Protokoll:
10127

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 127

  • date_rangeDatum: 15. März 1985

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:13 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Inhalt: Beratung des Agrarberichts 1985 der Bundesregierung — Drucksachen 10/2850, 10/2851 — Kiechle, Bundesminister BML . . 9359 B, 9400 D Dr. Vogel SPD 9365 D Susset CDU/CSU 9371 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 9374 C Paintner FDP 9378 D Müller (Schweinfurt) SPD 9381 C Brunner CDU/CSU 9384 A Wimmer (Neuötting) SPD 9385 B Bredehorn FDP 9388 A Kißlinger SPD 9390 A Bayha CDU/CSU 9392 A Oostergetelo SPD 9394 A Freiherr Heereman von Zuydtwyck CDU/ CSU 9396 A Immer (Altenkirchen) SPD 9399 A Nächste Sitzung 9402D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 9403* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9403* C Anlage 3 Anhebung der Einkommensgrenzen nach § 25 des II. Wohnungsbaugesetzes; Berücksichtigung der Größe der Städte und der Relation von Mietkosten zu Einkommen im Regierungsentwurf zum Wohngeldrecht MdlAnfr 3, 4 08.03.85 Drs 10/2987 Müntefering SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 9404* C Anlage 4 Motive für die Rückkehr von Übersiedlern in die DDR MdlAnfr 21, 22 08.03.85 Drs 10/2987 Schulze (Berlin) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hennig BMB . . 9405*A Anlage 5 Probleme von Langzeitarbeitslosen MdlAnfr 35 08.03.85 Drs 10/2987 Buschfort SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9405* D Anlage 6 Probleme der Frauenarbeitslosigkeit; arbeitsmarktvernichtende Wirkung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien MdlAnfr 36 08.03.85 Drs 10/2987 Schreiner SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9406* B Anlage 7 Maßnahmen gegen das Ansteigen der Zahl der Arbeitslosen im Baugewerbe II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 MdlAnfr 37 08.03.85 Drs 10/2987 Reimann SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9406* D Anlage 8 Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in der Altersklasse 20 bis unter 24 Jahre MdlAnfr 38 08.03.85 Drs 10/2987 Urbaniak SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9407* B Anlage 9 Benachteiligung Anspruchsberechtigter nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz gegenüber Hinterbliebenen von Kriegsverbrechern MdlAnfr 39 08.03.85 Drs 10/2987 Stockleben SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9407* D Anlage 10 Einschaltung von Unterstützungsgesellschaften bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen; an den Unterstützungsgesellschaften beteiligte Firmen MdlAnfr 45, 46 08.03.85 Drs 10/2987 Uldall CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 9408*A Anlage 11 Stellensituation im gehobenen und höheren Fernmeldetechnischen Dienst der Bundespost seit 1980; Entwicklung unter Berücksichtigung der herabgesetzten Eingangsämter MdlAnfr 56, 57 08.03.85 Drs 10/2987 Pfeffermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 9408* C Anlage 12 Aufrechterhaltung des Peilfunknetzes Nordsee zur Positionsbestimmung von Schiffen; personelle Besetzung der Küstenfunkstellen MdlAnfr 61, 62 08.03.85 Drs 10/2987 Paterna SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP 9409*A Anlage 13 Forschungsförderung für Windkraftanlagen durch das Bundesministerium für Forschung und Technolgie; Einstellung der vor 50 Jahren begonnenen Entwicklung großer Windkraftanlagen MdlAnfr 64, 65 08.03.85 Drs 10/2987 Reuter SPD SchrAntw PStSekr Dr. Probst BMFT . . 9409* B Anlage 14 Aufenthalt und Aktivitäten des Artur Janeiro da Fonseca aus Mosambik in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 70 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Schmedt (Lengerich) SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 9409* D Anlage 15 Rückgang der Zahl der deutschen Aussiedler aus der Sowjetunion; Wahl zwischen Ausreise in die DDR oder Ausreiseverzicht MdlAnfr 78, 79 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 9409* D Anlage 16 Irakische Bombardierung der Baustelle des Atomkraftwerks Bushir im Iran mit deutschen Waffensystemen MdlAnfr 80, 81 08.03.85 Drs 10/2987 Gansel SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 9410* B Anlage 17 Hinweise auf Gewalthandlungen im Zusammenhang mit der Abschiebung von zwei Syrern auf dem Luftwege am 27. Februar 1985 MdlAnfr 82, 83 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. de With SPD SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 9410*C Anlage 18 Umstellung der Kraftfahrzeuge der öffentlichen Hand auf Autogas MdlAnfr 84 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 9411*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 III Anlage 19 Finanzielle Unterstützung des KZ-Arztes Mengele durch seine Familie MdlAnfr 85 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw PStSekr Erhard BMJ . . . . 9411* B Anlage 20 Aufenthaltsort des KZ-Arztes Dr. Mengele; Aussetzung von Belohnungen für Hinweise MdlAnfr 86, 87 08.03.85 Drs 10/2987 Schmidt (München) SPD SchrAntw PStSekr Erhard BMJ . . . . 9411*C Anlage 21 Höhe des Arbeitslohns eines verheirateten kinderlosen Alleinverdieners 1985 und 1988 bei einer Steuerbelastung von 36 %, 49 bzw. 56 % MdlAnfr 88, 89 08.03.85 Drs 10/2987 Lennartz SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9412* B Anlage 22 Höhe des zu versteuernden Einkommens 1985 und 1988 bei einer Steuerbelastung von 36 %, 49 % bzw. 56 % MdlAnfr 90, 91 08.03.85 Drs 10/2987 Schlatter SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9412* C Anlage 23 Unterlassung von steuerlichen Betriebsprüfungen bei 43 als Großbetriebe eingestuften Kreditinstituten in Hessen; Auswirkungen der Steuerausfälle 1984 auf den Länderfinanzausgleich für Hessen und die übrigen Bundesländer MdlAnfr 92, 93 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9412* D Anlage 24 Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch beschäftigungspolitisch motivierte Investitionsprogramme des Bundes MdlAnfr 94 08.03.85 Drs 10/2987 Amling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9413"D Anlage 25 Rechtliche Grenzen bei der Durchsetzung deutscher Vorschriften für Treibstofflager der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte MdlAnfr 95 08.03.85 Drs 10/2987 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9414*A Anlage 26 Sanierung des Tanklagers der US-Streitkräfte an Asperg/Kreis Ludwigsburg MdlAnfr 96, 97 08.03.85 Drs 10/2987 Huonker SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9414* B Anlage 27 Beseitigung der steuerlichen Privilegien für gemeinnützige Vereine beim Verkauf von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle MdlAnfr 98, 99 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Hoffman (Soltau) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 9414* D Anlage 28 Möglicher Rückzug der Mineralölunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland aus der Rohölverarbeitung; Vergrößerung der Importabhängigkeit bei Mineralölprodukten MdlAnfr 100, 101 08.03.85 Drs 10/2987 Wolfram (Recklinghausen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9415* B Anlage 29 Schutz deutscher Baufirmen im Grenzgebiet und in Bayern vor Werbemaßnahmen österreichischer Firmen MdlAnfr 102 08.03.85 Drs 10/2987 Bamberg SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9415* D Anlage 30 Schenkung eines Computers vom Typ IBM 370/158 an die Universität Wroclaw (Breslau) MdlAnfr 103, 104 08.03.85 Drs 10/2987 Schröder (Hannover) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9416*A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Anlage 31 Verstärkte Anwendung des Marktprinzips in der Energiewirtschaft; Umorientierung der Energiepolitik auf Energieeinsparung und umweltfreundlichere Erzeugungsformen MdlAnfr 105, 106 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Kübler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9416* C Anlage 32 Entwicklung in der Bauwirtschaft MdlAnfr 107 08.03.85 Drs 10/2987 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9417*A Anlage 33 Beschäftigungssituation in der Automobilindustrie, insbesondere im Hinblick auf Kurzarbeit MdlAnfr 108 08.03.85 Drs 10/2987 Dreßler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9417* C Anlage 34 Investitionsvolumen des Programms zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft; Auswirkungen einer eventuellen Verweigerung der Maßnahmen durch die EG MdlAnfr 109, 110 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9417* D Anlage 35 Mittelabfluß für das Programm zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft; Personaleinstellungen auf Grund dieses Programms MdlAnfr 111, 112 08.03.85 Drs 10/2987 Hansen (Hamburg) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9418* B Anlage 36 Alternativen im Falle der Verweigerung der Zustimmung der EG-Kommission zum Programm zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft und deren Mitnahmeeffekte MdlAnfr 113, 114 08.03.85 Drs 10/2987 Vosen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9418* D Anlage 37 Zustimmung der EG-Kommission zum Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft MdlAnfr 115, 116 08.03.85 Drs 10/2987 Stahl (Kempen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9419* C Anlage 38 Auswirkung der Nichtzustimmung der EG- Kommission zum Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft MdlAnfr 117, 118 08.03.85 Drs 10/2987 Grunenberg SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9420*A Anlage 39 Art der Großprojekte und deren Vorbereitungsstadium beim neuen Forschungsreaktor in München MdlAnfr 119, 120 08.03.85 Drs 10/2987 Catenhusen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9420* C Anlage 40 Subventionen für den Energiemarkt; Versorgungssicherheit bei Mineralölprodukten bei weiteren Raffineriestillegungen MdlAnfr 121, 122 08.03.85 Drs 10/2987 Austermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi . . 9420* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9359 127. Sitzung Bonn, den 15. März 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 15. 3. Antretter* 15. 3. Frau Beck-Oberdorf 15. 3. Breuer 15. 3. Büchner (Speyer) * 15. 3. Dr. Corterier 15. 3. Duve 15. 3. Egert 15. 3. Dr. Ehrenberg 15. 3. Eylmann 15. 3. Fellner 15. 3. Fischer (Frankfurt) 15. 3. Gattermann 15. 3. Dr. Glotz 15. 3. Dr. Götz 15. 3. Frau Gottwald 15. 3. Haase (Fürth) * 15. 3. Dr. Häfele 15. 3. Haehser 15. 3. Dr. Hauff 15. 3. Heimann 15. 3. Hettling 15. 3. Dr. Hornhues* 15. 3. Ibrügger 15. 3. Jaunich 15. 3. Kroll-Schlüter 15. 3. Lenzer* 15. 3. Dr. Mertes (Gerolstein) 15. 3. Dr. Müller* 15. 3. Paterna 15. 3. Dr. Pinger 15. 3. Polkehn 15. 3. Reuschenbach 15. 3. Sauer (Salzgitter) 15. 3. Frau Schmedt (Lengerich) 15. 3. Schmidt (Hamburg) 15. 3. Schmidt (München) 15. 3. Schmidt (Wattenscheid) 15. 3. Schreiner 15. 3. Schröder (Hannover) 15. 3. Schwarz* 15. 3. Dr. Schwenk (Stade) 15. 3. Dr. Solms 15. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 15. 3. Stockhausen 15. 3. Dr. Stoltenberg 15. 3. Tillmann 15. 3. Dr. Todenhöfer 15. 3. Voigt (Sonthofen) 15. 3. Dr. Waigel 15. 3. Werner 15. 3. von der Wiesche 15. 3. Zierer* 15. 3. Dr. Zimmermann 15. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Antwort der Bundesregierung auf den Prüfungsauftrag des Deutschen Bundestages zur „Verbesserung der Risikokapitalausstattung der deutschen Wirtschaft" (Drucksache 10/1315) vom 6. Juni 1984 (Drucksache 10/2881) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Übereinstimmung des Vorschlags für ein EG-Forschungs- und Entwicklungsprogramm über nichtnukleare Energie (1983 bis 1987) mit den Auswahlkriterien für EG-Forschungsprogramme (Drucksache 10/2956) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1984 bei Kap. 60 04 Tit. 698 01 - Zahlungen nach dem Spar-Prämiengesetz - (Drucksache 10/2943) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den jüngsten Anschlägen von Terroristen in mehreren europäischen Staaten sowie zu der Notwendigkeit, eine „europäische Rechts- und Justizgemeinschaft" zu schaffen (Drucksache 10/2968) zuständig: Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Gedenken an den 8. Mai 1945 (Drucksache 10/2971) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu einer Gedenkfeier anläßlich des vierzigsten Jahrestages des Kriegsendes in Europa (Drucksache 10/2978) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Bekämpfung des Terrorismus (Drucksache 10/2975) zuständig: Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kornmission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 und Nr. 950/68 hinsichtlich der zolltariflichen Behandlung von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden oder von an Privatpersonen gerichteten Kleinsendungen (Kok. 2-1171/84 - KOM[84] 626 endg.) (Drucksache 10/2976) zuständig: Finanzausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 6/84 - Zweite Erhöhung des Zollkontingents 1984 für Bananen) (Drucksache 10/3002) 9404* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 18. April 1985 vorzulegen Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 2/85 — Zollkontingent 1985 für Bananen) (Drucksache 10/3003) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 18. April 1985 vorzulegen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 1. März 1985 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Zweites Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz zu den Protokollen vom 16. November 1982 zur Änderung des Übereinkommens vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964 und zur Änderung des Zusatzübereinkommens vom 31. Januar 1963 zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964 (Gesetz zu den Pariser Atomhaftungs-Protokollen) Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Mai 1975 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Polen über den zivilen Luftverkehr Gesetz zur Änderung des Gesetzes vom 10. Februar 1976 zu dem Übereinkommen vom 2. Dezember 1972 über sichere Container Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 1. März 1985 mitgeteilt, daß sie ihre Anträge betreffend Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen — Drucksachen 10/197, 10/1988, 10/2531 — zurückzieht. Damit ist auch die Beschlußempfehlung und der Bericht des Auswärtigen Ausschusses — Drucksache 10/2529 — als gegenstandslos anzusehen. Die in Drucksache 10/2849 unter Nummer 14 aufgeführte EG-Vorlage Änderung des Vorschlags für einen Beschluß des Rates zur Festlegung neuer Bestimmungen zu Kapitel VI „Versorgung" des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, den die Kommission dem Rat im Dezember 1982 vorgelegt hat — KOM(84) 606 endg./2 — wird als Drucksache 10/3050 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 28. Februar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung gemäß der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 1982 (Drucksache 10/526) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Februar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Notwendigkeit gemeinschaftlicher Maßnahmen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle und zur Wiederaufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe (Drucksache 10/953) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Februar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Mitteilung der Kommission an den Rat: Erster Bericht über Lageanalyse und Perspektiven zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in der Gemeinschaft Bericht der Kommission an den Rat: Lageanalyse und Perspektiven zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in der Gemeinschaft (Drucksache 10/376 Nr. 83) Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben von 12. März 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat, da die Vorlage durch einen geänderten Vorschlag ersetzt wurde: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung neuer Bestimmungen zu Kapitel VI „Versorgung" des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Drucksache 10/358 Nr. 102) Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 3 und 4): Wann werden die Einkommensgrenzen nach § 25 II. Wohnungsbaugesetz um 20 v. H. bis 40 v.H. erhöht, und wird sich die Erhöhung nur auf die Berechnungsgrundlage für die Fehlsubventionsabgabe beziehen oder auch auf Wohnberechtigung und Förderung des sozialen Wohnungsbaus allgemein? Trifft es zu, daß nach dem Regierungsentwurf zum Wohngeldrecht in den Städten des Ruhrgebiets die angekündigte Entlastung für die Mieter und die selbstnutzenden Eigentümer deutlich geringer sein wird als beispielsweise in München oder Stuttgart, und in welcher Weise soll bei dem neuen System der Miethöhenklasse die Relation von Mietkosten zu Einkommen berücksichtigt werden? Zu Frage 3: Bei den Beratungen eines Gesetzesantrags des Landes Berlin zur Änderung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungsbau (AFWoG) hat der Bundesratsausschuß für Städtebau und Wohnungswesen mehrheitlich folgendes empfohlen: 1. Durch eine Änderung des § 25 II. Wohnungsbaugesetzes soll steuer- und sozialversicherungsbeitragspflichtigen Personen ein 10 %iger, jährlich auf 6 000,— DM begrenzter Pauschalabzug vom anrechenbaren Einkommen gewährt werden. Diese Änderung würde sich überall dort auswirken, wo im sozialen Wohnungsbau der Einkommensbegriff des § 25 II. WoBauG maßgebend ist, also bei der Eigenheim- und Mietwohnungsbauförderung, bei der Wohnungsvergabe und bei der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe. 2. Außerdem soll die jetzt 20% betragende Toleranzgrenze für die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe auf 35% angehoben werden. Die Bundesregierung wird — wie sie bereits in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Wohnungsrechtsvereinfachungsgesetzes (BT-Drucksache 10/2013) und auf eine Frage des Kollegen Schöfberger (vgl. BT- Drucksache 10/2915, S. 61) ausgeführt hat — die vom Bundesrat aufgeworfenen Fragen prüfen. Sie wird eine gesetzliche Regelung anstreben, die Benachteiligungen Erwerbstätiger bei der Einkommensermittlung nach § 25 des II. Wohnungsbauge- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9405* setzes und Härten bei der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe vermeidet. Zu Frage 4: Die Vermutung trifft nicht zu. Die Bemessung des Wohngelds nach der Relation von Mietkosten zum Einkommen ändert sich nicht. Nur die berücksichtigungsfähigen Miethöchstbeträge richten sich künftig nicht mehr nach der Gemeindegröße, sondern nach der Miethöhenklasse. Eine Ungleichbehandlung von Wohngeldberechtigten nach regionalen Gesichtspunkten ist damit weder beabsichtigt noch verbunden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Fragen des Abgeordneten Schulze (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 21 und 22): Trifft eine Meldung des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland" zu, wonach über 20 000 Übersiedler in die DDR zurückkehren wollen? Welche Erkenntnisse über die Motive von Rückkehrwilligen liegen der Bundesregierung vor? Zu Frage 21: Die Bundesregierung hat Grund zu der Annahme, daß die in der Meldung vom 6. März 1985 im „Neuen Deutschland" genannte Zahl von 20 000 Übersiedlern, die in die DDR zurückkehren möchten, nicht zutrifft. Bei Rückfragen durch Journalisten haben einige der in der Meldung namentlich erwähnten früheren Bewohner der DDR erklärt, daß sie nicht den Wunsch geäußert haben, in die DDR zurückkehren zu wollen, andere wiesen darauf hin, daß sie sich zwar aufgrund anfänglicher Eingliederungsschwierigkeiten nach Rückkehrmöglichkeiten erkundigt hätten, aber inzwischen an eine Rückkehr nicht mehr denken. Aus den Angaben des Statistischen Bundesamts geht hervor, daß 1981 = 1723 und 1982 = 1528 Bewohner der Bundesrepublik Deutschland in die DDR übergesiedelt sind. Die vom Bundesamt für Statistik genannten Zahlen beruhen auf den polizeilichen Abmeldungen. Eine Dunkelziffer ist deshalb nicht ausgeschlossen. Sicher melden sich nicht alle Übersiedler in die DDR hier im Westen ordnungsgemäß ab. In diesen Zahlen sind auch ausländische Mitbürger enthalten, die ihren Wohnsitz in die DDR verlegten. Nicht erfaßt und von diesen Zahlen nicht abgezogen werden konnten diejenigen Bewohner der Bundesrepublik Deutschland, die nach Aufgabe ihres Wohnsitzes und dem anschließenden Überprüfungsverfahren in einem sog. DDR-„Aufnahmeheim für Übersiedler und Rückkehrer" in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeschickt wurden. Offensichtlich beabsichtigt die Regierung der DDR durch die Bekanntgabe dieser weit überhöhten Zahlen von Rückkehrwilligen, die angeblich von den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland enttäuscht sind, andere übersiedlungswillige Deutsche in der DDR von der Stellung von Ausreiseanträgen abzubringen. Zu Frage 22: Den an das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen gerichteten Schreiben rückkehrwilliger Übersiedler aus der DDR kann entnommen werden, daß überwiegend familiäre Gründe für die Absicht, in die DDR zurückzukehren, bestimmend sind. Vor allem ältere Menschen, die nach dem Tod des Ehegatten ohne verwandtschaftliche Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland leben, äußern den Wunsch, in die DDR zurückzukehren, um dort den Lebensabend bei Verwandten und Freunden zu verbringen. Weiterhin ist die Absicht, einen Partner in der DDR zu heiraten und mit ihm dort den gemeinsamen Wohnsitz zu begründen, für den Wunsch in die DDR zurückzukehren, häufig ursächlich. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Verlobte ihrem Partner nicht in die Bundesrepublik Deutschland folgen oder wenn geschiedene Ehegatten, von denen einer in der DDR verblieben ist, wieder heiraten wollen. Rückkehrwünsche werden auch dann geäußert, wenn eine beabsichtigte eheliche Bindung, die Anlaß der Übersiedlung war, in der Bundesrepublik Deutschland nicht zustande kommt. In einem gewissen Umfang werden aber auch Heimweh, Nichteingewöhnenkönnen in der neuen Umgebung, berufliche Schwierigkeiten und Arbeitslosigkeit als Gründe für die Rückkehr in die DDR genannt. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Buschfort (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 35): Mit welchem Problemen sind die Langzeitarbeitslosen nach Kenntnissen der Bundesregierung besonders häufig konfrontiert, und welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet, diese Probleme zu bewältigen? Langzeitarbeitslose sind bei der augenblicklichen Arbeitslosigkeit in besonderem Maße schwer zu vermitteln. Einerseits stehen ihnen potentielle Arbeitgeber skeptisch gegenüber, andererseits besteht nach längerdauernder Arbeitslosigkeit die Gefahr der Entwertung früher erworbener Qualifikation und einer Minderung des Selbstbewußtseins. Hiergegen wird mit einer Reihe von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gegengesteuert: Mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erhalten Langzeitarbeitslose die Möglichkeit einer — zumindest — befristeten Beschäftigung und können — im 9406* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Nebeneffekt — den Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit gegenüber potentiellen Arbeitgebern führen. 1984 waren 33 % der jahresdurchschnittlich 71 000 durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geförderten Arbeitslosen länger als 1 Jahr arbeitslos. 1983 belief sich dieser Anteil auf 30 %. Von besonderer Bedeutung sind auch die sozialpolitischen und psycho-sozialen Komponenten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: Einmal wird erzwungenes Nichtstun durch sinnvolle und zum großen Teil qualifikationsfördernde Tätigkeit ersetzt. Zum anderen führt das erarbeitete Einkommen auch zu neuen Ansprüchen auf Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Auch im Bereich der beruflichen Weiterbildung konnte bei insgesamt 353 000 Eintritten in Maßnahmen der Umschulung, Fortbildung und betrieblichen Einarbeitung der Anteil der längerfristig Arbeitslosen gezielt auf 25 % gesteigert werden. 1983 waren es nur 20 % gewesen. Mit Hilfe der Eingliederungsbeihilfe konnte 36 000 Arbeitslosen die Chance auf einen Dauerarbeitsplatz eröffnet werden, 31 % von ihnen waren länger als 1 Jahr arbeitslos. 1983 hatte der Anteil bei 23 % gelegen. Diese Maßnahmen werden 1985 erheblich ausgeweitet und noch gezielter auf Langzeitarbeitslose ausgerichtet. Außerdem wurde der Anspruch auf Arbeitslosengeld für ältere längerfristig Arbeitslose auf bis zu 1 /2 Jahre erweitert. Langzeitarbeitslosigkeit ist vor allem auch ein gesellschaftspolitisches Problem. Die Individualhilfe des Arbeitsförderungsgesetzes kann daher nicht die ganze Problematik, die mit langfristiger Arbeitslosigkeit einhergeht, abdecken. Um so wichtiger sind daher auch die Hilfen, die — seit Jahren erfolgreich — Kommunen, Verbände, die Kirchen mit Phantasie und Engagement Langzeitsarbeitslosen vorwiegend im „immateriellen" Bereich bieten. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 36): Wie bewertet die Bundesregierung die Probleme der Frauenarbeitslosigkeit, und mit welcher arbeitsmarktvernichtenden Wirkung rechnet die Bundesregierung durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien? Der Anteil der arbeitslosen Frauen an den Arbeitslosen ist in den letzten Jahren zurückgegangen und entspricht mit 39,4 % im Februar 1985 annähernd ihrem Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (März 1984: 39,6%). Die Beschäftigungssituation der Frauen hat sich in den letzten Jahren — verglichen mit der der Männer — verbessert. Die Bundesregierung hat ihre Bewertung der Frauenarbeitslosigkeit in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Frauenarbeitslosigkeit dargestellt. Darauf möchte ich verweisen. Darin ist sie auch ausführlich auf die Auswirkungen der Neuen Technologien auf die Frauenerwerbstätigkeit eingegangen. Diese Technologien sind grundsätzlich weder für noch gegen die Beschäftigung von Frauen. Sie eröffnen neue Spielräume einer humaneren Gestaltung von Arbeitsplätzen, die Männern und Frauen zugute kommen können. Untersuchungen haben gezeigt, daß Frauen bereits heute in hohem Umfang mit neuen Technologien umgehen (Schreibautomaten, Kassen, in der Produktion). Soweit Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen der Rationalisierung unterliegen, sind allerdings mehr Frauenarbeitsplätze gefährdet, da Frauen an solchen Arbeitsplätzen besonders häufig tätig sind. Entscheidend ist ein Umdenken in der Berufsausbildung, eine Ausweitung des Berufsspektrums, damit Frauen die Chancen, die in dem Einsatz neuer Technologien liegen, besser nutzen können. Der breite Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien verändert die Arbeitswelt und erfordert permanente Weiterbildung. Die familienbedingte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit könnte für Frauen zusätzlich Probleme aufwerfen, wenn sie in dieser Phase nicht Kontakt zur Arbeitswelt halten oder Weiterbildungsangebote wahrnehmen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Reimann (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 37): In welchem Umfang ist die Zahl der Arbeitslosen im Baugewerbe in den letzten Monaten gestiegen, und welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet, dem Beschäftigungseinbruch im Baugewerbe entgegenzuwirken? Die Bundesanstalt für Arbeit erhebt die Zahl der Arbeitslosen nach ausgewählten Berufsbereichen nur jeweils zum Quartalsende. Für die Monate Januar und Februar liegen daher keine Zahlen über die Arbeitslosen aus dem Baugewerbe vor. Ende Dezember 1984 waren 191 000 Arbeitslose mit einem Bauberuf registriert. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich im Gegensatz zur zurückhaltenden Wohnungsbaunachfrage in diesem Jahr bei zunehmender Kapazitätsauslastung in der Wirtschaft die Nachfrage nach gewerblichen Bauten wieder belebt. Nachdem die Konsolidierung der Gemeindehaushalte zügig vorangekommen ist, dürften auch öffentliche Bauherren mehr Aufträge vergeben. Die Gemeinden betrachten nach verschiedenen Erhebungen die Stadtsanierung als Aufgabe Nummer eins. Der Bund wird in diesem Jahr für Stadt-Erneuerungs- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9407* maßnahmen 330 Millionen DM ausgeben, im Vergleich zu 1982 genau 50 % mehr. Die Bundesregierung hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau veranlaßt, über die laufenden ERP-Programme hinaus aus Eigenmitteln ein 3,5 Mrd.-DM-Umweltschutzprogramm aufzulegen. Außerdem wird für 1986 geprüft, ob im Rahmen der ERP-Programme Aufstokkungen zugunsten von Bauinvestitionen möglich sind. Unter den Bauinvestitionen des Bundes sind insbesondere zu nennen: — das vom Bundesbauministerium betreute Bauvolumen von 7,5 Mrd. DM — 12,3 Mrd. DM im Verkehrsbereich — die Breitbandverkabelung mit einem Investitionsvolumen in Milliardenhöhe. Außerdem wird die Bundesregierung in Kürze den Gesetzentwurf für die künftige steuerliche Behandlung des selbstgenutzten Wohnraums verabschieden. Aber auch die bewährten arbeitsmarktpolitischen Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes, für die dieses Jahr Fördermittel in Rekordhöhe bereitstehen, werden gezielt im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt. Insbesondere Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung sowie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kommen in erheblichem Umfang auch Bauarbeitnehmern zugute. Die Vorruhestandsregelung wird u. a. auch im Baugewerbe dieses Jahr wirksam. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Urbaniak (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 38): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der stark gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit in der Altersklasse 20 Jahre bis unter 24 Jahre entgegenzuwirken? Im Gegensatz zu der Altersgruppe bis 20, die von Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich betroffen ist (Rückgang seit dem letzten Jahr um –11 %), ist die Altersgruppe von 20 bis 24 überdurchschnittlich betroffen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Abbau der Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe im wesentlichen nur im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Gesamtarbeitslosigkeit zu erreichen. Die Bundesregierung hat ihre Gesamtpolitik auf die Wiedergewinnung eines hohen Beschäftigungsstandes und den Abbau der Arbeitslosigkeit ausgerichtet. Eckpfeiler dieser Politik ist die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. Die besseren Wirtschaftsaussichten 1985 werden ein höheres Angebot an Arbeitsplätzen erleichtern. Gerade jüngere Arbeitslose haben im Konjunkturaufschwung vor anderen Altersgruppen die besseren Einstellungschancen. Sie profitieren als erste von verstärkter Nachfrage nach Arbeitskraft. Die durchschnittliche Dauer der abgeschlossenen Arbeitslosigkeit der 20-bis 24 jährigen liegt mit 6,5 Monaten deutlich unter der aller Arbeitslosen (7,9 Monate). Flankierende Maßnahmen, wie das Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen und der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Beschäftigungsförderungsgesetzes, schaffen zusätzliche Einstellungschancen insbesondere für jüngere Arbeitslose. Zur Verbesserung ihrer individuellen Chancen auf dem Arbeitsmarkt leistet die Arbeitsmarktpolitik schwerpunktmäßig durch verstärkte Qualifizierungsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag. Die Bundesregierung wird weiterhin die Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes (z. B. Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung, Umschulung und betrieblichen Einarbeitung sowie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) offensiv zugunsten jüngerer Arbeitssuchender einsetzen. Die Mittelansätze im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und für die Förderung der beruflichen Bildung sind 1985 wesentlich erhöht worden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Stockleben (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 39): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Heimkehrer mit langjähriger Kriegsgefangenschaft Hilfen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (§ 46b) nur unter erschwerten bürokratischen Hemmnissen erhalten, während die Hinterbliebenen von Kriegsverbrechern ohne Schwierigkeiten beträchtliche Versorgungen erhalten, und wie bewertet sie diesen Sachverhalt? Die Rentenausgleichsleistungen der Heimkehrerstiftung gemäß des unter der früheren Regierung zustande gekommenen § 46 b des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes sind Kann-Leistungen, durch die Personen mit langer Kriegsgefangenschaft oder später Heimkehr, die keine ausreichende Altersversorgung durch die gesetzlichen Rentenversicherungen haben, unter Berücksichtigung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ein Härteausgleich gewährt wird. Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Heimkehrerstiftung die einzelnen Leistungsvoraussetzungen im Interesse der gerechten und gleichen Behandlung aller Antragsteller in Richtlinien festgelegt. Die schon von der früheren Regierung gebilligten Richtlinien sind den Durchführungsvorschriften anderer Leistungsgesetze vergleichbar, bei denen auf eine Prüfung der persönlichen Verhältnisse als Leistungsvoraussetzung nicht verzichtet werden kann. Die Bundesregierung hält die — durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigte — Verwaltungspraxis der Heimkehrerstiftung für korrekt. 9408* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Was die Versorgung der in Ihrer Frage offenbar gemeinten Witwe Freislers betrifft, darf ich auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Schöfberger verweisen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Uldall (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 45 und 46): Welche Unterstützungsgesellschaften wurden bisher bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen eingeschaltet? Welche Firmen waren Gesellschafter dieser Unterstützungsgesellschaften? Zu Frage 45: „Unterstützungsgesellschaften" sind solche privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Leistungen zur Erfüllung ressorteigener Aufgaben erbringen (Fremdleistungen). Hierzu zählen: — ESG Elektronik-System-Gesellschaft mbH — FEG Gesellschaft für Logistik mbH — GFS-MIDAS Gesellschaft für Führungssysteme mbH — MTG Marinetechnik GmbH — ELEKLUFT Elektronik- und Luftfahrtgeräte GmbH Im Jahre 1984 erhielten Rüstungsaufträge im Sinne der oben gegebenen Definition nur die Firmen ESG und MTG. Aufträge, die nicht ressorteigene Aufgaben betreffen, das heißt, bei denen die Firmen wie gewöhnliche Industrieunternehmen handeln, werden laufend an alle genannten Firmen vergeben. Zu Frage 46: Zum Stand 31. Oktober 1984 waren die Beteiligungsverhältnisse wie folgt: 1. ESG: — AEG-Telefunken Anlagentechnik AG 25 % — Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG 25% — Siemens AG 25 % — Standard Elektrik Lorenz AG 25% 2. MTG: — AEG-Telefunken 20 % — Friedr. Krupp 20% — Blohm & Voss 12 % — Hollandse Signaalapparaten 12 % — MBB 6% — Siemens 6 % — SEL 6% — Bremer Vulkan 5% — Howaldtswerke-Deutsche Werft 5% — Lürssen Werft 5 % — Orenstein + Koppel 3% Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 56 und 57): Wieviel offene Stellen der Laufbahn des gehobenen und höheren fernmeldetechnischen Dienstes hatte die Deutsche Bundespost in den Jahren 1980 bis 1984, und wieviel konnten davon im Laufe des jeweiligen Jahres durch Neubewerber besetzt werden? Welche Entwicklung zeichnet sich für das Jahr 1985 und die folgenden Jahre ab, und welche Bedeutung mißt in diesem Zusammenhang das Bundesministerium für das Post-und Fernmeldewesen der Herabsetzung der Eingangsämter für die betroffenen Laufbahnen bei? Die Zahl der unbesetzten Personalposten in den Laufbahnen des höheren fernmeldetechnischen Dienstes betrug für die Jahre 1980 bis 1984 im Durchschnitt ca. 50 und in der Laufbahn des gehobenen fernmeldetechnischen Dienstes für den gleichen Zeitraum im Durchschnitt ca. 1 900. Zum kontinuierlichen Abbau der unbesetzten Personalposten und um den steigenden Personalbedarf und die Abgänge durch Zurruhesetzungen usw. aufzufangen, wurden in den Jahren 1980 bis 1984 für die Laufbahn des höheren fernmeldetechnischen Dienstes insgesamt 270 und für die Laufbahn des gehobenen fernmeldetechnischen Dienstes 4 014 Einstellungen von Nachwuchskräften vorgenommen. Die Daten der einzelnen Jahre stelle ich Ihnen bei Bedarf gerne zur Verfügung. Für die Laufbahn des höheren fernmeldetechnischen Dienstes ist im Jahre 1985 die Einstellung von 30 bis 35 Nachwuchskräften vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies realisieren läßt. Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich auch für die folgenden Jahre wegen des Mangels an qualifizierten Bewerbern zunehmend schwieriger. In der Laufbahn des gehobenen fernmeldetechnischen Dienstes wird die Deutsche Bundespost, wie bereits im Jahre 1984, auch 1985 alle geeigneten Bewerber einstellen. Sowohl für das vergangene als auch für die kommenden Jahre gilt, daß das Bewerberangebot in quantitativer, zum Teil aber auch in qualitativer Hinsicht nicht ausreicht, um den Nachwuchsbedarf der Deutschen Bundespost zu decken. Die Absenkung der Eingangsbesoldung und der Anwärterbezüge durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 hat in den Laufbahnen des höheren und des gehobenen fernmeldetechnischen Dienstes den bestehenden Bewerbermangel verschärft und darüber hinaus zu einem starken Rückgang an qualifizierten Bewerbern geführt. Auf Antrag des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen prüft die Bundesregierung daher zur Zeit, ob besoldungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9409* Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Paterna (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 61 und 62): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das Peilfunknetz Nordsee zur Positionsbestimmung von Schiffen insbesondere bei Unfällen notwendig ist, und ist sie deshalb bereit, das bestehende System dieses Peilfunknetzes unverändert weiterzuführen? Wie hat sich die Anzahl der UKW-Seefunkstellen im Empfangsbereich der deutschen Nordseeküste entwickelt, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus bezüglich Zahl und Qualifikation des bei den Küstenfunkstellen eingesetzten Personals? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß das Peilfunknetz Nordsee zu Positionsbestimmungen von Schiffen — insbesondere bei Notfällen — notwendig ist. Zur Zeit ist von der Bundesregierung nicht vorgesehen, dieses bestehende Peilfunknetz einzuschränken. Die UKW-Seefunkstellen auf deutschen Schiffen haben sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Ende 1984 waren 21 393 Schiffe mit einer UKW- Seefunkstelle ausgerüstet. Darunter befinden sich 18 804 Sport- und Vergnügungsfahrzeuge. Die Zahl der bei den Küstenfunkstellen der Deutschen Bundespost tätigen Kräfte wird ständig dem Verkehrsbedarf angepaßt. Die Qualifikation des eingesetzten Personals entspricht den internationalen Anforderungen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Probst auf die Fragen des Abgeordneten Reuter (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 64 und 65): Inwieweit hat sich das Bundesministerium für Forschung und Technologie bei der Forschungsförderung für Windkraftanlagen die Erfahrungen zunutze gemacht, die die „Windkraftgesellschaft mbH Berlin" mit dem Bau des ersten, mit vier Flügeln und automatischer Steuerung der Anstellwinkel ausgestatteten 1 000-KW-Windkraftwerkes „Teubert" bei Kladow/Havel im Jahr 1935 (!) sammelte? Kann die Bundesregierung angeben, warum die vor 50 Jahren mit so viel Optimismus begonnene Entwicklung großer Windkraftwerke (z. B. das „Höhenzonen-Windkraftwerk", das der Erbauer des Berliner Funkturms, Ing. Honnef im Februar 1932 t!] der „Gesellschaft für Technische Physik" und der „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt" vortrug) wieder eingestellt bzw. von den Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht angenommen und verwirklicht wurde? Zu Frage 64: Die historischen Versuche der Stromproduktion mit Windkraftwerken sind bei der Wiederaufnahme der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nach 1973 bekannt gewesen und berücksichtigt worden. Tatsächlich sind die damaligen Anlagen vom Konzept her sehr fortschrittlich gewesen (hohe Leistungsbeiwerke, Blattverstellung, Beherrschung der Schwingungen bei Teubert und Ausnutzung des Windes in größeren Höhen über Grund bei Honnef), jedoch war man nach dem damaligen Stand der Technik für den Bau der angesprochenen großen Anlagen im Megawattleistungsbereich eher noch überfordert. Erst der technische Fortschritt auf allen Detailgebieten (z. B. Werkstofffrage, Elektrik und Elektronik) erlaubte es, die damaligen Grundideen zu verfolgen und weiterzuentwickeln, sowohl in der Bundesrepublik als auch weltweit durch moderne Regelungskonzepte (Prof. Hütter, Wortmann, Einflügler Monopteros) und große Anlagen (GROWIAN). Anzumerken ist jedoch, daß sich in den 30er Jahren nicht Teubert und Honnef durchsetzten, sondern der Ingenieur Kleinhenz, der damals mit der Reichswindgemeinschaft kleinere Prototypen seines projektierten Großwindkraftwerks baute. Der Zweite Weltkrieg beendete diese Entwicklungen. Sie wurden lediglich durch Hütter mit einer 100-kW-Anlage (1958-1967) weiter verfolgt. Zu Frage 65: Große Windanlagen müssen extremen statischen und dynamischen Belastungen gewachsen sein. Diese Probleme auf technische und wirtschaftliche Weise zu lösen, sind damals noch nicht gelungen. Sie stellen auch heute noch ein Problem dar. So wurde Honnefs Windkraftwerk nur in kleineren Prototypen realisiert (z. B. Honnef Ringgenerator 2 x 9 m, 0,2 kW, 1943 in Boetzow bei Berlin). Anlage 14 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmedt (Lengerich) (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 70): Kann die Bundesregierung die Meldung der „Rand Daily Mail" vom 2. November 1984 bestätigen, daß Artur Janeiro da Fonseca, Mitglied des Resistencia Nacional Mocambiquana (RNM), in der Bundesrepublik Deutschland war, und kann die Bundesregierung mitteilen, was er hier unternommen hat? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob das in der Rand Daily Mail vom 2. Februar 1984 erwähnte Mitglied der RNM, Artur Janeiro da Fonseca, in der Bundesrepublik Deutschland war. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß sich RNM-Angehörige privat in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben. RNM-Angehörige verfügen in der Bundesrepublik Deutschland über keinen Status. Die Bundesregierung unterhält keine Kontakte zur RNM. Anlage 15 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 78 und 79): Wie beurteilt die Bundesregierung die immer geringer werdende Zahl der deutschen Aussiedler aus der Sowjetunion, und welche Interventionsmöglichkeiten bestehen überhaupt noch für die Bundesregierung? 9410* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Kann die Bundesregierung Nachrichten bestätigen, denen zufolge Deutsche aus der Sowjetunion vor die Wahl gestellt werden, entweder die Ausreise in die DDR anzutreten oder auf jede Ausreisemöglichkeit verzichten zu müssen? Zu Frage 78: Der seit 1976 (Monatsdurchschnitt: 809) festzustellende Rückgang der Zahl der Ausreisen Rußlanddeutscher auf einen Stand vor 1970 (damals Monatsdurchschnitt 29; Februar 1985: 27) erfüllt die Bundesregierung mit großer Sorge. Wie ich bereits in Beantwortung einer Ihrer zurückliegenden Anfragen am 25. Oktober 1984 hier sagte, ist die sowjetische Haltung in dieser Frage immer auch von der internationalen Lage mitbestimmt worden. Die Bundesregierung erwartet daher, daß eine Verbesserung der internationalen Lage die Lösung der hier angesprochenen humanitären Frage günstig beeinflussen wird. Interventionsmöglichkeiten bestehen in Einzelfällen nach wie vor: unsere Botschaft unterstützt Ausreiseanliegen mittels Verbalnoten; besondere Härtefälle finden in Härtefallisten Aufnahme, die der sowjetischen Seite bei hochrangigen Besuchen überreicht werden. Allgemein wurden und werden die humanitären Fragen der Rückführung und Familienzusammenführung Rußlanddeutscher unter Hinweis auf ihre Bedeutung für die bilateralen Beziehungen und den Entspannungsprozeß bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Nachdruck angesprochen; zuletzt geschah dies am 4. März 1985 bei dem Besuch des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau gegenüber Außenminister Gromyko. Zu Frage 79: Die Bundesregierung kann derartige Meldungen, die auch ihr im vorigen Jahr gerüchteweise zur Kenntnis kamen, nicht bestätigen. Anlage 16 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 80 und 81): Was ist der Bundesregierung über die Bombardierung der Baustelle des Atomkraftwerkes Bushir im Iran durch die Luftwaffe des Irak bekannt, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Lieferung sensibler Teile des Atomkraftwerkes aus der Bundesrepublik Deutschland? Ist es zutreffend, daß die Baustelle für das iranische Atomkraftwerk Bushir, das von Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland beliefert wird, durch die irakische Luftwaffe bombardiert worden ist und daß dabei Waffensysteme eingesetzt worden sind, die zum Teil von Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland geliefert worden sind? Zu Frage 80: Die iranische Regierung und die iranische Nachrichtenagentur IRNA haben über Raketeneinschläge auf dem Baustellengelände oder in dessen Nähe am 24. März 1984, am 12. Februar 1985 und zuletzt Anfang März 1985 berichtet. Es habe sich dabei um irakische Luftangriffe gehandelt. Die iranischen Vorwürfe sind von der irakischen Regierung als grundlos zurückgewiesen worden. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist jedenfalls keine Beschädigung der vorhandenen Kraftwerksbauten festzustellen. Die Bauarbeiten am Kernkraftwerk Bushir sind im Jahre 1979 eingestellt und seitdem nicht wieder aufgenommen worden. Die Frage einer Lieferung von sensiblen Reaktorkomponenten stellt sich zur Zeit daher nicht. Zu Frage 81: Die Bundesregierung verfügt über keine unabhängigen Informationen, die eine Beurteilung darüber zuließen, ob es gezielte Luftangriffe auf die Anlage gegeben hat, und welche Waffensysteme gegebenenfalls eingesetzt wurden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Fragen des Abgeordneten Dr. de With (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 82 und 83): Trifft es zu, daß Indizien gegen zwei abzuschiebende Syrier vorlagen, nach denen am 27. Februar 1985 mit Gewalthandlungen auf dem LH-Flug Nr. 612 von Frankfurt/Main nach Damaskus zu rechnen war bzw. Gewalthandlungen nicht ausgeschlossen werden konnten? Welche Vorkehrungen wird die Bundesregierung treffen, um ähnliche Vorfälle vermeiden zu helfen'? Zu Frage 82: Die beiden syrischen Staatsangehörigen wurden aufgrund von Abschiebeverfügungen des Polizeipräsidiums Berlin am 25. Februar 1985 durch Beamte des Schubkommandos Berlin dem Grenzschutzeinzeldienst auf dem Flughafen Frankfurt zur Durchführung der Abschiebung auf dem Luftwege mit Flug LH 628 nach Damaskus zugeführt. Die Beförderung an diesem Tage, also dem 25. Februar 1985, wurde aufgrund der augenscheinlichen Flugunwilligkeit der beiden Syrer von der Deutschen Lufthansa abgelehnt. Durch die Beamten des Schubkommandos wurden sie daher über das Polizeirevier 19 des Flughafens Frankfurt/Main zum Polizeigewahrsam in Frankfurt verbracht. Am 27. Februar 1985 wurden beide Ausländer von den Beamten des Schubkommandos Berlin erneut dem Grenzschutzeinzeldienst zugeführt. Da an diesem Tage eine Flugunwilligkeit der beiden Personen nicht mehr festzustellen war, wurden sie durch Beamte des BGS und des Landes Berlin an Bord des Fluges LH 612 verbracht. Anzeichen, die auf Gewalthandlungen nach dem Start des Flugzeuges hätten schließen lassen können, lagen nicht vor. Zu Frage 83: Unmittelbar nach der Entführung der Boeing 727 am 27. Februar 1985 sind zwischen Vertretern mei- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9411* nes Hauses, des Bundesministers für Verkehr und der Deutschen Lufthansa erste Besprechungen angelaufen mit dem Ziel, ähnliche Entführungsfälle durch abgeschobene Personcn zu vermeiden. Der Bundesminster des Innern wird in Kürze mit Abschiebungen befaßte Stellen des Bundes und der Länder wie auch Verkehrsträger zu einer Besprechung einladen, um mit diesen ein abgestimmtes endgültiges Verfahren für die Zukunft zu erarbeiten. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 84): Hält die Bundesregierung es in Anbetracht der Tatsache, daß während des Smogalarms in Nordrhein-Westfalen Autos, die mit Autogas ausgerüstet waren, von dem geltenden Fahrverbot ausgenommen waren, nicht für dringend erforderlich, Kraftfahrzeuge der öffentlichen Hand (Krankenwagen, Polizei, Busse etc.) ebenfalls generell auf Autogas umzustellen, und wenn ja, welche Schritte hat die Bundesregierung dazu eingeleitet oder wird sie einleiten? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei der Beschaffung neuer Kraftfahrzeuge für die öffentliche Hand nur noch schadstoffarme Kraftfahrzeuge beschafft werden sollten. Sie hat deshalb für ihren Bereich bereits am 3. Oktober 1984 beschlossen, vom Haushaltsjahr 1985 an grundsätzlich nur noch Fahrzeuge zu beschaffen, die die US-Abgasgrenzwerte einhalten. Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost sind aufgefordert, entsprechend zu verfahren. Dabei ist es unerheblich, mit welchen technischen Maßnahmen diese strengen Abgasgrenzwerte erreicht werden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Erhard auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 85): Ist der Bundesregierung bekannt, ob der ehemalige KZ- Arzt von Auschwitz, Josef Mengele, mit in Bayern erwirtschaftetem Geld (u. a. über ein Schweizer Nummernkonto) von seiner Familie unterstützt wurde oder wird? Die Bundesregierung ist mit dem Fall Josef Mengele im Hinblick auf die Leistung von Rechts- bzw. Amtshilfe für die zuständigen deutschen Strafverfolgungsbehörden befaßt oder befaßt worden. Dabei ist der Bundesregierung nichts bekanntgeworden, was darauf hindeutet, daß der ehemalige Lagerarzt Josef Mengele mit in Bayern erwirtschaftetem Geld von seiner Familie unterstützt wurde oder wird. Es entzieht sich auch der Kenntnis der Bundesregierung, ob der gesuchte Mengele Zugang zu einem Schweizer Nummernkonto hat. In diesem Zusammenhang legt die Bundesregierung Wert auf die Feststellung, daß sie mit der Beantwortung der Anfrage nicht dazu beitragen will, daß bestimmte Personen oder eine bestimmte Firma durch eine Art Sippenhaft in ungerechtfertigten Mißkredit gebracht wird. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Erhard auf die Fragen des Abgeordneten Schmidt (München) (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 86 und 87): Welche Anstrengungen haben die Bundesregierung bzw. Dienststellen der Bundesrepublik Deutschland bisher unternommen, um den Aufenthaltsort des früheren KZ-Arztes Dr. Mengele ausfindig zu machen und ihn einem Gerichtsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland zuzuführen? Wurden Geldbeträge für Hinweise auf den Aufenthaltsort Dr. Mengeles von der Bundesregierung bzw. von Dienststellen der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt und gegebenenfalls in welcher Höhe? Zu Frage 86: Staatsminister Dr. Mertes hat in der 117. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Januar 1985 auf eine Frage von Herrn MdB Klose, die sich auf die Lage der Menschen- und Bürgerrechte in Paraguay bezog, bereits die Bemühungen der Bundesregierung im Hinblick auf eine Auslieferung des gesuchten Mengele aus Paraguay dargestellt. Gesicherte Erkenntnisse darüber, daß sich Mengele derzeit in Paraguay aufhält, liegen nicht vor. In der schriftlichen Antwort auf die Frage 87 von Frau MdB Zutt (Anlage 28 zu dem Bericht über die 121. Sitzung des 10. Deutschen Bundestages) ist auch bereits zu den sonstigen Bestrebungen der Bundesregierung und früherer Bundesregierungen, eine Auslieferung des gesuchten Mengele zu erreichen, hingewiesen worden. Die wichtigsten Bemühungen hebe ich nochmals hervor: Auf Anregung der zuständigen Staatsanwaltschaft sind durch die Bundesregierung Ersuchen um Auslieferung bereits 1959 an Argentinien und 1962 an Paraguay gerichtet worden. Argentinien hat die Auslieferung des gesuchten Mengele bewilligt, sah sich jedoch zu einer Festnahme nicht in der Lage. Die paraguayische Justiz hat zuletzt 1984 erneut Haftbefehl gegen Mengele erlassen und bestätigt, daß sie weiter nach ihm fahnde. Auf Anregung der zuständigen Staatsanwaltschaft sind, zunächst gestützt auf den damals gültigen Haftbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 5. Juni 1959 und zuletzt gestützt auf den neuen Haftbefehl des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 1981, insgesamt 13 Fahndungsersuchen an die Regierungen bzw. zuständigen Polizeistellen der Staaten gerichtet worden, in denen nach den Ermittlungserkenntnissen der zuständigen Staatsanwaltschaft und unter Berücksichtigung sonstiger Hinweise ein Aufenthalt des Gesuchten möglich erschien. 