÜNE 12230 D Verzicht auf den Feldversuch „Sobernheimer Konzept" im Interesse der Flugsicherheit im Luftraum Düsseldorf und angesichts der zusätzlichen Belastung der Fluglotsen MdlAnfr 51, 52 27.09.85 Drs 10/3918 Senfft GRÜNE Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12231A ZusFr Senfft GRÜNE 12231 B ZusFr Ströbele GRÜNE 12231 C ZusFr Werner (Dierstorf) GRÜNE 12232A Erhöhung des Bewölkungsgrades durch den Luftverkehr MdlAnfr 53, 54 27.09.85 Drs 10/3918 Schulte (Menden) GRÜNE Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12232 A ZusFr Schulte (Menden) GRÜNE 12232A ZusFr Mann GRÜNE 12232 B ZusFr Ströbele GRÜNE 12232 C ZusFr Tillmann CDU/CSU 12232 D ZusFr Werner (Dierstorf) GRÜNE 12232 D ZusFr Senfft GRÜNE 12233 D ZusFr Frau Rönsch CDU/CSU 12233 D Verzicht auf Herbizide bei der Unkrautbekämpfung an Bahndämmen MdlAnfr 56, 57 27.09.85 Drs 10/3918 Zeitler SPD Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 12234A ZusFr Zeitler SPD 12234 B ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD 12234 C ZusFr Werner (Dierstorf) GRÜNE 12234 D ZusFr Schulte (Menden) GRÜNE 12235A ZusFr Senfft GRÜNE 12235A ZusFr Werner (Westerland) GRÜNE 12235 B ZusFr Mann GRÜNE 12236 A Unterstützung der Kommunen angesichts steigender Sozialkosten, insbesondere in Ludwigshafen; Anteil der Ausgaben infolge Arbeitslosigkeit an den Sozialausgaben MdlAnfr 42, 43 27.09.85 Drs 10/3918 Reimann SPD Antw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 12236 C ZusFr Reimann SPD 12236 D ZusFr Urbaniak SPD 12237 A ZusFr Frau Steinhauer SPD 12237 A ZusFr Mann GRÜNE 12237 D ZusFr Zeitler SPD 12238 B ZusFr Schemken CDU/CSU 12238 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD 12238 C ZusFr Becker (Nienberge) SPD 12238 D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 III Forderung gesetzlicher Initiativen zur Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes von Politikern und Behörden durch den Parlamentarischen Staatssekretär Spranger im Einvernehmen mit der Bundesregierung MdlAnfr 72, 73 27.09.85 Drs 10/3918 Duve SPD Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12239 A ZusFr Duve SPD 12239 B ZusFr Mann GRÜNE 12239 C Portraits ehemaliger NS-Amtsträger und NSDAP-Funktionäre in der Kreisverwaltung Ahrweiler MdlAnfr 74 27.09.85 Drs 10/3918 Pauli SPD Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12240 C ZusFr Pauli SPD 12240 D ZusFr Deres CDU/CSU 12241A ZusFr Duve SPD 12241 B Gemeinsame Tournee von Angehörigen der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord" und Veteranen der 70. US-Infantry-Division Association „Trailblazer" zu Orten früherer Kampfhandlungen MdlAnfr 75 27.09.85 Drs 10/3918 Pauli SPD Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12241 C ZusFr Pauli SPD 12241 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD 12242 A Zulassung von Überversicherung für den Pflegefall durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen MdlAnfr 86 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Dr. Segall FDP Antw StSekr Dr. Obert BMF 12242 B ZusFr Frau Dr. Segall FDP 12242 D Schutz der deutschen Stahlindustrie bei Verlängerung der Subventionen in der EG-Stahlindustrie MdlAnfr 87, 88 27.09.85 Drs 10/3918 Urbaniak SPD Antw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12243 A ZusFr Urbaniak SPD 12243 B ZusFr Vogel (München) GRÜNE 12243 C ZusFr Zeitler SPD 12243 C Verlängerung der Subventionen für die europäische Stahlindustrie MdlAnfr 89 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Steinhauer SPD Antw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12224 D ZusFr Frau Steinhauer SPD 12245 A ZusFr Urbaniak SPD 12245 B ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD 12245 C Nächste Sitzung 12245 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 12247* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 12247* D Anlage 3 Anspruch auf Arbeitslosengeld für 18 Monate nach Vollendung des 49. Lebensjahrs bei kurzfristiger Arbeitslosigkeit in den letzten sieben Jahren MdlAnfr 24, 25 27.09.85 Drs 10/3918 Stahl (Kempen) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 12249* A Anlage 4 Finanzierbarkeit der arbeitsfördernden Maßnahmen angesichts des für 1986 berechneten Defizits der Bundesanstalt für Arbeit MdlAnfr 26, 27 27.09.85 Drs 10/3918 Lutz SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 12249* B Anlage 5 Zahl der Anträge von Offizieren auf Frühpensionierung MdlAnfr 28 27.09.85 Drs 10/3918 Grünbeck FDP SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 12249* D Anlage 6 Ausschluß von Pershing-Transporten in der Bundesrepublik Deutschland 1985 MdlAnfr 29 27.09.85 Drs 10/3918 Tatge GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 12250* A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Anlage 7 Einsatz von Simulatoren zur Ausbildung von Strahlflugzeugführern der Bundesluftwaffe MdlAnfr 36, 37 27.09.85 Drs 10/3918 Gerstl (Passau) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 12250* A Anlage 8 Aufschlüsselung der Forschungsergebnisse zum SDI-Programm nach dem Besuch einer Regierungskommission in den USA MdlAnfr 39 27.09.85 Drs 10/3918 Catenhusen SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 12250* C Anlage 9 Einfuhr von Sektgrundweinen aus Drittländern angesichts des Überschusses an Tafelwein in der EG MdlAnfr 40, 41 27.09.85 Drs 10/3918 Schartz (Trier) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 12250* D Anlage 10 Konsequenzen aus den Auseinandersetzungen in der Bhagwan-Sekte; Maßnahmen gegen die Verlegung des Zentrums in die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 44, 45 27.09.85 Drs 10/3918 Dr. Diederich (Berlin) SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 12251* C Anlage 11 Lärmschutzmaßnahmen der Bundesbahn für die Orte Bietigheim, Durmersheim und Ötigheim bei Ausbau der Strecke Karlsruhe—Basel MdlAnfr 55 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 12251* D Anlage 12 Nichtanerkennung einer mit Schreibmaschine gefertigten Zeitung als postzeitungsversandberechtigte Sendung durch die OPD Hamburg MdlAnfr 58 27.09.85 Drs 10/3918 Dr. Schwenk (Stade) SPD SchrAntw StSekr Dr. Florian BML 12252* A Anlage 13 Entwicklung der Ertragslage im Dienstzweig „übrige Fernmeldedienste" der Bundespost MdlAnfr 59, 60 27.09.85 Drs 10/3918 Paterna SPD SchrAntw StSekr Dr. Florian BML 12252* C Anlage 14 Verweigerung der Beförderung von Briefen mit Aufdruck durch die Bundespost MdlAnfr 61, 62 27.09.85 Drs 10/3918 Sielaff SPD SchrAntw StSekr Dr. Florian BML 12252* D Anlage 15 Schaffung einer Wahlmöglichkeit für die Abnahme herangeführter privater TV-Programme durch die 28. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung MdlAnfr 63, 64 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Dann GRÜNE SchrAntw StSekr Dr. Florian BML 12253* B Anlage 16 Wohnungsbestand und 1984 erstellte Neubauten MdlAnfr 65 27.09.85 Drs 10/3918 von Schmude CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau 12253* C Anlage 17 Aussagen von Bundesminister Dr. Schneider über die soziale Gerechtigkeit des Marktes; Förderung des Erwerbs von Wohneigentum aus Mitteln des sozialen Wohnungsbaus 1975 und 1985 MdlAnfr 66, 67 27.09.85 Drs 10/3918 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau 12253* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 V Anlage 18 Bewertung der Personalpolitik angesichts einer einzigen Referatsleiterin im BMBW MdlAnfr 68 27.09.85 Drs 10/3918 Kuhlwein SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 12254* B Anlage 19 Berücksichtigung von Frauen bei der Übertragung qualifizierter Dienstposten im BMBW MdlAnfr 69 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Odendahl SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 12254* C Anlage 20 Besetzung der Leitungsposition im neuen Referat „Frauen, Lehrpersonal, Ausländer" im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft MdlAnfr 70 27.09.85 Drs 10/3918 Kastning SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 12255* A Anlage 21 Anteil der Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland; Förderung der Alphabetisierung MdlAnfr 71 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Dr. Segall FDP SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 12255* B Anlage 22 Zahl der Asylbewerber seit 1970; Herkunftsland; Anerkennungsquote MdlAnfr 76, 77 27.09.85 Drs 10/3918 Clemens CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12255* D Anlage 23 Plutoniumgeschäft einer Hanauer Nuklearfirma mit der französischen Firma COGEMA MdlAnfr 78, 79 27.09.85 Drs 10/3918 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12256* B Anlage 24 Proteste gegen die Tournee von Angehörigen des Traditionsverbandes der ehemaligen 6. SS-Gebirgsdivision „Nord" und Veteranen der 70. US-Infantry-Division Association „Trailblazer" zu Orten früherer Kampfhandlungen MdlAnfr 80, 81 27.09.85 Drs 10/3918 Waltemathe SPD SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12256* C Anlage 25 Zusammensetzung der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord" und Einsatz des ehemaligen SS-Führers Krüger als deren Kommandeur; gemeinsame Tournee mit den Veteranen der 70. US-Infantry-Division Association „Trailblazer" zu Orten ehemaliger Kampfhandlungen MdlAnfr 82, 83 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Matthäus-Maier SPD SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 12256* D Anlage 26 Jährliche Steuerausfälle durch Befreiung der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen von der Körperschaft-, Vermögen- und Gewerbesteuer MdlAnfr 84 27.09.85 Drs 10/3918 von Schmude CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Obert BMF 12257* B Anlage 27 Auswirkungen der sogenannten „Orientierungspreise" auf die deutsche Stahlindustrie MdlAnfr 90 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12257* C Anlage 28 Betriebsstillegungen bei der Ford AG in Köln und Wülfrath MdlAnfr 91, 92 27.09.85 Drs 10/3918 Schemken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12257* D VI Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Anlage 29 Unterstützung deutscher Unternehmen durch Angehörige der Botschaft in Kuala Lumpur im Zusammenhang mit der „Asian defence exhibition — Defence '86"; Genehmigung von Waffenexporten in ASEAN-Staaten MdlAnfr 93, 94 27.09.85 Drs 10/3918 Frau Simonis SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12258* A Anlage 30 Beteiligung deutscher Firmen an der „Asian defence exhibition — Defence '86" in Kuala Lumpur; Ausfuhrgenehmigungen MdlAnfr 95, 96 27.09.85 Drs 10/3918 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12258* C Anlage 31 Konsequenzen aus der britischen Wirtschaftsstudie „An International Analysis of Arms Spending and Infant Death Rates" hinsichtlich zukünftiger Genehmigungen für Waffenexporte MdlAnfr 97, 98 27.09.85 Drs 10/3918 Vogel (München) GRÜNE SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12258* D Anlage 32 Eindämmung des Verdrängungswettbewerbs im Handel MdlAnfr 99 27.09.85 Drs 10/3918 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12259* A Anlage 33 Erfüllung der Mittelstandsforderungen in der 10. Legislaturperiode MdlAnfr 100, 101 27.09.85 Drs 10/3918 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 12259* B Anlage 34 Preisverfall für Jungbullen; Härteausgleich für Rindermäster und Milcherzeuger MdlAnfr 102, 103 27.09.85 Drs 10/3918 Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML 12259* D Anlage 35 Einstellung der regionalen Förderung für Zuckerverarbeitungsbetriebe und Molkereien MdlAnfr 104 27.09.85 Drs 10/3918 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 12260* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12183 163. Sitzung Bonn, den 4. Oktober 1985 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 10. Antretter * 4. 10. Dr. Apel 4. 10. Austermann 4. 10. Berger * 4. 10. Berschkeit 4. 10. Biehle 4. 10. Dr. Blank 4. 10. Böhm (Melsungen) * 4. 10. Dr. Corterier 4. 10. Frau Dann 4. 10. Dr. Ehrenberg 4. 10. Eickmeyer 4. 10. Frau Eid 4. 10. Dr. Enders 4. 10. Eylmann 4. 10. Frau Fischer * 4. 10. Fischer (Homburg) 4. 10. Dr. Geißler 4. 10. Glos 4. 10. Grünbeck 4. 10. Grunenberg 4. 10. Haase (Fürth) * 4. 10. Dr. Hackel 4. 10. Dr. Hauchler 4. 10. Frau Dr. Hellwig 4. 10. Frau Dr. Hamm-Brücher 4. 10. Dr. Haussmann 4. 10. Dr. Holtz * 4. 10. Horacek * 4. 10. Ibbrügger 4. 10. Dr.-Ing. Kansy 4. 10. Dr. Kohl 4. 10. Dr. Kreile 4. 10. Frau Krone-Appuhn 4. 10. Dr. Kübler 4. 10. Dr. Kunz 4. 10. Dr. Graf Lambsdorff 4. 10. Lemmrich * 4. 10. Lenzer 4. 10. Linsmeier 4. 10. Frau Dr. Martiny-Glotz 4. 10. Matthäus-Maier 4. 10. Dr. Müller 4. 10. Müller (Remscheid) 4. 10. Nelle 4. 10. Frau Pack 4. 10. Rapp 4. 10. Reddemann * 4. 10. Reuschenbach 4. 10. Roitzsch 4. 10. Dr. Rumpf * 4. 10. Schäfer (Mainz) 4. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schlatter 4. 10. Frau Schmidt 4. 10. Schmidt (Hamburg) 4. 10. Schmidt (München) * 4. 10. Schröder (Hannover) 4. 10. Schwarz * 4. 10. Sieler 4. 10. Sielaff 4. 10. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 4. 10. Stahl 4. 10. Stobbe 4. 10. Dr. Stoltenberg 4. 10. Tietjen 4. 10. Frau Traupe 4. 10. Dr. Unland * 4. 10. Voigt (Sonthofen) 4. 10. Vosen 4. 10. Dr. Voss 4. 10. Dr. Warnke 4. 10. Dr. von Wartenberg 4. 10. Weiß 4. 10. Frau Weyel 4. 10. Frau Dr. Wex 4. 10. Dr. Wulff * 4. 10. Zierer ** 4. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Juni 1985 und dem Beschluß vom 11. Juni 1985 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, zur Europäischen Atomgemeinschaft und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl - Drucksache 10/3790 - wurden aus drucktechnischen Gründen die Anhänge I bis XXXVI, die Protokolle Nr. 1 bis Nr. 25 sowie die Schlußakte zum Vertragswerk nicht beigefügt. Sie sind in Drucksache 10-/3803 abgedruckt und verteilt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. September 1985 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustimmen: Zweites Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Bericht der Bundesregierung zur Entsorgung der Kernkraftwerke und anderer kerntechnischer Einrichtungen (Drucksache 10/327) Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: 12248* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1943/81 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen im Futtermittelsektor in Nordirland — KOM (85) 234 endg. — EG-Dok. Nr. 7070/85 — (Drucksache 10/3592 Nr. 9) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1054/81 über eine gemeinsame Maßnahme zur Förderung der Fleischrindererzeugung in Irland und Nordirland — KOM (85) 238 endg. — EG-Dok. Nr. 7069/85 — (Drucksache 10/3592 Nr. 10) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1938/81 über eine gemeinsame Maßnahme zur beschleunigten Verbesserung der Infrastruktur in einigen benachteiligten ländlichen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland — KOM (85) 236 endg. — EG-Dok. Nr. 7071/85 — (Drucksache 10/3592 Nr. 11) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2969/83 über eine außergewöhnliche Dringlichkeitsmaßnahme zugunsten der Viehhaltung in Italien — KOM (85) 182 endg. — EG-Dok. Nr. 6589/85 — (Drucksache 10/3482 Nr. 1) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kabeljau, getrocknet, gesalzen oder in Salzlake, der Tarifstelle 03.02 A I b) des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 200 endg. — EG-Dok. Nr. 6708/85 — (Drucksache 10/3482 Nr. 2) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die in der Landwirtschaft anzuwendenden Umrechnungskurse — KOM (85) 196 endg. — EG-Dok. Nr. 6570/85 — (Drucksache 10/3482 Nr. 3) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Heringe der Tarifstelle 03.01 B I a) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 159 endg. — EG-Dok. Nr. 6244/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 8) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1603/83 über Sondermaßnahmen für den Absatz der im Besitz der Einlagerungsstellen befindlichen getrockneten Weintrauben und getrockneten Feigen — KOM (85) 146 endg. — EG-Dok. Nr. 6000/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 9) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Gemeinschaftsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne der Richtlinie 75/268/EWG (Irland) — KOM (85) 125 endg. — EG-Dok. Nr. 5917/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 10) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur 4. Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2169/81 zur Festlegung der allgemeinen Vorschriften der Beihilferegelung für Baumwolle — KOM (85) 126 endg. — EG-Dok. Nr. 5915/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 11) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft — KOM (85) 128 endg. — EG-Dok. Nr. 5949/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 12) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten (1985/86) — KOM (85) 160 endg. — EG-Dok. Nr. 6217/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 13) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 525/77 zur Einführung einer Beihilferegelung zur Erzeugung von Ananaskonserven Bericht der Kommission an den Rat über die Produktionsbeihilferegelung für Ananaskonserven und deren Verordnungsrahmen — KOM (85) 132 endg. — EG-Dok. Nr. 5916/85 —(Drucksache 10/3352 Nr. 14) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) (1985/86) — KOM (85) 158 endg. — EG-Dok. Nr. 6118/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 15) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 5/85 zur Festlegung von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände für auf den Faröern registrierte Schiffe für 1985 — KOM (85) 80 endg. — EG-Dok. Nr. 5364/85 — (Drucksache 10/3228 Nr. 5) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Sherry-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1985/86) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Malaga-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1985/86) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Jumilla-, Priorato-, Rioja- und Valdepenas-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1985/86) — KOM (85) 51 endg. — EG-Dok. Nr. 5413/85 — (Drucksache 10/3228 Nr. 6) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Frühkartoffeln der Tarifstelle 07.01 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980) — KOM (85) 37 endg. — EG-Dok. Nr. 5363/85 — (Drucksache 10/3228 Nr. 7) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Weine mit Ursprungsbezeichnung der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko (1985/86) — KOM (85) 69 endg. — EG-Dok. Nr. 5295/85 — (Drucksache 10/3228 Nr. 8) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und für Erzeugnisse der Fischerei — KOM (85) 45 endg. — EG-Dok. Nr. 4989/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr.4/85 zur Festlegung von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände gegenüber Schiffen unter norwegischer Flagge für 1985 — KOM (85) 71 endg. — EG-Dok. Nr. 5263/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 3) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1/85 zur Festlegung der vorläufig zulässigen Gesamtfangmengen und bestimmter Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen für 1985 — KOM (85) 62 endg. — EG-Dok. Nr. 5216/85 — (Drucksache 10/3116 Nr.4) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Verde-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal (1985/86) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Dao-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal (1985/86) — KOM (85) 49 endg. — EG-Dok. Nr. 5255/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 5) Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Regierung der Demokratischen Republik Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12249* Madagaskar über die Fischerei vor der Küste Madagaskars — KOM (85) 33 endg. — EG-Dok. Nr. 5120/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 6) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung. Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für frische Tafeltrauben der Tarifstelle ex 08.04 A I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1985) — KOM (85) 43 endg. — EG-Dok. Nr. 5211/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 7) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Karotten und Speisemöhren der Tarifstelle ex 07/01 G II des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1985) — KOM (85) 38 endg. — EG-Dok. Nr. 5188/85 —(Drucksache 10/3116 Nr. 9) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1489/84 über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnungen (EWG) Nr. 3284/83 und (EWG) Nr. 3285/83 über den Obst- und Gemüsesektor — KOM (85) 44 endg. — EG-Dok. Nr. 5145/85 — (Drucksache 10/3116 Nr. 10) Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Stahl (Kempen) (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 24 und 25): Wie beurteilt die Bundesregierung die Regelungen nach dem neuen Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wonach ein Arbeitsloser, der bei der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld das 49. Lebensjahr vollendet hat, keinen Anspruch auf eine von 12 auf 18 Monate verlängerte ArbeitslosengeldHöchstbezugsdauer geltend machen kann, wenn er innerhalb der für die verlängerte Höchstbezugsdauer als Voraussetzung geforderten sechs beitragspflichtigen Beschäftigungsjahre innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung nur über minimale Zeiten — zum Teil nur für Tage oder wenige Wochen — Arbeitslosengeld bezogen hat, auch wenn er vorher 35 Jahre hindurch ununterbrochen gearbeitet und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hat? Gedenkt die Bundesregierung, gegebenenfalls wann, das Arbeitsförderungsgesetz bezüglich dieser Regelung zu ändern, und wenn ja, welche Änderungskonzepte werden von der Bundesregierung in Erwägung gezogen? Sie sprechen mit Ihren Fragen bestimmte Fälle an, in denen sich die Anfang 1985 in Kraft getretene Verlängerung der Höchstdauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld trotz langer Beschäftigungszeiten nicht oder nicht voll auswirkt. Überlegungen, wie derartigen Problemfällen für die Zukunft begegnet werden könnte, sind bereits eingehend diskutiert worden. Ich hoffe, daß die möglichen Lösungswege im Rahmen der parlamentarischen Beratungen über ein Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes erörtert werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Lutz (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 26 und 27): Kann die Bundesregierung die Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit bestätigen, daß für 1986 ein Defizit von 2,3 Milliarden DM zu erwarten ist, und hält die Bundesregierung weiter an dem Plan fest, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu senken? Sind die mit den Tarifparteien am 5. September 1985 besprochenen Maßnahmen im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit angesichts dieser Entwicklung aus den sogenannten Überschüssen finanzierbar, und ist die Bundesregierung bereit, für die notwendigen arbeitsfördernden Maßnahmen die erforderlichen Mittel bereitzustellen? Die Rücklage der Bundesanstalt für Arbeit wird Ende 1985 voraussichtlich über 5 Milliarden DM betragen. Auf der Grundlage des geltenden Rechts würde bei der Bundesanstalt für Arbeit im Haushaltsjahr 1986 ein Defizit entstehen, das nach Einschätzung der Bundesregierung geringer ausfallen würde, als von der Bundesanstalt bisher (Entwurf des Präsidenten, noch keine Entscheidung von Vorstand und Verwaltungsrat) angenommen worden ist. Ab 1987 würden sich im Haushalt der Bundesanstalt wieder Überschüsse ergeben. Die Bundesregierung hat gestern den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes beschlossen, der u. a. Verbesserungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitslosenversicherung vorsieht. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Grünbeck (FDP) (Drucksache 10/3918 Frage 28): Treffen Pressemeldungen zu, daß die Zahl der Anträge von Offizieren auf Frühpensionierung sehr groß ist und die im Gesetz geregelten Höchstzahlen weit überschreitet, und nach welchen Kriterien soll die Auswahl erfolgen? Ja, solche Pressemeldungen treffen zu. Das Gesetz wird gut angenommen. Wie vorgesehen, sollen im Jahr 1986 die ersten 350 Zurruhesetzungen vorgenommen werden. Die Zahl der heute bereits vorliegenden Anträge erfordert und läßt somit zu, unter den Antragstellern eine Auswahl im Sinne der Zielsetzung des Personalstrukturgesetzes und der dort in Verbindung mit den Auswahlkriterien genannten Begründungen (niedergelegt in der Bundestagsdrucksache 10/2887) vorzunehmen. Besonders geht es darum, die Verwendungsflüsse so wieder herzustellen, daß jüngere Offiziere vornehmlich in die Verwendung als Kompaniechef und Bataillionskommandeur hineinkommen. Dies bedeutet, daß jeweils im Einzelfall entschieden wird, daß die dadurch entstehenden Verwendungsflüsse zu beachten sind, daß solche Offiziere, die ohnehin in diesem Zeitraum pensioniert werden sollen, im Grundsatz nicht vorzeitig ausscheiden werden und daß Offiziere aller Dienstgradgruppen grundsätzlich berücksichtigt werden können. Wichtigstes Auswahlkriterium muß entsprechend der Gesetzesbegründung der höchste Nutzen für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte besonders in den einsatzwichtigen Funktionen sein. 12250* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Tatge (GRÜNE) (Drucksache 10/3918 Frage 29): Ist die Bundesregierung in der Lage, definitiv auszuschließen, daß im Jahre 1985 Transportbewegungen von Pershing II-Raketen in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden, und bestätigt die Bundesregierung damit Ausführungen, die sie für das erste Halbjahr 1985 in dieser Hinsicht getan hat? Die Bundesregierung hat wiederholt festgestellt, daß Transporte und Übungen mit Pershing II-Raketen erst wieder aufgenommen werden, wenn die Abhilfemaßnahmen durchgeführt worden sind, die eine Wiederholung des Brandunfalls vom 11. Januar 1985 ausschließen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Gerstl (Passau) (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 36 und 37): In welchem Umfang setzt die Bundesluftwaffe Simulatoren zur Ausbildung von Strahlflugzeugführern ein, und plant sie, durch den Ankauf neuer oder durch die Modernisierung älterer Geräte die Einsatzmöglichkeiten von Simulatoren zu erweitern? Besteht die Möglichkeit, im Hinblick auf eine Verminderung der Belästigungen durch Fluglärm und auf eine Senkung der Kosten, Trainingsstunden in den durch die Entwicklung der Technologie immer wirklichkeitsnäher einsetzbaren Simulatoren auf die geforderte Mindestflugstundenzahl pro Pilot anzurechnen? Zu Frage 36: In der fliegerischen Ausbildung von Strahlflugzeugführern werden Simulationsgeräte zur Intensivierung des Lernprozesses und Verbesserung der Ausbildung eingesetzt. Durch neue Technologien im Simulatorbau und durch Anpassung vorhandener Simulatoren an waffentechnische Neuerungen werden die Einsatzmöglichkeiten der Simulatoren ständig erweitert. Dadurch konnte bisher ein Ansteigen des Flugstundenbedarfs trotz steigender Komplexität der Ausbildung verhindert werden. Bei neueren und moderneren Simulatoren wächst der Stundenanteil in der fliegerischen Ausbildung. So haben wir beispielsweise beim modernen Waffensystem Tornado bereits ein Verhältnis zwischen Flugstunden und Simulatorenstunden von 4:1. Zu Frage 37: Komplexeren Waffensystemen und damit steigenden Ausbildungsforderungen steht aus mehreren Gründen ein gleichbleibendes Mindestflugstundenangebot von jährlich 180 Flugstunden bei uns pro Strahlflugzeugführer gegenüber. Ich erinnere daran, daß die allgemein gültige NATO-Forderung ein jährliches Soll von 240 Flugstunden vorsieht. Der Mehrbedarf an Flugstunden wird bereits durch bessere und mehr Simulation aufgefangen. Eine weitere Reduzierung der derzeitigen Mindestflugstunden durch Simulation ist noch nicht möglich. Die Luftwaffe verfolgt jedoch die Fortschritte in der Simulation für Kampfflugzeuge aufmerksam mit dem Ziel, auf längere Sicht — Betriebskosten für die Ausbildung zu senken und — Umweltbelastungen weiter zu vermindern. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Catenhusen (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 39): Um welche Forschungsergebnisse im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar (FAZ vom 27. September d. J.) handelt es sich im einzelnen, die Vertreter der deutschen Industrie als Mitglieder der deutschen Regierungskommission von ihrem Besuch in den Vereinigten Staaten von Amerika zum Thema SDI mitgebracht haben? Die deutsche Expertenkommission ist bei ihrer Reise in die USA von der amerikanischen Seite mit großer Offenheit über das SDI-Forschungsprogramm unterrichtet worden. Sie hatte die Möglichkeit, sich durch den Besuch zahlreicher Regierungsstellen, Firmen und Forschungseinrichtungen selbst vor Ort über den Stand der Forschungen zu informieren. Wissenschaftliche Experten eines Fachgebietes haben nach der Reise festgestellt, daß sie über Forschungsergebnisse informiert worden seien, zu deren Erarbeitung nach ihrer Einschätzung Forschungsvorhaben in einem Umfang von mehreren hundert Millionen Dollar erforderlich gewesen sind. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Schartz (Trier) (CDU/ CSU) (Drucksache 10/3918 Fragen 40 und 41): Welche Beweggründe hatte die Bundesregierung, angesichts der Überschußlage in der Europäischen Gemeinschaft an Tafelwein in Brüssel, eine Ausnahmeregelung für die innergemeinschaftliche Herstellung von Schaumwein aus Drittlandsgrundweinen, die im Grundsatz nicht erlaubt ist, zu erwirken? Warum wurde eine Sonderregelung für 120 000 Hektoliter veranlaßt, obwohl laut Importstatistik jährlich nur ca. 2 000 Hektoliter Schaumweingrundweine und 25 000 Hektoliter Schaumweine in Flaschen aus Drittländern importiert wurden? Zu Frage 40: Nach der zu Beginn der gemeinsamen Weinmarktorganisation 1970 bestehenden Rechtslage war die Herstellung von Schaumwein aus Drittlandsgrundweinen in der Gemeinschaft zulässig. Dementsprechend ist von deutschen Sektkellereien aus eingeführten Weinen Sekt hergestellt worden, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12251* für den die Prüfungsbehörden der Bundesländer Amtliche Prüfungsnummern erteilt haben. 1982 sind dann Zweifel entstanden, ob nach einer in der Zwischenzeit erfolgten Änderung der Grundverordnung zur EWG-Weinmarktorganisation die Herstellung dieser Erzeugnisse weiter als zulässig angesehen werden könne. Da diese Änderung aus anderen Gründen erfolgt war, ist ihre Auswirkung auf die Herstellung von Schaumweinen aus Drittlandsgrundweinen zunächst nicht offenkundig geworden. Um die bestehende Produktion von Sekt aus Drittlandsgrundweinen und die daran gebundenen Arbeitsplätze zu erhalten, hat die Bundesregierung sich danach um eine entsprechende Änderung des Gemeinschaftsrechts bemüht, zumal weder die Einfuhr von Wein noch von Schaumwein mengenmäßigen Beschränkungen unterliegt. Es ist daher kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum nicht die Herstellung des Schaumweins auch im Inland erfolgen sollte. Die 1984 in Kraft getretene Regelung beschränkt die Herstellung ausdrücklich auf Weine aus Rebsorten und Weinbauzonen, die vom Gemeinschaftswein abweichende Merkmale gewährleisten und daher nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit diesem stehen. Die Tafelweinerzeugung der Gemeinschaft beträgt nach der Vorbilanz der EG-Kommission für das Wirtschaftsjahr 1984/85 ca. 150 Millionen Hektoliter. Selbst bei Ausschöpfung der von Ihnen genannten Höchstmenge von 120 000 hl (d. i. 0,08%) wäre daher eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Tafelweinmarktes auch dann nicht zu befürchten, wenn es sich bei den eingeführten Grundweinen um dem gemeinschaftlichen Tafelwein vergleichbare Erzeugnisse handelte. Dies. ist jedoch, wie ich zu Ihrer nächsten Frage erläutern werde, nicht der Fall. Zu Frage 41: Die Regelung in dem neuen Artikel 48 a der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 enthält überhaupt keine Mengenbegrenzung. Die von Ihnen genannte Zahl ergibt sich aus einer bei der Verabschiedung der Verordnungsänderung von Rat und EG-Kommission gemeinsam abgegebenen Erklärung, daß dies lediglich „die Herstellung von höchstens 120 000 hl Schaumwein im Jahr aus eingeführten Grundweinen in der Gemeinschaft ermöglichen solle." Die von Ihnen genannten Einfuhrzahlen sind deswegen nicht aussagekräftig, weil die verwendeten Drittlandsweine in der Statistik nicht als Schaumweingrundweine erscheinen. Es handelt sich dabei um Weine gehobener Qualität, bei denen von der Gemeinschaft die Gleichwertigkeit der Produktionsbedingungen mit denen eines Qualitätsweins b.A. anerkannt ist, und die unter Einhaltung des Referenzpreises als normaler Trinkwein eingeführt werden. Eine Konkurrenz zu gemeinschaftlichen Tafelweinen und eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Tafelweinmarktes erscheint daher aus diesen Gründen ausgeschlossen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Diederich (Berlin) (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 44 und 45): Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Auseinandersetzungen innerhalb der Bhagwan-Sekte, insbesondere im Hinblick auf wirtschaftliche und soziale Konsequenzen in der Bundesrepublik Deutschland bei einem eventuellen wirtschaftlichen Zusammenbruch der Wirtschaftsunternehmen der Sekte, und erwägt die Bundesregierung, gegebenenfalls mit geeigneten Mitteln einzugreifen? Hat die Bundesregierung Hinweise, ob sich bisherige Mitglieder der Sektenführung, die sich nach Europa abgesetzt haben, auch in der Bundesrepublik Deutschland befinden, und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, falls der Sektenführer seine Ankündigung wahrmacht, das Zentrum der Bhagwan-Sekte in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen? Zu Frage 44: Die Bundesregierung verfolgt aufmerksam die Auseinandersetzungen und Entwicklungen in der Bhagwan-Rajneesh-Bewegung. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse reichen allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu definitiven Schlußfolgerungen nicht aus. Die Bundesregierung sieht jedoch keine Veranlassung, Konsequenzen aus einem evtl. wirtschaftlichen Zusammenbruch von Wirtschaftsunternehmen der Sekte zu ziehen. Zu Frage 45: Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich Mitglieder der Sektenführung, unter denen sich auch Sheela Silverman, jetzt verheiratete Wirnstiel befindet — die ehemalige Vertraute des Inders Rajneesh Chandra Mohan, der sich als „Bhagwan" bezeichnet — in der Bundesrepublik Deutschland, zuletzt auf der Nordseeinsel Juist aufgehalten haben. Die 14 Personen umfassende Gruppe hat am 26. September 1985 die Insel Juist mit dem Flugzeug verlassen. Die Bundesregierung hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Absicht besteht, das Zentrum der „Bhagwan-Sekte" in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 55): Welche rechtlichen Verpflichtungen bestehen für die Deutsche Bundesbahn zur Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen bei einem ins Auge gefaßten Ausbau der DB-Trasse Karlsruhe—Basel in den Orten Durmersheim, Bietigheim und Ötigheim, und wie ist der Schallschutz für diese Orte technisch möglich? Lärmschutzmaßnahmen an Schienenwegen werden nach § 41 Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Bau neuer Bahnen oder bei wesentlicher Änderung bestehender Schienenwege durchgeführt. 12252* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang eine rechtliche Verpflichtung für die Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Orte Durmersheim, Bietigheim, Ötigheim besteht, ist die endgültige Festlegung der Trasse in diesem Bereich ausschlaggebend. Das für diese Trassenführung maßgebliche Planfeststellungsverfahren ist bisher noch nicht eingeleitet. Für eventuellen Lärmschutz kommen aktive Lärmschutzmaßnahmen (Wände, Wälle) und erforderlichenfalls auch passive Maßnahmen (Lärmschutzfenster) in Betracht. Anlage 12 Antwort des Staatssekretärs Dr. Florian auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schwenk (Stade) (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 58): Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Oberpostdirektion Hamburg, daß eine Zeitung, deren Druckvorlage nicht im üblichen Zeitungsdruck, sondern mit Schreibmaschine angefertigt ist, nicht zu den postzeitungsversandberechtigten Sendungen gehört, und hält es die Bundesregierung für richtig, daß die Oberpostdirektion Hamburg eine derartige Frage — entgegen vorinstanzlichen Urteilen — bis in die höchsten Instanzen zu treiben gedenkt? Die Oberpostdirektion Hamburg hat sich der Rechtslage entsprechend verhalten. Nach § 5 Abs. 5 Satz 2 Postzeitungsordnung darf das Schriftbild einer Druckschrift nicht die Wiedergabe einer mit der Schreibmaschine geschriebenen Vorlage sein. Durch diese Regelung werden Postzeitungssendungen nach dem Merkmal der typografischen Gestaltung von anderen gebührenbegünstigten Postsendungen, den Drucksachen, abgegrenzt. Bei Drucksachen sind Schreibmaschinenschriften uneingeschränkt zugelassen. Die Verwaltungsgerichte haben bisher die Auffassung vertreten, daß die o. a. Vorschrift höherrangigem Recht nicht widerspricht und ein sachgerechtes und geeignetes Mittel bei der Festlegung der Benutzungsbedingungen für den defizitären Postzeitungsdienst ist. Demgegenüber haben das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Hamburg in einem Verfahren über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung erkennen lassen, daß sie dies anders sehen. Die rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sieht für den Fall widersprüchlicher Gerichtsentscheidungen eine Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidung vor. Anlage 13 Antwort des Staatssekretärs Dr. Florian auf die Fragen des Abgeordneten Paterna (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 59 und 60): Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ertragslage im Dienstzweig „übrige Fernmeldedienste" der Deutschen Bundespost seit 1982 entwickelt, und welches Ergebnis erwartet die Bundesregierung in diesem Dienstzweig für das laufende Rechnungsjahr? Ist die Annahme richtig, daß in diesem Dienstzweig auch das Kabel- und Satellitenfernsehen enthalten sind, und welche Leistungen und Kosten wurden für diese Dienste in den Rechnungsjahren seit 1982 ausgewiesen? Zu Frage 59: Der Dienstzweig „Übrige Fernmeldedienste" umfaßt eine Vielzahl kleiner und kleinster Teilbereiche des Fernmeldewesens außerhalb des Fernsprech- und Telegrafendienstes. Bezüglich der Ertragslage dieses Dienstzweiges darf ich auf die Geschäftsberichte der Deutschen Bundespost von 1982 bis 1984 verweisen. Für das laufende Rechnungsjahr liegen für die einzelnen Dienstzweige des Fernmeldewesens keine Daten vor. Zu Frage 60: Das Kabel- und Satellitenfernsehen ist im Dienstzweig „Übrige Fernmeldedienste" enthalten. Eine aus der Leistungs- und Kostenrechnung abgeleitete Aussage über Leistungen und Kosten würde für diese Dienstbereiche in der Anlaufphase zu unzutreffenden Aussagen führen, da sich für solche kapitalintensiven Dienste die Kapitalkostensituation, d. h. Abschreibungen und Zinsen, im eingeschwungenen Zustand ganz anders darstellen. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Dr. Florian auf die Fragen des Abgeordneten Sielaff (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 61 und 62): Gibt es neuerdings Anweisungen seitens der Bundesregierung an die Deutsche Bundespost, Briefe mit Aufschriften wie „Ostermarsch gegen Atomraketen" und dem Abbild einer Friedenstaube nicht mehr zu befördern, oder wie ist es sonst zu erklären, daß sich die Bundespostdirektion in Mainz plötzlich weigert, die seit etwa drei Jahren mit der gleichen Aufschrift versehenen und bisher beförderten Briefe auch weiterhin zu befördern? Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen die Deutsche Bundespost seit Anfang 1983 die Beförderung von Briefen mit Aufschriften verweigert hat, und um welche Absender es sich jeweils gehandelt hat? Zu Frage 61: Anweisungen der Bundesregierung an die Deutsche Bundespost, bestimmte Sendungen nicht zu befördern, gibt es nicht und gab es nicht. Sendungen mit Vermerken politischen Inhalts auf der Aufschriftseite sind bereits durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 Postordnung von der Postbeförderung ausgeschlossen. Diese Rechtsvorschrift besteht seit mehr als zwei Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12253* Jahrzehnten und wird seither einheitlich gehandhabt. Aufschriften, wie die im 1. Teil der Frage genannte, sind nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 3. Juni 1969 als Vermerke politischen Inhalts zu werten, da sie eine „Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten im staatlichen Bereich" darstellen. Demgemäß sind derartige Sendungen vom Postamt Mainz in mehreren Fällen pflichtgemäß an den Absender zurückgegeben worden. Daß in früheren Fällen derartige Sendungen vereinzelt bestimmungswidrig befördert worden sein sollten, kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Im Massenverkehr der Post — sie befördert werktäglich nahezu 40 Millionen Briefsendungen — kann es vorkommen, daß bei weitgehend maschineller Bearbeitung einzelne Aufdrucke übersehen werden. Zu Frage 62: Über den Ausschluß von Sendungen von der Postbeförderung wegen Verstoßes gegen § 13 Postordnung entscheiden die Postämter in eigener Zuständigkeit. Über die Zahl der von der Postbeförderung ausgeschlossenen Sendungen und deren Absender werden keine Aufzeichnungen geführt, die eine Beantwortung der anstehenden Frage ermöglichen würden. Anlage 15 Antwort des Staatssekretärs Dr. Florian auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dann (GRÜNE) (Drucksache 10/3918 Fragen 63 und 64): Warum soll der Bürger nach dem Entwurf für die 28. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung nicht in allen Bundesländern die Möglichkeit erhalten, zu wählen, ob er neben den ortsmöglichen Programmen auch die herangeführten Programme abnehmen will? Liegt es in der Absicht der Bundesregierung, die Akzeptanz für die herangeführten privaten Programme dadurch zu erhöhen, daß nach dem Entwurf für die 28. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung die Kosten für den Einbau der Filter ausschließlich den Rundfunkteilnehmern auferlegt werden soll, die nur die Grundleistung beziehen wollen? Die Deutsche Bundespost betrachtet die Versorgung mit den ortsmöglichen und den herangeführten Programmen als Regelfall, weil dies die ökonomisch und technisch sinnvollste Lösung ist. Wenn als Folge rundfunkrechtlicher Voraussetzungen eine Differenzierung im Programmangebot zwischen Regel- und Grundleistung vorgenommen wird, stellt die Deutsche Bundespost in diesen Fällen im Interesse ihrer Kunden und unter Zurückstellung technischer, rechtlicher und ökonomischer Bedenken auch nur die Grundleistung zur Verfügung. Die hierdurch entstehenden Kosten für den Filtereinbau können jedoch nicht zu Lasten derjenigen Kunden gehen, die das volle Programmangebot zu nutzen beabsichtigen. Sie müssen richtigerweise dem Verursacher angelastet werden. Im übrigen bleibt darauf hinzuweisen, daß nicht ausschließlich herangeführte Programme privater Veranstalter in den Breitbandnetzen übertragen werden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten von Schmude (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Frage 65): Wie groß ist derzeit der Wohnungsbestand der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen, und wieviel Wohnungseinheiten davon wurden in 1984 erstellt? Nach den Zahlen im letzten vom Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen herausgegebenen wohnungswirtschaftlichen Jahrbuch 1981/ 1982 haben die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen am 31. Dezember 1982 insgesamt 3 365 990 eigene Wohnungen bewirtschaftet. Darunter bef anden sich 3 355 198 Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern und in nicht zum Verkauf bestimmten Ein- und Zweifamilienhäusern. Die restlichen 10 792 Wohnungen teilten sich auf in 5 745 Wohnungen in Kleinsiedlerstellen und zum Verkauf bestimmten Ein- und Zweifamilienhäusern sowie 5 047 Eigentumswohnungen. In den Jahren 1983 und 1984 sind nach Angaben des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen insgesamt weitere 69 320 in eigener Bauherrschaft fertiggestellte Wohnungen hinzugekommen, davon im Jahre 1984 insgesamt 33 812 Wohnungen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 66 und 67): Welche Schlußfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Feststellung von Bundesminister Dr. Schneider, daß der „Markt sozial blind" sei, einerseits und aus der Feststellung von Bundesminister Dr. Schneider „der Markt sorgt für mehr soziale Gerechtigkeit als jede Verteilungsbürokratie" andererseits? Wieviel Prozent der Haushalte mit einem Einkommen innerhalb der entsprechenden Einkommensgrenzen, die Wohneigentum im Neubau erworben haben, sind 1975 und 1985 in den Genuß einer direkten Förderung aus Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gekommen? Zu Frage 66: Die Bundesregierung vermag keinen Sinn darin zu sehen, in der Fragestunde des Deutschen Bun- 12254* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 destages zu Zitat-Bruchstücken aus verschiedenen Verlautbarungen des Bundesbauministers Stellung zu nehmen. Unbeschadet dessen nehme ich zu Ihrer Frage wie folgt Stellung: Mit den in Ihrer Fragestellung zitierten Äußerungen hat Bundesminister Dr. Schneider zum einen deutlich gemacht, daß eine Marktwirtschaft ergänzender Regelungen bedarf, die einen sozialen Ausgleich schaffen. Zum anderen hat Bundesminister Dr. Schneider zum Ausdruck gebracht, daß die hohe wirtschaftliche Effizienz des Markts bessere Voraussetzungen für den sozialen Fortschritt schafft als eine staatliche Verteilungsbürokratie. Erst die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Marktes macht die heutigen sozialen Leistungen möglich. Dagegen hat sich die Verteilungsbürokratie nicht nur als ineffizient, sondern meist auch im Ergebnis als sozial ungerecht erwiesen. Diese Schlußfolgerungen sollten jedem einleuchten. Zu Frage 67: Die von Ihnen erfragten Zahlen liegen nicht vor. Um diese Zahlen zu erhalten, müßten auch diejenigen Bauherren auf ihre Einkommenssituation zum Zeitpunkt des Erwerbs von Wohneigentum überprüft werden, die zwar gebaut, aber aus welchen Gründen auch immer keine direkte Förderung beantragt oder erhalten haben. Eine solche Überprüfung findet bekanntlich nicht statt. Anlage 18 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 68): Wie bewertet die Bundesregierung den personalpolitischen Sachverhalt, daß es im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft seit August 1984 nur noch eine einzige Referatsleiterin gibt? Im Zeitpunkt der Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahre 1982 gab es im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft zwei Referatsleiterinnen. Wie Frau Bundesminister Dr. Wilms bereits in ihrer Antwort auf eine entsprechende Parlamentarische Anfrage von Frau Dr. Däubler-Gmelin (vgl. BT-Drucksache 10/3736) mitgeteilt hat, ist die Leitung des Referates „Fragen der Bildung von Frauen, Ausländern und besonderen Sozialgruppen" am 14. August 1984 vakant geworden. Aufgrund der halbjährigen Wiederbesetzungssperre des Haushaltsgesetzes 1984 war die Nachbesetzung im Jahre 1984 ausgeschlossen. Die Stelle wurde jedoch sofort intern und überregional ausgeschrieben, als nach Abschluß der Beratungen des Bundeshaushalts 1985 absehbar war, daß das Haushaltsgesetz 1985 eine Wiederbesetzungssperre nicht mehr enthalten würde. Aufgrund der Ausschreibung war beabsichtigt, die Referatsleitung einer von mehreren geeigneten Bewerberinnen zu übertragen. Da jedoch die ausgewählten Bewerberinnen seinerzeit ihre Bewerbungen aus persönlichen Gründen zurückgezogen haben, konnte diese Absicht nicht mehr realisiert werden. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat dies bedauert. Die Leitung des vor kurzem organisatorisch neu zugeschnittenen Referats „Frauen, Lehrpersonal, Ausländer" ist einem langjährig erfahrenen Beamten übertragen worden. Dem Referat sind jetzt zwei Beamtinnen des höheren Dienstes zugeteilt, im Gegensatz zu früher, als die Referatsleiterin lange Zeit einzige Frau des höheren Dienstes im Referat war. Anlage 19 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage der Abgeordneten Frau Odendahl (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 69): Hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft das Schreiben der Leiterin des Arbeitsstabes Frauenpolitik vom 13. Februar 1985 berücksichtigt, die u. a. gebeten hatte zu überprüfen, inwieweit Frauen „bei der Übertragung qualifizierter Dienstposten stärker als bisher berücksichtigt werden können", und wenn ja, auf welche Weise? Die Maßnahmen, die die Leiterin des Arbeitskreises Frauenpolitik in ihrem „Entwurf einer Leitlinie zur beruflichen Förderung von Frauen im Bundesdienst" vom 13. Februar 1985 angeregt hat, sind im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft weitgehend Praxis. Seit Übernahme der Regierungsverantwortung sind hier auf allen Ebenen bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden: Seit 1983 ist bei den Einstellungen im höheren Dienst der Anteil der eingestellten Frauen überdurchschnittlich hoch: Er beträgt etwa 50%. Allein im Jahr 1985 hat das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft bislang bei acht Einstellungen im höheren Dienst sechs Mitarbeiterinnen gewinnen können. Insgesamt beträgt der Anteil der weiblichen Mitarbeiterinnen (Beamte und Angestellte) im höheren Dienst 21 %. Bei Beförderungen in höherqualifizierte Positionen (Bes.Gr. A 15 bzw. vgl. Vergütungsgruppe) waren nahezu die Hälfte der in den Jahren 1983 bis Ende September 1985 Beförderten Frauen. Trotz erheblicher organisatorischer Schwierigkeiten hat das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft im Rahmen der familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten zwei Teilzeit-Referentinnen die Möglichkeit geboten, in der ersten bzw. zweiten Wochenhälfte zu arbeiten. Diese Form der Teilzeitarbeit wird berufstätigen Frauen — soweit ersichtlich — erstmalig innerhalb der Bundesressorts angeboten. Ergänzend möchte ich noch anfügen, daß sich unter den 19 Lehrlingen im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft zwölf Mädchen befinden. In den Jahren 1983/84 sind doppelt so viele weibliche wie männliche Auszubildende eingestellt worden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12255* Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat damit konsequent die Stellung der Frauen vor allem in den Bereichen gestärkt, in denen sie bislang unterdurchschnittlich vertreten waren. Anlage 20 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage des Abgeordneten Kastning (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 70): Ist die Besetzung dieser seit August 1984 vakanten Leitungsposition im neustrukturierten Referat „Frauen, Lehrpersonal, Ausländer" mit einem „langjährig erfahrenen Beamten" vereinbar mit der im Entwurf einer Leitlinie zur beruflichen Förderung von Frauen im Bundesdienst enthaltenen Zielsetzung, Frauen zu bestärken, sich um Leitungsfunktionen und -positionen zu bewerben, und lag der ebenfalls von der Leiterin des Arbeitsstabes Frauenpolitik am 13. Dezember 1984 übersandte Entwurf der Entscheidung zugrunde? Der von der Leiterin des Arbeitsstabes Frauenpolitik übersandte „Entwurf einer Leitlinie zur beruflichen Förderung von Frauen im Bundesdienst" vom 13. Februar 1985 war dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft bekannt. Wie ich bereits in der Antwort zur Frage der Abgeordneten Frau Odendahl ausgeführt habe, entsprechen die in diesem Entwurf angeregten Maßnahmen weitestgehend der Praxis des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Anlage 21 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Segall (FDP) (Drucksache 10/ 3918 Frage 71): Wie hoch ist der Anteil von Analphabeten in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland einzuschätzen, und welche Fördermaßnahmen zur Alphabetisierung erwachsener Menschen (Deutsche und hier lebende Ausländer) werden über die Europäische Gemeinschaft, den Bund und die Länder angeregt und finanziert? Zuverlässige Erhebungen oder Schätzungen über die Zahl der Analphabeten liegen für die Bundesrepublik Deutschland nicht vor. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat im Jahre 1980 den Versuch unternommen, diese Bevölkerungsgruppe nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern auch für die Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen. Angesichts der Schwierigkeiten, die Zielgruppe erwachsener Analphabeten nur annähernd zu beschreiben, ist aber bis heute keine zahlenmäßige Eingrenzung der in Frage kommenden Personen möglich. Hinzu kommt, daß es auch seitens der UNESCO keine einheitliche Definition der Problemgruppe gibt. Im übrigen scheitern Erhebungen zum Analphabetismus bei Erwachsenen bereits daran, daß solche Menschen dazu neigen, ihre Schreib- und Leseschwäche im täglichen Leben zu verbergen. Die Bildungsminister der EG-Mitgliedstaaten haben bei ihrer Zusammenkunft am 4. Juni 1984 Schlußfolgerungen verabschiedet, mit denen konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Analphabetismus eingeleitet wurden. Dazu wurde zunächst eine Gruppe von Regierungsexperten eingesetzt, die bereits zweimal zusammengetreten ist. Zu den geplanten Maßnahmen gehören u. a. verstärkte Bemühungen um lernschwache Kinder in den Schulen, Fortbildung von Pädagogen und gezielte Ursachenforschung zum Analphabetismus. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat schon im Jahre 1978 eine erste Untersuchung zum Alphabetismus bei Erwachsenen in Auftrag gegeben. Derzeit werden zwei Modellvorhaben zur Alphabetisierung gefördert, die vom Deutschen Volkshochschulverband betreut werden; an Bundesmitteln wurden rund 3 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Das eine der beiden Vorhaben hat die Entwicklung von erwachsenengerechten Lehr- und Lernmaterialien sowie die Kursleiterschulung zum Inhalt, im Rahmen des zweiten Projekts werden die Entwicklung und der Einsatz von Fernsehsendungen zur Information und Lernmotivation für erwachsene Analphabeten begleitet und erprobt. Die Projekte beziehen sich auf die deutschsprachige Alphabetisierung; in diesem Rahmen stehen sie Deutschen wie auch hier lebenden Ausländern offen. Nähere Untersuchungen zum Anteil dieser beiden Bevölkerungsgruppen liegen nicht vor. Außerhalb dieser Förderungsmaßnahmen werden an Volkshochschulen auch Alphabetisierungskurse für Ausländer in deren Muttersprache durchgeführt. Diese Projektarbeit hat wesentlich dazu beigetragen, daß heute an ca. 280 Einrichtungen Alphabetisierungskurse für rund 6 000 Teilnehmer angeboten werden. Die Bundesländer unterstützen die Arbeit der Weiterbildungseinrichtungen finanziell im Rahmen der gesetzlichen Weiterbildungs-Förderung. Dazu gehören u. a. Sonderregelungen für Kleingruppenarbeit in Alphabetisierungskursen, zur Betreuung durch einen zweiten Kursleiter sowie zur Höhe der Teilnehmergebühren. Zahlenangaben über eine gezielte finanzielle Unterstützung von Alphabetisierungsmaßnahmen durch die Länder liegen mir jedoch nicht vor. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Fragen des Abgeordneten Clemens (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Fragen 76 und 77): Wie hat sich die Zahl der Asylbewerber im Bundesgebiet seit 1970 entwickelt, welches waren insbesondere die Hauptherkunftsländer? Wie viele Asylbewerber wurden seit 1970 im Bundesgebiet als politisch Verfolgte anerkannt, und wie hat sich die Anerkennungsquote bei den Hauptherkunftsländern entwickelt'? 12256* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Zu Frage 76: Zwischen 1970 und 1975 bewegte sich die Zahl der jährlichen Asylbewerberzugänge zwischen 5 000 und 10 000. Im Jahre 1978 beantragten 33 136, im Jahre 1979 51 493 und in 1980 auf dem Höhepunkt des Asylbewerberzustroms 107 818 Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Bis 1983 ging die Zahl der Asylbewerber zurück und erreichte im Jahre 1983 19 737 Personen. 1984 nahm die Zahl der asylsuchenden Ausländer auf 35 278 wieder zu. In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben bereits 45 771 Ausländer Asyl beantragt. Insgesamt haben seit 1970 451 548 Ausländer Asyl in der Bundesrepublik Deutschland beantragt. Von 1970 bis 1974 kam die überwiegende Mehrzahl der Asylbewerber aus Ostblockstaaten. Seitdem hat der Anteil der Ausländer aus Staaten der Dritten Welt ständig zugenommen. Zu Frage 77: In der Zeit vom 1. Januar 1970 bis 31. August 1985 sind 82 091 Ausländer als Asylberechtigte anerkannt worden. In der Frage, wie sich die Anerkennungsquote bei den Hauptherkunftsländern entwicklet hat, ist umfangreiches Zahlenmaterial auszuwerten. Nach Abschluß dieser Auswertung werde ich Ihnen das Ergebnis zuleiten. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 78 und 79): Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem Liefergeschäft einer Hanauer Nuklearfirma mit einer Tochterfirma der französischen Atombehörde CEA, COGEMA, das die Lieferung von Reaktorplutonium zum Inhalt hat, und trifft es zu, daß das Hanauer Unternehmen dafür rund 450 Millionen DM an die COGEMA zu zahlen hat? Sind derartige Plutoniumgeschäfte genehmigungspflichtig, gegebenenfalls durch wen, und ist die Bundesregierung bereit, für eine parlamentarische Nachprüfung des genannten Vorganges Unterlagen zur Verfügung zu stellen? Zu Frage 78: Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es keine Verträge einer Hanauer Nuklearfirma mit der französischen Firma COGEMA, die die Lieferung von Reaktorplutonium zum Inhalt haben. Die Rücklieferung von Plutonium nach der Abtrennung in der Wiederaufarbeitungsanlage der COGEMA in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt bekanntlich aufgrund der von den einzelnen deutschen Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit COGEMA abgeschlossenen Wiederaufarbeitungsverträge. Zu Frage 79: Die Ein- und Ausfuhr von Kernbrennstoffen sowie die Transportvorgänge unterliegen den atomrechtlichen Vorschriften. Zuständig für die Überwachung der Ein- und Ausfuhr ist das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, für Transportgenehmigungen die Physikalisch-technische Bundesanstalt. Die Bundesregierung hat über die Wiederaufarbeitungsverträge mit anderen Staaten in ihren schriftlichen Entsorgungsberichten sowie mündlich im Innenausschuß des Deutschen Bundestages wiederholt berichtet. Sie ist auch bereit, dies künftig zu tun. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Fragen des Abgeordneten Waltemathe (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 80 und 81): Sieht die Bundesregierung in der gemeinsamen Tournee von Angehörigen des Traditionsverbandes der ehemaligen 6. SS-Gebirgsdivision „Nord" einerseits und Veteranen der 70. US-Infantery Division Association „Trailblazer" andererseits zu Orten früherer Kampfhandlungen im zweiten Weltkrieg möglicherweise eine nicht gewollte Nachahmung des Bitburg-Treffens mit US-Präsident Reagan und Bundeskanzler Kohl? Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß nicht nur jüdische Organisationen und Persönlichkeiten, wie beispielsweise Simon Wiesenthal, gegen diese Treffen protestieren, sondern auch die Zeitung für die US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland „The Stars and Stripes" diese Begegnungen kritisch kommentiert? Zu Frage 80: Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, in diesem Treffen die Nachahmung von irgend etwas zu sehen, zumal sich Angehörige dieser beiden Soldatenverbände bereits seit 1976 mehrfach getroffen haben. Zu Frage 81: Die Bunderegierung nimmt das zur Kenntnis; sie sieht keinen Anlaß, eine Bewertung zu treffen und diese mitzuteilen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 82 und 83): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung im Hinblick auf die personelle Zusammensetzung der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord", und wie beurteilt die Bundesregierung den möglichen Umstand, daß der Kommandeur der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord", SS-Obergruppenführer Friedrich Wilhelm Krüger, zuvor als höherer SS- und Polizeiführer des Generalgouvernements mit dem Plan der Aussiedlung von 300 000 Polen und Juden aus dem Warthegau, später aus dem gesamten besetzten polnischen Gebiet, sowie mit dem Zwangsarbeitseinsatz der Juden im Osten befaßt war'? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12257* Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß die gemeinsame Tournee von Angehörigen der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord" und Veteranen der 70. US-Infantery Division Association „Trailblazer" durch die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere die geplante gemeinsame Kranzniederlegung in Pfaffenheck am 5. Oktober 1985 belastend für die deutsch-amerikanische Freundschaft ist? Zu Frage 82: Die Bundesregierung kann keinen Überblick über die personelle Zusammensetzung einer ganzen Wehrmachts- oder SS-Division haben. Die Bundesregierung hat aus einschlägiger Literatur die Information gewonnen, das SS-Obergruppenführer Krüger in der Zeit, ehe er das Kommando über die 6. SS-Gebirgsdivision führte, 1939 bis 1944 Höherer SS- und Polizeiführer im Generalgouvernement (Polen) war. Die in der Frage mitgeteilten Behauptungen, daß er dabei mit der Aussiedlung von Polen und Juden und mit dem Arbeitseinsatz von Juden befaßt gewesen sei, wurden vom Institut für Zeitgeschichte in München, bei dem angefragt wurde, nicht bestätigt. In jedem Falle können belastende Umstände, die sich aus der Biographie des Divisionskommandeurs ergeben mögen, nicht den Soldaten einer Division als eigene Belastung zugerechnet werden. Zu Frage 83: Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Anlage 26 Antwort des Staatssekretärs Dr. Obert auf die Frage des Abgeordneten von Schmude (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Frage 84): Welchen Steuerausfall hat die Befreiung der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen, insbesondere von der Körperschaft-, Vermögen- und Gewerbesteuer, jährlich verursacht? Die Steuerbefreiung der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen führt nach Schätzungen des Bundesministeriums der Finanzen zu folgenden jährlichen Steuerausfällen: — Körperschaftsteuer 100 Millionen DM — Gewerbesteuer 70 Millionen DM — Vermögensteuer 30 Millionen DM zusammen rd. 200 Millionen DM Hinzu kommen noch die Steuerausfälle bei den Organen der staatlichen Wohnungspolitik — die entsprechend zu beurteilen sind — und zwar bei der — Körperschaftsteuer 30 Millionen DM — Gewerbesteuer 20 Millionen DM — Vermögensteuer 10 Millionen DM zusammen 60 Millionen DM Für beide Bereiche ergeben sich danach jährliche Steuerausfälle in einer Größenordnung von insgesamt 260 Millionen DM. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 90): Wie beurteilt die Bundesregierung das System der „Orientierungspreise", die das bisherige Mindestpreissystem außer Kraft setzen sollen, und welche Auswirkungen hat es auf die Situation der deutschen Stahlindustrie? Nach den Vorschlägen der EG-Kommission soll das seit Anfang 1984 geltende Mindestpreissystem für bestimmte Stahlerzeugnisse ab Anfang 1986 lediglich ausgesetzt aber nicht völlig außer Kraft gesetzt werden. Die im Gegensatz zu den Orientierungspreisen obligatorischen Mindestpreise gelten nur für ausgewählte Flach- und Langerzeugnisse. Das Mindestpreissystem hat in der Vergangenheit mit dazu beigetragen, die Bemühungen der Stahlindustrie um eine Stabilisierung der Stahlpreise auf dem Gemeinsamen Markt zu unterstützen. Vor allem haben aber die fortschreitende Umstrukturierung und das System der Produktionsquoten geholfen, daß die Stahlpreise derzeit im großen und ganzen ein „auskömmliches" Niveau erreicht haben. Die Mindestpreise werden nicht von den sog. Orientierungspreisen abgelöst. Die Orientierungspreise, die lediglich eine Empfehlung der Kommission an die Stahlunternehmen darstellen und nicht obligatorisch sind, wurden für alle Stahlerzeugnisse erstmals in 1982 veröffentlicht. Sie liegen über dem Niveau der Mindestpreise, da sie ihrer Funktion nach eine „Zielgröße" für die Unternehmen darstellen, an denen sie ihre Listenpreise ausrichten sollten, um ausreichende Erlöse zu erzielen. Die Aussetzung oder Aufhebung der Mindestpreise und die dann lediglich noch bestehenden Orientierungspreise dürften angesichts der z. Z. auf dem EG-Stahlmarkt zu beobachtenden Preisstabilität keine negativen Auswirkungen auf die Situation der deutschen Stahlindustrie haben. Die Bundesregierung erwartet jedoch, daß die EG-Kommission — intensiver als in der Vergangenheit — die Einhaltung der veröffentlichten Preislisten (Art. 60 EGKS-Vertrag) bei den Unternehmen prüft und durchsetzt. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Schemken (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Fragen 91 und 92): Sind der Bundesregierung die neuesten Pläne und Vorhaben der Ford AG Köln bekannt, wonach die Produktionen in Köln und Wülfrath jetzt endgültig ins europäische Ausland verlagert werden sollen, und verfügt die Bundesregierung über weitere Erkenntnisse zu dieser Problematik, die sich nach der Behandlung dieses Themas in der Fragestunde des Deutschen Bundestages (129. Sitzung vom 28. März 1985, Fragen 58 und 59) inzwischen ergeben haben? 12258* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 Ist die Bundesregierung bereit, im Falle von Betriebsstillegungen bei der Ford AG in Köln und Wülfrath entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um die auf die betroffenen Arbeitnehmer zukommenden Nachteile (Arbeitslosigkeit, Umschulungsprobleme etc.) zu verhindern? Der Vorstand der Ford-Werke AG hat erneut versichert, daß es innerhalb des Unternehmens keine Überlegungen gebe, Kapazitäten stillzulegen, d. h. Werke zu schließen. Entlassungen stünden nicht zur Diskussion. Die Bundesregierung verfügt über keine zusätzlichen Erkenntnisse gegenüber dem Stand vom 28. März 1985. Bei diesem Sachstand erübrigen sich Überlegungen wegen eventueller Vorsorgemaßnahmen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen der Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 93 und 94): In welcher Weise sind Angehörige der deutschen Botschaft in Kuala Lumpur Personen oder Unternehmen im Zusammenhang mit der „Asian defence exhibition — Defence '86"-Messe behilflich gewesen? Ist die Bundesregierung zum gegebenen Zeitpunkt bereit, für Staaten der ASEAN-Organisation Kriegswaffenexporte zu genehmigen, weil nach Auffassung der Bundesregierung „vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland für eine Ausnahmegenehmigung sprechen" (Richtlinien der Bundesregierung vom 28. April 1982)? Zu Frage 93: Die Botschaft in Kuala Lumpur steht grundsätzlich jedem deutschen Unternehmen für seine Bemühungen um den Einstieg in den dortigen Markt beratend zur Seite. In diesem Rahmen haben Kontakte der Botschaft zum Bundesverband der Deutschen Luftfahrt-, Raumfahrtindustrie e. V. (BDLI) und zur Fa. Belzer-Dowidat stattgefunden. Gegenüber den Organisatoren der Veranstaltung, den „Interexhibition Management Services", ist die Botschaft nur mit der Bitte um allgemeine Unterrichtung tätig geworden. Zu Frage 94: Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 10/1737 vom 12. Juli 1984) zur Rüstungsexporten in die ASEAN-Länder ausführlich Stellung genommen. Die Bundesregierung entscheidet über Genehmigungsanträge für die Ausfuhr von Rüstungsgütern auch in die Mitgliedstaaten der ASEAN nach den politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 28. April 1982. Bei der Entscheidung im Einzelfall spielt das Interesse der Bundesregierung und ihrer Partner im NATO-Bündnis an der inneren Stabilität und an der Verteidigungsfähigkeit der ASEAN-Staaten eine besondere Rolle. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 10/3918 Fragen 95 und 96): Welche Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland haben sich mit welchen Produkten an der „Asian defence exhibition — Defence '86" in Kuala Lumpur beteiligt? Für welche Gegenstände sind — gegebenenfalls vorübergehend — Ausfuhrgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontroll- oder Außenwirtschaftsgesetz im Zusammenhang mit dieser Messe erteilt worden? Zu Frage 95: Nach Angaben des Veranstalters haben aus der Bundesrepublik Deutschland bisher 44 Firmen ihr Teilnahmeinteresse bekundet. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, mit welchen Exponaten sich die genannten Firmen an der Asian Defence Exhibition beteiligen werden. Wie sowohl der Ausstellungs- und Messe-Ausschuß der Deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA) als auch der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. mitteilen, werden die Exponate von den Ausstellerfirmen aus Wettbewerbsgründen erfahrungsgemäß erst bei Ausstellungsbeginn bekannt gegeben. Zu Frage 96: Nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz ist die vorübergehende Ausfuhr von Einzelstücken verschiedener Handfeuerwaffen genehmigt worden. In geringem Umfang sind auch Ausfuhrgenehmigungen für Gegenstände, die nicht Kriegswaffen sind, nach dem Außenwirtschaftsgesetz erteilt worden. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Vogel (München) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 10/3918 Fragen 97 und 98): Ist der Bundesregierung die britische Wirtschaftsstudie mit dem Titel „An International Analysis of Arms Spending and Infant Death Rates" und deren Inhalt bzw. Ergebnis bekannt, und falls ja, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus hinsichtlich zukünftiger Genehmigungen für Waffenexporte aus der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen? Ist die Bundesregierung auf Grund der in der genannten Studie nachgewiesenen Tatsache, wonach entsprechend der jeweiligen Zunahme der finanziellen Aufwendungen für militärische Zwecke auch die Kindersterblichkeit zunimmt, bereit, zukünftig Rüstungsexporte zu reduzieren oder ganz einzustellen und damit den begründeten Vorwurf zu entkräften, durch Rüstungsgeschäfte an der weltweiten Zunahme der Kindersterblichkeit mitschuldig zu sein? Der Bundesregierung ist die britische Wirtschaftsstudie „An International Analysis of Arms Spending and Infant Death Rates" und deren Inhalt bzw. Ergebnis nicht bekannt. Deshalb sieht sie sich auch nicht in der Lage, hier zu der Frage eventueller Konsequenzen Stellung zu nehmen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12259* Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 99): Hält die Bundesregierung nach den bisherigen Erfahrungen mit Selbstbeschränkungsvereinbarungen der maßgeblichen Verbände mit dem Bundeskartellamt Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und des Kartellrechts zur Eindämmung des Verdrängungswettbewerbs im Handel durch Verkäufe unter dem Einstandspreis und andere Verdrängungsmethoden für erforderlich, oder sieht die Bundesregierung weitere Möglichkeiten, durch welche der Verdrängungswettbewerb m it Hilfe zusätzlicher Selbstbeschränkungsabreden unter Kontrolle gebracht werden kann? Im Juni 1984 haben sich die Spitzenorganisationen und weitere Verbände der gewerblichen Wirtschaft mit der Fortschreibung der „Gemeinsamen Erklärung zur Sicherung des Leistungswettbewerbs" auf die Beachtung von Grundsätzen geeinigt, die dazu dienen sollen, machtbedingten wettbewerbsschädlichen Auswüchsen bei der Konditionsgestaltung und im Zusammenhang mit Niedrigpreisstrategien entgegenzuwirken. Auf der gleichen Linie liegt das Ergebnis der Gespräche, die der Präsident des Bundeskartellamtes im Oktober 1983 und Oktober 1984 mit Großunternehmen bzw. Organisationen des Lebensmitteleinzelhandels und Lebensmittelherstellern geführt hat. Diese freiwilligen Maßnahmen haben sich nach Einschätzung der beteiligten Verbände und des Bundeskartellamtes im großen und ganzen bewährt. Um die Selbsthilfevereinbarungen noch wirksamer auszugestalten, haben sich die Unterzeichner der „gemeinsamen Erklärung" am 1. Oktober 1985 auf die Einrichtung einer Schlichtungsstelle verständigt. Die Bundesregierung begrüßt diesen weiteren Schritt der Wirtschaft zur Bekämpfung machtbedingter Wettbewerbsverzerrungen. Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind von der Bundesregierung z. Zt. nicht beabsichtigt. Zu der Absicht einer Novellierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Fragen 100 und 101): Welche einschlägigen Forderungen wichtiger wirtschaftlicher Mittelstandsverbände (z. B. Forderungskatalog des deutschen Handwerks) zu Beginn der 10. Legislaturperiode wurden seitens der Bundesregierung bis zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt bzw. auf den Gesetzesweg gebracht? Welche Mittelstandsforderungen will die Bundesregierung noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode erfüllen? Die Bundesregierung ist 1982 angetreten mit einem wirtschaftspolitischen Programm zur Revitalisierung der Marktkräfte durch eine ordnungspolitische Neuorientierung und zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Beides ist erfolgreich in Angriff genommen worden, wie der wirtschaftliche Aufschwung, der immer weitere Bereiche der Wirtschaft umfaßt, und das hohe Maß an Preisstabilität beweisen. Das dabei von der Bundesregierung geschnürte Paket enthält — direkt und indirekt — eine ganze Reihe von besonders für den Mittelstand positiv wirkenden Maßnahmen. Ich nenne nur die Stichworte Deregulierung und Privatisierung, Überprüfung der Sozialgesetzgebung (auch Beschäftigungsförderungsgesetz) und insbesondere Steuerentlastung. Gerade vor dem Hintergrund der bei ihrem Amtsantritt verfahrenen wirtschaftlichen Situation ist das mehr als man von der Regierung in so kurzer Zeit erwarten konnte. Ich halte es daher für nicht unproblematisch, heute die Erfüllung von Forderungskatalogen abzufragen. Worauf es ankommt, ist ein geschlossenes wirtschaftspolitisches Konzept, in dem die Mittelstandspolitik integraler Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftspolitik ist. Jede einzelne Maßnahme muß dabei daraufhin überprüft werden, ob sie ordnungs- und prozeßpolitisch in diese Konzeption paßt. Der Gesamterfolg — auch und gerade für den Mittelstand — darf nicht an der Durchsetzung einer möglichst großen Zahl von Einzelmaßnahmen, sondern muß am Gesamtergebnis des Konzepts abgelesen werden. Diese Orientierung wird die Bundesregierung auch bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten. Gerade die Steuersenkung, deren erster Teil Anfang des nächsten Jahres wirksam wird, wird zeigen, daß es besser ist, die Kräfte auf die generelle Entlastung der wirtschaftlichen Tätigkeit von staatlichen Belastungen zu konzentrieren, als sich in Einzelmaßnahmen finanziell und politisch zu verzetteln (s. auch Zusatzfrage „Investitionsrücklage"). Im übrigen laufen die bewährten Mittelstandsprogramme gut und sind z. T. erheblich ausgebaut worden. Gerade in diesem Sommer werden diese Programme komplettiert durch das Anlaufen der „Ansparförderung", die ein durchschlagender Erfolg zu werden verspricht (s. Zusatzfrage 1). Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 10/3918 Fragen 102 und 103): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Preise für Jungbullen seit Juni 1985 katastrophal zusammengebrochen sind, obgleich die Rindfleischmarktordnung der Europäischen Gemeinschaft solches eigentlich verhindern soll? Welche zusätzlichen Maßnahmen wird die Bundesregierung einsetzen, um den Weideabtrieb von Ochsen und Bullen so absichernd zu begleiten, daß die Rindermäster und Milcherzeuger keine untragbaren Verluste erleiden? Die Bundesregierung verfolgt die Situation auf dem deutschen Bullenmarkt seit Monaten mit Besorgnis. Die aufgetretenen Preisverluste sind in er- 12260* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 ster Linie auf die kräftige Aufstockung der Jungbullenbestände, laut Viehzählung vom Juni 1985 im Bundesgebiet um rd. 7 %, zurückzuführen. Der Selbstversorgungsgrad bei Rindfleisch wird daher im Bundesgebiet 1985 ca. 123 % betragen. Auch in der EWG insgesamt ist das Rindfleischangebot hoch. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 110 %. Diesem hohen Angebot steht weder im Inland noch im Ausland eine entsprechende Nachfrage gegenüber. Trotz günstiger Abgabepreise fließt Ware aus den hohen Interventionsbeständen nur sehr zögernd ab. Auch die Drittlandsexporte von Frischfleisch sind wegen der gesunkenen Nachfrage wesentlich niedriger als im Vorjahr. Die Bundesregierung hat sich aufgrund der aufgezeigten Entwicklung seit dem Frühjahr 1985 auf EG-Ebene wiederholt und mit Nachdruck um zusätzliche Stützungsmaßnahmen für den Bullenmarkt bemüht. Im Rahmen der seit dem 30. September 1985 laufenden Hälftenintervention in der EG übernimmt die BALM wöchentlich Tierkörper von 16 000 Stück Ochsen und Jungbullen und schöpft damit die vorhandenen technischen Möglichkeiten der Interventionsstelle voll aus. Die Bemühungen der Bundesregierung, die Hälftenintervention auf einen längeren Zeitraum als für drei Wochen durchzuführen, scheiterte an der ablehnenden Haltung der EG-Kommission. Mein Haus hat nochmals bei der EG-Kommission die Einbeziehung der Handelsklasse Jungbullen U2 in die Interventionskäufe der BALM gefordert. Bei den im Anschluß an die Hälftenintervention ab 21. Oktober 1985 in der EG vorgesehenen Interventionskäufen von Ochsen- und Jungbullenhintervierteln wird die Bundesregierung bei den Ochsen auf die Anwendung der vorgesehenen Selbstvermarktungsquote von 24 v. H. verzichten. Ebenfalls ab 21. Oktober 1985 wird die BALM mehrere tausend Tonnen Vorderviertel von Jungbullen und Ochsen zur Konservenherstellung für die Wälzung der Berlin-Reserve kaufen. Neben den genannten staatlichen Interventionskäufen läuft bis zum 22. November 1985 auf dem Rindfleischsektor zur ergänzenden Marktstützung noch die bereits am 5. August 1985 gestartete EG- Beihilfenaktion für die private Lagerhaltung von Fleisch männlicher Rinder. Diese Maßnahme erleichtert die Drittlandsexporte, weil das Rindfleisch bereits nach zweimonatiger Einlagerung exportiert werden kann. Von dieser Maßnahme wurde in den letzten Tagen verstärkt Gebrauch gemacht. So wurden bis zum 27. Sepetmber 1985 bei der BALM Verträge über 12 240 t abgeschlossen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die geschilderten Maßnahmen die Auswirkungen der von der EG-Kommission vorgenommenen zeitlichen Beschränkung der Hälftenintervention mildern und zu einer Stabilisierung der Marktlage beitragen werden. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/3918 Frage 104): Treffen Informationen aus Kreisen der bayerischen Staatsregierung zu, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission deren Bestrebungen unterstützt, die regionale Förderung für Betriebe der Zuckerverarbeitung und Molkereien einzustellen, und sieht der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht, daß dadurch die landwirtschaftliche Verarbeitung im ländlichen Raum unvertretbar in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt würde? Die EG-Kommission hat im Rahmen eines Beihilfeprüfverfahrens nach Art. 92 und 93 des EWG-Vertrags der Bundesregierung mitgeteilt, daß die deutschen Behörden durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müssen, daß die in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" möglichen Investitionsbeihilfen nicht zugunsten der Produktionszweige Zucker, Isoglykose und Milchverarbeitung gewährt werden. Die EG-Kommission hat diese Entscheidung in Eigenverantwortung aus der ihr allein zustehenden Kompetenz zur Überprüfung von Beihilfen getroffen. Der Bundesminister für Wirtschaft erarbeitet dazu eine Stellungnahme gegenüber der EG-Kommission. Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, genannten Informationen sind nicht zutreffend.
Gesamtes Protokol
Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, am 3. Oktober 1985 hat der Abgeordnete Horacek auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat am 4. Oktober 1985 Herr Abgeordneter Herbert Rusche die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen und wünsche gute Zusammenarbeit.

