Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 10/3226 —
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Reimann auf:
Was gedenkt die Bundesregierung per Gesetz oder Verordnung zu tun, um optimalen Schutz für Mensch und Umwelt zu erlangen, und wie steht sie zur Gefahrenvermeidung bei gleichzeitigem Transport gefährlicher Stoffe, die bei einem Unfall zusammentreffen und schwere Schäden verursachen?
Bitte sehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter basieren auf internationalen Regelungen und Empfehlungen und werden ständig auf internationaler Ebene der technischen Entwicklung angepaßt. Teilweise gelten bei uns zusätzliche Sicherheitsvorschriften, so daß in Deutschland — auch im Vergleich zu anderen Ländern — inzwischen ein hoher Sicherheitsstandard erreicht worden ist.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das bisherige Verfahren — Fortentwicklung der Vorschriften auf internationaler Ebene, insbesondere Harmonisierung für den grenzüberschreitenden Verkehr — praxisgerecht ist.
Ungeachtet dessen hat die Bundesrepublik Deutschland nach § 7 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter die Möglichkeit, durch Sofortmaßnahmenverordnungen Änderungen kurzfristig in Kraft zu setzen, wenn feststeht, daß die Vorschriften nicht ausreichen und ein dringendes Handeln sofort erforderlich ist.
Die derzeitigen Vorschriften enthalten daneben auch detaillierte Anweisungen für das Zusammenpacken gefährlicher Güter innerhalb eines Versandstückes sowie für das Zusammenladen innerhalb einer Ladefläche, so daß es nicht zu einer gefährlichen Reaktion kommen kann.
Ob wegen der aktuellen Ereignisse Änderungen der internationalen Vorschriften beantragt werden müssen oder ob zusätzliche nationale Vorschriften oder der Erlaß einer Sofortmaßnahmenverordnung erforderlich sind, prüfen zur Zeit die Ausschüsse „Tank/Technik" und „Stoffe/Verpackungen" des Gefahrgut-Verkehrsbeirats. Erst wenn das Ergebnis dieser Untersuchungen vorliegt, kann entschieden werden, ob und gegebenenfalls welche Vorschriften zu ändern oder zu ergänzen sind.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, daß das Beladen mit mehreren gefährlichen Gütern nicht zu Schäden führen kann. Die Erkenntnisse und die Unfälle auf der Autobahn zeigen ja nun andere Tatbestände auf. Deshalb frage ich Sie noch einmal konkret: Da bekannt und durch Unfälle bewiesen ist, daß das Zusammenladen von chemischen Gütern im Falle einer Kollision oder eines Unfalles dann, wenn die Güter mit Feuer oder Wasser in Berührung kommen, für die Menschen und für die Natur Schädigungen auslösen: Was gedenkt die Bundesregierung konkret zu tun, um das für die Zukunft abzustellen?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn der Staat Vorschriften erläßt, ist leider Gottes noch nicht garantiert, daß der Sinn und Zweck der Vorschriften tatsächlich erfüllt wird. Es besteht immer die Gefahr, daß sich die Bürger nicht an die Vorschriften halten. Wir sind bisher davon ausgegangen, daß die Vorschriften ausreichen, zumal die internationalen Vorschriften national auch weiter ergänzt worden sind. Aufgrund der Unfälle der letzten Zeit wird jedoch exakt geprüft, ob weitere Vorschriften nötig sind, und zwar auch im Hinblick auf das von Ihnen angesprochene Thema, daß mehrere gefährliche Güter zusammenkommen können. Sollte es sich erweisen, daß wir zu zusätzlichen Vorschriften kommen müssen, werden wir umgehend handeln.Ich darf darauf verweisen, daß im Güterfernverkehr bereits heute mehr gefährliche Güter auf der
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9934 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Parl. Staatssekretär Dr. SchulteSchiene oder auf der Wasserstraße als auf der Straße befördert werden. Ich glaube, das ist eine wichtige Tendenznachricht. Es ist für uns überhaupt kein Hindernis in Sicht, das dazu führen könnte, Empfehlungen dieses ständigen Beirats beim Bundesminister für Verkehr nicht zu übernehmen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, dann möchte ich einmal andersherum fragen: Die Polizei, die am Unfallort die Abläufe regelt und die — das liegt nicht an der Polizei — in Unfällen mit chemischen Produkten nicht ausgebildet ist, gibt Anweisungen an die Bevölkerung, z. B.: Bleiben Sie zu Hause, schließen Sie Türen und Fenster, gehen Sie in den Keller oder in den ersten Stock! Von wem erhält die Polizei diese Anweisungen, und wer hat diese Anweisungen, bevor sie der Polizei gegeben werden, auf Sicherheit für die Bevölkerung geprüft? Unter Umständen wird die Bevölkerung dadurch erst geschädigt, daß ich sie anweise, in ihren Wohnungen zu verbleiben.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß ich seriöserweise über dieses Geflecht von Anweisungen auf Grund von bestimmten Erkenntnissen eine schriftliche Antwort vorziehen sollte. Ich bin gern bereit, dies umgehend zu machen.
Herr Kollege, wenn ich noch eine weitere Erläuterung geben darf, möchte ich darauf verweisen, daß im Jahre 1985 umfangreiche Änderungen, so oder so, beim Transport gefährlicher Güter eintreten werden. Vielleicht kann ich Ihnen nachher eine Liste darüber geben, sofern Sie Interesse haben.
Das können Sie dann auf dem kleinen Dienstweg erledigen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Grunenberg auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Leuchtturm „Roter Sand" das älteste und berühmteste Offshore-Bauwerk außerhalb der Sichtweite der Küste ist und außerdem ein geschichtliches Symbol der Beziehungen zu den USA darstellt, und wird die Bundesregierung angesichts der erfolgten Schadensuntersuchung am Stahlmantel des Leuchtturms „Roter Sand" — ähnlich wie die USA bei der Freiheitsstatue in New York — die Finanzierung der notwendigen Sanierungsarbeiten eines historischen Bauwerks sicherstellen?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der in der Außenweser stehende Leuchtturm „Roter Sand" wurde vor 100 Jahren errichtet und gilt als eine für die damalige Zeit herausragende technische und architektonische Leistung. In dieser Hinsicht ist der Leuchtturm mit einem anderen
Bauwerk dieser Art an Nordsee und Ostsee nicht zu vergleichen. Der Leuchtturm ist nach Auffassung des niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst ein Kulturdenkmal im Sinne des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes.
Die seezeichentechnischen Aufgaben des Leuchtturmes sind vor 20 Jahren auf die neuen Bauwerke „Alte Weser" und „Tegeler Plate" übergegangen. Seitdem hat der Leuchtturm nur noch eine Bedeutung als Tagesmarke, die jedoch notwendige Instandsetzungsarbeiten für Zwecke des Seezeichenwesens nicht rechtfertigt.
Für die Fragen der Erhaltung des Leuchtturms als Denkmal ist die niedersächsiche Landesregierung zuständig. Mittel für die Instandsetzungsarbeiten stehen im Bundeshaushalt nicht zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie nach den Appellen des Bundeskanzlers an unser Geschichtsbewußtsein darauf hinweisen, daß die Auswandererbewegung einen Teil deutschamerikanischer Geschichte darstellt und nicht nur deutsche Reedereien in ihren Werbeprospekten in der Vergangenheit sowohl die „Liberty" als auch den Leuchtturm „Roter Sand" deutlich in feste Beziehung gebracht haben und heute noch Deutschamerikaner nach dem Leuchtturm „Roter Sand" fragen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dieses ist mir bewußt; aber es gibt sicherlich viele Kulturdenkmäler in der Bundesrepublik Deutschland, die einerseits bedeutend sind, andererseits aber nicht aus dem Bundeshaushalt gefördert werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie weit sind Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen und dem Verkehrsministerium hinsichtlich eines baldmöglichsten Beginns der Sanierungsarbeit gediehen, und hat man daran gedacht, das sanierte Bauwerk später eventuell für eine wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung zu stellen? Ich denke an Meteorologie, an Klimatologie, an Gezeitenforschung, Ornithologie usw.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß aus den Unterlagen, die ich habe, schließen, daß an eine solche Verwendung möglicherweise bisher gedacht worden ist, daß aber keine Entscheidung in dem Sinne, den Sie angesprochen haben, getroffen wurde. Ich will dies gern noch einmal weiter nachprüfen und Ihnen dann eine Antwort geben.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf.
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Vizepräsident StücklenDer Fragesteller der Frage 3, der Abgeordnete Dr. Weng , wünscht, daß die Frage schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Müller auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird so verfahren, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist.Dasselbe gilt für die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Müller .Damit sind die Fragen zu diesem Geschäftsbereich bereits abgeschlossen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.Die Frage 11 des Abgeordneten Carstensen ist vom Fragesteller zurückgezogen.Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Oostergetelo auf:Wie beurteilt die Bundesregierung unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und im Hinblick auf den sparsamen Einsatz der Mittel der öffentlichen Hände die bestehenden Regelungen betreffs der Trocknung von Magermilch, die dazu führen, daß es für den Abnehmer preisgünstiger ist, unter großem finanziellen Aufwand getrocknetes und gelagertes Magermilchpulver zu erwerben, anstatt bei den Molkereien Magermilch zu kaufen?
— Herr Abgeordneter, Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen.Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darf ich bitten.