9412* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Bei den Bemühungen, den Aufenthaltsort Menge-les in Erfahrung zu bringen, arbeiten die zuständigen Strafverfolgungsbehörden eng mit den deutschen Auslandsvertretungen zusammen. Daneben hält die Bundesregierung ebenso wie die zuständige Staatsanwaltschaft in Sachen Mengele auch Kontakt zu nichtstaatlichen Stellen und Personen, die sich ebenfalls als Verfolger des ehemaligen Lagerarztes von Auschwitz betätigen. Ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesregierung weiter dafür Sorge tragen wird, daß jedem Hinweis auf einen Aufenthaltsort Mengeles mit Sorgfalt und Nachdruck nachgegangen wird. Zu Frage 87: Für Hinweise, die zu einer Ergreifung des gesuchten Mengele führen, war zunächst eine Belohnung von 20 000 DM und später von 50 000 DM durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main ausgesetzt worden. Nach Bewilligung der Mittel durch den Hessischen Minister der Justiz hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main den Auslobungsbetrag für Hinweise zur Ergreifung des gesuchten Mengele am 31. Januar 1985 auf 1 Million Deutsche Mark erhöht. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, daß der Fall Mengele erneut in die Schlagzeilen der Massenmedien gerückt ist. Sonstige Auslobungen deutscher Stellen sind, soweit mir bekannt, nicht erfolgt. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Lennartz (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 88 und 89): Bei welchen Brutto-Arbeitslöhnen hat ein kinderloser verheirateter Alleinverdiener im Jahr 1985 eine durchschnittliche Lohnsteuer-Belastung von 36 v. H. bzw. 49 v. H. bzw. 56 v. H. des Arbeitslohns? Bei welchen Brutto-Arbeitslöhnen würde sich auf Grund des Steuersenkungsgesetzes der Bundesregierung bei einem kinderlosen verheirateten Alleinverdiener im Jahr 1988 eine durchschnittliche Lohnsteuer-Belastung von 36 v. H. bzw. 49 v. H. bzw. 56 v. H. des Arbeitslohnes ergeben? Zu Frage 88: Im Jahr 1985 hat ein kinderloser verheirateter Alleinverdiener (Steuerklasse III/0) eine durchschnittliche Lohnsteuerbelastung nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle von — 36 vom Hundert bei einem Jahresarbeitslohn von 168 012 DM — 49 vom Hundert bei einem Jahresarbeitslohn von 492 876 DM. Die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung bleibt in Steuerklasse III immer unter 56 vom Hundert. Zu Frage 89: Im Jahr 1988 ergibt sich aufgrund des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Steuersenkungsgesetzes bei einem kinderlosen verheirateten Alleinverdiener (Steuerklasse III/0) nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle eine durchschnittliche Lohnsteuerbelastung von — 36 vom Hundert bei einem Jahresarbeitslohn von 202 572 DM — 49 vom Hundert bei einem Jahresarbeitslohn von 597 528 DM. Die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung bleibt in Steuerklasse III immer unter 56 vom Hundert. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Schlatter (SPD) (Drucksache 10/ 2987 Fragen 90 und 91): Bei welchen Einkommen ergibt sich nach der SplittingTabelle 1985 eine durchschnittliche Einkommensteuer-Belastung von 36 v. H. bzw. 49 v. H. bzw. 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens? Bei welchen Einkommen würde sich auf Grund des Steuersenkungsgesetzes der Bundesregierung nach der SplittingTabelle 1988 eine durchschnittliche Einkommensteuer-Belastung von 36 v. H. bzw. 49 v. H. bzw. 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens ergeben? Zu Frage 90: Nach der für den Veranlagungszeitraum 1985 geltenden Einkommensteuer-Splittingtabelle ergibt sich eine durchschnittliche Belastung des zu versteuernden Einkommens von — 36 vom Hundert bei einem zu versteuernden Einkommen von 140 832 DM — 49 vom Hundert bei einem zu versteuernden Einkommen von 424 008 DM. Die Durchschnittsbelastung bleibt immer unter 56 vom Hundert. Zu Frage 91: Aufgrund des Steuersenkungsgesetzes der Bundesregierung ergibt sich nach der für den Veranlagungszeitraum 1988 vorgesehenen Einkommensteuer-Splittingtabelle des Tarifs T 1 A eine durchschnittliche Belastung des zu versteuernden Einkommens von — 36 vom Hundert bei einem zu versteuernden Einkommen von 173 988 DM — 49 vom Hundert bei einem zu versteuernden Einkommen von 528 660 DM. Die Durchschnittsbelastung ist immer geringer als 56 vom Hundert. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Schroeder (Freiburg) (CDU/ CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 92 und 93): Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9413* Wie beurteilt die Bundesregierung Berichte, daß in Hessen bei 43 als Großbetriebe eingestuften Kreditinstituten noch nie eine steuerliche Betriebsprüfung stattgefunden hat, und weiche Konsequenzen hat das Bundesamt für Finanzen daraus gezogen? Welche finanziellen Auswirkungen hatten die Steuerausfälle des vergangenen Jahres auf den Länderfinanzausgleich für das Bundesland Hessen und die übrigen Bundesländer? Zu Frage 92: Der Bundesregierung sind die auf Grund unzureichender Personalausstattung entstandenen Prüfungslücken in Hessen seit 1981 bekannt. Die auch durch den Bundesrechnungshof in seinem 1984 erstatteten Bericht geschilderten Verhältnisse haben den Bundesminister der Finanzen veranlaßt, mehrfach auf eine Verbesserung der Prüfungslage in Hessen hinzuwirken. Der Bundesminister der Finanzen ist der Ansicht, daß eine unzureichende Betriebsprüfung die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden kann. Allerdings haben die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder über die in diesem Zusammenhang notwendigen organisatorischen und personellen Maßnahmen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Das Bundesamt für Finanzen hat für 1984 festgestellt, daß auch zum 31. Dezember 1984 bei hessischen Kreditinstituten zahlreiche Steuerabschnitte ungeprüft verjähren würden. Es hat deshalb 28 bedeutendere Kreditinstitute ausgewählt und die Oberfinanzdirektion Frankfurt gemäß § 19 Absatz 1 Finanzverwaltungsgesetz aufgefordert, bei diesen namentlich genannten Betrieben rechtzeitig vor Jahresende die bevorstehende Verjährung durch Einleitung einer Betriebsprüfung zu unterbrechen. Die hessischen Finanzbehörden haben sich jedoch nicht in der Lage gesehen, bei mehr als 5 Banken vor Ende 1984 mit der Prüfung zu beginnen. Für 1985 hat der Bundesminister der Finanzen den Hessischen Finanzminister gebeten, die Fälle mitzuteilen, in denen in diesem Jahr voraussichtlich Verjährung eintreten wird. Zu Frage 93: Die Steuerausfälle im Jahre 1984 wegen nicht ausreichender Betriebsprüfungen in Hessen lassen sich nicht errechnen. Auf Grund der Mehrergebnisse bei tatsächlich durchgeführten Prüfungen sind kaum verläßliche Schätzungen möglich. Rechnete man das vom Bundesrechnungshof in seinem Bericht angegebene Mehrergebnis pro Besteuerungszeitraum hoch, so läge der Steuerausfall für 1984 bei rund 55 Millionen DM, wobei es sich insbesondere um Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer handelt. Die Bundesregierung kann sich diese Schätzung jedoch nur mit Vorbehalt zu eigen machen. Bei einer ebenfalls geschätzten Aufteilung nach Steuerarten dürften durch die vertikale Steuerverteilung von diesen Ausfällen auf den Bund rund 20,5 Millionen DM, das Land Hessen rund 22,7 Millionen DM, die hessischen Gemeinden rund 11,8 Millionen DM entfallen. Die für Hessen rechnerisch zu verzeichnenden Steuerausfälle hätten beim Länderfinanzausgleich durch die Senkung des Länderdurchschnitts und die Finanzkraftverschlechterung Hessens gegenüber dem Länderdurchschnitt zur Folge, daß sich die Ausgleichsverpflichtung von Hessen um rund 12,4 Millionen DM (einschließlich horizontaler Umsatzsteuerausgleich) vermindert. Daraus ergäben sich bei den anderen Ländern entsprechende Mindereinnahmen. Steuerausfälle Hessens oder die Mindereinnahmen der anderen Länder durch den horizontalen Ausgleich wirken sich auch beim kommunalen Finanzausgleich aus. Nach der Modellrechnung würden sich unter Berücksichtigung des Länderfinanzausgleichs und des kommunalen Finanzausgleichs die für 1984 geschätzten Steuerausfälle von rund 55 Millionen DM in ihrer endgültigen Belastung wie folgt darstellen: Land Hessen rund 8,0 Millionen DM hessische Gemeinden rund 14,1 Millionen DM übrige Länder einschließlich Stadtstaaten rund 10,0 Millionen DM Gemeinden in anderen Ländern ohne Stadtstaaten rund 2,4 Millionen DM Bund rund 20,5 Millionen DM zusammen rund 55,0 Millionen DM Nach dieser Modellrechnung träfen im Ergebnis die finanziellen Auswirkungen der unterbliebenen Steuererhebung mit 20,5 Millionen DM den Bund und mit 12,4 Millionen DM die anderen Länder einschließlich Gemeinden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Frage des Abgeordneten Amling (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 94): Welche ökonomischen Erkenntnisse und beschäftigungspolitischen Überlegungen der Bundesregierung sind ursächlich dafür, daß sie zwar an Städte und Gemeinden appeliert, zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit die kommunalen Investitionen zu erhöhen, es gleichzeitig aber nach wie vor ablehnt, selbst beschäftigungspolitisch motivierte Investitionsprogramme aufzulegen? Die Sachinvestitionen der Gemeinden sind von einem Höchststand im Jahre 1980 mit 41,2 Milliarden DM auf etwa 31 Milliarden DM im letzten Jahr gesunken. Dies entspricht einem Rückgang um 25 vom Hundert. Mittlerweile hat sich die Haushaltslage zahlreicher Gemeinden soweit entspannt, daß die kommunale Ebene insgesamt 1984 erstmals in der Geschichte unseres Staates sogar Überschüsse erzielt hat. Die Bundesregierung unterstützt den Deutschen Städtetag in seiner Einschätzung, die Gemeinden sollten einen wieder vorhandenen Investitionsspielraum nutzen. Für den Bundeshaushalt werden — wegen der ungünstigen Erfahrungen in der Vergangenheit — 9414* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 keine Konjunkturprogramme erwogen. Der finanzpolitische Handlungsspielraum ist durch die hohen Zinsbelastungen — 11 vom Hundert der Ausgaben des Bundes 1984 ansteigend auf 13 1 /2 vom Hundert bis 1988 — noch auf Jahre begrenzt. Dennoch sind die Sachinvestitionen des Bundes seit 1982 leicht angestiegen. Für 1985 ist sogar eine kräftige Zunahme vom 10 vom Hundert eingeplant. Im übrigen erwartet die Bundesregierung von einer Belebung der marktwirtschaftlichen Kräfte, unterstützt durch investive Verbesserungen der öffentlichen Haushalte, eine nachhaltigere Stärkung der wirtschaftlichen Erholung und eine verläßlichere Sicherung der Arbeitsplätze als von Konjunkturprogrammen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Frage des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 95): Gibt es über Artikel 53 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut hinaus rechtliche Grenzen für die Durchsetzung der Einhaltung der deutschen Rechtsvorschriften in bezug auf die Lagerung von Treibstoffen durch die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten amerikanischen Truppen? Die Streitkräfte der Entsendestaaten sind verpflichtet, das deutsche Recht zu achten. Diese Verpflichtung ist im Artikel II des NATO-Truppenstatutes niedergelegt. In bezug auf die Lagerung von Treibstoffen sind insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz sowie die landesrechtlichen Vorschriften über das Lagern wassergefährdender Stoffe maßgebend. Dem in diesen Vorschriften niedergelegten Standard müssen die Anlagen der ausländischen Streitkräfte entsprechen. Zwar gestatten ihnen die völkerrechtlichen Vereinbarungen, der Artikel 53 Absatz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, ihre eigenen Vorschriften anstelle der deutschen anzuwenden, jedoch nur, wenn und soweit ihre Vorschriften mindestens gleichwertige Anforderungen wie das deutsche Recht stellen. Eine Durchsetzung der Anforderungen des deutschen Rechts kann allerdings wegen der völkerrechtlichen Immunität, welche die Streitkräfte der Entsendestaaten genießen, nicht mit Mitteln des Verwaltungszwanges erreicht werden. Sie muß im Wege der Zusammenarbeit zwischen deutschen Behörden und den Dienststellen der Streitkräfte erfolgen, wie dies in den Artikeln 3 und 53 des Zusatzabkommens im einzelnen geregelt ist. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Huonker (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 96 und 97): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß das Tanklager der amerikanischen Truppen auf der Gemarkung Asperg/ Ludwigsburg den deutschen Rechtsvorschriften in bezug auf die Lagerung von Treibstoffen nicht entspricht, und kann sie die Gründe dafür nennen, warum es der zuständigen Oberfinanzdirektion trotz mehrfacher Ölunfälle in den vergangenen Jahren noch immer nicht gelungen ist, eine den deutschen Vorschriften entsprechende Sanierung dieses Tanklagers durchzusetzen? Was kann und wird die Bundesregierung tun, um eine unverzügliche, den deutschen Vorschriften in bezug auf die Lagerung von Treibstoffen entsprechende Sanierung des Tanklagers der amerikanischen Streitkräfte in Asperg/Kreis Ludwigsburg durchzusetzen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß das US-Treibstofflager Ludwigsburg-Osterholz sanierungsbedürftig ist. Sie hat den Zustand des Treibstofflagers wiederholt beanstandet. Die amerikanischen Streitkräfte haben daraufhin der deutschen Bauverwaltung 1983 einen Auftrag zur Planung und Durchführung einer Sanierung des Treibstofflagers erteilt. Der amerikanische Kongreß hat jedoch die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen zunächst zurückgestellt. Unabhängig davon wird im Auftrag der amerikanischen Streitkräfte von der deutschen Bauverwaltung eine Abwassersystemstudie für das Treibstofflager erarbeitet. Das Ergebnis soll in Kürze vorliegen. Durch die Einschaltung der deutschen Bauverwaltung wird sichergestellt, daß die deutschen Vorschriften für die Lagerung von Treibstoffen entsprechend berücksichtigt werden. Nach Vorliegen des Ergebnisses der Abwassersystemstudie wird sich die Bundesregierung erneut mit den amerikanischen Streitkräften in Verbindung setzen und darauf drängen, daß die Sanierungsmaßnahmen im Treibstofflager beschleunigt durchgeführt werden. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau) (CDU/ CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 98 und 99): Welches sind die Motive, den Verkauf von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle bei gemeinnützigen Vereinen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belasten, und wie hoch sind die steuerlich erfaßten bzw. die — nach Schätzungen der Bundesregierung — nicht erfaßten (und nicht versteuerten) Umsätze? Ist die Bundesregierung bereit, im Hinblick unter anderem auf eventuell auch arbeitsplatzgefährdende Wettbewerbsverzerrungen, die Privilegierung der Zweckbetriebe hinsichtlich des Verkaufs von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle zu beseitigen, und wenn nein, beabsichtigt die Bundesregierung, im Bereich sogenannter geselliger Veranstaltungen weitere Privilegierungen bezüglich des Verkaufs von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle einzuräumen? Zu Frage 98: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von derzeit Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9415* 7 vom Hundert die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung verfolgen. Der ermäßigte Steuersatz kann insbesondere auch für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle durch steuerbegünstigte Körperschaften in Betracht kommen. Die Steuerermäßigung beschränkt sich indessen grundsätzlich auf Speisen- und Getränkelieferungen, die im Rahmen sogenannter vereinsinterner Geselligkeit bewirkt werden. Dabei wird angenommen, daß die steuerbegünstigte Tätigkeit der Körperschaften in aller Regel untrennbar mit einer gewissen Geselligkeit verbunden ist. Wird der Rahmen sogenannter vereinsinterner Geselligkeiten überschritten, so unterliegen die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz. Das trifft zum Beispiel für die Bewirtungsumsätze in Vereinsgaststätten zu, die als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe angesehen werden. Statistische Unterlagen über die steuerermäßigten Bewirtungsumsätze, die im Rahmen steuerbegünstigter Zweckbetriebe bewirkt werden, liegen nicht vor. Es ist auch kaum zu schätzen, inwieweit derartige Umsätze nicht der Besteuerung unterworfen werden. Zu Frage 99: Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die Umsatzsteuerermäßigung für die Leistungen von Zweckbetrieben steuerbegünstigter Körperschaften hinsichtlich der Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle zu beseitigen. Denn durch die Umsatzsteuerermäßigung können sich schon wegen der engen Abgrenzung der Zweckbetriebe keine arbeitsplatzgefährdenden Wettbewerbsverzerrungen ergeben. Ein gewisser Wettbewerb, der sich bei der Lieferung von Speisen und Getränken im Rahmen von geselligen Veranstaltungen steuerbegünstigter Körperschaften ergibt, wird den Unternehmern vom Gesetz zugemutet. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, für sogenannte gesellige Veranstaltungen für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle weitere Umsatzsteuervergünstigungen einzuführen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen) (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 100 und 101): Wie beurteilt die Bundesregierung die Warnung des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs — Institut für Wirtschaftsforschung —, daß ein Rückzug der Mineralölunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland aus der Rohölverarbeitung zu beachtlichen Gefahren führen kann, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Ist die Bundesregierung endlich bereit, durch konkrete Maßnahmen dazu beizutragen, daß der Grad unserer Importabhängigkeit nun nicht auch noch bei Mineralöl-Fertigprodukte unangemessen und unvertretbar steigt? Zu Frage 100: Die Bundesregierung legt schon aus Gründen der Versorgungssicherheit Wert darauf, daß die inländische Rohölverarbeitung auch in Zukunft das Rückgrat unserer Mineralölversorgung bleibt. Sie tritt daher in Brüssel dafür ein, daß sich der Abbau der Überkapazitäten in Westeuropa nicht ungleichgewichtig auf den deutschen Markt konzentriert, sondern in allen Ländern der Gemeinschaft ausgewogen vollzogen wird. Dazu gehört, daß durch eine Harmonisierung der Umweltschutzvorschriften vergleichbare Wettbewerbsbedingungen geschaffen und staatliche Eingriffe in den Markt zum Schutz der jeweiligen Raffinerieindustrie abgebaut werden. Zu Frage 101: Der Anteil importierter Mineralölprodukte an unserer Ölversorgung hat 1984 gegenüber dem Vorjahr nicht mehr zugenommen. Unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit muß im übrigen berücksichtigt werden, daß es sich bei den Einfuhren zum Teil um Ölrückstände, sogenannte Feedstocks, für deutsche Weiterverarbeitungsanlagen handelt und ein Großteil der Importe aus Raffinerien entlang der Rheinschiene stammt. Die Bundesregierung steht mit allen Beteiligten in ständigem Kontakt, um auch für die Zukunft Fehlentwicklungen vorzubeugen. Dazu gehören Beratungen noch in dieser Woche auf deutschen Antrag im Energierat in Brüssel und in der Internationalen Energieagentur noch vor der Sommerpause. Außerdem wird der Bundeswirtschaftsminister Ende April den gesamten Fragenkreis mit den Vorständen der Mineralölindustrie erörtern. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Bamberg (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 102): Ist der Bundesregierung bekannt, daß österreichische Firmen, vor allem Baufirmen, spezifische Wettbewerbsvorteile ausnützend verstärkt gerade im Grenzgebiet um deutsche Aufträge werben, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, vor allem zum Schutz der nicht nur im Grenzgebiet, sondern in ganz Bayern betroffenen Baufirmen, gegen die von den Österreichern eingeleiteten Werbemaßnahmen vorzugehen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich österreichische Baufirmen vor allem im bayerischen Grenzgebiet um deutsche Aufträge bemühen. So hat die Bundesregierung auf Grund Ihrer Frage festgestellt, daß der österreichische Handelsdelegierte in München Ende Januar in einer Briefaktion Architekten in Bayern nach ihren Interessen an Zusammenarbeit mit österreichischen Handwerkern gefragt hat. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es den österreichischen Handelsdelegierten nicht verwehrt werden kann, sich entsprechend ihrer Aufgabe, um Information zu bemühen, 9416* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 die für österreichische Lieferanten von Waren und Dienstleistungen von Interesse sind. Die Bundesregierung sieht deshalb keine Veranlassung, wegen der von Ihnen angesprochenen Wettbewerbsvorteile gegen österreichische Werbemaßnahmen vorzugehen. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß österreichische Unternehmen des Baugewerbes, die in Bayern tätig werden wollen, bedürfen für die Beschäftigung ihrer österreichischen Arbeitnehmer in Bayern einer Arbeitserlaubnis. Die gegenwärtige Praxis bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis trägt der Situation der bayerischen Bauwirtschaft Rechnung. Die illegale Beschäftigung von österreichischen Arbeitnehmern wird erfolgreich bekämpft. Angesichts dessen haben Wettbewerbsvorteile auf Grund des Niveaus der österreichischen Lohnkosten, soweit sie derzeit überhaupt noch existieren, kein entscheidendes Gewicht mehr. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Schröder (Hannover) (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 103 und 104): Steht der Computer-Typ IBM 370/158 auf der COCOM-Liste, und wenn nein, was hindert das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Eschborn daran, die Ausfuhr eines solchen Computers als Geschenk an die Universität Wroclaw (Breslau) unbürokratisch und schnell zu genehmigen? Falls dieser Computer-Typ auf der COCOM-Liste steht, welche Möglichkeiten sieht das Bundesministerium für Wirtschaft, einen solchen Computer dennoch an die Universität Wroclaw (Breslau) zu verschenken, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Gerät in Westeuropa nur noch Schrottwert hat und die Universität Wroclaw (Breslau) schriftlich bereits garantiert hat, diesen Computer ausschließlich zu Forschungs- und didaktischen Zwecken zu nutzen? Zu Frage 103: Nach dem Antrag auf Ausfuhrgenehmigung handelt es sich um ein Computersystem IBM 370/158 mit Peripherie (nicht 370/108). Die technischen Werte dieses Systems überschreiten die Grenzwerte der Ausfuhrliste-Nummer 1565. Deshalb bedarf die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung vorheriger internationaler Zustimmung (COCOM). Hierzu hatte ich Ihnen gegenüber bereits mit meinem Schreiben vom 7. Februar 1985 ausführlich Stellung genommen. Zu Frage 104: Die Antragsteller Klaus Eckermann, Dr. Karlheinz Eckert, Hannover, wurden im Februar 1985 erneut vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Eschborn aufgefordert, die für die Einleitung des internationalen Abstimmungsverfahrens erforderlichen technischen Daten des EDV-Systems mitzuteilen. Ohne Kenntnis der genauen Daten ist eine Antragstellung nicht möglich. Der Antragsteller steht mit dem zuständigen Bundesamt hierüber in Verbindung. Die besonderen Umstände des Falles (gebrauchter Computer, Geschenk) und die Zusicherung der zivilen Verwendung sind geeignet, den Erhalt der internationalen Zustimmung zu erleichtern, sie entbinden uns aber nicht davon, eingegangene Verpflichtungen einzuhalten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 105 und 106): Gilt in der Stromwirtschaft das Marktprinzip, und mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung ggf. dafür eintreten, das Marktprinzip in der Stromwirtschaft verstärkt zur Geltung zu bringen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß öffentliche und private Investitionen für die Einsparung von Energie und für umweltfreundliche Erzeugungsformen absoluten Vorrang haben müssen vor solchen Investitionen, die der Energieerzeugung in Großkraftwerken dienen, und mit welchen Maßnahmen wird sie diese Ziele bejahendenfalls unterstützen? Zu Frage 105: Die Bundesregierung ist bemüht, dem Marktprinzip so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Dies gilt auch für den Bereich der Stromwirtschaft. Technisch-ökonomische Besonderheiten lassen hier jedoch einen voll am Wettbewerb orientierten Ordnungsrahmen nicht in demselben Umfang zu, wie in den meisten anderen Bereichen der Wirtschaft. Der Gesetzgeber hat daher Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft die Möglichkeit belassen, mittels wettbewerbsbeschränkender Abreden das herkömmliche System geschlossener Versorgungsgebiete aufrecht zu erhalten. Durch die 4. GWB-Novelle wurde dieses System zwar aufgelockert, im Grundsatz aber beibehalten. Gleichzeitig haben Bundestag und Bundesrat die Bundesregierung um Prüfung und Berichterstattung über etwaige weitere Möglichkeiten zur Verstärkung des Wettbewerbs in diesem Bereich gebeten. Die Bundesregierung beabsichtigt, den Bericht noch in dieser Legislaturperiode vorzulegen. Festlegungen inhaltlicher Art existieren noch nicht. Zu Frage 106: Zwischen Energieeinsparung und umweltfreundlichen Erzeugungsformen von Energie einerseits und der Energieerzeugung in Großkraftwerken andererseits besteht kein genereller Gegensatz. Für die Emissionen aus Kraftwerken sind in der Großfeuerungsanlagen-Verordnung niedrige Grenzwerte festgelegt; die Energiewirtschaft führt die erforderlichen Nachrüstungen zügig durch. Öffentliche und private Investitionen im Energieeinsparbereich haben in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, daß der Primärenergieverbrauch 1984 sich etwa auf dem gleichen Niveau bewegte wie 1973, während das Bruttosozialprodukt im gleichen Zeitraum um gut 20 % gestiegen ist. Die vorliegenden Prognosen gehen davon aus, daß auch Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9417* in Zukunft der Primärenergieverbrauch weniger steigen wird als das Bruttosozialprodukt. Die Bundesregierung fördert seit langem Investitionen zur Energieeinsparung und rationellen Energieerzeugung durch Zuwendungen und steuerliche Hilfen, z. B. durch die Abschreibungsmöglichkeiten des § 82 a EStDV, die Investitionszulage nach § 4 a InvZulG oder das Kohle-Heizkraftwerks- und Fernwärmeausbauprogramm. Bei ihrer Förderpolitik im Einsparbereich betrachtet die Bundesregierung die längerfristige Wirtschaftlichkeit der Projekte als wichtige Voraussetzung. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, daß für eine umweltfreundliche und Ressourcen schonende sichere Energieversorgung Energieeinsparinvestitionen ebenso notwendig sind wie die Stromerzeugung aus umweltfreundlichen Großkraftwerken. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 107): Wie beurteilt die Bundesregierung die weitere Entwicklung der Bauwirtschaft (Bauindustrie und Baugewerbe), und was wird sie unternehmen, um mitzuhelfen, Betriebe und Arbeitsplätze in den kommenden Monaten zu erhalten? Die Bauwirtschaft befindet sich mitten in einem strukturellen Anpassungsprozeß, bei dem sich vor allem die im Wohnungsbau tätigen Unternehmen auf geänderte Marktverhältnisse einstellen müssen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß mit dem sich abzeichnenden Wiederanstieg der Bautätigkeit im öffentlichen Bereich und bei einer sich verstärkenden Baunachfrage der Wirtschaft der unumgängliche Anpassungsprozeß abgefedert wird. In Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden bemüht sich die Bundesregierung derzeit darum, daß die Kommunen, die zwei Drittel der öffentlichen Bauaufträge vergeben, ihre durch die Konsolidierungserfolge gewonnenen Spielräume jetzt nutzen, um sinnvolle und notwendige Bauinvestitionsvorhaben zügig in Angriff zu nehmen. Für den Wohnungsbau geht die Bundesregierung davon aus, daß am ehesten der verbreitete Wunsch nach Wohneigentum der Nachfrage in diesem Bereich Impulse verleihen wird. Der Gesetzentwurf zur künftigen steuerlichen Behandlung des selbstgenutzten Wohneigentums, der in Kürze vorgelegt wird, trägt dem ebenso Rechnung wie der Beschluß, die Bundesmittel im sozialen Wohnungsbau auf die Bildung von Eigentum zu konzentrieren. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Dreßler (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 108): Wie beurteilt die Bundesregierung die Beschäftigungssituation in der Automobilindustrie, und hält die Bundesregierung es für wahrscheinlich, daß Unternehmen der Automobilindustrie in den nächsten Monaten Kurzarbeit anmelden müssen? In der deutschen Automobilindustrie sind im letzten Jahr zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Die Produktion befindet sich auf hohem Nive au. Im Hinblick auf die künftige Entwicklung ist zu berücksichtigen: Der Export, der weit über die Hälfte der Produktion der deutschen Automobilindustrie ausmacht — davon mehr als 50 % in EG-Mitgliedstaaten läuft weiterhin auf hohen Touren. Die Inlandsnachfrage nach Pkw hat sich nach einer vorübergehend schwächeren Phase im letzten Quartal 1984 zu Beginn des neuen Jahres wieder deutlich gebessert und liegt nur noch knapp unter Vorjahresniveau. Die weitere Entwicklung beurteilt die Bundesregierung entsprechend optimistisch. Sie vertraut dabei auf eine baldige EG-einheitliche Regelung für die Einführung umweltfreundlicher Pkw. Die Bundesregierung ist sich bei dieser Beurteilung jedoch bewußt, daß die Situation bei den einzelnen Unternehmen durchaus unterschiedlich ist, und sie weiß auch, daß die Automobilkonjunktur insgesamt — bei der Inlands- wie bei der Auslandsnachfrage — ein empfindliches Phänomen ist. Insgesamt hat die Bundesregierung aber gegenwärtig kein Indiz, daß in der Automobilindustrie in größerem Umfang Kurzarbeit droht. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 109 und 110): Wie hoch ist das durch das Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in etwa geförderte Investitionsvolumen, und welche Auswirkungen hat eine eventuelle Verweigerung der Maßnahmen durch die EG für die hiervon begünstigten mittelständischen Unternehmen (z. B. Investitionsausfall, Beschäftigung, technologische Entwicklung und internationale Wettbewerbsfähigkeit)? Welcher Anteil der von der Bundesregierung getätigten Mittelstandsförderung würde durch den endgültigen Ausfall des Programms wegfallen? Bemessungsgrundlage für die personalbezogene Förderung von Forschung und Entwicklung ist der Personalaufwand der mit Forschung und Entwicklung befaßten Mitarbeiter in den Unternehmen. Dieser Aufwand betrug 1983 bei den geförderten Unternehmen knapp 2 Milliarden DM. Investitionen im Forschungsbereich werden durch andere 9418* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 Maßnahmen wie z. B. FuE-Investitionszulage gem. § 4 InvZulG oder Sonderabschreibungen begünstigt. Der Personalzuschuß wird für laufende FuE-Vorhaben auf der Basis der für das vorausgegangene Jahr nachgewiesenen FuE-Personalaufwendungen gewährt. Die Zuwachsförderung bezieht sich auf neu eingestelltes FuE-Personal und soll 60 % der in den ersten 15 Monaten anfallenden Löhne und Gehälter betragen. Nach Schätzung des BMFT sollen damit jährlich rund 3 000 Neueinstellungen gefördert werden. Eine qualifizierte Bewertung der Situation, die bei einem sofortigen und vollständigen Wegfall entstehen würde, ist wegen der differenzierten Verhältnisse in den einzelnen Unternehmen nicht möglich. Mit Sicherheit würde jedoch der unvorhergesehene Ausfall einer Zuwendung, deren Verwendung im Unternehmen eingeplant war, nachteilige Auswirkungen hinsichtlich deren Innovationsbemühungen auslösen. Die Bereitschaft zu Neueinstellungen würde ebenso beeinflußt wie die für zusätzliche Investitionen. Der Anteil des FuE-Personalkostenzuschußprogramms an den insgesamt vom Bundesminister für Wirtschaft zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft ausgegebenen Mittel beträgt rund 50%. Allerdings wird nicht damit gerechnet, daß die Kommission die Zustimmung zur Fortsetzung ganz oder zu ihrem wesentlichen Teil verweigert. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Hansen (Hamburg) (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 111 und 112): Mit welchem Mittelabfluß rechnet die Bundesregierung im Jahr 1985 für das Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministers für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie? Wieviel Personal (unterteilt nach Wissenschaftlern, Technikern, übrigem Personal) ist bis jetzt auf Grund des Programms eingestellt worden (getrennt nach den beiden Teilprogrammen)? Die Bundesregierung hat bei der Beratung des Haushaltsentwurfs 1985 und der mittelfristigen Finanzplanung beschlossen, die Richtlinien für beide Maßnahmen aufeinander abzustimmen und die Förderbedingungen an den Haushaltsrahmen anzupassen. Für 1985 sind im Haushaltsplan 09 des BMWi für den Personalkostenzuschuß 380 Millionen DM, im Haushaltsplan 30 des BMFT für die Zuwachsförderung 55 Millionen DM vorgesehen. Die Mittel für den Personalkostenzuschuß werden in voller Höhe ausgegeben werden. Selbst für den Fall, daß sich aufgrund des bei der EG anhängigen Beihilfeprüfungsverfahrens Verzögerungen ergeben sollten, werden 1985 mindestens noch Mittel in Höhe von rund 290 Millionen DM zur Erledigung von Aufträgen aus dem Vorjahr benötigt. Ebenfalls wird damit gerechnet, daß die Mittel in Höhe von 55 Millionen DM aus dem Haushalt des BMFT abfließen, da die Sachverhalte, aufgrund deren Zuwendungen gewährt werden, sich auf das jeweilige Vorjahr beziehen. Eine halbjährliche Verzögerung der Antragsbearbeitung wird von der für die Antragsbearbeitung zuständigen Stelle der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen, weitgehend aufgefangen werden können. Nach Schätzungen des mit der Begleitforschung beauftragten Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung der Fraunhofer-Gesellschaft wurde 1982 von knapp 40 % aller geförderten Unternehmen die FuE-Personalkapazität erhöht, insgesamt um etwa 2 800 Vollzeit-FuE-Mitarbeiter. Diese Ausweitung der Kapazität erfolgte zu einem Drittel in Form von Neueinstellungen. Dies bedeutet, daß in diesem Jahr rund 1000 Mitarbeiter für FuE zusätzlich eingestellt wurden. Eine detaillierte Statistik über die Zusammensetzung des FuE-Personals liegt nicht vor. Aufgrund der Ergebnisse der Begleitforschung kann jedoch davon ausgegangen werden, daß es sich bei den Neueinstellungen vorwiegend um wissenschaftliches und technisches Personal handelt. Für die Zuwachsförderung liegen noch keine Erkenntnisse vor, da für diesen Teil der Förderung bisher Anträge nicht gestellt werden konnten. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Vosen (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 113 und 114): Welche Alternativen zieht die Bundesregierung in Erwägung, wenn die EG-Kommission die Zustimmung zu dem Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE- Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie verweigert? Wie beurteilt die Bundesregierung die möglichen Mitnahmeeffekte von Alternativen angesichts der Tatsache, daß das Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung der Fraunhofer-Gesellschaft den Mitnahmeeffekt der gestoppten Teilprogramme mit 40 v. H. bewertet? Zu Frage 113: Die Bundesregierung sieht zur Zeit keinen Anlaß, Alternativen zur personalbezogenen FuE-Förderung in Erwägung zu ziehen. Sie hält das Programm zur Gewährung von FuE-Personalkostenzuschüssen nach wie vor als geeignetes Element einer wachstums- und beschäftigungsorientierten Forschungspolitik, das auch im gesamteuropäischen Interesse ist. Sie rechnet nicht damit, daß die Kommission der EG die vorgesehene Förderung insgesamt ablehnen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9419* wird. Sie stützt diese Beurteilung auf folgende Argumente: 1. In ihrem Schreiben vom 27. Februar 1985, in dem die Kommission die deutsche Bundesregierung über ihre Entscheidung unterrichtet, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, erhebt sie Bedenken gegen die Ausgestaltung einzelner Elemente der vorgesehenen Beihilferegelung (Förderungsdauer beim Grundprogramm, Förderhöhe und Einbeziehung größerer Unternehmen bei der Zuwachsförderung, Abgrenzung von FuE bei Software-Unternehmen), nicht jedoch gegen das Konzept als solches. 2. Auch andere Länder der EG wie Frankreich und Belgien praktizieren eine personalbezogene FuE-Förderung auf steuerlichem Weg. Insgesamt gibt es, wie die OECD vor kurzem berichtete, in den wichtigsten westlichen Industriestaaten einen zunehmenden Trend, Förderinstrumente einzusetzen, die den Unternehmen einen angemessenen Spielraum bei der Festsetzung ihrer FuE-Prioritäten einräumen (indirekte Forschungsförderung). 3. Die Kommission der EG hat wiederholt zu erkennen gegeben, daß sie Beihilfen, die geeignet sind, die Nachteile kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunternehmen auszugleichen, grundsätzlich positiv beurteilt. Die damit verbundene Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen kommt der Stärkung der europäischen Wirtschaft insgesamt zugute. Die Bundesregierung geht davon aus, daß in Verhandlungen mit den Dienststellen die Kommission der EG sich dem deutschen Standpunkt anschließt und daß ein vertretbarer Kompromiß gefunden wird. Zu Frage 114: Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß auch bei indirekten Fördermaßnahmen Mitnehmereffekte nicht auszuschließen sind. So hat das mit der Begleitforschung beauftragte Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) der Fraunhofergesellschaft festgestellt, daß vermutlich rund 60 % des Programmvolumens des Programms für zusätzliche FuE- und Innovationsaufwendungen verwendet worden sind, während die übrigen 40 % für Vorhaben der Unternehmen genutzt wurden, die auch ohne den Zuschuß verwirklicht worden wären. Damit ergibt sich ein Wirkungsgrad, wie er auch für die indirekte FuE-Förderung in Kanada festgestellt wurde, und liegt über demjenigen in den USA und Schweden. Gleichwohl hat die Bundesregierung die Möglichkeiten, die Mitnahmeeffekte weiter zu reduzieren, bei der Überarbeitung der Richtlinie genutzt. Es wurde die Anregung im ISI-Gutachten aufgegriffen, Mißbrauchmöglichkeiten bei der Auslegung der FuE-Definition einzuschränken, indem die Löhne und Gehälter des nur mittelbar mit Forschung und Entwicklung befaßten Personals nur noch mit einem geringen Anteil angerechnet werden können. In die gleiche Richtung zielt die Regelung, daß Personalaufwendungen von Mitarbeitern nur noch dann berücksichtigt werden, wenn prüffähige Stundennachweise vorliegen. Bisher gnügte bei Erstantragstellern eine plausible Schätzung. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Stahl (Kempen) (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 115 und 116): In welcher Weise hat sich die Bundesregierung seit dein Kabinettbeschluß über das Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie im September 1984 bis zum Beginn des Haushaltsjahres 1985 für die Zustimmung zu den Programmen eingesetzt? Zu welchem Zeitpunkt wird nach Auffassung der Bundesregierung die Zustimmung der EG-Kommission (getrennt nach den beiden Teilprogrammen) erteilt werden? Die Bundesregierung hat auf der Basis des Kabinettbeschlusses vom 26. September 1984 Förderrichtlinien erarbeitet. Diese wurden mit Schreiben vom 22. November 1984 der EG notifiziert. Die Bundesregierung ging aufgrund der bisherigen Notifizierungspraxis davon aus, daß in dem Zweimonatszeitraum, der der Kommission für eine Prüfung der Beihilferegelung zusteht, ausreichend Gelegenheit sein würde, eventuelle Fragen der Kommission zu den geplanten Maßnahmen zu beantworten. Die Bundesressorts waren darauf eingestellt, über Detailfragen mit den Dienststellen der Kommission unverzüglich in ein Gespräch einzutreten. Die mit Fernschreiben vom 17. Dezember 1984 von der EG gestellten Zwischenfragen wurden bereits am 21. Dezember 1984 beantwortet. Die Fragen ließen nicht erkennen, daß mit Bedenken seitens der EG-Kommission zu rechnen war. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Bedenken der Kommission Anfang Februar 1985 hat die Bundesregierung informell Kontakt mit deren Dienststellen aufgenommen, um über Art und Inhalt der Bedenken informiert zu werden. Unter Hinweis auf ein Urteil des EuGH aus jüngerer Zeit (Claes-Plan) hat die Kommission allerdings Verhandlungen zur Abwendung des Prüfverfahrens abgelehnt. Die Bundesregierung unterstützt die EG-Kommission bei einer strikten Beihilfskontrolle. Das bedeutet, daß wir diese Kontrolle auch gegenüber eigenen Beihilfe-Regelungen gelten lassen müssen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß das formale Verfahren für das von der Bundesregierung modifizierte, in seinen beiden Programmelementen aufeinander abgestimmte Gesamtkonzept wegen der vom EWG-Vertrag vorgeschriebenen Beteili- 9420* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 gung der anderen Mitgliedstaaten und sonstigen Interessierten mehrere Monate in Anspruch nehmen wird. Sie wird alles in ihren Kräften Stehende tun, damit das Verfahren rasch und zügig abgeschlossen werden kann. Sie hat dies auch der Kommission gegenüber zum Ausdruck gebracht, zuletzt im Gespräch zwischen Kommissar Sutherland und Minister Bangemann am 5. März 1985. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Grunenberg (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 117 und 118): Was geschieht, wenn die EG-Kommission ihre Zustimmung zu dem Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie verweigert, mit den Firmen, die an dem Programm teilnehmen und auf Grund des nachträglichen Finanzierungsmodus ihre Vorleistungen nicht erstattet bekommen? Wie wirkt sich die Intervention der EG-Kommission bei eventueller Nichtzustimmung auf die an dem Programm teilnehmenden Firmen unter Berücksichtigung verschiedener Branchen- und Betriebsgrößenklassen aus? Die Bundesregierung geht davon aus, daß beide Programmbestandteile auch die Intention der EG- Kommission zur Förderung von Forschung und Entwicklung sowie zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen widerspiegeln, da die EG-Kommission nur bestimmte Merkmale der Beihilferegelung, nicht aber das Programm als solches beanstandet. Sollten sich die Vorstellungen der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit nicht durchsetzen lassen, so sind sicher Kompromißlösungen möglich, die die Ausgestaltung der Fördermaßnahme im Detail betreffen, sie insgesamt jedoch nicht in ihren wesentlichen Grundzügen tangieren. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß sich das Problem der Erstattung welcher Vorleistungen auch immer nicht stellt. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft bemüht sein, verläßliche und klare Rahmenbedingungen für unternehmerische Entscheidungen im Bereich der Forschung und Entwicklung sicherzustellen. Hierzu gehört auch die Absicht, die personalbezogene Förderung in der Wirtschaft bis zum Jahre 1988 fortzusetzen, wie dies im Kabinettsbeschluß vom 26. September 1985 zum Ausdruck kommt. Ein Wegfall der Förderung würde insbesondere -forschungsintensive mittelständische Unternehmen des Investitionsgüter produzierenden Gewerbes (hier vor allem Maschinenbau, elektrotechnische Industrie) treffen, auf die rund 3/4 des gesamten Programmvolumens entfallen. Weiterhin wären betroffen vor allem die kleineren Unternehmen bis zu 100 Beschäftigten, die einen Anteil von knapp 2/3 an den insgesamt geförderten Unternehmen haben. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Catenhusen (SPD) (Drucksache 10/2987 Fragen 119 und 120): Welche Informationen lagen der Bundesregierung zum Zeitpunkt des Kabinettbeschlusses über das Programm der Bundesregierung zur Förderung von FuE-Personal in der Wirtschaft in seinen beiden Teilen Personalkostenzuschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zuwachsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie im September 1984 über die formellen Voraussetzungen zur Notifizierung von Förderprogrammen durch die EG- Kommission vor? Wie verlief das interministerielle Abstimmungsverfahren, und zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung — und gegebenenfalls in welcher Weise — das formelle Zustimmungsverfahren zu dem Programm bei der EG-Kommission eingeleitet? Die formellen Voraussetzungen zur Notifizierung von Förderprogrammen und die Prüfung dieser Programme auf ihre Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt sind im EWG-Vertrag festgelegt. Sie wurden vom Europäischen Gerichtshof in einzelnen Bestimmungen präzisiert. Nach Art. 93 Abs. 3 sind der Kommission alle Vorhaben zur Einführung und Umgestaltung von Beihilfen zu melden. Die Kommission hat eine Frist von zwei Monaten, um zu einem ihr gemeldeten Beihilfeverfahren Stellung zu nehmen. Nach einem Urteil des Gerichtshofs gegen die Genehmigung einer Beihilfe, zugunsten der belgischen Textilindustrie (Claes-Plan) muß die Kommission bereits dann das formelle Prüfverfahren nach Art. 93 Abs. 2 EWGV einleiten, wenn sie Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt hat. Das Verfahren kann dazu führen, daß die Kommission entscheidet, gegen das Beihilfevorhaben keine Einwände mehr zu erheben, es nur mit Änderungen zu genehmigen oder die Durchführung des Vorhabens zu untersagen. An der Ausarbeitung des neuen Förderkonzepts zur personenbezogenen FuE-Förderung waren BMWi, BMFT, BMF und BRH beteiligt. Das Bundeskabinett hat formell in der Kabinettsitzung am 26. September 1984 die Eckwerte des um die Zuwachsförderung erweiterten FuE-Personalzuschußprogramms beschlossen. Die gemeinsame innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Richtlinie war im November 1984 fertiggestellt und wurde unmittelbar danach mit Verbalnote der Bundesregierung vom 22. November der Kommission zugeleitet. Am 17. Dezember bat diese um zusätzliche Informationen, die ihr am 21. Dezember 1984 übermittelt wurden. Die Mitteilung über die Eröffnung des Verfahrens erfolgte mit Verbalnote der Kommission am 27. Februar 1985. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 121 und 122): Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1985 9421* Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe Subventionen des Bundes und ähnliche staatliche Leistungen in den Energiemarkt fließen? Sieht die Bundesregierung bei noch weiteren Raffineriestillegungen die Versorgungssicherheit mit Mineralölprodukten gefährdet? Zu Frage 121: Über die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallenden Hilfen berichten der 9. Subventionsbericht sowie der Bundeshaushalt. Wegen der von den übrigen Gebietskörperschaften zum Teil unterschiedlich gehandhabten Abgrenzungskriterien sowie wegen der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der den Subventionen ähnlichen staatlichen Leistungen wie zum Beispiel den Hilfen im Bereich der Forschungsförderung, die in den Energiemarkt fließen, hat die Bundesregierung darauf verzichtet, eine Zusammenstellung vorzunehmen. Es gibt allerdings immer wieder Versuche — insbesondere von seiten der Wissenschaft — solche Zusammenstellungen zu erarbeiten. Wegen der genannten Abgrenzungsprobleme ergeben sich in der Regel unterschiedliche Aussagen. Zu Frage 122: Die Bundesregierung sieht in den bisher durchgeführten und angekündigten Stillegungen keine Gefährdung der Versorgungssicherheit. Dieser Kapazitätsabbau ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß der Ölverbrauch in den letzten Jahren um ein Viertel zurückgegangen ist. Darin liegt ein deutlicher energiepolitischer Erfolg, der die Risiken unserer Energieversorgung insgesamt wesentlich vermindert hat. Trotzdem wird Mineralöl auf absehbare Zeit der absatzstärkste Energieträger bleiben. Wir brauchen daher eine leistungsfähige und flexible Raffinerieindustrie, die — auf den geringeren Bedarf zugeschnitten — auch künftig das Rückgrat unserer Ölversorgung bildet. Die Bundesregierung bemüht sich deswegen darum, für die deutsche Mineralölwirtschaft — insbesondere in Konkurrenz zu den Raffinerien anderer EG-Staaten — faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, damit die deutschen Anlagen ihre Vorteile in punkto Modernität, Konversionsrate und erfolgreicher Rationalisierung zur Geltung bringen können und so auch künftig eine Gefährdung unserer Versorgungssicherheit durch eine übermäßige Abhängigkeit von importierten Mineralölprodukten vermieden wird.
Gesamtes Protokol
Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung des Agrarberichts 1985 der Bundesregierung
— Drucksachen 10/2850, 10/2851 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten (federführend) Haushaltsausschuß
Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/3007 und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3008 vor.
Meine Damen und Herren, nach Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache vier Stunden vorgesehen.
Die Debatte wird durch Bundesminister Kiechle eröffnet. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID1012700100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Agrarbericht 1985 zieht den agrarpolitischen Berichtsschluß unter das Wirtschaftsjahr 1983/84 und weist auch auf zukünftige Entwicklungen hin.
Die im Agrarbericht veröffentlichte Bilanz zu interpretieren ist nicht einfach. Weiterhin drücken die schwerwiegenden Negativposten der jahrelangen marktpolitischen Fehlentwicklungen. Das Einkommensergebnis der deutschen Landwirtschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 1983/84 ist in der Tat schlecht: durchschnittlich minus 18,2 %; so die amtlich ermittelte unerfreuliche Wirklichkeit. Die Ursachen hierfür können Sie im Agrarbericht im einzelnen nachvollziehen: eine geringere Ernte, rückläufige Erzeugerpreise, vor allem bei Schlachtschweinen, und leicht gestiegene Betriebsmittelpreise.
Die Gegenwart, also das zur Zeit laufende Wirtschaftsjahr, verspricht mit einem Einkommensplus von 6 bis 10 % zwar wieder etwas günstiger zu werden. Allerdings: Allein zum Ausgleich des Einkommensrückgangs 1983/84 wäre ein Plus von mehr als 20 % notwendig. Diesen Zahlen braucht man nichts hinzuzufügen. Sie sprechen ihre eigene Sprache und sollen auch nicht beschönigt werden.
Unsere Bauern und ihre Familien arbeiten hart von morgens bis abends auf ihren Betrieben. Sie haben die 35-Stunden-Woche schon am Mittwoch abgehakt. Trotz aller Mühen, trotz des aufopfernden Einsatzes ist der Lohn der Arbeit unserer Bauern im Durchschnitt unzureichend. Eine wichtige Ursache dafür ist, daß die Preise fast überall einfach nicht mehr stimmen. Nach dem wirtschaftlichen Einmaleins können sie auch gar nicht stimmen. Denn überall dort, wo Millionen Tonnen Oberschüsse auf den Markt drängen, wo wertvolle Agrarprodukte billigst abgegeben werden müssen, wo weiterhin Mengen produziert werden, die keiner mehr haben will, ist es unmöglich, die Preise angemessen anzuheben, um steigende Produktionskosten — wie in der Wirtschaft sonst selbstverständlich — über den Markt weiterzuwälzen.
Ohne staatliche Stützung wäre das Einkommensergebnis noch wesentlich schlechter. Andererseits zeigen die nackten, ungeschminkten Haushaltszahlen die Unmöglichkeit, erforderliche Markterlöse zu ersetzen.
Da helfen auch keine Beteuerungen der Opposition oder sonstwoher, man hätte alles ganz anders
— vor allem viel besser — machen wollen. Nein, irgendwann, meine Damen und Herren, schlägt Adam Riese zurück, und das ist zur Zeit der Fall. Die deutschen Bauern durchschreiten jetzt — leider
— das seit Jahren vorgezeichnete Einkommenstief.
Ich möchte deswegen einen Absatz aus der letztjährigen Einbringungsrede zitieren:
Nur gleichgewichtige Märkte und funktionsfähige Marktordnungen verbürgen kostengerechte Erzeugerpreise und auskömmliche Gewinne. Wir müssen deshalb die Märkte sanieren, wenn wir eine solide Basis für eine positive Entwicklung in der Landwirtschaft zurückgewinnen wollen. Und das muß schnell geschehen.
Ich habe, soweit ich das konnte, auf rasche Lösungen gedrängt. Die umfangreichen Marktordnungsausgaben kamen und kommen immer weniger den Bauern zugute und wurden immer mehr für