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungszusatzpunkt 3 auf: Aktuelle Stunde
Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt
Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1016300100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat gestern die Ausbildungsplatzbilanz für den Bewerberjahrgang 1985 vorgelegt. Und diese Bilanz ist erschreckend. 59 738 Bewerber konnten nicht vermittelt werden. Sie stehen ohne Ausbildungsplatz auf der Straße. Dazu kommen weitere 30 000 bis 40 000 Jugendliche in Ersatzmaßnahmen. Das sind Jugendliche, die eigentlich lieber eine Lehrstelle gehabt hätten.
Das heißt: Im dritten Jahr des von der Bundesregierung propagierten wirtschaftlichen Aufschwungs muß sie erneut einen Negativrekord melden.

(Toetemeyer [SPD]: Hört! Hört!)

Seit Bestehen einer geregelten Berufsbildungsstatistik hat es noch nie so viele unvermittelte Jugendliche gegeben wie in diesem Jahr. Sogar die schlechte Bilanz von 1984 ist noch einmal übertroffen worden.

(Toetemeyer [SPD]: Skandal!)

Aber die Bundesregierung läßt sich durch das Schicksal der betroffenen Jugendlichen nicht beeindrucken. Der Bundeskanzler, der noch im Wahlkampf 1983 verkündet hatte: „Für jeden ist eine Lehrstelle da!", schweigt.

(Frau Hürland [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt!)

Und die Bundesbildungsministerin versucht, die eindeutigen Zahlen zu vernebeln. Aber Frau Wilms, wir werden Sie damit nicht ausbüxen lassen.
Bei allen Bemühungen der ausbildenden Wirtschaft und der Bundesländer: Es hilft den Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz wenig, wenn Sie beim Angebot Rekordzahlen melden, aber die Jugendlichen nichts davon merken.

(Hornung [CDU/CSU]: Ihre Rede nützt ja gar nichts!)

Der Versuch der Bundesregierung gestern und vorgestern in der Öffentlichkeit, den Stichtag der Ausbildungsplatzbilanz, den 30. September, zu einer beliebigen statistischen Zwischenstation umzudeuten, ist eine bewußte Verfälschung der wirklichen Lage und eine gewollte Irreführung der Öffentlichkeit.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Den Trick kennen wir auch schon!)

Dieser Stichtag ist mit gutem Grund gesetzlich vorgeschrieben, weil vier bis acht Wochen nach Beginn des Ausbildungsjahres zuverlässig gesagt werden kann, wer eine Lehrstelle gefunden hat und wer nicht.
Und wenn Sie mit den Nachvermittlungen kommen, müssen Sie sich entgegenhalten lassen, daß schon in den ersten drei Monaten wieder über 20 000 Ausbildungsverhältnisse aufgekündigt werden.

(Toetemeyer [SPD]: Das muß man sagen!)

60 000 stehen heute auf der Straße. Selbst wenn Sie viele davon irgendwann nachvermitteln werden, haben die meisten ein Jahr verloren, mit allen seelischen und sozialen Folgen, die solche Warterei mit sich bringt.
Viele davon werden diesem Staat und dieser Gesellschaft, die ihnen den Einstieg verwehren, den



Kuhlwein
Rücken zukehren. Sie und wir alle haben dann die Konsequenzen zu tragen.
Wir verlangen von der Bundesregierung eine realistische Statistik nach dem Gesetz. Wir verlangen eine Statistik, die die Größe des Problems deutlich macht. Und wir verlangen daran anschließend politisches Handeln.

(Beifall bei der SPD)

An rechtzeitigen Warnungen von SPD und Gewerkschaften hat es nicht gefehlt. Sie haben alle unsere Vorschläge aus ideologischen Gründen abgelehnt.
Wir fordern heute erneut ein Sofortprogramm des Bundes zur Erhöhung des Ausbildungsplatzangebots. Wir fordern erneut eine erhebliche Aufstokkung des Benachteiligtenprogramms, eine Ausschöpfung aller Ausbildungsreserven des Bundes und seiner Unternehmen,

(Daweke [CDU/CSU]: Und des DGB!)

ein Sonderprogramm für Mädchen in Zukunftsberufen, eine Unterstützung der Länder beim Ausbau der Vollzeitausbildung in den Berufsschulen, und wir fordern endlich ein Gesetz über eine Ausbildungsplatzumlage,

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

damit die Trittbrettfahrer unter den Betrieben — das sind die Betriebe, die sich um ihre Ausbildungsverpflichtung drücken — endlich an den Kosten der Berufsausbildung beteiligt werden.

(Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wieviel müßte dann der DGB zahlen?)

Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden dem Deutschen Bundestag dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, der die finanziellen Lasten der Berufsausbildung gerechter verteilt und allen Jugendlichen eine Chance für eine ordentliche Ausbildung bietet.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016300200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daweke.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1016300300
Meine Damen und Herren, was wir heute morgen zu früher Stunde erleben, ist die Wiederholung eines Horrorfilms, den die SPD in zwei Kopien vorrätig hat. Es gibt eine Frühjahrskopie dieses Films. Da spielen 150 000 bis 250 000 junge Leute eine Rolle, die auf dem Lehrstellenmarkt unversorgt sind, und es gibt eine Herbstkopie dieses Filmes, die heute wieder aufgeführt wird, mit 50 000 bis 60 000 unversorgten jungen Leuten. Und wie man es dann immer braucht, dreht man es. In der Frühjahrsversion dieses Films spielt übrigens eine Dame vom DGB immer noch eine kleine Hilfsrolle, Katastrophen-Ilse genannt, Ilse Brusis

(Zurufe von der SPD)

— kennen Sie die? —, die immer voll mit in ein Geschrei einsteigt, das überhaupt niemandem nützt, das insbesondere den jungen Leuten nichts nützt. Ich finde, Sie müßten sich, Herr Kuhlwein, doch mal fragen lassen, wenn Sie sich jedes Jahr mit dem gleichen Gezänke hier hinstellen: Was tun denn Sie eigentlich mit den Ihnen befreundeten Unternehmen des DGB, um die endlich mal aufzufordern, ihre Ausbildungsleistung so zu steigern, wie das die Wirtschaft tut?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Übrigens, wenn Sie die Umlage fordern, müssen Sie damit rechnen, daß die DGB-Kasse bald leer ist; die müßten nämlich so viel Umlage zahlen, daß sie noch größere Schwierigkeiten mit den Finanzen hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns jetzt erst einmal die Zahlen ansehen, wie sie wirklich sind. Wir hatten ein Gesamtangebot zum 1. 10. von 730 000 Plätzen. Wir hatten eine Gesamtnachfrage, die dieses Angebot übersteigt, von 770 000 Plätzen. Festzustellen ist: zum 1. 10. waren über 92 % versorgt. Wer über diese Situation redet, ohne den Handwerkern und den Leuten im Handel und der Industrie erst einmal dafür zu danken, daß sie diese unglaubliche Leistung im dritten Jahr noch einmal erbracht haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Freiwillig!) der redet an der Wirklichkeit vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist eine Bilanz, die ohne Zwang erzielt worden ist. Ich finde, man muß doch auch einmal feststellen, daß das eine freiwillige Leistung der ausbildenden Wirtschaft ist.

(Zurufe von der SPD)

Sie verlieren in Ihren Statements ja kein Wort darüber, daß das für die Betriebe oft bedeutet, bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in diesem Bereich gehen zu müssen.

(Zuruf von der SPD: Drückeberger!)

Wir sind der Auffassung, daß wir den Stichtag nicht überbewerten dürfen, weil es eine Zwischenbilanz ist. Die Vermittlungsbemühungen der Wirtschaft und alle unsere Bemühungen gehen noch weiter
Jetzt möchte ich Ihnen in dieser Gesamtbilanz auch mal noch ein paar Zahlen nennen, die man auch sehen muß. Wir hatten zum 1. 10. noch 22 000 unbesetzte Plätze. Was müssen wir tun? Wir müssen dafür werben, daß diese Plätze besetzt werden. Das sind weitgehend Plätze im gewerblich-technischen Bereich. Wir hatten zum 1. 10. festzustellen, daß wir 25 000 Plätze hatten, die überhaupt nicht angetreten worden sind. Das sind Leute, die Doppelbewerbungen gemacht haben und die dann auf den Platz gehen, der ihnen am liebsten ist. Das ist ja ihr gutes Recht. Es sind 25 000 Doppelbewerber, die



Daweke
sich einfach nicht gemeldet haben. Diese Plätze müssen auch nachbesetzt werden.

(Seiters [CDU/CSU]: Herr Kuhlwein, hören Sie mal zu, was da gesagt wird!)

Wir haben schließlich 25 000 Plätze, die jetzt in diesen Wochen wieder frei werden. Da handelt es sich um Leute, die während der Probezeit feststellen, daß sie für diesen Beruf nicht geeignet sind. Auch diese Plätze müssen besetzt werden.
Alle diese Maßnahmen haben im letzten Jahr dazu geführt, daß am Ende des Jahres zusätzlich noch 20 000 bis 25 000 Leute untergekommen sind. Das würde die Bilanz ganz erheblich verändern. Das, was wir tun können, werden wir tun.

(Zurufe von der SPD: Was denn?)

Wir werden von unserer Fraktion aus das Benachteiligtenprogramm wesentlich — —

(Zurufe von der SPD)

— Also erst mal haben wir in der CDU/CSU-Fraktion Auszubildende eingestellt. Tun Sie das doch auch mal bitte!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Wenn Sie so fragen, dann kann ich Ihnen auch noch sagen, wir haben auch in der CDU-Geschäftsstelle Auszubildende; die haben Sie doch auch nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

— Sie haben überhaupt keine, Herr Schierholz, Sie haben überhaupt keine; Sie beuten die Leute doch aus, daß weiß doch jeder.
Wir haben darüber hinaus vor, das Benachteiligtenprogramm aufzustocken. Wir wollen die Vollzeitmaßnahmen der Länder weiterführen, und wir wollen darüber hinaus dafür sorgen, daß die Wirtschaft ihre Bemühungen bis zum Ende des Jahres nicht aufgibt, und dann werden Sie mit der Wiederholung Ihres uralten Films ganz alt aussehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Feilcke [CDU/CSU]: Die sehen schon jetzt alt aus! — Zurufe von der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016300400
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Zeitler.

Karin Zeitler (GRÜNE):
Rede ID: ID1016300500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz gut, daß wir heute noch einmal über die Ausbildungsstellensituation sprechen können, obwohl das Thema natürlich alles andere als aktuell ist; denn seit einigen Jahren stehen wir vor der Situation, jedes Jahr wieder, im Sommer wie im Winter, daß die Auszubildenden nicht genügend Lehrstellen finden, und seit mehreren Jahren ist die Situation auch insofern die gleiche, als der CDU und der Regierung nichts besseres eingefallen ist, als immer nur zu appellieren, daß die Unternehmer doch mehr Ausbildungsstellen zur Verfügung stellen sollen.

(Feilcke [CDU/CSU]: Und Sie wollen sie zwingen?)

Die Zahlen zeigen, daß die Appelle nicht reichen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Feilcke [CDU/ CSU]: Ausbildungsplätze mit der Pistole eintreiben!)

Die SPD fordert auch dieses Jahr wieder eine Erhöhung des Benachteiligtenprogramms, und ich glaube, auch da müssen wir mal genauer hingukken. Was bedeutet das eigentlich? Gibt es in unserem Land immer mehr Benachteiligte? Wobei sind die Jugendlichen denn überhaupt benachteiligt? Sie sind es doch wohl dabei, den Start ins Berufsleben zu finden, und weniger hinsichtlich ihrer eigenen Fähigkeiten und Qualifikationen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, daß Sie sich mal fragen sollten, was es heißt, immer wieder eine Erhöhung des Benachteiligtenprogramms zu fordern. Ich denke nämlich, was Sie hier machen, ist eine öffentliche Finanzierung von beruflicher Bildung, und diese öffentliche Finanzierung von beruflicher Bildung lehnen wir ab. Wir wollen nicht die Aufgaben der Unternehmer übernehmen.

(Zurufe von der SPD)

Was wir fordern — zumindest verbal werden Sie mir da zustimmen — ist eine Umlagefinanzierung, und das fordern Sie hier auch, meine Damen und Herren von der SPD. Aber warum machen Sie das eigentlich nicht in den Ländern, wo Sie die Macht haben, an der Regierung sind und das auch durchsetzen könnten? Das sollten Sie mir mal beantworten.

(Scharrenbroich [CDU/CSU]: Weil sie den Unsinn erkannt haben! — Matthöfer [SPD]: Lassen Sie sich mal von Ihren Parteikollegen in Hessen aufklären! — Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage das auch deshalb, weil im Grunde genommen schon mehr als die Hälfte der Kosten für die berufliche Bildung von der öffentlichen Hand getragen werden. Nur ein paar Zahlen, die aus dem Berufsbildungsbericht stammen: Die betriebliche Berufsausbildung, die von Unternehmen bezahlt wird, beläuft sich auf ca. 15 Milliarden DM. Die öffentliche Hand steuert für Teilzeitberufsschulen, für andere Maßnahmen, inklusive der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit, bereits fast 10 Milliarden DM zu. Da möchte ich mal wissen, wie man hier immer von der Ausbildungsleistung der Unternehmer herumtönen kann. Die öffentliche Hand ist schon in erheblichem Maße an dieser Ausbildungsleistung beteiligt.

(Zurufe von der SPD)

Aber ähnlich wie mit der Umlagefinanzierung geht die SPD leider auch mit einem anderen Problem, nämlich mit der Quotierung von Ausbildungsstellen für Mädchen, um; denn Jahr für Jahr sprechen wir davon, daß zwei Drittel der Mädchen keine Ausbildungsstelle finden, und der einzige konkrete Schritt, den Sie in den Ländern, in denen Sie an der Regierung sind, machen könnten, wäre es, die Ausbildungsstellen zu quotieren. Das ist



Frau Zeitler
ein leichter Schritt, denn hier können Qualifizierungsdefizite von Mädchen wahrlich nicht ins Feld geführt werden.

(Hornung [CDU/CSU]: Die SPD redet und tut nichts!)

Gerade bei den Mädchen kann man noch das andere Problem sehr deutlich machen, was „vermittelte Bewerber" bedeuten. Vermittelte Bewerber sind nämlich auch jene, die in irgendwelchen Maßnahmen untergebracht werden. Das sind auch jene, die aus irgendwelchen Maßnahmen entlassen werden und deshalb nicht mehr als Erstbewerber zählen.

(Rossmanith [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht: Lehrstellen abschließende!)

Und das sind solche — das gilt vor allen Dingen für Mädchen —, die in irgendwelchen Ausbeuterstellen untergekommen sind.

(Daweke [CDU/CSU]: Sagen Sie mal ein Beispiel, Frau Zeitler!)

— Da kann ich Ihnen eine ganze Menge nennen. Das sind solche Lehrstellen, wo im Grunde genommen die Unternehmer billige Hilfskräfte einstellen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Dazu zähle ich z. B. Artzhelferinnen, Verkäuferinnen zum größten Teil, alle, die derartige Hilfsdienste erbringen, wo sie keinerlei Chancen auf Aufstieg, auf Qualifikation oder auf einigermaßen angemessene Bezahlung erhalten und wo die Arbeitszeiten unheimlich schlecht sind.

(Günther [CDU/CSU]: Die Beschimpfung der Verkäuferinnen weisen wir zurück! Verkäuferinnen sind doch keine Hilfskräfte!)

Unsere Vorschläge bestehen in der Forderung nach selbstbestimmter Arbeit, nach sinnvoller Arbeit und nach Arbeit, die Aussicht auf einen Arbeitsplatz bietet. Die Jugendlichen wollen eine Lehrstelle, sie wollen eine Ausbildung, sie wollen aber kein Benachteiligtenprogramm. Bei der Diskussion des Berufsbildungsberichts in 14 Tagen haben wir hoffentlich etwas ausgiebiger Zeit, über unsere Vorstellungen zu sprechen, die wir zu diesem Thema entwickelt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016300600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuhausen.

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1016300700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Reden am heutigen Morgen scheinen mir Bestandteil des Leitfadens „Wie schrecke ich mögliche ,Ausbildungsstellen-Zurverfügungsteller` ab" zu sein.

(Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD)

Entschuldigen Sie, daß ich mich jetzt bei der Betonung dieses Wortes verfranst habe. Das ist wirklich wahr, wenn man hier dauernd davon spricht, wie wenig eigentlich erreicht worden sei. Ich habe gerade wirklich mit Schrecken gehört, was Frau Zeitler gesagt hat. Wenn man sich aber die konkreten Zahlen ansieht, dann kann man nur sagen, daß ein solcher Beitrag die Situation nicht verbessert, sondern verschlechtert.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Fände diese Debatte morgen statt — ich stimme mit Herrn Daweke überein, daß es da eine ganz genaue Regelmäßigkeit gibt —, dann wäre auf den Tag genau ein Jahr seit der letzten Aktuellen Stunde zu diesem Thema vergangen. Wir hören heute im Grunde die gleichen Argumente wie damals.

(Günther [CDU/CSU]: Genauso falsche! — Hinsken [CDU/CSU]: Schwarzmaler vom Dienst!)

Im Grunde hören wir auch die gleiche Kritik an außerordentlich wichtigen Maßnahmen, wie z. B. an der Nachvermittlung. Im vorigen Jahr — das sieht man, wenn man sich noch einmal die Reden durchliest — wurde heftigst bestritten, und zwar vor allen Dingen auch vom Kollegen der GRÜNEN, dem Herrn Jannsen, daß es überhaupt Nachvermittlungen geben könnte. Haben aber nun Nachvermittlungen stattgefunden, dann heißt es, das reiche natürlich nicht aus, und wenn man auf diese Nachvermittlungen hinweist, heißt es, die Bilanz solle verschönt werden usw. Ich finde, das ist nicht die seriöse Art, in der man mit diesem Thema umgehen muß.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage hier in allem Ernst: Über den Jahreswechsel hinaus hat es eine derart erfolgreiche Mobilisierungskampagne gegeben, daß man sich — das sage ich in aller Offenheit — sehr darüber freuen muß. Wer sich darüber nicht freut, der kann auch nicht dankbar dafür sein, daß den jungen Menschen diese Chancen gegeben wurden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ein Satz muß immer wieder hervorgehoben werden: Die Politik der Stärkung des freiwilligen Engagements hat sich bewährt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Wenn ich das sage, dann bedeutet das natürlich nicht, daß mir die Zahl der 60 000 unversorgten Bewerber unbekannt wäre.

(Kuhlwein [SPD]: Sie sagen sowieso nichts!)

— Ach, Herr Kuhlwein. Ich habe mir wirklich die Mühe gemacht, noch einmal durchzulesen, was Sie immer sagen. Es ist wirklich dasselbe. Ich finde das sehr traurig.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Sie waren gar nicht dabei, Herr Schierholz, das können Sie gar nicht beurteilen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da rotierte er noch! — Zuruf von der CDU/CSU: Er ist im ersten Lehrjahr im Bundestag!)




Neuhausen
60 000 Bewerber bleiben ein Problem, dem wir uns alle zu stellen haben. Auch wenn wiederum Nachvermittlungen stattfinden werden, können wir auf Grund der sehr komplizierten Zusammenhänge, der regionalen Zusammenhänge, der geschlechtsspezifischen Zusammenhänge, der branchenspezifischen Zusammenhänge, aber auch der Zusammenhänge, die mit der Person der jungen Menschen zu tun haben, auf besondere und auf staatliche Hilfen nicht verzichten.

(Zustimmung des Abg. Kuhlwein [SPD])

Deshalb unterstütze ich auch an dieser Stelle die Bitte des Bildungsausschusses an den Haushaltsausschuß, dazu beizutragen, daß soviel Mittel zur Verfügung gestellt werden,

(Kuhlwein [SPD]: Mehr!)

daß in diesem Jahr mindestens die gleich hohe Zahl von Neuaufnahmen in das Programm des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft für die Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen aufgenommen werden kann.
Meine Damen und Herren, der Ausbildungsstellenmarkt bleibt trotz aller Erfolge problematisch; das sagen alle seriösen Prognosen. Deswegen müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um den jungen Menschen in diesem Jahr und in den kommenden Jahren zu helfen. Dazu gehört natürlich vor allen Dingen auch das Offenhalten aller Bildungswege. Ich glaube, es ist sehr wichtig, bei der Analyse zu unterscheiden, wo es Abdrängungseffekte geben kann und wo es sich um vernünftige neue Berufsorientierungen der jungen Leute handelt.
Fünf Minuten sind eine kurze Zeit. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016300800
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1016300900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Es ist schon paradox: Da wird auf der einen Seite gesagt, daß angeblich Fachkräfte fehlen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie fehlen tatsächlich!)

und auf der anderen Seite erhalten Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Es wird gesagt, das duale System habe sich bewährt, aber wenn nicht alle Jugendlichen einen Ausbildungsplatz erhalten, nützt dieses ständige Bekenntnis dem einzelnen Jugendlichen überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Tatsache ist: Die Wirtschaft bietet nicht allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz an. Da nützt es auch nichts, daß man versucht, die Länder gegeneinander auszuspielen. Was das Engagement einzelner Länder angeht, so hat die Bundesregierung noch Nachholbedarf.