Herr Kollege, nach Auffassung der Bundesregierung führen die derzeitigen unterschiedlich ausgestalteten Beihilferegelungen für den Absatz von Magermilch und Magermilchpulver im Bereich der Kälberfütterung und für den Absatz in anderen Zweigen der Veredelungswirtschaft nicht dazu, daß die Verwendung von Magermilchpulver für den Abnehmer im Vergleich mit der Direktverfütterung von Magermilch preisgünstiger ist. Dies wird durch die Absatzsteigerung bei der Direktverfütterung von Magermilch untermauert, die 1984 im Vergleich zum Vorjahr in der EG im Kälberbereich 0,1 Millionen t und in der Schweinemast 1,5 Millionen t, davon 0,5 Millionen t in der Bundesrepublik Deutschland, betragen hat.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben in der Fragestunde am 12. Dezember auf eine sinngemäß ähnliche Frage des Kollegen von Schorlemer geantwortet, die Bundesregierung bemühe sich, durch Anpassung der jeweiligen Beihilfen aneinander einen einheitlichen Abgabepreis bzw. eine Mehrnachfrage nach flüssiger Magermilch herbeizuführen. Haben diese Bemühungen irgendeinen Erfolg gezeitigt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben insofern einen Erfolg gezeitigt, als sie zunächst dafür gesorgt haben, daß die Beihilfen für die flüssige Magermilch nach vorübergehender Reduzierung von der EG wieder erhöht worden sind. Daher rühren auch die höheren Absatzzahlen. Zum zweiten ist die Situation die, daß die Beihilfe für die Verfütterung an die Kälber nicht so hoch zu sein braucht, weil auch die Substitute entsprechende Preise haben.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, in derselben Fragestunde des vorigen Jahres haben Sie eingestanden, daß die Kommission mit sporadischen Eingriffen betreffend Magermilchpulver, um Geld zu sparen oder hereinzubekommen, eigentlich keinen Erfolg gehabt, sondern oft genug das Gegenteil bewirkt hat. Hat die Bundesregierung auch in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergriffen, damit dies besser wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe schon ausgeführt, daß wir uns hier durchgesetzt haben und die Beihilfen zugunsten der flüssigen Magermilch wieder erhöht worden sind. Das bedeutet aber nicht, daß schon alle unsere Wünsche erfüllt wären. Die Bundesregierung möchte sehr gern eine langfristige Strategie von seiten der EG haben, die kontinuierlich über das ganze Jahr gewährleistet, daß die flüssige Magermilch in eine günstigere Situation als die trockene gerät.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, wenn jetzt für den Landwirt Flüssigmagermilch und Magermilchpulver gleichwertig sind, dann sind die Kosten für die EG bei Magermilchpulver doch höher. Warum eigentlich gibt es eine wesentliche Abnahme von Flüssigmagermilch nur in Nordwestdeutschland und nicht auch in anderen Ländern der Bundesrepublik und der Europäischen Gemeinschaft?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst muß ich sagen, es ist nicht so, daß die Kosten gleich sind. Wir haben eine günstige Situation für Flüssigmagermilch, weil hier ja nicht getrocknet werden muß. Die Situation in Nordwestdeutschland ist aber allein darin begründet, daß dort immer sehr viel flüssige Magermilch verfüttert worden ist und dort auch eine andere Struktur der Molkereien, ein dichteres Netz von Molkereien und ein dichteres Anlieferungsgebiet vorhanden sind, während wir z. B. in Süddeutschland — ich gehe von Baden-Württemberg aus — doch eine sehr viel lockerere Struktur des Milchaufkommens haben. Gleichzeitig bedeutet das umgekehrt, daß dann, wenn die Magermilch zurückgebracht werden muß, große Strek-
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Parl. Staatssekretär Gallusken gefahren werden müssen. Auch das hat sicher etwas mit dem Gesamtzusammenhang zu tun.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Michels.
Herr Staatssekretär, müßte nicht die EG insbesondere Vorkehrungen treffen, um die Abgabe von Magermilch auch preislich noch weiter interessant zu machen, damit möglichst viel Magermilch direkt in die Verfütterung hineingeht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Antwort auf die nächste Frage, die Herr Oostergetelo gestellt hat, wird Aufschluß darüber geben, daß hier tatsächlich eine Vergünstigung in bezug auf die Verfütterung von Flüssigmagermilch besteht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Herr Staatssekretär, die Kommission hat einen Vorschlag gemacht, im Rahmen der Preisverhandlungen den Preis wiederum im Bereich Eiweiß anzuheben und im Bereich Fett etwas zu senken. Würde das nicht bedeuten, daß damit die Molkereien geradezu animiert werden, Magermilchpulver herzustellen, und wie stellt sich dazu die Bundesregierung im Hinblick darauf, daß dies den Marktmolkereien eigentlich zuwider ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn die Erhöhung des Richtpreises bei der Milch über die Erhöhung der Eiweißkomponente erfolgen soll, müßten, wenn gleichzeitig die Magermilchströme weiter fließen sollen, die Erstattungen erhöht werden. Das ist ganz klar. Sonst würde eine gegenteilige Situation eintreten.
Weitere Frage, Frau Abgeordnete Hürland, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir als Nicht-Landwirt bei dieser Frage einmal klarmachen, welcher Unterschied zwischen Magermilch und H-Milch besteht, weil ich da immer große Schwierigkeiten habe, das nicht miteinander zu verwechseln?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Magermilch zeichnet sich dadurch aus, daß sie ohne Fett ist. Der „blaue Heinrich", wenn Sie so wollen, hat schon im Krieg eine Rolle gespielt, weil man damals das Fett gebraucht hat. Er spielt heute aus gesundheitspolitischen Gründen eine Rolle. Die Leute trinken sehr gern Milch, die weniger Fett hat. Deshalb haben wir eine Abstufung in der Trinkmilch von Magermilch mit 0,5 % Fett, 1 % Fett bis hin zur Vollmilch, die etwa 3,7 % Fett hat. Die H-Milch ist hoch haltbar gemachte Milch, die sich über Monate hält. Damals, als das eingeführt wurde, hat man ein Beispiel damit gegeben, daß man diese Milch um das Kap der guten Hoffnung geführt hat; sie war nach dieser Reise immer noch gleich gut. Das bedeutet, daß sie eben als Stapelware in den Supermärkten verkauft werden kann und umgekehrt der Verbraucher die Chance hat, sich über mehrere Wochen mit Milch einzudecken. Frischmilch im Kühlschrank muß dagegen innerhalb von zwei Tagen verbraucht werden. Es wäre meines Erachtens heute noch besser, wenn es die H-Milch nicht gäbe, weil die Leute dann unter Umständen mehr Milch verbrauchen würden; aber das ist der Fortschritt.
Also Frau Kollegin Hürland, jetzt sind Sie Fachmann bzw. Fachfrau für Milch.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Oostergetelo auf:
Stimmen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Berechnungen, daß Magermilchpulver pro Liter Magermilch einen Preisvorteil von 2,15 Pfennig oder — bezogen auf den höheren Preis von Magermilch — von ca. 25 v. H. hat, und hat die Bundesregierung bejahendenfalls diesen Sachverhalt zum Anlaß genommen, eine Änderung dieser Preisrelation herbeizuführen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es stimmt nicht, daß bei den derzeitigen Beihilfesätzen der Bezug von Magermilchpulver, umgerechnet in Magermilch, für den Abnehmer günstiger ist. Beim Absatz im Kälberbereich ist die Beihilfe für Magermilch geringfügig höher als für Magermilchpulver. Unter Zugrundelegung der zur Zeit gültigen Preise bei der Abgabe von Magermilchpulver aus Interventionsbeständen zur Verfütterung an andere Tiere als Kälber und der Beihilfen für Magermilch beträgt der Preisvorsprung der Magermilch gegenüber Magermilchpulver 1,5 Pfennig.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da ja unbestritten ist, daß die Trocknung von Milch — sprich: in Magermilchpulver — für den Staat und für die EG sehr viel teurer ist als jede andere Möglichkeit eines Flüssigabsatzes, frage ich Sie: Was tut die Bundesregierung, damit diese Möglichkeit der Steuerersparnis und die Möglichkeit, daß Betriebe Milch zurücknehmen können, auch für die Schweinehaltung gelten?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für die Schweinehaltung gilt sie sowieso in viel größerem Ausmaße, als das bei den Kälbern der Fall ist, weil die Vergünstigung bei der Schweinehaltung wesentlich höher ist. Letzten Endes kostet der Liter Magermilch, nach der Verbilligung umgerechnet, bei der Schweinehaltung noch 5,5 Pfennig, während es bei der Kälberhaltung ungefähr 14,35 Pfennig pro Liter sind.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, daß dies gilt, ist mir bekannt. Aber stimmt es denn nicht, daß es auf Grund der neuen Umrechnungsmethode zwischen Eiweiß und Fett doch eine Schlechterstellung gegeben hat oder — anders ausgedrückt — daß ein viel größerer Absatz von Flüssigmagermilch möglich wäre?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe in Beantwortung Ihrer vorherigen Frage
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Parl. Staatssekretär Gallusschon gesagt, daß das vorübergehend gegolten hat. Das ist aber heute wieder dadurch ausgeglichen worden, daß die Erstattungsbeträge erhöht worden sind. Die Kommission mußte zunächst sparen; denn sie hatte, wie Sie wissen, im vergangenen Herbst kein Geld. Außerdem entstand auf Grund der Garantiemengenlösung die Situation, daß vorübergehende Ungleichgewichte auf dem Markt herrschten. Bei manchen Marktmolkereien ist der Preis für flüssige Magermilch, die zum Verbrauch durch den Menschen bestimmt ist, so hoch geworden, daß diese Molkereien in Brüssel interveniert haben, die Erstattungsbeträge für den Futtersektor zurückzunehmen. Das hat man dann vorübergehend getan. Als man merkte, daß dann zuwenig flüssige Magermilch wieder abfließt, hat man sie wieder erhöht. Das ist der Tatbestand.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, wäre es unter Kostengesichtspunkten und unter Gesichtspunkten des relativen Glücks von Kühen und Kälbern nicht sinnvoller, das Trinken der Kälber am Euter ihrer Mutterkuh direkt zu subventionieren, statt die Milch erst abzumagern, sie zu trocknen und dann als Milchpulver wieder auf die Höfe zurückzubringen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, so einfach, wie sich das — Entschuldigung, daß ich das sage — ein Laie der Milchwirtschaft wie Sie vorstellt, sind die Dinge nicht. Das hat folgenden Grund. Wir können nicht völlig ohne Trocknung auskommen. Man muß sich den Ablauf in der Milchwirtschaft einmal vor Augen führen.
Denken Sie einmal an die Wochenenden. Der Milchstrom fließt kontinuierlich. Was will man an den Wochenenden mit der Milch anfangen? Wir sind gezwungen, eine gewisse Trocknungskapazität aufrechtzuerhalten, wenn das ganze Jahr über ein normaler, kontinuierlicher Ablauf in der Milchwirtschaft gewährleistet werden soll. Hinzu kommt, daß es im Frühjahr und im Sommer sehr viel mehr Milch gibt als im Winter. Auch deswegen brauchen wir einen gewissen Ausgleich. Das hört sich alles vielleicht etwas komisch an, aber das ist die Realität, und das ist auch vernünftig.