Bundesminister Kiechle
teure Lagerhäuser, unwirtschaftliche Kühlkosten sowie überflüssige Frachten verwendet.
Vor einem Jahr habe ich das Garantiemengenmodell bei Milch angekündigt. Heute können wir eine erste Bilanz ziehen: Die Milchflut ist gebändigt, die Dämme haben standgehalten, die Produktion sinkt. Der drohende Zusammenbruch der Milchmarktordnung und der Erzeugermilchpreise und damit des gesamten EG-Agrarmarktes wurde gebannt. Um 7,7 % liegen wir in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Produktionsniveau des vorhergehenden Milchwirtschaftsjahres. Damit ist schon heute klar, daß es gelingen wird, die vom Agrarministerrat beschlossene Kürzungsauflage von 7,8% einzuhalten. Der Weg dahin war nicht einfach, aber er war richtig.
Nicht alle Durchführungsmodalitäten der Garantiemengenregelung waren so, wie die Praxis es sich gewünscht hatte, und es hat unbestrittene Probleme bei der Vertrauensschutzregelung und den Pachtfällen gegeben. Zum größten Teil sind sie zurückzuführen auf den langsamen Prozeß der EG- Rechtsetzung, zum Teil auch auf den Zwang, sofort schnelle Entscheidungen zu treffen. Die Notbremsung kurz vor dem marktpolitischen Abgrund hat alle Betroffenen durcheinandergeschüttelt.
Wenn es schon nicht ohne Schuldzuweisungen geht, dann sind sie an diejenigen zu richten, die seit 1978 in der EG das EG-Agrarsystem tatenlos auf den Abgrund der Nichtfinanzierbarkeit treiben ließen. Es ist unendlich schwerer, eine Fehlentwicklung zurückzudrehen, als sie rechtzeitig zu stoppen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Garantiemengenregelung Milch beginnt deutlich zu greifen, die Milchmarktordnung ist funktionsfähig, der Milchauszahlungspreis hat sich im Durchschnitt sogar erhöht. Eine soziale Staffelung der Mengenreduzierung von 2 % bis 12,5 % wurde erreicht; für extreme Einzelfälle und -schicksale, die keine auch noch so detaillierte und differenzierte Härtefallregelung angemessen berücksichtigen kann, haben wir eine Existenzsicherungsklausel durchgesetzt.
Wir haben infolge der unerwartet umfangreichen Bedienung der Vertrauensschutzfälle — übrigens eine rechtsstaatliche Konsequenz — mehr Garantiemengen ausgegeben, als es unserer nationalen Quote entspricht, aber wir haben am Brüsseler Verhandlungstisch erreicht, daß dieses Zuviel mit den Unterlieferungen saldiert werden kann.
Wir haben die Milchrente für 1 Million t Garantiemengen gestartet und mit 1 Milliarde DM ausgestattet, damit die Bedienung der Vertrauensschutzfälle nicht zu Lasten der übrigen Milcherzeuger gehen muß. Es zeichnet sich jetzt ab, daß das Mengenziel der Milchrente weitgehend erreicht wird.
Auch Zweifler sollten von der Wirklichkeit überzeugt werden: Die Überschußhalden schmelzen immerhin von Hoch- zu Mittelgebirgen. Bei Butter sind wir von einem Interventionsberg von 1,25 Millionen t schon auf 885 000 t heruntergekommen, und bei Magermilchpulver haben wir mit zur Zeit 500 000 t weniger als die Hälfte der noch vor wenigen Monaten 1,1 Millionen t auf Lager.
Was aber noch viel entscheidender ist, weil es unser eigentliches Ziel war: Der Milchauszahlungspreis für unsere Bauern liegt seit Monaten rund 1 bis 2 Pf höher als im Vorjahr, und das trotz Verschärfung der Intervention, trotz Verlängerung der Zahlungsziele, trotz Änderung des Fett-Eiweiß-Verhältnisses. Selbst der 5 %-Grenzausgleichsabbau zum Jahreswechsel hat nicht dazu geführt, daß die Vorjahrespreise unterschritten werden — dank der Überbrückungshilfe der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen in Form des Mehrwertsteuerausgleichs von 5 %. Eine sogenannte Mitverantwortungsabgabe in der Größenordnung unter 10% hätte keinerlei mengensteuernde Wirkung gehabt. Schon heute fällt es übrigens den Bauern sehr schwer, die Notwendigkeit der vorhandenen Erzeugermitverantwortung einzusehen.
Wäre die Produktionsausdehnung nicht gestoppt worden, hätten wir heute 108 Millionen t Milch unterzubringen statt 104 Millionen t, die wir im Jahre 1983 an die Molkereien EG-weit anlieferten. Immerhin sind wir jetzt bei knapp 100 Millionen t angekommen.
Hat sich eigentlich die Opposition, die ständig für die Mitverantwortungsabgabe plädiert, einmal klargemacht, daß bei einer MVA-Lösung heute wahrscheinlich 2 Millionen t Butter und eineinhalb Millionen t Magermilchpulver in den Kühlhäusern und Lagerhallen unverkäuflich lägen?