(Beifall bei der SPD)

60 000 unvermittelte Jugendliche erwarten Taten der Bundesregierung.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Das Jonglieren mit der Feststellung, 92 % aller Jugendlichen hätten einen Ausbildungsplatz, nützt nichts. Auf das Einzelschicksal kommt es an!

(Sehr wahr! bei der SPD)

Lassen Sie mich das einmal an einigen Beispielen aus dem Arbeitsamt Siegen verdeutlichen. In den Kreisen Siegen—Wittgenstein und Olpe suchen jährlich etwa 6 000 Jugendliche eine Ausbildungsstelle. Bis zum 30. September dieses Jahres waren 1 143 Jugendliche noch nicht vermittelt.

(Hört! Hört! bei der SPD) Davon waren 823 Mädchen und 320 Jungen.


(Zuruf von der SPD: Aha! — Rossmanith [CDU/CSU]: Und das in Nordrhein-Westfalen!)

442 Jugendliche haben, ohne den Wunsch auf Erhalt eines Ausbildungsplatzes aufzugeben, zunächst einmal eine schulische Ausbildung angetreten, suchen aber noch ständig weiter.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Die restlichen 701 jungen Menschen liegen überhaupt auf der Straße, 204 Jungen und 497 Mädchen, 150 Mädchen mehr als im letzten Jahr. Und da wollen Sie hier von einer Verbesserung reden!

(Rossmanith [CDU/CSU]: Herr Rau ist der Ministerpräsident!)

Wir brauchen uns nicht darüber zu wundern, daß die Jugendlichen mutlos werden. Jeder Jugendliche muß aber eine Chance haben, und dafür ist der Bund verantwortlich, niemand anders!

(Beifall bei der SPD)

Hinzu kommt, daß dem Arbeitsamt Siegen zur Zeit nur 43 offene Ausbildungsstellen gemeldet sind. Da nützt kein Appell an die Jugendlichen, mehr Flexibilität zu zeigen.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Dabei muß man dankbar anerkennen, daß sich das Arbeitsamt darum bemüht hat, die Zahl der gemeldeten Stellen enorm zu erhöhen und daß 80 % der Jugendlichen die Hilfe des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen.
Verstärkt wird die Ausbildungsproblematik noch dadurch, daß sich viele Jugendliche vor einigen Jahren in Warteschleifen abdrängen lassen mußten und jetzt auf den Ausbildungsstellenmarkt zurückdrängen. Da wird auf der einen Seite der 19jährige mit 20jähriger Berufserfahrung gesucht;

(Feilcke [CDU/CSU]: Ein Kalauer jagt hier den anderen!)

andererseits wurde und wird zuwenig ausgebildet.

(Kuhlwein [SPD]: Stimmt leider!)

Der überbetriebliche Finanzausgleich schließlich ist aus ideologischen Gründen tabu.



Frau Steinhauer
Wenn ich eben sagte, daß ganz besonders Mädchen noch einen Ausbildungsplatz suchen, so ist das schon sehr makaber, da wir feststellen können, daß Mädchen und Jungen eine vergleichbare Schulausbildung haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber die Mädchen bekommen keinen Ausbildungsplatz!

(Hornung [CDU/CSU]: War das früher zu Ihrer Zeit nicht so?)

Die Entwicklung war auf diesem Gebiet einmal positiv, aber jetzt gibt es schwere Rückschläge.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Was haben Sie in Ihrer Zeit dafür getan?)

Beim Einstieg in das Berufsleben wird somit die Lebensperspektive junger Frauen eingeengt, und die angebliche spätere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von vornherein ausgeschlossen.

(Lutz [SPD]: So ist das!)

Schließlich erhalten Mädchen oftmals eine Ausbildung, die keine Chance zur Verwertung bietet; sie werden weiter in eine Sackgasse getrieben. Meine Fraktion hat schon seit drei Jahren

(Zurufe von der CDU/CSU: Große Reden gehalten! — Und vorher nichts gemacht!)

besondere Programme für Mädchen gefordert, damit deren Berufsmöglichkeiten verbessert werden. Hier war die Bundesregierung tatenlos; jetzt allerdings scheint sich ja etwas positiv abzuzeichnen.
Man muß aber untersuchen: Was wird denn angeboten? Da bieten Sie eine Schulung in Datenverarbeitung an, eine Miniqualifizierung ohne Abschluß in einem Schnellkurs, also keine Alternative.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie, Frau Bildungsminister, Verlautbarungen mit dem Titel „Ausbildung ist Zukunft" herausgeben, kann ich hier nur sagen: Handeln Sie danach! Jeder Junge und jedes Mädchen muß nicht nur in Worten, sondern auch tatsächlich einen Platz zum Lernen haben, damit die Jugendlichen und auch unser Land eine Zukunftshoffnung haben.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016301000
Das Wort hat Frau Professor Männle.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir erwartet!)


Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID1016301100
Da freut man sich, wenn man gleich erwartet wird. Das ist positiv!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Steinhauer hat gerade die Situation der Mädchen angesprochen. Nach den Daten der aktuellen Berufsberatungsstatistik vom 30. September 1985 waren ca. 57 % der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber Mädchen und junge Frauen. Bei den noch nicht vermittelten Bewerbern
sind zirka 66 % weiblichen Geschlechts. Dies ist meines Erachtens keine positive Zahl.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte extra ausdrücken: Mädchen sind keineswegs so minderqualifiziert, daß sie nicht vermittelt werden können.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind überhaupt nicht minderqualifiziert!)

Die Zahlen zeigen es ganz deutlich: Der Anteil der Mädchen mit mittleren Bildungsabschlüssen beträgt 56,7%; demgegenüber beträgt der Anteil der männlichen Ausbildungsplatzsuchenden 43,3 %. Das zeigt, daß unsere Mädchen qualifiziert sind.

(Beifall bei der SPD)

Hinter diesen Zahlen steckt ein strukturelles Problem. Schauen wir uns doch einmal die Berufswünsche der Mädchen an. Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf Büro- und Verwaltungsberufe sowie auf Dienstleistungsberufe. Ich finde diese Konzentration nicht gut.
Frau Zeitler, Sie haben vorhin gesagt, diejenigen, die in diesen Berufen ausgebildet werden, würden ausgebeutet;

(Frau Zeitler [GRÜNE]: Das stimmt!)

diejenigen, die solche Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, seien potentielle Ausbeuter. Ich möchte dies ganz deutlich zurückweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bueb [GRÜNE]: Haben Sie schon einmal eine Lehre gemacht? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Hier wird eine qualifizierte Ausbildung vermittelt. Diese Ausbildung muß noch angereichert werden, und zwar heute in bezug auf neue Techniken, auf neue Technologien. Dies muß entsprechend aufgenommen werden, damit die Vermittlungschancen nach der Ausbildung auf Grund einer höheren Qualifikation steigen.

(Zuruf der Abg. Frau Steinhauer [SPD])

— Frau Steinhauer, die Technikfeindlichkeit, die Sie soeben angedeutet haben, ist sicherlich negativ.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei der FDP)

Wir haben über 350 Ausbildungsberufe. Die Mädchen konzentrieren sich auf einen ganz, ganz engen Bereich. Sie sind kaum bereit, über den traditionellen Bereich hinauszugehen. Das Modellprogramm der Bundesregierung zur gewerblich-technischen Ausbildung hat gezeigt, daß die Ausbildung von Mädchen keine besonderen Schwierigkeiten macht. Das bedeutet: Mädchen interessieren sich dafür. Es muß aber noch verbreitert werden.

(Frau Steinhauer [SPD]: „Die Mädchen sind schuld!")




Frau Männle
Dazu möchte ich alle Eltern aufrufen: Eltern, unterstützt eure Töchter! Ratet ihnen zu, in diese neuen Berufe zu gehen.

(Daweke [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Ich möchte die Berufsberater und Berufsberaterinnen unten an der Basis aufrufen: Machen sie Mädchen ausreichend auf die zahlreichen Möglichkeiten aufmerksam, die bestehen! Motiviert sie, dorthin zu gehen!

(Frau Steinhauer [SPD]: Und wenn keine Stellen da sind, nützt das nichts!)

— Die Stellen sind doch da. Wir haben es doch vorhin gehört. Gerade im gewerblich-technischen Bereich gibt es noch offene Stellen.

(Frau Zeitler [GRÜNE]: Aber nicht für Mädchen!)

Natürlich möchte ich auch die Betriebe aufrufen: Machen Sie mehr Angebote! Machen Sie konkrete Ausbildungsangebote! Machen Sie konkrete Beschäftigungsangebote für gewerblich-technische Berufe! Beschäftigen Sie die Mädchen nach der Ausbildung weiter! Die vielen Hemmnisse, die gerade hier bestanden — denken Sie an die getrennten Waschräume und all diese Dinge —, sind inzwischen überwunden.

(Hornung [CDU/CSU]: Das hat die CDU gemacht!)

Ich habe aber den Eindruck, daß manche dies noch nicht wissen.
Wir müssen sehr viel Aufklärungsarbeit leisten, noch mehr als bisher, um die hier bestehende ablehnende Haltung abzubauen. Diese Ablehnung — ich versuche, das deutlich zu machen — ist keineswegs gerechtfertigt.
Aber neben Aufklärungsarbeit sind natürlich auch gezielte Maßnahmen von Bund und Ländern erforderlich. Die Koalitionsfraktionen haben im Rahmen der Haushaltsberatungen im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft gefordert, das Benachteiligtenprogramm so zu gestalten, daß die gleich hohe Anzahl von Neuaufnahmen möglich ist. Ich bitte alle diejenigen, die dieses Programm, das mit mehr Mitteln ausgestattet worden ist, umsetzen, die Mädchen bevorzugt zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016301200
Das Wort hat Frau SeilerAlbring.

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1016301300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den „Stuttgarter Nachrichten" war kürzlich zu entnehmen, daß anläßlich einer Lehrstellenbörse 1 000 Lehrverträge angeboten worden sind. Aber nur einer ist abgeschlossen worden. Was zeigt uns dies? Einmal natürlich, daß ich in einer wirtschaftlich sehr gesunden Region wohne. Zum anderen zeigt es uns aber, daß wir hier nach Bundesländern und Regionen sehr differenzieren müssen. Meine Damen und Herren, Berufsbildungsabgaben und Umlagefinanzierungen sind
keine Instrumente, die eine genügende Differenzierung ermöglichen.

(Feilcke [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)

Lassen Sie mich bitte ganz kurz auf zwei Aspekte eingehen. In der letzten Woche wurde die Hochschulrahmengesetznovelle diskutiert, und es wurde sehr viel zur Gleichberechtigung und Chancengleichheit gesagt. Ich hoffe sehr, daß sich alle an ihre Reden erinnern, wenn es nicht um Programmatik geht, sondern konkret darum: Was kann man für die jungen Menschen, die heute noch nicht vermittelt sind — vor allen Dingen die Mädchen, die zwei Drittel der nichtvermittelten Lehrstellenbewerber ausmachen —, tun?
Die FDP hat sowohl im vergangenen Jahr als auch in diesem Jahr sehr frühzeitig den Anstoß für eine Aufstockung des Benachteiligtenprogramms gegeben. Ich hoffe daher sehr, daß es uns im Haushaltsausschuß gemeinsam gelingen wird, wenigstens 4- bis 5 000 zusätzliche Neuaufnahmen, also insgesamt 9 000, in das Benachteiligtenprogramm für das nächste Jahr aufzunehmen.
Wenn diese FDP-Initiativen schon im Vorfeld vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von der SPD als Tropfen auf den heißen Stein abqualifiziert wurden, kann ich nur sagen: Uns wären viele Tröpfchen dieser Art sehr recht, wenn das für benachteiligte Jugendliche — auch für Mädchen in schwierigen Ausbildungsregionen — zusätzliche Hilfe schaffen würde.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das Benachteiligtenprogramm mit den zusätzlichen besonderen Hilfen für Mädchen in schwierigen Ausbildungsregionen ist aber nur ein Punkt, wo es konkret darum geht, Chancengleichheit für alle jungen Menschen und Gleichberechtigung für die Frauen zu realisiern. Die Mädchen stellen, wie ich eben sagte, mit zwei Dritteln heute den größten Teil der unversorgten Lehrstellenbewerber. Regional gibt es sicherlich noch sehr viel größere Probleme. Hier muß man sagen, daß es noch sehr an der Aufklärung über die Chancen fehlt, wie man heute Mädchen auch in neuen Berufsfeldern unterbringen kann. Einen hohen Aufklärungsbedarf gibt es sowohl bei den Ausbildern als auch bei den Vermittlern. Wir müssen die jungen Mädchen immer mehr und immer wieder dazu auffordern, nicht nur sektoral, sondern auch — wenn es auch unbequem ist — regional mobil zu sein.
Ein zweiter Aspekt, der sehr wesentlich ist. Der Rückgang der Studienanfängerzahl im Wintersemester 1984/85 um rund 5% und der weitere Rückgang der Studienneigung in diesem Jahr wurde vor kurzem in einer Pressemitteilung des BMBW als zunehmender Realismus der Abiturienten gelobt. Ich möchte das zuständige Ministerium aber sehr höflich bitten, Frau Minister, die Zusammenhänge zwischen Studienneigung und Ausbildungsstellensituation differenziert zu betrachten. Richtig ist, daß Abiturienten im dualen System der beruflichen Bildung gute Chancen haben und haben sollen. Richtig ist aber auch, daß der sprunghafte Anstieg der Abiturientenzahlen im dualen System die Chan-



Frau Seiler-Albring
cen der Realschul- und Hauptschulabsolventen beeinträchtigt. Richtig ist auch, daß die Abiturienten vornehmlich, etwa in den Büroberufen — Bank, Versicherung etc. —, dorthin drängen, wo weibliche Realschulabsolventen bisher große Chancen hatten. Die Bildungspolitik darf einen derartigen Verdrängungswettbewerb nicht verschärfen. Es darf auch keinen Rückfall in eine geschlechts- und schichtenspezifische Verteilung der Bildungschancen geben.
Abschließend ein Wort zur SPD. Der Kollege Kastning und andere haben der FDP vorgeworfen, wir wollten die Ausbildungsplatzsituation gesundreden.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: So ist es!)

Ich weise diesen Vorwurf entschieden zurück und füge an, daß die FDP in Sachen Benachteiligungsprogramm viel eher aufgewacht ist als die dafür eigentlich prädestinierte Opposition.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016301400
Das Wort hat Frau Dr. Wilms, Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID1016301500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst noch einmal zu den Fakten zurückkehren: Von 777 000 Bewerbern in diesem Ausbildungsjahr sind bis jetzt 92 % vermittelt. Es bleibt weiter festzustellen, daß wir einen dritten Lehrstellenrekord haben: Die Wirtschaft hat etwa 730 000 Angebote bereitgestellt. Ich danke den ausbildenden Betrieben, den Ausbildern, den Meistern, den Unternehmern, den Betriebs- und Personalräten von dieser Stelle für ihre große Leistung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Entwicklung zeigt, daß die Wirtschaft, und zwar Arbeitgeber und offensichtlich auch die Arbeitnehmer — ich sage das mit Dankbarkeit —, das Konzept, die Strategie der Ausbildung über Bedarf, mittragen.

(Frau Steinhauer [SPD]: Da fehlen die Fachkräfte!)

Ich glaube, daß es zu dieser Strategie keinerlei Alternative gibt. Allerdings — es gibt überhaupt keinen Grund, dies zu verniedlichen —: Wir haben noch 8% Bewerber, die nicht vermittelt sind, das sind 59 700 junge Menschen. Die große Aufgabe, die jetzt allseits vor uns steht — ich denke, niemand entzieht sich dieser Aufgabe —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich auch die SPD nicht!)

ist, diesen jungen Menschen, die jetzt noch keine Ausbildungschance haben, eine solche Chance zu bieten.

(Toetemeyer [SPD]: Mal ran!)

Ich glaube, daß wir die Dinge auch in diesem Jahr mit gutem Mut angehen können. Denn es hat sich ja gezeigt — die Kollegen haben das hier deutlich
gemacht —, daß es uns auch im Vorjahr gelungen ist, mehr dieser jungen Menschen sukzessive, Monat für Monat eine Bildungschance, eine Ausbildungschance zu geben. Sie kennen die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit. Ich möchte nur noch einmal darauf verweisen, daß etwa schon bis zum Dezember vergangenen Jahres weitere 22 000 Jugendliche vermittelt worden sind.

(Kuhlwein [SPD]: Und wieviel waren wieder ausgeschieden?)

— Diese Ausgeschiedenen werden immer wieder neu aufgenommen; das wissen Sie, Herr Kollege Kuhlwein.

(Kuhlwein [SPD]: Aber nicht in die Statistik! Das ist doch Quatsch! So stimmt das doch nicht!)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal feststellen — dies ist eine Aussage, die ich auch gegenüber den Medien mache

(Zuruf des Abg. Lutz [SPD])

— Herr Kollege Lutz, ich habe den Eindruck, Sie wollen gar nicht, daß junge Menschen jetzt noch vermittelt werden —,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kuhlwein [SPD]: Pfui, pfui, pfui! — Frau Steinhauer [SPD]: So was von Unverfrorenheit! Weitere Zurufe von der SPD)

daß es jetzt darauf ankommt, den Jugendlichen, die heute noch nicht vermittelt sind, zu helfen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist vorrangig Ihre Aufgabe! — Frau Steinhauer [SPD]: Gucken Sie sich einmal Ihre Initiativen an!)

Was ist zu tun? Zunächst: Die Bundesregierung hat das Benachteiligtenprogramm im Haushaltsentwurf 1986 auf 275 Millionen DM aufgestockt. Erlauben Sie mir, auch einmal darauf hinzuweisen, daß das Benachteiligtenprogramm einschließlich des Sonderprogramms 1983 in meiner Amtszeit insgesamt ein Volumen von 747 Millionen DM umfaßt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich denke, dies ist ein großer Beitrag zu einer sehr gezielten und sozialen Bildungspolitik. Im übrigen haben wir für überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen und -stätten 205 Millionen DM in den Haushalt eingestellt. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren 805 Millionen DM für überbetriebliche Bildungsstätten zur Verfügung gestellt. Auch dies ist eine Leistung des Bundes für die Ausbildung junger Menschen.
Lassen Sie mich weiter erwähnen, daß die Bundesregierung — im Gegensatz zu manchen anderen Bereichen —

(Zuruf von der SPD: Na, Vorsicht!)

ihr Ausbildungsplatzangebot weiter gesteigert hat, nämlich um 4,5%,

(Zuruf von der SPD: Donnerwetter!)




Bundesminister Frau Dr. Wilms
so daß wir in diesem Jahr mit 31 500 Ausbildungsplätzen aufwarten können. Ich wünschte mir, daß alle Wirtschaftsbereiche und auch alle gemeinwirtschaftlich organisierten Bereiche

(Feilcke [CDU/CSU]: Sehr gut! — Daweke [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Jahr für Jahr eine solche Steigerung ihrer Ausbildungsleistungen vorweisen könnten. Ich darf ergänzend darauf verweisen, daß auch das Bildungshilfenprogramm des Bundesarbeitsministers verbessert und verlängert wird.
Frau Kollegin Steinhauer, Sie haben völlig zu Recht auf die regionalen Unterschiede hingewiesen. Ich bedauere sehr, daß die Situation ausgerechnet in unserem gemeinsamen Heimatland NordrheinWestfalen so miserabel ist. Von den zehn schlechtesten Arbeitsamtsbezirken hinsichtlich der Ausbildungssituation liegen leider fünf Bezirke in Nordrhein-Westfalen.

(Seiters [CDU/CSU]: Rau! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Peinliche Polemik! — Weitere Zurufe von der SPD)

Die Bundesregierung ist bereit — ich habe die Zahlen vorgetragen —, auch regionale Hilfen zur Verfügung zu stellen. Allerdings weise ich darauf hin, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist, alle regionalen Schwächen auszubügeln. Denn diese regionalen Schwächen — ihre Ursachen reichen zum Teil weit in die Vergangenheit zurück — liegen auch in falscher und mangelnder Wirtschaftsstrukturpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hornung [CDU/CSU]: So ist das in Nordrhein-Westfalen!)

Das Thema Mädchen ist hier hinlänglich behandelt worden.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Nein, überhaupt nicht, jedenfalls viel zu wenig!)

Ich unterstreiche sehr — Sie kennen meine Bemühungen —, daß wir die Angebote für Mädchen strukturell verbessern wollen, verbessern werden; wir sind hier ein Stück vorangekommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, daß wir — es wird Sie nicht verwundern — den Vorschlägen des Kollegen Kuhlwein, eine Umlagefinanzierung vorzusehen bzw. eine entsprechende Abgabe zu erheben, selbstverständlich nicht folgen können.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Begründung?)

Ich halte es nicht für gut, die Wirtschaft Jahr für Jahr mit solchen Forderungen zu verunsichern. Die Wirtschaft darf davon ausgehen, daß von dieser Bundesregierung — ich nehme an: von dieser Koalition — solche gesetzlichen Maßnahmen nicht auf den Weg gebracht werden.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die Wirtschaft kann sich auf die CDU verlassen! — Weitere Zurufe von der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016301600
Das Wort hat der Abgeordnete Vogelsang.

Kurt Vogelsang (SPD):
Rede ID: ID1016301700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Minister Wilms, bevor ich zur Sache komme, muß ich einen Vorwurf, den Sie gegen uns erhoben haben, mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Ich denke, es ist der Sache nicht angemessen, einem Teil dieses Hauses zu unterstellen, er wolle nicht, daß alle Jungen und Mädchen einen Ausbildungsplatz bekommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Feilcke [CDU/CSU]: Sie wollen doch den Mißerfolg herbeireden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn wir zum drittenmal leider gezwungen waren, diese Aktuelle Stunde zu beantragen, dann doch nicht deshalb, um dieser Regierung etwas am Zeuge zu flicken — das besorgt sie selbst viel besser, als wir das können —,

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

sondern es geht vielmehr einfach darum, daß wir unser Gewissen nicht einschläfern können gegenüber 60 000 jungen Menschen, die in diesem Herbst keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, und deren Eltern.

(Beifall bei der SPD)

Ich will hier nicht nur als Anwalt einer Fraktion sprechen; ich will heute morgen als Anwalt dieser Mädchen und Jungen und deren Eltern sprechen, damit wir sie nicht vergessen. Ich schließe mich dem Dank an die ausbildende Wirtschaft an. Aber es ist ungenau, Frau Dr. Wilms, wenn hier im allgemeinen von „der" Wirtschaft gesprochen wird.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt doch große Unterschiede. Wenn Sie sagen, „die" Wirtschaft trage das Konzept der Bundesregierung mit, ist das sachlich falsch, weil der größere Teil der Wirtschaft eben nicht ausbildet und damit Ihr Konzept nicht mitträgt.

(Beifall bei der SPD — Feilcke [CDU/CSU]: Insbesondere die Gemeinwirtschaft! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die Mitbestimmten!)

Sie haben vor zwei Tagen im Kabinett beschlossen, den jungen Männern ab 1989 durch die Verlängerung der Wehrdienstzeit von 15 auf 18 Monate eine erweiterte Pflicht aufzuerlegen.

(Dr. Schierholz [GRÜNE]: Und des Zivildienstes!)

Sie sagen heute: 92 % haben einen Ausbildungsplatz bekommen. Damit wollen Sie die 8 % derjenigen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, relativieren. Ich frage Sie: Welch ein Aufschrei der Empörung würde durch dieses Haus gehen, wenn 8 % der durch diesen Beschluß des Kabinetts betrof-



Vogelsang
fenen jungen Leute aufstünden und sich zum Totalverweigerer erklärten?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen das nur, damit Sie in Zukunft diese Relativierung der Zahlen unterlassen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich will Ihnen damit auch sagen: Sie werden sehr kritisch gegenüber jungen Leuten sein, die sich einer staatlichen Verpflichtung entziehen. Ich habe das Wort „Totalverweigerer" gebraucht.

(Günther [CDU/CSU]: Ein böses Wort!)

— Das Wort kommt insoweit von Ihnen. Ich räume ein: Es ist ein böses Wort. — Wie wollen Sie all die vielen Unternehmen bezeichnen, die Ihr Kabinettskollege Blüm als „Trittbrettfahrer" tituliert und die im Grunde genommen auf diesem Feld trotz aller Appelle von allen Seiten des Hauses und von allen Institutionen weiterhin wie Totalverweigerer handeln?

(Zuruf des Abg. Hornung [CDU/CSU]) Das ist doch der Punkt.

Ich räume ein: Es ist richtig, daß die Bundesregierung in ihrem Aufgabenbereich mehr Ausbildungsplätze geschaffen hat. Es ist auch richtig, daß wir fast gemeinsam eine Aufstockung des Benachteiligtenprogramms wollen.

(Zuruf des Abg. Kuhlwein [SPD])

Es ist auch richtig, daß Sie die Politik der vorangegangenen Regierung in bezug auf die überbetrieblichen Ausbildungsstellen weiterverfolgen.
Nur: Die Zahlen zeigen uns, Frau Wilms, daß das — dies ist der entscheidende Punkt — alles nicht ausreichend ist. Wir möchten Sie aus der Ecke des Immer-nein-Sagens herausholen. Wir möchten, daß Sie bereit sind, mit uns gemeinsam darüber nachzudenken, was man tun kann, damit auch diese 60 000 einen Ausbildungsplatz bekommen.

(Beifall bei der SPD — Feilcke [CDU/CSU]: Das war eine langweilige Pflichtübung!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016301800
Das Wort hat der Abgeordnete Herr von Waldburg-Zeil.

Graf Alois von Waldburg-Zeil (CDU):
Rede ID: ID1016301900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Vogelsang, Sie haben mit Recht gesagt, es sollten uns nicht nur die tagespolitischen Fragen interessieren, sondern die Zahlen, die hier zum Ausdruck kämen, hätten einen bildungspolitischen Hintergrund. Ich würde diese bildungspolitische Entwicklung gern kurz charakterisieren. Sie hat nämlich weder mit „Wende" als Konzept noch mit „Wende" als Vorwurf etwas zu tun, sondern sie zeigt eine Abstimmung mit Kopf und Fuß durch den Bildungskunden.
92 000 Ausbildungsplatzbewerber haben Fachhochschul- oder Hochschulreife; einschließlich der Studienabbrecher und der Hochschulabsolventen sind es bereits 14,3 % aller Bewerber um betriebliche Ausbildungsplätze. Da kann man sicher bedauern, es würden Bildungschancen nicht genutzt; aber ehrlicher wäre es, zuzugeben, daß es eine grundvernünftige Sache ist, sich für einen Bildungsweg zu entscheiden, der auch berufliche Aussichten eröffnet,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

statt das Heer der akademischen Arbeitslosen — siehe Lehrerschwemme — sinnlos zu vergrößern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat die SPD vorgegaukelt!)

Ceterum censo, Herr Kollege: Bildungspolitisch ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Fort- und Weiterbildung im Baukastenprinzip für spätere Jahre anzubieten.
Eine wichtige Frage ist allerdings, ob die bildungspolitische Neuorientierung — hin zur beruflichen Bildung im dualen System, weg von allzu theoretischer, weg von nur am momentanen Interesse orientierter, weg von die ganze Jugend- und junge Erwachsenenzeit verschlingender Erstausbildung — nicht zu Verdrängungswettbewerben führt. Darauf ist schon hingewiesen worden.
Gerade in den traditionell von Hauptschülern besonders gefragten gewerblich-technischen Berufen aber und im Handwerk ist die Nachfrage bereits deutlich gesunken. Nein, dieser Verdrängungswettbewerb findet an sich nicht statt;

(Zuruf von der SPD: Aber sicher findet der Verdrängungswettbewerb statt!)

das Problem liegt — Frau Männle ging darauf schon ein — bei den Mädchen, speziell bei den Mädchen, die ihr Interesse weiter auf den kaufmännischen und den Verwaltungsbereich sowie auf den Dienstleistungsbereich konzentrieren.
Ich bin vollkommen damit einverstanden, daß wir nun versuchen sollen, die anderen Berufe für die Mädchen aufzuschließen. Ich glaube aber, daß wir ein Zweites tun sollten: Wir sollten vor Ort auch die sehr unterschiedlichen Wünsche von Mädchen stärker berücksichtigen und hierauf unsere Anstrengungen konzentrieren.
Ein Wort zu den Zahlenspielen! Die Vermittlung von 92 % aller Ausbildungsplatzsuchenden zum 30.9., die neuen Rekorde sowohl in angebotenen Ausbildungsplätzen als auch in abgeschlossenen Verträgen, der nahezu völlige Abbau des Vorjahresrestes und die entsprechend günstigen Aussichten für die in diesem Jahr noch Unvermittelten zwingen j a die Opposition geradezu, von den in eigenen Regierungszeiten geschaffenen statistischen Daten abzurücken und andere Berechnungen anzustellen, um das günstige Bild nachzudunkeln.
Ein Versuch ist dabei allerdings unbegreiflich: Nachdem die SPD durch zwei Jahrzehnte alles Heil der Lebenschancen der Menge theoretischer Bildung zugeordnet hatte, beklagt sie nun als den Unvermittelten zuzurechnende Gruppe diejenigen jungen Menschen, die aus eigener Entscheidung — weil sie den Ausbildungsplatz, der sie interessierte, nicht erhielten — nach dem Hauptschulabschluß die mittlere Reife, nach dieser das Abitur, den Ab-



Graf von Waldburg-Zeil
Schluß einer beruflichen Vollzeitschule oder ein Studium anstreben. Die Abqualifizierung eines bildungsmarktwirtschaftlich vernünftigen Verhaltens als Warteschleife oder Benachteiligung entspringt dem alten bildungsplanwirtschaftlichen Denkmodell: Die Wahrnahme von Bildungschancen ist nur gut, wenn sie als Ausschöpfung von Begabungsreserven organisiert wird; wird sie aber von jungen Bürgern in Abwägung tatsächlicher Angebote wahrgenommen, ist es plötzlich eine bildungspolitische Katastrophe. Das verstehe, wer will!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016302000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1016302100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß wir unserer Aufgabe gerecht würden, wenn wir diese Debatte als eine bildungspolitische Detaildiskussion verstünden. Worum geht es denn wirklich? Nicht nur wird insgesamt rund 100 000 jungen Menschen — mit allen zusammen — der direkte Einstieg in den Beruf verwehrt, es werden auch bis zu 15% der Ausgebildeten in die Arbeitslosigkeit entlassen. Eine halbe Million junger Menschen ist arbeitslos. Die Frage ist: Reicht es aus, allein auf die Kräfte des autonomen Marktes zu setzen? Reichen denn Appelle aus?
Sie hatten doch versprochen, wenn wir den Unternehmern verbesserte Rahmenbedingungen schüfen, wenn die Kosten der Produktion gesenkt würden, wenn die Gewinne verbessert würden, dann würden für nach Arbeits- und Ausbildungsplätzen Suchende neue Chancen geschaffen. Das hatten Sie versprochen, und heute stellen wir fest: Das Gegenteil ist eingetroffen.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Arbeitslosigkeit verfestigt sich. Wir haben nach wie vor rund 100 000 junge Menschen — mit denjenigen, die unter die berühmten schulischen Maßnahmen der Bundesanstalt fallen —, die keine Chance bekommen. Nachdem Ihr Modell nicht funktioniert, müssen wir uns jetzt Gedanken machen, welche anderen Mechanismen wir in Gang setzen müssen, damit wir das Problem lösen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist doch schon geschehen, nur haben Sie es noch nicht bemerkt!)

Sie haben gesagt — und ich unterstreiche das —, daß es gut ist, daß wachsende Teile des Handwerks seiner Aufgabe nachgekommen sind. Wir sagen an dieser Stelle erneut allen denjenigen Dankeschön, die dazu beigetragen haben, daß es jungen Leuten möglich gemacht wird, einen Einstieg in das Berufsleben zu bekommen.
Ich lese Ihnen aber einmal vor, was das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung geschrieben hat und was über dpa gestern gemeldet worden ist: „Die erstaunliche Erhöhung der Ausbildungsintensität im Handwerk ist nicht allein auf die Appelle von Regierungen und Verbänden zurückzuführen. Die Lehrherren stellen zunehmend Auszubildende an Stelle von Vollerwerbskräften ein." Das ist ein Problem, auf das Sie bisher noch keine Antwort gefunden haben.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wir haben Ihnen Jahr für Jahr, drei Jahre lang hintereinander, die notwendigen Sofortmaßnahmen angeboten. Sie haben Ihre Ideologie über Ihre eigenen Pflichten gestellt. Das ist das Problem.
Jeder, der weiß, daß drei Viertel der Industrie und die Hälfte des Handwerks nicht ausbildet, und wer erkennt, Herr Dr. Blüm — da sitzt er ja schon! —, daß es Trittbrettfahrer gibt, der muß Ihnen sagen: Kommen Sie doch endlich dazu, Lösungen anzubieten, wie man den Trittbrettfahrern den Preis abverlangt, den sie bezahlen müssen. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Blüm, manchmal kommen Sie mir vor, wie eine Szene aus dem Untergang der „Titanic": Der Leichtmatrose Norbert Blüm auf dem Ausguck sagt: „59 000 sind jetzt in den Rettungsbooten, rund 40 000 haben einen Rettungsring, sind in den schulischen Maßnahmen, aber ansonsten haben wir eine glänzende Mannschaft auf der Titanic, die beste Regierung Europas", und die Musik — das Panikorchester — spielt dazu. Das ist Ihr Beitrag zur Lösung der Probleme der Jugend.

(Pfui-Rufe bei der CDU/CSU — Rossmanith [CDU/CSU]: Sie sind das Panikorchester!)

Wir schlagen Ihnen vor, daß Sie das richtig erkannte Problem nicht durch Lostrommeln zu lösen versuchen, sondern diese Betriebe zur Lösung der finanziellen Probleme heranziehen, damit endlich allen Jugendlichen die Chance gegeben wird, die sie brauchen und unsere Gesellschaft dazu.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Machen Sie immer solche Sprüche? — Weisskirchen als Heerführer des Panikorchesters!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016302200
Das Wort hat der Abgeordnete Scharrenbroich.

Heribert Scharrenbroich (CDU):
Rede ID: ID1016302300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Parlamentsneuling habe ich immer noch die Hoffnung, daß eine Aktuelle Stunde einen Sinn hat, und sie hat einen Sinn, wenn sie den Menschen hilft.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Da habe ich allerdings den Eindruck, Herr Kollege Weisskirchen, daß Ihre Schreierei, die Sie hier veranstaltet haben, den Betroffenen absolut nicht hilft. Trotzdem danke ich der SPD, daß sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat; denn sie gibt uns die Gelegenheit, erstens den Lehrstellenrekord, den wir mit Hilfe der Wirtschaft im dritten Jahr aufgestellt haben, darzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Scharrenbroich
Zweitens hilft diese Aktuelle Stunde, den jungen Leuten zu sagen : „Ihr könnt auf diese Bundesregierung vertrauen." Die Tatsachen belegen, daß sie Vertrauen in uns haben können.
Drittens. Wir können den Beteiligten im Handwerk, in den Kammern, in der Bundesanstalt für Arbeit für die Anstrengungen danken, die sie unternommen haben.
Wir müssen jetzt — viertens — vor allen Dingen appellieren, daß diejenigen, die noch nicht versorgt sind, jetzt versorgt werden. Wir müssen uns alle zusammentun.
Ich muß eigentlich bedauern, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hier polemisieren, wir würden 30 000 bis 40 000 Jugendliche in Ersatzmaßnahmen schicken. Ich darf diese Ihre Zahl, Herr Kollege Kuhlwein, noch einmal zitieren. Damit ist doch endlich belegt, daß diese Regierung die Vermittlung von Arbeitsplätzen für Jugendliche nicht nur der Wirtschaft, nicht nur den Kräften des Marktes überläßt, sondern daß wir unser Instrumentarium der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich einen Satz zu dem Thema Ausbildungsplatzabgabe sagen. Sie haben die nicht eingeführt, und wir werden sie nicht einführen. Aber ich appelliere an meine Freunde in den Gewerkschaften: Damit ihr endlich glaubwürdig werdet und eure Glaubwürdigkeit fördert, macht doch das, was die IG Bau Steine Erden durchgeführt hat und was die IG Chemie beantragt hat, aber sonst keine einzige Gewerkschaft beantragt hat, daß nämlich für die Branche eine Kostenumlage in Tarifverhandlungen angestrebt wird. Warum hat das denn keine einzige Gewerkschaft aufgegriffen?

(Zurufe von der SPD)

Als wir von den Sozialausschüssen die IG Chemie unterstützt haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wurden wir von anderen DGB-Gewerkschaften beschimpft, daß wir diesen Weg vorgeschlagen haben, der pragmatisch ist.
Wir haben — ich will drei wichtige Punkte nennen — die jetzige Lage erstens dadurch geschaffen, daß wir die Rahmenbedingungen verbessert haben. Wir haben nämlich die Beschäftigtenzahl steigern helfen. Das ist eine Sache, wozu Sie nicht in der Lage gewesen wären. Das ist die Grundlage für jede Lösung des Ausbildungsproblems.
Zweitens haben wir die Rechtsvorschriften geändert, die der Ausbildung geschadet haben. Wir haben dafür gesorgt, daß Totschützen aufhört. Wir haben das Arbeitsstättenrecht reformiert. Wir haben die Ausbildereignungsordnung angepaßt. Wir haben die Nichtanrechnung der Auszubildenden beim Zugang von Betrieben zum Kurzarbeitergeld geändert. Wir werden im Arbeitszeitrecht die Ausbildungschancen junger Frauen verbessern.
Drittens werden wir heute bereits in der ersten Lesung der Siebenten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz klarmachen, daß uns auch die zweite Schwelle wichtig ist, daß wir hier ein Instrumentarium anbieten, daß wir, wenn wir sagen, die Wirtschaft soll über Bedarf ausbilden, hinterher die Jugendlichen, die so ausgebildet worden sind, nicht allein lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte zum Schluß noch eines sagen. Es wäre gut, wenn die Opposition statt Wehklagen und Anklagen auch einmal konstruktive, realisierbare Wege und Konzepte vorlegen würde.

(Zurufe von der SPD: Wir tun das!)

Meine Damen und Herren, mit Phantastereien und Ideologie ist den Arbeitnehmern noch nie geholfen worden. Glücklicherweise wissen das auch mehr Jugendliche, als der Opposition lieb ist.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016302400
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1016302500
Herr Präsident! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! In der Tat war man sich hier Gott sei Dank in einem einig: daß es darum geht, die 60 000 unversorgt gebliebenen Jugendlichen in den Vordergrund zu stellen. Es sind mehr. Sie haben nämlich die 35 000 in den schulischen Maßnahmen vergessen. Wir müssen hier von 100 000 reden. Es tut mir leid und ich empfinde es als ein Trauerspiel, daß man jedes Jahr, und zwar zweimal jährlich, darangeht, sich hier in Zahlenspielen zu ergehen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das tun Sie!)

indem man jetzt von 92% Versorgten und von nur 8% Unversorgten redet. Es ist in der Tat ein Lehrstellenrekord, Frau Wilms, aber es ist auch ein Rekord an unversorgt gebliebenen Jugendlichen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das muß man damit auch mal zum Ausdruck bringen. Dankbar ist die SPD-Fraktion natürlich auch. Aber wir wehren uns energisch dagegen, den Dank pauschal an die Totalverweigerer, an die, die nicht ausbilden, hier abzustatten.

(Beifall bei der SPD)

Solange das geschieht, machen Sie sich halt nicht daran, die in die Pflicht mit einzubeziehen.
Und jetzt wollen wir mal geschwind ins Detail gehen, weil der Herr Kollege vorhin gesagt hat, wir täten gar nichts, als zweimal im Jahr diese Bundesregierung hier vorzuführen. Wir haben, weil man es in diesem Sommer absehen konnte, sehr wohl gewußt, wie es am Ende des Berufsbildungsjahres aussehen wird, und haben ein Sofortprogramm vorgelegt. Dieses liegt auf dem Tisch.

(Zuruf des Abg. Kuhlwein [SPD])




Frau Odendahl
Ich übergebe es dem Herrn Kollegen nachher sehr gern. Er kann da mal nachlesen. Da stehen ganz nützliche Dinge drin.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da stehen auch sehr nützliche Dinge für Mädchen drin. Es geht doch nicht, Frau Wilms, daß man diesen Mädchen immer wieder vorhält, es seien ja eine ganze Menge Angebote im gewerblich-technischen Bereich vorhanden. Wie sieht es denn in meiner Region Mittlerer Neckar aus? Die Frau Kollegin hat das vorhin angesprochen. Natürlich gibt es da ein größeres Angebot an Ausbildungsplätzen. Aber die Arbeitgeber stellen schon von sich aus die Bedingung: Bitte keine Mädchen im gewerblich-technischen Bereich.

(Kuhlwein [SPD]: So ist es! — Hornung [CDU/CSU]: Das ist doch nur pauschal zu sagen!)

Ich halte gar nichts von Lehrstellenbörsen, auf denen Mädchen dann feststellen, daß sie einen ganz geringen Kurswert haben.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr! — Beifall des Abg. Toetemeyer [SPD])

Wenn Frau Wilms es ernst nimmt, daß man auch den Mädchen die neuen Technologien eröffnen muß, dann müssen dafür von der Bundesregierung Mittel bereitgestellt werden, statt zu Schnupperkursen bei der „Brigitte" aufzurufen, die ein bißchen Fingersystem auf dem Computer erklären. Wir brauchen dafür qualifizierte Ausbildungslehrgänge. Die werden in der Wirtschaft leider im Moment im Computerbereich nur von 1 600 Betrieben angeboten, während der Bedarf viel größer ist.
Also noch mal unser nachdrücklicher Appell heute: Nehmen Sie dieses Sofortprogramm in die Hand. Da sind deutlich Wege aufgezeigt. Mit Nichtstun werden Sie im nächsten Jahr eine noch miesere Bilanz vorweisen müssen.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016302600
Das Wort hat der Abgeordnete Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (CSU):
Rede ID: ID1016302700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einen Dank an Sie, Frau Kollegin Odendahl, daß Sie den Lehrstellenrekord, den wir dieses Jahr erzielt haben, expressis verbis vor diesem Haus für Ihre Fraktion zum Ausdruck gebracht haben.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

— Ich komme auf diesen Zwischenruf gleich zu sprechen, sehr verehrte Frau Däubler-Gmelin. Denn wenn es nach Ihnen gegangen wäre — lassen Sie mich die Zahlen gleich vorweg sagen —, dann hätten wir eine noch viel, viel schlechtere Bilanz.

(Lachen bei der SPD)

Ich will natürlich, Frau Odendahl, auch auf die 8 % eingehen. Wie kommen Sie denn zu der vermessenen Behauptung, wir würden uns darüber freuen, daß es 8 % sind?

(Zuruf des Abg. Kuhlwein [SPD])

Natürlich fühlen wir mit den knapp 60 000, die noch auf der Straße stehen und im Moment noch keine Lehrstelle haben, und wollen ihnen helfen und haben ihnen im vergangenen Jahr, als wir ähnliche Zahlen hatten, geholfen, so daß wir von diesen knapp 60 000 jetzt nur noch knapp 4 000 unterbringen mußten.

(Frau Steinhauer [SPD]: Wer hat denn das Programm gemacht?)

Nur, lassen Sie mich eines sagen: Jeder dritte unvermittelte Ausbildungsstellenbewerber kommt aus einer Region, die Sie, Frau Steinhauer, vertreten: aus Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf der Abg. Frau Steinhauer [SPD])

Fragen Sie doch mal Ihren designierten Kanzlerkandidaten, Herr Vogel, was er denn dagegen zu tun gedenkt

(Dr. Vogel [SPD]: Stuß!)

— sehen Sie, Sie bezeichnen das als Stuß, Herr Vogel. Das spricht für Sie —,

(Zurufe von der SPD)

daß in Nordrhein-Westfalen das Verhältnis zwischen Lehrstellenbewerbern und Lehrstellen 8 zu 1 ist,

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

während wir in Bayern ein ausgeglichenes Verhältnis haben. Wir haben sogar einen Überhang an Stellen. Sie wissen ganz genau, daß neulich eine Aktion gelaufen ist, bei der Lehrstellenbewerber von NRW nach Bayern, nach München vermittelt wurden, und zwar mit sehr großem Erfolg.

(Zuruf des Abg. Hornung [CDU/CSU])

Ich frage mich, ob das nicht eine Bilanz ist, die sich sehen lassen kann: daß wir 100 000 Lehrstellen zusätzlich geschaffen haben, daß wir über 200 000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen haben, und das zu Beginn einer Politik, die an eine Politik anknüpfen mußte, an deren Ende — man muß schon sagen — das Desaster — gelegen hatte.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das wird böse enden!)

In einem, Herr Kollege Weisskirchen, muß ich Ihnen an sich zustimmen: Das mit dem Panikorchester ist schon richtig. Nur, das Panikorchester spielen Sie,

(Zurufe von der SPD — Daweke [CDU/ CSU]: Querflöte!)

nachdem wir das Schiff gerade noch vor dem Untergang retten konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei Abgeordneten der SPD)




Rossmanith
— Frau Däubler-Gmelin, Ihnen wird das Lachen sicher noch vergehen. Wenn Sie das — diese 60 000 — als lustig empfinden,

(Zurufe von der SPD)

kann ich hier wirklich nur mit Unverständnis darauf reagieren.

(Zurufe von der SPD)

Weil Sie vorhin gesagt haben, Sie haben das nicht in Zusammenarbeit mit den Kammern getan: Das darf ich für meine Region auch erwähnen, in Zusammenarbeit mit den Kammern haben wir dieses Jahr im Regierungsbezirk Schwaben 25 % zusätzliche neue Lehrverträge im Vergleich zum Jahr 1984 abschließen können. Wir haben diese Zahl erreicht. Wir sind zu den Betrieben hinausgegangen,

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

die noch nicht ausbilden. Nur, 80 % der Arbeitnehmer sind in diesen Betrieben beschäftigt, die heute ausbilden. Lassen Sie mich diesen Betrieben, lassen Sie mich den Ausbildern, dem Personal, den Betriebsräten, lassen Sie mich aber auch den Eltern und den Jugendlichen, die sich sehr mobil gezeigt haben, ein herzliches Wort des Dankes aussprechen.
Es ist nicht so — das ist mein letzter Satz —, wie immer dargestellt wurde, daß hier nicht Lehrstellen angeboten werden. In der Freisprechungsfeier letzthin in Memmingen im Unterallgäu — in meinem Wahlkreis — sind drei Lehrlingsbeste Mädchen in gewerblich-technischen Berufen gewesen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016302800
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
— Drucksache 10/3923 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Innenausschuß, Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache.
Das. Wort hat der Herr Abgeordnete Zink.

Otto Zink (CDU):
Rede ID: ID1016302900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute die Siebte Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz einbringen, durch die jährlich rund 400 000 Arbeitslose
bzw. Arbeitnehmer begünstigt werden, dann ist es, denke ich, ein Gebot der Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, daß niemand von uns ein Patentrezept zum raschen und vollständigen Abbau der hohen Arbeitslosigkeit hat. Aber mit dieser Gesetzesnovelle werden wir einige weitere wichtige Schritte auf dieses Ziel hin machen. Es gibt seit einigen Monaten Anzeichen für eine spürbare Besserung auf dem Arbeitsmarkt. Die Auslastung der industriellen Kapazitäten ist seit Mitte 1982 um mehr als 10 % gestiegen. Die Zahl der Kurzarbeiter ist mit 100 000, gemessen an den Kurzarbeiterzahlen des vergangenen Jahres, die bei über 1 Million gelegen haben, verschwindend gering.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt spürbar an. Innerhalb der privaten Inlandsnachfrage zeigen auch die Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte erstmals seit längerer Zeit wieder spürbar nach oben.
Mitte des Jahres, meine Damen und Herren, waren die Beschäftigtenzahlen bereits um 165 000 höher als vor einem Jahr. Für das nächste Jahr läßt sich ein Andauern, ja sogar eine Verstärkung dieser positiven Entwicklungen absehen, zumal wir angesichts der hohen Preisstabilität, der guten Wirtschaftslage und der Anfang 1986 in Kraft tretenden Steuererleichterungen und neuen familienpolitischen Leistungen mit deutlichen Steigerungen der verfügbaren Realeinkommen der Arbeitnehmer rechnen können.
Wenn wir trotzdem die Hände nicht in den Schoß legen, sondern mit dieser Siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz die Ausgaben zur Qualifizierung der Arbeitslosen und Arbeitnehmer erhöhen und zweitens zur Verbesserung der finanziellen Lage von Langzeitarbeitslosen mehr als 1,3 Milliarden DM pro Jahr aufstocken, dann nicht nur deshalb, weil wir auch im kommenden Jahr wieder mit einem Zuwachs des Potentials von Erwerbslosen um mehr als 100 000 rechnen müssen, sondern vor allem auch, weil die Regierungskoalition fest entschlossen ist, alle ihr zur Verfügung stehenden seriösen und verantwortbaren Mittel einzusetzen, um auch die absoluten Arbeitslosenzahlen spürbar nach unten zu senken.

(Hornung [CDU/CSU]: Das kann man aber nur bezahlen, wenn man Geld hat!)

— Sehr gut.
Meine Damen und Herren, wir finden uns nicht mit dieser hohen Arbeitslosigkeit ab.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Selbst günstige Perspektiven sowie auch eine seit Mai dieses Jahres deutliche Tendenz zum Sinken der saisonbereinigten Zahlen genügen uns nicht. Aber ich betone noch einmal: Wir setzen alle seriösen und verantwortbaren Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit ein, und auch die Polemik der Opposition wird uns nicht davon abbringen können, die



Zink
Fehler der SPD-geführten Bundesregierung aus den Jahren 1976 bis 1980 nicht zu wiederholen.

(Hornung [CDU/CSU]: Wir räumen den Schutt beiseite!)