Es geht eben nicht, daß aus zwei Zipfeln Magermilch kommt und aus den anderen beiden fetthaltige Milch. Diesbezüglich ist in der Züchtung noch einiges zu verbessern.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen, bitte.
Herr Staatssekretär, will die Bundesregierung nach den Erfahrungen vom Herbst 1984 — ich meine die Verteuerung von Flüssigmagermilch in der Schweinemast — in Vehandlungen in Brüssel anstreben, daß der Ablauf kontinuierlicher gestaltet wird? Denn wenn ein Schweinemäster Investitionen getätigt hat, um Flüssigmagermilch zu verfüttern, dann muß er diese Investitionen auch fortlaufend über die Amortisation bedienen können, wozu er eine kontinuierliche Belieferung braucht.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, genau das ist unser Ziel. Die Bundesregierung hat der Senkung der Erstattungsbeträge bei der EG damals nicht zugestimmt, weil die Bundesrepublik das Land in der EG ist, das den meisten Rückfluß an flüssiger Magermilch hat; in allen anderen Ländern wird das praktisch über Magermilchpulver abgewickelt. Daraus folgt, daß wir größtes Interesse daran haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Michels.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Molkereien, sofern sie eigene Milchtrockentürme haben, besonders daran interessiert sind, diese Trockentürme soweit wie möglich auszulasten, anstatt die Magermilch — wie der Kollege Eigen gefragt hat — den Schweinemästern kontinuierlich zur Verfügung zu stellen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe schon ausgeführt, daß es hinsichtlich einer kontinuierlichen Übernahme der Milch notwendig ist, daß wir auch gewisse Kapazitäten von Trockentürmen haben. Sollte sich aber, nachdem wir die Garantiemengenlösung haben, herausstellen, daß wir in einigen Gebieten zu viele Trockentürme haben, dann muß man sich in der EG, aber auch national einmal Gedanken darüber machen, ob man den einen oder anderen sinnvollerweise nicht stillegt. Da manche noch nicht abgeschrieben sind, kann das sicher nur in gegenseitigem Einverständnis geschehen; auf Grund der Kostenrelation, die sich in diesem Bereich für den Betrieb selber ergibt, wird das niemand freiwillig tun.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß auf Grund der Garantiemengenregelung in manchen Regionen mittlerweile gar nicht mehr genug Milch in den Molkereien anfällt, wodurch der Anfall von flüssiger Magermilch dermaßen reduziert worden ist, daß die Schweinemäster geringere Chancen haben als in den Gebieten, in die die Quoten durch die Härteregelung hingegangen sind, wodurch sich die Chancen auch für die Schweinemäster dort erhöht haben?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, sicher wird es zu Beginn einige Probleme in bezug auf den Ausgleich des Marktes gegeben haben, nachdem die Dinge sich vorher jahrelang eingespielt hatten und jetzt mit der Garantiemengenregelung eine Zäsur kam. Aber ich glaube, das ist bereits überstanden, und das gleicht sich am Markt aus.
Keine weiteren Zusatzfragen.
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Vizepräsident StücklenIch rufe auf die Frage 12 des Abgeordneten Michels:Welche Chancen räumt die Bundesregierung angesichts bestehender Überschüsse auf dem Milchmarkt und zunehmender Überschußprobleme auf dem Getreidesektor, sowie gleichzeitigem Bedarf an bleifreiem Kraftstoff, der Beimischung von 5 v. H. Bioethanol als Treibstoffkomponente ein?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen 12 und 13 zusammen beantworte?
Sind Sie damit einverstanden?
— Dann rufe ich auch die Frage 13 auf:
Kann die Bundesregierung angeben, welche Getreidemengen und -flächen EG-weit — anstatt im Rahmen des subventionierten Exports oder der Lagerhaltung untergebracht zu werden — kostenmäßig sinnvoll für die Bioethanolproduktion einsetzbar wären?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ethanol ist als Kraftstoffkomponente sowohl in verbleitem als auch in unverbleitem Benzin durchaus geeignet. Die oktanzahisteigernden Bleiverbindungen können allerdings durch Bioethanol nicht uneingeschränkt ersetzt werden. Für Bioethanol ist der Erdölpreis ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Unter den derzeitigen Preisverhältnissen ist Ethanol nicht konkurrenzfähig. Überschlägige Berechnungen ergeben, daß die Stützung von Ethanol als Treibstoffzusatz gegenwärtig immer noch merklich teurer wäre als die herkömmliche Verwertung von Agrarüberschüssen. Da langfristig einerseits erhebliche Energieverteuerungen, andererseits kostensenkende technische Fortschritte im Ethanolbereich zu erwarten sind, bestehen für den Einsatz von Ethanol im Treibstoffsektor in den 90er Jahren gute Chancen. Bei fünfprozentiger Ethanolbeimischung könnten dann in der EG ca. 2 Millionen ha landwirtschaftliche Nutzfläche in die Erzeugung von Ethanolpflanzen umgelenkt werden. Hiervon dürfte ein erheblicher Teil auf ehemalige Getreideflächen entfallen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie angeben, zu welchen Kosten heute Ethanol bei den Anlagen, die wir haben, schon gewonnen werden kann?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Aus dem Stegreif kann ich eine Zahl zwischen 1,20 und 1,40 DM per Liter nennen. Ich möchte mich da aber nicht hundertprozentig verbürgen. Sie werden das noch schriftlich bekommen, was unsere Leute ausgerechnet haben. Das ist ungefähr gerechnet für die neue Anlage, die wir in Ahaus-Evesen jetzt in Betrieb nehmen wollen, auf der Basis der Preise, die den Bauern für die Rohstoffe garantiert worden sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung inzwischen Kontakt zu den EGPartnerländern aufgenommen? Denn die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen für die Beimischung in den Treibstoff hat ja nur dann eine entlastende Wirkung auf den Getreidemarkt, wenn die EG-Partnerländer in gleicher Weise vorgehen würden.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Es ist Ihnen bekannt, daß im Zusammenhang mit der jetzigen Preisrunde in Brüssel die Kommission sechs Arbeitsgruppen eingesetzt hat, die sich mit all den Fragen der zukünftigen Entwicklung der Agrarpolitik der EG befassen und innerhalb weniger Monate entsprechende Ergebnisse vorlegen sollen. In einer dieser Arbeitsgruppen werden auch nachwachsende Rohstoffe, Ethanol usw., behandelt. Wir haben umgekehrt von seiten der Bundesrepublik der EG angeboten, daß wir mit unseren Fachleuten bereit sind, entsprechend mitzuhelfen, die Dinge schleunigst voranzutreiben. Sie sehen die Dinge richtig. Wir haben größtes Interesse daran, daß die Entwicklung dahin geht, daß in der EG die Produktion nachwachsender Rohstoffe, insbesondere die Produktion von Ethanol, vorangetrieben wird. Ich bin auch der Meinung, daß wir schon sehr enge Kontakte zu den Franzosen haben, die ja auch von sich aus sehr stark in diese Richtung denken.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Anstrengungen der Pflanzenzüchter mit unterstützt, z. B. solche Pflanzen zu züchten, zu selektieren, die hinsichtlich der Ausbeute für Ethanol besonders ergiebig sind?Gallus, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig. Das Projekt dieser Fabrik in Ahaus-Evesen, Niedersachsen, schließt j a nicht nur die eigentliche Produktion mit ein, sondern wird auch begleitet von der Bundesforschungsanstalt in bezug auf entsprechende Pflanzenarten und -sorten, die dort zum Einsatz kommen sollen, um herauszufinden, mit welchen Pflanzenarten und -sorten wir am günstigsten Ethanol produzieren können. Ich bin der Meinung, daß wir mit dem, was wir heute züchterisch wissen, keineswegs am Ende der Entwicklung sind. Ich darf nur das Stichwort „Gentechnologie" hier in den Raum werfen. Es wird höchstwahrscheinlich so sein, daß wir in absehbarer Zeit zu Pflanzen kommen können, die wir heute noch gar nicht kennen, die aber dann noch höhere Erträge pro Hektar bringen werden und damit auch eine höhere Ausbeute von Ethanol pro Hektar. Damit kommen wir in bezug auf die Ethanolproduktion pro Hektar, was die Subventionen anbelangt, in eine günstigere Situation im Vergleich zu dem, was heute aufgewendet werden muß, um Überschüsse von Getreide in Europa an Drittländer zu verkaufen. Wir wissen natürlich, daß diese ganze Produktion ohne gewisse Subventionen nicht erstellt werden kann. Dabei will ich aber sagen, daß bei der Gasohol-Produktion in Amerika heute ein Liter Biosprit mit 0,24 Dollar subventioniert wird. Dieser Betrag würde uns heute schon genügen, Ethanol in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Europa rentabel zu produzieren.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, nachdem der Bundestagsausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Anlage Frankenzucker in Ochsenfurt besichtigt und dort einige Erkenntnisse gewonnen hat, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, die verschiedenartigen Beimischungen zum Benzin, die sich segensreich auf die Umwelt auswirken könnten, so untersuchen zu lassen, daß man gesicherte Erkenntnisse hat, inwieweit Bioethanol aus Umweltgründen Benzin beizumischen wäre.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Eines ist klar: Die Bioethanolbeimischung kann den Katalysator nicht ersetzen. Das müssen wir ganz nüchtern sehen. Tatsache ist, daß Bioethanol die Qualität des Kraftstoffes einerseits verbessert, auf der anderen Seite aber andere, negative Aspekte hat, die aber nicht so gravierend sind, daß man sagen müßte, durch die Beimischung von Bioethanol müsse eine Verschlechterung in Kauf genommen werden. Sie wissen ja, daß wir beim Bundeslandwirtschaftsministerium einen Großversuch laufen haben, wo bereits entsprechende Fahrzeuge mit einer Beimischung von Bioethanol betankt werden. Wir haben vorher schon einen Versuch laufen gehabt, der positiv ausgegangen ist. Der Versuch ist ausgeweitet worden, und ich hoffe, daß wir recht bald zu Erkenntnissen kommen, daß man einmal in größerem Rahmen vor die Frage der generellen Beimischung von Bioethanol zum Benzin gestellt sein wird, soweit wir dann dazu in der Lage sind und entsprechende Mengen zur Verfügung haben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung, eine Zwangsbeimischung herbeizuführen, angesichts der Tatsache, daß, wenn Bioethanol in größerem Maßstab gewonnen wird, dieses in Konkurrenz tritt zu den kleinbäuerlichen Brennern und in Konkurrenz tritt als Industriealkohol zu den synthetisch hergestellten Alkoholen, also eine Wettbewerbsverzerrung herbeigeführt werden könnte, falls subventioniert würde?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst einmal sind wir in der Menge, die wir produzieren können, heute noch keineswegs soweit. Ich glaube, wir müssen hier die Kirche einfach im Dorf lassen.