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Einige Milcherzeuger bekunden über die Garantiemengenreglung Unzufriedenheit. Ich betone ausdrücklich: Aus der Sicht des einzelnen ist es auch berechtigte Unzufriedenheit. Bei Junglandwirten sowie klein- und mittelbäuerlichen Familienbetrieben — soweit ihre Garantiemengen keine ausreichende betriebswirtschaftliche Basis bilden — ist dies auch verständlich. Für diese wie für andere soziale und familiäre Härtefälle brauchen wir unbedingt so bald wie möglich zusätzliche Manövriermasse, d. h. freie Garantiemengen.
Meine Damen und Herren, neben Milch wurde Getreide zum entscheidenden Problemprodukt, weil die Erzeugung dem Verbrauch davonläuft. Ich habe die EG-Kommission schon vor der Formulierung der diesjährigen Agrarpreisvorschläge gebeten, die bäuerlichen Einkommen zur Richtschnur ihres Handelns zu machen.

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Die EG-Kommission hat mich enttäuscht. Mit ihrem Rückgriff auf überholte Instrumente aus dem agrarpolitischen Gruselkabinett zeigt sie wenig Einfallsreichtum.

(Beifall bei der CDU/CSU)

„Preise runter, und dann löst sich das ganze Problem von allein", diese Devise — auch in diesem Hause nicht neu — ist mir zu einfach, und vor allem vergißt sie eines: Die bäuerlichen Einkommen ver-



Bundesminister Kiechle
tragen keinen weiteren Einkommensrückgang durch EG-Beschlüsse.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wehre mich deshalb gegen eine Politik des Preisdrucks und gegen eine Politik des rabiaten Verdrängungswettbewerbs. Was die EG-Kommission im Preisbereich zum Teil vorschlägt, ist keine Konzeption, sondern eine Strafaktion.
Die EG-Kommission begründet ihren Preisvorschlag bei Getreide mit dem Garantieschwellenprinzip, das 1981/82, also bevor die jetzige Regierung das Sagen hatte, in Brüssel einstimmig beschlossen wurde. Jetzt muß ich versuchen, dieses Prinzip in seinem Preissenkungsmechanismus wieder zu korrigieren. Wir hätten sonst wegen der 150 Millionen t Getreideernte von 1984 nicht nur in diesem Jahr, sondern auch nächstes Jahr und übernächstes Jahr 5 % Preissenkungsautomatik vorprogrammiert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Die Preissenkungsautomatik ist aber weder schlüssig noch sachgerecht. Getreidepreissenkungen führen nämlich nicht etwa dazu, daß weniger produziert wird, es sei denn, man senkt sie so stark, daß ein Teil der Bauern ruiniert wird.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Getreidepreissenkungen führen auch nicht dazu, daß an Stelle der Substitute mehr Getreide verfüttert wird. Die Substitute werden immer billiger sein; denn sie sind nun einmal Nebenprodukte.
Die berufsständische Fachwelt warnt seit einiger Zeit vor einem Getreidemarktfiasko und fordert rechtzeitige Korrekturen und Verbesserungen in der Getreidemarktordnung. Ich teile diese Sorgen angesichts ständig steigender Erträge, stagnierenden Verbrauchs und verstopfter Weltmärkte.
Wir dürfen bei der Analyse dieses unbestrittenen riesigen Problems nicht stehenbleiben, sondern müssen eine Gegenstrategie entwickeln. Das bedarf einer engen Abstimmung mit Berufsstand und Vermarktern. Im Prinzip müssen wir auf Qualität setzen und diese Qualität preislich auch vernünftig absichern. Das wäre zumindest ein konzeptioneller Ansatz, bei dem die Anpassungslast nicht einseitig den Bauern aufgeladen würde.
Aber ich bin natürlich auch Realist genug, um zu wissen, daß andere Mitgliedstaaten andere Ziele verfolgen. Engländer und zum Teil Franzosen setzen beispielsweise auf Masse, auf Export, auf Zuwachs, egal, ob dieses Ziel zu Lasten der EG-Kasse oder zu Lasten der Erzeugerpreise erreicht wird. Es wird also weiterhin eine schwierige Verhandlungsrunde in Brüssel geben.
Ein weiterer konzeptioneller Schritt muß dahin führen, mehr eigenes Getreide in den Futtertrog zu lenken, anstatt es mit erheblichen staatlichen Mitteln und unter dem Protest zahlreicher Agrarexportländer auf den Weltmärkten verbilligt loszuschlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Den ersten Schritt dahin haben wir mit der ab Mitte Oktober 1985 geltenden offenen Deklaration beschritten. Frau Vollmer hätte diesem Problem gar keine ganze Rede widmen müssen; da war es ja schon entschieden.
Wieweit es möglich sein wird, etwa einen Mindestanteil Getreide in den Mischfuttermitteln vorzuschreiben, bedarf noch sorgfältiger Prüfungen hinsichtlich rechtlicher und politischer Probleme. Das Ganze müßte natürlich auf EG-Ebene durchgesetzt werden, um unsere Veredler im Wettbewerb nicht zu benachteiligen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen umgehend alle die Alternativen zur Entlastung des Getreidemarkts aufgreifen, die zur Zeit schon realisierbar sind. Dazu gehören auch der Anbau von Eiweißfuttermitteln wie z. B. Leguminosen, Soja, Ackerbohnen, Futtererbsen und die Produktion von Rohstoffen für die Industrie wie Flachs, Stärke oder Agraralkohol.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit erweitern wir die engen Fruchtfolgen, gewinnen Abstand von einseitigen Anbaumethoden, reduzieren den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln und verbessern die Bodenfruchtbarkeit durch tiefwurzelnde Pflanzen sowie Stickstoffsammler.
Mein Haus fördert deshalb bereits solche Entwicklungen. Diese Förderung fängt bei der Züchtung an und sollte für eine ausreichende Übergangszeit auch EG-weit großzügigere Erzeugerbeihilfen umfassen. Solche Beihilfen wären — zumindest bei Hülsenfrüchten — zudem noch ein preiswerterer Ausweg im Vergleich zu vielen anderen Alternativen wie etwa die Flächenstillegung, obwohl auch sie kein Tabu sein darf.
In der heutigen Situation kann es überhaupt keine Tabus mehr geben, meine Damen und Herren — allerdings mit einer Ausnahme: Die bäuerlichen Einkommen vertragen keinen weiteren Rückgang durch EG-Preisbeschlüsse.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei den GRÜNEN)

Der agrartechnische Fortschritt wird weitergehen und auch genutzt werden. Reagenzglas und Computer werden noch ungeahnte Entwicklungen ermöglichen. Selbst wenn zur Zeit das Schwergewicht auf einer Aufwandsenkung je Ertragseinheit liegt, gibt es auch weiterhin Ertragssteigerungen. Wir müssen daher, um möglichst viele Arbeitsplätze in der Landschaft, im ländlichen Raum zu erhalten, neue Produktionsbereiche für die landwirtschaftlichen Betriebe finden.
Dies wäre z. B. möglich, wenn seitens unserer gewerblichen Wirtschaft zunehmend Produkte auf der Basis heimischer Agrarrohstoffe entwickelt würden, um somit auch den Non-food-Bereich wieder auszubauen.
Ich richte daher an unsere gewerbliche Wirtschaft die Bitte, bei ihrer Suche nach Innovationen auch zu prüfen, ob der Einsatz von Agrarrohstoffen, die ja vor der Tür wachsen und somit auch nach



Bundesminister Kiechle
den Regeln der Unternehmen angebaut werden könnten, nicht stärker als bisher möglich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben eine leistungsfähige Agrarwissenschaft, eine leistungsfähige Pflanzenzucht und leistungsfähige Bauern, die durchaus in der Lage sind, der gewerblichen Wirtschaft bei der Suche nach geeigneten Agrarrohstoffen und bei deren Anbau zu helfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um den Grenzausgleich rankte sich in früheren Jahren bei allen Preisverhandlungen ein langwieriges Hickhack. Er war sozusagen unsere Achillesferse. Hier waren wir verwundbar. Haben Sie in den letzten acht Jahren der SPD-Regierung auch nur ein einziges Mal erlebt, daß die deutschen Bauern dieselbe Preissteigerung für ihre Produkte verzeichnen konnten wie der EG-Durchschnitt?

(Hornung [CDU/CSU]: Leider nicht!)