Schuldenfinanzierte staatliche Beschäftigungsprogramme — das hat sich in diesen Jahren eindrucksvoll erwiesen — bringen überhaupt nichts auf dem Arbeitsmarkt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zur Sache kommen!)

Bereits kurzfristig werden die positiven Beschäftigungswirkungen durch die negativen Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kompensiert, durch höhere Zinsen, durch höhere Preissteigerungsraten, die zur Gefährdung zahlreicher Dauerarbeitsplätze geführt haben. Später käme, wenn wir es täten, wie gehabt, der große Katzenjammer. Wir haben ja gesehen, wie der Arbeitsmarkt in den Jahren 1981/82 fast zusammengebrochen ist, als die SPD-geführte Bundesregierung

(Hornung [CDU/CSU]: Auch zusammengebrochen ist! — Zuruf von der SPD: So ein Unsinn!)

die Programme wegen des von ihr verschuldeten erbärmlichen Zustandes der öffentlichen Kassen nicht mehr durchhalten konnte, bei allem Bemühen um rasche und wirksame Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Wir weigern uns, Politik nur für den Wahltag zu machen. Wir weigern uns, Augenwischerei statt verantwortliche Politik zu betreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir können Politik nicht nur nach dem Motto machen: Nach uns die Sintflut, auch nicht, wenn es um das wichtigste innenpolitische Anliegen geht, das wir haben, um den Abbau der hohen Arbeitslosigkeit. Aber wir handeln, wann immer sich die Chancen für eine wirksame Maßnahme bieten. Als erkennbar wurde, daß sich auf Grund unserer konsequenten Sparbemühungen und der erhöhten Beschäftigungszahlen als Folge unserer erfolgreichen Wirtschaftspolitik

(Lutz [SPD]: Das kann nicht wahr sein! — Bueb [GRÜNE]: Die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1948! Das ist eure erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik!)

Spielräume zur Finanzierung von zusätzlichen Maßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit eröffnen, daß sich die Überschüsse des vergangenen Jahres in diesem Jahr und in den kommenden Jahren fortsetzen werden, haben wir unverzüglich mit den Arbeiten an dieser heute eingebrachten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz begonnen.

(Hornung [CDU/CSU]: Hervorragend!)

Wir wollen dieses Bündel von Maßnahmen im Rahmen der siebenten AFG-Novelle so früh wie möglich, nämlich zum 1. Januar 1986, in Kraft setzen;

(Bueb [GRÜNE]: Ihr klaut doch bloß den Arbeitslosen das Geld!)

denn die Arbeitslosen und die jungen Menschen, die vor der Schwelle des Arbeitsmarktes stehen, erwarten von uns jetzt Hilfe und nicht etwa in zehn oder fünfzehn Monaten.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Finanzierung des Maßnahmenpaketes, meine Damen und Herren, ist auch mittelfristig gesichert. Es hat in den vergangenen Wochen einige Verwirrung auf Grund von Meldungen gegeben, wonach sich die derzeitige Überschußsituation bei der Bundesanstalt für Arbeit im kommenden Jahr schon wieder in ein sachliches Defizit verwandeln werde. Dies ist eine typische Teilwahrheit, die, wie meistens bei Teilwahrheiten, das Verständnis der tatsächlichen Lage völlig verstellt. Die ganze Wahrheit ist nämlich, daß bei Inkrafttreten dieser Maßnahmen zum 1. Januar 1986 im kommenden Jahr ein Teil der gut 5 Milliarden DM aufgebraucht wird, die sich bis Ende dieses Jahres bei der Bundesanstalt für Arbeit als Überschüsse ansammeln werden.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ab 1987 werden wir aber mit einer bereits beschlossenen Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge um 0,3 % und dem gleichzeitigen Sinken der Rentenversicherungsbeiträge um 0,5% die Einnahmen der Bundesanstalt für Arbeit wieder spürbar erhöhen, so daß sich die Kosten des Maßnahmenpaketes voll aus den laufenden Einnahmen finanzieren lassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, daß es uns jetzt möglich ist, diese Leistungsausweitungen aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit zu finanzieren, daß wir Ende des Jahres dort eine Rücklage von 5 Milliarden DM vorfinden, nachdem noch für den Haushalt 1983 vor dem Wirksamwerden unserer Politik nach dem Regierungswechsel ein Defizit von fast 14 Milliarden DM drohte, grenzt fast an ein Wunder.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber auch für dieses Wunder gibt es rationale Erklärungen.

(Zuruf von der SPD)

Dieses Wunder ist möglich geworden durch die erstmals seit vielen Jahren steigenden Beschäftigungszahlen und vor allem durch die Sparopfer — dies sei gar nicht unterschlagen —, die die Arbeitslosen ohne familiäre Verpflichtungen sowie andere Leistungsempfänger bei der Bundesanstalt für Arbeit in den vergangenen Jahren erbracht haben.

(Frau Zeitler [GRÜNE]: Das ist eine große Schweinerei!)

Diese Sparmaßnahmen waren keine Fehler und keine überzogenen Einschnitte, die von uns in einer ersten Spareuphorie oder unter dem Druck der Erkenntnis der tatsächlichen Kassenlage

(Zuruf von der SPD)

beim Bund und bei den Sozialversicherungsträgern
nach dem Kassensturz 1982/83 beschlossen worden



Zink
sind. Wir stehen zu diesen Sparmaßnahmen, denn es gab in den Haushalten von 1983 und 1984

(Frau Zeitler [GRÜNE]: Fragen Sie die Betroffenen!)

keine Alternative zu dieser Sparpolitik, als das Schuldengebirge im Bereich des Bundeshaushaltes und die gigantischen Strudel der Defizite bei der Arbeitslosen- und bei der Rentenversicherung die Politik nahezu handlungsunfähig machten

(Hornung [CDU/CSU]: Es war doch nahe am Chaos!)

und die Konjunktur mit eisernen Ketten am Boden festgebunden war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Arbeitslosen und die übrigen Leistungsempfänger bei der Bundesanstalt für Arbeit haben ihren Beitrag geleistet zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und zum Konjunkturaufschwung.

(Bueb [GRÜNE]: Weil ihr sie aus der Arbeitslosenversicherung rausgeschmissen habt!)

Dies ist neben den sachlichen Notwendigkeiten ein weiterer Grund, weshalb wir jetzt, nachdem sich unsere Politik auch in der Kasse der Bundesanstalt für Arbeit positiv niederschlägt, diesen Spielraum in erster Linie nutzen wollen, um die finanzielle Lage der am härtesten von der Arbeitslosigkeit betroffenen Bürger zu verbessern und die Arbeitslosigkeit mittels Qualifizierungsmaßnahmen noch wirksamer zu bekämpfen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es sind jetzt bereits mehr als zehn Jahre vergangen, seit die Arbeitslosenzahlen die Millionengrenze überschritten haben. Seit diese Grenze bei den Arbeitslosenzahlen überschritten worden ist, gibt es eine ständig wachsende Zahl von Langzeitarbeitslosen. Das gilt vor allem für ältere Arbeitnehmer, die bei der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt nur schwer wieder einen Arbeitsplatz finden können, wenn sie einmal arbeitslos geworden sind. Deshalb ist die Verlängerung der Höchstanspruchsdauer beim Arbeitslosengeld für Arbeitslose ab 45 Jahre, die dann bei älteren Arbeitnehmern ab 55 Jahre demnächst sogar 24 Monate betragen wird, ein Akt der Solidarität und eine wichtige Hilfe zur Verbesserung der Lebenssituation dieser Menschen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Gleichzeitig wird damit die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung gestärkt, denn eine Versicherung, bei der ein nicht unwesentlicher Teil der Versicherten nach Eintreten des Schadensfalles irgendwann keine Versicherungsleistungen mehr erhält, müßte sich, wenn dies ein Dauerzustand würde, die Frage nach der Existenzberechtigung gefallen lassen.
Auch die Verdoppelung der Ehegattenfreibeträge und der Kinderfreibeträge bei der Bedürftigkeitsprüfung in der Arbeitslosenhilfe auf demnächst 650 DM bzw. 300 DM ist ein Akt der Gerechtigkeit
gegenüber verheirateten Arbeitslosen, die wirklich überfällig war, nachdem diese beiden Freibeträge von der SPD-geführten Bundesregierung während ihrer gesamten 13jährigen Regierungszeit trotz hoher Inflationsraten nicht angepaßt worden sind.

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! So unsozial!)

Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen machen zu der vorgesehenen Befreiung der Arbeitslosen ab 58 Jahren von der Vorschrift, der Arbeitslosenvermittlung zur Verfügung stehen zu müssen. Ich möchte betonen, daß dies eine freiwillige Angelegenheit bleibt. Wer mit 58 Jahren als Arbeitsloser glaubt, noch eine Vermittlungschance zu haben, ist davon überhaupt nicht betroffen. Aber wir sollten doch ehrlich zueinander sein und feststellen: Die überwiegende Mehrheit der Arbeitslosen über 58 Jahre hat ja kaum eine Chance, noch einmal vermittelt zu werden. Es ist eine Lebenslüge, zu der wir sie zwingen, wenn wir den Bezug von Leistungen für sie davon abhängig machen, daß sie der Vermittlung zur Verfügung stehen.

(Toetemeyer [SPD]: Richtig!)

Die von uns hier vorgesehene Maßnahme ist nach unserer Auffassung ein Gebot der Vernunft und der Humanität.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer glaubt, diese Maßnahme — wie dies z. B. auch die Frau Kollegin Fuchs im Vorfeld getan hat — aus parteitaktischen Gründen als Manipulation der Arbeitslosenstatistik diffamieren zu müssen, der handelt in dieser Angelegenheit — um es gelinde auszudrücken — schäbig.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wir haben in der Vergangenheit alle Vorschläge, durch definitorische Änderungen die Zahl der registrierten Arbeitslosen künstlich zu senken, zurückgewiesen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, einer der Schwerpunkte dieser heute eingebrachten Novelle sind Maßnahmen, die weitere Erleichterungen und Anreize bei der Qualifizierung von Arbeitslosen bringen. Ich halte dies für einen ganz zentralen Punkt bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Immer dann, wenn sich — wie es in den Jahren 1982 und 1983 der Fall war — auf dem Arbeitsmarkt nichts bewegt, ist auch mit Qualifikationsmaßnahmen normalerweise nicht viel zu machen, aber diese Situation haben wir hinter uns gelassen:

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Offene Stellen werden wieder besetzt, neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, in manchen Branchen und Regionen halten die Unternehmer bereits intensiv nach Fachkräften Ausschau.

(Toetemeyer [SPD]: Die sie vorher nicht ausgebildet haben!)

In einer solchen Situation ist Qualifizierung nicht nur ein besserer Schutz für den einzelnen gegen Arbeitslosigkeit, sondern wird auch zum entscheidenden arbeitsmarktpolitischen Instrument, um die



Zink
Entwicklung zu einem gespaltenen Arbeitsmarkt zu verhindern, auf dem Fachkräftemangel und hohe Arbeitslosigkeit nebeneinander existieren würden.
Deshalb möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auch darauf lenken, daß wir in diesem Qualifizierungspaket vor allem Maßnahmen vorgesehen haben, die jungen Menschen dabei helfen sollen,

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

die Schwelle zum Arbeitsmarkt zu überspringen. Am Ende der Aktuellen Stunde hat diese Frage ja gerade eine Rolle gespielt. Diejenigen, deren Qualifikation in der Vergangenheit nicht ausgereicht hat, sollen durch unsere Maßnahmen eine passende Qualifikation und damit berufliche Chancen angeboten erhalten.
Angesichts der hohen Zahlen der Geburtsjahrgänge bis 1967, die jetzt auf den Arbeitsmarkt strömen, müssen wir uns darum bemühen, die Situation zu vermeiden, die sich bei einem vollen Omnibus ergibt: Wir müssen vermeiden, daß beim Zugang zum Arbeitsmarkt immer nur so viele zusteigen können, wie vorher ausgestiegen sind, während die übrigen draußen bleiben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit der siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz will die Koalition der Mitte einen weiteren Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Linderung ihrer Folgen leisten.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, daß heute auch den Unternehmen und Betrieben die große Verantwortung zukommt, diese Bemühungen zu unterstützen. Wann immer junge Menschen selbst nach Abschluß praxisnaher und moderner Ausbildungsgänge keine Arbeit finden, weil die Arbeitgeber nur Fachkräfte mit Berufserfahrung suchen, halte ich das für eine nicht gute Angelegenheit. Ich appelliere an alle Arbeitgeber, junge Fachkräfte auch ohne Berufserfahrung einzustellen und innerbetrieblich einzuarbeiten sowie entsprechend zu qualifizieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, man sollte nicht nur über einen zunehmenden Fachkräftemangel jammern. Mit politischen Maßnahmen allein ist der Arbeitslosigkeit nicht beizukommen. Ich appelliere deshalb an alle an der Wirtschaft Beteiligten, jetzt zu handeln.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016303000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lutz.

Egon Lutz (SPD):
Rede ID: ID1016303100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine unangenehme Aufgabe: Ich muß meinem verehrten Kollegen Otto Zink widersprechen. Leichter wird diese Aufgabe dadurch, daß er immer dann, wenn etwas seiner Meinung nicht entsprach, am Blatt hing; als er unsere Wirtschaftspolitik geißelte, geriet er etwas in Stottern.
Heute haben wir über einen Gesetzentwurf zu beraten, der dieser Wendekoalition, der leider auch der Kollege Otto Zink angehört, alle Unehre macht. Das, was Sie, Kollege Otto Zink, soeben als Reform gepriesen haben, ist der Wechselbalg einer solchen, und so schaut er auch aus. Wir müssen wissen: Heute wird über die Verwendung von Überschüssen entschieden, die eigentlich gar nicht hätten entstehen dürfen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Es sind Überschüsse, die durch Leistungskürzungen bei den Empfängern von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe entstanden sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir alle — Sie auch — müssen darüber nachdenken. Vernünftigerweise wäre der Überschuß, wenn er denn entstanden ist, durch eine Sparmaßnahme an die Arbeitslosen zurückzugeben.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber seit der Wende wird das alles wieder anders buchstabiert. Jetzt wird das Geld, das man den Arbeitslosen aus der Tasche gezogen hat, zu einer Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung verwendet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der kleinste Teil!)

Im Klartext heißt das: Diejenigen, die in Arbeit stehen, werden jetzt in den Genuß einer Beitragssenkung von durchschnittlich — ich setze die Einkommen sehr hoch an; Sie werden es gleich merken —1,68 DM im Monat kommen. 1,68 DM!

(Heyenn [SPD]: Tolles Verdienst der FDP)

Damit ich auf Sie komme: Für die Unternehmen rechnet sich das natürlich besser, denn pro 100 Arbeitnehmer sind es 168 Mark, die nicht mehr zu bezahlen sind.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Für Siemens — ich vermisse den Kollegen George — rechnet sich das noch besser. Dort sind es 44 400 DM. Ich sage Ihnen: Sie sollten sich schämen,

(Beifall bei der SPD)

daß Sie den Arbeitslosen das Geld nehmen und es dorthin weitergeben.

(Hornung [CDU/CSU]: Sie konnten früher noch nicht einmal dieses kleine Einmaleins! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Um Herrn Blüm zu zitieren, der erfreulicherweise unter uns weilt: „Die Arbeitslosen dürfen jetzt den Arbeitsbesitzern und ihren Chefs ein kleines Dankopfer bringen." — Ich bin nicht sicher, daß sie dankbar sind, aber das Opfer müssen sie bringen. Das wird ihnen abverlangt.
Ich meine, wir sollten uns alle gemeinsam schämen, daß so etwas überhaupt vorgeschlagen wird. Und wir sollten uns alle gemeinsam bemühen, daß in der weiteren Gesetzesberatung nicht ein solcher Irrweg eingeschlagen wird. Ich kann nur an Sie alle appellieren — es sind auch von unserer Seite im



Lutz
Augenblick nicht sehr viele im Plenum —, dies zu einem Anliegen zu machen und zu verhindern, daß Arbeitslose die Arbeitsbesitzer, um Herrn Blüm zu zitieren, künftig finanzieren. Ich finde, das ist ein schlechter Weg.
Lassen Sie mich Ihr Machwerk noch weiter durchflöhen. Der Kollege Otto Zink war da nicht so weit. Die von Ihnen vorgesehenen Rücknahmen von Leistungsverkürzungen erfolgen nur zaghaft und halbherzig. Nur gut ein Drittel des gesamten Überschusses, den Sie den Arbeitslosen genommen haben, wird an die Arbeitslosen zurückgegeben.
Die Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Bildung werden ausschließlich von dem Geld finanziert, das man den Arbeitslosen vorher durch Leistungskürzung weggenommen hat. Man soll das immer wissen, und ich sage es Ihnen in dieser Rede noch ein paarmal.

(Kirschner [SPD]: Sehr wahr!)

Gleichzeitig entlastet sich der Bund — das ist ja das Schlimme — um 549 Millionen DM, ohne dieses Geld wieder in eine vernünftige Beschäftigungspolitik — das wäre ja noch möglich — umzusetzen. Der Bund tut es nicht!

(Kirschner [SPD]: Der Finanzminister!)

— Den Finanzminister sehe ich leider nicht auf der Regierungsbank. Er hat gute Gründe, nicht anwesend zu sein, denn er hat 549 Millionen DM eingestrichen.

(Stutzer [CDU/CSU]: Sind Sie gegen eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes, Herr Kollege?)

— Wenn Sie die Geduld hätten, die ich mit Ihrem Kollegen Otto Zink auch hatte, dann würden Sie auch bei diesem Punkt noch zuhören. Ich bin längst bei der Sache. Wenn Sie es nicht begreifen, dann kann ich Ihnen leider auch nicht helfen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Doch! Noch einmal wiederholen!)

— Soll ich es noch einmal wiederholen? — Der Finanzminister spart mit diesem Gesetzentwurf 549 Millionen DM, die er den Arbeitslosen vorher aus den Taschen gezogen hat.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich manipulieren Sie auch noch an der Arbeitslosenstatistik herum. Sie erdreisten sich auch noch, das alles in der Öffentlichkeit als Reform anzupreisen. Der Minister wird es machen. Er wird wieder sagen, es sei eine der größten Reformen, die es je gab.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Er wird es tun, aber man wird ihm nicht mehr glauben.
Sie rühmen sich, daß das Unterhaltsgeld für Fortbildung und Umschulung von bisher 63 bzw. 70 % auf nunmehr 65 bzw. 75% angehoben wird. Sie verschweigen gleichzeitig, daß diese Verbesserung die
Leistungskürzungen, die Sie 1984 beschlossen haben, nicht wettmacht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Denken Sie doch mal an Ihre Kürzungen, Herr Lutz!)

— Da habe ich von diesem Podium aus deutlich genug geredet. Ich habe keinen Nachholbedarf an Kritik.

(Hornung [CDU/CSU]: Das hat Ihnen nichts genützt!)

Sie haben einen Nachholbedarf an Nachdenken. Das versuche ich heute zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Sie korrigieren den von Ihnen selbst beschlossenen Unsinn, die Aufstiegsfortbildung zur Ermessensleistung der Bundesanstalt für Arbeit zu machen. Gut so. Aber erwarten Sie dafür bitte kein Lob von uns! Sie benutzen die Überschüsse, die aus den Leistungskürzungen bei den Arbeitslosen entstanden sind — daran müssen wir Sie immer wieder erinnern —, um das Unterhaltsgeld für Berufsanfänger nach abgeschlossener Berufsausbildung wieder auf den Stand zu bringen,

(Hornung [CDU/CSU]: Für arbeitslose Jugendliche!)

der vor 1984 Gesetz war. Der Schritt ist richtig. Lob dafür verdienen Sie nicht.
Noch weniger sind Sie dafür zu rühmen, daß Sie mit dem Geld, das Sie Arbeitslosen weggenommen haben, den Unternehmern den Abschluß befristeter Arbeitsverträge per Zuschuß erleichtern. Dafür verdienen Sie kein Lob. Sie machen die von Ihnen 1984 beschlossenen Kürzungen

(Hornung [CDU/CSU]: Damit werden Leute eingestellt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— ich rede immer zum Thema; wenn Sie es noch nicht begriffen haben, schauen Sie sich das Gesetz mal an — des Übergangsgeldes für Rehabilitanten zum Teil — aber eben nur zum Teil — rückgängig. Auch dafür verdienen Sie kein Lob. Schlimm genug, daß Sie nur zu einer Teilkorrektur bereit sind.
Sie wollen mit dem Geld, das Sie den Arbeitslosen weggenommen haben, die Förderung selbständiger Tätigkeit durch Arbeitslose unterstützen. Bei Siemens würden Sie keine solche Korrektur vornehmen. Die Vorstandsetage würde lachen, wenn Sie einerseits eine Subvention wegnähmen und eine andere dem Siemens-Konzern gäben. Sie müssen einmal darüber nachdenken, was Sie mit den Arbeitslosen tun.

(Hornung [CDU/CSU]: Sie haben es den Leuten aus der Tasche gezogen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Nun schreien Sie doch nicht so, ich bin ja auch ganz moderat.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Sie müssen doch nicht schreien. Wer schreit, wer brüllt, hat unrecht. Ich brülle nicht.



Lutz
Sie wollen die Fristen für den Bezug des Arbeitslosengeldes verlängern. Dem stimmen wir zu. Wir meinen allerdings, daß die Bezugsdauer für Arbeitslose über 55 generell auf zwei Jahre ausgedehnt werden müßte, weil mit jedem Jahr Ihrer Regierungszeit die Dauer der Arbeitslosigkeit um einen Monat steigt. Das müssen Sie wissen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der Arbeitslosigkeit, die Sie uns eingebrockt haben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Sie korrigieren etwas Ihre vorherige Verschärfung der Sperrfristenregelung. Aber Sie machen das nur halbherzig und damit, wie uns scheint, völlig unzureichend.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind herzlos!)

— Das hätte ich jetzt nicht sagen wollen. Aber es stimmt: Ihre Politik ist herzlos. In der Rechnung, in der Summe ist sie herzlos. Aber ich wollte Sie heute nicht damit traktieren, weil das im Wissen des Volkes mittlerweile Allgemeingut ist.

(Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: So etwas Arrogantes! — Seiters [CDU/CSU]: Ganze neun Sozialdemokraten hören Ihren „grundlegenden" Ausführungen zu!)

— Herr Seiters, das habe ich vorhin schon gerügt. Aber die neun Sozialdemokraten wissen, daß ihnen leider eine Blockmehrheit gegenübersteht, die dieses Schandgesetz letztendlich beschließen wird.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Jetzt muß ich mich aber doch aufregen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Das Wort „Schandgesetz", diesen Wechselbalg von Gesetz, nehme ich sofort zurück, Entschuldigung. Er hat mich provoziert, ich lasse mich leider immer provozieren.
Sie verdoppeln die Freibeträge, bis zu deren Höhe das Einkommen von Ehegatten und Eltern bei einer Bedürftigkeitsprüfung in bezug auf die Arbeitslosenhilfe unberücksichtigt bleibt. Gut so, sage ich, gut so!

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Hervorragend ist das!)

Aber: Wir haben es lange genug gefordert, daß das passiert.

(Stutzer [CDU/CSU]: Warum habt ihr es denn nicht getan?)

Nicht gut ist Ihr Trick, Arbeitslose vom 58. Lebensjahr an durch eine Änderung des Arbeitslosengeldrechtes aus der Statistik herauszurechnen. Das geht nämlich so: Solche Arbeitslosen sollen auch dann Arbeitslosengeld erhalten können, wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen.

(Hornung [CDU/CSU]: Das ist doch eine gute Sache!)

Wie schön, denkt der Bundesbürger, übersieht dabei aber, daß die vermeintliche Verbesserung —
weil sie keine ist — lediglich dazu dient, Arbeitslose, die älter als 58 Jahre sind, aus der Statistik herauszurechnen.

(Hornung [CDU/CSU]: Was Sie da zu der Statistik sagen, ist ein starkes Stück! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Man kann es anders machen. Man kann den älteren Arbeitslosen Arbeit verschaffen; das ist ja auch deren Wunsch. Sie wollen j a nicht arbeitslos sein, sie wollen beschäftigt werden, sie wollen diese Republik weiterentwickeln. Aber Sie hindern sie aus ideologischer Verklemmung daran.

(Hornung [CDU/CSU]: So etwas Engstirniges habe ich noch nicht erlebt!)

Sie haben vor, die Amtszeit des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit zu begrenzen. Sie soll nur acht Jahre betragen, und eine Wiederberufung soll künftig nur um weitere vier Jahre möglich sein.

(Seehofer [CDU/CSU]: Zur Sache! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Na, gut. Ich habe zwar auch etwas gegen Lebenszeit-Präsidenten, aber wenn Sie das als Disziplinierungsmittel etwa gegen die Vizepräsidentin einsetzen wollen, dann kriegen Sie Ärger mit uns, um das hier einmal ganz deutlich zu formulieren.

(Louven [CDU/CSU]: Dafür hat er offensichtlich eine Schwäche! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

— Natürlich, die Dame ist charmant, sie ist klug und kenntnisreich, und wir stehen voll hinter ihren Aussagen. Auch heute war sie wieder im Rundfunk zu hören, und zwar in einer Weise, die ich eigentlich dem Präsidenten wünschen würde. Aber wenn's der Präsident nicht macht, muß es wohl die Vizepräsidentin tun.

(Louven [CDU/CSU]: Die wird ja auch gut bezahlt!)

— Natürlich; auch Sie werden gut bezahlt.
Es gibt in Ihrem Gesetzentwurf Elemente, denen wir zustimmen können und zustimmen werden. Ich meine allerdings, daß man weiterdenken muß. Wir Sozialdemokraten wollen eine Verbesserung des Arbeitsförderungsgesetzes, aber eine ohne Wenn und Aber. Das den Arbeitslosen zugefügte Unrecht muß rückgängig gemacht werden.

(Hornung [CDU/CSU]: Wer hat denn Unrecht zugefügt?)

Wenn Überschüsse entstehen, dann stehen sie nur
- ich sage: nur — den Arbeitslosen zur Verfügung, niemandem sonst.

(Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wer hat denn Arbeitslose in Millionenhöhe geschaffen? Das waren doch Sie!)

Wir wollen ein Arbeitsförderungsgesetz, das Arbeit wirklich fördert. Wir wollen ein Gesetz, das die von dieser Koalition beschlossenen Leistungskürzungen — ich sagte es schon — ohne Wenn und Aber zurücknimmt. Und wir wollen eine Politik von Ihnen — wir fordern sie von Ihnen; wir werden Sie



Lutz
immer drängen, diese Politik zu betreiben —, bei der Sie Ihre ideologischen Verklemmungen ablegen

(Lachen bei der CDU/CSU)

und mit der Sie bemüht sind, Arbeit, Beschäftigung zu beschaffen.

(Beifall bei der SPD)

— Ich sehe, Herr Präsident, daß ich zum Schluß kommen muß. — Wir wollen eine Politik, bei der Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit dadurch entstehen, daß es keine Arbeitslosen mehr gibt.

(Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Oh, oh, war das schwach!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016303200
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Adam-Schwaetzer.

(Abg. Toetemeyer [SPD] begibt sich aus dem Saal — Seiters [CDU/CSU]: Der neunte geht!)


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1016303300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lutz, Sie haben hier eben den Kollegen George vermißt. Ich kann Ihnen sagen, wo er ist: Er diskutiert heute morgen auf einer DGB-Veranstaltung, auf der es um das Betriebsverfassungsgesetz geht.
Ich wäre heute morgen übrigens auch gern auf dieser Veranstaltung. Auch ich habe eine Einladung. Ich habe gesagt: Ich komme gern, denn ich möchte mit Ihnen über diese Frage wirklich diskutieren. Da haben sie aber gesagt: Nein, diskutieren ist nicht! Sie dürfen sich das anhören, wie wir Sie beschimpfen, aber auf dem Podium mitdiskutieren, das geht nicht.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, das ist eine sehr merkwürdige Auffassung von Demokratie, die hier beim DGB vorherrscht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes, meine Damen und Herren, ist ein wirkliches Zeichen der Politik für Menschen, die diese Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen betreiben. Es ist ein Paket aus drei Teilen:
Erstens werden Verbesserungen beim Arbeitslosengeldbezug für ältere Arbeitnehmer eingeführt. Dies ist eine sozialpolitische Maßnahme, die im Zeichen der hohen Arbeitslosigkeit nach wir vor erwünscht sein muß.
Es wird zweitens eine Beitragssatzsenkung beschlossen werden und damit ein Einstieg in die Senkung von Lohnnebenkosten, die auch ein Mittel zur Arbeitsmarktförderung darstellt.
Es wird drittens ein ganzes Paket von Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer besseren Qualifikation von arbeitslosen Menschen führen sollen. Dies ist ein Vorschlag zum Abbau von Arbeitslosigkeit, weil leider ein Großteil der Arbeitslosen — fast 50
— keine oder nur eine sehr geringe Qualifikation aufweist.
Wir haben die Überschüsse, die bei der Bundesanstalt für Arbeit angefallen sind, maßvoll für dieses Maßnahmenpaket eingesetzt. Herr Lutz — wenn Sie zuhören könnten, könnten Sie für Ihre nächsten Argumentationen etwas dazulernen —, Überschüsse können nur dadurch entstehen, daß Beitragszahler Geld zahlen. Ansonsten gibt es keine Möglichkeit, Überschüsse zu erwirtschaften.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, weshalb wir an der Verwendung dieser Überschüsse alle beteiligen wollen: die Arbeitslosen, die Beitragszahler, alle, die überhaupt dafür in Frage kommen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016303400
Frau Kollegin AdamSchwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lutz?

(Louven [CDU/CSU]: Der stellt nur dumme Fragen, die müssen Sie nicht zulassen!)


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1016303500
Ja, bitte. Vizepräsident Westphal: Herr Lutz.

Egon Lutz (SPD):
Rede ID: ID1016303600
Frau Abgeordnete, würden Sie zugeben, daß ich dann, wenn ich mich gerade in einem Gespräch mit einer Kollegin über Sie errege, immer noch Ihr Wort im Ohr habe?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1016303700
Herr Lutz, da ich nicht in Ihrem Ohr zu Hause bin, kann ich dies natürlich nicht bestätigen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs für ältere Arbeitnehmer ist ein Vorschlag, der vom Fraktionsvorsitzenden der Freien Demokratischen Partei in einer etwas anderen Form in früheren Zeiten immer wieder ins Gespräch gebracht worden ist. Wolfgang Mischnick hat schon lange vorgeschlagen, eine stärkere Staffelung des Arbeitslosengeldbezugs nach der Beitragsleistung vorzunehmen. Dies ist ein Zeichen von Leistungsgerechtigkeit.
Die jetzt vorgelegten Vorschläge verwirklichen einen Teil dieses Konzepts, nämlich die Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs für ältere Arbeitnehmer, in der Erwartung, daß der zweite Teil, nämlich daß diejenigen, die in den Genuß dieses verlängerten Bezugs kommen, auch tatsächlich länger Beiträge geleistet haben, auch stimmt. Wir können das nicht mit Sicherheit sagen, aber es sprich sehr viel dafür, daß die Erwartung richtig ist.
Wir können es deshalb nicht mit Sicherheit sagen, weil uns die Bundesanstalt für Arbeit keine Aussage darüber machen kann, wie sich die Dauer der Beitragsleistung beim einzelnen Arbeitslosen bemißt.
Wir hoffen, daß dieser Vorschlag, den wir auch schon seit vielen Jahren ins Gespräch bringen, viel-



Frau Dr. Adam-Schwaetzer
leicht eines Tages doch noch realisiert werden kann,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

damit in einer Strukturreform der Arbeitslosenversicherung dieses Prinzip, dieses Konzept umgesetzt werden kann.
Ich komme zum zweiten Punkt, der Beitragssatzsenkung. Die Beitragssatzsenkung, meine Damen und Herren, trägt der Tatsache Rechnung, daß die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit aus den Beitragsleistungen von Arbeitnehmern und Unternehmen entstanden sind. Es ist damit ein Einstieg in die Senkung von Lohnnebenkosten. Und alle diejenigen, die heute sagen, was denn eine Beitragssatzsenkung von 0,1 Prozentpunkten solle, die frage ich, wie groß denn das Geschrei in diesem Lande immer ist, wenn eine Beitragssatzerhöhung von 0,1 Prozentpunkten irgendwo beschlossen wird.

(Lutz [SPD]: 1,68 DM!)

— Auf genau dieses Argument, Herr Lutz, wollte ich kommen. Das wird 375 Millionen DM an zusätzlichen Mitteln in die Portemonnaies der Arbeitnehmer bringen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Da kann man sagen, für den einzelnen Arbeitnehmer bedeute das nicht sehr viel — das ist wohl richtig —; aber von Ihnen wird j a immer das Kaufkraftargument in die Debatte geworfen, und das ist doch genau der Punkt, an dem das wirklich zieht: 375 Millionen DM werden mit Sicherheit weiter in die Kaufkraft der Arbeitnehmer hineingehen und damit auch ihren Beitrag zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme leisten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Und die 375 Millionen DM, meine Damen und Herren, die bei den Unternehmen verbleiben, bedeuten 375 Millionen DM weniger Kosten für die Betriebe und damit auch einen Beitrag zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme.

(Lutz [SPD]: Mir bricht das Herz erneut!)

Für uns, meine Damen und Herren, ist jedes Signal in Richtung auf eine Senkung der Lohnnebenkosten wichtig. Deshalb war die Durchsetzung dieses Punktes für uns in dem Zusammenhang von großer Bedeutung.

(Lutz [SPD]: Arme CDU!)

Dritter Punkt: Qualifikation. Hier gibt es auch in der öffentlichen Diskussion eine weitgehende Obereinstimmung, daß es notwendig ist, zusätzliche Maßnahmen, zusätzliche Angebote für eine bessere Qualifikation der Arbeitslosen zu schaffen. Es gibt nämlich eine Merkwürdigkeit auf dem Arbeitsmarkt: Einerseits stellen wir eine sehr hohe Arbeitslosigkeit fest, andererseits können Stellen nicht besetzt werden, weil Arbeitslose mit der entsprechenden Qualifikation für diese Stellen nicht vermittelt werden können. Außerdem gibt es Auffälligkeiten unter den Arbeitslosen, nämlich daß erstens ca. 50% keine oder nur eine geringe Ausbildung haben, daß zweitens Frauen stärker von der
Arbeitslosigkeit betroffen sind und daß drittens sehr viele eine Teilzeitbeschäftigung suchen, in die sie nicht vermittelt werden können.
Wir wollen, daß dieses Maßnahmenbündel, das wir vorschlagen, ein paar Kriterien erfüllt.
Wir wollen die Maßnahmen möglichst nahe am oder sogar im Betrieb durchführen.
Wir wollen keine zusätzlichen Dauerkapazitäten im überbetrieblichen Ausbildungsbereich schaffen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir wollen die Steuerung in Berufe vermeiden, die vielleicht jetzt und kurzfristig, aber nicht dauerhaft gebraucht werden.
Ich will dafür ein Beispiel nennen: Ich höre aus manchen Arbeitsamtsbezirken, daß derzeit Kanalmaurer gesucht werden, aber nicht vermittelt werden können. Wenn man einmal näher hinsieht, stellt man sehr schnell fest: Dieser Bedarf an Kanalmaurern hängt damit zusammen, daß die Gemeinden besonders hohe Umweltschutzinvestitionen, nämlich besonders hohe Investitionen in ihre Abwassersysteme, vornehmen. Dann wird ganz schnell klar: Sobald diese Maßnahmen abgeschlossen sind, ist der Bedarf an Kanalmaurern natürlich vorbei. Es wäre also nicht gerechtfertigt, eine zu hohe Anzahl von Arbeitslosen jetzt in einem solchen Beruf auszubilden; denn in einigen Jahren stünden sie wieder da und müßten von vorn anfangen.
Wir wollen eine Qualifikation in Berufen suchen, die möglichst langfristig zukunftssicher sind.

(Reimann [SPD]: Was sind das denn für Berufe?)

— Herr Reimann, das wissen Sie genauso gut wie wir: Das sind vorwiegend Berufe, die mit der Nutzung neuer Technologien im Zusammenhang stehen, d. h. einerseits in Wirtschaftszweigen, die mit der Herstellung neuer Technologien beschäftigt sind, andererseits aber auch in Wirtschaftszweigen, die den Einsatz der Produkte neuer Technologien in ihrer Produktion besonders nutzen.

(Reimann [SPD]: Konkretisieren können Sie das nicht?)

— Selbstverständlich können wir das konkretisieren. Da gibt es ganze Listen von Berufen, und ein bißchen Phantasie werden wir in dem Bereich in der nächsten Zeit ganz bestimmt brauchen.
Im übrigen bedeutet das natürlich auch, daß bei der Gestaltung der Kurse, die die Bundesanstalt für Arbeit anbietet, auch bei der Ausstattung und der Qualifikation der Kursbetreuer besonderer Wert darauf zu legen ist, daß die Voraussetzungen für solche Berufe im Zusammenhang mit neuen Technologien geschaffen werden. Das bedeutet auch, daß unter Umständen die Mittel für die Ausstattung solcher Kurse umgeschichtet werden müssen. Diese Frage müssen wir im Zusammenhang mit der Diskussion des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit prüfen.



Frau Dr. Adam-Schwaetzer
Wir wollen — letzter Punkt in dem Zusammenhang — Mitnahmeeffekte vermeiden.
Von dem vorgelegten Maßnahmenbündel werden unter anderem Frauen, die nach der Zeit der Kindererziehung in einen Beruf zurückkehren möchten, begünstigt. Ich will dafür ein paar Beispiele nennen.
Nach unseren Vorstellungen soll es möglich werden, Einarbeitungszuschüsse auch für befristete Arbeitsverhältnisse zu gewähren. Das ist ein Punkt, der besonders Frauen im Alter von 40 bis 45 Jahren zugute kommen kann. Weiterhin sollen für die Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen die Kosten für Fahrt und Arbeitsmittel erstattet werden können. Auch das ist ein Punkt, der besonders für die Frauen, die lange Hausfrauen waren und jetzt in den Beruf zurückkehren möchten, sehr wichtig ist. Wir wollen darüber hinaus, daß ein Teil Unterhaltsgeld bei der Teilnahme an einer Teilzeitbildungsmaßnahme gewährt werden kann.
Bei allen drei Maßnahmen, meine Damen und Herren, gibt es noch einen Punkt, den wir im Gesetzgebungsverfahren sehr sorgfältig prüfen müssen. Das ist die Frage der Anspruchsvoraussetzungen für diese Maßnahmen. Ich denke, daß es gerechtfertigt ist, hier weiterzugehen, als es der vorliegende Gesetzentwurf vorschlägt, damit diejenigen, von denen wir wollen, daß es ihnen zugute kommt, auch tatsächlich die Anspruchsberechtigung erhalten. Ich sehe dafür gute Chancen.

(Beifall bei der FDP)

Wir meinen darüber hinaus, daß es wichtig wäre, zu prüfen, ob geeignete Vorschaltmaßnahmen vor der Aufnahme einer qualifizierten beruflichen Bildungsmaßnahme eingeführt werden können. Hier denke ich gezielt an eine Erweiterung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des § 41 des Arbeitsförderungsgesetzes. Es hat einen Modellversuch der Bundesregierung gerade im Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg in das Berufsleben für Frauen gegeben, der gezeigt hat, daß solche Vorschaltmaßnahmen sehr wichtig sind, um Schranken, um Hemmungen für den Wiedereinstieg abzubauen. Dadurch könnte das gesamte Maßnahmenbündel noch ergänzt werden.
Einen letzten für uns wichtigen Punkt möchte ich erwähnen, nämlich, daß die vorliegenden Maßnahmen eine Förderung der Selbständigkeit bringen. Zunehmend wird deutlich, daß viele, die entweder von Arbeitslosigkeit bedroht oder schon arbeitslos sind, diesen Zustand dadurch zu beenden suchen, daß sie sich selbständig machen. Wie wir alle wissen, scheitert das sehr häufig an den mangelnden finanziellen Mitteln gerade in der Zeit des Startes. Deshalb soll nach unseren Vorstellungen ein Überbrückungsgeld für drei Monate gewährt werden können, und es sollen zusätzlich eventuell Zuschüsse zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung geleistet werden können.
Meine Damen und Herren, wir legen ein umfassendes Paket von Maßnahmen vor, die dazu beitragen können, einen Abbau der Arbeitslosigkeit zu bewirken.
Herr Kollege Lutz, Sie haben angekündigt, daß Sie innerhalb der nächsten 14 Tage einen eigenen Entwurf vorlegen werden. Ich hoffe, daß wir Sie in der Debatte Ihres Entwurfes nicht der intellektuellen Unredlichkeit beschuldigen müssen, weil Sie ja unsere Maßnahmen so schlechtgemacht haben. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie sehr viel andere Dinge vorschlagen werden; denn ich weiß aus vielen Diskussionen, daß wir in der Grundauffassung gerade im Bereich der Qualifikation in vielen Punkten übereinstimmen.
Ich hoffe also, meine Damen und Herren, daß wir in den Ausschußberatungen ein Paket schnüren können, das eine möglichst breite Zustimmung findet. Die Arbeitslosen, denen es zugute kommen soll, würden das begrüßen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016303800
Das Wort hat der Abgeordnete Tischer.

Udo Tischer (GRÜNE):
Rede ID: ID1016303900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz etwas zu Ihren Ausführungen sagen, Frau Adam-Schwaetzer. Wenn Sie den Mitbürgern das Märchen aufbinden wollen, daß jemand mit einem Arbeitslosengeld von drei Monaten, das Sie im Gesetzentwurf vorsehen, eine Firma gründen und von diesem Geld auch noch in diesen drei Monaten leben soll, dann muß sich die Republik dabei totlachen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da kommen in der Rechnung 2 400 DM heraus. Leben Sie mal die drei Monate davon, dann haben Sie das Geld allein schon an Lebensmitteln verbraucht, und dann bleibt für die Firma nichts mehr übrig. Wenn so etwas eine Liberale herausschwätzt, dann ist das sowieso eine Sache für sich.
Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP legen dem Deutschen Bundestag heute den Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vor,

(Jagoda [CDU/CSU]: Ein gutes Gesetz!)

der einer genauen Erörterung allein schon deshalb bedarf, Herr Jagoda, weil er ein Gesetzentwurf ist, der pikant in seiner Entstehungsgeschichte und skandalös in seiner Ausgangsposition ist.

(Jagoda [CDU/CSU]: Sie haben ihn nicht gelesen!)

Schließlich — und dies ist der Punkt, der Aufmerksamkeit erweckt — geht es um die Verteilung von rund fünf Milliarden DM Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die nicht von heute auf morgen als Überschuß dieser Arbeitslosenversicherungsgemeinschaft vom Himmel gefallen sind. Dieser Überschuß, um dessen Verteilung sich die Koalitionsparteien nunmehr wochenlang gestritten und gefetzt haben, ist das Geld, welches Arbeitnehmer per Versicherungsbeiträge selber erwirtschaftet haben. Es ist das Geld der abhängig Beschäftigten und nicht das Geld dieser Regierungsparteien.

(Beifall bei den GRÜNEN)




Tischer
Der Öffentlichkeit würde diese Bundesregierung, wenn es ginge, am liebsten erklären, daß diese Milliardenüberschüsse ein Geschenk des Himmels oder gar ihrer angeblich vernünftigen Haushaltspolitik wären. Wohlwollend klopft man sich in dieser Regierung vor der Öffentlichkeit an die Brust, wie es der Kollege Blüm macht, und spielt sich als Weihnachtsmann auf, der auf einmal von dem spontanen Gedanken besessen ist, barmherziger Samariter zu sein.

(Jagoda [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Weihnachtsmänner?)

An diesen Milliardenüberschüssen der Bundesanstalt für Arbeit kleben jedoch die Not und das Elend unverschuldeter Arbeitsloser, Not und Elend, welche nicht erst die jetzige Rechtskoalition eingeleitet hat, es sind die Not und das Elend, die die sozialliberale Koalition 1982 unter ihrem SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt mit der Haushaltsoperation '82 gezielt und bewußt ins Kalkül nahm, indem sie die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber ihren Versicherten unsozial und skandalös beschnitt.

(Zuruf von der SPD: Eine schöne Pflichtübung!)

So wurden allein durch die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung 1982 250 Millionen DM eingespart. In der sozialliberalen Koalition! 160 Millionen DM wurden den Betroffenen durch die Verlängerung der Anwartschaftszeit und 130 Millionen DM durch die Streichung der Mehrarbeitszuschläge vorenthalten. Dies nur als eines der zahlreichen Beispiele der unsozialen Politik der damaligen SPD/FDP-Regierungskoalition.
Nach der Übernahme der Regierung durch die Rechtskoalition aus CDU/CSU und FDP wurde das soziale Streichungsmodell der Sozialdemokraten übernommen, jedoch erheblich verschärft.
Wie seltsam die Fronten in diesem oft unglaubwürdigen Hause verlaufen können, zeigt eine Äußerung des damaligen wie heutigen CDU-Abgeordneten Haimo George, der dem damaligen SPD-Mitverantwortlichen des Sozialabbaus Egon Lutz am 20. Februar 1981 im Deutschen Bundestag vorwarf — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten —: „Sie sind auf dem besten Wege, aus dem fortschrittlichen AFG ein Armutsförderungsgesetz zu machen." Hier können Sie es nachlesen, Herr. Kollege Lutz.
Nur eineinhalb Jahre später, nämlich am 13. Juli 1983, drehte sich der Spieß herum. In der „Frankfurter Rundschau" und in anderen Zeitungen erhebt der damalige Sozialprediger George die Forderung, den Unternehmern eine Unterschreitung der Tariflöhne zu erlauben. Zwischenzeitlich wirkte George in seiner Regierungspartei aktivst an der brutalen Kürzungspolitik der Rechtskoalition mit. Allein 1984 zog man per Einsparungen im Haushaltsbegleitgesetz durch nur zehn Gesetzesänderungen im AFG den Arbeitnehmern insgesamt 1,68 Milliarden DM aus der Tasche.

(Frau Zeitler [GRÜNE]: Schweinerei war das!)

Genau hier zeigt sich auf, wie scheinheilig und unglaubwürdig Politiker der CDU/CSU, FDP und SPD ihr Handeln aufbauen und die Schwächsten dieses Landes vergackeiern. Ja, sie halten die Schwächsten dieses Landes für vergeßlich oder für dumm.
Diese verlogenen Praktiken müssen ein Ende finden. Der Bürger draußen vor Ort muß das wieder glauben können, was man in diesem Hause hier sagt, ohne daß er dabei verarscht oder veräppelt wird.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP — Bueb [GRÜNE]: Na, na! Unparlamentarisch!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016304000
Also ich habe hier schon deutlich gemacht, Herr Abgeordneter — ich unterbreche Sie dabei —, daß solche Ausdrücke hier nicht hergehören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich setze mich jedenfalls dafür ein, daß wir hier eine Sprache verwenden, die man auch schriftlich verwenden kann.

Udo Tischer (GRÜNE):
Rede ID: ID1016304100
Manchmal kann es vielleicht gar nicht schaden, wenn man die Sprache in einer Fabrik auch mal in den Bundestag hineinträgt.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Den Arbeitslosen und den versicherten Beschäftigten draußen in den Fabriken muß auch gesagt werden, daß die Milliardenüberschüsse der Bundesanstalt für Arbeit ihnen gehören und nicht außerhalb des Versicherungssystems verhökert werden dürfen. Andere Notwendigkeiten müssen über andere Mittel, aber nicht vom Versicherungsgeld der Betroffenen abgedeckt werden.
Was die Regierungsparteien nunmehr in die Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes reinpakken, spricht zum Teil Spott und Hohn. Ich möchte ein paar Beispiele nennen:
Nachdem die Bundesregierung gemerkt hat, daß der gegen die 35-Stunden-Woche angesetzte Vorruhestand gegriffen hat wie ein Sommerreifen auf einer Schipiste, sprich: von nicht einmal 40 % der Betroffenen in Anspruch genommen wurde, versucht diese Bundesregierung nunmehr, ältere Langzeitarbeitslose per Arbeitslosengeld in einen — ich nenne es einmal — Vorrentenwartestand abzuschieben, in dem sie zwar Arbeitslosengeld, jedoch keinen Beruf mehr erhalten. Auf diese Weise putzt man die Arbeitslosenstatistik sauber und läßt mal flugs 100 000 Arbeitslose von der Bildfläche verschwinden.
Ein anderes Beispiel zeigt die raffinierte, ja hinterhältige kosmetische Aktion, die schlicht und einfach unseriös ist: 1982 haben Sie das große Unterhaltsgeld von 80 % auf 70 bzw. 63 % gekürzt. Nun korrigieren Sie diese Kürzung wieder auf 65 bzw. 73%. Unterm Strich behalten Sie 7 bis 15 %. 1982 wurden die Rehabilitationsübergangsgelder von 100 auf 75 bzw. 65% gekürzt. Ihr Vorschlag jetzt ist eine Anhebung auf 80 bzw. 70 %. Unterm Strich behalten



Tischer
Sie wieder um 20 bis 30%. Das sind die Rechenkünste der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP.
Diese Fakten belegen eindeutig: Was diese Bundesregierung betreibt, ist keine Sozialpolitik, sondern eine Schummelpolitik.
Und nun kommen wir zu Ihrem Koalitionskompromiß, an dem Sie sich zwischen CDU/CSU und FDP die Zähne ausgebissen haben. Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden von 4,1 auf 4,0% gekürzt. Allerdings — und das ist die Falle der unternehmerhörigen Flick- und Freidemokraten —: Sie nehmen diese Kürzung bei den Lohnnebenkosten vor. Sie schieben dieses Geld den Unternehmern und nicht den Arbeitnehmern zu. Die Folge wird sein, daß Sie einerseits das soziale Sicherungssystem strategisch aushöhlen und die Gelder in Rationalisierungs-, also Arbeitsplatzvernichtungsprozesse investieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon sehr dumm, was Sie da sagen! — Zuruf des Abg. Suhr [GRÜNE])

Die Gesamtanalyse dieses Gesetzentwurfs ist verheerend. Sie zeigt auf, daß diese Bundesregierung den Klassenkampf von oben anmeldet, da sie Langzeitarbeitslose gewollt im Regen stehen läßt.
Ich komme zum Schluß.