Zweitens ist das einzig und allein eine politische Entscheidung. Ich habe schon gesagt, daß das nicht ohne Subventionen zu machen ist. Es geht in Amerika nicht ohne Subventionen, und es wird auch in Europa nicht ohne Subventionen gehen. Das Problem liegt in der Relation. Wenn ich aber sehe, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland für ein Modellvorhaben bei der Kohleverflüssigung Milliardenbeträge zur Verfügung stellen — daran ist keine Kritik zu üben, weil Kohlevorräte weltweit zur Verfügung stehen, um so etwas zu vollziehen —, und wenn wir heute wissen, daß wir Bioethanol billiger herstellen können als Benzin und Kohle — selbst bei Importkohle —, dann wird das eine Frage sein, die die Politiker zum entsprechenden Zeitpunkt zu entscheiden haben, ob man nicht im Bereich von Bioethanol mehr tun muß, nachdem wir dort erst 30 Millionen DM aufgewendet haben, wenn wir alles zusammennehmen, was wir auch von seiten des Bundes aufwenden, um die bis jetzt größte Anlage in Ahausen-Eversen in Gang zu bringen, die ab Herbst dieses Jahres die -Produktion aufnehmen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß die Bundesregierung die kleinen Brenner weiterhin durch das Agrarmonopol schützen wird und daß gerade im Grenzkostenbereich diese Brenner in der Lage wären, zu einem recht günstigen Preis zusätzlich Bioethanol für Treibstoffzwecke zu erzeugen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist eine Tatsache, daß die Bundesregierung das Monopol zum Schutz der kleinen Brenner aufrechterhalten will. Das ist mehrmals gesagt und bestätigt worden. Aber wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, daß Bioethanol etwa in Brennblasen von drei Hektolitern produziert werden kann. Wenn wir in Zukunft eine rentable Bioethanolproduktion haben wollen, wird es um ganz andere Dimensionen gehen. Natürlich müssen in diesem Zusammenhang auch die Kosten eine Rolle spielen.
Das darf meines Erachtens nicht ausschließen, bei den Kartoffelbrennern zu prüfen, ob die Einheiten groß genug sind, wenn man Bioethanol als Kraftstoff erzeugen will.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, in Anbetracht der Tatsache, daß sowohl bei der Erzeugung von Bioethanol als auch bei der Erzeugung von anderen nachwachsenden Rohstoffen noch vieles an Forschung geleistet werden muß: Hat das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gute Kontakte zum Ministerium für Forschung und Technologie, damit diese Forschung gemeinsam betrieben werden kann, da die Mittel des Ernährungsministers sicherlich nicht ausreichen werden?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Kontakte sind ausgezeichnet.
Wir stehen ja am Beginn einer völlig neuen Entwicklung. Die Gärtechnik und alles, was dazu gehört, ist ein Bereich der Biotechnologie, von der wir uns insgesamt erhoffen, daß sie uns in vielen Bereichen zu neuen Ufern der Entwicklung führen wird. Wir glauben ganz bestimmt, daß von der Landwirtschaft zusätzliche Rohstoffe in Form von Stärke und von Zucker gebraucht werden.
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9940 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, bei der Frage der Ausbeute einzelner Pflanzen ist uns in Ochsenfurt Sorgum als sehr erfolgversprechende Pflanze genannt worden, da sie auch eine riesige Menge Trockenmasse pro Hektar liefert. Ist die Bundesregierung bereit, schon im Zuchtbereich Hilfen zu geben, damit geklärt werden kann, ob diese Pflanze unser Klima — im Norden wie im Süden — verträgt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wie Ihnen bekannt ist, unterstützen wir die deutschen Pflanzenzüchter durch entsprechende Institute an den Universitäten und dergleichen auf dem Gebiet der Grundlagenforschung. Wenn die Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderung besteht, müßte ein entsprechender Antrag gestellt werden. Wir wollen von unserer Seite aus alles tun, um zu helfen, daß die Dinge entsprechend entwickelt werden können. Ich bin im Augenblick überfragt, inwieweit wir in Mark und Pfennig in den einzelnen Bereichen heute schon entsprechende Hilfen gewähren oder nicht gewähren.
Weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Anbau nachwachsender Rohstoffe mittel- und langfristig sinnvoller ist als Flächenstillegungen, soweit sie nur das Problem der Überschüsse regeln sollen? Ich rede nicht von jenen Gebieten, bei denen eine Stillegung unter ökologischen Gesichtspunkten oder aus Umweltschutzgründen vorteilhaft wäre.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn man das europäische Getreideproblem im Verhältnis zu den USA und die Tatsache berücksichtigt, daß wir im GATT praktisch völlig offene Grenzen in bezug auf den Zufluß von Substituten haben, erkennt man, daß man eine ganze Anzahl von Maßnahmen ergreifen muß, um mit dem Problem insgesamt fertig zu werden.
Sicher werden die Bioethanolproduktion und die Stillegung aus Naturschutzzwecken und ähnliche Dinge eine Rolle spielen. Im Augenblick werden natürlich auch bei der EG Überlegungen angestellt, was es kosten wird, wenn man vorübergehend gewisse Flächen stillegen würde. Ich möchte mir heute noch kein abschließendes Urteil darüber erlauben, zumal wir ja auch manche Zahlen noch gar nicht genau kennen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, sehen auch Sie, daß die Herstellung von Ethanol aus Biomasse eine Chance geben würde, eine weitere Motorisierung der Landwirtschaft voranzutreiben — die dann, jedenfalls zum Teil, auf Selbstversorgungsbasis unter erheblichen Subventionen weiter vorangetrieben werden könnte —, man aber die gleiche Subventionsmenge verwenden könnte, um zur Pferdehaltung zurückzukehren, wobei die Pferde dann die Biomasse verzehren könnten, die sonst in die Bioethanolherstellung hineingehen würde?
Wäre das nicht für Programme wie „Ferien auf dem Bauernhof" viel sinnvoller, als Bioethanol für Traktoren zu verwenden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, was sinnvoll ist und was nicht, wird die Zukunft beweisen, wenn uns die Länder, die über die Erdölvorräte in der Welt verfügen, den Brotkorb für Erdöl wieder höher ziehen. Ich glaube, es wäre nicht zu verantworten, wenn wir nicht schon zu der Zeit, wo wir noch genügend Erdöl zur Verfügung haben, Vorsorge dafür träfen, daß wir, wenn wieder eine andere Situation" entstünde, wenigstens teilweise die Möglichkeit hätten, über andere Wege Bioethanol zu erzeugen.
Herr Kollege, jetzt muß ich noch eines sagen: Kohle und Erdöl sind endlich.
Sie sind in Jahrmillionen entstanden. Es gibt nur eine Energie — das ist die Sonnenenergie —, die unendlich ist,
die noch in Milliarden von Jahren Energie erzeugen wird. Es ist Tatsache — ob einem das gefällt oder nicht —, daß die Landwirtschaft über diesen Weg Rohstoffe entwickeln kann.
Das gilt z. B. auch für die Biotechnologie. Ich glaube, wir müssen hier als Industriestaat etwas umdenken; es geht nicht alles über die Metallindustrie.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie müssen natürlich alle Fragen sehr ernst nehmen, die von Abgeordneten gestellt werden. Aber ich würde mir immer die Fragesteller näher ansehen. Ob alle Fragen von Herrn Sperling so ernst zu nehmen sind, ist eine Frage, die ich Ihrer eigenen Beurteilung anheimstelle.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nach Ihrer Antwort auch klar, daß die Rohstoffe für die Herstellung der Anlagen zum Zwecke der Herstellung von Bioethanol endlich sind und nicht mit Sonnenenergie zurückgewonnen werden können?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig. Nur, Herr Kollege, sind immer die Relationen zu beachten. Am Ende steht die Frage der Energiebilanz als
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985 9941
Parl. Staatssekretär Gallussolcher. Die Bilanz der Energie, die von der Sonne kommt, muß am Ende positiv sein, wenn wir es richtig machen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, nachdem in Ochsenfurt mit erheblichen bäuerlichen Mitteln die erste Phase einer Pilotanlage ihren Abschluß gefunden hat, derzeit aber noch nicht in allen Bereichen, insbesondere über die bereits angesprochene Zuckerhirse, endgültige Informationen vorliegen, dies weiterzuführen, zumal wir wissen, daß in den USA und in Frankreich, wo noch erhebliche Primärenergien zur Verfügung stehen, solche Techniken bereits in großem Umfang eingeführt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann jetzt nicht aus der Lamäng heraus eine Zusage geben, was wir in den einzelnen Fällen tun werden. Ochsenfurt ist bis jetzt gefördert worden. Die Frage der weiteren Förderung ist zu prüfen. Ich würde mich freuen, wenn manche Industriebereiche, die in der Zukunft für diese Bereiche in Frage kommen, von sich aus etwas täten und mit entsprechendem Kapital zusätzlich einstiegen, um die Vorbereitung für die Zukunft zu treffen. Denn sie werden, wenn die Dinge in Gang gekommen sind, selber davon profitieren können. Das würde ich auch umgekehrt für sinnvoll halten; man sollte sich nicht immer nur auf den Staat verlassen. Denn ich bin sicher, daß sich hier große Betätigungsfelder für die Zukunft ergeben werden.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung angesichts der realen Getreideüberschüsse, die wir zur Zeit haben, schon geprüft, ob auch bei uns — wie es in Schweden geschieht, wie es z. B. in einer Dokumentation des Agra-Europe ihren Niederschlag findet — Bioethanol nicht mehr über Hefevergärung, sondern über andere Techniken hergestellt werden kann, um in Verbindung mit Methanol — wie es in der Dokumentation niedergeschrieben ist — kostengünstig im Kraftfahrzeugverkehr eingesetzt zu werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung bei den Projekten, an denen sie beteiligt ist, alles prüfen wird, was es bis jetzt auf der Erde überhaupt gibt, um es bei den entsprechenden Forschungsprojekten in die Überlegungen einzubeziehen, bzw. von sich aus die Dinge weiterzuentwickeln in Richtung auf eine kostengünstige Ethanolproduktion, gleichgültig, auf welchem Wege das dann am Ende erreicht werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogel .
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung angesichts des Hungers in der Welt, insbesondere auch in Afrika, für moralisch zu verantworten, Getreideanbauflächen bei uns herauszunehmen und das Brot statt dessen gewissermaßen im Auto zu verfahren? Wäre es nicht sinnvoller, Maßnahmen zur Energieeinsparung zu ergreifen, beispielsweise durch Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen, statt eine 5%ige Bioethanolmischung vorzunehmen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, sparsamer Umgang mit Energie insgesamt ist eine Frage, der Hunger in der Welt eine andere. Ich darf Ihnen aber einmal die Relationen sagen. Wir brauchen, um den Hunger in Nordafrika in den Griff zu bekommen, in diesem Jahr Weizen in der Größenordnung von 5 bis 10 Millionen t. Sie wissen genauso wie ich, daß es an dem Willen der Bundesregierung, der Europäischen Gemeinschaft und der Amerikaner nicht fehlt, dieses Getreide zur Verfügung zu stellen, daß aber in einem erheblichen Teil der betroffenen Staaten bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, daß das Problem hauptsächlich darin besteht, das Getreide dort hinzubringen, wo die hungernden Menschen sind, und daß auch deutsche Piloten dort oft unter Einsatz ihres Lebens fliegen, um den Menschen zu helfen. Man muß die Relation sehen zwischen dem, was man einerseits zur Beseitigung des Hungers in der Welt braucht, und den Überschüssen auf der nördlichen Halbkugel andererseits. Das Problem der Überschüsse wird durch den Hunger in der Welt nicht ausgeglichen. Inzwischen gibt es auf der Erde nur noch ein Land, das bei Getreide einen Importbedarf hat. Das ist die Sowjetunion. Sie hat einen Importbedarf von 50 Millionen t. Länder, in denen die Menschen früher gehungert haben, wie Indien, führen heute Getreide — wenn auch nicht viel, so doch etwas — an Rußland aus. Pakistan und China z. B. haben ihre Ernährungssituation bereinigt. Das berechtigt uns zu der Hoffnung, nun auch über den anderen Weg Energie erzeugen zu können, in der Bundesrepublik Deutschland allerdings nicht über Getreide, sondern über Kartoffeln, Rüben und andere Pflanzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Michels.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, einzuräumen, daß die Wirtschaftlichkeit der Bioethanolherstellung eigentlich vom jeweiligen Erdölpreis abhängig ist, und daß der Erdölpreis von den OPEC-Ländern autark, ohne Rücksicht auf uns, festgesetzt werden kann, wie wir das spätestens 1972 erlebt haben?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, genau das ist es. Ich glaube, wir müssen mindestens insofern umzudenken lernen, daß wir in längeren Zeitabläufen denken. Ich habe ja bereits gesagt: Wenn man sich mit diesen Konsequenzen auseinandersetzt, kommt man nicht daran vorbei, daß die Erdölvorräte endlich sind. Man kann aber nicht von heute auf morgen andere Produktionen aus dem Boden stampfen. Deshalb ist es sinnvoll, schon jetzt Vorbereitungen zu treffen, wie ich sie erklärt habe,
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9942 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Parl. Staatssekretär Gallusso daß man dann Anfang der 90er Jahre in der Lage wäre, hier mit großen Produktionen einzusteigen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung.
Die Fragen 15 des Herrn Abgeordneten Vahlberg, 16 des Herrn Abgeordneten Stiegler und 4 des Herrn Abgeordneten Stiegler sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Es steht dann noch die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Schwenk an, die ich hiermit aufrufe:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung Großversuche für flexible Ladenöffnungszeiten durchzuführen beabsichtigt, und ist sie sicher, daß damit nicht eine Verschärfung des Stadt-Land-Gefälles erreicht wird?
Herr Kollege Dr. Schwenk, die Bundesregierung hat immer wieder darauf hingewiesen, daß das Ladenschlußgesetz ein Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Interessen des Einzelhandels, der dort beschäftigten Arbeitnehmer und der Verbraucher ist. Die Bundesregierung verfolgt ständig die Diskussion um das Ladenschlußgesetz; sie prüft laufend, ob der erreichte Kompromiß den heutigen Gegebenheiten noch entspricht. Gegenwärtig besteht nicht die Absicht, eine Änderung des Ladenschlußgesetzes vorzuschlagen. Auch ein Großversuch setzt eine Änderung des Ladenschlußgesetzes voraus. Es ist daher zur Zeit auch nicht vorgesehen, einen Großversuch durchzuführen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke für diese Antwort und möchte dann noch einmal nachfragen: Wird damit also dementiert, was in einem bekannten Informationsbrief, der normalerweise gut informiert ist, geschrieben worden ist, was mich zu dieser Frage veranlaßt hat?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe meiner vorher gegebenen Antwort nichts hinzuzufügen.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung.
Die Frage 20 des Abgeordneten Austermann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Pauli auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird so verfahren, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist. Das gilt natürlich auch für die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Pauli.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Berger auf:
Sind Presseberichte zutreffend, nach denen die Sowjetunion begonnen hat, luftgestützte Marschflugkörper mit einer Reichweite von ca. 3 000 km zu stationieren, und sind weitere Presseberichte zutreffend. nach denen die Sowjetunion zur Zeit Flugtests mit einer neuen atomaren Mittelstreckenrakete durchführt, die etwa geeignet wäre, als Nachfolgemuster für die SS 20 zu dienen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darf ich bitten.
Würzbach, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung; Herr Präsident! Herr Kollege Berger, es liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß die Sowjetunion Marschflugkörper entwickelt, erprobt und, was die luftgestützten Marschflugkörper angeht, bereits eine Version einführt. Es liegen uns auch Erkenntnisse vor, daß in der Sowjetunion an einem Nachfolgemuster für die SS 20 gearbeitet wird.
Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, bedeutet die Stationierung von luftgestützten nuklear bestückten Marschflugkörpern mit einer Reichweite von etwa 3 000 Kilometern, wie ich sie in meiner Frage angesprochen hatte, nach Ihrer Einschätzung eine weitere Veränderung des Rüstungsungleichgewichtes zwischen der Sowjetunion bzw. dem Warschauer Pakt und der NATO zugunsten der Sowjetunion?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Dies bedeutet eine weitere Zunahme des uns gegenüberstehenden Potentials, besonders bezogen auf Europa, im Bereich der Sowjetunion. Diese Waffen werden nicht Amerika erreichen. Das Ganze findet in einer Phase statt, in der wir uns in Genf bemühen, eine weitere Zunahme an Waffen zu verhindern, zu stoppen und sie schließlich zu reduzieren.
Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bzw. der Bundesregierung bekannt, daß die Sowjetunion etwa die Verfügbarkeit über diese Waffensysteme, deren Entwicklung oder insbesondere deren Stationierung, bevor sie diese vorgenommen hat, mit ihren eigenen Bündnispartnern im Warschauer Pakt abgesprochen hätte? Und weiter: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Warschauer Pakt oder die Sowjetunion alleine diese Waffensysteme im Ost-West-Dialog zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht hat mit dem Ziel, über rüstungskontrollpolitische Maßnahmen Wege zu finden, um auf eine Stationierung dieser Systeme verzichten zu können?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Leider hat die Sowjetunion, wie sie das immer tat und wie das Eigenart einer Diktatur im Unterschied zur Demokratie
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Parl. Staatssekretär Würzbachist, dies nicht zum Gegenstand von Ankündigungen, von der Möglichkeit, darüber zu verhandeln, gemacht, sowie auch keine Anzeichen vorliegen, Herr Kollege, daß sie dies mit ihren Bündnispartnern — die sie ja nicht als Partner behandelt, wie wir das in unserem Bündnis kennen — abgestimmt hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, würden die von den Vereinigten Staaten geplanten SDISysteme diese von der Sowjetunion geplanten Flugkörper stören oder zerstören können, bevor sie Westeuropa erreichen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie werden aufmerksam der Debatte um SDI und der Regierungserklärung gefolgt sein und wissen, daß diese Fragen am Ende und nicht am Anfang der Forschungsarbeiten zu beantworten sind. Sie müssen mitgeprüft werden. Es ist das Interesse der Deutschen und der Europäer, daß auf diese Frage eine klare technische und dann eine eindeutige politische Antwort gegeben werden kann, in deren Mittelpunkt unsere Sicherheit — das wäre ein solcher Punkt — zentral steht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Herr Staatssekretär, wäre es richtig, daß durch eine solche neue Stationierung eine wesentlich größere Flexibilität der Sowjetunion mit ihren atomar bestückten Raketen gegeben wäre und daß die Sowjetunion damit auch wesentlich unabhängiger vom Stationierungsort wäre, und würde das eine neue Dimension der Rüstung einleiten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nicht eine völlig neue Dimension, aber in der Tat eine weitere Verstärkung der Sowjetunion, weil die Reichweite — das ist angesprochen worden — ein neuer Faktor ist und weil die niedrigen Flughöhen, in denen diese Marschflugkörper fliegen — ganz wenige Meter über dem Erdboden —, das Erkennen und damit die Luftabwehr erheblich erschweren. Wir gehen davon aus, daß auch die Treffgenauigkeit erheblich gesteigert ist. Auch dies ist dann eine neue Qualität der Waffen, die uns bedrohend gegenüberstehen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel .
Herr Staatssekretär, können Sie sich, falls Ihre Informationen zutreffen, vorstellen, daß diese Stationierung luftgestützter Marschflugkörper eine Reaktion auf die NATO-Nachrüstung ist, und sehen Sie da insbesondere einen Zusammenhang zwischen der Stationierung der Pershing II und Cruise-Missiles hier und der Aufstellung dieser Marschflugkörper in der UdSSR?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, umgekehrt wird ein Schuh draus. Der NATO-Doppelbeschluß ist nach langem Bekanntsein der Vorrüstung in der Sowjetunion ins Leben gerufen worden. Bundeskanzler Schmidt hat 1977 uns, die Deutschen, die NATO und die Welt alarmiert, als bekannt wurde, was in der Sowjetunion auf deutsche und europäische Städte als Zielpunkt eingerichtet aufgestellt wurde. Dann ist 1979 der Doppelbeschluß gefaßt worden. Vier Jahre hatte der Doppelbeschluß zum Inhalt zu warten. In dieser Zeit forderte man die Sowjetunion auf, keine neuen Systeme zu bauen. Dies ist keine Reaktion auf das, was wir sehr gemäßigt in ruhigem Zeitablauf und jederzeit bereit aufzuhören, wenn die anderen es auch tun, durchführen, sondern eine weitere Vorrüstung.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Michels.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß Marschflugkörper rüstungskontrollpolitisch besonders schwierig zu kontrollieren sind?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Besonders schwierig, aber wenn man sein Land öffnet — wir sind dazu bereit —, ist eine Überprüfung möglich, allerdings schwieriger bei alleiniger Anwendung von Technik. Hier müssen Menschen vor Ort tatsächlich Überprüfungen vornehmen können. Der Westen, die NATO, ist dazu ohne Einschnitte bereit, wenn auch die Sowjetunion ihre Tore öffnet und wir vor Ort Überprüfungen durchführen können. Das muß nicht aus der Rüstungskontrollpolitik ausscheiden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Welche Gründe, Herr Staatssekretär, könnte die Sowjetunion für die Neuinstallation dieses Waffensystems haben, da doch in Genf die Verhandlungen begonnen haben und Europa schon mehrfach zerstört werden kann?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Sowjetunion hat, seitdem sie ihre Ideologie und Politik verfolgt, in der Praxis immer weiter aufgerüstet, ihre militärische Vormachtstellung ausgebaut — und das besonders auf den europäischen Kontinent bezogen —, ohne Rücksicht — auch dies ein Unterschied zum Westen — auf laufende oder wiederangelaufene Rüstungskontrollverhandlungen zu nehmen.
Eine letzte Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, können Sie die Aussagen des Interviews von Herrn Teller — in der letzten Woche in der FAZ veröffentlicht — bestätigen, wonach SDI drei Funktionen hat: erste Funktion, die Raketen schon in der Suchphase abzuschießen, zweite Funktion, einen Schutzschild zu errichten, und die dritte Funktion, die Sprengköpfe, wenn schon die Rakete ins eigene Gebiet eingetaucht ist, nuklear zu vernichten?
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9944 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß Ergebnisse der Möglichkeit von SDI überhaupt noch nicht vorliegen, sondern daß sich im Augenblick Forschungsaufträge in den Köpfen verdichten. Klar ist, daß ein Auftrag lautet, daß ein fliegender nuklearer Gefechtskopf — ob in einer Bombe, wie man volkstümlich sagt, in einem Marschflugkörper, in einer Rakete oder wie auch immer — durch eine nichtnukleare Gegenwirkung vernichtet werden muß. Es wäre töricht — dies kann nicht Zielrichtung der Forschung sein —, wenn wir irgendwo oben in großer Höhe eine Atomexplosion hervorriefen. Die Atomwaffe muß vielmehr nichtnuklear und nicht zu einer Explosion kommend vernichtet werden. In welchen Tiefen, in welchen Höhen, wieviel Minuten nach dem Start oder ob es noch Sekunden vor dem Eintauchen möglich ist, werden wir in 5, 10 oder 15 Jahren beantworten können.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns Frau Parlamentarischer Staatssekretär Karwatzki zur Verfügung.
Die Fragen 23 und 24 sollen auf Wunsch der Fragestellerin, der Frau Abgeordneten Weyel, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 27 ist vom Fragesteller, Herrn Abgeordneten Dr. Diederich , zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Wie hoch ist die Zahl jüngerer erwachsener Behinderter, die gezwungen sind, in Alten- und Pflegeheimen zu leben, und daher nicht gefördert werden bzw. sachgerecht und ihrer persönlichen Situation entsprechend untergebracht sind?
Herr Kollege Immer, der Bundesregierung stehen Zahlen über die Unterbringung jüngerer Behinderter in Alten- und Pflegeheimen nicht zur Verfügung. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte" seit längerer Zeit bemüht, Zahlen hierzu zu ermitteln.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Wie kommt es, daß die Bundesregierung oder das Familienministerium, wenn der Bundesregierung keine Zahlen zur Verfügung stehen, Anfragern mitgeteilt hat, daß 1982 eine Studie, eine Untersuchung zur Ermittlung dieser Personengruppe in Auftrag gegeben worden ist, und in Aussicht gestellt hat, daß den Behindertenverbänden diese Zahlen spätestens 1984 — also nach einer Verzögerung — zur Verfügung gestellt werden sollten?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich werde sie gleich im Ministerium klären.
Wenn Sie es erlauben, werde ich Sie telefonisch benachrichtigen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie eine informelle Aussage eines Mitarbeiters des Ministeriums, der dem Fragesteller zu diesem Problem geantwortet haben soll, daß die Bundesregierung diese Zahlen deshalb nicht veröffentliche, weil die Bundesregierung, wenn es sich unter Umständen um 30 000 Fälle handele, wovon die Behindertenverbände ausgehen, für diese Fälle kostenmäßig eintreten müsse und das Finanzministerium dann einiges Geld abzwacken müsse?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich weiß natürlich nicht über das Bescheid, was Mitarbeiter des Hauses irgendwann und -wo sagen. Ich möchte für den Bundesminister aber deutlich erklären, daß Ihnen die Zahlen in dem Moment, in dem sie uns zur Verfügung gestellt worden sind, selbstverständlich zugeleitet werden. Das hat nichts mit Kosten oder Nichtkosten zu tun, sondern es hat, wie ich denke, etwas mit der Wahrhaftigkeit zu tun. Diese ist, wie ich meine, für uns genauso wichtig wie für Sie.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Frau Staatssekretär, ganz abgesehen davon, daß die Unterbringung der Behinderten weitgehend Sache der Länder, der Landschaftsverbände und der Kommunen ist, frage ich Sie, ob es möglich wäre, daß sich Ihr Haus z. B. mit dem Bundesbauministerium in Verbindung setzt, um Pilotprojekte beispielhaft vorzustellen, damit Behinderte auch in behindertengerechten Wohnungen in Gemeinschaften leben können.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Solche Projekte hat es ja schon gegeben. Es gibt ja auch in einigen Kommunen hervorragende Einrichtungen. Ich greife diese Anregung aber dankbar auf und werde das mit dem zuständigen Bundesbauminister besprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dolata.
Frau Staatssekretärin, vorausgesetzt, daß vor dem Hintergrund der Frage des Fragestellers nicht genügend Plätze in speziellen Einrichtungen vorhanden sind — Zahlen darüber liegen Ihnen ja nicht vor —, frage ich Sie vom Grundsatz her: Halten Sie es für möglich, daß nach der Heimunterbringungsverordnung im Rahmen der Mindestanforderungen sichergestellt ist oder werden kann, daß die betroffenen behinderten Jugendlichen, die in solchen nicht für ihre Zwecke errichteten Einrichtungen sind, doch sachgerecht betreut werden?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das nehme ich an. Ich möchte aus meiner eigenen kommunalpolitischen Erfahrung sagen, daß es nur Einzelfälle
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985 9945
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkisind. In den Fällen, nach denen der Kollege Immer gefragt hat, bittet die eigene Familie darum, die betroffenen Jüngeren durchaus in ein Altenheim einzuweisen, damit sie den direkten Kontakt haben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Fehlbelegung jüngerer Erwachsener in Alten- und Pflegeheimen zugunsten dieses Personenkreises zu beseitigen und die Behinderten einer personengerechten Betreuung und Förderung zuzuleiten?
Bitte sehr.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, die Antwort wird leider etwas umfassender.
Die Zuständigkeit für die Unterbringung und Betreuung jüngerer Behinderter liegt überwiegend bei den Ländern und Gemeinden. Die Bemühungen der Bundesregierung sind vornehmlich darauf gerichtet, eine stationäre Unterbringung, wo möglich, zu vermeiden. Sie fördert daher in wachsendem Umfang den Einsatz von Zivildienstleistenden in der Schwerbehindertenbetreuung. Durch ihren Einsatz soll die Aufnahme Schwerstbehinderter, die ständig pflegerischer Hilfe bedürfen, in stationäre Betreuung vermieden werden.
Die Zahl der Zivildienstleistenden, die in der Schwerbehindertenbetreuung eingesetzt sind, steigt ständig. Inzwischen sind 2 000 Zivildietistplätze anerkannt. Es konnte erreicht werden, daß zum Jahresanfang 1985 mehr als 1 300 Zivildienstleistende in der Schwerbehindertenbetreuung eingesetzt sind.
Im Rahmen ihrer begrenzten Zuständigkeit bemüht sich die Bundesregierung besonders um die Verbesserung der Wohnverhältnisse Behinderter. Mit den Bundesländern, denen die Durchführung des sozialen Wohnungsbaus obliegt, wurde vereinbart, daß die Bundesfinanzhilfen für diesen Zweck ausschließlich für am Wohnungsmarkt besonders benachteiligte Personengruppen, darunter auch Schwerbehinderte, eingesetzt werden müssen und daß die Landesmittel vorrangig hierfür verwendet werden sollen.