Nein, Sie haben es nicht erlebt, und dafür konnte noch nicht einmal der Minister etwas; denn die Konstruktion war j a entsprechend angelegt. Sie mußten vielmehr mit ansehen, daß seit 1975 bei uns in D-Mark 15% weniger Preiserhöhung ankam, als in Brüssel in ECU beschlossen wurde. Wenn Sie wissen, daß ein Prozentpunkt Abbau des Grenzausgleichs die deutsche Landwirtschaft sage und schreibe 300 Millionen DM Einkommen kostet, dann verwundert das unerfreuliche Endresultat auch niemanden mehr.
Die deutschen Bauern sind von 1975 bis 1983 — gerade noch vor Italien und Griechenland — einkommensmäßig aus dem vorderen Drittel ganz ans Ende der europäischen Einkommensskala zurückgefallen. Deshalb haben wir bei den letztjährigen Preisverhandlungen einen Systemwechsel durchgesetzt. Der damit verbundene Abbau des deutschen Grenzausgleichs um 8 % und die daraus resultierenden Preiseinbußen werden in vollem Umfang durch unser nationales 18-Milliarden-Überbrückungsprogramm ausgeglichen.
Ein Restgrenzausgleich von 1,8 bis 2,9% ist noch vorhanden und laut Abmachung bis 1988 nach dem Gentlemen's Agreement abzubauen.
Jetzt verlangt die EG-Kommission einen weiteren Teilabbau, der eine zusätzliche Preissenkung für die deutschen Bauern bedeuten würde. Meine Antwort kann nur „nein" heißen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beim Wein hat der Europäische Rat in Dublin den Durchbruch gebracht. Die endgültigen Einzelheiten sind gerade vor drei Wochen verabschiedet worden. Die Ergebnisse sind für den deutschen Winzer ein Erfolg. Für unsere Winzer, die sich durch Qualität am Markt behaupten und nicht für die Intervention produzieren, konnten wir durch energischen Widerstand folgende Pluspunkte erreichen: Erstens sind sie von der Wiederbepflanzungseinschränkung ausgenommen. Zweitens haben wir das geforderte Anreicherungsverbot des Weines mit Zucker erst einmal bis 1990 hinausschieben können. Drittens ist zwar eine obligatorische Destillation grundsätzlich auch für den deutschen Tafelwein beschlossen worden, allerdings werden unsere Erzeuger davon ausgenommen, wenn sie jährlich nicht mehr als 1 Million hl Tafelwein erzeugen. Bisher lag die durchschnittliche Produktion unter 0,5 Million hl mit Ausnahme der Rekordernten 1982 und 1983.
Leider — bei diesem Punkt muß ich etwas Wasser in den Wein gießen, um im Bild zu bleiben — konnten wir trotz heftigen Protests nicht verhindern, daß die Kommission jetzt für 1984/85 eine obligatorische Destillation erlassen hat. Unsere Winzer, die eine kleine Ernte eingebracht haben und für ihre Tafelweine zur Zeit gute Preise erzielen, sind von der EG verpflichtet worden, sich an der obligatorischen Destillation zu beteiligen. Leider, muß ich sagen.
Der Gartenbau ist eine der wenigen zur Landwirtschaft gehörenden Sparten, die sich trotz eines scharfen internationalen Wettbewerbs in der konjunkturpolitischen Sonne etwas wärmen können. Dieser Erfolg ist dem Gartenbau nicht in den Schoß gefallen. Vielmehr zeigt sich hier die große unternehmerische Leistung dieses Sektors.
Wichtige Bereiche des Gartenbaus zählen glücklicherweise zu den Sparten, bei denen die Nachfrage noch steigt. Außerdem ist es gelungen, verstärkt auf Frische und Qualität zu setzen und Marktlücken aufzuspüren. So nimmt der Gartenbau z. B. bei der Stadtbegrünung, bei der Schaffung von Naherholungszonen, bei der Landschaftsplanung und im Bereich des Natur- und Umweltschutzes wesentliche Aufgaben wahr.
Eine Leistung des Gartenbaus, die sich kurzfristig nur begrenzt in Mark und Pfennig auszahlt und die dennoch nicht hoch genug anerkannt werden kann, ist dessen hohe Ausbildungsleistung. Hierfür danke ich dem Gartenbau besonders herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zu einer schwierigen Sparte hat sich die Fischerei, insbesondere die Hochseefischerei entwickelt. Die widrigen Winde sind nicht naturbedingt, sondern hauptsächlich das Ergebnis politischer Entwicklungen. Die Bundesregierung hat nach Einführung der 200-Seemeilen-Fischereizonen und anderen Beschränkungen in Brüssel hart um angemessene Quotenanteile an den geschrumpften Fangmöglichkeiten gerungen. Die erreichten Fangrechte erlauben die weitgehende Fortführung unserer Hochseefischerei und bieten für die Kutterfischerei noch Entwicklungsmöglichkeiten. Die Bundesregierung hat weiterhin sofortige und umfangreiche Hilfen zur schrittweisen Anpassung der Flotte an die veränderten Bedingungen gewährt. Der bestehende Quotenrahmen bildet zwangsläufig den Maßstab für die künftige Flottenkapazität und Flottenstruktur.
Wir müssen von realistischen Prämissen ausgehen. Deshalb stehen alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zur Zeit in intensiven Beratungen über den weiteren Weg unserer Fischwirtschaft. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe wird die Bundesregierung zu ihrer Verantwortung gegenüber der Fischwirtschaft stehen.



Bundesminister Kiechle
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich heute auch hinsichtlich der Arbeit der letzten zwei Jahre Bilanz ziehen. Diese Regierung hatte ihr Ziel klar formuliert: Dem klein- und mittelbäuerlichen Betrieb gilt das Schwergewicht der agrarpolitischen Anstrengungen. Aus diesem Grund hatte Bundeskanzler Kohl auf dem Freiburger Bauerntag zugesagt, für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung stets betont, daß in benachteiligten Gebieten zusätzlich zur Preispolitik etwas getan werden müsse. Sie wendet sich allerdings gegen flächendeckende, nivellierende Einkommensübertragungen als Alternative zur Markt- und Preispolitik.
Wir können heute überzeugende Ergebnisse vorweisen. Wir haben nicht mit Schlagworten und nicht mit irrealen Maximalforderungen, für die dann niemand einsteht, wenn es ernst würde, sondern mit gezielten Maßnahmen reagiert.
Wenn die SPD uns in dieser Situation vorwirft, wir hätten die größeren Betriebe einseitig begünstigt, dann verkennt sie jegliche Realität.

(Lachen bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Da fehlen die Kenntnisse! — Zuruf von der SPD: Das ist die Wahrheit!)

Wir haben mit der Politik Schluß gemacht, die unter Verantwortung der SPD 13 Jahre lang auf immer mehr, immer größer und auf einseitigen Verdrängungswettbewerb hinauslief.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben national und auf EG-Ebene eine Politik eingeleitet und umgesetzt, die klein- und mittelbäuerliche Betriebe besser berücksichtigt:
Wir haben die Förderschwelle abgeschafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und das einzelbetriebliche Förderungsprogramm klein- und mittelbäuerlichen Betrieben geöffnet.
Wir haben dem Verdrängungswettbewerb in der Milchproduktion zugunsten der besten und zu Lasten der weniger guten Standorte ein Ende gemacht.
Wir haben den noch von der SPD-Regierung geplanten totalen Abbau der Zuschüsse zur Unfallversicherung nicht nur gestoppt und rückgängig gemacht; wir haben die Mittel sogar um 121 Millionen DM auf 400 Millionen DM aufgestockt,

(Hornung [CDU/CSU]: Hervorragend!) früher als es überhaupt vorstellbar war.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden ab 1986 die Zuschüsse bei der Altershilfe aufstocken, aber nicht pauschal für alle Betriebe, sondern gezielt für Betriebe mit einem Wirtschaftswert bis zu 30 000 DM. Deren Einkommen wird durch die Beiträge zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung in besonders hohem Umfang belastet. Für sie gibt es ab 1986 zusätzlich 110 Millionen DM Zuschuß zur Altershilfe und nicht nur Umverteilung, wie das früher geplant war. Damit wird der Bundeszuschuß von 75 % auf 79 % erhöht, gesetzlich festgelegt, in Zukunft dynamisiert und langfristig abgesichert.
Wir haben für die Betriebe in benachteiligten Gebieten nach 10jähriger Stagnation einen agrarpolitisch gewaltigen Sprung vollzogen. Daß Hilfe notwendig war, zeigen allein schon die Einkommensstatistiken. Die Förderbeträge wurden auf bis zu 240 DM je Hektar angehoben, die förderfähigen und -berechtigten Gebiete von eineinhalb Millionen auf 4 Millionen Hektar ausgedehnt und die Fördermittel des Bundes von 65 Millionen DM auf rund das Dreifache, also 190 Millionen DM aufgestockt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Hornung [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Damit ist übrigens ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Bundesgebietes künftig preisunabhängig förderfähig und förderberechtigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

All dies, meine Damen und Herren, sind Bausteine in einem breit angelegten Konzept. Sie ergeben einen in der agrarpolitischen Nachkriegsgeschichte einmaligen Kraftakt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, niemand wird bestreiten können, daß die ungünstige Einkommensentwicklung zum Teil auf den stark gebremsten Strukturwandel zurückzuführen ist. Das strukturwandelbedingte Einkommensplus ist heute sehr gering geworden. 1,5 % weniger Betriebe gab es im letzten Jahr, die geringste Abnahme seit den frühen 50ern. Von 1970 bis 1976 hörten jährlich 30 000 Betriebe in Deutschland auf. Von 1976 bis 1983 waren es jährlich 20 000 Betriebe, im Kalenderjahr 1984 schließlich 11 000. Aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch auf Grund der Arbeitslosigkeit, wäre es unverantwortlich, die Landwirte direkt oder indirekt von ihren Höfen verdrängen zu wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Nein, wir müssen äußerst vorsichtig und behutsam mit den bäuerlichen Arbeitsplätzen umgehen, auch wenn sie nicht so gut bezahlt sind wie in der gewerblichen Wirtschaft.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ich bin durchaus zuversichtlich, daß mittelfristig wieder eine realistische Wahlmöglichkeit für den Landwirt besteht: Soll er seinen Hof als Haupterwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb weiterführen? Bei einer Fortsetzung des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs wird sich die Entscheidungsfreiheit sicher schnell vergrößern, zum Vorteil für alle, zum Vorteil für denjenigen, der außerhalb der Landwirtschaft gutes zusätzliches Geld verdient, und auch zum Vorteil für denjenigen, der dadurch zumindest teilweise seine landwirtschaftliche Einkommensbasis erweitern kann. Das ist gesunde strukturelle Anpassung, wie wir sie verstehen. Und sie darf nur stattfinden auf Grund eigener interner Entscheidung der Bauern selbst, nicht durch Druck von außen.



Bundesminister Kiechle
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Probleme der Forstwirtschaft habe ich im letzten Jahr im Zusammenhang mit den Waldschäden dargestellt; denn die Probleme der Wälder sind zwangsläufig die Probleme der Forstwirtschaft. Schnelle und umfassende Hilfe auf nationaler und EG-Ebene ist erforderlich. Sie funktioniert freilich nicht von heute auf morgen.
Die gesamte Bevölkerung zieht Nutzen aus dem Wald, Nutzen, der weit über die Versorgung mit Holzprodukten hinausgeht. Er besteht in den positiven Wirkungen des Waldes für Boden, Wasser, Luft, Klima und für den Naturhaushalt. Und deswegen sind Schutz und Hilfen für den Wald auch Angelegenheiten des gesamten Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Müntefering [SPD]: Was ist denn mit dem Tempolimit?)

— Halten Sie es halt selber ein. Dann ist schon was geregelt.

(Dr. Vogel [SPD]: Das ist aber sehr billig, Herr Minister, sehr billig!)

Die Landwirtschaft ist der Natur verpflichtet. Sorgsame und verantwortungsvolle Nutzung der Naturgüter ist für die selbstverständlich.

(Dr. Vogel [SPD]: Freie Fahrt für freie Bürger?)

— Ach, wissen Sie, mit Ihrem Tempolimit: Wir haben 480 000 km Straßen. 6 000 sind tempolimitfrei. Dort wird im Durchschnitt 118 km/h gefahren. Wenn Sie ein Tempolimit auf diesen 6000 km offiziell als waldlebensrettend bezeichnen, dann müßten wir darüber ganz schnell nachdenken. Und was Europa anbetrifft, haben Sie überall Waldsterben, von der DDR, der ČSSR über Italien bis nach Frankreich, obwohl es überall ein Tempolimit gibt. Also kann es wohl nicht das Tempolimit sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Zimmermann ist doch dafür!)

Unsere Bauern übrigens wissen seit jeher: Mit Natur und Umwelt kann man nicht beliebig umspringen. Natur und Umwelt sind unverzichtbare Grundlagen für den einzelnen Landwirt und darüber hinaus die Lebens- und Ernährungsgrundlage für die gesamte Bevölkerung.
Die jüngste nationale Notbremsung in Form eines totalen Kapazitätsausweitungsverbotes in der holländischen Schweineproduktion zeigt uns, daß eine unbegrenzte industriemäßige und damit weitgehend flächenunabhängige Massentierhaltung große Probleme aufwirft. Wir müssen deshalb alles tun, um die ökologischen Grundlagen zu sichern, zu stabilisieren und zu verbessern. Hier nützt allerdings kein blinder Eifer, sondern nur nüchternes Kalkül.
Unsere Landwirtschaft muß eben auch im europäischen Wettbewerb bestehen können. Wenn sie aus Gründen des Gemeinwohls einschränkenden Auflagen unterworfen werden soll, läßt sich das nicht allein mit dem Hinweis auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums rechtfertigen. Nein, dann muß die Landwirtschaft dafür entschädigt werden,

(Beifall bei der CDU/CSU)

nicht mit Dank, einem Händedruck und schönen Worten, wie das gegenwärtig so bequem ist, sondern mit Ausgleichszahlungen, um das einmal im Klartext zu sagen.
Wir wollen den erstrebten Frieden mit der Natur nicht gegen den Unfrieden mit den Bauern eintauschen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Am 6. Februar hat die Bundesregierung die Bodenschutzkonzeption verabschiedet. Niemand weiß besser als die Bauern, wie unersetzlich, wie lebenswichtig ein gesunder, funktionsfähiger Boden ist. Die Landwirtschaft ist der einzige Wirtschaftszweig überhaupt, der nicht nur Nutzungsansprüche an den Boden stellt, sondern einen wirklichen Beitrag zum Bodenschutz leistet.
Die hohe Bodenfruchtbarkeit in unserem Land ist das Ergebnis jahrhundertelanger verantwortungsbewußter, pfleglicher Behandlung des Bodens durch die Landwirte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bodengesundheit und -fruchtbarkeit sind die Grundlagen ihres Wirtschaftens. Niemand sollte so töricht sein — leider sind es trotzdem viele, aber das kann man nicht ändern —, den Landwirten dieses elementare Wissen um die eigene Existenzgrundlage abzusprechen.
Moderne und erfolgreiche Landwirtschaft ist sehr häufig intensive Landwirtschaft. Die Bodenschutzkonzeption macht deutlich, daß damit Gefahren für den Boden verbunden sein können. Sie nennt deshalb einen Katalog von Lösungsansätzen, die geeignet sind, diesen Problemen zu begegnen. Mein Haus wird die Konkretisierung dieser Lösungsansätze in Abstimmung mit den Bundesländern und Berufsverbänden intensiv vorantreiben und dabei darauf hinwirken, daß die Interessen der Betroffenen, also der Landwirte, gewahrt bleiben, denn Bodenschutz ist nur mit der Landwirtschaft möglich.
Ein gesunder Boden ist die beste Voraussetzung für gesunde Nahrungsmittel. Deswegen steht unseren Verbrauchern heute ein Lebensmittelangebot zur Verfügung, das in seiner Fülle, Vielfalt und Preiswürdigkeit seinesgleichen sucht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses große Angebot wissen die Verbraucher auch ganz offensichtlich zu schätzen. Zu Recht! Wenn vereinzelt mit unseriösen Behauptungen Panikmache betrieben wird, unsere Lebensmittel seien stärker als früher und gar in einem bedenklichen Ausmaß mit Rückständen und Schadstoffen belastet, so ist das erwiesenermaßen falsch.

(Eigen [CDU/CSU]: Brunnenvergifter! — Zurufe von der SPD)

Gerade angsichts des gestiegenen Gesundheits- und Umweltbewußtseins freue ich mich, offiziell sa-



Bundesminister Kiechle
gen zu können: Alle neueren Daten unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen belegen, daß das Vertrauen der Verbraucher in unser heutiges Lebensmittelangebot voll berechtigt ist.

(Beifall bei der CDU/CSU) Für dieses Vertrauen bedanke ich mich.

Wenn wir vom Dank sprechen, dann denke ich nicht nur an die Verbraucher und die Bauern, dann denke ich ebenfalls an die qualifizierten landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, die sehr wohl auch ihren Beitrag zur Produktions- und Qualitätsleistung unserer Landwirtschaft erbringen. Mit ihren Arbeitsplätzen muß in der schwierigen gegenwärtigen Lage ebenfalls behutsam umgegangen werden.
Ich denke aber auch an unsere Bäuerinnen. Gäbe es nicht ihren unermüdlichen Einsatz für Familie, Haushalt und Betrieb, wäre die Existenz mancher Betriebe sicher gefährdet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Bäuerinnen leisten für den ländlichen Raum und die Erhaltung unserer Dörfer Unschätzbares. Ihnen verdanken wir, daß der Leitsatz „Unser Dorf soll schöner werden" nicht nur aus bloßen Worten besteht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dafür verdienen die Bäuerinnen Respekt, Anerkennung und Dank, genauso wie auch die Jugend und insbesondere die jungen Frauen auf unseren Höfen Erhebliches mit dazu beitragen.
Mein Dank gilt auch denjenigen, die mich bei meiner agrarpolitischen Konzeption unterstützt haben und die trotz des Sparwillens, den diese Bundesregierung haben muß, den Anpassungshilfen und Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft zugestimmt haben: dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister,

(Zuruf von der SPD: Wo ist er denn?) dem Parlament und dem Bundesrat.

Mein Dank gilt auch den vielen tausend Landwirten, die für eine kleine Anerkennungsgebühr die arbeits- und zeitaufwendige Last auf sich genommen haben, sorgfältig die betrieblichen und finanziellen Daten ihrer Höfe zu sammeln und zu ordnen.
Mein Lob gilt den Mitarbeitern meines Hauses, die mit großem Fleiß, Einsatz und Fachwissen diesen Agrarbericht erstellt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt auch in unseren Händen, welche Zukunft die Landwirtschaft hat. Ich werde für unsere Bauern Anwalt sein, damit sie und ihre Familien, soweit sie das selbst wollen, auf ihren Höfen bleiben können und damit vor allem die Jugend in der Landwirtschaft eine Perspektive hat und sieht. Ich werde alles daransetzen, daß der ländliche Raum nicht ausgezehrt wird und daß die landwirtschaftlichen Familien ein angemessenes Einkommen für ihre hohe Arbeitsleistung erhalten,

(Zuruf von den GRÜNEN: Dann müssen Sie aber schleunigst anfangen!)

denn nicht nur sie brauchen uns, sondern wir alle brauchen auch sie!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen die Bauern als die wahren „Grünen",

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Demonstrative Zustimmung bei Abgeordneten der GRÜNEN)

weil sie in jahrhundertelanger Abhängigkeit vom Naturhaushalt den schonenden Umgang mit Boden, Tieren und Pflanzen gelernt haben. Wir brauchen sie, weil das mit ihrer Hände Arbeit geschaffene „Grün" Ruhe, Frieden und Hoffnung ausstrahlt; ihr „Grün" ist das Symbol für Natur und Leben. Wir brauchen sie, weil wir jeden Tag essen müssen; viele vergessen das ja.
Das heißt auch, dem Bauern seinen gerechten Arbeitslohn zu gönnen. Wir alle haben erkannt, daß agrarpolitisches Nichtstun der teuerste und einkommensmäßig für die Landwirtschaft der schlechteste Ausweg sein kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus dieser Erkenntnis erwächst die Verpflichtung, rechtzeitig und richtig zu handeln: für die Bauern, für die Verbraucher, für die Natur, für uns alle.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012700200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt spricht der Kleinlandwirt!)


Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1012700300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt, Herr Kollege Kiechle, stimme ich mit Ihnen überein: Im Dank an die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Auch für meine Fraktion danke ich denen, die unermüdlich in der Landwirtschaft arbeiten und für unsere Gemeinschaft eine wichtige Aufgabe erfüllen.

(Beifall bei der SPD)

In sehr vielen anderen Punkten, Herr Kollege Kiechle, muß ich Ihnen widersprechen. Das beginnt schon bei Ihrer Aussage, es gebe einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung, den die Bundesregierung herbeigeführt habe und der sich weiter fortsetze. Das, Herr Kollege Kiechle, ist eine sehr eigenwillige und von der Realität weit abgehobene Interpretation der Halbzeitbilanz dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Allgemeiner Wirtschaftsaufschwung? Lieber Kollege Kiechle, die Realität ist: höchste Arbeitslosigkeit in der 36jährigen Geschichte dieser Bundesrepublik,

(Zuruf von der CDU/CSU: Verursacht von der SPD!)




Dr. Vogel
die meisten Sozialhilfeempfänger seit 1949, die höchste Lohnsteuerbelastung, die es in der Geschichte der Bundesrepublik für die Arbeitnehmer je gegeben hat,

(Zurufe von der CDU/CSU: Durch eure Politik! — Durch eure Steuergesetze!)

von Ihnen herbeigeführt!

(Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU)

— Meine Damen und Herren, ich freue mich über Ihre frühe Munterkeit, aber ich fürchte, darunter leidet Ihre Fähigkeit, zu rechnen und zu zählen. Als Sie die Regierung übernahmen, stand die Lohnsteuerbelastung bei knapp 18 %. Sie haben sie in zwei Jahren auf über 19 % gesteigert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Erblast!) Das ist die Realität und die Wahrheit!


(Zustimmung bei der SPD — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Aber wir haben eine volle Kasse hinterlassen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Daß Sie nach dem letzten Sonntag so unruhig sind, meine Damen und Herren, dafür habe ich großes Verständnis.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Denken Sie mal an Berlin! Sie sind doch Berliner Abgeordneter! — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

— Sind Sie sich allmählich einig, was Sie eigentlich rufen wollen?

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Ja. Sie sind Berliner Abgeordneter!)

Sie haben immer mehr Schwierigkeiten mit der Koordinierung. Man merkt, daß Ihr vorhergehender Geschäftsführer Bundestagspräsident geworden ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden sich noch mehr Negativrekorde anhören müssen. Unter Ihrer Verantwortung werden von den Arbeitnehmern die höchsten Rentenversicherungsbeiträge verlangt, und Sie wollen sie zum 1. Juli noch einmal auf 19,2 % steigern. Unter Ihrer Verantwortung hat die Zahl der Firmenzusammenbrüche den höchsten Stand seit der Währungsreform erreicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dank der Erblast!)

Und dann gehen Sie hierher und sprechen von einem breiten Wirtschaftsaufschwung! Dies ist mit der Realität unvereinbar.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie sich hier so im Sprechchor äußern: Sie haben die Kräfte unseres Volkes fehlgeleitet.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/ CSU)

Sie haben den breiten Schichten genommen, Sie haben den Starken gegeben, und was Sie den Starken gegeben haben, ist nur zum geringen Teil in unserem Lande investiert, ist nur zum geringen Teil für neue Arbeitsplätze ausgegeben worden; es ist zu einem erheblichen Teil ins Ausland, insbesondere nach den USA geflossen. Darum ist die Behauptung, es herrsche ein allgemeiner Wirtschaftsaufschwung, nahe bei Hochstapelei.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ihre agrarpolitische Bilanz ist um kein Haar besser. Im dritten Jahr der Wende — das wissen Sie selber ganz genau — herrscht in vielen Dörfern bitterer Streit. Das Einkommen der Bauern — Sie haben es gerade dankenswerterweise bestätigt — ist auf den Stand von 1974/75 gesunken.

(Zurufe von der CDU/CSU: Erblast!)

Nicht wenige mittlere und kleine Familienbetriebe bangen um ihre Existenz. Viele junge Menschen auf den Bauernhöfen fühlen sich um ihre Zukunftschancen gebracht. Ganzen Regionen droht das Brachfallen von Flächen, die Abwanderung und Verödung zu Lasten der Umwelt und der Siedlungsstruktur. Sie können sagen, was Sie wollen, Herr Kollege Kiechle, und Sie können es in noch so sympathischer Form vortragen, Sie werden die Verantwortung für diese Situation nicht abschütteln können.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Unsere Kritik gilt nicht den Bauern, unsere Kritik gilt nicht denen, die für unsere Gemeinschaft, für unsere Umwelt, für unsere Ernährung einen unverzichtbaren Beitrag leisten,

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Denen Sie aber Preissenkungen zumuten wollen!)

die hart arbeiten, die kaum Urlaub haben und die vielfach zu wenig verdienen. Unsere Kritik gilt der Bundesregierung, und sie gilt Ihnen, Herr Kollege Kiechle.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Kollege Kiechle, Sie haben sich in der Opposition — und daran muß ich Sie erinnern — jeder Reform der europäischen Agrarpolitik widersetzt. Sie haben im Pressedienst Ihrer Partei im November 1980 nach der Regierungserklärung von Helmut Schmidt geschrieben:
In der Regierungserklärung wurden die Schwierigkeiten am EG-Agrarmarkt in unverantwortlicher Weise
— man höre! —
mit der Bezeichnung „Überschüsse" apostrophiert. Eine solche Pauschalierung wird der Sache keineswegs gerecht. Derartige Meinungsäußerungen
— also die Behauptung von Überschüssen — tragen lediglich zur Begriffsverwirrung bei.



Dr. Vogel
So Originalton Kiechle im Jahre 1980!

(Zuruf von der SPD: Man höre sich das an!)

Ich glaube, Herr Kollege Kiechle, Sie schleppen da eine Erblast eigener Art mit sich herum; das ist mein Eindruck.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch schöner und noch zeitnäher. Am 25. März 1982 — das ist noch gar nicht so lange her — hat der Herr Bundeslandwirtschaftsminister, damals noch Sprecher der Opposition, wörtlich gesagt: „Wir" — damit meinte er wohl die Schreihälse hier und die anderen, die ruhig zuhören — —

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Was heißt hier „Schreihälse"? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

— Na, hören Sie mal!

(Anhaltende lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU)

Sie beantworten doch die Frage, wer hier Schreihals ist, gerade selber. Ich bitte Sie.

(Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wenn Sie hier eine Büttenrede halten, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Helau gerufen wird!)

Ich schlage Ihnen eine Abrede vor: Ich nenne das Stichwort „Schreihals", und dann schreien Sie. Das ist doch wunderbar.

(Heiterkeit bei der SPD — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: „Ich danke Gott, daß ich nicht bin wie die anderen" — wissen Sie, wo das steht?)

— Lieber Herr Kollege Bötsch, Sie waren auch schon mal lustiger, gell?!

(Lachen bei der CDU/CSU)

Aber gestern haben Sie eine solche Pleite erlebt; da verstehe ich, daß es Ihnen ein bißchen den Humor verschlagen hat.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie sind j a ein Beispiel von Heiterkeit!)

— Meine Damen und Herren, ich verstehe ja die Taktik: Sie wollen das zweite Zitat nicht hören, deswegen diese Unterbrechungen.
Also, im März 1982 hat Herr Kollege Kiechle, der jetzt so gegen die Überschüsse wettert, wörtlich folgendes gesagt:
Wir
— also die Union, nehme ich an, oder der Landwirtschaftsverband; ist auch möglich —
richten unseren Blick nicht engstirnig — engstirnig, Herr Kollege Kiechle! —
auf vielleicht gerade momentan vorhandene Lebensmittelüberschüsse und glauben nicht, dann sofort die ganze EG-Agrarpolitik reformieren zu müssen.
Herr Kollege Kiechle, diesen Satz muß man sich in Erinnerung rufen. Man muß ihn sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn man heute von dieser Stelle Ihre unberechtigten Vorwürfe gegen den Kollegen Ertl und die Zeit unserer Regierungsverantwortung mit anhören muß.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Im übrigen, das Kunststück, Herr Kollege Gallus, macht mir gelegentlich Schwierigkeiten, wie Sie mit derselben Treue dem angegriffenen Ertl und jetzt dem Angreifer Kiechle dienen. Das ist ein Kunststück, das man wirklich bewundern muß.

(Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Sie haben die Demokratie nicht verstanden!)