(Zuruf von der FDP: Gott sei Dank!)

Die GRÜNEN verlangen eine Mindestabsicherung bei Arbeitslosen, und dies sofort, da die Probleme jetzt und nicht erst morgen brennen. Seit dem 1. Bundesarbeitslosenkongreß von 1982 in Frankfurt liegt die dort erhobene Forderung der Arbeitslosen nach 1200 DM Mindestarbeitslosengeld auf dem Tisch. Wer von dieser Bundesregierung, frage ich, und wer von Ihnen hat sich mit dieser Forderung überhaupt schon einmal auseinandergesetzt, lieber Kollege Blüm? Sie sind sich dazu zu fein, auf die betroffenen Stimmen aus dem sozialen Elend dieser Republik zu hören.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016304200
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1016304300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist ein Gesetz, das den Arbeitslosen hilft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es verbessert die Lage der Arbeitslosen und es erhöht ihre Chancen, ins Arbeitsleben zurückzukehren.
Da bin ich ganz ruhig. Ich bin ganz sicher, daß diejenigen, die nicht ein Jahr, sondern zwei Jahre Arbeitslosengeld bekommen, dies als eine Verbesserung erfahren.
Und wie zynisch muß man denn geworden sein, wie gefühllos muß man geworden sein, wenn man ein solches Gesetz als einen Wechselbalg bezeichnet?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lieber Kollege Lutz, Sie sollten mal zu einem Arbeitslosen gehen, der bisher nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen hat und es jetzt zwei Jahre bekommt und nicht in die Arbeitslosenhilfe kommt! Dem sollten Sie sagen, diese Verbesserung sei ein Schandgesetz. Diesen Mut sollten Sie mal haben! Da muß die Sozialdemokratische Partei schon sehr degeneriert sein, wenn sie das durchhalten will.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Es ist so weit mit ihr!)

Die 55jährigen werden zwei Jahre Arbeitslosengeld erhalten, bevor sie Arbeitslosenhilfeanspruch haben, die 50jährigen 20 Monate, die 45jährigen 16 Monate. Dies ist auch das Ergebnis — das will ich hier bekennen — des Dialogs mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern. Insofern verstehe ich auch nicht, warum Sie dieses Ergebnis beschimpfen, an dem doch die Sozialpartner mitgewirkt haben.
Ich habe gestern gehört, kein Millimeter habe sich bewegt. Diese Verlängerung kostet über 1 Milliarde DM. Das ist kein Millimeter, das sind Kilometer Verbesserung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir antworten auf unterschiedliche Lagen mit unterschiedlichen Maßnahmen. Wir sind gegen eine Sozialpolitik mit der Gießkanne. Es stellt sich eben heraus, daß die älteren Arbeitslosen in der Regel länger arbeitslos sind. Deshalb muß eine Sozialpolitik, die nicht von Modellen, Theorien, abstrakten Vorstellungen lebt, sondern den Menschen hilft, eine differenzierte Sozialpolitik sein. Wer 30 Jahre Beitrag bezahlt hat, hat nach meinem Gerechtigkeitsverständnis einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld als einer, der nur drei Jahre gezahlt hat; so einfach ist das.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich weise auch darauf hin, daß diese Verlängerung auch den Kommunen hilft, und zwar gerade den Kommunen, die durch Arbeitslosigkeit in hohe Bedrängnis geraten sind; das wird sie von Sozialhilfe entlasten. Nicht nur den Arbeitslosen helfen wir, wir schaffen auch Entlastung für die Kommunen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, wir schaffen ihnen wieder Investitionsspielräume.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will ja nur ein paar Details vorstellen. Sie müssen immer als Begleitmusik im Hinterkopf haben, daß die Opposition sagt: Schandgesetz, Wechselbalg. Bei allem, was ich jetzt sage, müssen Sie immer den Test machen, ob es das rechtfertigt.
Wollen Sie dem 58jährigen, dessen Vermittlungschancen leider Gottes fast null sind, zumuten, alle Vierteljahre zu einem ausführlichen Vermittlungsgespräch zu kommen? Welche Rechthaberei, welche Gefühllosigkeit! Wenn der will, soll er auf Vermittlung verzichten können und in Ruhe und Frieden mit 60 in die Rente gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Bundesminister Dr. Blüm
Also, wie dogmatisch muß man denn sein? Nur um die liebgewordene schöne schlechte Statistik zu haben, dürfen wir nichts Gutes tun. Jetzt dürfen wir schon nichts Gutes tun, damit die SPD in ihre Statistik verliebt bleiben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Statistik ist ein Stück Papier. Wir machen nicht Politik für Papier — darin sind Sie Weltmeister —, wir machen Politik für die Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im übrigen, bevor Sie da mit großen Kanonen und starken Worten herumballern und von „Wegputzen" sprechen — es ist die freie Entscheidung des einzelnen, ob er auf Vermittlung verzichtet. Im Unterschied zu Ihnen lassen wir nämlich den Menschen die Entscheidung. Das können Sie sich anscheinend gar nicht vorstellen, daß ein Gesetz sagt: Entscheidet selbst, ob ihr in der Vermittlung bleibt oder nicht in der Vermittlung bleibt. Von ,,Wegputzen" kann überhaupt keine Rede sein.

(Zurufe von der SPD)

Freie Entscheidung! Wir sind nicht der Vormund der älteren Arbeitslosen, wir sind überhaupt niemandes Vormund.

(Zuruf von den GRÜNEN: Entscheidend ist, ob sie Arbeit kriegen oder nicht!)

— Deshalb machen wir ja nicht nur Hilfe für die Arbeitslosen, indem ihre Lage verbessert wird, sondern wir machen auch Qualifizierung; ich komme gleich darauf zurück.

(Zuruf von den GRÜNEN: Die Schamröte steht Ihnen im Gesicht!)

— Ach, rot! Rot kann ich gar nicht werden. Rot sind Sie doch schon, auch wenn Sie grün getarnt sind.
Bleiben wir bei der Sache: Erhöhung des Ehegattenfreibetrags, und zwar zunächst um 50% und dann um 100 %. Dieser Ehegattenfreibetrag, der für die Anrechnung ganz wichtig ist, ist seit 1969 unverändert. Die SPD hat diese Verdoppelung als eine Selbstverständlichkeit ausgegeben. Seit 1969 unverändert! Darf ich mal die Frage stellen, wer zwischen 1969 und 1982 diese „Selbstverständlichkeit" nicht vorgenommen hat? Wenn es selbstverständlich ist, warum haben Sie es nicht schon längst gemacht? Sie hatten doch 13 Jahre Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Lutz: „Schandgesetz", ,,Wechselbalg"! Wenn wir den Freibetrag erhöhen, wird Arbeitslosen weniger angerechnet, und zwar in Mark und Pfennig. Mit großen Worten werden Sie die Arbeitslosen nicht über ihre Lage hinwegtrösten können, sondern mit Taten. Wir lassen die anderen demonstrieren und protestieren, wir handeln. Das ist wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das nächste: Qualifizierung. Es zeigt sich, daß viele Arbeitslose nicht vermittelt werden, weil ihnen Qualifikation fehlt. Fast die Hälfte sind Ungelernte. Es nutzt nichts, zu sagen: Die Jüngeren sollen halt mehr lernen. Nein, auch die Älteren haben einen Anspruch darauf, sich weiterzubilden, fortzubilden. Lernen darf nicht nur der sogenannten höheren Bildung als lebenslanges Ereignis zur Verfügung stehen, sondern lebenslanges Lernen muß auch für die berufliche Weiterbildung gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb eine große Qualifizierungsoffensive.

Wenn wir von Modernisierung sprechen, meinen wir nicht nur die Erneuerung der Maschinen — denkt doch nicht immer nur in Kapital und Investitionen! —, dann meinen wir nicht nur Erneuerung der Maschinen, sondern auch Qualifizierung der Menschen. Das ist unsere Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich schließe mich dem Aufruf an, daß wir das nicht der Bundesanstalt allein überlassen können, sondern daß die Betriebe mitwirken wollen, mitwirken müssen; denn betriebliche Weiterbildung steht nicht so sehr in Gefahr, im Wolkenkuckucksheim zu landen. Ich glaube auch, daß mancher ältere Arbeitnehmer Hemmungen abbaut, wenn er sich im Betrieb, an seinem Schraubstock, an seinem Schreibtisch weiterbilden kann und nicht erst wieder in große Institutionen eingepackt wird. Auch das ist praxis- und lebensnah. Deshalb unser Appell an die Betriebe, eine große Qualifizierungsoffensive zu unternehmen. Ein Blick nach Japan, in die Vereinigten Staaten zeigt, daß betriebliche Trainingsprogramme dort zur Alltagswirklichkeit gehören. Gut ausgebildete Arbeitnehmer sind die Voraussetzung für hochwertige Produkte, und hochwertige Produkte sind auch eine Voraussetzung, unsere Aufgabe in der Weltwirtschaft zu erfüllen.
Wir gehen neue, unkonventionelle Wege, beispielsweise daß man Teilzeit mit Bildung kombinieren kann. Auch diesen Vorschlag haben wir nicht in irgendwelchen Universitätsseminaren, sondern in der Wirklichkeit gefunden. Wenn nicht alle Ausgebildeten übernommen werden können, weil in manchen Betrieben über Bedarf ausgebildet wurde, dann übernehmen Sie sie doch wenigstens mit halben Arbeitsplätzen und die andere Hälfte mit Bildung! Halbe-halbe ist immer noch besser, als ganz arbeitslos zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Einarbeitzungszuschüsse: Laßt uns die Chance nutzen, daß Einarbeitung mit Qualifizierung verbunden wird, um auch die Chance der — ich nenne sie mal so — schwächeren Arbeitnehmer zu erhöhen, auszuprobieren, ihnen zu helfen, ob sie den Anforderungen des Arbeitsplatzes gewachsen sind, und zwar durch Qualifizierung zu helfen. So erhält der befristete Arbeitsvertrag seine eigentliche Funktion, nämlich die Brücke in den unbefristeten zu sein. Ich habe befristete Arbeitsverträge nie als das Normalverhältnis betrachtet. In ungewöhnlichen Zeiten muß man ungewöhnliche Schritte unternehmen. Befristete Arbeit ist immer noch besser, als unbefristet arbeitslos zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Bundesminister Dr. Blüm
Wir erhöhen das Unterhaltsgeld, weil wir glauben, daß derjenige, der sich anstrengt, der etwas für seine Weiterbildung unternimmt, mehr Geld erhalten soll als der, der zu Hause sitzen bleibt.
Meine Damen und Herren, da über Kürzungen in der Vergangenheit gesprochen wurde: Wir haben doch nicht aus Jux und Dollerei gekürzt, sondern wir haben gekürzt, weil im Haus der Bundesanstalt 14 Milliarden DM Defizit anstanden. Wie kann sich jemand, der uns 14 Milliarden DM Defizit hinterlassen hat, heute über Überschüsse beklagen?
Herr Tischer, Sie haben gesagt, das sei nicht das Geld der Regierung, sondern das Geld der Beitragszahler. Da muß ich Sie überraschen: Es gibt überhaupt kein Geld der Regierung, es ist immer das Geld der Steuerzahler oder der Beitragszahler.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben eine etwas autoritäre Vorstellung von Regierung. Wir haben überhaupt kein Geld; wir verwalten das Geld der Steuerzahler und der Beitragszahler.

(Zurufe von den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016304400
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tischer?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1016304500
Ja.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016304600
Bitte schön.

Udo Tischer (GRÜNE):
Rede ID: ID1016304700
Herr Kollege Blüm, Sie haben mich sicherlich richtig verstanden, daß ich vorher gesagt habe, daß dieses Geld innerhalb der Versicherungsgemeinschaft bleiben sollte und nicht außerhalb verwendet werden sollte. Um dieses Problem ist es mir gegangen und nicht um die Frage, von wem das Geld gegeben wird.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1016304800
Deshalb ist es richtig: Wir haben das Geld nicht verwandt, um es zum Bundeshaushalt zurückzuholen,

(Suhr [GRÜNE]: Das wäre auch noch schöner!)

sondern wir haben es innerhalb der Versicherungsgemeinschaft gelassen, nämlich erstens an die Arbeitslosen gegeben, die innerhalb der Versicherungsgemeinschaft sind, zweitens an die Beitragszahler, die innerhalb der Versicherungsgemeinschaft sind. Das ist alles so geblieben, wie Sie gewünscht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man muß Gesetze lesen, bevor man sie kritisiert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Das ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Kritik.

(Mann [GRÜNE]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Wir stehen vor wichtigen Wochen, in denen der DGB die Politik dieser Koalition öffentlich darstellen will. Ich will diese Gelegenheit nutzen und fordere meine Kolleginnen und Kollegen im DGB auf, dieses Gesetz, so wie es ist, auf den Kundgebungen ungeschminkt und unverändert darzustellen. Ich fordere den DGB auf, auf seinen Protestkundgebungen den Protestierenden und den Arbeitnehmern mitzuteilen, daß wir die Zahlung des Arbeitslosengeldes verlängern, daß wir die 58jährigen aus Vermittlungszwängen entlassen, daß wir den Ehegattenfreibetrag verdoppeln und daß wir für die Qualifizierung 750 Millionen DM bereitstellen. Dies muß auf den Kundgebungen dargestellt werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Arbeitnehmer sind volljährig, sie sind erwachsen. Die Wahrheit muß den Arbeitnehmern gesagt werden, dann fürchte ich diese Kundgebungen nicht.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP und Bravo-Rufe von der CDU/CSU — Mann [GRÜNE]: Wir sind hier nicht auf einer Kundgebung, Herr Minister!)

Ich will auch die Gelegenheit nutzen, um einen Appell an die Unternehmer zu richten. Dies ist die Stunde, in der eingestellt werden muß, dies ist die Stunde, in der die Gewinne für das genutzt werden müssen, wofür sie da sind. Gewinne sind nämlich kein Selbstzweck, sie sind auch nicht dafür da, auf die Sparkasse oder unters Kopfkissen gelegt zu werden, sondern sie sind dafür da, um zu investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin ganz sicher, je mehr vor diesen Karren gespannt werden, je mehr mitmachen — Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Regierung —, um so leichter und schneller werden wir die Arbeitslosigkeit überwinden und wieder Beschäftigung für Jung und Alt, für alle haben.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP und Bravo-Rufe von der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016304900
Das Wort hat der Abgeordnete Kirschner.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er spricht jetzt für seine acht Kollegen!)


Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1016305000
Herr Bundestagspräsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister Dr. Blüm, wenn Sie das Wort von der Gefühllosigkeit in den Mund nehmen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann weiß er, was er sagt!)

dann haben Sie sich doch wohl etwas vergriffen. Sie sind es doch — da können Sie sich auch nicht herausreden —, der die politische Verantwortung dafür trägt, daß heute bei der Bundesanstalt für Arbeit Überschüsse vorhanden sind, die durch Leistungskürzungen bei den Arbeitslosen, bei den Umschülern, bei den Rehabilitanden und nicht zuletzt durch die Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge an



Kirschner
die Rentenversicherung durch die Bundesanstalt für Arbeit zustande gekommen sind.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: 14 Milliarden DM hatten wir Schulden!)

Ich sage Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, noch etwas. Sie sagen, bei den DGB-Kundgebungen müßten Ihre angeblichen Leistungen hervorgehoben werden. Wir sind dafür, diese angeblichen Leistungen, also den Sozialabbau der Jahre 1983 und 1984, deutlich zu machen und die finanziellen Kürzungen und die Verschlechterungen der Arbeitnehmerrechte aufzuzeigen.

(Jagoda [CDU/CSU]: 1982 nicht vergessen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das Strukturgesetz 1982 gemacht?)

Geben Sie denn die Garantie, daß während der Ausschußberatungen — Sie sind j a gar nicht mehr Herr des Verfahrens — beispielsweise der § 116 des AFG nicht durch einen Antrag der Koalitionsfraktionen auf den Tisch kommt? Hierzu wollen wir von Ihnen die Garantie, daß auf den DGB-Kundgebungen eindeutig gesagt werden kann, daß es hier keine Änderungen geben wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen auch noch etwas mit aller Deutlichkeit, was den Sozialabbau angeht, Herr Bundesarbeitsminister: 1976 erklärten Sie: Wenn die ,Grenzen des Sozialstaates' zurückverlegt werden, sind es die Armen, die als erste ins Niemandsland geraten. Rentenniveausenkung, Selbstbeteiligung und ähnlich akademisch unschuldige Vorschläge verbreiten das Elend. Die Armen sind die letzten, die von den Segnungen des Sozialstaates,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie reden von der eigenen Armut!)

und die ersten, die von seinem Abbau erreicht werden. Rufen Sie sich das ruhig noch einmal ins Gedächtnis zurück!

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)

Dem muß man das gegenüberstellen, was Sie 1984 als Bundesarbeitsminister sagten. Da behaupteten Sie: Wir haben einen Sozialstaat aufgebaut, der verhindert, daß in unserem Staat Massenelend entsteht; stellen Sie die Landschaft nicht so dar, als seien die Arbeitslosen in einem Massenelend! — Da reden Sie von Gefühl und Gefühllosigkeit! Ich meine, Sie sollten sich diesen Spiegel selbst noch einmal vorhalten.

(Lutz [SPD]: Sehr war!)

Nun möchte ich noch etwas zu den Ausführungen des Kollegen Otto Zink sagen, den wir ja als sehr besonnenen Kollegen schätzen. Herr Kollege Zink, ich möchte Ihnen einmal etwas zu dieser immer wieder betonten „Erblast" und zur Verschuldung sagen.

(Zink [CDU/CSU]: Die ja da war!)

Sie vergessen — und wollen es vergessen —, daß
Sie als Oppositionsfraktion in den Jahren 1976 bis
1981 hier im Deutschen Bundestag ausgabenwirksame Anträge in einer Größenordnung von 147 Milliarden DM gestellt haben und die CDU/CSU—regierten Bundesländer im gleichen Zeitraum in Höhe von 201 Milliarden DM.
Was die Neuverschuldung angeht, so lebt ja der Herr Bundesfinanzminister von dem Image, Schuldenabbau zu betreiben. Rechnen wir die Bundesbankgewinne heraus; nur dann ergibt sich ja ein vergleichbares Ergebnis. Die Bundesbankgewinne wurden durch die Devisen- und Goldreserven angehäuft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie auch nicht getan!)

— Entschuldigen Sie bitte, wir rechnen dies gegeneinander auf, nämlich die letzten vier Jahre der sozialliberalen Koalition und die ersten vier Jahre der christliberalen Koalition. Sie werden feststellen, daß in unseren letzten vier Jahren bei Herausrechnung der Bundesbankgewinne eine Neuverschuldung von 140 Milliarden zustande kam, daß aber bei Ihnen eine solche von 158 Milliarden zustande kommt, also 18 Milliarden DM mehr.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Noch etwas will ich Ihnen sagen, und das müssen Sie sich anhören, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Jagoda [CDU/CSU]: So falsch haben Sie schon immer gerechnet!)

— Herr Kollege Jagoda, falls Sie im Kopfrechnen schwach sind, bin ich gerne bereit, Ihnen einen Taschenrechner zu kaufen; vielleicht hilft er Ihnen.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich möchte noch etwas zu den vielgescholtenen Beschäftigungsprogrammen sagen. Im übrigen hat j a alles, was Sie an Investitionen im Bundeshaushalt einstellen, Beschäftigungswirkung, ob Sie das nun so nennen oder nicht. Die Frage ist, wie groß diese Wirkung ist. Aber lassen Sie mich einmal aus den Pressenachrichten des Bundeswirtschaftsministeriums vom 4. Februar 1983 zitieren; ich hoffe, daß die FDP wenigstens noch zu dem steht, was sie damals mitgetragen hat. Da heißt es:
Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur" wurden von 1974 bis 1982 insgesamt rund 600 000 Arbeitsplätze geschaffen und rund 887 000 bestehende Arbeitsplätze gesichert. Durch das ERP-Regionalprogramm wurden im gleichen Zeitraum 176 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und rund 1,18 Millionen bestehende Arbeitsplätze gesichert.
Wenn Sie sich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes anschauen, werden Sie feststellen, daß nicht zuletzt durch die Beschäftigungsprogramme die Zahl der Erwerbstätigen von 25,75 Millionen im Jahre 1976 auf rund 26,95 Millionen, d. h. um mehr als 1,2 Millionen, gestiegen ist. Das ist das Ergebnis, und das können Sie nicht unterschlagen. Wenn Sie



Kirschner
hier etwas anderes in den Raum stellen, müssen Sie das erst einmal beweisen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und wenn heute die Zahl der Arbeitsplätze steigt, ist das nichts?)

Lassen Sie mich nun noch auf Sie, Frau Kollegin Adam-Schwaetzer, zu sprechen kommen. Die Art und Weise, wie Sie die Überschüsse kommentieren, ist nun wirklich an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Es gibt die Armut der Arbeitslosen; das können Sie nicht bestreiten. Hervorgerufen wird diese Armut nicht zuletzt durch Ihre Wirtschaftspolitik. Diese Armut, die immer mehr um sich greift, ist für Sie — das wissen wir — ein Fremdwort. Letzten Endes geht es in Ihrer ideologisch verklemmten Sicht wohl um nichts als um ein Verschulden der Betroffenen selbst.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Frau Adam-Schwaetzer, wir haben auch sehr genau gehört, wie Sie hier die Frauen umworben haben. Nur waren Sie es doch, die die Frauen — und dies werden wir den Frauen auch sagen —, beispielsweise durch die Kürzung des Mutterschaftsurlaubsgeldes um ein Drittel,

(Zustimmung bei der SPD) durch die Kürzungen beim Arbeitslosengeld


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

und nicht zuletzt durch die Kürzungen bei den Renten und die Erschwerungen der Zugangsvoraussetzungen bei den EU/BU-Renten besonders getroffen haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch dies werden wir natürlich nicht verschweigen; darauf können Sie sich verlassen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Gesetzentwurf kommen. Mit dieser siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz wird wieder einmal der Versuch gemacht, eine Großtat anzupreisen, die wahrlich keine ist. Seit mehr als einem Jahr wird das Phänomen der sogenannten Überschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit diskutiert. Ich darf hier einmal daran erinnern, daß wir Sozialdemokraten fast auf den Tag genau vor einem Jahr im Deutschen Bundestag einen Antrag auf Förderung der Beschäftigung eingebracht haben. Darin heißt es u. a.:
Um die Beschäftigung zu fördern, muß das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium offensiv eingesetzt werden. Doch davon kann zur Zeit keine Rede sein. Die Bundesanstalt für Arbeit „erwirtschaftet" Überschüsse in Milliardenhöhe. Der Überschuß der Bundesanstalt ist aber weder ein arbeitsmarktpolitischer Erfolg der Bundesregierung noch das Ergebnis wirtschaftlichen Aufschwungs, sondern ausschließlich Ausdruck nachhaltiger Demontage der Arbeitslosenversicherung.
Dieser Satz gilt heute noch genauso wie vor einem Jahr.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist heute genauso falsch wie damals!)

Lassen Sie mich auch folgendes deutlich machen: Die Bundesanstalt für Arbeit ist keine Sparkasse der Bundesregierung. Es ist Pflicht auch dieser Bundesregierung, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Deshalb müssen die verfügbaren Mittel der Bundesanstalt für Arbeit sinnvoll eigesetzt werden, und zwar sofort. Dies haben wir bereits vor einem Jahr gefordert.
Meine Damen und Herren, fast 900 000 bei den Arbeitsämtern gemeldete Arbeitslose erhalten überhaupt keine Arbeitslosenunterstützung.

(Bohl [CDU/CSU]: Sind Sie für oder gegen das Gesetz? Sagen Sie es doch!)

— Ja, das wollen Sie nicht hören; ich weiß das.

(Bohl [CDU/CSU]: Nein, ich will wissen, ob Sie für oder gegen das Gesetz sind!)

Aber wir halten Ihnen den Spiegel vor, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Sehr wahr! bei der SPD)

900 000 der registrierten Arbeitslosen erhalten weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe. Nur etwas mehr als ein Drittel erhält überhaupt Arbeitslosengeld. Die Zahl der Empfänger von Arbeitslosenhilfe ist heute doppelt so hoch wie vor drei Jahren. Neue Armut ist in diesem Land bittere Realität.

(Lachen bei der FDP)

— Sie können lachen. Wir wissen, daß das für Sie ein Fremdwort ist. — Die finanziellen und sozialen Folgen der Massenarbeitslosigkeit sind in unverantwortlicher Weise auf die Arbeitslosen, ihre Familien und auch auf die Sozialhilfeträger abgewälzt worden.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich will hier auch einmal daran erinnern, daß nicht zuletzt durch die Kürzungen beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitslosenhilfe das durchschnittlich ausgezahlte Arbeitslosengeld innerhalb von drei Jahren von 975,13 DM im Jahre 1982 auf 946,07 DM im August dieses Jahres zurückgegangen ist. Das bedeutet eine Kürzung um 3 % im Schnitt. Rechnen Sie da beispielsweise die rund 8 % bis 9 % Preissteigerungen gegen, dann wird deutlich, daß zusätzlich ein realer Einkommensverlust
— abgesehen davon, daß das Arbeitslosengeld weit unter zwei Dritteln des letzten Nettoentgeltes liegt
— um rund 11 % bei den Arbeitslosen noch einmal hinzugekommen ist.
Mit Ihrem Gesetzentwurf ändern Sie an diesen Problemen herzlich wenig, wie sollten Sie auch? Ihnen — allen voran Bundeskanzler Kohl — fehlt die Einsicht in die Realitäten. Ich darf aus der „Zeit" vom 1. März 1985 zitieren: „Kohl ist zufrieden mit dem Erfolg seiner Regierung. Er kann auch nicht erkennen, daß die Armut zunimmt." — Diese Probleme werden total verdrängt.



Kirschner
Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß das Deutsche Rote Kreuz darauf aufmerksam gemacht hat, daß die Kleiderkammern wieder gefragt sind? Warum fangen Sie statt dessen die infame Drückebergerdiskussion an? Warum lassen Sie publizieren, sage und schreibe ein Drittel aller gemeldeten Arbeitslosen sei eigentlich nicht an einer Arbeitsaufnahme interessiert? Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß die Struktur der Massenarbeitslosigkeit immer schlechter wird? Vor einem Jahr gab es mehr als 700 000 Arbeitnehmer, die länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet waren. Ich fürchte — der Kollege Otto Zink hat j a darauf hingewiesen —, daß diese Zahl in diesem Jahr noch um 100 000 zunehmen wird. 1981 waren es dagegen rund 200 000. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosenzeit lag schon Ende September 1984 bei 11,6 Monaten. Inzwischen dürfte die Jahresgrenze überschritten sein.
Sie wissen selber, geben es aber nicht zu, daß das tatsächliche Arbeitslosengeld weit mehr als ein Drittel unter dem Vergleichslohn liegt. Das Arbeitslosengeld für Berufsanfänger haben Sie um mehr als ein Drittel zurückgestutzt. Dabei wissen Sie selber, daß Sie damit immer mehr junge Arbeitnehmer bestrafen. Schon letztes Jahr sind 14 % der Ausgebildeten nach der Ausbildung nicht übernommen worden. In diesem Jahr werden es wahrscheinlich noch mehr sein. Diese Entwicklung ist zwangsläufig, wenn man die Ausbildungsstellenproblematik nur als Quantität, nicht aber als qualitatives Problem begreift. Jugendliche, die in Berufen ohne Zukunft ausgebildet werden, landen danach auf der Straße. Durch den Abbau des Jugendarbeitsschutzes haben Sie dafür gesorgt, daß Auszubildende im Bäckerhandwerk rentabler wurden. Die Massenarbeitslosigkeit liegt auf Rekordniveau. Monat für Monat — auch erst gestern wieder — wurden von der Bundesanstalt für Arbeit neue Horrorzahlen gemeldet.

(Bohl [CDU/CSU]: Was soll denn das?)

Aber ich sage noch einmal: Es sind nicht nur die Gesamtzahlen, die jedenfalls nach unserer Auffassung Schreckensmeldungen sind — —

(Hornung [CDU/CSU]: Neue Arbeitsplätze sind keine Horrormeldungen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen an. (Jagoda [CDU/CSU]: Vorsicht!)

Es gab doch seit 1949 noch keinen Monat, wo wir so viele Arbeitslose hatten wie im Jahre 1985.

(Beifall bei der SPD)

Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis, Herr Kollege Hornung. Alles andere ist doch falsch, was Sie erzählen.

(Hornung [CDU/CSU]: Sie sehen nicht, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Hören Sie einmal: Sie manipulieren doch hier mit einer Statistik. Schauen Sie sich doch einmal die amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes an. Dann werden Sie doch feststellen, daß die Zahlen, die Sie verbreiten, nicht stimmen.

(Beifall bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: So ein Quatsch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Lassen Sie mich feststellen, daß es uns darum geht, daß in erster Linie die Kürzungen, die Sie in den Haushaltsbegleitgesetzen 1983 und 1984 vorgenommen haben, wieder zurückgenommen werden.

(Jagoda [CDU/CSU]: Reden Sie mal über Ihre Kürzungen!)

Dies ist der entscheidende Punkt für uns. Wir sind mit Ihnen einer Meinung, daß wir über die Bezugsdauer zu reden haben

(Jagoda [CDU/CSU]: Zustimmen, nicht reden!)

und daß die Bezugsdauer bei Arbeitslosen verlängert wird.
Aber lassen Sie mich eines mit aller Deutlichkeit sagen: Wenn es der Versuch einer Statistikmanipulation ist — wir haben allen Anlaß, Ihnen eine Menge zuzutrauen — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na! — Was soll denn das? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Das mag Ihnen gefallen oder nicht; das ist mir egal. Denn Arbeitslosengeld als Lohnersatz heißt zwingend, für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen. Wenn Sie Arbeitslose, die älter als 58 Jahre sind, davon ausnehmen, sind das plötzlich keine Arbeitslosen mehr. Sie erscheinen nicht mehr in der Statistik.

(Hornung [CDU/CSU]: Wir lassen ihnen die freie Wahl!)

Wenn sie nicht mehr arbeitslos sind, kann man ihnen auch kein Arbeitslosengeld geben. Deshalb scheint mir das, was Sie da machen, eine spezielle Vorruhestandsregelung zu sein,

(Zuruf von der SPD: Ist gescheitert!)

denn Ihr eigenes Gesetz, Herr Bundesarbeitsminister, ist, wie Sie in der Zwischenzeit j a wohl wissen
— die Zahlen beweisen es Ihnen doch —, ein ausgemachter Flop. Gegen eine vernünftige Vorruhestandsregelung kann man nichts haben. Aber einen Vorruhestand aus den Leistungskürzungen der Arbeitslosen zu finanzieren, ist eine Frechheit. Sie hätten schon, Herr Bundesarbeitsminister, ein besseres Vorruhestandsgesetz zustande bringen müssen. Wir haben Ihnen ja dazu die Vorlage unseres Gesetzentwurfes geliefert. Dann bräuchten Sie jetzt auch nicht auf diesen billigen Manipulationstrick zu verfallen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die notwendigen Reparaturen am von Ihnen ramponierten Arbeitsförderungsgesetz vorgenommen werden, ist der sogenannte Überschuß weg. Eine Beitragssatzsenkung ist dann auch nicht mehr drin. Qualifizierungsmaßnahmen kann man dann auch nicht einschieben. Aber dies auf Kosten der Armut Arbeitsloser zu finanzieren, wie Sie es



Kirschner
faktisch tun, ist der falsche Weg. Das duale System der Berufsausbildung funktioniert offenbar nicht so, wie es in Sonntagsreden dargestellt wird. Deshalb werden wir — dies kündige ich an — diesen Gesetzentwurf sehr genau prüfen. Wir werden prüfen, ob wir einen eigenen Gesetzentwurf einbringen. Dann werden Sie auch die Unterschiede deutlich sehen, die wir Ihnen gegenüber darzustellen haben.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016305100
Das Wort' hat der Abgeordnete Cronenberg (Arnsberg).

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016305200
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit einem gewissen Erstaunen — man nehme mir das nicht übel —, teilweise auch mit einem gewissen Schmunzeln habe ich heute morgen verfolgt, wie man sich gegenseitig Zitate aus der Vergangenheit um die Ohren schlägt. Ich kann nicht bestreiten, daß, wenn gelegentlich von dieser Seite des Hauses auf Zitate von dort verwiesen wird, das richtig ist. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß es umgekehrt so ist. Es gibt halt eben eine gewisse Kontinuität in der Opposition, die — wie gesagt — mich mehr zum Schmunzeln denn zum Protest veranlaßt.
Ich möchte aber mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich mich nachweislich — niemand, der das aufmerksam verfolgt hat, kann das bestreiten — in der Kontinuität der Argumentation von Schmidt (Kempten) bis Adam-Schwaetzer nach Cronenberg befinde und daß es mir viel Freude macht, dies heute in aller Ruhe so feststellen zu dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Verehrte Kollegen, ob es Ihnen paßt oder nicht: Mir ist es lieber, wir streiten uns über zwei, drei Milliarden DM Überschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit als über 14 Milliarden DM Defizite.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Instrumente, mit denen diese Überschüsse erzeugt worden sind

(Abg. Lutz [SPD] und Abg. Glombig [SPD] melden sich zu einer Zwischenfrage)

— ich lasse die Zwischenfragen gleich zu, verehrte Kollegen, aber dies möchte ich eben im Zusammenhang vortragen —, die Instrumente, die zu diesen Überschüssen geführt haben, die natürlich auch Einschnitte bedeutet haben, die wir ja schon gemeinsam — auch kontrovers — diskutiert haben, sind Instrumente, die insgesamt erfolgreich waren. Ist es denn unsozial, wenn wir auf Grund einer vernünftigen Gesamtpolitik inzwischen 150 000, 200 000 Menschen mehr beschäftigen als vor einem Jahr?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ist es denn unsozial, wenn wir die niedrigste Inflationsrate seit der Währungsreform haben?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ist es denn unsozial, wenn der Bezugszeitraum von
Arbeitslosengeld verlängert wird? Ist es denn unsozial, wenn wir die Chancen für Ausbildung verbessern? Ist es denn ein Mißerfolg, wenn wir nach relativ kurzer Zeit Exportüberschüsse in beachtlicher Höhe haben? Ist es denn eine unsoziale Politik, wenn wir die strukturellen Defizite im Haushalt abbauen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine unsozialistische Politik ist es!)

Ich meine, nein.
Wir zusammen, verehrte Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, haben vieles gemeinsam gemacht. Ich stehe nicht an, zu sagen: Das war nicht alles Mist, da gab es viel Gescheites. Aber ich weiß auch, warum Sie heute morgen so fürchterlich verärgert reagieren. Die ganze Ursache für Ihren Arger ist relativ einfach auszumachen, es ist nämlich der Ärger darüber, daß wir den Laden in so relativ kurzer Zeit mit so relativ einfachen Instrumenten in Ordnung gekriegt haben; das ist der ganze Kummer.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Das ist natürlich um so unangenehmer, als wir Ihnen all die Instrumente, die wir eingesetzt haben, mehrmals vorgeschlagen haben. Das heißt: Sie haben diesen ganzen Kummer auch noch selbst verschuldet, und das ist Ursache für das hektische Reagieren von Egon Lutz und anderen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nun, Herr Präsident, möchte ich selbstverständlich zulassen, von den beiden Kollegen — in welcher Reihenfolge auch immer — befragt zu werden.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016305300
Also, die Reihenfolge habe ich vorhin festgestellt. Es ist zuerst der Abgeordnete Lutz mit einer Zwischenfrage dran.

Egon Lutz (SPD):
Rede ID: ID1016305400
Herr Cronenberg, können Sie angesichts Ihrer letzten Redepassage meine Heiterkeit begreifen — wer hat's Ihnen aufgeschrieben? —,

(Lachen bei der SPD)

wollen Sie das später als Zitat um die Ohren gehauen bekommen oder nicht — das ist der erste Teil meiner Frage —, der zweite Teil ist: Haben Sie begriffen, daß wir nicht über die Verwendung von Überschüssen, sondern darüber streiten, daß man Geld, das man den Arbeitslosen genommen hat, diesen zurückzugeben hat?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016305500
Der Herr Kollege möchte zunächst auch noch die Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig hören und dann beide Fragen zusammen beantworten.

(Weinhofer [SPD]: Er muß sich erst seine Antwort auf die Frage des Kollege Lutz überlegen! — Das braucht Zeit!)


Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID1016305600
Herr Kollege Cronenberg, könnten Sie meinen Eindruck bestätigen, daß Ihre Beständigkeit, im Wechseln der Koalitionspartner grö-



Glombig
ßer ist als Ihre Beständigkeit, was die Argumente hinsichtlich der von Ihnen zu vertretenden sozialpolitischen Maßnahmen angeht?

(Heiterkeit bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1016305700
Ich will dann gerne auf beide Fragen eingehen: Zunächst einmal ist es mir immer eine Lust und ein Vergnügen, bei dem Abgeordneten Lutz Lust, Freude und Spaß zu erzeugen.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

Wenn mir das heute morgen besonders gelungen ist, dann freut mich das.
Darüber hinaus gehe ich davon aus, daß der Kollege Egon Lutz — wie in der Vergangenheit — mir nichts um die Ohren schlägt, sondern sich, wenn es ihm auch sehr schwer fällt, bemüht, in Ruhe zu argumentieren. Das gelingt ihm nicht immer, wir verzeihen ihm dies, er ist nun einmal so. Er bringt etwas Neues, und das Neue ist dann nicht ganz richtig. Aber alles in allem ist eine Auseinandersetzung möglich.
Lieber Eugen Glombig, ich kann das so nicht bestätigen.

(Glombig [SPD]: Soll ich stehenbleiben?)

— Nein, um Gottes willen. — Die Situation ist wie folgt: Die Wahl unserer Koalitionspartner richtet sich ausschließlich nach einem: danach nämlich, in welchem Umfang es möglich ist, mit diesem jeweiligen Koalitionspartner vernünftige liberale Vorstellungen durchzusetzen. Der Partner ist mir weniger wichtig als der Inhalt der Politik.

(Beifall bei der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016305800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 10/3923 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß.
Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes
— Drucksache 10/3678 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß (federführend)

Rechtsausschuß
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Olderog.

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1016305900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der NS-Zeit haben viele Tausende von Deutschen als politische Flüchtlinge in anderen Ländern Asyl gefunden. Wir bekennen uns daher mit großem Nachdruck zu unserer nicht nur rechtlichen, sondern auch moralischen Verpflichtung, heute und in Zukunft politisch verfolgten Menschen aus anderen Staaten Zuflucht und Schutz in Deutschland zu bieten. Die Bundesrepublik hat in zehn Jahren — von 1975 bis 1984 — mehr als die Hälfte der über 700 000 Ausländer aufgenommen, die in Westeuropa Asyl beantragt haben, nämlich insgesamt 370 000.
Verschiedene Organisationen haben in der Öffentlichkeit die Bundesregierung kritisiert und ihr irreführende und überhöhte Zahlen vorgeworfen. Doch die Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars, auf die man sich stützt, der nur von 115 000 Flüchtlingen spricht, sind unzutreffend. Tatsächlich leben im Bundesgebiet gegenwärtig rund 600 000 Flüchtlinge, darunter 180 000 Asylberechtigte mit ihren Familienangehörigen, 130 000 Asylbewerber im laufenden Verfahren und rund 220 000 De-factoFlüchtlinge, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde oder die keinen derartigen Antrag gestellt haben, die aber von unseren Behörden gleichwohl aus humanitären oder politischen Gründen nicht abgeschoben werden. Hinzu kommen Kontingentflüchtlinge und heimatlose Ausländer. Diese soeben genannten Zahlen beruhen auf den Angaben der Bundesländer, und sie halten jeder Nachprüfung stand.
Meine Damen und Herren, dieser Flüchtlingsstrom wirft aber, je mehr er sich wieder verstärkt, zunehmend große Probleme auf. Schon in den ersten acht Monaten dieses Jahres kamen über 45 000 Asylbewerber — annähernd 30 % mehr als im vergangenen Jahr — zu uns. Schon heute nimmt die Bundesrepublik im Vergleich zu ihren westlichen Nachbarstaaten weitaus die meisten Asylbewerber auf. Wir wenden 2 Milliarden DM dafür auf. Aber das Geld ist nicht das Hauptproblem. Vor allem Städte und Gemeinden fühlen sich schlechterdings angesichts dieses endlosen Zustroms weiterer Flüchtlinge einfach überfordert. Das ist in meinem Wahlkreis und in vielen anderen Wahlkreisen so; die Kollegen können ein Lied davon singen:
Es fehlt nicht nur an Unterbringungsmöglichkeiten. Immer häufiger kommt es zu Spannungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. Immer häufiger sprechen Zeitungsberichte von Schlägereien, Auseinandersetzungen, Messerstechereien, Prostitution und Ladendiebstählen im Zusammenhang mit diesem Problem. Das alles nährt leider eine ausländerfeindliche Stimmung.



Dr. Olderog
Dänemark befindet sich teilweise in einer ähnlichen Situation. In diesem so friedfertigen Land kam es jetzt wiederholt zu tätlichen Ausschreitungen der einheimischen Bevölkerung gegen Flüchtlinge. Sie haben das in den Tageszeitungen gelesen.
Es ist leider überhaupt nicht abzusehen, daß dieser Zustrom enden wird. Die Bundesrepublik ist für Flüchtlinge das attraktivste Land auf der ganzen Welt.

(Ströbele [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Politische Verfolgung, Bürgerkrieg sowie Not und Elend wachsen leider in vielen Teilen der Welt. Alles spricht dafür, daß sich verstärkt Flüchtlinge nach Europa wenden. Nach UN-Angaben gibt es zwischen 17 und 20 Millionen Flüchtlinge, von denen viele gerade angesichts der immer großzügiger werdenden Rechtsprechung als Asylbewerber für uns in Betracht kommen: Tamilen aus Sri Lanka, Sikhs aus Indien, Schwarze aus Südafrika, Palästinenser und Libanesen aus dem Nahen Osten, mehrere Millionen Iraner, dazu Äthiopier, Afghanen; Flüchtlingslager in Pakistan mit Millionen von Flüchtlingen, Flüchtlingslager im Sudan mit einer halben Million äthiopischer Flüchtlinge und in Thailand rund 350 000 vietnamesische Flüchtlinge — meist am Rande des Existenzminimums. Und unsere Verwaltungsgerichte sprechen vielen von ihnen ein Asylrecht zu.
Meine Damen und Herren, ich will nur soviel sagen: Wenn wir den Dingen freien Lauf ließen, müßten wir eines Tages mit einer dramatischen Zuspitzung rechnen. Sie alle beantragen bei uns ja politisches Asyl; in Wahrheit aber kommen selbst nach den großzügigen — viel zu großzügigen — Maßstäben unserer Rechtsprechung zwei Drittel aus rein wirtschaftlichen Gründen zu uns. Das Asylrecht steht ihnen nicht zu; sie mißbrauchen es. Gerade wenn wir den wirklich politisch Verfolgten helfen wollen, müssen wir uns vor Wirtschaftsflüchtlingen entschieden schützen. Wir können einfach nicht allen hunger- und notleidenden Menschen aus Asien und Afrika unsere Grenzen weit öffnen.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wo sind die denn weit geöffnet?)

Das ist unsere wichtigste Aufgabe: daß wir die politischen Flüchtlinge von den Wirtschaftsflüchtlingen trennen, letztere unverzüglich in ihre Heimat zurückleiten und ihnen von vornherein jedes Motiv nehmen, zu uns zu kommen.
Schäfer [Offenburg] [SPD]: „Jedes Motiv
nehmen"!)
Das zur Zeit geltende Asylverfahrensrecht reicht offensichtlich leider nicht aus. Deshalb begrüßen wir den Entwurf des Bundesrates. Er bringt diskutable Vorschläge, zwar mit mancherlei Problemen, aber wir sollten uns damit eingehend beschäftigen. Beispielsweise ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Klarstellung wichtig, wann ein Asylbewerber bereits in einem Drittland Schutz vor Verfolgung
gefunden hat und sich damit hier bei uns nicht mehr auf Art. 16 GG berufen kann.

(Ströbele [GRÜNE]: Es steht nicht darin, daß er da Schutz vor Verfolgung hat!)

Zur Zeit beobachten wir einen Asyltourismus, Herr Ströbele, indem Ausländer von einem europäischen Staat zum anderen reisen und sich dort als politisch Verfolgte melden, wo die Lebensumstände am günstigsten erscheinen.
Ich bin sicher, daß die Vorschläge des Bundesrates einiges verbessern können. Ich weiß aber auch sehr wohl, daß auf Grund des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG die Möglichkeiten nahezu ausgeschöpft sind. Wir müssen das Flüchtlingsproblem vor allem an der Wurzel lösen.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Entwicklungshilfe!)

Die westlichen Industrieländer und die Vereinten Nationen sollten gemeinsam intensiver als bisher auf die Staaten und deren Regierungen einwirken, in denen Menschen verfolgt und diskriminiert werden. Überall in der Welt muß den Menschenrechten Geltung verschafft werden.

(Ströbele [GRÜNE]: Schöne Worte!)

Warum zum Beispiel leisten wir Entwicklungshilfe an Sri Lanka, wenn dort ein Bevölkerungsteil, nämlich die Tamilen, Herr Ströbele, so brutal verfolgt werden?
Die reichen Länder der Welt müssen ihre Entwicklungs - und Katastrophenhilfe intensivieren.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Die Bundesregierung kürzt die Mittel!)

Den Hungernden muß vor Ort geholfen werden. Mit dem Aufwand, mit dem wir hier einen Flüchtling materiell betreuen können, können wir vor Ort zwanzig Menschen versorgen und betreuen.
Meine Damen und Herren, neben den internationalen Bemühungen werden wir letztlich um eine Diskussion über Art. 16 Abs. 2 GG nicht herumkommen. Wenn der Flüchtlingsstrom in die Bundesrepublik ständig weiter anschwillt, werden wir ohne eine Änderung des Art. 16 hilflos überrollt werden.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich fordere hier und heute keine Änderung des Grundgesetzes; aber wir sollten uns in Wahrnehmung unserer Verantwortung auf eine sich unter Umständen dramatisch zuspitzende Situation vorbereiten. Ich verweise auf namhafte Wissenschaftler, die zu einer Reform des Grundgesetzes aufgerufen haben. Ich nenne den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Zeidler, in seinem Vortrag vom 30. Mai 1980 sowie auch die Professoren Kanein, Hailbronner und Quaritsch.
Ich fordere Parlament und Bundesregierung auf, eine Kommission namhafter und anerkannter Experten zu berufen, die vorurteilsfrei zu dem Problem ein Memorandum erstellen. Wir brauchen eine offene und ehrliche Diskussion ohne Tabus und ohne Diffamierung Andersdenkender. Es geht darum, daß wir bei einer Verschärfung der Situa-



Dr. Olderog
tion selbst bestimmen können, wem wir in unserem Land Asyl gewähren. Es geht ausdrücklich nicht darum, daß wir uns unserer moralischen Verpflichtung entziehen. Zu dieser bekenne ich mich mit allem Nachdruck. Aber wir müssen Herr der Situation bleiben und dürfen uns nicht von den internationalen Flüchtlingsströmen unserer Zeit, von denen die Väter des Grundgesetzes noch nichts ahnen konnten, hilflos überrollen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1016306000
Das Wort hat der Abgeordnete Wartenberg.

Gerd Wartenberg (SPD):
Rede ID: ID1016306100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Rede, Herr Olderog, war eine der typischen Reden, in deren Anfang eine salvatorische Klausel ist, indem gesagt wird: „Wir bekennen uns dazu, daß verfolgte Bürger bei uns Schutz finden können", und dann gab es im nachfolgenden Teil eigentlich nur noch Hinweise dafür, daß Ihnen das Asylrecht total lästig ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Art und Weise, wie Sie hier diskutiert haben, hat wieder sehr deutlich gemacht, daß überspitzt, ja geradezu mit Hysterie gearbeitet wird: „Wir werden überschwemmt", „Es kommen dramatische Entwicklungen auf uns zu". Da frage ich Sie, wo lesen Sie das eigentlich heraus? Ich will Ihnen an einem Beispiel konkret das Gegenteil beweisen.
Das Land Pakistan hat, seitdem die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert ist, drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

(Bohl [CDU/CSU]: Wie leben die denn in Pakistan?)

In dieser Zeit sind in die Bundesrepublik Deutschland 8 000 Afghanen gekommen. Gewiß ein Problem für die Bundesrepublik Deutschland, aber es ist nicht so, daß diese drei Millionen Flüchtlinge in Massen hierher strömen, sondern in neun Jahren sind 8 000 hierher gekommen. Wenn Sie sehen, was Entwicklungsländer, die Krisengebieten benachbart sind, heute zu leisten haben — ob das Somalia ist, ob das der Sudan ist oder zum Beispiel auch Nachbarländer des Irans —, dann sind die Leistungen, die die Bundesrepublik Deutschland zu bringen hat, nach wie vor ausgesprochen niedrig. Natürlich, in diesem Jahr ist der Flüchtlingsstrom wieder gestiegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Aber wir hatten Jahre, in denen der Zustrom viel, viel höher war; beispielsweise 1980.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Da haben wir ja etwas gemacht!)