Der Wohnungsbau für Behinderte war auch Gegenstand einer Ausschreibung, die der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zur Auszeichnung von Behindertenwohnungen, die für die Rehabilitation und Integration vorbildlich sind, im Jahre 1982 durchführte. Das Ergebnis dieser Ausschreibung wurde in der Schriftenreihe des Bundesministers dokumentiert und dient — zusammen mit anderen aktuellen Veröffentlichungen zum gleichen Thema — der Praxis als Anregung und Anhalt für künftiges Bauen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie die Behauptung von Betroffenen, daß gewisse Verbände lieber eine stationäre oder kasernierte — ich sage dieses Wort ungeschützt — Unterbringung von Behinderten befürworten, statt, wie auch Sie es angesprochen haben, sie in Wohnbereichen, natürlich Behinderten entsprechend gestaltet, sich ansiedeln zu lassen, wo sie ein Höchstmaß an Selbsthilfe entwickeln und den Kontakt mit der übrigen Bevölkerung haben könnten?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich spreche nur für die Bundesregierung; ich habe die Konzeption der Bundesregierung dargestellt. Ich maße mir nicht an, über das Urteil oder über die Vorstellungen anderer zu informieren, zumal ich nicht konkret weiß, welchen Verband oder welche Verbände Sie meinen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie oder Ihr Haus in Verbindung mit dem BMBau alles fördern — modellhaft und vielleicht im Benehmen mit den Bundesländern —, was in der Richtung laufen könnte, daß diese Art von Wohnen, Selbstgestalten und Arbeiten in der Zukunft noch besser gewährleistet werden kann, statt einer Unterbringung in Altenheimen oder statt einer stationären Einweisung in andere Heime, selbstverständlich je nach Schwere der Behinderung? Aber es wäre schlimm, wenn das an diesen Menschen vorbeiginge und der Rechtsanspruch dieser Menschen auf Persönlichkeit gefährdet würde.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, im Prinzip teile ich Ihre Meinung, möchte allerdings anmerken, daß wir ohne Heime — das haben Sie eingrenzend selbst gesagt — nie auskommen werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Frau Staatssekretärin, würden Sie bitte prüfen, ob eine Gesetzesänderung notwendig ist, damit die Landschaftsverbände nicht nur die Kosten für Heimplätze, sondern auch Kosten für Wohngemeinschaften von Behinderten im normalen Mietwohnungsbau übernehmen können? Man bekommt nämlich immer vorgehalten — ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, wenn ich erklärend sage —: Wir dürfen 3 000 DM für einen Pflegeplatz pro Person ausgeben, aber nicht 600 DM für eine Mietwohnung. Hier scheint doch irgendeine Gesetzesänderung auch auf Bundesebene notwendig zu sein. Darum habe ich die Bitte, das zu überprüfen.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich sage die Prüfung gern zu. Und da auch der zuständige Wohnungsbauminister vertreten ist, sagt er sicher nicht nein.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zander.
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9946 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Frau Staatssekretärin, Ihr Hinweis darauf, daß die Bundesregierung in diesem Bereich der Betreuung den Einsatz Zivildienstleistender sehr fördert, führt mich zu der Frage, ob der Bundesregierung bei diesem an sich begrüßenswerten Bemühen auch klar ist, daß dies nicht unproblematisch ist, wenn in den künftigen Jahren die geburtenschwachen Jahrgänge auch auf den Zivildienst durchschlagen.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zander, „Kommt Zeit, kommt Rat", würde ich darauf antworten.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Frau Staatssekretärin, darf ich Ihr Einvernehmen mit dem Staatssekretär des Bauministeriums in dieser Frage so deuten, daß die Bundesregierung von ihrem bisherigen Vorhaben abweicht und in Zukunft die Objektfinanzierung im sozialen Wohnungsbau weiter betreiben wird, damit die Lösungen, die Sie im Auge haben, wirklich durchgeführt werden können?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht direkt für den Wohnungsbauminister gesprochen, sondern ich habe den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär angeschaut; und da er nichts Negatives dazu sagte, gehe ich davon aus, daß in der Frage des Prüfungsauftrags Übereinstimmung besteht.
Sehen Sie, Herr Abgeordneter Sperling, so einfach ist das.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Ja, Frau Staatssekretärin, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß Träger bestehender Einrichtungen, seien sie kommunaler oder privater Art, auch zum Teil interessiert sind, daß dann, wenn diese Einrichtungen nicht entsprechend ausgelastet sind, Behinderte gemeinsam mit den älteren Insassen in einem Raum bzw. in einer Anstalt sind?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hornung, das letzte habe ich nicht verstanden.
Ich fragte, ob Erkenntnisse vorliegen, daß Träger interessiert sind, daß sowohl behinderte als auch ältere Menschen gemeinsam in einer Einrichtung sind, auch zwecks Auslastung.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Zur Auslastung mag ich nichts sagen. Aber ich weiß sehr wohl, daß es Bereiche gibt, wo Behinderte sehr gern miteinander in einem Heim untergebracht sein möchten. Das trifft auch für ältere Menschen zu. Das ist aber kein Widerspruch zu dem, was der Kollege Immer eben ausgeführt hat, und zwar in eingrenzender Art; und dies möchte ich bejahen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.
Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben meinem Kollegen den Ratschlag „Kommt Zeit, kommt Rat" gegeben. Ich frage Sie: Ist das auch eine Maxime, nach der im allgemeinen die Bundesregierung in den letzten Monaten gehandelt hat?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich nicht sagen, Herr Kollege. Nur, ich kann heute nicht prognostizieren, ob wir in fünf Jahren genau so viele Zivildienstleistende wie heute haben. Darum meine Antwort: „Kommt Zeit, kommt Rat". Sonst muß gegebenenfalls eine andere Maßnahme zugunsten der Betroffenen ergriffen werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Eigen auf:
Wie wird sich die Bundesregierung zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft verhalten, daß das Fleisch von mit Hormonen gefütterten Rindern und Kälbern gekennzeichnet sein soll, obwohl doch keine Verwaltung sicherstellen kann, daß die Kennzeichnung in allen Handelsstufen wirklich eingehalten wird?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die Bundesregierung wird den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ablehnen, da durch die Forderung nach Kennzeichnung des hormonbehandelten Fleisches nicht mit Gewißheit sichergestellt werden kann, daß hormonbehandeltes Fleisch immer mit einer solchen Kennzeichnung in den Verkehr gelangt. Im übrigen haben auch die Leiter der Veterinärdienste der Mitgliedstaaten auf ihrer Sitzung in Verona vom 10. bis 12. April 1985 diesen Kommissionsvorschlag einhellig abgelehnt.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, welche Aussagen bekommen Sie von den Landesbehörden, die ja in einem solchen Fall die Kontrollen an der Grenze durchführen müßten und die auch jeweils die Kennzeichnung bis hin zum Lebensmittelladen, zur Schlachterei oder zum SB-Laden kontrollieren müßten? Wie haben die sich zu dieser Forderung geäußert?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Daß die Überprüfung nicht möglich ist.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretär, wie sind die Aussichten der Bundesregierung — ich bedanke mich sehr dafür, daß sie mit mir einer Meinung ist —, daß sie ihre richtige Meinung auch in Brüssel durchsetzen kann?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985 9947
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, lieber Kollege Duve, sondern über die sogenannte Kontrollrichtlinie besteht auf Fachebene bereits Einvernehmen. Die Überwachung der Anforderungen der Einfuhrstaaten wird dadurch einheitlich geregelt, und von daher gibt es eine Ablehnung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel .
Frau Staatssekretärin, wenn im Schlachthof Fleisch festgestellt wird, das von mit Hormonen gefütterten Rindern und Kälbern stammt, mit welchem Stempel wird dieses Fleisch zur Zeit versehen, etwa mit dem Stempel „minderwertig" oder „unbrauchbar", und ist praktisch ausgeschlossen, daß solches Fleisch zum Verkauf beispielsweise in die Freibank gelangt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das wird als untauglich gekennzeichnet und ist von daher nicht in den Verkehr zu bringen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dolata.
Frau Staatssekretärin, Sie wissen doch sicher, daß solche Fragen und Diskussionen gerade mit Blick auf den Verbraucherschutz bei uns immer wieder hochkommen, weil man befürchtet, daß die Kontrollen eben nicht das erbringen, was die Gesetze vorschreiben. Können Sie jetzt oder nach Abstimmung mit den beteiligten Ressorts eine Auskunft dahin geben, daß die Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Hinsicht nichts zu befürchten haben?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Dieses letztere kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Eine Kontrolle durch Laborüberwachung allein ist nicht möglich. Es müssen Betriebskontrollen durchgeführt werden, dazu eine Überwachung beim Schlachten. Das geht also nur in den Versandstaaten. Daher ist dies für uns ausgeschlossen, und darum lehnen wir generell die Richtlinie ab.
Keine weitere Zusatzfrage, ich rufe die Frage 26 auf — — Oh!
— Bitte schön, Herr Abgeordneter Hornung.
Herr Präsident, mein Kollege stand hier vor mir.
Er stand Ihnen im Wege? Hornung : Ja.
Aber nur am Mikrophon hier?
Aber nur hier.
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, daß insbesondere importiertes Fleisch, das durch Implantate ständig mit Hormonen versorgt wird, auf den deutschen Markt kommt und vorwiegend in den Steakhäusern verwendet wird und ob dies durch Informationen — z. B. seitens der AgV — den Mitbürgern bekanntgemacht wird, und teilt die Bundesregierung meine Meinung, falls das nicht einzuschränken ist, daß das Einfuhrfleisch generell gekennzeichnet werden sollte?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist bekannt, aber schwer zu kontrollieren; darum auch auf der EG-Ebene eine gemeinsam abgestimmte Richtlinie.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wird die Bundesregierung wie bisher trotz der neuen Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaft an ihrer Meinung festhalten, die Einfuhr von mit Hormonen erzeugtem Fleisch in die Bundesrepublik Deutschland zu verbieten, um die deutschen Verbraucher zu schützen und die deutsche Landwirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen zu bewahren?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich glaube, jetzt geht es einfacher. Ich möchte klar und deutlich mit Ja antworten.
Ich habe trotzdem eine Zusatzfrage.
Bitte.