Diese Angriffe, Herr Kollege Kiechle, die Sie gegen Ihren Amtsvorgänger richten, sind durch Ihre eigenen Zitate widerlegt, sie sind unglaubwürdig.
Dann haben Sie im März letzten Jahres in Brüssel eine sogenannte Agrarreform durchgesetzt, die Sie ja noch zwei Jahre vorher als überflüssig bezeichnet haben. Das Kernstück ist die Milchkontingentierung. Daß diese Quotenregelung die Wurzel vieler Übel, nein, fast aller Übel ist, das bestreiten ja inzwischen selbst Ihre Freunde nicht mehr. Sehen Sie, Herr Kollege Kiechle, Sie, der Sie sonst ständig das hohe Lied des freien Marktes mit Unterstützung Ihrer Chöre singen, Sie haben hier einer gigantischen Planungs- und Bewirtschaftungsbürokratie zugestimmt, nein, Sie haben sie mitgeschaffen. Sie haben dem Staat die direkte Entscheidung darüber eingeräumt, wer wieviel an Milch produzieren darf.
Sie wissen doch selbst, Herr Kollege Kiechle, und bei anderer Gelegenheit — nicht hier — sagen Sie es ja auch, ich habe es selber von Ihnen schon gehört, daß auf diese Weise ein Keil getrieben wird zwischen diejenigen, die als Quotenbesitzer profitieren, und die, die bei der Quotenzuteilung auf der Strecke bleiben. Sie wissen doch selbst, wie diese Unterschiede, die Gegensätze zwischen den hohen und niedrigen Quoten das Klima zwischen Nachbarn und in ganzen Dörfern vergiften.

(Hornung [CDU/CSU]: Die hohen Quoten, die Sie produziert haben!)

Zu Recht spricht die „Neue Zürcher Zeitung", die ja nun weiß Gott uns nicht zum Munde redet oder schreibt, in bezug auf Ihre Politik von einer Tragikkomödie. Und der Sachverständigenrat, auf den Sie sich doch sonst ständig berufen, spricht von einem mengenbegrenzenden Kartell.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Lesen Sie mal weiter, was darin noch steht!)

Im übrigen können sich noch nicht einmal die Ämter und die Verwaltungsgerichte freuen. Sie wissen doch ganz genau, daß die Ämter und die Gerichte schon jetzt unter der Last der Entscheidungen stöhnen, die Sie ihnen zugemutet haben und durch immer wechselnde neue Vorschriften ständig neu zumuten.

(Beifall bei der SPD)




Dr. Vogel
Meine Damen und Herren, ich hätte es gern aus Ihrem Munde gehört, aber nachdem Sie es nicht erwähnt haben, muß ich es sagen: Über 20 000 Vorlagen bei den Verwaltungs- und den Finanzgerichten und über 20 Verfassungsbeschwerden oder Verfassungsklagen zeigen den ganzen Umfang des Planungs- und Bewirtschaftungswirrwarrs, den Sie hier angerichtet haben.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Die nationalen Ausgleichsmaßnahmen, die den Steuerzahler — ich hätte bei Ihrer Danksagung gern auch den Dank an den Steuerzahler gehört —, die Arbeitnehmer und alle, die Steuern zahlen,

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Haben Sie sich denn beim Steuerzahler bedankt für die ganzen Schulden, die Sie hinterlassen haben?)

in den nächsten sieben Jahren rund 24 Milliarden DM kosten —

(Hornung [CDU/CSU]: Sie wollen die Bauern vernichten! — Gegenrufe von der SPD)

— in sieben Jahren alle Steuerzahler 24 Milliarden DM —, bedeuten entgegen Ihrer Behauptung, Herr Kollege Kiechle, für die kleinen und die mittleren Betriebe eben keine spürbare Verbesserung.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Sie kennen doch die Berechnungsbeispiele. Wir haben sie Ihnen doch x-mal vorgelegt.

(Beifall bei der SPD)

Sie können sagen, was Sie wollen: Die Ausgleichsregelung, die Sie gefunden haben, die Sie in einem überfallartigen Verfahren innerhalb von 14 Tagen in der zweiten Tranche durchgesetzt haben, begünstigt die Umsatzstarken und läßt für die, um deren Existenz es geht, eben nur Brosamen und Kleinbeträge übrig.

(Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Unsinn wird dadurch doch nicht wahr, daß Sie es immer wieder sagen, Herr Vogel!)

Damit keine Legende entsteht:

(Eigen [CDU/CSU]: Das ist eine Legende, die Sie jetzt bringen!)

Wir sind nicht gegen Ausgleichsmaßnahmen. Wir sind aber dagegen, daß Sie hier ebenso ungerecht zu Werke gehen wie auch sonst in Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Wir sind dagegen, daß Sie denen, denen es schon gutgeht, noch zusätzlich etwas geben und die Kleinen ihrem Schicksal überlassen,

(Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Nur billiger Klassenkampf!)

vielleicht nach der erhellenden Devise, Leistung müsse sich wieder lohnen — gerade als ob die Kleinen nichts leisten würden.

(Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Billiger Klassenkampf! — Gehen Sie zu Ihrem Bruder und lassen Sie sich das einmal erklären!)

— Lieber Herr Kollege, warum diese Aufregung? Warum denn Ihre Aufregung?

(Eigen [CDU/CSU]: Weil das dumm ist!)

Wenn das der Präsident eines Bauernverbandes auf Landesebene sagt, nicken Sie und stimmen besorgt zu.

(Frau Blunck [SPD]: Der macht es selber!)

Wenn ich das sage, ist das Klassenkampf. Das können Sie doch Ihrer Großmutter erzählen, aber nicht mir.

(Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Die ist schon tot! — Niegel [CDU/CSU]: Mehr Niveau, Herr Vogel!)

Jetzt wettern ausgerechnet Sie, Herr Kollege Kiechle, gegen die Preisvorschläge der Kommission

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Alternative zur Milchquotenregelung?)

und sagen den Bauern — ich habe das mit großem Interesse gehört — auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes hier in Bonn, Sie stünden auf der Seite der Bauern. Wörtlich haben Sie gesagt, Sie würden mit den Bauern gegen Brüssel protestieren. Welch ein Kunststück, Herr Kollege Kiechle! Da protestieren Sie nämlich gegen sich selber.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch die Bauern haben es j a verstanden, daß Sie mit Ihren Aussagen und mit diesen Protesten Ihre Zuhörer täuschen oder daß Sie die Täuschung zumindest in Kauf nehmen.
Herr Kollege Kiechle und meine sehr verehrten Damen und Herren, die ruhigen und die weniger ruhigen aus der Oppo — —, aus der Koalition — —

(Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

— Entschuldigung, liebe Freunde, Sie waren eine ganze Zeit in der Opposition, und ich sage Ihnen: Sie werden rascher wieder in der Opposition sein, als Sie das glauben.

(Beifall bei der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Wunschdenken! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Jetzt war die Abteilung Schreihals scheinbar ohne Stichwort.
Die Vorschläge der Kommission, die Sie bekämpfen, liegen doch in der Logik dessen, was Sie selbst beschlossen haben, Herr Kollege. Es war doch Ihr Bundeskanzler und es war Herr Stoltenberg, Ihr Finanzminister, die sich laut rühmten, in der EG endlich Haushaltsdisziplin durchgesetzt zu haben.



Dr. Vogel
Sie wissen doch ganz genau — warum sagen Sie es hier nicht? —, daß der Europäischen Gemeinschaft in diesem Jahr schon bei der Verwirklichung der Kommissionsvorschläge 7 Milliarden DM fehlen. Wenn Ihre Vorschläge Wirklichkeit werden, müßte noch einmal rund 1 Milliarde DM draufgelegt werden. Sie kennen doch auch den Anteil der Bundesrepublik an diesen zusätzlichen Finanzierungen. Er beträgt etwa 22, 23 %.

(Eigen [CDU/CSU]: 28 %!)

— Noch schlimmer: 28 %! Sie sehen, wie höflich ich Sie behandle und wie vorsichtig ich mit meinen Zahlen bin.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie hätten lieber Schmidt [Gellersen] als ersten reden lassen! — Schmidt [Gellersen] ist besser!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen den Bauern auch gerne zu einem höheren Einkommen verhelfen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wie denn? — Wie machen Sie das denn?)

Wir sind einverstanden, wenn Sie versuchen, aus der Situation, die Sie und die Bundesregierung selbst herbeigeführt haben, das Beste zu machen. Aber wir sind dagegen, wenn Sie den Landwirten und der Öffentlichkeit von dieser Stelle aus etwas vorgaukeln, wenn Sie ungedeckte Schecks ausstellen und die Kommission für Dinge verantwortlich machen, die Sie selbst zu vertreten und mitbeschlossen haben.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Die Haushaltsdisziplin, an der Sie sich jetzt reiben und stoßen, hat Ihr Bundeskanzler herbeigeführt und sich als besonderen Erfolg auf seine Fahnen geschrieben. Im übrigen: Sie haben ja selber gehört, was Herr Andriessen Ihnen auf der Grünen Woche in Berlin wegen der Widersprüchlichkeit Ihres eigenen Verhaltens öffentlich ins Stammbuch geschrieben hat. Er hat gesagt — Sie sollten es hier widerlegen, hier! —, die Bundesregierung könne nicht ständig auf Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin zur Eindämmung der Agrarkosten drängen, wenn sie andererseits alle Bemühungen der Kommission, dies bei den Preisverhandlungen durchzusetzen, blockiere. Protestieren gegen die Vorschläge ist leicht — ich bin sehr geneigt, mich den Protesten anzuschließen —, aber zu sagen, wie das realisiert und finanziert werden kann, unterlassen Sie weislich, weil Sie es nicht können, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Was sagen denn die Genossen im Europäischen Parlament dazu? — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU)

— Meine Damen und Herren, ich habe noch einmal
die herzliche Bitte, daß Sie Ihre Zwischenrufe ein
bißchen koordinieren. Dieses Gebrüll, Entschuldigung, kann wirklich niemand verstehen, rein akustisch nicht. Ob man's inhaltlich verstehen kann,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie nicht!)

ist eine weitere Frage. Sie brüllen so unkoordiniert, daß man es wirklich nicht verstehen kann.

(Abg. Eigen [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Das ist ein guter Vorschlag. Ich bin einverstanden, ja.

(Heiterkeit bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012700400
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1012700500
Herr Dr. Vogel, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluß gefaßt und auch einen Beschluß in Fontainebleau herbeigeführt hat, daß die EG ab 1. Januar 1986 zusätzlich insgesamt etwa 17 bis 18 Milliarden DM und etwa weitere 10 Milliarden DM ab 1. Januar 1988 erhält? Unter diesen Umständen kann man j a wohl nicht sagen, daß die deutsche Bundesregierung die Finanzierung der EG blockiert.

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1012700600
Ist Ihnen bekannt, Herr Fragesteller, daß dies die Beträge sind — —

(Zurufe von der CDU/CSU: „Herr Abgeordneter"! „Herr Eigen"!)

— Ich bitte doch, das mir zu überlassen, Herr Oberlehrer. Weswegen diese Zensuren? Ich rede ihn hier als Fragesteller an. Das ist doch nicht beleidigend!

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Höflich auch nicht gerade! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Na, warten Sie doch erst einmal ab. — Herr Fragesteller, ich erwidere Ihre Frage mit Gegenfragen: Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß es sich dabei um die Beträge handelt, die bei der Erhöhung der Eigenmittel auf 1,4 % bzw. 1,6% zu zahlen sind? Ist Ihnen bekannt, daß dies an den Beitritt von Spanien und Portugal gekoppelt ist? Ist Ihnen bekannt, welche Mehrkosten dadurch entstehen? Und ist Ihnen bekannt, daß diese Eigenmittel schon jetzt, obwohl die Beschlüsse noch gar nicht gefaßt sind, bereits zu mehr als 1,3 % — nach anderen Rechnungen schon zu 1,4 % — beansprucht sind, so daß für weitere Leistungen überhaupt kein Betrag mehr frei ist? Ist Ihnen das bekannt?

(Beifall bei der SPD)

Wenn es Ihnen nicht bekannt ist, empfehle ich Ihnen eine Reise nach Brüssel und eine Unterhaltung mit den für die Finanzen zuständigen Kommissaren und Generaldirektoren der Europäischen Gemeinschaft. Die werden Ihnen das dann bestätigen.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012700700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Blunck, Herr Abgeordneter?

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1012700800
Aber gerne.




Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012700900
Frau Abgeordnete, bitte.

Lieselott Blunck (SPD):
Rede ID: ID1012701000
Herr Kollege Vogel, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bauernpräsident von Schleswig-Holstein, unser Kollege Karl Eigen, -auf einer Protestversammlung Anfang März in Kiel gefordert hat, daß Herr Kiechle doch den Hut nehmen solle, wenn er jetzt ähnliche Ergebnisse wie nach den Verhandlungen über Milchregelungen nach Hause bringen würde?

(Lachen und Beifall bei der SPD) Dr. Vogel (SPD): Frau Kollegin,


(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Frau Fragesteller!)

dies ist mir mit diesem Wortlaut nicht bekannt. Aber daß die Herren Bauernpräsidenten, soweit sie dem Bundestag angehören, draußen ganz anders reden, als sie hier stimmen, ist mir wohl bekannt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012701100
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1012701200
Gerne, Herr Bauernpräsident. Ist die Anrede jetzt besser, Herr Bauernpräsident?

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1012701300
Ich bedanke mich, Herr Dr. Vogel, daß Sie diese Verleumdung der Kollegin Blunck

(Lachen bei der SPD)

zurückgewiesen haben. Das ist eine glatte Falschaussage.

(Roth [SPD]: Soll er statt dessen die Mütze nehmen, Herr Präsident?)

Darf ich fragen, Herr Kollege Dr. Vogel, ob wir im zweiten Teil Ihrer Rede noch eine Alternative der SPD-Fraktion zu dieser schwierigen Agrarpolitik hören werden.

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1012701400
Ich weise die juristische Qualifizierung meiner Antwort an die Frau Kollegin Blunck, die Sie vorgenommen haben, entschieden zurück. Ich habe gesagt: Ich weiß nicht, was Sie gesagt haben; vielleicht haben Sie gesagt, er soll seine Aktenmappe nehmen oder er soll seinen Schreibtisch räumen; ich weiß ja nicht, was Sie gesagt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Im übrigen werden Sie das Vergnügen haben, die Alternativen von mir zu hören. Allerdings, je weniger Sie schreien, um so rascher erreichen Sie den Zeitpunkt, wo Sie diese Aufklärung erhalten. So.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Dann klären Sie mal auf! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Weitere Fragen? Oder lieber Gebrüll?

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU) Bei der Entscheidung zwischen Fragen und Gebrüll entscheidet sich hier leider nur eine Minderheit für Fragen, die Mehrheit für Gebrüll.

In der französischen Zeitung „Le Monde"

(Zurufe von der CDU/CSU)

vom 2. März 1985 wird von einer „schizophrenen Haltung" der Bundesregierung gesprochen. Die französiche Botschaft hier in Bonn hat den Text ausgerechnet dieses Artikels dankenswerterweise übersetzt — das Landwirtschaftsministerium hat auf diese Hilfeleistung aus begreiflichen Gründen verzichtet — und für breite Verteilung gesorgt. Das deutet darauf hin, daß die französische Regierung diese Auffassung teilt.
Es ist ein Novum — das ist Herrn Kollegen Ertl nie passiert —, daß wir uns von unserem französischen Partner folgendes vorhalten lassen müssen
— wörtlich:
Die Deutschen dagegen
— da müßten Sie namentlich genannt werden, Herr Kollege Kiechle —
haben die entscheidende Rolle vergessen, die sie bei der Einleitung der derzeitigen Reform gespielt haben; sie sind die einzigen, die nicht mitspielen, die nicht ihren Teil dazu beitragen wollen.
So weit „Le Monde".
Und ein Blick nach Brüssel zeigt, daß Sie, Herr Kollege Kiechle, leider — ich bedauere das — im Ministerrat isoliert sind. Der Bundeskanzler sagt immer, er will die politische Union. Er und der Herr Kollege Genscher sprechen sich unentwegt unter Ihrem Beifall für den Übergang und die Rückkehr zu den Mehrheitsbeschlüssen aus. Sie sagen, das Veto sei der Tod der Union. Und Sie haben recht. Wir stimmen Ihnen zu. Gleichzeitig redet der Landwirtschaftsminister dieser Regierung davon, er werde selbstverständlich ein Veto einlegen. Meine Damen und Herren, in Ihrer Politik paßt nichts zusammen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine Tragikomödie, wie sie die „Neue Zürcher Zeitung" beschreibt.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

Aber wir kritisieren nicht nur. Wir setzen Ihrer verfehlten Politik — nun kommt der Abschnitt, auf den Sie warten, Herr Kollege — unseren konkreten Alternativen entgegen. Unsere Sprecher werden dies im einzelnen erläutern.

(Lachen bei der CDU/CSU — Brunner [CDU/CSU]: Wir sind ganz Ohr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich beschränke mich auf die drei zentralen Elemente. Diese sind:
Erstens. Wir fordern die Abschaffung bürokratischer Reglementierungen, die Sie mit der Kontingentierung der Milch eingeleitet haben und die Sie, wenn ich Sie heute richtig verstanden habe, auf andere Produktionsfelder übertragen wollten. Wir



Dr. Vogel
wollen statt dessen eine marktorientierte Agrarpolitik, um einen besseren Interessenausgleich in der Gemeinschaft und im eigenen Land zu ermöglichen.
Zweitens. Die freiwerdenden Mittel aus Einsparungen in der EG-Agrarpolitik und den Teil der nationalen Mittel, der fehlgeleitet wird, besonders die zweite Tranche der Mehrwertsteuerpauschale, wollen wir für direkte Einkommensübertragungen verwenden.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

Wir wollen keine umsatzbezogenen Subventionen, sondern wir wollen die Hilfen für die Bauern stärker an die Fläche binden. Das ist sozial gerechter, und das dient dem Natur- und Umweltschutz.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schlichter Unsinn, daß mit solchen Einkommensübertragungen Landwirte zu Sozialhilfeempfängern abgestempelt werden. Hier sehe ich übrigens nach Ihrer Rede sogar eine gewisse Berührung zwischen Ihrer und unserer Auffassung. Wenn Sie hier beklagen, daß Bauern für ihre landschaftspflegerische und umweltschützende Tätigkeit mit Worten und einem Händedruck abgespeist werden, dann ist doch das völlig logisch, was wir vorschlagen: daß diese Leistung abgegolten werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen keine Geschenke verteilen. Wir wollen Landwirte gerade für Ihre Leistungen für die Erhaltung von Natur und Landschaft entschädigen. Wir wissen, daß niemand diese Aufgabe leisten könnte, wenn die Landwirte und die Bauern sie nicht leisten. Der Gedanke, dies etwa mit Behörden oder mit Angestellten leisten zu wollen, ist verfehlt. Deswegen unser konstruktiver Vorschlag, unsere Mittel in diese Richtung zu lenken.

(Beifall bei der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sie wollen die Preise herabsetzen!)

Drittens. Wir wollen eine umweltverträgliche Landwirtschaftspolitik, die dann auch möglich und begründbar wird, Herr von Heereman, wenn die Gegenleistung und der finanzielle Aufwand dem entsprechen. Das ist für uns eine Einheit und ein Verbund. Wir wollen eine Landwirtschaftspolitik, die dem Boden-, Gewässer- und Naturschutz sowie auch der artgerechten Nutztierhaltung einen höheren Stellenwert einräumt. Dazu bedarf es weiterer Kurskorrekturen, richtiger Kurskorrekturen in der EG-Agrarpolitik und in der nationalen Politik.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das sind doch Leerformeln!)

Wir wollen diese Kurskorrektur mit den drei von mir soeben dargelegten Elementen, weil sie nach unserer Überzeugung dem Wohle der in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen dient, zum Vorteil von Natur und Umwelt ist, die europäische Zusammenarbeit fördert und uns aus der gefährlichen
Rolle des europäischen Störenfriedes, in die wir mehr und mehr hineinrutschen, heraushilft.

(Beifall bei der SPD) Das ist ein realistisches Konzept,


(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sie hätten es doch selber durchführen können!)

ein Konzept, das unseren Bauern wieder eine Perspektive gibt.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sie waren doch lange genug an der Regierung! Warum haben Sie es nicht gemacht?)

Es ist eine Agrarpolitik der Vernunft und der Gerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, Sie werden sich dieser Linie annähern müssen, oder Sie werden auch von den Bauern — das hat ja bei den bayerischen Kommunalwahlen bereits begonnen — die verdiente Quittung für Ihre Politik bekommen, die Ihnen die Wähler an der Saar und in Hessen am vergangenen Sonntag bereits gegeben haben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Berlin!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012701500
Das Wort hat der Abgeordnete Susset.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID1012701600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Minister Kiechle und den Mitarbeitern seines Hauses namens der CDU/CSU-Fraktion recht herzlich für die fristgerechte Vorlage des Agrarberichts danken

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist seine Pflicht!)

und ihm gleichzeitig für seinen unermüdlichen Einsatz sowohl hier in der Bundesrepublik als auch in Brüssel zur Verbesserung der Lage in der Landwirtschaft herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Herr Fraktionsvorsitzende Dr. Vogel hat von ungedeckten Schecks gesprochen. Da würde ich Ihnen empfehlen, daß Sie sich hier vielleicht an den durch den Berliner Wähler wieder zum Wohnsitz Hamburg zurückbeorderten ehemaligen Finanzminister Apel wenden.

(Zurufe von der SPD)

Und ich möchte Sie, Herr Dr. Vogel, doch einmal fragen: Was haben Sie, bevor Sie Ihren Kurzausflug nach Berlin machten, der auch durch den Wähler in Berlin gestoppt wurde,

(Zuruf der Abg. Frau Blunck [SPD])

als Justizminister getan in der Zeit, wo Finanzminister Apel gegen viele der Maßnahmen war, die der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Ertl für die deutsche Landwirtschaft durchsetzen wollte? Was haben Sie da getan?

(Dr. Vogel [SPD]: Wir hatten doch keine Überschüsse!)




Susset
Wären Sie damals schon so munter agrarpolitisch eingestiegen wie heute,

(Dr. Vogel [SPD]: Es gab ja keine Überschüsse! — Weitere Zurufe von der SPD)

dann hätte es garantiert Ihr Kollege und unser Landwirtschaftsminister Ertl leichter gehabt, vieles von dem einzuleiten, was wir jetzt tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, der Agrarbericht ist sicherlich ein Beleg dafür, wie notwendig es war, endlich einige Weichen anders zu stellen. Der Agrarbericht weist aber auch — durch Zahlen belegt — das zurück, was Sie, Herr Dr. Vogel, heute wie schon einmal in der letzten Aktuellen Stunde taten, nämlich das Schüren von Neidkomplexen zwischen klein und groß.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Der Einkommensvergleich nach Betriebsgrößen, gemessen in Standardbetriebseinkommen, belegt, daß sich die ungünstigen Voraussetzungen für das Wirtschaftsjahr 1983/84 in allen Betriebsgrößen bemerkbar machen. Ich glaube, das ist doch der Beweis dafür, daß dieses Schüren von Neidkomplexen einfach nicht in die schwierige Landschaft paßt, in der sich zur Zeit die Agrarpolitik befindet.
Sie haben sicherlich auch nicht daran gedacht, daß die SPD, soweit sie dem Europäischen Parlament angehört, beispielsweise gestern dort ganz anders entschieden hat, als Sie es hier im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

Dort erklärte die SPD-Abgeordnete Mechthild Rothe: Wir sind für die Nullrunde.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Unglaublich! Doppelzüngigkeit! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das ist sicherlich kein Einsatz für die deutsche Landwirtschaft.
Die vielen Ausgleichsmaßnahmen, die von Ihnen, Herr Dr. Vogel, heute hier wieder angesprochen wurden, sind ja in den Zeiten abgebaut worden, als Sozialdemokraten Finanzminister in dieser Bundesrepublik Deutschland waren.

(Hornung [CDU/CSU]: Und zwar auf allen Ebenen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, sicherlich konnte keiner erwarten, daß die notwendigen Entscheidungen in Brüssel ohne Wirkung auf die Einkommen der Landwirtschaft bleiben. Aber mit den gegen den erbitterten Widerstand der SPD durchgesetzten nationalen Maßnahmen ist es doch gelungen, zumindest einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Es wird auch in zähen Verhandlungen weiter gelingen, den drohenden Zusammenbruch anderer Marktordnungen zu verhindern.
Die Garantiemengenregelung bei der Milch, die in Brüssel beschlossen und bei uns in der Bundesrepublik auch durchgesetzt wurde, hat sicherlich nicht nur Freude bereitet. Aber ich habe noch von keiner Seite, auch von keinem SPD-Agrarpolitiker, ein Konzept gehört, das die notwendige Wirkung, nämlich eine Begrenzung der Mengen, auf eine andere Art hätte herbeiführen können, als dies durch diese Garantiemengenregelung erreicht wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hornung [CDU/CSU]: Die SPD will nur Preissenkungen!)

Ein weiteres Hinausschieben notwendiger Anpassungsmaßnahmen hätte zu einer drastischen Verschärfung der Überschußsituation geführt. Heute gibt es doch schon Wissenschaftler, die erklären, daß wir sonst etwa 1990 bei ca. 120 Millionen t Milchproduktion in der Europäischen Gemeinschaft gelegen hätten. Deshalb stelle ich Ihnen die Frage: Was hätten wir dann gemacht, meine Damen und Herren?

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Das wißt Ihr eben nicht! Ihr wißt überhaupt nichts! — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Kein Konzept, nur Sprüch'!)

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß nach der notwendigen Vollbremsung bei der Milchproduktion nun erst einmal die Wogen geglättet werden müssen. Wir haben daher in unserem Entschließungsantrag zur heutigen Debatte die Bundesregierung aufgefordert, bei den diesjährigen Preisverhandlungen gegen eine weitere Kürzung der Milchgarantiemenge einzutreten. Ich glaube, das ist angesichts der Mengenentwicklung auch vertretbar.
Längerfristig muß das System der Garantiemengenregelung in einen flexibleren Zustand überführt werden, d. h. die Quoten müßten mit der Zeit auch etwas großräumiger festgelegt werden können, damit die Über- und die Unterlieferung ausgeglichen werden kann; etwa so, wie es nun ja auch in Brüssel beschlossen worden ist. Ich bin fest davon überzeugt, daß es der Bundesregierung gelingen wird, in Brüssel in weiteren Verhandlungen hierfür auch die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, damit von der Bundesrepublik Deutschland nur für so viel Kilogramm Milch eine Zwangsabgabe gezahlt wird, wie wir die Garantiemenge tatsächlich überschreiten.
Ich möchte aber auch unmißverständlich feststellen, daß eine einzelbetriebliche Überschreitung der Garantiemengen ebenfalls zu Abzügen führen muß; denn wenn spekulative Quotenüberschreitungen im nachhinein belohnt würden, täte das der ganzen Aktion sicherlich nicht gut.
Wir werden — wir sind da schon von einigen Bundesländern angesprochen worden — in nächster Zeit die Diskussion darüber eröffnen, inwieweit Bundesländer künftig die Maßnahmen des Bundes, die als Milchrentenaktion auslaufen, weiterführen können. Wir wollen hier in absehbarer Zeit tätig werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)




Susset
Der von SPD-Finanzministern vollzogene Abbau der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung wurde durch diese Bundesregierung gestoppt. Das ist ein Beitrag dazu, die Einkommenslage der Landwirtschaft durch Beitragsentlastung zu verbessern. Wir haben für das Jahr 1985 die 400 Millionen DM Bundeszuschüsse wieder verfügbar. SPD-Finanzminister hatten hingegen Pläne auf dem Tisch, nach denen diese Zuschüsse auf Null gesenkt werden sollten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn der damalige Justizminister Vogel im Kabinett dagegen gestimmt hätte.
Wir haben die Bundesregierung auch aufgefordert, die Bundeszuschüsse zur Altershilfe der Landwirte von 75 auf 79 % anzuheben. Das Kabinett hat einen Beschluß hierzu herbeigeführt. Wir werden als Parlament bald eine Vorlage haben, in der das Problem der gerechten Beitragsentlastung gelöst wird.
Wir haben mit der Einführung einer absoluten Obergrenze beim Einkommensausgleich über die Mehrwertsteuer das erste mal einen Schritt zur Verhinderung unerwünschter Konzentration in der Veredelungswirtschaft getan. Zu diesem Problem wird in der SPD immer davon geredet, aber bisher gab es von Ihnen noch keinen einzigen Vorschlag in dieser Richtung. Wir, die wir beschimpft werden, daß wir die Großen unterstützen, haben diesen Vorschlag eingebracht und im Parlament gegen die SPD durchgesetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Die zukünftige Agrarpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird darauf ausgerichtet sein, auf dem Wege der Marktstabilisierung fortzufahren und dem bäuerlichen Familienbetrieb die knappen Marktkapazitäten zu sichern, die Einkommenssituation der Landwirtschaft und die Voraussetzungen für die Vermögenserhaltung zu verbessern, die soziale Sicherung der Landwirte weiter auszubauen und weiterhin eine gezielte Kostenentlastung zugunsten einkommensschwacher Betriebe anzustreben. Wir werden auch — es liegen schon einige Vorschläge auf dem Tisch — das Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und Umwelt durch gesetzliche Maßnahmen erhalten. Zur Erreichung dieser Ziele haben wir in unserem Entschließungsantrag ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter und sich ergänzender Maßnahmen vorgeschlagen.
Die Bundesregierung muß in den kommenden Wochen — ich weiß, daß unser Bundeslandwirtschaftsminister dies tut — alles daran setzen, um in Brüssel einen tragbaren Preisabschluß für das nächste Wirtschaftsjahr durchzusetzen.