Wir haben große Schwankungen innerhalb der einzelnen Jahre, und in dem Augenblick, in dem die Flüchtlingsströme wieder anschwellen, gleich in Hysterie zu machen, verdeutlicht bei Ihnen die Tendenz, am liebsten das ganze Asylrecht kaputtzumachen. Herr Lummer macht es für Sie ja viel ehrlicher. Der ist offen und brutal und sagt: „Schmeißt doch den ganzen Kram weg", wie er es gestern wieder in seinen Äußerungen zu Art. 16 des Grundgesetzes gesagt hat. Sie haben das vornehm verbrämt hier dargestellt.
Deswegen ist das entscheidende im Augenblick an der Auseinandersetzung das Klima, in dem diese Diskussion stattfindet. Ich finde es unerträglich, daß gerade die CDU/CSU an Punkten, wo eh Vorurteile in jeder Bevölkerung bestehen — gegen Minderheiten und gegen Ausländer besteht immer ein hohes Maß an Vorurteilen —, mit diesen Vorurteilen herumspielt und sie hochtreibt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Verantwortliche Politik in der Demokratie heißt auch unbequem sein und Vorurteile reduzieren, und die Leute zu der Verantwortung aufzurufen, zu der auch ein reicher demokratischer Staat stehen muß. Das ist das Postulat, das Sie gröblich verletzen.
Nun will ich etwas zu diesem Gesetzentwurf sagen. Dieser Gesetzentwurf — und da gebe ich in vielem dem Kollegen Hirsch recht, der dazu auch schon Stellung genommen hat — ist sowohl von Ihrer Seite als auch von unserer Position aus total untauglich. Er bringt überhaupt nichts, in keiner Weise, sondern es ist nur eine Stimmungsmache.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man sich die Begründung der Bundesregierung zu dem Bundesratsentwurf anguckt, dann wird das auch deutlich. Die Bundesregierung selber sagt in vielen Punkten: Die Passagen sind ziemlich unnötig, sie bringen zusätzliche Bürokratie, lösen aber kein einziges Problem. Wenn Herr Späth in der letzten Woche mit riesiger Drohgebärde gesagt hat, er würde den Zuteilungsvertrag kündigen, wenn die Bundesregierung nicht endlich etwas unternähme, dann ist das eine Kritik, die er an sich selbst richtet; denn die Vorschläge, die er macht, sind völlig untauglich und lösen das Problem überhaupt nicht.
Ich will das an zwei Punkten klarstellen. Über den Gesetzentwurf werden wir in den Ausschüssen noch weiter beraten. Die zweijährige Überprüfung der anerkannten Asylbewerber ist doch wohl der dümmste Witz, den man sich überhaupt vorstellen kann. Unser Problem sind doch nicht die 52 000 anerkannten Asylbewerber. Unser Problem ist die relativ große Zahl derjenigen, die Asyl begehren und deren Verfahren sehr lange dauert. Was soll ich die 52 000 überprüfen, die anerkannt sind?
Ich will auch gleich etwas zu den Zahlen sagen. Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, seit 1949 sind insgesamt nur 73 000 Leute als Asylbewerber anerkannt. Davon leben heute 52 000 in der Bundesrepublik. Das heißt, das Asylrecht ist überhaupt nicht unser Problem. Unser Problem ist die lange Dauer des Verfahrens bei Leuten, die Asyl begehren bzw. die Verkürzung der Verfahrensdauer.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das sagen übrigens auch alle humanitären Organisationen. An dieser Stelle möchte ich insbesondere



Wartenberg (Berlin)

den Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen danken,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

die hier wirklich in einer ganz hervorragenden Weise den Vorstellungen der CDU/CSU pari geboten haben. Sie sagen: Wenn wir etwas lösen wollen, dann müssen wir möglichst die Verfahren auf sechs Monate begrenzen. Wenn wir sie auf sechs Monate begrenzen, dann werden auch alle flankierenden harten Maßnahmen überflüssig, gegen die wir sowieso sind: die Frage des Arbeitsaufnahmeverbots, Beschränkung des Aufenthalts, die Art von Sammellagern, wie wir sie heute haben. Wenn man die Verkürzung der Verfahren schafft — und dies kann man schaffen, ohne das rechtsstaatliche Prinzip zu verletzen —, dann ist man der Lösung der Probleme näher. Aber dieses unsinnige Gesetz, das hier vorgeschlagen worden ist, bringt überhaupt nichts.
Noch ein weiterer Punkt aus diesem Bereich. Wer drei Monate in einem Drittland gewesen ist — also ein Mensch aus Afghanistan, der drei Monate in Pakistan war —, soll nach diesem Gesetz schon Schutz in Pakistan gefunden haben und kein Recht mehr haben, hierherzukommen. Nun denken Sie mal an das Beispiel aus dem Dritten Reich. Da muß jemand emigrieren, hat eine Einreise in die USA und mußte vielleicht vier Monate in Brüssel bleiben, bis er in die USA weiterkonnte. Meistens mußten die Betreffenden länger dort bleiben. Ein solcher Mann hätte nach diesem Gesetzentwurf sein Asylrecht in den USA verwirkt. Stellen Sie sich doch einmal vor, was das tatsächlich bedeutet. Im übrigen widerspricht dieser Passus der Genfer Menschenrechtskonvention. Das ist keine Lösung, das ist wirklich dummes Zeug.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen, glaube ich, wenn wir die Diskussion über die Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland auf eine vernünftige sachliche Ebene führen wollen, darüber sprechen, inwieweit die Verfahren in einer vernünftigen Art und Weise abgekürzt werden können, wie eine schnelle Entscheidung, ob jemand asylberechtigt ist oder ob er nicht asylberechtigt ist, getroffen werden kann. Dann ist ein großer Teil der Probleme weg.
Der einzige Punkt, den wir begrüßen, ist der, daß die Bundesregierung jetzt, nachdem im letzten Jahr das Bundesamt zehn Stellen verloren hat, die Stellen aufstocken will. Aber da bitte ich auch Sie, Herr Innenminister, einmal darauf zu gucken, wie dieses Amt organisiert ist. Das ist nicht nur eine Frage von wenigen Stellen, sondern dort herrscht, das hört man auch von Mitarbeitern, schlichtweg das Chaos. Wenn heute erst Bescheide vom Mai von der Geschäftsstelle herausgeschickt werden können, d. h. nach vier Monaten, obwohl die Bearbeiter die Bescheide schon längst gemacht haben, dann weiß man, woher Verzögerungen kommen.
Der nächste Punkt. Gerade Bayern und BadenWürttemberg machen besonders viel Trara, was das Asylgesetz angeht. Aber wieso dauern gerade in Bayern und Baden-Württemberg die Verfahren 24
bis 36 Monate, während sie in den norddeutschen Ländern zum Teil nur sieben Monate dauern? Das heißt, gerade die Länder, die so tun, als gehe die Welt unter, sind nicht in der Lage, in ihrer eigenen Organisationsverantwortung vernünftige Verfahren durchzuziehen. Das zeigt doch, daß dieses Geschrei, das dort angefangen wird, zum Teil um Ablenkung ist. Unter diesen Aspekten nehme ich Herrn Späth überhaupt nicht ab, wenn er hier herumtöst. Das geschieht nur, um Stimmung in der Bevölkerung zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräident Westphal: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Olderog?

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1016306200
Ich möchte Sie etwas fragen. Können Sie bestätigen, daß wir zur Zeit in der Bundesrepublik über 600 000 Flüchtlinge haben, neben den 4,5 Millionen Gastarbeitern, die ohnehin schon bei uns sind? Und können Sie weiter bestätigen, daß diese Zahl der Flüchtlinge von Jahr zu Jahr ständig steigt?

Gerd Wartenberg (SPD):
Rede ID: ID1016306300
Herr Olderog, natürlich haben wir Flüchtlinge, die nicht unter die 52 000 anerkannten Asylbewerber fallen. Nur wird die Zahl von 600 000 von dem hohen Flüchtlingskommissar und allen anderen Organisationen als falsch angesehen. Einigen wir uns darauf, daß die, die wir hier haben, zusammen mit den Asylbewerbern insgesamt etwa 300 000 sind. Ich will mich auf die Zahlen gar nicht festlegen. Nur, das ist ja gar kein Problem des Asylgesetzes. Wenn der Zustand eingetreten ist, das fast 70 % derjenigen, deren Asylbegehren abgelehnt worden ist, gleichzeitig aus politischhumanitären Gründen nicht abgeschoben werden, dann hat es doch gar keinen Sinn, am Asylrecht herumzudoktern.

(Beifall bei der SPD)

Es wird doch bei uns anerkannt, daß diese Leute nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Denken Sie an die Iraner, denken Sie an die Tamilen, denken Sie an die Afghanen oder auch beispielsweise an die Polen. Die Asylanträge werden z. T. abgelehnt. Trotzdem entscheiden die politischen Stellen oder auch die Verwaltungsgerichte, daß sie nicht in ihre Länder abgeschoben werden dürfen. Das heißt doch: Auf der einen Seite anerkennt die Bundesrepublik Deutschland ganz deutlich, daß in diesen Ländern politische Verfolgung und Unruhe stattfinden und die Menschen deswegen hier Schutz haben müssen. Auf der anderen Seite wird von Ihrer Seite gesagt: Das ist aber ein Mißbrauch. Wie paßt das denn zusammen?
Übrigens ist das auch bei den Tamilen sehr deutlich. Man mag über die Gerichtsurteile streiten. Nur, die Tamilen sind zu 90 % anerkannt worden. Wenn man dann sagt, daß sei alles Mißbrauch, muß ich fragen: Ja bitte schön, was machen denn unsere Gerichte? Machen die pausenlos mißbräuchliche Entscheidungen? Also das stimmt doch in Ihrer ge-



Wartenberg (Berlin)

samten Argumentationskette vorn und hinten nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt! Unterstellen Sie doch bitte nicht etwas, was ich nicht gesagt habe!)

Ich frage Sie: Nützt eine Änderung des Asylrechts in der Form, wie es der Bundesrat vorgeschlagen hat, in irgendeiner Weise etwas? Da kann man festhalten: Nein; das verschärft die innenpolitische Auseinandersetzung, aber das Problem wird in Ihrer Richtung, nämlich einer verstärkten Eingrenzung des Problems, nicht gelöst, und schon gar nicht in unserer Richtung, die wir sagen: Wir wollen das unter humanitären und liberalen Gesichtspunkten lösen, ohne daß wir die Probleme, die die Gemeinden haben, verniedlichen.
Wir Sozialdemokraten werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Wir halten ihn für absolut unnötig und meinen, daß eher über die flankierenden Maßnahmen und die Verkürzung der Verfahren diskutiert werden muß. Darüber können wir miteinander reden. Dieser Gesetzentwurf ist völlig untauglich.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Mann [GRÜNE]: Ein guter Beitrag!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016306400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016306500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, daß über das Asylrecht mit Emotionen und auch Emotionen-Schüren seit Jahren diskutiert wird. Das beginnt mit der Sprache. Wir reden von „Asylanten". Das sind nach unserem Sprachgefühl eine Art Obdachlose. Wie meinen in Wirklichkeit nach unserer Verfassung

(Zuruf von den GRÜNEN: Emigranten!)

politisch Verfolgte, politische Flüchtlinge, Menschen, die wegen ihrer Anschauungen, ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Herkunft von ihrem Staat verfolgt werden und bei uns Zuflucht suchen.
Wir reden von einer „Flut von Asylbewerbern". Herr Kollege Olderog, die Zahlen sind genannt worden: nach dem Asylrecht 53 000 anerkannte politische Flüchtlinge.

(Ströbele [GRÜNE]: Genau!)

Alles andere sind Schätzzahlen, sind Leute, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist, sind Kontingentflüchtlinge, sind hochgerechnete Familienangehörige; nach der Definition des Flüchtlingskommissars vielleicht 120 000; das sind, bezogen auf unsere Bevölkerung, weniger, als unsere Nachbarn aufgenommen haben.

(Ströbele [GRÜNE]: Ganz genau!)

Es wird von dem „massenhaften Mißbrauch des Asylrechts" gesprochen, als ob das lauter Nassauer wären. Wir wissen aber, daß in Wirklichkeit der Verfolgungsdruck in vielen Ländern und damit die
Anerkennungsquote erheblich gestiegen sind. Es wird der Eindruck erweckt: Die Leute, die in den Sammelunterkünften leben, sind alle Faulenzer. Wir sagen den Leuten nicht, daß wir Ihnen jahrelang verbieten zu arbeiten.

(Ströbele [GRÜNE]: Genau!)

Es wird gesagt, die FDP wolle alle Asylanten hereinholen, obwohl wir in Wirklichkeit alles getan haben, um zu einer schnellen Trennung der politischen Flüchtlinge von denen zu kommen, die kein Asylrecht in Anspruch nehmen können.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben den Visumzwang gegen viele Widerstände eingeführt. Wir haben die möglichen Rechtsmittel bis an die Grenze des Vertretbaren gekürzt.
Herr Späth droht — das ist schon gesagt worden — dramatisch mit der Kündigung der Ländervereinbarung hinsichtlich der Aufnahmequote, ohne gleichzeitig zu sagen, daß damit die Quote BadenWürttembergs lediglich von 15,2 auf 15,1 % sinken würde.
Wir nehmen auch mit Befremden die Bemühungen der Verwaltungen zur Kenntnis, entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Sozialhilfe pauschal um 20 % zu kürzen, ebenso die vielfältigen Versuche, durch abschreckende Maßnahmen das Grundrecht in der Wirklichkeit zu verkürzen. Das führt in der Tat, wie sich auch aus dem Gesetzentwurf ergibt, zu dem kuriosen Ergebnis, daß ein Ausländer, der als politischer Flüchtling aufgenommen werden will, inzwischen schlechter dasteht als ein Ausländer, der es vorzieht, hier nur als geduldeter Ausländer zu leben.
Es ist heute in dieser knappen Zeit nicht möglich, den Gesetzentwurf zu analysieren. Wir werden ihn sorgfältig prüfen. Einzelne Vorschläge sind akzeptabel, etwa die Bestätigung der ständigen Rechtsprechung zu einzelnen Fragen oder geringfügige Änderungen des Straftatbestandes meinetwegen der Verleitung zur mißbräuchlichen Antragstellung. Nicht akzeptabel ist die Regelüberprüfung aller politischen Flüchtlinge alle zwei oder drei Jahre oder die Ausdehnung des Arbeitsverbotes auf die gesamte Dauer des Asylverfahrens, was übrigens die Schwarzarbeit dramatisch vergrößern würde.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie haben ja in Bayern mit dem Bau der CSU-Zentrale in der Nymphenburger Straße Ihre Erfahrungen gemacht, die von ausländischen Schwarzarbeitern errichtet worden ist.

(Beifall bei der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016306600
Herr Abgeordneter Hirsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mann?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016306700
Ja, bitte.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016306800
Herr Dr. Hirsch, Sie haben auf die knappe Zeit verwiesen. Mich interessiert jetzt für die weitere Beratung folgendes. Die Bundesre-



Mann
gierung weist in ihrer Stellungnahme darauf hin — der Bundesinnenminister läßt ja leider meine Zwischenfragen nie zu —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!)

daß eine Kommission eingesetzt ist, die ihre Arbeiten im Herbst abschließen wird. Was ist Ihnen zur Zeit über diese Kommission bekannt? Und zum zweiten: Was halten Sie von dem Vorschlag des Kollegen Dr. Olderog, eine weitere Kommission von der Regierung berufen zu lassen? Meinen Sie nicht, daß die Rechte dieses Parlaments auf eine angemessene Beratung am besten durch eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuß gewahrt würden?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016306900
Herr Kollege, ich werde niemanden daran hindern, nachzudenken; aber zu den einzelnen Thesen — auch zu dieser Kommission — werde ich gleich noch im Zusammenhang kommen; ich komme darauf zurück.
Ich will nur sagen, es ist nicht richtig, den Eindruck zu erwecken, daß der Bundesgesetzgeber nichts getan habe. Wir haben in Wirklichkeit, Herr Kollege Olderog, den Rechtsweg so dramatisch verkürzt wie auf keinem anderen Rechtsgebiet, und wir haben uns selbst dazu verstanden, die Abschiebung vor der rechtskräftigen Entscheidung über das Asylverfahren zu ermöglichen.
Wir werden daher vorschlagen, daß der Gesetzentwurf des Bundesrates einer sorgfältigen Anhörung unterzogen wird, in der die Gemeinden, die Wissenschaftler, die Kirchen, die karitativen Organisationen, Vertreter der Gerichtsbarkeit, die Anwaltschaft, der Flüchtlingskommissar Gelegenheit bekommen sollen, zu den einzelnen Vorschlägen Stellung zu nehmen, weil die Verfasser dieses Gesetzentwurfes selber wissen und im Gespräch auch selber einräumen, daß er zum Kern des Problems überhaupt nicht vorstößt. Das hat Herr Wartenberg in der Tat im einzelnen ausgeführt.
Lassen Sie mich unsere Thesen zusammenfassen.
Erstens. Die Bundesrepublik muß für politische Flüchtlinge offen bleiben. Wir werden einer Änderung unserer Verfassung in dieser Frage nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Wir fordern diejenigen, die eine Änderung des Grundgesetzes wollen, auf, einmal klipp und klar zu sagen, welche Regelung sie denn in Wirklichkeit anstreben, nachdem sie die Verfassung geändert haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte wissen, ob sie die Humanität, die Aufnahme von Flüchtlingen dann nach den Grundsätzen der politischen Opportunität beschließen wollen, wie wir das schon einmal erlebt haben.

(Mann [GRÜNE]: Das wäre denen am liebsten!)

Zweitens. Wir halten eine Gesetzesänderung nicht für angebracht, wenn der Vollzug des bereits geltenden Bundesrechts nicht gesichert ist. Es ist in der Tat auffällig, daß die Gerichtsverfahren in geradezu drastischer Weise in der Länge voneinander abweichen, und Länder mit relativ kleinen Quoten wie Bayern und Baden-Württemberg oder Niedersachsen haben außerordentlich viel längere Verfahrensdauer als Länder mit großen Quoten wie z. B. Nordrhein-Westfalen, und die anhängigen Verfahren sind drastisch zurückgegangen.

(Zuruf des Abg. Eimer [Fürth] [FDP])

— Ja, und in Bayern sind alle Verfahren bei einem einzigen Gericht konzentriert; das ist natürlich eine Regelung, die nicht funktionieren kann. Wenn wir hören, daß über 60 % der Anerkennungsbewerber nicht abgeschoben werden, auch wenn der Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist, dann frage ich mich, welchen Sinn es haben soll, das Gesetz zu ändern, wenn ohnehin unabhängig von der jeweiligen gesetzlichen Regelung zwei Drittel der Asylbewerber in der Bundesrepublik bleiben.
Drittens. Die Länder müssen die Gemeinden von den Aufnahme- und Sozialhilfekosten mehr entlasten als bisher. Auch der Bund muß sich mehr beteiligen.
Viertens. Wir streben eine europäische Harmonisierung des Visumzwanges und, soweit möglich, des Flüchtlingsrechtes an.
Fünftens. Wir verlangen eine faire Behandlung der Flüchtlinge und wollen sie vor bürokratischen Schikanen schützen, denen sie zur Zeit in der Tat ausgeliefert sind.
Sechstens. Wir wollen eine Harmonisierung des Asylrechtes mit dem Auslieferungsrecht.
Siebtens. Wir danken den Kirchen und allen Organisationen und Menschen, die denen helfen, die bei uns Hilfe und Zuflucht suchen; denn das Asylrecht ist bei uns eine Folge der geschichtlichen Erfahrungen, die wir gemacht haben.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollen uns einmal daran erinnern, daß wir es, Herr Kollege Olderog, nicht nur unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastung betrachten dürfen.

(Ströbele [GRÜNE]: Richtig!)

Humanität kostet etwas. So wie die Amerikaner auf die Freiheitsstatue in ihrem Hafen stolz sind, sollten wir einmal sagen, daß der Art. 16 eine Freiheitsstatue im sicheren Hafen unserer Verfassung ist.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Ströbele [GRÜNE]: Ganz toll, ja!)

Ich glaube, Herr Kollege Olderog, daß die Menschen, die bereit sind, für Humanität etwas zu opfern, etwas aufzubringen, nicht nur Belastungen auf sich nehmen, sondern daß sie unserem Staat eine große politische Kraft geben, daß sie das Ansehen dieses Landes in der Welt mehren. Ich sage Ihnen: Wer uns vor 40 Jahren erklärt hätte, daß Menschen



Dr. Hirsch
aus aller Herren Länder, ob nun berechtigt oder nicht, in der Überzeugung zu uns kommen, daß sie bei uns fair behandelt werden, daß sie bei uns vernünftig leben können, dem hätten wir beide wohl nicht geglaubt. Lassen Sie uns auch etwas stolz dar auf sein, daß wir die Kraft haben, politisch Verfolgte in unserem Land aufzunehmen und ihnen zu helfen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016307000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Olderog?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016307100
Ja, das ist fast schon eine Schlußfrage.

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1016307200
Herr Kollege Hirsch, Sie haben sich für eine europäische Harmonisierung des Asylverfahrensrechts ausgesprochen. Können Sie mir bestätigen, daß eine solche Harmonisierung nur möglich ist, wenn wir unser Grundgesetz ändern?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016307300
Ich bin nicht der Überzeugung, Herr Kollege. Wir sollten einmal die Frage der Visumsregelung harmonisieren, und im übrigen tun Sie wirklich gut daran, sich einmal anzusehen, wie die Flüchtlingsrechte in Frankreich, in Holland, in Belgien sind, und Sie werden feststellen, daß diese Länder einem weit größeren Anteil der politischen Flüchtlinge ein Niederlassungsrecht geben, als wir das zur Zeit tun. Ich bin gern bereit, darüber im Laufe der Beratungen im einzelnen mit Ihnen zu sprechen.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie haben die Frage nicht beantwortet!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016307400
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Hirsch, des Abgeordneten Boroffka?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016307500
Ich bin gar nicht in der Lage, es Ihnen abzuschlagen, Herr Kollege.

Peter Boroffka (CDU):
Rede ID: ID1016307600
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hirsch. Sie haben soeben die Freiheitsstatue als Symbol für die Freiheit der Vereinigten Staaten erwähnt. Würden Sie mir zustimmen, daß die Freiheitsglocke in Berlin ein ähnliches Symbol ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016307700
Natürlich. Gerade deswegen bedauern wir, daß der gegenwärtige Innensenator in Berlin eine so harte Linie verfolgt und damit den Ruf Berlins als einer Insel der Freiheit gefährdet.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich weiß mit Ihnen, daß wir aus welchen Gründen auch immer nicht alle aufnehmen können. Ich weiß mit Ihnen, daß über Ost-Berlin Mißbrauch betrieben wird.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Jetzt kommt es! Darüber wollen wir reden!)

Ich weiß, daß Berlin in dieser Frage in einer besonders schwierigen Situation ist, und das ist einer der Gründe dafür, warum sich die Länder dankenswerterweise immer wieder bereit erklärt haben, in einem besonders beschleunigten Verfahren Flüchtlinge gerade aus Berlin in die anderen, leistungskräftigeren Bundesländer zu übernehmen. Ich bin ganz sicher, daß die Länder das im Interesse Berlins fortführen werden. Herr Kollege, wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Ländern; das ist ganz notwendig.
Wir werden diesen Gesetzentwurf wirklich ernsthaft prüfen und schnell durcharbeiten, weil wir mit Ihnen wollen, daß das Flüchtlingsrecht nicht mißbraucht wird, daß es nicht von denen in Anspruch genommen wird, die eigentlich aus wirtschaftlichen Gründen kommen oder — ich sage das eher — die nicht der Wirtschaft ihrer Länder, sondern der Armut ihrer Länder entfliehen wollen. Wir können nicht Politik im Stil der Bergpredigt treiben. Das wissen wir auch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wenn Sie keinen Mißbrauch wollen, dann müssen Sie den Innensenator in Berlin verstehen!)

Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Ländern. Aber es muß dabei bleiben, daß wir Menschen, die in ihren Ländern politisch verfolgt sind, nicht zurückstoßen, wenn sie zu uns kommen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das wollen wir doch auch nicht, Herr Hirsch! Das war eine grobe Unterstellung!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016307800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016307900
Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ich bin dem Kollegen Hirsch für das, was er über den Zusammenhang des Art. 16 des Grundgesetzes, der das Asylrecht betrifft, und unserer Vergangenheit gesagt hat, sehr dankbar. Ich kann das nur unterstützen und nur hoffen, daß der Kollege Hirsch bei dieser Meinung, die er hier offen im Deutschen Bundestag gesagt hat, bleibt. Vor allen Dingen kann ich nur hoffen, daß er und seine Fraktion auch danach handeln werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bundeskanzler Helmut Kohl hat anläßlich der „Woche des ausländischen Mitbürgers", die wir jetzt hatten, erklärt: „Die Bundesrepublik ist ein gastfreundliches Land."

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Versuchen Sie das einmal bei den Emigranten und Flüchtlingen nachzuvollziehen, wenn man sieht, was täglich in den Zeitungen steht. So lautet heute die Überschrift in der „taz": „Verheerende Zustände im Asyllager — Gegen Überbelegung, Alkoholhandel und Prostitution". Im Lager in Karlsruhe sind über 100 der dort Untergebrachten im Hungerstreik.
Wenn Sie wissen, daß in Hamburg Familien aus den Kirchen geholt und abgeschoben werden, wenn Sie wissen, daß in Berlin zivile Greiftrupps der Poli-



Ströbele
zei in der U-Bahn unterwegs sind, um Flüchtlinge aufzugreifen und abzuschieben, und wenn Sie wissen, daß in Berlin auch schwangere Frauen entgegen allen Beteuerungen aufgegriffen, festgehalten und abgeschoben werden, dann kann man das, was der Herr Bundeskanzler anläßlich so feierlicher Wochen wie der „Woche des ausländischen Mitbürgers" sagt, nicht mehr glauben.
Die Gerichte müssen auch nicht in Richtung auf weniger Liberalität korrigiert werden. Herr Kollege Hirsch, ich hatte erwartet, von Ihnen eine Bemerkung dazu zu hören, daß das Verwaltungsgericht in Aachen kürzlich die weitverbreitete Praxis legitimiert hat, daß Asylbewerbern die Sozialhilfe um mindestens 20 % gekürzt werden kann, weil sie zu Hause in ihren Herkunftsländern schließlich auch weniger zu essen hätten als bei uns.
Man muß auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg zur Kenntnis nehmen, wonach Folterungen nicht als politischer Grund für die Anerkennung als Asylant in der Bundesrepublik gerwertet werden können, weil Folterungen in der Türkei — so wörtlich das Oberverwaltungsgericht — teilweise durch traditionsbedingte Einstellung der Türkei zur Gewalt erklärt werden müssen und zum Teil auf das Selbstverständnis der Sicherheitskräfte in der Türkei zurückzuführen sind. Solche Worte hätte ich nicht deutschen Emigranten 1938 in Paris oder in anderen Städten gewünscht, wo sie Zuflucht gesucht haben.
Die CDU erfindet — wir haben dafür heute wieder ein Beispiel erlebt — wie weiland der letzte deutsche Kaiser die gelbe Gefahr; sie sieht ein Millionenheer von Einwanderungswilligen, die zähnefletschend und verhungert an unseren Grenzen nur darauf warten, uns zu überschwemmen, uns zu überrennen, uns alles wegzufressen, von unserer Sozialhilfe zu schmarotzen und uns Gefährliches anzutun. So sieht das Horrorgemälde aus.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016308000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hirsch?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016308100
Wenn das nicht angerechnet wird, j a.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1016308200
Herr Kollege, würden Sie dankenswerterweise im Interesse der Richter gleichzeitig sagen, daß nach der Rechtslage diejenigen Ausländer, denen Folter droht, nach § 14 Ausländergesetz nicht in das Fluchtland abgeschoben werden können und daß wir deswegen die Abschaffung des § 14, die ja in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, mit besonderer Sorgfalt prüfen müssen?

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Herr Hirsch, das sind die 220 000?!)


Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016308300
Da kann ich Ihnen recht geben.
Wie sehen die Fakten wirklich aus? — Es ist hier auf mehrere Zahlen hingewiesen worden, die ich bestätigen kann. Die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik — das wird ja immer wieder unterschlagen — hat sich in den letzten Jahren um mehr als 300 000 vermindert. Die Zahl der anerkannten Asylbewerber liegt bei 70 000, von denen weniger als 50 000 noch in der Bundesrepublik sind. Wenn man demgegenüber weiß, daß in der Zeit des Nationalsozialismus über 600 000 Menschen aus Deutschland emigriert sind und in anderen Ländern Asyl gefunden haben, muß man sich schämen, wenn man heute bei 50 000 anerkannten Asylberechtigten in der Bundesrepublik die Grenzen zumachen will.

(Beifall bei der GRÜNEN — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Die Zahl steigert sich doch von Jahr zu Jahr!)

Wir sollten stolz darauf sein, daß so viele politisch Verfolgte in die Bundesrepublik kommen, um hier Unterschlupf zu suchen, um sich hier vor der Verfolgung in ihren Ländern zu schützen.
Eine Überschwemmung mit Ausländern findet nicht statt. Die Bundesrepublik liegt in Westeuropa an letzter Stelle der Statistik der anerkannten Asylberechtigten. Wo ist da der Handlungsbedarf?
Alle konkreten Vorschläge des Bundesrates sind politisch-ideologische Haßtiraden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Haßtiraden?)

Hier geht es darum, ein Klima dafür zu schaffen, Verfolgte von Asylgesuchen in der Bundesrepublik abzuhalten. Hier soll ein Menschenrecht auf Zeit deklariert werden. Hier sollen die, die als politisch Verfolgte, als politische Flüchtlinge bereits anerkannt sind, immer in der Unsicherheit gelassen werden, ob sie nicht in zwei Jahren auf Grund anderer Gerichtsentscheidungen, auf Grund anderer Verwaltungsentscheidungen doch wieder gehen müssen. Hier sollen die Asylbewerber von Arbeit abgehalten werden, sie sollen der Sozialhilfe zur Last fallen, oder sie sollen den Sklavenhändlern zugetrieben werden, die sie illegal beschäftigen und sie in unverschämter Weise ausbeuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kollegen Miltner und Laufs in der Öffentlichkeit und heute hier im Bundestag ja auch wieder der Kollege Dr. Olderog wollen an Art. 16 des Grundgesetzes heran, sie wollen diese Vorschrift verändern. Dieser Artikel ist ihnen unerträglich, weil er sie zwingt — der Kollege Hirsch hat darauf hingewiesen —,

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie hätten mehr zuhören sollen, was ich gesagt habe! „Unerträglich"? Quatsch!)

sich bei jedem Asylantrag an unsere Verantwortung auf Grund der Geschichte des faschistischen Deutschland zu erinnern. Die politische Verantwortung für unsere Vergangenheit ist ihnen und dem Kanzler Kohl und dem Herrn Zimmermann und dem Herrn Lummer und dem Herrn Späth — und wie sie alle heißen — lästig; sie möchten sie begraben, einmauern und abschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns ist diese Vergangenheit Verpflichtung. Wir meinen, wenn die anderen Länder in der Zeit des



Ströbele
Nationalsozialismus 600 000 Deutsche bei sich aufgenommen haben, sie beherbergt und ihnen ein Auskommen gegeben haben, dann ist das für uns eine Verpflichtung, heute alles zu tun, um uns den Menschen in der Welt gegenüber zu revanchieren.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das wäre nur christlich!)

Wir lehnen deshalb die Vorschläge des Bundesrates ab. Wir sind uns in dieser Frage einig mit amnesty international, mit den Kirchen, mit vielen Gewerkschaften, mit vielen sozialen Einrichtungen und offenbar auch mit der FDP und der SPD. Mit ihnen gemeinsam werden wir uns für die Minderheiten und für politisch Verfolgte in aller Welt einsetzen.
Für die GRÜNEN ist der Schutz der Minderheiten und der politisch Verfolgten ein Essential ihres politischen Handelns, und das wird es auch bleiben. Aus diesem Grunde müssen Sie bei allen Initiativen zur Verschärfung des Asylrechts und übrigens auch des Ausländerrechts mit unserem härtesten Widerstand rechnen. Wir finden es unerträglich, daß es schon wieder so weit sein soll, daß in der Bundesrepublik politisch Verfolgte, auch wenn sie aus anderen Ländern kommen, vor den Behörden versteckt werden müssen.
Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Unglaublich, diese Parallelen zur NS-Zeit zu ziehen! Es ist unglaublich!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016308400
Ich erteile dem Herrn Bundesminister des Innern das Wort.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1016308500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ganze Reihe von wichtigen Argumenten und Zahlen sind genannt worden. Die Länder stellen diesen Antrag, weil viele bemerkenswerte Argumente vor dem verblassen, was in der Wirklichkeit vor Ort — im Dorf, in der Gemeinde, in der kleinen und mittleren Stadt — geschieht. Im übrigen: Daß das Asylrecht geändert und wieder angepaßt wird, ist keine singuläre Sache der Bundesrepublik Deutschland. Die Schweiz hat ihr Asylverfahrensrecht zuletzt am 1. Juni des letzten Jahres modifiziert. Auch dort berät das Parlament angesichts der gestiegenen Zahl von Asylbewerbern schon wieder über eine weitere Revision.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Die sollten sich schämen!)

Das Asylrecht wird immer noch in beträchtlichem Umfang von Ausländern in Anspruch genommen, die die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nicht erfüllen, sondern ein Asylverfahren nur betreiben, um sich zumindest vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Auch das ist eine ganz unbestreitbare Tatsache. Allein mit Personalmaßnahmen läßt sich das natürlich nicht lösen. Trotzdem sind auch sie wichtig. Im Haushaltsentwurf 1986 sind Mittel für insgesamt 126 neue Mitarbeiter des Bundesamtes
in Zirndorf vorgesehen. Im Hinblick auf die angespannte Arbeitssituation werden im Vorgriff darauf bereits 90 neue Mitarbeiter eingestellt.
Wir müssen aber auch folgendes erkennen: Ein immer weiter ansteigender Zugang von Asylanträgen — das findet in diesem Jahr wieder statt — übersteigt die Verfahrens- und Entscheidungskapazitäten von Exekutive und Judikative. Wir stoßen hier an die Grenzen. Hinzu kommt, daß die Struktur der Behörden und Gerichte durch massenhaft gestellte Asylanträge in einer Weise verändert werden kann, die einer effektiven Grundrechtsgewährleistung nicht dienlich sein kann.
Herr Kollege Wernitz, der Vorsitzende des Innenausschusses, hat 1982 auf einer Arbeitstagung in Köln wörtlich ausgeführt:
Mein Eindruck ist, daß wir bei dem Asylrecht, wenn man auf der Grundlage des vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens bleibt, die Möglichkeiten der Gesetzgebung weitgehend ausgeschöpft haben.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Aha!)

Wer immer noch den Eindruck erweckt, daß hier große Änderungsmöglichkeiten bestehen, der macht sich oder anderen etwas vor.
Dieses Zitat sollten die Kollegen von der SPD vielleicht noch einmal lesen, wenn sie diesen Antrag des Bundesrates im Innenausschuß beraten.

(Schreiner [SPD]: Wollen Sie Ihre eigenen Gesetzesanträge ablehnen?)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist — Bürgermeister Lummer hat das im Bundesrat deutlich gemacht —

(Ströbele [GRÜNE]: Der hat es nötig!)

der Versuch, das auszuschöpfen, was noch möglich ist. Wer die Verhältnisse in Berlin auf diesem Sektor kennt, der weiß, daß der Berliner Senat, das Berliner Abgeordnetenhaus und die Berliner Bevölkerung hier sehr wohl ein Problem sehen, das ihnen auf den Nägeln brennt. Das sollte man nicht so abtun mit Zurufen wie: „Der hat es nötig!".
Meine Damen und Herren, Die Bundesregierung hat sich in einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf geäußert. Ich möchte nur auf einen Bereich eingehen, auf den Bereich des § 2 — Schutz vor Verfolgung —.
Zwei kurze Zitate aus Urteilen der Verwaltungsgerichte:
Ebenfalls steht dem Asyl nicht entgegen, daß sich der Kläger vom 2. Juli 1975 bis 1. Januar 1976 mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Schweden aufgehalten hat ... Gegenüber den schwedischen Behörden, die ihn ausdrücklich auf die Möglichkeit der Asylantragstellung hingewiesen hatten, hat er erklärt, er bleibe nicht in Schweden, sondern er wolle zwecks Asylgewährung in die Bundesrepublik Deutschland weiterreisen.

(Ströbele [GRÜNE]: Seien wir doch stolz darauf!)




Bundesminister Dr. Zimmermann
Damit hat er klar zu erkennen gegeben, daß er Schweden nur als Durchreiseland betrachtet und endgültigen Schutz vor Verfolgung nur in der Bundesrepublik Deutschland suchen wollte.
Zweites Zitat:
Daher kann aus der Tatsache, daß die Klägerin sich eine verhältnismäßig lange Zeit — etwa 11/2 Jahre — in Israel aufgehalten hat, ebensowenig auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz geschlossen werden wie aus dem ihr gewährten Abschiebungsschutz und den Mitteln zur Existenzsicherung, die ihr der Staat Israel ... zur Verfügung gestellt hat. ... Denn für diese Annahme fehlt es an der weiteren Voraussetzung, nämlich daß die Klägerin diesen Schutz in Israel tatsächlich auch gesucht hat.
In beiden Fällen ist klar: In Schweden und in Israel wäre anerkannt worden, aber man wollte wegen der besseren Lebensbedingungen in die Bundesrepublik Deutschland.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016308600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hirsch auf der einen Seite und des Herrn Abgeordneten Ströbele auf der anderen Seite?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1016308700
Nein, ich möchte ein paar ganz kurze Erklärungen zu diesem Entwurf des Bundesrates abgeben. Ich möchte in der ersten Lesung nicht etwa in eine vertiefende Diskussion eintreten.

(Mann [GRÜNE]: So gehen Sie mit dem Informationsbedürfnis dieses Parlaments um! Das ist ein starkes Stück! — Baum [FDP] und Dr. Hirsch [FDP]: Wie soll der Grenzbeamte das denn prüfen?)

Es liegt im Ermessen eines jeden Redners, ob er Zwischenrufe beantwortet oder nicht.

(Mann [GRÜNE]: Natürlich ist es in Ihrem Ermessen; aber das spricht Bände für Ihr politisches Selbstverständnis!)

— Herr Kollege Mann, Sie gehören zu denen, denen ich mangels Kompetenz überhaupt keine Zwischenfrage beantworte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Mann [GRÜNE]: Und Sie sind in einer Weise arrogant, daß es zum Himmel stinkt!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016308800
Herr Abgeordneter Mann, Sie haben sich für eine Zwischenfrage zu Wort gemeldet.

(Mann [GRÜNE]: Ich habe mich überhaupt nicht gemeldet!)

— Herr Ströbele. — Die Zwischenfrage ist abgelehnt worden. Das ist das Recht des Redners.

(Mann [GRÜNE]: Ich habe mich nicht gemeldet, Herr Präsident!)

Dann haben Sie dies auch nicht hinterher zu kritisieren, Herr Mann.

(Mann [GRÜNE]: Ich habe mich nicht gemeldet!)

— Sie haben das nicht zu kritisieren, Herr Mann; nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Das ist eine Ermessensfrage, und der Minister hat davon Gebrauch gemacht.

(Mann [GRÜNE]: Über meine Rechte als Abgeordneter lasse ich mich in dieser Weise ungern belehren! — Zurufe von der CDU/CSU: Oh! — Jetzt aber die gelbe Karte!)

Herr Bundesminister, fahren Sie fort.

(Ströbele [GRÜNE]: Wenn ein jüdischer Flüchtling lieber nach Deutschland als nach Israel geht, sollten Sie stolz darauf sein! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Sie haben sich da vielleicht noch einiges zu merken.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1016308900
Sie sollten das Recht, Zwischenrufe in Anspruch zu nehmen, nicht ständig so mißbrauchen, wie Sie das tun, Herr Abgeordneter Ströbele.

(Mann [GRÜNE]: Und Sie sollten Ihr Ermessen anders ausüben, wenn Sie am Pult stehen!)

Ich komme darauf zurück: In zwei demokratischen Ländern war Schutz vor Verfolgung angeboten worden. Die Betreffenden haben weder Schweden noch Israel wählen wollen, sondern die Bundesrepublik Deutschland wegen der besseren Lebensbedingungen. Das ist doch ein Tatbestand. Den kann man kritisieren oder nicht, aber es ist so. Aus diesem Grunde muß man fragen, ob Art. 16 Abs. 2 GG eine so weite Auslegung des Asylrechts, wie sie hier von den Verwaltungsgerichten vorgenommen worden ist, wirklich gebietet oder ob der Gesetzgeber nicht Grund zu einer Prüfung hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat einmal darauf hingewiesen, daß Art. 16 Abs. 2 eine gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit voraussetzt. Ob in den Fällen, die ich gerade zitiert habe, von einer gegenwärtigen Verfolgungsbetroffenheit gesprochen werden kann, möchte ich bezweifeln.
In den seinerzeitigen parlamentarischen Beratungen des Asylverfahrensgesetzes hat der Rechtsausschuß des Bundestages die Auffassung vertreten, Ausländer, die durch Verlassen eines Drittstaates den dort gefundenen Schutz vor Verfolgung freiwillig aufgeben, sollten das Grundrecht auf Asyl nicht geltend machen können. Aus dem geltenden Wortlaut des § 2 Asylverfahrensgesetz wird von einigen Gerichten indessen herausgelesen — ich würde hier besser sagen: hereingelesen —, daß auch in diesen Fällen gleichwohl noch ein Anspruch auf Asylgewährung bestehe.
Der vorliegende Gesetzentwurf bietet die Möglichkeit, vertieft zu prüfen, welche Handlungsmöglichkeiten dem Gesetzgeber noch verbleiben. Wir



Bundesminister Dr. Zimmermann
müssen uns aber darüber im klaren sein — hier möchte ich für die Bundesregierung keine Zweifel lassen —, daß weder durch Personalverstärkungsmaßnahmen noch durch andere Maßnahmen nach dem nationalen Verfahrensrecht eine befriedigende Lösung gefunden werden kann. Wir müssen weiter unter Berücksichtigung der internationalen Verhältnisse nach Lösungen suchen, wie unsere humanitären und rechtlichen Verpflichtungen in Einklang mit unseren tatsächlichen Möglichkeiten und den Lebensinteressen der Bevölkerung gebracht werden können.
Die von der Bundesregierung eingesetzte interministerielle Kommission „Asyl" befaßt sich mit diesen grundlegenden Fragen. Ich gehe davon aus, daß der Kommissionsbericht bis Ende dieses Jahres vorliegen wird.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016309000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 10/3678 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß, zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu andere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Ist das Haus damit einverstanden'? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Waltenmathe, Müntefering, Dr. Apel, Conradi, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Reschke, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Frau Weyel, Frau Blunck, Ranker, Kuhlwein, Büchler (Hof), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes
— Drucksache 10/3401 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat eine Aussprache von jeweils fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Büchler (Hof). Bitte sehr.

Hans Büchler (SPD):
Rede ID: ID1016309100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion hat ein Ziel: die Gefährdung von Kleingärten abzuwenden. Wir wollen im Bundeskleingartengesetz von 1983,
das sich im großen und ganzen bewährt hat — das kann man heute sagen —, die Frist zur Kündigung von Pachtverträgen um drei Jahre verlängern. Das Problem ist bekannt. Ich glaube, ich brauche es hier nicht näher zu erläutern. Alle diejenigen, die Gartenland benützen, das nicht der Gemeinde gehört, sind terminlich praktisch gefährdet. Das sind alle Privaten, Kirchen, Stiftungen usw.
Wir Sozialdemokraten haben die Sorge, daß die Frist bis zum 31. März 1987 zu kurz bemessen ist, um möglichst alle Gärten zu erhalten. Es ist in der Tat so, daß viele Gärten in den Städten gefährdet sind. Wie wichtig aber die Gärten in den Ballungsräumen und Städten geworden sind, hat sich in den letzten Jahren überdeutlich gezeigt. Die Sünden der Vergangenheit, als es nur darum ging, in der Ebene zu betonieren und mit Hochhäusern Rekorde aufzustellen, haben wir auch heute noch schmerzlich zu spüren.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll deshalb wesentlich mithelfen, daß unsere städtischen Grünflächen — und die Kleingärten sind ein großer Teil davon — eben nicht dezimiert werden, daß sie erhalten bleiben und aus dem innerstädtischen Bereich nicht weiter herausgedrängt werden.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ja — Gott sei Dank, möchte ich sagen — fast Allgemeingut geworden: Stadtgestaltung heißt heute „Mehr Grün in die Städte!". Dabei stellt dieser Gesetzentwurf nicht einmal auf das Mehr ab. Er will ja nur verhindern, daß Grünflächen weiter zurückgedrängt werden. Darum geht es uns bei diesem Entwurf. Das ist aber auch notwendig. Denn unsere Kleingärten tragen zur stadtnahen Erholung bei und entlasten unsere ökologisch wertvollen Landschaftsgebiete.
Kleingärten — das wissen wir — haben überwiegend Freizeitwert und werden zur Freizeitgestaltung genützt. Sie haben daher eine übergeordnete gesellschaftliche Funktion. Wenn man sich die Gartenbewirtschaftung in der Republik anschaut, dann stellt man fest, daß viele Deutsche in den Gärten arbeiten und dort ihre Freizeit verbringen. 25 % aller Deutschen besitzen einen Garten und arbeiten in ihm. Die Gärten stellen also einen wichtigen Faktor bei der Freizeitgestaltung dar. Die Deutschen lieben ihre Gärten; das wissen wir. Sie haben sich mit ihren Gärten, so meine ich, eine Oase geschaffen,

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Sehr gut!)

in die sie sich zurückziehen können. Sie haben sich eine Nische gegen den Streß geschaffen. Hinzu kommt noch: Wenn die Kleingärten naturgemäß bewirtschaftet werden, verbessern sie auch die Umweltbedingungen in den Städten wesentlich.
Die Gemeinden bemühen sich, Bebauungspläne aufzustellen, die es ermöglichen, Kleingärten in Dauerkleingärten umzuwandeln. Aber die Frist dafür scheint uns zu kurz zu sein. Natürlich wäre es gut — das möchte ich hier auch sagen —, wenn dies alles in der Frist geschehen könnte. Nur, wenn es innerhalb der bisher vorgesehenen Frist nicht ge-



Büchler (Hof)

schehen kann, dann brauchen wir die Fristverlängerung; darüber gibt's gar keinen Zweifel.
Die Kommunalpolitiker müssen wissen, daß sie in Zukunft mehr danach beurteilt werden, wieviel Grün sie in die Städte zurückbringen, nicht aber danach, wieviel sie zubetonieren.

(Beifall bei der SPD)

Das muß man den Kommunalpolitikern einmal sagen.
Im Rahmen der Ausschußarbeit besteht, glaube ich, Gelegenheit, das ganze Thema in einer Art Anhörung noch einmal genau zu erurieren und zu überlegen, was wir tun sollen. Diese Sicherheit sollten wir, auch wenn es vielleicht überflüssig ist, schon einbauen. Wir sollten dafür Sorge tragen, daß auf jeden Fall klar ist: Wir wollen die Gärten in den Städten erhalten, wir wollen sie mehren. Wir wissen, daß immer mehr junge Ehepaare, Ehepaare mit Kindern das Verlangen haben, ein Stück Land zu besitzen, einen Kleingarten zu bearbeiten oder sonst gärtnerisch tätig zu sein. Wir von der Politik sollten eine solche Bewegung unterstützen. Das führt den Menschen zur Natur zurück. Das macht deutlich, daß der Mensch und die Natur eine Einheit darstellen. Ich glaube, das ist für eine harmonische Gesellschaft auch wichtig. Deshalb zielt unser Antrag darauf, daß wirklich kein Kleingartenland vernichtet, sondern auf jeden Fall erhalten wird.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zuzustimmen.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016309200
Das Wort hat der Abgeordnete Magin.