Frau Staatssekretär, die Vorsorge und Fürsorge für den Verbraucher darf ja nicht durch EG-Maßnahmen gefährdet werden. Sind Sie mit mir einer Meinung, daß wir nicht zulassen dürfen, daß über die Harmonisierung in der Europäischen .Gemeinschaft — sowohl durch Hormonverfütterung als auch durch Imitation von Milch und Wurst und Verletzung des Reinheitsgebotes — die ganze Struktur unserer hervorragenden Lebensmittellieferung an unsere Verbraucher verändert wird?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, ich teile Ihre Meinung, daß dies nicht erfolgen darf.
Weitere Zusatzfragen?
Zweite Frage zu dem zweiten Komplex meiner Frage. Ist es nicht absurd, daß die Kommission die Verfütterung von Hormonen zulassen will, die eine um etwa 10% bis 20% größere Produktion an Rindfleisch nach sich ziehen würde, obgleich wir doch über 600 000 Tonnen Rindfleisch in der Europäischen Gemeinschaft im Lager haben?Frau Karwatzki, Pari. Staatssekretär: Ja, dies ist absurd.
Metadaten/Kopzeile:
9948 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie vorhin gesagt haben, daß die Kontrollen ausreichen, möchte ich Sie fragen, wie denn sichergestellt werden kann, daß Fleisch minderwertiger und anderer Art nicht mehr dem Verbraucher zugeführt wird, wobei ich darauf hinweisen möchte, daß wir noch vor kurzer Zeit sogar im Landtag von Rheinland-Pfalz Springbock- und Känguruhfleisch bekommen haben, das die Kontrollen total passieren konnte. Wir bekommen j a auch immer wieder ausländisches Fleisch, das die Salmonelleninfektion bringt. Da kann die Kontrolle auf Hormonbasis doch wohl nicht generell gesichert sein. Darum frage ich Sie: Was gedenkt die Bundesregierung im Benehmen mit den Bundesländern, die j a die Kontrollen ausführen müssen — insofern ist die Bundesregierung aus dem Obligo —, zu unternehmen, damit das nicht wieder passieren kann?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, Springbockfleisch ist nicht minderwertig. Von daher sind die beiden Dinge nicht vergleichbar.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der anstehenden Änderung des Tierschutzgesetzes im Interesse des Verbraucherschutzes und im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft klarzustellen, daß die Rahmenrichtlinien, die hier aufgestellt werden, europabezogen zu sehen sind und daß dies nicht einseitig allein in der Bundesrepublik durchgeführt werden kann?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hornung, ich kann Ihre Frage deswegen nicht beantworten, weil wir nicht zuständig sind; sie gehört in den Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Aber ich greife Ihre Anregung auf und werde den Kollegen darauf hinweisen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Frau Staatssekretär, die gleichen Schwierigkeiten wie beim Fleisch — Hormone usw. — haben wir ja auch schon bei Fisch. Können Sie mir sagen, ob diesbezüglich ähnliche Regelungen vorgesehen sind oder ob es bereits Regelungen gibt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Es gibt noch keine Regelungen, aber die Vertreter unseres Hauses sind in Brüssel bereits dabei, auch hier entsprechende Änderungen einzuführen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dolata.
Frau Staatssekretär, halten Sie es für notwendig, erforderlich und — wenn ja — auch für möglich, die Problematik der Hormone und der EG — hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Übertragung auf uns — entweder durch Maßnahmen Ihres Hauses in Verbindung mit dem Ministerium für Landwirtschaft oder aber gerade in Verbindung mit den Verbraucherschutzorganisationen aufzuarbeiten und die Verbraucher durch Information und Aufklärung besser zu schützen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dolata, wir geben uns viel Mühe, und wir glauben auch, daß wir das intensiv machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Vogel .
Ich möchte gern die Frage des Abgeordneten Immer konkretisieren: Wenn es schon nicht möglich ist, an den Grenzen Wildbock- und Känguruhfleisch von Rindfleisch zu unterscheiden — das scheint j a wohl vorzukommen —, wie soll es dann möglich sein, mit Hormonen behandeltes Fleisch einwandfrei von nicht mit Hormonen behandeltem Fleisch zu unterscheiden?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Vogel, es gibt Labormethoden; man kann also eine Unterscheidung vornehmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf.
Die Frage 29 der Frau Abgeordneten Schmedt ist von der Fragestellerin zurückgezogen worden.
Die Fragen 30 und 31 der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin sollen auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.
Die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Steiner sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister Dr. Schneider, daß 350 Millionen DM Bundesmittel für die Städtebauförderung ein Volumen von 10 Milliarden DM an Bauaufträgen initiieren ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985 9949
Parl. Staatssekretär Dr. JahnHerr Präsident, ich würde die Fragen 32 und 33 gern zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Jahn, daß 330 Millionen DM Bundesmittel für die Städtebauförderung zu einem Investitionsvolumen von jährlich 3 Milliarden DM führen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, die Meldung der „Süddeutschen Zeitung" vom 25. Januar 1985, auf die Sie sich beziehen, beruht offensichtlich auf einem Mißverständnis. Der Bundesbauminister hat immer die Auffassung vertreten, daß die im Bundeshaushalt 1985 bereitgestellten Verpflichtungsermächtigungen für die Städtebauförderung in Höhe von 330 Millionen DM — nicht 350 Millionen DM — öffentliche und private Investitionen von insgesamt 3 Milliarden DM bis 4 Milliarden DM auslösen werden. Entsprechende schriftliche Pressemitteilungen des Bundesbau-ministers kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß Ihr Minister und Sie nicht immer unterschiedlich interpretierbare Aussagen machen und Mißverständnisse hervorrufen, etwa dadurch, daß der Minister gegenüber der „Süddeutschen Zeitung" sich nicht nur äußert, sondern obendrein mitteilt, was er sagen wollte, und darüber hinaus, was er gemeint hat, so daß die erfreuliche Präzision Ihrer Sprache auch dem Minister zugute käme?
Dr. Jahn: Parl. Staatssekretär: Ich wiederhole, was ich gesagt habe. Sowohl der Bundesbauminister als auch sein Parlamentarischer Staatssekretär haben wiederholt in der Öffentlichkeit die gleiche Äußerung zu den Wirkungen der Städtebauförderung gemacht. Sie haben das gesagt, was auch im Haushaltsplan des Jahres 1985 verankert ist, nämlich die Bereitstellung von 330 Millionen DM für die Städtebauförderung. Dies bewirkt insgesamt einen Investitionseffekt, den Sie mit bis zu 10 multiplizieren können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es ist zwar erfreulich, daß Sie das wiederholt von sich gegeben haben. Dennoch steht es gelegentlich in den Zeitungen anders zu lesen. Und es wäre erfreulicher, wenn es nicht anders in den Zeitungen zu lesen stünde, sondern so, wie Sie es meinten. Deswegen, weil sich das Mißverständnis, das Herr Schneider gegenüber der „Süddeutschen Zeitung" hervorruft, häuft, wäre es doch sinnvoll, sich darum zu bemühen, die Präzision Ihrer Sprache in den Mund des Ministers zu bringen.
Dr. Jahn, Pari. Staatssekretär: Der Minister und sein Parlamentarischer Staatssekretär, Herr Kollege Sperling, sprechen die gleiche Sprache, und Sie als früherer Parlamentarischer Staatssekretär sollten nicht den Versuch machen, den jetzigen Wohnungsbauminister gegen seinen Parlamentarischen Staatssekretär oder den Parlamentarischen Staatssekretär gegen den Minister auszuspielen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Ist die Bundesregierung bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich sie nicht gegeneinander auspielen, sondern in Übereinstimmung miteinander bringen möchte, auch mit ihrer Sprache?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Alles, was Sie in bezug auf Übereinstimmung gesagt haben, Herr Kollege Sperling, findet auch meine ungeteilte Zustimmung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hornung.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Meinung, daß es angesichts der Arbeitslosigkeit und der großen Probleme auf dem Bausektor unerheblich ist, wie groß der Vervielfältiger zu den eingesetzten Mitteln ist, sondern daß die Städtebauförderung und die Dorferneuerung als solche im Sinne der Arbeitsbeschaffungspolitik sind?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich teile voll Ihre Auffassung. Gerade die Städtebauförderungsmittel haben einen hervorragenden konjunkturellen Effekt. Ich sagte, daß mit 330 Millionen DM ein investiver Effekt erzielt wird, der zehnmal so hoch ist. Das heißt, jährliche Bundesmittel von 330 Millionen DM bewirken ein Investitionsvolumen von insgesamt rund 3 Milliarden DM. Das ist Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist eine konkrete Hilfe insbesondere für die mittelständische Wirtschaft. Wir stoßen auch in der Bevölkerung auf eine hervorragende Akzeptanz dieser Förderung aus den Mitteln des Bundes.
Keine weiteren Zusatzfragen.Zu den Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Lohmann ist bei mir inzwischen der Wunsch geäußert worden, daß sie schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung braucht uns kein Parlamentarischer Staatssekretär zur Verfügung zu stehen. Denn die Frage 38 ist im Laufe dieser Fragestunde zurückgezogen worden.Die Fragen 39 und 40 der Frau Abgeordneten Traupe, 41 und 42 des Abgeordneten Walther, 43 und 44 des Abgeordneten Sieler, 45 und 46 der Frau Abgeordneten Zutt, 47 und 48 des Abgeordneten Kühbacher, 49 und 50 des Abgeordneten Purps so-
Metadaten/Kopzeile:
9950 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. April 1985
Vizepräsident Stücklenwie 51 und 52 des Abgeordneten Wolfram sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. — Der Parlamentarische Staatssekretär ist nicht da. Er hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, daß alle Fragen eines Geschäftsbereichs zurückgezogen werden bzw. schriftlich beantwortet werden sollen. Wir werden also diesen Geschäftsbereich überschlagen.Wir kommen in 42 Sekunden sowieso zum Ende der Fragestunde. Wir können aber, wenn ich noch einen neuen Geschäftsbereich aufrufe, etwas erledigen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger steht uns zur Verfügung.Frage 83 des Abgeordneten Dr. Weng soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Herr Parlamentarischer Staatssekretär, es lohnt sich nicht mehr, daß ich weitere Fragen aufrufe. Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt. Ich bedanke mich für Ihre Bereitschaft.Die Sitzung ist geschlossen.