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Bei diesen Preisverhandlungen gilt es die Einkommenssituation der deutschen Landwirtschaft zu berücksichtigen und vor allen Dingen mit Nachdruck dem weiteren Abbau des deutschen Währungsausgleichs und — ich sage es noch einmal — einer weiteren Kürzung der Milchgarantiemenge entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im Gegensatz zu unseren Kollegen von der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament halten wir von den Vorschlägen der Kommission nichts. — Die eingeleitete Marktstabilisierung darf nicht dadurch unterlaufen werden, daß künstliche Milchprodukte mühsam errungene Marktmöglichkeiten wieder auffüllen. Wie haben daher in unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, für ein Herstellungs- und Vermarktungsverbot von Imitationsprodukten einzutreten.
Die Erfahrungen auf dem Milchmarkt haben gezeigt, wie schwer es ist, unter hohem Zeitdruck zu handeln. In anderen Bereichen, beispielsweise auf dem Veredlungssektor, zeichnen sich nämlich, wenn nichts geschieht, ähnliche Entwicklungen ab. Ich nenne nur das Beispiel der Schweineproduktion, und hier muß auch schon im Vorfeld durch eine restriktive Förderpolitik alles getan werden, damit hier nicht auch Überschußkapazitäten aufgebaut werden,

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

die nachher an den Märkten nicht mehr zu verkraften sind.
In der europäischen Agrarstrukturpolitik muß die nationale Kompetenz wieder ausgeweitet werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen doch, daß eine einheitliche Strukturpolitik von Dänemark bis Kreta unmöglich ist. Den Ländern muß auch hier künftig ein größerer Gestaltungsspielraum zur Berücksichtigung regionaler Interessen eingeräumt werden.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Angesichts voller Märkte und leerer Kassen ist es völlig unverständlich, wenn die EG-Kommission vorschlägt, bestimmte Hormone als Masthilfsmittel zuzulassen. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Stoffe ist noch nicht restlos geklärt, und deshalb treten wir dafür ein, ein EG-weites Verbot von künstlichen und natürlichen Hormonen zu erlassen. Es wird auch ohne Hormone schon zuviel produziert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zustimmung der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Genauso unverständlich, meine Damen und Herren, ist die von der EG-Kommission kürzlich angeordnete Zwangsdestillation deutscher Tafelweine, obwohl diese — der Minister hat das ausgedrückt — bei uns am Markt zu vernünftigen Preisen zu verkaufen wären. Hier muß auch für die Zukunft sichergestellt werden, daß die Überschüsse dort aus dem Markt genommen werden, wo sie produziert werden, wie wir es auch bei der Milch machen. Italien produziert zuwenig Milch, es braucht auch keine Produktion zurückzunehmen. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir die gleiche Situa-



Susset
tion auf dem Weinmarkt. Deshalb sollte das, was bei der Milch gilt, hier auch beim Wein gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin dem Bundeskanzler sehr dankbar, daß er in Dublin in hartem Ringen die Weichen für die künftige Weinbaupolitik anders gestellt hat; denn hätten wir schon die Voraussetzungen, die ab 1985/86 bis 1990 gelten, dann hätten wir diesen Ärger nicht. Ich bedanke mich bei unserem Kollegen Ignaz Kiechle, daß es ihm gelungen ist, das, was in Dublin im groben vorbereitet wurde, in Brüssel entsprechend wasserdicht zu machen, so daß die Weinwirtschaft weiß, wie es die nächsten Jahre weitergeht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Die immer umfangreichere Bewirtschaftungseinschränkung — und es gibt schon viele Einschränkungen — entwickelt sich zunehmend zu einem ernstzunehmenden Faktor. Die Landwirtschaft ist selbstverständlich bereit, ihren Beitrag zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten. Aber es muß klar sein: Landwirtschaftliche Betriebe mit umweltschutzbedingten Bewirtschaftungsbeschränkungen dürfen nicht schlechter gestellt werden als landwirtschaftliche Betriebe, die diese Beschränkungen nicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

In der Richtung, meine Damen und Herren, müssen wir weiter Politik machen.
Der Getreidemarkt — darauf wurde schon eingegangen — ist ein problematischer Markt geworden. Darauf werden nachher — ich sehe: Ich bin zeitlich in Verzug — andere Kollegen eingehen. Ich meine, daß in Anbetracht des Problemdrucks auf dem Getreidemarkt und auf anderen Märkten auch Flächenstillegungen in gewissen Bereichen auf Dauer kein Tabu sein dürfen. Bei einer entsprechenden Prämie ist eine längerfristige Herausnahme von Flächen denkbar.
Zur Agrarsozialpolitik möchte ich noch ansprechen, daß auch der Landwirtschaft eine Vorruhestandsregelung, wie wir sie für Arbeitnehmer gesetzlich ermöglicht haben und wie sie durch Tarifverträge in vielen Bereichen nun durchgesetzt wird, auf die Dauer nicht vorenthalten werden darf.
Wir haben in unserem Entschließungsantrag noch einige steuerliche Fragen angesprochen, die wir in die Beratung des Steueränderungsgesetzes 1985 einbringen werden.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die Agrarpolitik in dem Industrieland Bundesrepublik Deutschland einen bedeutsamen und wichtigen Stellenwert im Rahmen der gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Wir werden uns den Problemen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten stellen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Immer [ Altenkirchen] [SPD]: Mit Wohltaten!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012701700
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Vollmer.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Taschentücher raus!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012701800
Wenn Sie sagen: „Taschentücher raus", dann können Sie das ja machen, um mir zu winken, weil dies heute wahrscheinlich meine letzte Rede hier ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Schade! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie hinterlassen eine Lücke, die Sie voll ersetzt!)

Deswegen sage ich auch: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders lieber Otto Schily!

(Zurufe von der CDU/CSU, der FDP und der SPD: Oh! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Der ist wohl extra zu Ihrer Abschiedsrede gekommen?)

Mit einem ganz einfachen Beispiel möchte ich anfangen, die Situation der Landwirtschaft im Jahre 1985 zu erläutern. Bitte stellen Sie sich einmal die gesamte Volkswirtschaft in Form eines Kuchens, sozusagen eines Volkswirtschaftskuchens, vor, der wie ein Pfannkuchen oder wie eine Torte aussieht. Das kennen Sie ja.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist aber ein gewisser Unterschied!)

Wenn Sie nun auf der Fläche dieses Kuchens den Anteil der Bruttowertschöpfung ermessen sollen, den der gesamte Bereich der Landwirtschaft, der Baumschulen, des Gartenbaus, der Forstwirtschaft, der Fischerei und des Weinbaus erzeugt, welchen Anteil würden Sie erwarten? Schließlich handelt es sich bei den Werten, die in diesen Bereichen geschaffen werden, um die gesamte Grundlage nicht nur unserer Ernährung, sondern darüber hinaus um die Grundlage unserer Existenz überhaupt und um die Grundlage der uns umgebenden sinnlich erfahrbaren Welt. Dieser Anteil — ich will es Ihnen sagen — beträgt heute, für alle Bereiche zusammengenommen, noch etwa 2 %. Bei dem Pfannkuchen oder der Torte, wir nehmen einmal die Torte,

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Die Torte von Jo Leinen!)

teilt eine kniepige Hausfrau so ein Viertel in vier Stücke, und der dritte Teil eines solchen kleinen Stückes, also beinahe so ein Faden, das ist der Anteil, den diese gesamten Bereiche — also noch einmal: Landwirtschaft, Baumschulen, Gartenbau, Forstwirtschaft, Fischerei und Weinbau — an der Bruttowertschöpfung überhaupt noch haben.

(Eigen [CDU/CSU]: Das ist genau falsch! Sie haben falsch gerechnet! — Hornung [CDU/CSU]: Das ist ein sehr wichtiger Anteil!)




Frau Dr. Vollmer
Nun kann das j a nicht daran liegen, daß da wenig oder schlecht oder faul produziert wird, sondern offensichtlich liegt es doch daran, daß das, was in der Landwirtschaft an Werten geschaffen wird, in dieser Gesellschaft einfach unterbewertet wird, daß es nicht richtig verbucht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein zweites Beispiel. Im Jahr 1983/1984 wurden die Diäten der Bundestagsabgeordneten um 320 DM monatlich erhöht. Davon könnte ein Bundestagsabgeordneter, gemessen an den Ab-Hof-Preisen, also an den Erzeugerpreisen der Landwirte. sich täglich 54 Eier mehr leisten oder täglich 50 Pfund Weizen

(Schily [GRÜNE]: Dann werden die ja noch dicker, Antje!)

oder täglich — wenn man den Wasseranteil mitnimmt — 57 Laib Brot.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Wieviel Milch trinken Sie mehr?)

Würde ich versuchen, das Äquivalent dieser täglichen Zu-Einnahme des Abgeordneten, dargestellt in Agrarprodukten, hier auf den Tisch des Hauses zu legen, würde ich mich daran verheben.
Diese beiden Beispiele verdeutlichen, glaube ich, eines sehr drastisch: Die Bewertung der von der Landwirtschaft erzeugten volkswirtschaftlichen Werte in diesem Land stimmt nicht mehr. Die Erzeugerpreise der Bauern sind in ein geradezu absurdes Verhältnis zu den Einkommen wenigstens mancher anderen Bevölkerungsschichten geraten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beide Beispiele kommen nur deshalb zustande, weil die landwirtschaftlichen Produkte so niedrig bewertet werden, einen so geringen Preis erhalten, daß sie auch in ihrer Summe im Vergleich zu den anderen Preisen in der Volkswirtschaft, vornehmlich zu den Preisen in der Industrie, zu leicht befunden werden, zu gering bemessen werden.

(Hornung [CDU/CSU]: Das ist der sogenannte Weltmarkt!)

Es ist kein Wunder, daß bei so niedrigen Preisen und dem daraus folgenden niedrigen Anteil an der volkswirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und dann auch am Bruttosozialprodukt auch die politische Bedeutung der Landwirtschaft und des agrarischen Sektors in diesem Land naturgemäß sehr gering eingeschätzt wird und ständig sinkt.

(Schily [GRÜNE]: Aber nicht naturgemäß!)

— Nicht naturgemäß, richtig, sondern genau wirtschaftsbedingt.
Wenn die Erzeugerpreise so niedrig sind, blieb und bleibt den Landwirten nur der Weg in die rationellere Massenproduktion, die es an sich hat, daß sie die Erstehungskosten pro Stück landwirtschaftliches Produkt reduziert.

(Schwenninger [GRÜNE]: Oder man tut sie zwangsenteignen wie in Boxberg!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012701900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete, des Abgeordneten Carstensen (Nordstrand)?

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012702000
Herr Carstensen, da ich die Intelligenz Ihrer Zwischenfragen kenne, Sie mich z. B. immer fragen, ob ich schon meine Hand unter den Huf eines Pferdes gelegt hätte, möchte ich in diesem Fall aus Niveaugründen ablehnen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Ich wußte nicht, daß ich das schon einmal gefragt hatte!)

Die Entwicklung zur größeren und rationelleren Produktionsform, kann sich, da Fläche und Markt beschränkt sind, nur entwickeln, wenn Bauern ausscheiden. Hier haben wir dann den logischen Schluß: Der sinkende Anteil der Bauern an der Gesamtbevölkerung — heute haben wir mit Voll- und Nebenerwerbsbetrieben noch knapp 6 % — spiegelt dieselbe Tatsache wider, die wir beim Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und bei der Preisbildung bei bäuerlichen Produkten gesehen haben.
Mit so wenig Bauern schwindet dann auch der politische Einfluß, den diese verbleibenden knapp 6% ausüben können. Das spiegelt genau den politischen Standort der Landwirtschaft wider. Wie der Einfluß, den die Bauernverbandsvertreter in diesem Parlament haben, bewertet werden muß. ob er sich wirklich zugunsten der Bauern auswirkt, darüber besteht draußen, glaube ich, nicht mehr viel Zweifel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entsprechend dieser insgesamt politisch schlechten Situation und entsprechend der schlechten Situation der Preise für Agrarprodukte im Vergleich zu Industrieprodukten, entsprechend schlecht werden die Bauern auch behandelt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012702100
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012702200
Ja, bitte.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID1012702300
Frau Kollegin, wenn die Ideologie, die Sie hier erzählen, stimmt, können Sie sich dann eine Vorstellung dahin gehend machen, daß in den Ländern, in denen wir 40 % bäuerliche Bevölkerung haben, der Lebensstandard der Bauern höher ist als bei uns?

(Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch! — Schwenninger [GRÜNE]: Das war wohl eine ideologische Frage! — Gegenrufe von der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012702400
Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012702500
Ich möchte auch sagen, daß dies eine ideologische Bewertung ist. Wenn Sie auf diese Länder achten, werden Sie genau sehen, daß in diesen Ländern der Anteil, den der einzelne



Frau Dr. Vollmer
Verbraucher für Nahrungsmittel ausgeben muß, erheblich höher ist als bei uns.

(Eigen [CDU/CSU]: So ist es, und den Bauern geht es trotzdem schlechter!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012702600
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012702700
Nein, ich beantworte gerade die Frage. — Der Lebensstandard in diesen Ländern ist nicht wegen der Einstellung der Bauern so gering, sondern er ist wegen der Einflüsse der internationalen Konzerne

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

und auch der internationalen Politik auf die Lebensbedingungen dieser Länder

(Zuruf von den GRÜNEN: Ausbeuter!)

so gering. Auf den Flächen dieser Länder wird nämlich ein Gutteil der Futtermittel produziert, die hier bei uns zu Überschüssen führen

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein, die meisten kommen aus den USA. — Jetzt fängt das ganze Gebäude zu wackeln an!)

und die in diesen Ländern dazu führen, daß sie nicht einmal ihre eigenen Grundnahrungsmittel erzeugen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Jetzt komme ich aber zum Agrarbericht zurück: Im letzten Jahr ist die groß angekündigte Wende in der Agrarpolitik voll zur Wirkung gekommen. Die Politik der CDU/CSU hatte zu einem „ganz großen Sprung nach vorn" angesetzt und endete mit einem „Kopsebolter" im tiefsten Einkommenseinbruch seit Verkündung des Landwirtschaftsgesetzes von 1955.

(Schily [GRÜNE]: Sehr wahr!)

Mit minus 18,2 % erreichte die Abnahmerate einen neuen Höchstwert. Fast 11 300 Höfe mit über 1 ha mußten in diesem Jahr den Betrieb aufgeben. Das sagt sich einfach daher, zumal Jahr für Jahr Zahlen in diesem Ausmaß zu verzeichnen sind.
Wo aber vor allem diese bäuerlichen Arbeitsplätze weggefressen werden, läßt sich besonders gut an einer Region wie Vechta, dem Zentrum der Massentierhaltung, ablesen. Dort gibt es Gemeinden mit einer Arbeitslosigkeit von 40%. Bei einer solchen Situation muß es einen dann auch nicht wundern, wenn in diesen Gemeinden die Konzernchefs der Agrarfabriken für Schweine oder Hühner völligen Einfluß auch auf die kommunale Verwaltung haben und wenn gegenüber deren Umweltsünden ständig die Augen zugedrückt werden.

(Schily [GRÜNE]: Das ist die angeblich christliche Agrarpolitik! — Lachen bei der CDU/CSU)

Schuld an den schlechten Ergebnissen dieses Jahres ist nicht der Herrgott, sondern — so die Verlautbarungen, aber damit ist doch wieder der Herrgott — das schlechte Wetter. Hoffnungsvoll bekundet das Landwirtschaftsministerium deshalb auch, im nächsten Jahr würden die Einkommen und die Preise wieder kräftig klettern. Fragt sich nur, ob das Wetter da nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.
Aber im Ernst: Selbst dann, wenn das einträfe, was Minister Kiechle prophezeit hat, daß nämlich die Einkommen im nächsten Jahr um 6 bis 10 % steigen werden, läge das Ergebnis des nächsten Jahres nach dem rasanten Absturz dieses Jahres immer noch um 1 000 DM unterhalb der Durchschnittsrate der drei Wirtschaftsjahre von 1977/78 bis 1979/80.

(Zuruf von der SPD: Genauso ist es!)

Aber nicht einmal diese Verbesserung wird eintreten. Leider sieht — man muß es den Bauern deutlich sagen, auch wenn's wehtut — die Wahrscheinlichkeit ganz anders aus. Ich zitiere die DLG- Mitteilungen. Dort heißt es:
Auf die drastischen Einkommenseinbußen in diesem Jahr hatten die erst im laufenden Wirtschaftsjahr wirksamen EG-Beschlüsse von März 1984, die gelegentlich irrtümlich für diesen Einkommensrückgang verantwortlich gemacht werden, praktisch keinen Einfluß.
Das heißt, die ganze Wucht der katastrophalen Milchkontingentierung wird sich erst in diesem Jahr voll auf die Einkommen der Bauern auswirken,

(Hornung [CDU/CSU]: Das war die einzige Möglichkeit, das Unheil abzuwenden!)

und zwar in voller Höhe, zumindest für die kleineren Betriebe, die nicht von dieser größten Umverteilung von Milchmengen zugunsten der Wachstumsbetriebe profitieren konnten.
Herr Minister Kiechle, an dieser Stelle möchte ich einmal Zweifel daran äußern,

(Schily [GRÜNE]: Er hört ja nicht zu!)

daß Sie Ihre angekündigte Reduzierung der Quotenmenge um 7,4 % halten können, wenn erst einmal alle Härtefälle ausgeschöpft sind.
Hinzu kommen die von Brüssel eindeutig angekündigten Preissenkungen, hinzu kommt die Unmöglichkeit der Bauern, aus der Milchproduktion in andere Bereiche auszuweichen. Hinzu kommt, daß trotz weiterer Rationalisierung der Aufwandstruktur, insbesondere bei Dünger und Agrargiften, wie auch bei Investitionen, die Arbeitsproduktivität der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe schon im Berichtsjahr um 7,5% zurückgegangen ist.
Auf einen Zweig der Landwirtschaft, die Nebenerwerbsbetriebe, wirkte sich die Talfahrt des letzten Jahres am allerdrastischsten aus. Sie hatten mit über 25% die schlimmsten Einbußen hinnehmen müssen, und das bei einem wachsend zunehmenden hohen Risiko von drohender Arbeitslosigkeit in den schwachstrukturierten ländlichen Räumen. Dabei verfolgt gerade diese Berufsgruppe immer die öffentliche Meinung, für sie wäre doch das Einkommen nicht so wichtig, und sie brauchten auch nicht einen entsprechenden Preis, weil sie ein sicheres Einkommen aus der anderen Arbeit hätten; das



Frau Dr. Vollmer
wäre sozusagen ihr Hobby oder Freizeitbeschäftigung.
Ich will das mal ganz deutlich Erstens. mal ganz deutlich sagen: Erstens. Es
wird auch in diesen Berufszweigen — und meistens von den Frauen — äußerst hart gearbeitet, und es ist überhaupt nicht einzusehen, daß die dafür weniger Einkommen haben als andere; denn es sind zusätzliche Stunden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Gerade in diesen Bereichen ist durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit die Gefahr dermaßen groß, daß man gerade für diese Betriebe die Möglichkeit des Wiedereinstiegs suchen müßte und sie nicht von vornherein abschreiben sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Agrarbericht in der vorliegenden Form ist, so kraß seine Ergebnisse im einzelnen sind, äußerst unvollständig. Klassisch hat er sich als Bericht um die Lage der Agrarwirtschaft immer nur als Bilanz der Entwicklung der Einkommen, der Strukturen und der Betriebe verstanden. Zu einem wirklichen Bericht über die Lage der Agrarwirtschaft müßte aber zuallererst einmal ein Bericht über die Grundlage aller Agrarwirtschaft gehören, nämlich über den Zustand der Böden. Und ich bin froh, Herr Minister, daß Sie wenigstens in Ihrer Rede darauf eingegangen sind.
Im Dezember 1981 kam eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums über den Zustand der Belastung oder Verseuchung der landwirtschaftlichen Flächen heraus. Das Ergebnis war katastrophal. Danach waren damals um die 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche — also eine Million Hektar, davon 600 000 Hektar Acker- und 400 000 Hektar Grünland — für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr ganz geeignet, schwerer und leichter belastet. Das heißt aber, daß eine Erzeugung von wirklich rückstandsfreien Nahrungsmitteln auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik theoretisch und praktisch nicht mehr möglich ist, weil wir auf der gesamten Fläche der Bundesrepublik solche Belastungen haben. Die Verursacher sind hauptsächlich die Industrie und der Autoverkehr.

(Schily [GRÜNE]: Das sind die Chaoten in der Agrarpolitik!)

Das heißt, daß es noch nicht mal für ökologische Betriebe möglich ist, absolut rückstandsfreie Nahrungsmittel zu erzeugen.
Herr Minister Kiechle hat mir dann gesagt, diese Zahlen wären überholungsbedürftig. Um so besser! Wie steht es denn damit heute? Ich schlage vor, der Bericht über den Zustand der Böden muß in Zukunft immer in den Agrarbericht hinein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Was wird gegen die laufende Schadstoffverseuchung des landwirtschaftlichen Produktionsmittels, des Bodens, durch die Industrie eigentlich unternommen? Die Bauern brauchen doch eine Zahlengrundlage, um gegen die Verursacher zu prozessieren, und dies möchte ich einmal genau sehen; denn damit ist eine Schädigung des Eigentums der Bauern verbunden, das auf Zukunft katastrophale Auswirkungen hat.

(Hornung [CDU/CSU]: Das ist wieder so eine Irreführung der Bevölkerung!)

Wenn ich aber das Bodenprogramm des Innenministeriums sehe, dann habe ich eine Befürchtung. Da ist zwar eine ganz gute Bilanz vorgesehen. Wenn man aber fragt, wer haftbar gemacht werden soll, dann kriegt man am ehesten wieder die Bauern zu packen. Die große Auseinandersetzung mit der Industrie traut man sich nicht zu, und man will sie auch gar nicht.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012702800
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1012702900
Nein, jetzt habe ich keine Zeit mehr.
Meine Damen und Herren, wir haben uns daran gewöhnt, Betriebswirtschaft als die oberste Lehrmeisterin der Landwirtschaft zu sehen. Sie, Herr Minister Kiechle — da habe ich keinen Zweifel —, sind sicher ein ganz hervorragender Betriebswirtschaftler, der Bauernpräsident auch. Vielleicht wäre es aber in Anbetracht der heutigen Erfordernisse für einen Politiker, vor allem für einen Agrarpolitiker, die erste Bürgerpflicht, Volkswirtschaftler zu sein und volkswirtschaftlich zu denken und damit die volkswirtschaftlichen Folgekosten und die Folgen unserer heutigen Produktionsform für die nächste Generation mit zu bedenken. Aus dieser Überlegung und aus dem Vorrang des volkswirtschaftlichen Denkens und der volkswirtschaftlichen Berechnung müßte sich eine wirkliche Agrarpolitik der Zukunft entwickeln, die gesamtwirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich kostengünstig bei einem besseren Arbeitseinkommen der Bauern wirtschaften könnte.
Unter diesem Gesichtspunkt vermisse ich auch die Aufstellung der Kosten, die volkswirtschaftlich gesehen durch die Verseuchung des Grundwassers entstehen. Hieran nun ist zu einem guten Teil die agrarindustrielle Praxis der Massentierhaltung mit ihren Gülle-Lagunen und auch der intensive Weinbau auf flurbereinigten Großflächen und vieles mehr schuld. Diese Kosten müßten zumindest andeutungsweise in einem Agrarbericht enthalten sein, der gleichzeitig ein Bericht über den Zustand unserer Natur ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erst unter dem Gesichtspunkt der volkswirtschaftlichen und auch in der Zukunft zu erwartenden Kosten könnte man demgegenüber die Ergebnisse der ökologisch wirtschaftenden Höfe erst richtig bewerten, nicht so, wie es in diesem Bericht geschieht, mit ganzen 27 Vollerwerbsbetrieben. Da wird also nur betriebswirtschaftlich aufgezählt, ohne daß der volkswirtschaftliche Nutzen dieser



Frau Dr. Vollmer
Art der Produktion gerade auch für die Zukunft überhaupt irgendwie zu Buche schlägt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für eine umfassende agrarpolitische Neuorientierung müßten unseres Erachtens in Zukunft alle drei Probleme gleichgewichtig nebeneinander stehen: erstens die niedrigen Agrarpreise, zweitens die schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme für die zum Ausscheiden gezwungenen Bauern, denen keine Arbeitsplatzalternative bleibt, und drittens die ökologischen Auswirkungen einer falschen Agrarpolitik, die durch die ersten beiden Bedingungen verursacht ist.
Die entscheidende Weichenstellung nämlich für jene Entwicklung, an deren Ende die landwirtschaftlichen Produkte so gering bewertet werden und die Bedeutung der Landwirtschaft in dieser Gesellschaft so niedrig eingeschätzt wird, war die Übertragung des industriellen Denkens und Handelns auf die Landwirtschaft selbst. Die Landwirtschaft aber geht mit lebenden Organismen, mit dem Boden, Tieren und Pflanzen um und wird sich nie den Natureinflüssen entziehen können und soll es auch nicht. Ackerfrüchte oder Schweine kann man nicht wie Schrauben oder Motoren produzieren und wie diese auf Lager legen oder kreuz und quer durch ganz Europa kutschieren, zumindest nicht ohne entscheidende Eingriffe in die Produkte und auch in die Existenzbedingungen der Bauern.
Wir sind in der Agrarpolitik wie fast in keinem anderen Bereich in einer Sackgasse. Aber gerade weil die Absurdität dieser Entwicklung jedermann offen vor Augen liegt, gerade weil jeder Einsichtige weiß, daß der europäische Agrarmarkt so nicht zu halten ist und daß er nur noch ganz wenige Jahre bis zu seinem absoluten Exitus hat, gerade deswegen muß man doch gucken, ob es nicht gerade in dieser Situation auch Chancen für eine völlig neue Orientierung gibt.
Dieser krisenhaften Zuspitzung der Situation stehen nämlich auch außerordentlich positive Faktoren gegenüber, und die möchte ich nennen. Das ist zum einen das gewachsene Interesse von Verbrauchern an gesunden, naturnah produzierten Lebensmitteln

(Eigen [CDU/CSU]: An billigen!)

und zum anderen das wachsende Verständnis von Naturschützern für den Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Zustandsbeschreibung unserer Umwelt. Das dritte ist die zunehmende Bereitschaft der Bauern selbst, ökologischer zu produzieren und zurückzukehren zu einer Landwirtschaftsform, vor der die Natur nicht beschützt werden muß und die volkswirtschaftlich vertretbar ist.
Der dringend notwendige ökologische Landbau kann aber nicht per Gebrauchsanweisung von heute auf morgen praktiziert werden. Er erfordert viel Information und vor allen Dingen gründliches Umdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb darf der Landwirtschaft die objektive Information über die ökologische Arbeitsweise auch nicht länger vorenthalten werden. Für die Landwirtschaft schädliche Studien, die noch dazu von der chemischen Industrie finanziert werden — wie die VDLUFA-Studie — müssen endgültig der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es war eines der verheerendsten Ergebnisse der betriebswirtschaftlichagrarindustriellen Landbewirtschaftung — daran war die Interessenvertretung der Bauern nicht unbeteiligt —, daß sie die Bauern in Gegensatz zu den Verbrauchern mit ihren törichten Produktanforderungen und in Gegensatz zu den Naturschützern mit ihrem sogenannten romantischen und unwissenschaftlichen Umweltverständnis gebracht hat. Übrigens trifft das auch für die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher zu. Sie hat an dieser unsinnigen Konfrontation ebenfalls mitgewirkt.
Heute treffen ökonomische und ökologische Forderungen dermaßen zusammen, daß wir darin eine ganz große Chance sehen: indem wir uns auf Bauern stützen, die um ihre Existenz kämpfen, indem wir uns auf Verbraucher stützen, die bereit sind, den Bauern für gesunde Nahrungsmittel einen höheren Erzeugerpreis zukommen zu lassen — und zwar auf Kosten der industriellen Verarbeitung; sie wird dann nicht mehr soviel Rahm abschöpfen können — und indem wir uns auf Naturschützer stützen, die sehen, daß man für eine gesunde Umwelt und eine existenzfähige bäuerliche Landwirtschaft kämpfen, sich dafür einsetzen muß; deshalb sind ihnen die Bedingungen, unter denen die Bauern arbeiten, nicht mehr egal.
Als letztes dies: Es ist, wie ich glaube, für die Bauern in dieser Situation auch gut, daß es außer den „wahren Grünen", wie der Herr Minister die Bauern genannt hat, auch die GRÜNEN gibt. Damit haben die Bauern eine Möglichkeit, Druck in Richtung auf eine andere Agrarpolitik über eine Partei auszuüben, die sich eindeutig den Interessen der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe, der Verbraucher und der Umwelt verpflichtet weiß und die an diesem historisch notwendigen Bündnis mit aller Kraft zu arbeiten versucht.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1012703000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paintner.