Theo Magin (CDU):
Rede ID: ID1016309300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verabschiedung des Bundeskleingartengesetzes am 9. November 1982 habe ich für unsere Fraktion die Meinung über die sozialpolitischen und städtebaulichen Bedeutungen und Wirkungen des Kleingartenwesens deutlich gemacht. Wir stimmen weitgehend mit dem überein, was Sie, Herr Büchler, heute gesagt haben. Unsere Meinung ist unverändert.
Ich erinnere daran, meine Damen und Herren, daß die Neufassung des Bundeskleingartengesetzes auf einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1979 zurückgeht. Das trifft natürlich die Problematik, die heute in Ihrem Antrag angesprochen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat damals festgestellt, daß die geltenden rechtlichen Regelungen über das Kleingartenwesen nicht mehr mit Art. 14 des Grundgesetzes zu vereinbaren sind. Entsprechend der Definition in diesem Beschluß, nämlich daß die Bereitstellung von Grundstücken für Kleingärtner eine öffentliche Aufgabe der Gemeinden ist, sieht das Gesetz eine Übergangsfrist von vier Jahren vor, innerhalb deren die Gemeinden Dauerkleingärten durch den Erlaß von Bebauungsplänen absichern können.
Ihr Änderungsantrag, meine Kollegen von der SPD, will nun mit der Begründung, diese Frist reiche nicht aus, wie Sie, Herr Büchler, gesagt haben, um alle privaten Kleingartengrundstücke in Bebauungsplänen als Dauerkleingärten festzusetzen, diese Frist über den 31. März 1987 bis zum 31. März 1990 ausdehnen.
In ersten Stellungnahmen haben die kommunalen Spitzenverbände diese Fristverlängerung für nicht nötig erklärt. Sie sehen keinen Handlungsbedarf, ja sie raten ab. Der noch zur Verfügung stehende Zeitraum wird für ausreichend gehalten.
Nun hat — dem können wir uns bei einer solchen Diskussion nicht verschließen — am 24. Mai 1985 der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beschlossen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die in § 16 des Kleingartengesetzes geregelte Übergangsfrist von vier Jahren mit Art. 14 des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Der V. Senat hält die Übergangsfrist von vier Jahren für verfassungswidrig. In dem Beschluß heißt es u. a., die Aufrechterhaltung von Pachtverträgen, die nach ihrem Vertragsinhalt vor dem 1. April 1983 beendet gewesen wären, über mehr als eine kurz bemessene Zeit nach dem Inkrafttreten der Neuregelung hinaus, in der sich die Beteiligten auf die neue Rechtslage hätten einrichten können, sei nach Ansicht des Senats mit Art. 14 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Man hätte allenfalls einer Verlängerung bis zum Ende der Vegetationsperiode, d. h. bis zum 30. November 1984, zustimmen können.
Wir teilen die Auffassung des V. Senats, was die vierjährige Übergangsfrist angeht, nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich wiederhole, was ich vorhin bereits ausgeführt habe, nämlich daß nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts es als eine öffentliche Aufgabe der Gemeinde definiert wurde, Kleingartenland unter Berücksichtigung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Zur städtebaulichen Überprüfung der Standorte von Kleingartenanlagen, ob diese Anlagen bauplanerisch abgesichert werden sollen, muß der Gemeinde eine angemessene Frist eingeräumt werden, die es ihr ermöglicht, ohne unverhältnismäßigen Zeitdruck die städtebaulich relevanten Standortfragen zu klären und die notwendigen Entscheidungen im Hinblick auf die Beibehaltung oder Aufgabe der Kleingartenanlage zu treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dasselbe gilt auch für die Bereitstellung von Ersatzland. Jeder Praktiker erkennt, daß man das nicht von heute auf morgen tun kann. Insofern sind die vier Jahre durchaus in Ordnung. Wir halten diese Frist für sachgerecht und angemessen.
Die Frage, ob es nötig und auch rechtlich möglich ist — wir können uns der Rechtsprechung nicht verschließen —, die Übergangsfrist bis zum Jahre 1990 auszudehnen, wollen wir sorgfältig prüfen. Deshalb halten wir eine baldige Behandlung im Ausschuß für angezeigt.
Wir halten es für wichtig, dazu die mit diesen Fragen befaßten Verbände — das sind die Kleingärtnerverbände und die kommunalen Spitzenverbände



Magin
— anzuhören, um ihren sachkundigen Rat in diesen Fragen einzuholen.
Meine Fraktion stimmt der Ausschußüberweisung zu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016309400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Werner (Westerland).

Gerd Peter Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016309500
Herr Präsident! Meine Herren! Wir GRÜNEN werden von anderer Seite gern als „grüne Gartenzwerge" dargestellt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Wir fühlen uns zwar durch dieses Image nicht verpflichtet, aber Sie werden von einem GRÜNEN in dieser Debatte heute selbstverständlich nichts anderes erwarten dürfen als ein Bekenntnis zum Kleingarten.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Für viele Kleingartenbesitzer ist ihr Garten geradezu eine Lebensform. Angesichts eines Wertewandels — nicht im Sinne der Rolle rückwärts, wie wir Ihre „geistig-moralische Wende" bewerten, sondern im Sinne eines steigenden ökologischen Bewußtseins — hat der Garten, insbesondere auch die Kleingartenkolonie als einzige Möglichkeit für viele Städter, eine ständig zunehmende Bedeutung für das, was man Lebensqualität nennt.

(Mann im Kleingarten!)

— Kommt noch!
Ein paar Zahlen sollen die Situation verdeutlichen: Die bebauten und versiegelten Flächen in dieser Republik nehmen insgesamt etwa die doppelte Fläche des Bundeslandes Schleswig-Holstein ein. Allein innerhalb der letzten zehn Jahre wurde fast die vierfache Fläche des Landes Hamburg bebaut. Die Siedlungsflächen sind dreizehnmal so groß wie die Naturschutzflächen, die Verkehrsflächen fünfmal so groß. Wäre der Adler an der Wand hinter mir lebendig, bräuchte er etwa 20 Quadratkilometer Fläche, in denen absolute Ruhe herrscht — und darum gibt es diesen Wappenvogel in diesem unserem Lande praktisch nicht mehr. Ich will jetzt nicht behaupten, daß mit der Erhaltung aller vorhandenen Kleingärten dem Adler wieder Lebensraum verschafft werden könnte; aber eine solche Erhaltung wäre in jedem Fall eine Mindestforderung, um noch ein wenig annähernd naturnahe Flächen zu retten.
Nach mir vorliegenden Zahlen verfügen etwa die Hälfte der bundesdeutschen Haushalte über Gartenland in dieser oder jener Form. Ich lasse mich gern berichtigen, wenn diese Zahl etwas zu hoch gegriffen sein sollte. Nach einer Schätzung wird etwa ein Drittel der inländischen Gemüseproduktion von Kleingärtnern geerntet.

(Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Zwar haben sich diese Kleingärtner in der Vergangenheit vielfach durch Werbung dazu verführen lassen, in ihren Gärten eine unökologische Anbauweise unter Verwendung von giftigen Präparaten — teils in sehr hoher Dosierung — zu pflegen; aber diese Tendenzen sind doch sehr stark rückläufig; ein neues Bewußtsein breitet sich auch hier aus.

(Zuruf von den GRÜNEN: Hoffen wir es! — Beifall bei der GRÜNEN)

Unter all diesen Umständen muß jeder rettende Strohhalm ergriffen werden, um weiteren Abbau von naturnahen Flächen auf jeden Fall zu verhindern. Im Rahmen der Gewaltenteilung haben wir als Gesetzgeber klare Zeichen zu setzen, und wir dürfen uns nicht durch angeblich vorhandene verfassungsrechtliche Zweifel davon abhalten lassen, hier klar Stellung zu beziehen. Denjenigen, die meinen, verfassungsrechtlich sei die heutige Vorlage bedenklich, möchte ich vor Augen halten, daß auch die Bewertung verfassungsrechtlicher Normen einem gewissen Wandel unterworfen sein kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Beim vorigen Tagesordnungspunkt ward ihr ganz anderer Meinung! Ihr nehmt es immer so, wie es paßt!)

Angesichts der zunehmenden Tendenz, den Schutz der Umwelt z. B. in Länderverfassungen als Staatsschutzziel einzufügen, wird man heute den hier behandelten Sachverhalt sicher anders bewerten müssen als vor etwa zehn Jahren.
Nach vorsichtigen Schätzungen sind von der Rechtsunsicherheit, die mit dieser Vorlage beseitigt werden soll, etwa 20 % der Kleingärten betroffen. Aber allein zu dem Zweck, hier einmal genauere Zahlen — z. B. durch Anhörungen — zu bekommen, ist es in jedem Fall sinnvoll, daß diese Vorlage in den Ausschüssen behandelt wird.
Die Behauptung der Bundesregierung und der Spitzenverbände, die uns jetzt durch manche Vorlagen bekanntgeworden ist, daß ein Regelungsbedarf nicht bestehe, klingt zunächst ganz schön und gut; aber im Zweifelsfalle lasse ich mir die Situation lieber von den Betroffenen selbst erklären als von den Vertretern einer Wende, die hier gar zu gern die Rechte von Eigentümern höher stellen möchten als die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und das neuerwachte Umweltbewußtsein.
Vielen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN — Eigen [CDU/ CSU]: Das werde ich den Bauern einmal erzählen!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016309600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Beckmann.

Klaus Beckmann (FDP):
Rede ID: ID1016309700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit dem Kleingartengesetz von 1982 haben wir festgelegt, daß bestehende Pachtverträge mit privaten Verpächtern über Kleingärten, die nicht im Bebauungsplan ausgewiesen sind, mit Ablauf des 31. März 1987 enden, wenn die vereinbarte Pachtzeit vor diesem Zeitpunkt ausgelaufen ist. Mit dieser Regelung haben wir den schutzwürdigen Belangen der Verpächter und der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums Rechnung tragen wollen. Durch die



Beckmann
vierjährige Übergangsfrist sollte den Gemeinden auch genügend Zeit gegeben werden, um einen Bebauungsplan aufzustellen und die Kleingartenanlage als Fläche für Dauerkleingärten auszuweisen mit der Folge, daß das Pachtverhältnis auf unbestimmte Zeit als verlängert gilt, oder aber um Ersatzland zur Verfügung zu stellen.
Der Besitz eines Kleingartens ist heute zumeist für die Kleingärtner von beachtlichem Wert und zugleich von besonderer Bedeutung für die Bürger in unseren Städten. Wir bedauern sehr, daß die Ausweisung von Dauerkleingärten über Bebaungspläne in den Städten nicht schnell genug vorangeht. Eigentlich müßte der vorgegebene Zeitraum im bestehenden Gesetz ausreichen, zumal wir wissen, daß es auch hier erhebliche rechtliche Probleme zu geben scheint.
Die FDP-Fraktion ist bereit, den vorliegenden Gesetzesantrag im Ausschuß eingehend zu prüfen und zu beraten. Wir wissen um die große Bedeutung der Kleingartenidee. Lassen Sie mich deshalb mit einem Wort von Lichtenberg schließen, der gesagt hat: „Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat oft viel Großes hervorgebracht."

(Beifall bei allen Fraktionen)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016309800
Ich erteile das Wort dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Jahn.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch ein Gärtner! — Zuruf von den GRÜNEN: Bekenntnis der Bundesregierung zum Kleingarten!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016309900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Büchler hat sicherlich heute seine Funktion als Präsident des Kleingärtnerverbandes im Hinterkopf, wenn er für die SPD-Fraktion diesen Antrag begründet. Herr Kollege Büchler, die Bundesregierung ist — das wissen Sie genau — stets für die Belange der Kleingärtner eingetreten. Sie tut das auch heute, und sie appelliert von dieser Stelle aus erneut an die Städte und Gemeinden, den Kleingärtnern auch zu einem Kleingarten zu verhelfen, soweit das im Rahmen der städtebaulichen Planung möglich ist. Wir haben die Gelegenheit genutzt, an die kommunalen Spitzenverbände heranzutreten, um diese Aufgabe noch einmal in ihrer Bedeutung zu unterstreichen.
Der Kollege Magin hat in dankenswerter Klarheit auf das Problem hingewiesen, daß der Bundesgerichtshof die Übergangsfrist von vier Jahren als verfassungswidrig ansieht und deshalb einen Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht gemacht hat. Die Problematik besteht darin, daß Sie diese Frist, die der Bundesgerichtshof für rechtswidrig hält, noch einmal um drei Jahre ausdehnen wollen. Herr Kollege Büchler, ich darf in Ihre Erinnerung rufen, daß der federführende Bundestagsausschuß damals einmütig eine Verlängerung der Übergangsfrist über vier Jahre hinaus abgelehnt hat. Im schriftlichen Bericht des Ausschusses,
der einstimmig votiert hat, heißt es hierzu — ich zitiere —:
Einigkeit bestand im Ausschuß darüber, daß befristete Verträge mit privaten Eigentümern grundsätzlich nach einer Übergangszeit von vier Jahren enden sollen, wenn die vereinbarte Pachtdauer bis zum 31. März 1987 abgelaufen ist. Eine Verlängerung um weitere vier Jahre, die von Kleingärtnerverbänden gewünscht wird, wäre im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie bedenklich.
Sie haben damals dem Gesetz zugestimmt, wie wir alle, und die Frage, die sich nun auftut, ist: Was hat es in der Zwischenzeit an konkreten Fakten gegeben, die es rechtfertigen, diesen Gesetzentwurf einzubringen'?
Herr Kollege Büchler, ich habe deshalb die kommunalen Spitzenverbände in einem Schreiben aufgefordert, zu dieser Problematik Stellung zu nehmen. Die kommunalen Spitzenverbände haben übereinstimmend mitgeteilt, daß ein Handlungsbedarf für eine gesetzgeberische Maßnahme nicht bestehe. Die planungsrechtliche Absicherung von Kleingärten, die vom Auslaufen der Pachtverträge betroffen seien, erfordere keine Verlängerung der vierjährigen Übergangsfrist. Es liegen danach — so die kommunalen Spitzenverbände — weder städtebauliche noch kleingärtenrechtliche Gründe vor, die eine Verlängerung der Übergangsfrist angebracht erscheinen lassen.
Sie sehen, die Bundesregierung hat, auch auf Grund von Fragen, die Sie in der Fragestunde gestellt haben, Ihr Anliegen zum Anlaß genommen, diejenigen, die es angeht, nämlich die kommunalen Spitzenverbände, zu befragen. Das hindert uns nicht daran, wenn dieser Gesetzesantrag überwiesen wird, die Gesamtproblematik noch einmal zu durchleuchten. Es wäre ja vielleicht auch gut, wenn das Bundesverfassungsgericht uns seine Entscheidung noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zugänglich machte, damit wir wissen, auf welchem Boden wir uns befinden.
Alles in allem findet hier heute ein Wettbewerb um die Kleingärtner statt. Herr Kollege Büchler, das war schon immer so. Wir kennen auch die Relevanz, die dahintersteckt. Sie haben gesagt: Zurück zur Natur. Ich persönlich möchte sagen: jawohl, aber natürlich im Rahmen der Verfassung und des gesetzlich Möglichen. Dem stellen wir uns wahrscheinlich alle in den Ausschußberatungen. Ich lade Sie ein, mit in den Wettbewerb einzutreten, wer sich denn für die Kleingärtner am meisten verpflichtet weiß. Die Bundesregierung wird nicht hintanstehen.

(Beifall bei allen Fraktionen — Zuruf von der CDU/CSU: Ein guter Staatssekretär in einer guten Regierung!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016310000
Meine Damen und meine Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor Überweisung an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städte-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Oktober 1985 12227
Vizepräsident Stücklen
bau — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Bis zur Fragestunde hätten wir noch vier Minuten Zeit. Da ich aber sehe, daß der Vertreter der Bundesregierung bereits da ist und auch die Fragesteller anwesend sind, bitte ich, damit einverstanden zu sein, daI3 wir sofort weiterfahren.
Ich rufe auf:
Fragestunde
— Drucksache 10/3918 —
Wir fahren fort mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Ströbele auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es in dem von der Düsseldorfer Regionalstelle für Flugsicherung kontrollierten Luftraum im Zeitraum Mitte Juni/Mitte Juli 1985 zu mindestens 101 Vorkommnissen gekommen ist, Vorkommnissen, die von der militärischen und zivilen Seite gemeldet wurden und unstreitig auf das „Sobernheimer Konzept" zurückzuführen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016310100
Herr Ströbele, durch die Beaufsichtigung und Begleitung des Feldversuchs durch eine Steuerungsgruppe, in welcher die beiden beteiligten Ressorts, Bundesministerium für Verkehr und Bundesministerium für Verteidigung, maßgeblich vertreten sind, besteht laufende Unterrichtung über alle besonderen Vorkommnisse im Zusammenhang mit diesem Projekt. Bei den in Ihrer Frage genannten Vorkommnissen handelt es sich um Situationen, die von der Steuerungsgruppe im Sinne ihrer Aufgabenstellung behandelt werden sollten und ihr zu diesem Zweck vorzutragen waren. Bei der praktischen Erprobung einer neuen Konzeption sind derartige Berichte normal und unverzichtbar, wenn die Erprobung als Test zu Änderungen und Verbesserungen genutzt werden soll. Wie bei der Antwort von gestern ausgeführt, sind auf Grund derartiger Vorträge Neuregelungen getroffen worden. Im übrigen handelt es sich bei diesen Vorkommnissen nicht um sogenannte gefährliche Begegnungen zwischen Luftfahrzeugen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016310200
Eine Zusatzfrage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016310300
Herr Staatssekretär, welche Ursachen liegen nach Auffassung der Bundesregierung dafür vor, daß es am 12.6. von 9.40 Uhr bis 12 Uhr und am 27.6. von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr in der Düsseldorfer Flugsicherungsregionalstelle zum Teamsplit zwischen Radar und Koordinationslotsen und damit zu nicht mehr durchführbarer Arbeit sowie zu höchsten Sicherheitsrisiken gekommen ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ein Mitarbeiter des Verkehrsministeriums sagt gerade, daß dies auf ein unerwartetes hohes Verkehrsaufkommen zurückzuführen ist. Ich würde trotzdem vorschlagen, daß Sie, wenn Sie ein Datum mit Tageszeit erwähnen, das doch vorher vielleicht in der Frage übermitteln, damit man sich entsprechend vorbereiten kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016310400
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016310500
Herr Staatssekretär, können Sie die Vorkommnisse, die Sie ja dem Grunde nach, wenn ich das als Jurist sagen darf, bestätigen, von denen Sie nur eine andere Qualifikation annehmen, daß sie etwas anderes gewesen sind, näher bezeichnen und sagen, um was für Vorkommnisse es sich bei den 101 Vorkommnissen, auf die sich die Frage bezieht, gehandelt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Ströbele, diese Vorkommnisse waren keine gefährlichen Begegnungen, wie Sie es in Ihrer Frage und in Ihrer Zusatzfrage andeuten, sondern dies waren exakt Abstimmungsfälle und Abstimmungsfragen, die in dem Feldversuch geprobt werden sollten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016310600
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016310700
Herr Staatssekretär, wie ist zu erklären, daß es am 9. Juli zu erheblichen technischen Störungen kam, und wie ist ferner zu erklären, daß bei Durchführung von Notstaffelungen zwei Systeme im gleichen Luftraum arbeiten? Ich möchte bemerken: Immerhin ist in der Frage 47 nach 101 Vorkommnissen in dem Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte Juli 1985 gefragt. Ich meine, es ist die Pflicht der Bundesregierung, sich für diese Fragestunde über die gesamten Vorkommnisse in diesem Zeitraum sachkundig zu machen.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin ausgeführt, daß die „Vorkommnisse" — ich sage dies mit Anführungszeichen — nicht gefährliche Begegnungen gewesen sind, die die Sicherheit im Luftverkehr tangiert hätten. Ich mache Ihnen den Vorschlag, daß Sie mir alle Ihre Daten übermitteln, ob Sie den 30. August oder den 17. Juni nehmen. Ich bin gern bereit, all diesen Fragen nachzugehen. Wir müssen allerdings dafür die Auskünfte erst noch bei der BITS einholen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016310800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Würtz.

Peter Würtz (SPD):
Rede ID: ID1016310900
Herr Staatssekretär, ist es auf Grund dieser Vorkommnisse in der Düsseldorfer Regionalstelle zu irgendwelchen Untersuchungen oder Disziplinarmaßnahmen gekommen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies war nicht erforderlich. Meine Antwort ist also: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016311000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulte (Menden).

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016311100
Herr Staatssekretär, wie ist es dann zu erklären, daß der zuständige Personalrat beantragte, den Feldversuch zum Schutz



Schulte (Menden)

des Personals und der Sicherheit der Luftfahrt umgehend einzustellen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es war von Anfang an für alle deutlich, daß verschiedene Vertreter des Personals diesen Versuch nicht wollten. Ich muß allerdings — und das ist für die Öffentlichkeit wichtig — darauf hinweisen, daß es jederzeit die Möglichkeit gibt, den Feldversuch abzubrechen. Der Leiter hat die Möglichkeit, sowohl von der zivilen wie von der militärischen Seite, von jetzt auf nachher zu sagen: „Es ist Schluß mit diesem Feldversuch", wenn die Sicherheit im Luftverkehr beeinträchtigt ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016311200
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016311300
Herr Staatssekretär, Sie sagten, die 101 Vorkommnisse seien keine gefährliche Situation gewesen. Gab es denn unter diesen 101 Vorkommnissen auch gefährliche Situationen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016311400
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lange.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1016311500
Herr Staatssekretär, wie ist zu erklären, daß das Verkehrsministerium auf keine Remonstration der Bediensteten geantwortet hat, die wegen der zunehmenden Unsicherheit — —

(Dr. Schulte, Parl Staatssekretär: Können Sie vielleicht etwas langsamer vorlesen, damit ich akustisch mitkomme?)

— Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016311600
Bitte sprechen Sie nur ins Mikrophon.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1016311700
Wie ist es nach Ihrer Auffassung zu erklären, daß das Verkehrsministerium auf keine Remonstration der Bediensteten geantwortet hat, die wegen der zunehmenden Unsicherheit und Verfassungswidrigkeit geschrieben wurden, und wann gedenkt der Verkehrsminister, diese Remonstrationen zu beantworten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gab keine Verfassungswidrigkeit und es gab keine Unsicherheit. Deswegen entbehrt Ihre Frage jeglicher Grundlage.

(Mann [GRÜNE]: Das ist doch keine Antwort! Das ist doch das letzte! Wenn Leute remonstriert haben!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016311800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1016311900
Herr Staatssekretär, Sie haben gestern und auch heute gesagt, daß der Abbruch des Feldversuchs durch die Leitung jederzeit möglich sei. Ich möchte gern wissen, an welcher Stelle die Abbruchmöglichkeit im Sobernheimer Konzept oder der Arbeitsgrundlage für den Feldversuch beschrieben ist und welche Verfahrensweisen hierfür vorgesehen sind.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Gute Frage!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gibt eine Absprache zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Verkehr. Hier ist dies im einzelnen geregelt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann. Das ist die letzte Zusatzfrage. Bitte.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1016312100
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß auf sogenannte Remonstrationen von Bediensteten der Bundesanstalt für Flugsicherung auch in einem Hearing des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages bereits ausführlich geantwortet worden ist?

(Ströbele [GRÜNE]: Was ist denn da geantwortet worden?)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kann dies bestätigen. Nur habe ich den Eindruck, daß es bei dem Motiv der Fragesteller möglicherweise um etwas anderes geht als um die Sicherheit in unserem Luftraum.

(Unruhe bei den GRÜNEN — Zurufe von den GRÜNEN: Um was denn?)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Werner (Westerland) auf:
Welchen Sinn sieht die Bundesregierung in dem „Sobernheimer Konzept", wenn die beiden Grundforderungen — Sicherheit und Wirtschaftlichkeit — damit nicht erfüllt werden können?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Zu dem Schluß, daß mit dem neuen zivil-militärischen Flugsicherungsbetriebskonzept die Wirtschaftlichkeit der Flüge nicht erhöht und die Sicherheit im Luftraum nicht auf dem derzeitigen hohen Niveau gehalten und eventuell auch noch verbessert werden kann, besteht kein Anlaß. Die unter militärischer Kontrolle stehenden Lufträume sind für den zivilen Luftverkehr durchlässiger geworden, und die Sicherheit des Luftverkehrs — ich habe das bereits mehrfach gesagt — ist gewährleistet.
Der Sinn des am 28. September 1983 zwischen Bundesminister Dr. Dollinger und Bundesminister Dr. Wörner im Grundsatz vereinbarten neuen Konzepts liegt darin, die zivil-militärische Zusammenarbeit überall dort, wo in unserem Luftraum bereits eine militärische Beteiligung in der überörtlichen Flugsicherung gegeben ist, in der Weise zu verbessern, daß den gestiegenen Anforderungen des Luftverkehrs in stärkerem Maße als vorher entsprochen wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312300
Zusatzfrage, bitte.

Gerd Peter Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016312400
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ein wirtschaftlicher Flugverkehr noch stattfindet,



Werner (Westerland)

wenn, wie u. a. am 8. August dieses Jahres geschehen, nur alle zehn Minuten ein Einflug und alle fünf Minuten ein Abflug aus dem Kontrollbereich der Düsseldorfer Flugsicherungsregionalstelle möglich waren, weil diese relativ großen Zeitabstände durch Verkehrsflußmaßnahmen nötig wurden, nämlich Schließung der Sektoren Bottrop, Dortmund und Köln? Dies geschah von 9.15 Uhr bis 11.10 Uhr Ortszeit.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich schreibe Ihnen einen Brief über das, was am 8. August passiert ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312500
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage — —

(Zuruf des Abg. Ströbele [GRÜNE]) — Dann müssen Sie sich bitte früher melden.


(Zurufe von den GRÜNEN)

Sie haben vorhin behauptet — oder Ihr Platzvorgänger — Sie bräuchten keine Belehrung über die Rechte und Pflichten der Abgeordneten. Anscheinend da und dort doch ein bißchen Nachhilfe, freundlicherweise. Also, bitte schön, stellen Sie Ihre Frage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016312600
Herr Staatssekretär, Sie haben das Hearing im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages angesprochen. Hat die Bundesregierung oder sonst jemand den Verkehrsausschuß über die Veränderung des Konzepts, das jetzt in Düsseldorf praktiziert wird, im Sommer dieses Jahres unterrichtet?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Werner (Westerland) auf:
Für welchen Zeitraum hat die Bundesregierung den Feldversuch in Düsseldorf zum „Sobernheimer Konzept" angesetzt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die praktische Erprobung des neuen Konzeptes beschränkt sich derzeit auf eine Feldversuchsphase 1 in der Flugsicherungsregionalstelle Düsseldorf. Diese Phase 1 wird durch eine Phase 2 abgelöst werden, in welcher alle drei im Konzeptentwurf enthaltenen Elemente in der betrieblichen Praxis erprobt werden sollen. Für das dritte Element, die sogenannten „Kategorie III"-Lufträume —, ist eine Vorbereitung der praktischen Erprobung durch eine Rechnersimulation erforderlich. Diese soll im zweiten Durchgang Anfang 1986 am Eurocontrol-Simulator in Brétigny/Paris erfolgen. Für die Auswertung der Simulationsergebnisse und Erörterung mit der Personalvertretung ist mit weiterem Zeitbedarf bis in das Jahr 1987 hinein zu rechnen. Die Feldversuchsphase 2 könnte danach gegebenenfalls im Frühjahr 1987 beginnen, so daß der Feldversuch Düsseldorf Ende 1987/Anfang 1988 abgeschlossen werden könnte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016312800
Zusatzfrage, bitte.

Gerd Peter Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016312900
Herr Staatssekretär, wie erklärt sich die Bundesregierung die Aussage des Referatsleiters Flugsicherung im Bundesministerium der Verteidigung, Herrn Eckert, am 18. November 1983 vor der Personalversammlung in Düsseldorf, daß der Feldversuch insgesamt ein Jahr laufen werde?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es haben sich Änderungen ergeben, die sicherlich auch Grundlage für Ihre Fragen waren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1016313100
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, daß der Feldversuch jederzeit abgebrochen werden könne, und haben dann darauf hingewiesen, daß dafür auch Vereinbarungen vorlägen. Könnten Sie mir diese Vereinbarungen schriftlich zukommen lassen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich muß noch einmal prüfen, ob dies zulässig ist. Wenn es zulässig ist, werde ich das gern tun.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016313300
Herr Staatssekretär, für welche konkreten Maßnahmen sind im Entwurf des Haushalts 1986 finanzielle Mittel für das Sobernheimer Konzept bzw. die zivil-militärische Flugsicherung überhaupt enthalten, und — falls es Ihnen nicht möglich ist, es jetzt zu beantworten — würden Sie uns das schriftlich mitteilen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016313500
Herr Staatssekretär, was berechtigt Sie, möglicherweise daran zu zweifeln, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über die Änderungen des Konzeptes, das in Düsseldorf praktiziert wird und das so, wie es zunächst praktiziert wurde, dem Verkehrsausschuß vorgestellt worden ist, unterrichtet werden, und ihnen die dazu notwendigen Unterlagen zukommen zu lassen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Das Konzept ist im Grundsatz nicht verändert worden. Es läuft ein Versuch, und weil dies ein Versuch ist, bemüht man sich während des Versuchs, Besserungen zu statuieren und zu realisieren. Im übrigen ist die Bundesregierung jederzeit bereit, dem Verkehrsausschuß oder auch dem Hohen Hause, dem Plenum, zu berichten, was abläuft, was möglich ist und was nicht möglich ist.

(Ströbele [GRÜNE]: Das sollten wir dann vielleicht gleich anschließend machen!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.




Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1016313700
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, dann, wenn im Verkehrsausschuß die Auswertung des schon erwähnten Hearings vorliegt, auch über eventuelle Änderungen in Düsseldorf zu berichten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Lange auf:
Wie grenzt die Bundesregierung organisatorisch die Sicherheitsbedürfnisse der zivilen und militärischen Teilnehmer an der Luftfahrt gegeneinander ab, und wie gedenkt sie weiter zu verfahren, wenn das „Sobernheimer Konzept" gescheitert ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung sieht keinen Unterschied zwischen den Sicherheitsbedürfnissen des zivilen und des militärischen Luftverkehrs. Der gemeinsam zu nutzende enge Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland muß für jeden Flug in gleichem Maße sicher sein. Sollte sich das in Teilerprobung befindliche neue zivil-militärische Flugsicherungsbetriebskonzept nach Abschluß der Erprobungen wider Erwarten nicht bewährt haben, müßte ein neuer Ansatz für eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Flugsicherung entwickelt werden. Dann werden der Bundesminister für Verkehr und der Bundesminister der Verteidigung die erforderlichen Arbeiten aufnehmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016313900
Eine Zusatzfrage, bitte.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1016314000
Herr Staatssekretär, gibt es im Falle des Scheiterns des Sobernheimer Konzeptes, das Sie wider aller Erwartung dennoch ins Auge fassen, Pläne in Ihrem Kompetenzbereich, in diesem Falle wieder eine interessenneutrale Flugsicherung auf der Grundlage bestehender Gesetze zu installieren?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es geht darum, daß jetzt die Möglichkeit genutzt wird, nach jahrzehntelangen Diskussionen endlich eine zivil-militärische Zusammenarbeit herbeizuführen. Dies würde auch dann gelten, wenn das jetzige Konzept wider Erwarten scheitern würde.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016314100
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1016314200
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung grundsätzlich in der Lage zu erklären, warum ein bereits bestehendes hohes Flugsicherheitsniveau durch eigennützige Forderungen des militärischen Bereiches aufgegeben wurde?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir haben ein hohes Niveau in der Flugsicherheit. Wir wollen dieses Niveau auch halten. Aber es geht darum, daß die Bundeswehr ihrem Auftrag nachkommen kann, und deswegen versucht man seit vielen, vielen Jahren, eine Zusammenarbeit zwischen militärischer und ziviler Flugsicherung in die Praxis umzusetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016314300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Würtz.

Peter Würtz (SPD):
Rede ID: ID1016314400
Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung daran, diesen Feldversuch, den sie in Düsseldorf durchgeführt hat und der bisher jedenfalls nicht gerade sehr erfolgversprechend gewesen ist, auf einem anderen Platz oder in einer anderen Gegend der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir haben ganz bewußt in Düsseldorf angefangen. Sie wissen wahrscheinlich, daß daran gedacht ist, daß man diesen Versuch auf Bremen überträgt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016314500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016314600
Herr Staatssekretär, läßt sich die Bundesregierung bei der Verlängerung dieses Versuchs von der Vorstellung leiten, der militärischen Flugsicherung müsse unbedingt der Vorrang gegeben werden, und hat die Bundesregierung damit das in Friedenszeiten bestehende Primat der zivilen Luftfahrt aufgegeben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es geht nicht um den Vorrang der Militärs, sondern es geht um eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen der zivilen und der militärischen Seite.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016314700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016314800
Herr Staatssekretär, welche konkreten militärischen Aufgaben konnten denn vor Einführung des Sobernheimer Konzepts nicht erfüllt werden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es ging darum, daß die militärische Flugsicherung nicht in ausreichendem Maße erprobt werden konnte, wie dies der Auftrag der Bundeswehr ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016314900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1016315000
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß sich für denjenigen, der Friedenssicherung durch Verteidigungsfähigkeit in Frage stellt bzw. für überflüssig hält, natürlich die Frage einer Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Flugsicherung erst gar nicht stellt?

(Ströbele [GRÜNE]: Eine sehr sachgerechte Frage!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies ist wahrscheinlich die Quintessenz aus der Fragestunde in diesem Bereich.

(Ströbele [GRÜNE]: Und was ist Ihre? „Militär voran" ist Ihre Parole!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016315100
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Schulte (Menden).

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016315200
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, daß dieser Versuch auf Bremen



Schulte (Menden)

ausgedehnt werden soll. Können Sie uns den Zeitpunkt des Beginns des Versuchs in Bremen und in München sagen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin einen Zeitplan vorgetragen. Dieser Zeitplan gilt für den Fall, daß nichts Unerwartetes in diese Versuche hineinspielt. Ich kann darüber nicht hinausgehen.

(Ströbele [GRÜNE]: Da waren aber Bremen und München mit keinem Wort erwähnt! — Gegenruf der Abg. Frau Hürland [CDU/CSU])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016315300
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Senfft auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß der Vizepräsident des Bundesamtes für Flugsicherung aus Sicherheitsgründen die Dienststellenleitung in Düsseldorf per Telex angewiesen hat, entgegen der Arbeitsgrundlage des Feldversuchs zur sektorbezogenen Koordination zurückzugehen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die vom Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Flugsicherung veranlaßte Änderung der Verfahren für die Koordination militärischer Einsatzflüge durch zivilkontrollierte Lufträume bzw. umgekehrt für die Koordination von Flügen des allgemeinen Luftverkehrs durch militärisch kontrollierte Sektoren war auf Grund der im Juni/Juli dieses Jahres unerwartet aufgetretenen Koordinationsprobleme geboten. Die Einleitung dieser Maßnahme durch ihn entsprach seiner dienstlichen Funktion als ständiger Vertreter des Präsidenten der Bundesanstalt für Flugsicherung. Die daraufhin mit den militärischen Partnern gemeinsam ausgearbeiteten und vereinbarten neuen Koordinationsregeln sind seit dem 27. August dieses Jahres in Kraft. Sie stellen eine Variation im Rahmen des neuen Konzeptes dar, verlassen den Rahmen also nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016315400
Bitte schön.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016315500
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung der GRÜNEN, daß durch dieses Telex der Vizepräsident der Bundesanstalt für Flugsicherung das Sobernheimer Konzept quasi für gestorben erklärt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016315600
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016315700
Herr Staatssekretär, bezweifelt insofern der Bundesminister für Verkehr, daß der Vizepräsident der Bundesanstalt für Flugsicherung die fachliche Kompetenz besitzt, eine solche Entscheidung zu treffen, u. a. durch ein solches Telex?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Der Vizepräsident der Bundesanstalt für Flugsicherung ist der
Vertreter des Präsidenten, wie der Name schon sagt,

(Lachen des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

und es liegt im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben, dafür zu sorgen, daß die Flugsicherung gewährleistet ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016315800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016315900
Herr Staatssekretär, wollen Sie angesichts der Tatsache, daß sich sowohl die zivilen als auch die militärischen Stellen mit der Flugsicherung im Bereich München — auch im Hearing — immer wieder voll einverstanden erklärt haben, wirklich weiterhin behaupten, daß der Feldversuch auf die Flugleitzentrale München ausgedehnt werden soll?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Der Feldversuch soll auf München nicht ausgedehnt werden. Das wissen Sie so gut wie ich.

(Ströbele [GRÜNE]: Das haben Sie vorhin etwas anders gesagt!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316000
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 52 des Herrn Abgeordneten Senfft auf:
Hat die Bundesregierung organisatorische Vorkehrungen getroffen, um die durch den Feldversuch auf die Fluglotsen hinzugekommenen hohen Belastungen im Interesse der Flugsicherheit in Düsseldorf zu vermeiden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die für die Feldversuchsphase 1 geltenden Betriebsregelungen erlauben es sowohl den Aufsichtführenden als auch den Fluglotsen, vor Ort die Verkehrsbelastungen in den einzelnen Kontrollsektoren derart zu beeinflussen, daß Sicherheitsrisiken durch Überlastungen verhindert werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316100
Eine Zusatzfrage, bitte.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016316200
Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung, daß 1984 das militärische Verkehrsaufkommen, das von ziviler Seite bearbeitet wurde, um ca. 45% angestiegen ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Dieser Frage müßte ich extra nachgehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316300
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016316400
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die militärische Flugsicherung in Düsseldorf nicht nach deutschem Luftrecht arbeitet, und wenn ja, wie erklärt die Bundesregierung das?



Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das, was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck bringen, trifft juristisch nicht zu.

(Ströbele [GRÜNE]: Die militärische Flugsicherung!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Werner.

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016316600
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den Zusammenstoß zweier Luftfahrzeuge als kalkuliertes Risiko in diesen Feldversuch mit einzubeziehen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 53 des Abgeordneten Schulte (Menden) auf:
Sind der Bundesregierung Untersuchungen von Meteorologen bekannt, die eine nennenswerte Erhöhung des Bewölkungsgrades über Teilen Europas durch den Luftverkehr (Kondensationsstreifen) festgestellt haben, und welche nachteiligen klimatischen Folgen ergeben sich daraus?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Antwort lautet: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016316800
Eine Zusatzfrage, bitte.

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016316900
Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, daß das BMI am 18. Dezember 1975 die Sternwarte Bochum mit entsprechenden Forschungen beauftragte und daß diese Forschungen entsprechende Ergebnisse erbrachten?

(Ströbele [GRÜNE]: Sind Ihnen die überhaupt bekannt?)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich bitte sehr um Nachsicht, wenn ich jetzt nicht sagen kann, was vor zehn Jahren das Bundesministerium des Innern an die Sternwarte Bochum geschrieben hat.

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016317000
Da dieses Gutachten der Sternwarte Bochum zu dem Ergebnis kommt, daß die Bewölkung in der Bundesrepublik um 3 % und in den Benelux-Ländern sogar um 8 % zunimmt, frage ich Sie: Wie schätzen Sie die Vermehrung der Bewölkung in bezug auf eine Temperaturänderung, die dadurch zu erwarten ist, ein?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich bin gern bereit, innerhalb der Bundesregierung nach demjenigen zu suchen, der diese Frage beantworten kann. Meine Unterlagen weisen allerdings aus, daß die Prozentsätze, die offensichtlich zu Ihren Befürchtungen geführt haben, nicht stimmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016317100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016317200
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, Ihrerseits — vielleicht zusammen mit dem Herrn Bundesinnenminister — Untersuchungen zu initiieren, zumal ich vor wenigen Tagen darüber informiert worden bin, daß Fachleute davon
ausgehen, daß auch das Waldsterben in den Alpen in einem Zusammenhang mit diesen klimatischen Veränderungen auf Grund des starken Luftverkehrs stehen könnte?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Bis jetzt gibt es für die Bundesregierung keinen Anlaß, Untersuchungen auf Grund der Befürchtungen, die Sie zum Ausdruck bringen, so voranzutreiben, daß wir z. B. haushaltsmäßig etwas festlegen oder einen Versuch starten müßten.
Wenn Sie von Fachleuten sprechen, mache ich allerdings einen ganz einfachen Vorschlag: Diese Fachleute können ja der Bundesregierung vielleicht einmal ihr Material schicken.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016317300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016317400
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, Ihre vorhin auf die Frage des Kollegen gegebene ganz einfache Antwort „Nein" zu revidieren, wenn Sie hören, daß es eine Untersuchung der Sternwarte in Bochum gibt, die sehr wohl ganz andere Erkenntnisse — die Ihrem Haus bekannt sein müßten und auch bekannt sind — gezeitigt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe dieser Frage gerne nach.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016317500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1016317600
Herr Staatssekretär, vermutet die Bundesregierung, daß das schlechte Wetter dieses Sommers auf die Zunahme des Luftverkehrs zurückzuführen sein könnte?

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, so zu antworten, wie Sie gefragt haben. Ich habe allerdings in meiner ersten kurzen Antwort mit dem schlichten Nein bereits zum Ausdruck gebracht, daß wir der Ansicht sind, daß die von den GRÜNEN gesehenen Gefahren nicht bestehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016317700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Werner.

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016317800
Herr Staatssekretär, entsteht nach Auffassung der Bundesregierung durch die Luftbelastung auch eine Belastung der Pflanzen und Tiere und auch des Menschen in bezug auf Gesundheit und Wachstum?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin zum Ausdruck gebracht, daß wir davon ausgehen, daß die von Ihnen genannten Gefahren nicht bestehen.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Außer den Kirchen in Bayern, die kaputt gehen!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016317900
Keine weiteren Zusatzfragen.



Vizepräsident Stücklen
Ich rufe Frage 54 des Herrn Abgeordneten Schulte (Menden) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, daraus praktische Folgerungen für die Durchführung des Luftverkehrs (z. B. Änderung der Flughöhen in Anlehnung an den Luftdruck) zu ziehen und die negativen Folgen intensiver als bisher zu untersuchen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Antwort lautet: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318000
Zusatzfrage, bitte.

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016318100
Das hatte ich schon befürchtet. — Unterstellt, Sie kramen das soeben erwähnte Gutachten im BMI heraus und stellen fest, daß die von uns geschilderten Auswirkungen Tatsache sind: Könnten Sie sich dann vorstellen, daß die Flughöhen in Zukunft in Anlehnung an die Höhe der Tropopause festgelegt werden, denn das hätte den Zweck, daß die Kondensstreifen — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318200
Herr Abgeordneter, die Frage genügt.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Ich will nur sicherstellen, daß der Staatsminister auch in der Lage ist., eine kompetente Antwort zu geben. Ich wollte das noch kurz erklären, weil solche schwierigen Fragen sicherlich überraschend sind!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, ob eine Beförderung zum Staatsminister nach dem Gesetz über die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre tatsächlich etwas Wesentliches darstellt.

(Heiterkeit) .

Ich gehe zunächst davon aus, daß kein Anlaß für Ihre Befürchtungen besteht. Ich habe dies bereits mehrfach in meinen Antworten gesagt. Wenn Ihre Befürchtungen zutreffen würden, was ich nicht glaube, dann müßte man immerhin sehen, daß Ihre Folgerungen zu Sperrungen großer Teile unseres Luftraumes führen würden. Und wir haben einen Luftraum, der so dicht beflogen wird, daß wir hier in sehr große Abwägungsschwierigkeiten kämen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1016318400
Herr Staatssekretär, warum hält die Bundesregierung so an dem Feldversuch in Düsseldorf und dem Sobernheimer Konzept fest? Ist das darauf zurückzuführen, daß ihr NATO-Interessen und NATO-Wünsche im Nacken sitzen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir waren gerade bei den Wolken, die DIE GRÜNEN in die Fragestunde eingebracht haben.

(Werner [Westerland] [GRÜNE]: Er hat keine Lust mehr zu antworten!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318500
Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016318600
Herr Staatssekretär, ohne daß ich Sie jetzt degradieren möchte — das
war ein Lapsus —: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die Emissionen hoch fliegender Flugzeuge Auswirkungen auf den Ozongürtel in der hohen Stratosphäre haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gibt ganz gewiß Auswirkungen. Jeder von uns kann sie j a sehen. Die Bundesregierung ist allerdings nicht der Ansicht, die gleichen Folgerungen wie Sie ziehen zu müssen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318700
Meine Herren Fragesteller, wir können uns in der ganzen Fragestunde nicht nur bei einem Fragenkomplex aufhalten. Auch die anderen Abgeordneten haben einen Anspruch darauf, zum Zuge zu kommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Abgeordneter Mann, Sie haben eine Zusatzfrage.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016318800
Vielen Dank. — Stimmen Sie mir in der Bewertung zu, daß die Schwierigkeiten — die Sie im Rahmen der Frage 54 angesprochen haben — in der Abwägung, die Sie erwähnten, auch damit zusammenhängen, daß wir eine verfehlte Verkehrspolitik betrieben haben, die zu diesem „Gedränge" in der Luft, um es volkstümlich auszudrücken, geführt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung unter der Führung von Helmut Kohl ist gerade drei Jahre im Amt. Ich bin dennoch bereit, auch über die Verkehrspolitik früherer Jahre zu sprechen. Ich bin der Ansicht, daß diese Verkehrspolitik im Grundsatz richtig war. Es gibt neuere Entwicklungen, die zu Korrekturen führen müssen. Sie werden dies z. B. in unserem Bundesverkehrswegeplan feststellen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016318900
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016319000
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung bereit, hinsichtlich der Auswirkung auch auf eine europaweite Untersuchung hinzuwirken?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich müßte erst noch einmal klären, ob dies überhaupt ein lohnendes Projekt wäre. Meine bisherigen Unterlagen lassen dies als unwahrscheinlich erscheinen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016319100
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Rönsch.

Hannelore Rönsch (CDU):
Rede ID: ID1016319200
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß man nach der eben geäußerten Angst der GRÜNEN vor dem Fliegen jetzt davon ausgehen darf, daß sie die Fluglinien nicht mehr so intensiv benutzen wie bisher?

(Beifall des Abg. Ströbele [GRÜNE])

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Auf diese Konsequenz warten noch mehrere, wahrscheinlich auch die Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016319300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 55 der Frau Abgeordneten Lepsius wird auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Zeitler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn auf Gleisanlagen, besonders bei Dammlage, Herbizide zur Unkrautbekämpfung einsetzt und daß dies zu Baumsterben bzw. zu Beeinträchtigungen der Pflanzen und Sträucher in angrenzenden Privatgärten führt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Freihalten der Gleisanlagen der Deutschen Bundesbahn von Aufwuchs ist Voraussetzung für den sicheren Fahrbetrieb. Dabei kann auf die Aufwuchsbekämpfung mit Herbiziden, eng begrenzt auf den eigentlichen Gleisbereich, aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht verzichtet werden. Von der Deutschen Bundesbahn werden nur solche Herbizide eingesetzt, die von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft geprüft und nach Maßgabe des Zulassungsbescheids zur Anwendung freigegeben worden sind.
Das von der Deutschen Bundesbahn entwickelte Anwendungsverfahren stellt eine exakte Dosierung mit randscharfer Ausbringung der Herbizide sicher. Somit ist gewährleistet, daß die Vegetation der Bahndamm- und Einschnittsflächen als natürliche Grünfläche und Biotop erhalten bleibt und auch angrenzende Pflanzen und Sträucher nicht beeinträchtigt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016319400
Zusatzfrage, bitte.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016319500
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß moderne Gleiskörperbahndämme so gebaut werden, daß das Oberflächenwasser weitgehend an den Böschungen abläuft und nicht versickern kann und dadurch eben — das ist in Ballungsgebieten häufiger — in angrenzende Gärten von Menschen, die beispielsweise direkt an neugebauten S-Bahnen wohnen, eindringt und Schäden anrichtet. Das müßte Ihnen im Zuge Ihrer Nachforschungen auf diese Frage eigentlich bekanntgeworden sein.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies ist mir nicht bekannt. Ich bin aber gerne bereit, der Frage weiter nachzugehen, und möchte Sie bitten, daß Sie mir den konkreten Anlaß dafür mitteilen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016319600
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016319700
Herr Staatssekretär, ich will Ihnen das Stichwort geben: Dortmund-Kley. Es beschäftigt die Öffentlichkeit seit langer Zeit, und es ist in den Zeitungen behandelt worden. Es ist auch mit der dortigen zuständigen Bundesbahndirektion besprochen worden. Ich würde Sie bitten, nachzufassen und sich auch davon überzeugen zu lassen, daß beispielsweise Erosionsrinnen ausweisen, daß an den Bahndämmen dieses Giftzeug abläuft und in
angrenzenden Nutzgärten schweren Schaden anrichtet.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich werde diesem konkreten Fall nachgehen — ich muß sogar sagen: noch einmal nachgehen — und Ihnen eine saubere schriftliche Antwort zukommen lassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016319800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016319900
Herr Staatssekretär, ich hatte Sie vor einem oder zwei Jahren wegen desselben Vorfalls angeschrieben, daß an der Rheinschiene und im Raum Montabaur auf der Nebenstrecke ebenfalls Herbizide gespritzt worden sind. Ich frage Sie, ob Sie Ihre Meinung, die Sie gerade geäußert haben, noch aufrechterhalten, daß keine Schäden in den Gärten an den Bahndämmen erfolgt sind? Und wie stellen Sie sich eine Entschädigung für solche Vorfälle vor?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, die Deutsche Bundesbahn hat uns mitgeteilt, daß das ganze Verfahren der Aufwuchsbekämpfung verfeinert und verbessert wurde. Deswegen auch meine vorherige Antwort an den Kollegen Zeitler.
Sollte sich die Frage der Entschädigung stellen, ist dies ein ganz konkretes Problem, das man vortragen und wo man sagen muß, wieviel Geld die Unkrautbekämpfung seitens der Bundesbahn gekostet hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016320000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Werner.

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016320100
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung ein Zurückfahren oder eine Minimierung des Herbizideinsatzes auch bei der Bundesbahn für sinnvoll, und sind bei der Bundesbahn Überlegungen vorhanden, wie man den Herbizideinsatz beschränken und durch andere Mittel ersetzen könnte?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß die Deutsche Bundesbahn nur das tut, was hinsichtlich der Sicherheit des Verkehrs unbedingt notwendig ist. Die Deutsche Bundesbahn hat, wie ich vorhin bereits zum Ausdruck gebracht habe, ihre Verfahren wesentlich verfeinert. Im übrigen werden nur Herbizide zugelassen, die von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft geprüft und nach Maßgabe des Zulassungsbescheids zur Anwendung freigegeben worden sind.

(Beifall des Abg. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016320200
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulte (Menden).




Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016320300
Herr Staatssekretär, wir feiern in diesem Jahr das 150jährige Bestehen der Deutschen Bundesbahn.

(Beifall des Abg. Mann [GRÜNE])

Ich gehe davon aus, daß Herbizide nicht während dieses ganzen Zeitraums eingesetzt worden sind, sondern daß dies erst seit einiger Zeit geschieht. Nun haben Sie soeben gesagt, daß nicht nur wirtschaftliche Gründe — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016320400
Herr Abgeordneter, bitte, stellen Sie eine Frage. Sie können hier keine Erläuterungen bringen.

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016320500
Ich möchte Sie ganz konkret fragen: Welche technischen Gründe sprechen dafür, daß Herbizide eingesetzt werden müssen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich werde Ihnen dies gern im einzelnen erläutern. Mir ist klar, daß man jede Brennessel auch per Hand ausrupfen könnte.

(Ströbele [GRÜNE]: Genau! — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Da wachsen doch gar keine Brennesseln!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016320600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016320700
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Einsatz der Spritzmittelzüge auf den Gleisen der Deutschen Bundesbahn nicht etwa von der Deutschen Bundesbahn, sondern direkt von einer namhaften deutschen Chemie-Firma durchgeführt wird?

(Mann [GRÜNE]: Hört! Hört! — Ströbele [GRÜNE]: Welche ist das? Namen! Namen!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Also, Herr Kollege, wenn es um die Sicherheit des Verkehrs geht, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder man macht es selber, oder man beauftragt jemand anderen damit. Im Grunde genommen ändert das für die Brennesseln nichts.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016320800
Keine weiteren Zusatzfragen.

(Abg. Werner [Westerland] [GRÜNE] meldet sich zu einer Zusatzfrage)

— Herr Abgeordneter Werner, wir müssen auch die anderen noch drankommen lassen. Ist es eine ganz wichtige Frage?

(Werner [Westerland] [GRÜNE]: Sie scheint wichtig zu sein!)

— Bitte sehr.

Gerd Peter Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1016320900
Herr Staatssekretär, können Sie die Berechtigung unserer Befürchtung bestätigen oder widerlegen, daß im Rahmen der durchgängigen Gleisbespritzungen auch in solchen Gebieten gespritzt wird, die in Planungsverfahren als Wasserschutzgebiete ausgewiesen sind?

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist in der Tat eine wirklich wichtige Frage!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich muß diesem Problem extra nachgehen. Ich weiß nicht, ob die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft auf dieses Problem eingegangen ist. Gehen Sie aber bitte davon aus, daß wir das Problem, das der Kollege Zeitler in die Fragestunde eingebracht hat, sehr ernst nehmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321000
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Zeitler auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, auf den Einsatz von Herbiziden, wie z. B. Anox-M, ganz zu verzichten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zeitler, auf einen begrenzten Einsatz von Herbiziden kann im Bereich der Deutschen Bundesbahn, wie vorhin schon dargelegt, nicht verzichtet werden. Dies gilt auch für das Herbizid Anox-M, das nach dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis 1985 der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft zur Anwendung auf Gleisanlagen zugelassen ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321100
Zusatzfrage? — Bitte.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016321200
Herr Staatssekretär, Sie haben hier soeben die Biologische Bundesanstalt in Braunschweig angesprochen: Ist Ihnen bekanntgeworden, daß dieselbe Bundesanstalt für die Anwendung des Totalherbizids Anox-M die Empfehlung gibt, es sollte nicht auf Flächen mit stärkerer Neigung und nur auf Nichtkulturland eingesetzt werden? Da der Einsatz von Herbiziden, wie Sie vorhin gesagt haben, an stark abschüssigen Böschungen nicht randscharf abgegrenzt werden kann, Böschungen nach meiner Meinung aber Kulturland sind und in dem Fall, den ich meine, unmittelbar an die von mir angesprochenen Gärten heranreichen, müßte die Empfehlung doch auch hier gelten.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Deutsche Bundesbahn, Herr Kollege, teilt uns mit, daß solche Gefahren nicht bestehen. Ich nehme diese Fragestunde aber zum Anlaß, dem Problem noch einmal nachzugehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321300
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016321400
Darf ich Sie dann bitten, sich auch noch einmal bei der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig zu vergewissern, daß die Empfehlung, die ich soeben zitiert habe, tatsächlich existiert, und werden Sie dann, wenn Sie . sich das so bestätigen lassen, bereit sein, darauf hinzuwirken, daß Anox-M zumindest in solchen Bereichen nicht mehr eingesetzt wird?



Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich werde der Angelegenheit nachgehen — sowohl bei der Deutschen Bundesbahn als auch bei der Biologischen Bundesanstalt — und Ihnen dann einen Brief schreiben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016321600
Herr Staatssekretär, steht dem Verzicht auf Giftstoffe vielleicht doch die Beauftragung der Firma Schering — Sie haben vorhin die entsprechende Frage meines Kollegen Senfft nicht beantwortet — entgegen?

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe diese Zusammenhänge nicht. Wir sollten auch nicht solche finsteren Vermutungen aussprechen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321700
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulte (Menden).

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1016321800
Herr Staatssekretär, inwieweit ist Ihnen bekannt, daß in Anox-M das in vielen europäischen Ländern verbotene Gift 2,4,5-T enthalten ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, seit meinem Abitur habe ich sehr wenig mit Chemie zu tun gehabt. Ich bitte, diese Frage schriftlich beantworten zu dürfen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016321900
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Senfft.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1016322000
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung angesichts der heute hier gehörten Tatsache, daß sich die Beschwerden häufen und ja auch nicht neu sind, bereit, in einem Forschungsauftrag klären zu lassen, ob ganz ohne oder mit weniger Chemieeinsatz oder mit weniger schädlichen Mitteln die Gleisanlagen der Bundesbahn auf dem Sicherheitsstandard gehalten werden können?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir werden dieser Frage ganz seriös und mit Nachdruck nachgehen. Sollte sich Handlungsbedarf in Richtung eines Forschungsauftrags ergeben, werden wir sicherlich zu einem solchen Schluß kommen.
Ich sehe diese Notwendigkeit aber deswegen noch nicht, weil die Bundesbahn in den letzten Jahren ihre Verfahren ganz wesentlich verfeinert — sprich: verbessert — hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016322100
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Parlamentarischer Staatssekretär Karwatzki zur Verfügung.
Die Fragen 40 und 41 des Herrn Abgeordneten Schartz werden auf Wunsch des Fragestellers
schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Reimann auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Kommunen angesichts extrem steigender Kosten für pflegebedürftige Menschen zu helfen, und wie erklärt sie den Anstieg von ca. 7,4 Millionen DM auf rund 16 Millionen DM (1980 bis 1984) im Falle der Stadt Ludwigshafen?
Bitte sehr.

Irmgard Karwatzki (CDU):
Rede ID: ID1016322200
Herr Kollege Reimann, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, worauf der überdurchschnittliche Anstieg der Kosten für pflegebedürftige Menschen in der Stadt Ludwigshafen in den Jahren 1980 bis 1984 zurückzuführen ist.
Die Bundesstatistik der Sozialhilfe weist für diesen Fünfjahreszeitraum einen Anstieg der Bruttoausgaben für die Hilfe zur Pflege um insgesamt 32,6% aus, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die jährlichen Steigerungsraten seit dem Jahre 1981 von 11,6 v. H. auf zuletzt 3,9 v. H. ständig zurückgegangen sind.
Wegen der Gesamtproblematik weist die Bundesregierung auf ihren Bericht zu Fragen der Pflegebedürftigkeit in der Drucksache 10/1943 hin.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016322300
Zusatzfrage, bitte.

Manfred Reimann (SPD):
Rede ID: ID1016322400
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung denn bereit, sich an den steigenden Ausgaben der Kommunen für pflegebedürftige Menschen — ob innerhalb oder außerhalb von Heimen zu beteiligen? Die Kommunen können j a die finanziellen Mittel nicht mehr aufbringen.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Es ist geregelt, daß diese Kosten von den Kommunen aufzubringen sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016322500
Eine weitere Zusatzfrage.

Manfred Reimann (SPD):
Rede ID: ID1016322600
Frau Staatssekretärin, sieht denn die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen ihrer familienpolitischen bzw. gesellschaftspolitischen Verantwortung und dem Problem der Pflegebedürftigkeit von Menschen? Ich nenne das Beispiel, daß sie über Nacht, wenn sie wegen Pflegebedürftigkeit in Heime eingewiesen werden, Sozialhilfeempfänger werden. Ich erwähne in diesem Zusammenhang auch den ehrenamtlichen Hilfsdienst und dergleichen.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie sind sicherlich mit mir der Meinung, daß infolge der großartigen Ergebnisse auf dem Gesundheitssektor der Mensch länger leben kann. Es ist heute eine Tatsache, daß ein alter Mensch durchschnittlich erst mit 82 Jahren ins Altersheim kommt.
Von daher ergibt sich zwangsläufig die Frage der Kosten. Daß wir — Sie und die Bundesregierung — gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie hier



Parl. Staatssekretär Frau Karwatzki
langfristig eine Hilfe geleistet werden kann, ist selbstverständlich.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Die Menschen werden doch auch später pflegebedürftig!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016322700
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016322800
Frau Staatssekretär, wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode den Entwurf für eine Pflegeversicherung vorlegen, so daß möglicherweise eine gesetzliche Regelung zustande kommt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, wir werden keinen vorlegen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016322900
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer, bitte sehr.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1016323000
Frau Staatssekretärin, da Sie soeben erklärte haben, daß Ihnen in diesem speziellen Fall keine Erkenntnisse vorliegen, frage ich: hat sich die Bundesregierung denn einmal generell mit dem j a auch von Ihnen nicht abgestrittenen Problem der höheren Kosten der Pflege und der Auswirkungen auf die Sozialhilfe und auf die Finanzkraft der Gemeinden beschäftigt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, ich habe die Frage eben bereits gegenüber dem Kollegen Reimann beantwortet.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016323100
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Reimann auf:
Welchen Anteil (prozentual und absolut) haben die Ausgaben der Arbeitslosigkeit auf die Sozialhilfeausgaben der Kommunen, und wie steht die Bundesregierung dazu?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: In meiner Antwort auf eine entsprechende Frage des Kollegen Kirschner in der Fragestunde vom 11. September 1985 habe ich bereits Angaben zur Zunahme der Zahl der Haushalte gemacht, die als Folge von Arbeitslosigkeit auf laufende Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt angewiesen sind.
Die Höhe dieser Leistungen, auf die Ihre Frage zielt, ist der Bundesstatistik der Sozialhilfe jedoch nicht zu entnehmen. Die von der Bundesregierung beabsichtigten Verbesserungen bei Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, insbesondere beim Arbeitslosengeld, werden neben der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu einer Minderung der Sozialhilfeausgaben für Arbeitslose beitragen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016323200
Zusatzfrage, bitte.

Manfred Reimann (SPD):
Rede ID: ID1016323300
Frau Staatssekretärin, wie erklärt sich die Bundesregierung denn den steigenden Anteil der Sozialhilfeausgaben bei den Kommunen? Ist das die Folge der anhaltenden, ständig steigenden Arbeitslosigkeit?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe zu Ihrer vorhergehenden Frage bereits eine Antwort darauf gegeben.

(Widerspruch bei der SPD — Reimann [SPD]: Nein!)

— Ja, doch!

(Erneuter Widerspruch bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016323400
Meine Damen und Herren! Die Frau Staatssekretärin hat eine Antwort gegeben; ob sie für Sie befriedigend ist, ist etwas anderes. Es hat immer schon die Schwierigkeiten gegeben, daß die Abgeordneten der Meinung waren, die Antworten seien nicht befriedigend. Aber es steht der Bundesregierung zu, die Antwort so zu gestalten, wie sie das für richtig hält.
Sie haben aber noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reimann.

Manfred Reimann (SPD):
Rede ID: ID1016323500
Frau Staatssekretärin, dann frage ich Sie: Hält es die Bundesregierung nicht für sinnvoller, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun, d. h. die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, anstatt den Kommunen ständig neue Belastungen durch die Kosten erhöhter Arbeitslosigkeit aufzubürden?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Also, Herr Kollege, in der Frage der Arbeitslosigkeit gibt sich die Bundesregierung sehr viel Mühe.

(Lachen des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

— Entschuldigung! Sie können doch nicht lachen, bevor Sie meine Antwort wissen. Das geht ja nun wirklich nicht so! — Auf dem Sektor der Arbeitslosigkeit gibt sich die Bundesregierung viel Mühe, etwas zu verändern. Ich würde Sie aber bitten, Herr Kollege Reimann, daß Sie diese Frage an meine Kollegen Blüm, Vogt oder andere richten, die j a heute morgen hier auch sehr deutlich Stellung dazu bezogen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vielleicht fragt er einmal seine eigenen Arbeitsminister!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016323600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016323700
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wie hoch die Sozialhilfeausgaben durch die enorme Dauerarbeitslosigkeit gestiegen sind, die ständig zunimmt und sich sehr kostenintensiv insbesondere in den Sozialetats der Kommunen niederschlägt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, ich hatte soeben ausgeführt, daß das aus der Bundesstatistik der Sozialhilfe nicht zu entnehmen ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016323800
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016323900
Frau Staatssekretärin, spricht nicht gerade die finanzielle Entwicklung des Haushalts der Stadt Duisburg, aus der Sie kommen, dafür, daß der Bund seine Verantwortung für Arbeits-



Mann
losigkeit und auch für die Auswirkungen im Bereich der Sozialhilfe stärker wahrnehmen sollte, als das in der Vergangenheit geschehen ist, um die Gemeindehaushalte zu entlasten?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Mann, ich bedanke mich für diese Frage und möchte darauf wie folgt antworten: Wenn eine bessere Regionalpolitik im Ruhrgebiet stattfände, also eine bessere Ansiedlung kleiner und mittelständischer Unternehmungen,

(Lachen des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

und sich damit die Arbeitsplatzgarantien verwirklichen lassen könnten, dann wäre auch in den Städten wie Duisburg oder Dortmund der Sozialhilfeanteil wesentlich geringer.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Urbaniak [SPD]: Unerhört! — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Das ist doch völliger Blödsinn!)

— Das mögen Sie — — Entschuldigung, Herr Präsident!

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016324000
Herr Abgeordneter Immer, diesen Ausdruck weise ich als unparlamentarisch zurück. Ich sage es so, daß ich es nicht wiederhole.

(Heiterkeit)

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1016324100
Frau Staatssekretärin, wenn Sie uns schon die Gründe für die Steigerung der Sozialhilfekosten nicht nennen können oder wollen, frage ich: Ist die Bundesregierung bereit, einmal nachzuforschen, wo die Gründe für diese enormen Steigerungen liegen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, ich hatte eben darauf aufmerksam gemacht, daß in dem Fünfjahresrhythmus, nach dem vorhin gefragt worden ist, die Steigerungsraten von 11 v. H. im Jahre 1981 auf zuletzt 3 v. H. zurückgegangen sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016324200
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016324300
Frau Staatssekretärin, eingehend auf die Bemerkung, die Sie vorhin gemacht haben, frage ich: Glauben Sie nicht, daß wenn es einem Mitglied der Bundesregierung freigestellt ist, nach Belieben auf Fragen zu antworten, Abgeordnete auch selbst bestimmen können, wann sie lachen wollen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Sicher, selbstverständlich! Aber ich widerspreche der Tatsache, daß der Kollege Immer sich dahin ausgedrückt hat, als hätte ich Blödsinn gesprochen. Das habe ich nicht so gern.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016324400
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schemken.

Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1016324500
Frau Staatssekretärin, sehen Sie einen Zusammenhang in der Problematik der Ruhrgebietsstädte, bei der geringen Finanzausstattung, daß das Land Nordrhein-Westfalen die Aufgabe nach dem Sozialhilfegesetz nur schwerlich wahrnehmen kann?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Meinung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016324600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016324700
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie vorhin gesagt haben, daß für die Stadt Duisburg eine andere Regionalpolitik notwendig sei, möchte ich Sie fragen: Wie wollen Sie das mit der freien und sozialen Marktwirtschaft vereinbaren, wenn der Staat Reglements aufstellen würde und Betriebe planerisch ansiedeln wollte zu einer Zeit, in der es sowieso kaum neue Niederlassungen gibt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, man braucht nur eine vernünftige Wirtschaftspolitik in der jeweiligen Gemeinde zu machen und entsprechende Anreize zu bieten, dann gelingt dies alles.

(Lachen bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016324800
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID1016324900
Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen, daß nach den vorliegenden Statistiken über die Förderung der Kommunen in den Bundesländern das Land Nordrhein-Westfalen mit an der Spitze liegt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das kann ich nicht so aus dem Stegreif bejahen, ich bin aber bereit, es nachzulesen, und wenn es so ist, Herr Kollege, erhalten Sie es auch schriftlich.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325000
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist der Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen stünde uns der Herr Staatssekretär Dr. Florian zur Verfügung. Da aber sämtliche Fragesteller — das betrifft die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Schwenck (Stade), die Fragen 59 und 60 des Abgeordneten Paterna, die Fragen 61 und 62 des Abgeordneten Sielaff und die Fragen 63 und 64 der Abgeordneten Frau Dann — um schriftliche Beantwortung gebeten haben, ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Hier ist es das gleiche. Alle Fragesteller —Frage 65 Abgeordneter von Schmude, Fragen 66 und 67 Abgeordneter Dr. Sperling — bitten um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.



Vizepräsident Stücklen
Ich rufe den Geschäftsbereich für Bildung und Wissenschaft auf. Auch das gleiche! Die Frage 68 des Abgeordneten Kuhlwein, die Frage 69 der Abgeordneten Frau Odendahl, die Frage 70 des Abgeordneten Kastning und die Frage 71 der Abgeordneten Frau Dr. Segall werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Jetzt sind wir wieder mitten in der Fragestunde: Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Waffenschmidt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage Nummer 72 des Abgeordneten Duve auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger (vgl. DAS PARLAMENT, Nr. 38/21. September 1985), der unter Berufung auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Volkszählung dafür eintritt, daß der Persönlichkeitsschutz für Politiker und Verwaltung gegenüber dem Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit verstärkt wird?

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID1016325100
Herr Kollege Duve, Ihre Frage will ich wie folgt beantworten.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat in der von Ihnen zitierten Abhandlung einen persönlichen Denkanstoß zu einem in der Öffentlichkeit lebhaft diskutierten Thema gegeben. Die Bundesregierung hat sich mit dieser Frage noch nicht befaßt. Ich verweise in diesem Zusammenhang aber auf die 57. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Heilbronn am 31. Mai und 1. Juni 1985, um darzutun, daß dieser Fragenkomplex intensiv diskutiert wird, und auch auf den Beitrag „Pressefreiheit und presserechtliche Selbstkontrolle" von Professor Rupert Scholz in der Festschrift für Theodor Maunz zum 80. Geburtstag am 1. September 1981.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325200
Eine Zusatzfrage, bitte!

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1016325300
Herr Staatssekretär, wie vereinbaren Sie Ihre jetzt gegebene Antwort mit der Aussage von Ihrem Kollegen Herrn Spranger in dem zitierten Artikel, daß gegebenenfalls gesetzliche Schritte unternommen werden müßten? Weist das nicht ganz eindeutig auf die Absicht der Bundesregierung beziehungsweise des Bundesinnenministers hin, hier einengend wirksam zu werden?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich darf dazu zweierlei sagen.
Erstens: Wenn man den erwähnten Artikel im Zusammenhang liest, hat der Kollege Spranger eine Reihe von Möglichkeiten dort zur Diskussion gestellt. Er hat keine konkreten Initiativen angesprochen.
Zweitens: Konkrete Initiativen der Bundesregierung sind nicht ausgearbeitet oder im Vorhaben. Ich verweise auf das, was ich zur Beantwortung Ihrer Frage gesagt habe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325400
Eine weitere Zusatzfrage.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1016325500
Herr Staatssekretär, der ganze Artikel Ihres Kollegen Herrn Spranger zielt ja darauf ab, den Persönlichkeitsschutz des Politikers und der Verwaltung gegenüber der Medienfreiheit in einen besonderen Schutzraum zu stellen. Wie beurteilen Sie persönlich als Mitarbeiter des Innenministers diese Stoßrichtung?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich darf erneut darauf verweisen, daß in der aktuellen öffentlichen Rechts- und Verfassungsdiskussion dieser Fragenkomplex intensiv besprochen wird und es eine ganze Reihe von Denkanstößen gibt. Ich finde, gerade auch im Blick auf Pressefreiheit auf der einen Seite, aber auch Persönlichkeitsschutz und Datenschutz auf der anderen Seite ist es wichtig, solche Gedankengänge zu erwägen, Denkanstöße zu prüfen. Wir sind in diesem Fragenkomplex sicherlich noch am Anfang einer Diskussion. Ich möchte darauf hinweisen: Sowohl der Kollege Spranger wie auch ich denken nicht daran, an irgendeiner Stelle die Pressefreiheit oder die Möglichkeiten der Medien zu lähmen oder einzuschränken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016325700
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß es sich zumal nach Ihren Grundsätzen, möglichst keine gesetzlichen Regelungen, die überflüssig sind, anzustreben, bei diesen Problemen, die es sicherlich gibt, weniger um Fragen handelt, die an den Gesetzgeber zu richten sind, sondern um Fragen an uns selbst und an die Presse und daß es hier um Fragen unserer politischen Kultur geht, die es in einer wirklich öffentlichen, demokratischen Diskussion zu regeln gilt und nicht durch Gesetz?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich bin der Auffassung, wenn es um Fragen der politischen Kultur in unserem Lande geht, ist jeder Verantwortliche zunächst einmal persönlich herausgefordert.

(Eigen [CDU/CSU]: So ist es!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Duve auf:
Handelt der Parlamentarische Staatssekretär im Einvernehmen mit der Bundesregierung, wenn er in seinem Artikel neue Gremien der freiwilligen Selbstkontrolle unter Ausschluß der Journalistenverbände und gegebenenfalls gesetzliche Initiativen zur Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes von Politikern und Behörden fordert?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich darf, Herr Kollege Duve, Ihre Frage, die j a auf die Beschäftigung der Bundesregierung mit diesem Fragenkomplex abzielt, so beantworten, daß ich auf die Antwort zu Ihrer ersten Frage verweise. Die Bundesregierung hat sich mit diesem Fragenkomplex nicht befaßt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016325900
Eine Zusatzfrage.




Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1016326000
Herr Staatssekretär, der Artikel von Herrn Spranger fordert ja direkt und ganz offen, daß es zu einer freiwilligen Selbstkontrolle der Medien dergestalt kommen soll, daß die Verbände — sprich: Journalistenverbände — an dieser freiwilligen Selbstkontrolle nicht teilhaben. Wie beurteilt die Bundesregierung in ihrer Stellung zu Mitwirkungsrechten von Personalräten diese sehr eindeutige Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Duve, ich muß zunächst auf die Prämisse Ihrer Frage eingehen. Es sind hier keine aktuellen Forderungen vom Kollegen Spranger gestellt, sondern es sind in diesem Artikel Erwägungen aufgenommen worden, die andere Rechtsgelehrte — ich erwähnte einige dieser Abhandlungen — schon angestellt haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016326100
Eine weitere Zusatzfrage.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1016326200
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, könnten Sie mir sagen, aus welcher Ressortkompetenz diese auch von Ihnen als wichtig bezeichneten Überlegungen der Exekutive gegenüber den Medien durch Staatssekretär Spranger erfolgen? Denn wir haben in der Vergangenheit mehrere Vorstöße Ihres Kollegen in Richtung auf die Medienfreiheit erleben dürfen. Welche Rolle nimmt hier der Staat unter der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber den freien Medien ein, wenn er sich dauernd zum rechtlichen und verfassungsrechtlichen Vordenker macht?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Der Kollege Spranger hat wie jedes Mitglied des Hauses das Recht und die Freiheit, über wichtige Fragen der politischen Kultur in unserem Lande nachzudenken und dazu Denkanstöße zu geben.

(Duve [SPD]: Wir werden unsere Konsequenzen ziehen!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016326300
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1016326400
Daran anschließend: Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß der Kollege Spranger — angesichts der Belastung des Innenausschusses glaube ich das feststellen zu können — mit anderen Aufgaben ausgefüllt ist?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016326500
Herr Abgeordneter Mann, diese Frage steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Sie wird nicht zugelassen.
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.
Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Pauli auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß in der Kreisverwaltung Ahrweiler Portraits ehemaliger NS-Amtsträger, die zugleich auch hohe NSDAP-Funktionäre waren, aufgehängt wurden, im Hinblick auf die Versöhnung sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands, und sieht die Bundesregierung in solchen Beispielen nicht eine Brüskierung der Opfer und Verfolgten des Nazi-Regimes?

(Duve [SPD]: Die Frage hat schon Hegel sehr interessiert: Was ist ein Zusammenhang? — Heiterkeit)

— Denken Sie weiterhin kräftig nach, Herr Duve, und kommen Sie gelegentlich auf mich zu!

(Erneute Heiterkeit)

Bitte sehr.
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Sie hatten mich aufgerufen, jetzt die Frage 74 des Kollegen Pauli zu beantworten. Ich tue das wie folgt.
Die Ausstattung von Verwaltungsgebäuden der Landkreise, Herr Kollege Pauli, mit Bildern ist eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung. Die staatliche Aufsicht über derartige Selbstverwaltungsangelegenheiten obliegt nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ausschließlich den Ländern. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht in der Lage, zu dem der Frage zugrunde liegenden Sachverhalt Stellung zu nehmen.
Ich will aber mit Blick auf das, was Sie hier angeschitten haben, gern um der allgemeinen Information willen auf folgendes hinweisen. Der Kreistag des Kreises Ahrweiler hat einen Beschluß gefaßt, unter dem von Ihnen angesprochene Bild von Dr. Simmer, dem Landrat von 1934 bis 1945, folgenden Text anzubringen:
Der geschichtlichen Wahrheit wegen und zugleich als Mahnung bleiben die Zeit des Nationalsozialismus und ihre Repräsentanten nicht unerwähnt. Die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Ahrweiler gaben damals bei der letzten halbwegs freien Wahl am 5. März 1933 mit ca. 70 % den demokratischen Parteien ihre Stimme. Dieses überzeugende demokratische Bekenntnis bleibt eine Verpflichtung für alle.

(Deres [CDU/CSU]: Davon waren über 60 für das Zentrum!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016326600
Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1016326700
Herr Staatssekretär, welche Praxis besteht denn diesbezüglich in Bundesbehörden, bzw. ist davon auszugehen, daß, dem Beispiel der Kreisverwaltung Ahrweiler folgend, Porträts von NS-Funktionären sich in Bundesbehörden, Bundesministerien oder Bundesgerichten befinden?
Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Bei der Komplexität Ihrer Frage muß ich Ihnen antworten, daß Informationen zu diesem weiten Fragenkomplex, den Sie im Hinblick auf alle Behörden des Bundes angesprochen haben, mir hier nicht vorliegen. Soweit vorhanden, kann ich Ihnen gerne dazu noch Informationen geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016326800
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1016326900
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung der Auffassung, daß bundesdeutsche Verwaltungen grundsätzlich ihre Geschichte so dokumentieren sollten, daß der Eindruck ent-



Pauli
steht, als ob eine ungebrochene Kontinuität von Anbeginn bis in die heutige Zeit besteht?
Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pauli, ich bin der Auffassung, daß gerade im Zusammenhang mit den zahlreichen Gedenkveranstaltungen aus Anlaß des 8. Mai die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler selber, dargetan hat, wie wir als Bundesregierung zu den einzelnen Kapiteln unserer Geschichte, auch der traurigen Zeit der Hitler-Diktatur mit allen schlimmen Erfahrungen und Ergebnissen dieser Politik, stehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Deres.

Karl Deres (CDU):
Rede ID: ID1016327100
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Fragesteller von seinen Parteigenossen aus dem Kreis Ahrweiler falsch informiert worden ist und daß es sich nicht um Porträts, sondern um ein einziges Porträt handelt, und ist der Regierung zweitens bekannt, daß die Aufstellung der Dokumentation nach einer Abstimmung im Land Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde, wobei festgestellt wurde, daß auch in den SPD geführten Landkreisen die nationalsozialistischen Landräte natürlich dokumentiert sind?
Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Deres, zu Ihrer ersten Frage. Daß es sich um ein einziges Porträt handelt, nämlich das Porträt jenes erwähnten Landrats, zu dem dann im Blick auf seine Amtszeit das eben Vorgetragene angebracht wurde, kann ich bestätigen. Das haben wir bei unseren Ermittlungen für die heutige Fragestunde festgestellt.
Zu den anderen Fragen, die Sie angesprochen haben, muß ich darauf verweisen, daß die Aufsicht über die Kommunalverwaltungen des Landes Rheinland-Pfalz den zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden obliegt. Daher kann eine Information dieser Art bei uns im Hause nicht umfassend gegeben sein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1016327300
In der Frage meines Vorfragerslag die Unterstellung, daß mein Kollege Pauli diese Information durch sogenannte — wie hier formuliert wurde — Parteifreunde bekommen hat. Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht mit mir für problematisch, daß hier unterstellt wird, wer uns Abgeordneten Informationen gibt?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Duve, ich habe in der Äußerung des Kollegen Deres, daß der Kollege Pauli von seinen Parteifreunden informiert worden ist, nichts Schlimmes gefunden. Ich denke, wir werden alle bisweilen von Parteifreunden zu politisch aktuellen Tatbeständen informiert.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327400
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Pauli auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die gemeinsame Tournee von Angehörigen der 6. SS-Gebirgsdivision „Nord", die im Kriegsverlauf aus ehemaligen „Totenkopfstandarten" gebildet wurde, einerseits und Veteranen der 70. US-Infantery Division Association „Trailblazer" andererseits zu Orten früherer Kampfhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, wie beispielsweise am 5. Oktober 1985 in Pfaffenheck, wo als Höhepunkt zum Abschluß der Tournee eine Kranzniederlegung stattfinden soll?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pauli, auf diese Frage antworte ich für die Bundesregierung wie folgt. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, zu diesem privaten Treffen ehemaliger Soldaten öffentlich Stellung zu nehmen und Bewertungen abzugeben.

(Duve [SPD]: Die Rechtsnachfolge des Bundes steht moralisch im Zweifel!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327500
Wir haben hier eine ganz bestimmte Ordnung bei den Fragen. Eine Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1016327600
Herr Staatssekretär, darf ich das so verstehen, daß die Bundesregierung in der Angelegenheit des Treffens von SS- und US-Veteranen in diesen Tagen in Pfaffenheck nicht tätig geworden ist?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Blick auf solche Treffen nicht die Kompetenz, tätig zu sein, sondern wenn hier ingend etwas Rechtswidriges geschähe, wäre es die Kompetenz des zuständigen Bundeslandes, tätig zu sein. Wir haben dies ja in diesem Hause öfters erörtert. Aber der Bundesregierung ist nichts bekannt, was darauf hindeuten könnte. Ich will im übrigen darauf verweisen, daß solche Treffen gerade auch der hier angesprochenen Einheiten auch schon in den vergangenen Jahren öfters stattgefunden haben, ohne daß dabei irgend etwas — gerade auch bei der von Ihnen erwähnten Einheit oder dem Verband — zutage getreten wäre, was unsere Rechtsordnung nach unseren Kenntnissen irgendwie aktuell verletzen würde.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327700
Weitere Zusatzfrage.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1016327800
Herr Staatssekretär, sicherlich ist Ihnen bekannt, daß das Treffen mittlerweile abgesagt worden ist, nicht zuletzt auf Grund der Initiativen hier.

(Duve [SPD]: So mächtig ist das Parlament!)

Aber lassen Sie mich eine Frage anschließen. Ist die Bundesregierung bereit, die Öffentlichkeit umfassend über die Vergangenheit, personelle Zusammensetzung, Einsatzorte und Einsatzbereiche der 6. SS-Brigadedivision „Nord" zu informieren und diese Informationen auch der US-Regierung zur Verfügung zu stellen, damit diese wiederum US-Veteranenverbände bei Anfragen korrekt informieren kann?

(Duve [SPD]: Sehr guter Vorschlag!)




Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pauli, hier ist ein sehr, sehr großer Prüfungs- und Informationsbereich angesprochen worden. Ich werde auf Grund Ihrer Frage dem nachgehen, ob es der Bundesregierung möglich ist, diese Informationen zu sammeln. Sollte dies möglich sein, werde ich Sie gerne darüber verständigen, was wir an Informationen geben können.

(Duve [SPD]: Für die deutsch-amerikanische Freundschaft ist kein Dienst zu groß!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016327900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016328000
Im Zusammenhang mit dieser Frage möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß hohe amerikanische Offiziere gemeinsam in Treffen mit Totenkopfverbänden nachgemachte Orden, Auszeichnungen, angenommen haben, und wie würden Sie das beurteilen?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Mir ist dieser Tatbestand zur Stunde nicht bekannt. Deshalb kann ich dazu auch keine Beurteilungen abgeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016328100
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 76 und 77 des Abgeordneten Clemens, 78 und 79 des Abgeordneten Schäfer (Offenburg), 80 und 81 des Abgeordneten Waltemathe und 82 und 83 der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Dr. Günter Obert zur Verfügung.
Die Frage 84 des Herrn Abgeordneten von Schmude wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Rapp (Göppingen) auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 86 der Abgeordneten Frau Dr. Segall auf:
Kann die Bundesregierung Presseberichte bestätigen, nach denen das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen entgegen den Vorstellungen der Krankenversicherer die Möglichkeit der Überversicherung für den Pflegefall zugelassen hat?
Bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1016328200
Frau Abgeordnete, zur Absicherung des Pflegefallrisikos hat das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zwei Vertragstypen genehmigt, einmal den privaten Krankenversicherern eine Pflegekrankenversicherung und den Lebensversicherern eine Pflegerentenversicherung.
In den Musterbedingungen für die Pflegekrankenversicherung ist vorgesehen, daß der Neuabschluß einer weiteren oder die Erhöhung einer anderweit bestehenden Versicherung mit Anspruch auf Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit der Einwilligung des Versicherers bedarf.
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen hat diese Bestimmung nicht beanstandet, soweit es sich um den Abschluß einer weiteren Pflegekrankenversicherung handelt. Es hat dagegen den Krankenversicherern untersagt, den Einwilligungsvorbehalt auch auf die Pflegerentenversicherung auszudehnen. Hierauf zielt Ihre Frage.
Ich halte die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen für richtig.
Einschränkungen der Vertragsfreiheit sollten nur vorgenommen werden, wo sie geboten erscheinen.
Es geht hier um zwei verschiedene Versicherungssparten, die das Pflegefallrisiko mit unterschiedlicher Konzeption versichern: die Krankenversicherung als Kostenrisikoversicherung, die Lebensversicherung als Rentenversicherung.
Ein solches Nebeneinander von Versicherungen mit unterschiedlicher Konzeption, wenn auch mit der Möglichkeit des Eintritts der Leistung bei gleichem Sachverhalt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Der weit gefaßte Einwilligungsvorbehalt ist zudem auch im Hinblick auf das Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedenklich. Es könnte darin eine unangemessene und überraschende Bestimmung im Sinne dieses Gesetzes gesehen werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016328300
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Inge Segall (FDP):
Rede ID: ID1016328400
Danke für die Auskunft, Herr Staatssekretär.
Noch eine Zusatzfrage: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Genehmigung einer derartigen Versicherungsgestaltung geeignet ist, die Neigung zur Inanspruchnahme von Pflegeleistungen zu erhöhen und damit die viel diskutierte Gefahr kostentreibender Auswirkungen der Pflegeversicherung zu verstärken?
Dr. Obert, Staatssekretär: Frau Abgeordnete, die Sorge, die Sie ansprechen, ist sicherlich auch der Grund, warum die Krankenversicherungsträger diese Klausel möglichst weit fassen sollten. Wir haben aber bei einem viel weiter verbreiteten Versicherungsbereich der Krankenversicherung seit langem ein solches Nebeneinander: Wir haben die Krankenkostenversicherung und eine Krankentagegeldversicherung. Trotzdem halten es die Versicherer für möglich, daß beide Versicherungen nebeneinander bestehen und dadurch Mißbrauchsfälle jedenfalls in engen Grenzen gehalten werden. Mißbrauchsfälle kann man nie ganz ausschließen. Aber, auch da wird die Frage, ob man die Pflegebedürftigkeit bejaht, von anderen Umständen als der Inanspruchnahme zweier Versicherungsleistungen abhängen.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016328500
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sprung zur Verfügung.
Die Fragen 93 und 94 der Abgeordneten Frau Simonis, 95 und 96 des Abgeordneten Gansel, die Frage 99 des Abgeordneten Stiegler und die Fragen 100 und 101 des Abgeordneten Hinsken werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Welche Gegenmaßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, wenn die Vorstellungen des EG-Kommissionspräsidenten, Jacques Delors, die Subventionen in der EG-Stahlindustrie über das Ende des Jahres 1985 hinaus zu gewähren, Wirklichkeit werden, um die deutsche Stahlindustrie vor weiterem Schaden zu schützen?

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID1016328600
Herr Kollege Urbaniak, die Bundesregierung kennt die Vorstellungen des Kommissionspräsidenten nur aus einem Zeitungsinterview. Ihr ist nicht bekannt, wie diese Vorstellungen konkret aussehen und ob sie von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften geteilt werden. Eine Genehmigung weiterer Beihilfen an die Stahlindustrie nach 1985 würde dem im Wege eines Kompromisses gefundenen Ratsbeschluß vom 26./27. März 1985 zuwiderlaufen. In diesem Ratsbeschluß steht, daß nach Ablauf des 31. Dezember 1985 keine Beihilfen — gemeint sind stahlspezifische Hilfen — mehr genehmigt werden. Die Bundesregierung hat diesen Kompromiß respektiert; sie erwartet, daß auch die EG-Kommission und die anderen Partner die Absprache und den Ratsbeschluß achten. Die Bundesregierung wird sich Vorschlägen nach einer Wiederöffnung des Beihilfefensters entschieden widersetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016328700
Eine Zusatzfrage, bitte.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016328800
Herr Staatssekretär, am 17. Oktober — so ist zu hören — werden weitere Verhandlungen über die mögliche Subventionierung ab 1986 in Brüssel geführt werden. Hat sich die Bundesregierung drauf eingestellt, ihren auch von der Opposition unterstützten Weg, daß die Subventionierung Ende 1985 aufzuhören hat, fortzusetzen, oder wird sie sich dort den Vorstellungen des EG-Präsidenten nach Ihrer Einschätzung — das hätte ich gern gewußt — beugen müssen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Urbaniak, ich habe soeben eine deutliche Aussage gemacht: Wir werden uns einer Wiederöffnung des Beihilfefensters mit aller Entschiedenheit widersetzen. Das wird auch für den Stahlrat am 17. Oktober gelten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016328900
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016329000
Herr Staatssekretär, sind bereits Ratsvertreter aus Frankreich, Belgien oder beispielsweise Italien an die Bundesregierung herangetreten, um sie für Absichten zu gewinnen, auch nach 1985 Subventionen zu gewähren? Mir sind nämlich derartige Informationen bekanntgeworden.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, das ist meines Wissens bisher nicht geschehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016329100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1016329200
Herr Staatssekretär, es besteht doch, soweit ich weiß, in weiten Kreisen, insbesondere im Saarland, die Befürchtung, daß durch die Einstellung der Subventionen für die Stahlindustrie die Existenz der Firma Arbed Saarstahl gefährdet ist. Wäre der Vorschlag des Präsidenten der EG-Kommission unter diesem Gesichtspunkt nicht positiv zu werten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Wir sind anderer Meinung. Wir haben diese Meinung mehrfach begründet. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, daß die Subventionen an die Stahlindustrie nach unserer Auffassung Ende dieses Jahres endgültig abgeschlossen sein müssen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016329300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016329400
Herr Staatssekretär, eigentlich müßte die Bundesregierung, wenn sie schon Kenntnis hat von Meinungen des Kommissionspräsidenten — aus der Zeitung —, ihrer Sorgfaltspflicht wegen dem nachgehen und herausfinden, was Sache ist. Aber ich wollte Sie fragen: Sind Sie, wenn Sie denn nun nicht verhindern können, daß in den anderen EG-Ländern nach dem 31. Dezember 1985 weiterhin subventioniert wird, mit der herrschenden Meinung des Wirtschaftsausschusses vertraut, die dahin geht, daß wir dann auch hier bei uns neu überlegen müssen, und wären auch Sie bereit, das zu tun?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß nach dem 31. Dezember 1985 auch von den anderen Mitgliedstaaten die Subventionsgewährung nicht fortgesetzt werden kann, wenn es darüber nicht einen entsprechenden Beschluß gibt. Dieser Beschluß ist einstimmig zu fassen. Ohne unsere Mitwirkung kann solch ein Beschluß nicht gefaßt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016329500
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Ist die Bundesregierung in einem solchen Falle bereit, der deutschen Stahlindustrie weitere Hilfen zukommen zu lassen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, die Bundesregierung ist angesichts der hohen Subventionen in anderen Staaten im Prinzip bereit, zum Schutz der deutschen Stahlindustrie einer Fortsetzung der Krisenmaßnahmen mit den an-



Parl. Staatssekretär Dr. Sprung
gezeigten Anpassungen zuzustimmen. Sie beabsichtigt aber nicht — ich wiederhole es —, weiterhin Subventionen zu zahlen oder dazu ihre Zustimmung zu geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016329600
Zusatzfrage.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016329700
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, wenn es denn zu der Auseinandersetzung über die Absicht kommt, auch für 1986 und darüber hinaus zu subventionieren, bereit, im Stahlrat ihr Veto einzulegen, wie das beispielsweise im Falle der Landwirtschaft gemacht worden ist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, es geht hier nicht um ein Veto. Das Abstimmungsverfahren ist ein anderes. Hier muß man einen einstimmigen Beschluß fassen, und die Bundesregierung ist — ich wiederhole es — der Auffassung, daß das Subventionsfenster nicht wieder geöffnet werden darf. Es ist beschlossen worden, es endgültig zu schließen. Ich habe auf den Ratsbeschluß vom März hingewiesen. Das war das Ergebnis dieser Ratssitzung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016329800
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016329900
Herr Staatssekretär, der Gerichtshof hat, wie wir das beurteilen, die Stahlklage gegen den zweiten Subventionskodex abgelehnt. Er verweist darauf, daß die Maßnahmen, die die EG-Kommission für die anderen Partner getroffen haben, richtig sind, d. h. höhere Beihilfen, als sie bei uns gelaufen sind. Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für die weitere Behandlung der Stahlfrage und die Sicherung der Arbeitsplätze der Stahlarbeitnehmer?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, dieses Urteil ist auf der Basis des noch geltenden Subventionskodex ergangen. Wir sind noch nicht in der Lage gewesen, das Urteil und seine Argumente im einzelnen zu prüfen.
Wir haben nach dem 31. Dezember 1985 eine andere Situation. Es gibt keinen Ratsbeschluß, der eine Fortsetzung der Subventionen nach dem 31. Dezember 1985 erlaubt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1016330100
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antworten so interpretieren, daß Sie, falls sich das neue Arbed-Saarstahl-Unternehmenskonzept als nicht tragfähig erweisen wird, nach 1985 eher den Konkurs des Unternehmens mit allen finanziellen Folgen — Unterstützung der Arbeitslosen usw. — in Kauf nehmen, als neue Subventionen zuzuschießen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Das dürfen Sie so nicht interpretieren. Zunächst einmal ist zu prüfen, ob das Konzept, das erarbeitet worden ist oder noch erarbeitet werden wird, tragfähig ist oder nicht. Danach ist dann erneut zu überlegen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1016330300
Herr Staatssekretär, ich würde Sie gerne beglückwünschen, wenn es gelänge, zu erreichen, daß im EG-Ausland nach dem 31. Dezember tatsächlich keine Subventionen mehr gewährt werden. Nun erinnere ich mich aber an die erheblichen Verstöße gegen den Subventionskodex in der Vergangenheit, die j a der deutschen Stahlindustrie beträchtliche Nachteile gebracht haben. Was werden Sie jetzt unternehmen, um zu prüfen, ob die Vereinbarung eingehalten wird, und wie werden Sie sich wehren, wenn Sie feststellen, daß es Verstöße gibt?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst einmal gehen wir davon aus und müssen wir davon ausgehen, daß sich auch andere Mitgliedstaaten an die Beschlüsse der EG-Gremien halten werden. Das sollte auch für die Stahlbeihilfen bzw. für die dann nicht mehr möglichen Subventionen gelten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330400
Ich rufe die Frage 89 der Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung angesichts der jetzt bekanntgewordenen Tatsache, daß die EG-Kommission vorschlägt, Stahlbeihilfen unter bestimmten Bedingungen auch über das Jahr 1985 hinaus zuzulassen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die drastischen Umstrukturierungsopfer der deutschen Stahlindustrie im Falle einer Subventionsweitergewährung umsonst gewesen wären?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, zunächst darf ich Ihnen noch einmal wie schon Herrn Urbaniak antworten: Die Bundesregierung kennt die Vorstellungen des Kommissionspräsidenten nur aus einem Zeitungsinterview. Ihr ist nicht bekannt, wie diese Vorstellungen konkret aussehen und ob sie von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften geteilt werden.
Eine Genehmigung weiterer Beihilfen an die Stahlindustrie nach 1985 würde dem im Wege eines Kompromisses gefundenen Ratsbeschluß vom 26./ 27. März 1985 zuwiderlaufen. Was darin steht, habe ich eben schon vorgetragen.
Die Bundesregierung hat diesen Kompromiß respektiert. Sie erwartet, daß auch die EG-Kommission und die anderen Partner die Absprache und den Ratsbeschluß achten.
Die Bundesregierung wird sich — auch dies wiederhole ich — Vorschlägen nach einer Wiederöffnung des Beihilfefensters entschieden widersetzen.
Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung — das betrifft jetzt das Neue in Ihrer Frage, was über das hinausgeht, was Herr Urbaniak gefragt hatte —, daß die drastischen Umstrukturierungsopfer der deutschen Stahlindustrie im Falle einer Subventionsgewährung umsonst gewesen wären. Diese Umstrukturierungsanstrengungen haben vielmehr dazu geführt, daß die meisten deutschen Anlagen heute international wettbewerbsfähig sind. Sofern noch Schwachstellen bestehen, bemühen sich die Unternehmen gegenwärtig, auch diese zu beseitigen.



Parl. Staatssekretär Dr. Sprung
Der hohe Grad der Wettbewerbsfähigkeit hat neben der sich bessernden Konjunktur wesentlichen Anteil daran, daß wohl alle deutschen Unternehmen bereits in diesem Jahr trotz der vergleichsweise viel höheren Subventionen in anderen Staaten erheblich besser abschneiden, als nach ihren Unternehmensplänen der Jahre 1982 und 1983 erwartet worden war. Einige haben bereits beachtliche Gewinne erzielt. Auch in der Zukunft wird den Unternehmen die Umstrukturierung in entscheidendem Maße zugute kommen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330500
Eine Zusatzfrage, bitte.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1016330600
Herr Staatssekretär, wie stehen Sie denn zu der nicht nur von einzelnen, sondern von mehreren Stahlkonzernen in den letzten Tagen geäußerten Auffassung, weitere Rationalisierungsmaßnahmen seien deshalb notwendig, weil innerhalb der EG durch andauernde hohe Subventionierung seitens anderer Regierungen der Wettbewerb dauerhaft verzerrt werde?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, diese Einschätzung der Situation durch die Stahlunternehmen ist sicherlich zutreffend, aber das heißt j a nicht, daß es sich um Rationalisierungsmaßnahmen handelt, die von öffentlicher Seite weiterhin subventioniert werden müßten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330700
Eine weitere Zusatzfrage.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1016330800
Konkret, Herr Staatssekretär: Teilen Sie nicht die Auffassung, daß die den Belegschaften vieler Werke in den letzten Tagen bekanntgemachten Personaleinschränkungen durch die EG-Subventionen und die Wettbewerbsverzerrungen verursacht worden sind?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich weise darauf hin, daß auch die deutsche Stahlindustrie im letzten Jahr und in diesem Jahr Subventionen in erheblichem Umfange erhalten hat, die dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie zu steigern, und die dafür auch eingesetzt worden sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016330900
Ich weise darauf hin, daß noch eine Minute zur Verfügung steht.
Herr Abgeordneter Urbaniak zu einer Zusatzfrage.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1016331000
Herr Staatssekretär, Krupp/ Thyssen hat angekündigt, daß etliche tausend Arbeitnehmer — wie man heute so schön sagt — „freigesetzt" werden. Dies ist nach ihrer Beurteilung auch Folge der Wettbewerbsverzerrungen, der Aufgabe der Quotierung, der Mindestpreise. All das könnte uns 1986 in verstärktem Maße wieder erreichen. Wie gedenkt die Bundesregierung hier sicherzustellen, daß wir nun endlich gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen bekommen, damit uns so etwas — ich meine vor allen Dingen den Verlust von Arbeitsplätzen in der . Stahlindustrie — nicht mehr passiert?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, ich habe schon in Beantwortung Ihrer zweiten Frage darauf hingewiesen, daß die Krisenmaßnahmen, die in früheren Jahren beschlossen worden sind, teilweise fortgeführt werden. Darüber wird am 17. Oktober auch gesprochen werden: nicht über eine Fortführung der Subventionierung, aber über eine Fortführung anderer Maßnahmen, die sicherlich noch erforderlich sind, um den Stahlmarkt langsam in einen normalen Wettbewerb überzuleiten. Ich erinnere an das Quotensystem, an die Warenbegleitpapiere, an die Verpflichtung des Stahlhandels, Preislisten zu eröffnen, Mindest- und Orientierungspreise, an Stahllieferabkommen mit dritten Ländern. Dies sind auch Maßnahmen, die den Wettbewerb entscheidend beeinflussen. Über deren Fortführung, in welcher Form das geschehen soll, wird am 17. Oktober ebenfalls zu sprechen sein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016331100
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1016331200
Herr Staatssekretär, ich möchte eine Frage im Zusammenhang mit der regionalen Umstrukturierung stellen. Bedeutet eine endgültige Verhinderung von weiteren Subventionen nicht, daß im nationalen Bereich auch andere Maßnahmen für Ersatzarbeitsplätze in bestimmten Regionen subventioniert werden können, damit die Folgen eines bestimmten Umstrukturierungsprozesses die entsprechende Region nicht in ihrer ganzen Härte treffen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich habe darauf hingewiesen, daß sich die Bundesregierung gegen die Fortsetzung stahlspezifischer Subventionen gewandt hat. Hilfeleistungen allgemeiner Art — etwa unter Umweltschutzaspekten oder unter Forschungs- und Entwicklungsaspekten — fallen nicht unter dieses Subventionsverbot.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1016331300
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde und damit auch am Ende unserer Tagesordnung angekommen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Oktober 1985, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.