Johann Paintner (FDP):
Rede ID: ID1012703100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Eindruck der Demonstrationsveranstaltungen unserer Bauern, die sehr diszipliniert auf ihre berechtigten Sorgen hingewiesen haben, diskutieren wir heute diesen Agrarbericht für das Wirtschaftsjahr 1983/84. Es hat sich bei mir eingeprägt, wie z. B. in Niederbayern über 3 000 Bäuerinnen und Bauern mit vergrimmten, eisernen, eiskalten Gesichtern zwei Stunden lang den Ausführungen des Präsidenten Toni Beck gelauscht haben. Auf bayerisch gesagt: Nicht einmal das Bier hat ihnen mehr geschmeckt. Ich meine, daß man



Paintner
sagen kann, daß diese Leute berechtigt auf ihre Sorgen um ihre Zukunft hingewiesen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es waren keine Demonstrationen von Krawallmachern, sondern solche von Frauen und Männern, die den Eindruck vermittelten, daß sie die Dinge so nicht mehr verstehen können. Es wird auch die Aufgabe von uns Politikern sein, die Agrarpolitik für alle Bevölkerungsschichten verständlicher zu machen, und zwar auch in dieser Stunde.
Der Agrarbericht für das Wirtschaftsjahr 1983/84 ist im Ergebnis ein schlechter Bericht. Dieses Ergebnis haben wir bereits im vorigen Jahr vorausgesehen, und wir haben darauf aufmerksam gemacht. Er ist aber erneut ein Beweis, wie richtig die Entscheidung dieses Parlaments war, im Landwirtschaftsgesetz diesen jährlichen Agrarbericht zu verlangen. Gerade nach einem Wirtschaftsjahr wie 1983/84 ist ein solcher Bericht besonders geeignet, aufzuzeigen, wie es aussieht und wie man sich dann — nach unseren Bekenntnissen zum bäuerlichen Familienbetrieb — zu verhalten hat. Es war ein schlechtes Jahr, das wegen geringer Ernten, rückläufiger Erzeugerpreise — hauptsächlich bei Schlachtschweinen — und leicht gestiegenen Betriebsmittelpreisen die Einkommen der landwirtschaftlichen Familienbetriebe von 26 282 DM je Familienarbeitskraft. im Wirtschaftsjahr 1982/83 auf 21 508 DM sinken ließ. Dies ist eine Abnahme um 18,2 %. Wenn man den Veröffentlichungen des Deutschen Bauernverbandes Glauben schenken darf — warum sollte man dies nicht, Herr Präsident Heereman —, ist ein Gewinn je Familienarbeitskraft erreicht worden, der real 39% unter dem des Wirtschaftsjahres 1975/76 lag.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Da haben wir es!)

Von Interesse ist auch, daß der landwirtschaftliche Gewinn je Familienarbeitskraft im Wirtschaftsjahr 1983/84 bei 63 % des gewerblichen Vergleichlohnes lag.
Diese Ergebnisse haben sich nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch auf die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche negativ ausgewirkt. So sank z. B. der Inlandsumsatz der deutschen Ackerschlepper- und Landmaschinenindustrie gegenüber 1983 um 9%. Dies sage ich deshalb, weil ich überzeugt bin, daß das Interesse der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung an der richtigen Gestaltung der Agrarpolitik größer wird, wenn möglichst viele in unserem Lande wissen, daß jeder sechste Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängt und somit gerade der außerlandwirtschaftliche Arbeitsplatz im ländlichen Raum gefährdet ist.

(Beifall bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, unseren Bürgern zu sagen, welche volkswirtschaftliche Bedeutung unsere Landwirtschaft hat. So hat sich der Preisindex der Lebenshaltung in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1982 um 83,3 % erhöht, der Preisanstieg für Nahrungsmittel aber nur um 70,7 %. Der Durchschnittshaushalt mußte vor mehr als 20 Jahren noch weit mehr als 30% seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben, 1982 waren es nur noch 19%. Der Agrarexport belief sich 1969 auf 3,7 Milliarden DM. Bis 1982 arbeitete sich die Bundesrepublik Deutschland mit einem Anteil von 24 Milliarden DM auf die vierte Stelle der Agrarexporteure in der Welt vor. Die gewerbliche Ernährungswirtschaft — Industrie, Handwerk, Handel und Gastronomie — stellt ein preiswertes Angebot von anerkannter Qualität und nie dagewesener Vielfalt zur Verfügung. Ihre mehr als 380 000 Betriebe mit etwa 2,6 Millionen Beschäftigten erwirtschafteten einen Umsatz von annähernd 600 Milliarden DM und damit mehr als doppelt so viel wie 1970. 1972 bis 1982 wurden mehr als 500 000 Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen.
Auf Grund der überragenden Bedeutung der Landwirtschaft für unsere gesamte Volkswirtschaft muß man sich fragen, welchen Stellenwert diese bäuerliche Landwirtschaft mit dem gesamten ländlichen Raum in dieser Gesellschaft in Zukunft einnehmen soll. Diese Frage muß beantwortet werden; hier brauchen wir ein klares Bekenntnis.

(Vor s itz : Vizepräsident Westphal)

Agrarpolitik zum Null-Tarif gibt es in keinem Land auf der Erde. Viele Länder geben weit mehr aus als wir, so z. B. Japan, das entgegen landläufiger Meinung heute immer noch einen höheren landwirtschaftlichen Bevölkerungsanteil hat als wir mit sehr vielen Kleinbetrieben, die mit hohen Subventionen bewußt in der Landwirtschaft gehalten werden. Die Schweiz ist geradezu ein klassisches Land zur Erhaltung bäuerlicher Agrarstruktur geworden, vor allen Dingen ein Land, in dem sich die Bauern und die Agrarpolitiker von der öffentlichen Meinung nicht jeden Tag als Buhmänner abstempeln lassen müssen.
Ohne Zweifel stehen wir vor einem grundlegenden Überdenken unserer agrarpolitischen Situation. Da ist nicht nur die EG-Agrarpolitik, sondern dazu gehören auch das Verhältnis von Landwirtschaft zu Naturschutz, Tierschutz usw., um nur einiges zu nennen.
Unsere Bauern und wir als Agrarpolitiker können uns aber nicht mit dem Jahresgutachten 1984/ 85 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zufriedengeben. Da heißt es nämlich: „Agrarpolitik ohne Perspektive", also ohne Ausblick auf die Zukunft. Das, so meine ich, ist zuwenig. Nein, unsere Bäuerinnen und Bauern und unsere Jugend auf dem Lande haben geradezu ein Anrecht, von uns Politikern zu erfahren, wie wir die agrarpolitische Zukunft meistern wollen.
Wir als FDP bekennen uns uneingeschränkt zum bäuerlichen Familienbetrieb, der ein gegenüber vergleichbaren Berufsgruppen befriedigendes Einkommen bieten soll, aber aus gesellschaftspolitischen Gründen auch zum bäuerlichen Nebenerwerbsbetrieb und Zuerwerbsbetrieb.
Lassen sie mich ein Wort des Dankes auch denen sagen, die uns bei diesem Anliegen des bäuerlichen



Paintner
Familienbetriebs unterstützt haben. Hier meine ich unseren Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher

(Lachen bei der SPD)

und unseren Wirtschaftsminister und neuen Parteivorsitzenden Martin Bangemann,

(Bravo-Rufe bei der SPD)

der schon vor vielen Jahren in diesem Parlament bewiesen hat, daß er ein Freund der Landwirtschaft ist.

(Lachen bei der SPD — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Und der Ertl? — Zuruf des Abg. Wimmer [Neuötting] [SPD])

— Keine Eifersucht! Wimmer Hermann, auch du bist dabei!

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

Er stimmte damals mit den Agrarpolitikern der FDP gegen die Begrenzung der 1 %-Mehrwertsteuer-Regelung zur Finanzierung der EG und bewies damit schon damals seinen Weitblick in der Agrarpolitik.
Auch der Bundesregierung möchte ich von dieser Seite aus danken, daß sie im sozialen Bereich wie bei der Entschädigung für den Abbau des Grenzausgleichs die deutsche Landwirtschaft unterstützt hat. Dies wäre mit einem Koalitionspartner SPD nicht möglich gewesen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich glaube, das muß hier besonders herausgestellt werden.
Es wäre überhaupt gut, wenn die SPD als Oppositionspartei statt der hier vorgetragenen Kritik an der Regierung und an meinem Freund Schorsch Gallus

(Lachen bei der SPD)

politischen Mut zeigen würde, wenn es um die finanzielle Unterstützung der deutschen Landwirtschaft geht.

(Roth [SPD]: Schorsch, paß auf!)

Wissen Sie, es wäre gut für Herrn Dr. Vogel, zur Kenntnis zu nehmen, daß im Europäischen Parlament unlängst wieder die SPD-Abgeordnete Mechthild Rothe sagte: Die kleinen Landwirte haben niemals den Nutzen hoher Preise gehabt; deshalb unterstützen die Sozialisten eine Null-Runde. — Dies müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Und dies werden sicher auch unsere Bauern heute hören.

(Unruhe bei der SPD)

Sie werden zugleich feststellen, daß hier nicht ganz ein Einklang besteht.
All jenen aber, die von einer generellen Erblast in der Agrarpolitik unseres ehemaligen Ministers Josef Ertl reden, widerspreche ich so lange, bis sie diesen Unsinn lassen. Es gibt keine Erblast von Josef Ertl!

(Bravo-Rufe und Beifall bei der SPD)

Unser damaliger Minister Josef Ertl hat in seiner Amtszeit den Milchpreis ebenso wie das durchschnittliche Einkommen der Landwirtschaft verdoppelt. Er hat in seiner Amtszeit den Agrarexport von 3,7 Milliarden DM im Jahr 1969 auf 24 Milliarden DM im Jahr 1982 erhöht. Er hat dafür gesorgt, daß in der Agrarsozialpolitik die Haushaltsausgaben von 800 Millionen DM auf 3,7 Milliarden DM gesteigert wurden. Das war und ist Vergangenheit.
Uns geht es nun um die Zukunft. Unserem jetzigen Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle wünschen wir eine gute und glückliche Hand zur Gestaltung der künftigen Agrarpolitik. Wir anerkennen seinen bisherigen Einsatz für die deutsche Landwirtschaft bei der Neuausrichtung der EG- Agrarpolitik.
In einem Entschließungsantrag haben wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner formuliert, was uns künftig wichtig erscheint.
Wie Sie wissen, haben wir Agrarpolitiker der FDP mit Nachdruck die EG-weite Abschaffung jeglicher Förderung von Stallkapazitäten für Schweine gefordert. Wir wissen, daß die Würfel in Brüssel in den letzten Tagen gefallen sind und wie sehr sich Bundesminister Kiechle um die Durchsetzung auch dieser Forderung bemüht hat. Herzlichen Dank! Die überzogenen Forderungen anderer Staaten konnten gemildert werden. Der Kompromiß sieht eine abgeschwächte Förderung vor. Wir können nur bedauern, daß in dieser Frage nicht mehr Einsicht in der EG gewaltet hat. Wir werden erleben, daß bei einem Überangebot an Getreide in Europa und ungebremstem Substitutenzufluß, besonders aus USA, viele größere Betriebe bei den oft leerstehenden Gebäuden, die sie haben, in die Schweinemast gehen werden. Und die EG finanziert zusätzlich mit neuen Produktionskapazitäten die Schweinepreise kaputt.

(Roth [SPD]: Es ist die Höchstquote! Das haben wir immer gesagt!)

Ob wir ohne Höchstbestandsgrenzen auskommen werden, bezweifeln wir. Aber wir wissen, wie schwer es ist, Begrenzungen einzuführen, wie wir ja bei der Vorsteuerpauschale mit Nachdruck gefordert und erreicht haben, Betrieben über 330 Vieheinheiten die 5 % Vorsteuerpauschale ab 1. Juli nicht zu gewähren.
Wir wissen, daß unsere Forderungen nicht dem Anspruch der reinen liberalen Lehre gerecht werden. Niemand kann aber leugnen, daß der bäuerliche Familienbetrieb ohne gewisse Rahmenbedingungen keine Zukunftschance hat. Zur Beschleunigung des altersbedingten Strukturwandels in der Landwirtschaft fordern wir eine Wiedereinführung der Landabgaberente oder eine ähnliche Maßnahme.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da eines der Hauptprobleme in der Agrarproduktion zukünftig die Getreideproduktion sein wird, kommen wir daher nicht umhin, Flächen aus der Produktion zu nehmen. Wir können die Anforderungen des Naturschutzes an Land für Biotope voll



Paintner
befriedigen. Dies kann aber nur unter vollem finanziellem Ausgleich geschehen. Das gleiche gilt für Freizeiteinrichtungen.

(Beifall des Abg. Hornung [CDU/CSU])

Aber ganz besonders müßten wir Flächen für nachwachsende Rohstoffe berücksichtigen und aus der Produktion nehmen. Wir müssen begreifen lernen, daß mit der bisherigen Rohstoffpolitik Raubbau betrieben worden ist und daß die fossilen Rohstoffe irgendwann erschöpft sein werden.

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Im Gegensatz zu den fossilen Rohstoffen, die aus der Erde gewonnen werden, ist die Produktion nachwachsender Rohstoffe auf der Erde durch die Sonnenenergie unbegrenzt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schon heute gibt es für die chemische Industrie viele Möglichkeiten, nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Mit Flachsanbau könnte man nach heutigen Erkenntnissen Tausende von Hektar Land verwerten; nur organisieren muß man es. Fangen wir doch endlich an!

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Das tut ihr doch nicht!)

Vergessen wir nicht, daß die Erdölpreisschocks Anfang und Ende der 70er Jahre unsere Volkswirtschaft mit einer Verzehnfachung der Erdölpreise stark erschüttert haben. Es muß daher alles getan werden, daß es möglich wird, möglichst bald Bioethanol als umweltfreundlichen Betriebsstoff unserem jetzigen Kraftstoff beizumischen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Amerikaner sind uns in dieser Frage schon weit voraus. Es bleibt auch uns nichts anderes übrig, als das gleiche zu tun. Ich erhebe deshalb die Forderung, mehr Gelder zum Aufbau einer Ethanol-Produktion in der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen. Nicht Resignation ist das Gebot der Stunde, nicht falschen Propheten der Angst dürfen wir das Feld überlassen, die Zukunft zu meistern.
Die FDP wird nicht müde werden, mit dieser Regierung und ihren Ministern und Staatssekretären für die Belange einer bäuerlichen Landwirtschaft und eines funktionsfähigen ländlichen Raumes zu kämpfen.
Unsere Sorge und auch der Dank gilt allen, den Fischern, den Gärtnern, der Forstwirtschaft, der gesamten Landwirtschaft, dem gesamten ländlichen Raum und — wegen der Ernährung — allen Verbrauchern. Im Namen der FDP-Fraktion möchte ich an dieser Stelle den Beamten Dank und Anerkennung sagen, die sich mit diesem Agrarbericht große Arbeit gemacht haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Ich meine, wir sollten von dieser Stunde aus weggehen, das Gespräch mit allen suchen und alle einladen, diese Agrarpolitik vernünftig zu gestalten. Dies
ist eine große Stunde, und dies ist unsere Aufgabe.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012703200
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Schweinfurt).

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID1012703300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die Reden vergegenwärtige, die heute von den Koalitionsfraktionen schon gehalten worden sind, frage ich mich: Was ist Wunschdenken, und was ist Realität? Ich habe den Eindruck, daß man von Realität nicht allzuviel hält; denn die sieht ganz anders aus.

(Beifall bei der SPD — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Leider! Von Ihnen verursacht!)

Herr Minister Kiechle, wenn man Sie so reden hört — bei der heutigen Einbringungsrede, bei der Protestveranstaltung des Deutschen Bauernverbands oder anderswo —, dann hat man den Eindruck, daß Sie darauf bestehen, mit Ihrer Politik unbedingt recht zu haben, daß Sie aber nicht diese lausigen und lästigen Realitäten sehen. Sie loben Ihre Quoten landauf und landab

(Zuruf des Abg. Hornung [CDU/CSU])

und beharren darauf, als wären sie der Wurf des Jahrhunderts. Die Wirklichkeit aber — ich habe es schon gesagt — sieht anders aus. Man sollte einmal hinausgehen und mit den Bauern wirklich reden.

(Erneuter Zuruf des Abg. Hornung [CDU/ CSU])

Ich habe hier einen Brief aus dem westdeutschen Raum vom 9. März 1985. Die Überschrift lautet „Existenznotlage durch Milchgarantiemengenverordnung". Da heißt es:
Die Milchgarantiemengenverordnung in der vorliegenden Form bedeutet für mich die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs, den meine Vorfahren aufgebaut haben.
Ich habe hier das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt" vom 9. März. Da heißt es:
Die Quote bringt uns um. Fast ein Jahr ist nun die Milchmengenregelung in Kraft, und noch immer haben sich die Gemüter nicht beruhigt. Gerade in kleinstrukturierten Gebieten, die keine Alternative zur Milchviehhaltung haben, stehen viele Betriebe am Rande des Ruins, wie Beispiele aus dem Landkreis Freyung/Grafenau zeigen.

(Hornung [CDU/CSU]: Und vorher sind die verdrängt worden!)

So das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt". Die sehnen sich nach der Zeit zurück, als wir an der Regierung waren, Herr Kollege!

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch nicht zitieren, was der Kollege Eigen auf dem schleswig-holsteinischen Bauerntag



Müller (Schweinfurt)

am 4. März gesagt hat. Ich habe es selber am Fernsehen miterlebt. Aber gelobt hat er die Quoten nicht, ganz im Gegenteil.
Herr Minister Kiechle, Ihre Ohren müssen Ihnen doch klingen, wenn Sie hören, was Ihre CDU/CSU- Freunde als Verbandsfunktionäre draußen in Bauernversammlungen alles verkünden. Ich gebe zu: Hier im Hohen Hause klingt alles etwas moderater. Hier ist Gefolgschaft gefragt. Man könnte auch sagen: Doppelstrategie, nämlich draußen schimpfen und hier zustimmen.
Das Ergebnis Ihrer Politik, Herr Minister, ist, daß viele Landwirte vor dem Ruin stehen — und das ein Jahr nach Ihrer glorreichen Idee.
Jetzt, Herr Minister, sagen Sie: Die Österreicher haben an die fünf Jahre gebraucht, um dieses System einigermaßen wirksam zu machen. Ich habe hier eine Veröffentlichung vom vwd vom 27. Februar. Da steht folgendes.

(Zuruf von der CDU/CSU: Lesestunde!)

— Sie sollten hin und wieder lesen, was gesagt wird und wie die Wirklichkeit aussieht.

(Beifall bei der SPD — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Der kann doch nicht lesen! Der läßt doch lesen!)

Da heißt es:
Die Erfahrungen mit der Milchkontingentierung in Kanada und Österreich zeigen, daß eine Reduzierung der Milchmengen mittelfristig nicht gelungen ist und man nach neuen Maßnahmen sucht, um die Strukturentwicklung und Milchpreisgestaltung besser absichern zu können.

(Hornung [CDU/CSU]: Wir haben das Ziel doch beinahe schon erreicht!)

Ich meine, Herr Minister, Sie sollten auch nach neuen Maßnahmen suchen, denn die alten führen nicht weiter.
Wir haben in unserem Entschließungsantrag ausgeführt, welche Maßnahmen wir für erforderlich halten, um unsere bäuerliche Landwirtschaft auch in Zukunft zu erhalten.

(Hornung [CDU/CSU]: Was heißt denn dann konstruktive Preisgestaltung?)

Herr Minister, wischen Sie unsere Vorschläge nicht einfach mit einer Handbewegung vom Tisch.

(Susset [CDU/CSU]: Wir überweisen sie!)

Korrigieren Sie Ihren bürokratischen Kurs, denn er geht in die falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Viele Landwirte, auch Mitglieder Ihrer Partei, würden es Ihnen danken.
Zur Zeit verkünden Sie mannhaft, keine Getreidepreissenkung hinnehmen zu wollen. Ich habe wieder ein Zitat für die „Lesestunde", und zwar aus dem „Ernährungsdienst" vom 19. Januar 1985. Da heißt es:
Wenn jetzt Bundesernährungsminister Kiechle Standfestigkeit demonstriert, wenn über Preissenkung gesprochen wird, so kann dies nur eine optische Täuschung der Öffentlichkeit darüber sein, was als Ergebnis im Grunde heute voraussehbar ist. Es gibt keine Chance für das Festhalten am Getreidepreisniveau der Vergangenheit. Weder der Markt gibt dies her noch die Brüsseler Kasse. Alle Argumente sprechen für eine Getreidepreissenkung, so schmerzhaft diese Feststellung für die Erzeuger sein muß. Es ist gefährlich, durch reines Politikergerede Hoffnungen zu nähren, die sich nicht erfüllen lassen.
So „Der Ernährungsdienst".
Darüber, daß Ihr Qualitätsmodell, Herr Minister, die Getreidepreise in den Keller führt, sind wir uns doch wohl einig. Oder? Warum sagen Sie das dann nicht?

(Roth [SPD]: Er ist nervös. Er rennt herum!)

Auch Ihr Ministerium schweigt. Zahlen über die Konsequenzen Ihres Vorschlages sind doch sicher vorhanden. Warum geben Sie die nicht heraus? Oder darf zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt werden, daß Preissenkungen dann auch durch die Hintertür die Folge sind?

(Roth [SPD]: Er sucht sich Trost!)

Die Getreideprobleme lassen sich unserer Auffassung nach — ich verweise auf unseren Entschließungsantrag — nur durch ein Bündel von Maßnahmen in den Griff kriegen. Dazu gehören auch Flächenstillegungen. Sie haben das erwähnt; ich komme darauf noch zurück. Aber in Ihrer Eröffnungsrede, Herr Minister Kiechle, konnte natürlich der Hinweis auf die Erblast, die Sie übernommen haben, nicht fehlen. Herr Paintner und die FDP, Sie sind doch auch ein Geschädigter dieser Erblast. Deswegen freue ich mich, daß Sie das zurückgewiesen haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben damals doch die Politik Ertls mit uns unterstützt. Ich meine, die Landwirte wären jetzt sehr froh, wenn sie so eine Politik hätten.
Ich habe Ihre Rede vorliegen, Herr Minister. Da heißt es wörtlich:
Wenn es schon nicht ohne Schuldzuweisungen geht, dann sind sie an diejenigen zu richten, die seit 1978 das EG-Agrarsystem tatenlos auf den Abgrund der Nichtfinanzierung treiben ließen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Es ist unendlich schwerer, eine Fehlentwicklung zurückzudrehen, als sie rechtzeitig zu stoppen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Soweit Ihre Rede. Ich kann nur sagen: Sie Armer; denn Sie müssen büßen für das, was andere verursacht haben.
Deswegen, Herr Minister, will ich noch einmal Ihre damalige Meinung über „tatenlos", „Nichtfi-



Müller (Schweinfurt)

nanzierbarkeit", „Überschüsse" ins Gedächtnis rufen. Auch der Kollege Susset ist ja heute darauf eingegangen. Es wäre ganz gut, wenn er auch seine
Zitate aus der damaligen Zeit noch einmal nachläse.

(Beifall bei der SPD — Roth [SPD]: Er würde sich auch wundern!)

Ich meine, jeder Bürger kann dann urteilen, wie die CDU/CSU, wie Herr Kiechle damals zu einer Reform der Agrarpolitik standen.
Ich habe hier eine Pressemeldung aus der „Augsburger Allgemeinen" vom 24. Februar 1981. Da heißt es:

(Zuruf von der SPD: Jetzt wollen wir einmal hören!)

Im Interview mit unserer Zeitung lehnt CDU/ CSU-MdB Kiechle u. a. scharf eine Änderung des Systems von Preis- und Abnahmegarantien ab und rügt das Herumkritisieren an der Überschußproduktion.

(Lachen bei der SPD)

Oder eine vom 11. November 1982 — da war die CDU/CSU schon an der Regierung, er war aber noch nicht Minister —, in der es heißt:
Für eine aktivere Preispolitik im Agrarbereich, also für eine stärkere Anhebung der Marktordnungspreise hat sich der neue stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ignaz Kiechle ausgesprochen. Er kritisiert die frühere Bundesregierung, die sich zum Vorreiter einer vorsichtigen Preispolitik gemacht hätte.
Jetzt haben Sie doch gar keine vorsichtige Preispolitik. Sie haben doch nur noch Preissenkungen,

(Beifall bei der SPD — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie wollten doch die restriktive Preispolitik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

In Ihrer Einbringungsrede heute hört sich das so an — ich zitiere —:

(Hornung [CDU/CSU]: Abbau des Grenzausgleichs!)

Denn überall dort, wo Millionen Tonnen Überschüsse auf den Markt drängen, wo wertvolle Agrarprodukte billigst abgegeben werden müssen, wo weiterhin Mengen produziert werden, die keiner mehr haben will, ist es unmöglich, die Preise angemessen anzuheben, um steigende Produktionskosten — wie in der Wirtschaft sonst selbstverständlich — über den Markt weiterzuwälzen.

(Hornung [CDU/CSU]: Deswegen müssen die Mengen angepaßt werden!)

So das Zitat, aber vorhin ganz anders.
Herr Susset, ich sage nochmals: Das ist gar keine Nullrunde, das ist eine Minus-Minus-Runde.

(Beifall bei der SPD) Deswegen haben wir direkte Einkommensübertragungen vorgeschlagen. Die FDP ist da ja gar nicht mehr so weit von uns entfernt.


(Roth [SPD]: Gallus, zuhören!)

Ich habe ein Zitat des Herrn Staatssekretärs Gallus aus der „Molkereizeitung" da. Da heißt es: „So kommt er zu dem Schluß," — Herr Gallus — „daß die Zeit reif sei, über direkte Einkommenshilfen, die es auch schon gibt, als Alternative zur einseitigen Preispolitik nachzudenken." Herr Kiechle, denken Sie doch auch einmal nach!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist also nichts mehr mit aktiver Preispolitik! Plötzlich sind Überschüsse wieder Überschüsse, und es ist nicht mehr unverantwortlich, davon zu reden. Aus einem Saulus, Herr Kiechle, wurde ein Paulus. Wen wundert es, wenn viele Landwirte diese Wende nicht mehr begreifen?!

(Hornung [CDU/CSU]: Wir müssen erst mal Minus abbauen, um ins Plus zu kommen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Herr Kiechle, lassen Sie deshalb das mit der Erblast; ich verspreche Ihnen dann auch, Sie mit Ihren eigenen Zitaten nicht mehr zu behelligen.

(Berger [CDU/CSU]: Da freut er sich aber!)

Meine Damen und Herren, wir alle haben den Entschließungsantrag vorliegen. Uns geht es darin auch um eine umweltverträgliche Landwirtschaft. Wir alle kennen die Probleme: Boden-, Grundwasserbelastung durch Schwermetalle, Nitrate, Rückgang des Artenreichtums, Erosion, Bodenverdichtung usw. Gerade deshalb fordern wir auch direkte produktionsunabhängige Einkommensübertragungen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Auch für die Fischerei!)

Denn diese Einkommensübertragungen ersparen es den Landwirten und der Umwelt, unter höchstem technischen Einsatz mit erheblichem Energieaufwand Produkte zu erzeugen, für die kein Bedarf vorhanden ist. Warum soll nicht ein gewisser Prozentsatz des Bodens gegen eine angemessene Vergütung aus der intensiven Produktion herausgenommen und durch extensive Pflege zu einer ökologischen Nische gemacht werden, in die sich die mittlerweile schon seltenen Tiere und Pflanzen zurückziehen können? Natürlich kostet so etwas Geld; aber zum Null-Tarif ist Natur-, Arten- und Pflanzenschutz nicht mehr zu haben. Selbst 1 000 DM pro Hektar als Entgelt für Nichtproduzieren sind billiger als das, was derzeit an Subventionen zur Bewältigung der Überschüsse bereitgestellt werden muß.

(Zustimmung des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD] — Hornung [CDU/CSU]: Wo kommen die Überschüsse denn her?)

Wegen der kritischen Lage der Landwirtschaft müssen alle Möglichkeiten, die Produktionsalternativen bieten, genutzt werden. Nachwachsende



Müller (Schweinfurt)

Rohstoffe können hier einen Weg öffnen. Deswegen sind wir für eine Intensivierung der Forschung. Wir dürfen aber vor den neu entstehenden Problemen nicht die Augen verschließen: z. B. Monokulturen, gefördert durch Vertragsanbau, Vertragsabhängigkeit — eventuell zu den Mineralölkonzernen —, Bodenbelastung, verursacht durch intensive Massenproduktion, Vernachlässigung der Fruchtfolge usw. Diese Fragen müssen vorher geklärt werden, um neuen Belastungen vorzubeugen. Denn wir wissen, die Landwirte haben genügend Probleme, es sollen nicht neue hinzukommen.
Durch Ihre Schuld, meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Minister, sind viele in Existenznot geraten.

(Hornung [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

Wir bieten Ihnen unsere Hilfe für eine bessere Agrarpolitik an, und wir bieten den Landwirten unsere Hilfe auch an, um ihre Lage zu verbessern.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012703400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brunner.

Josef Adalbert Brunner (CSU):
Rede ID: ID1012703500
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in meinen Ausführungen an diesem Tage zum Bericht des Ministeriums und des Ministers den Dank an den Herrn Minister für seinen hervorragenden Einsatz, den er gerade auch in diesen Tagen wieder zu leisten hat, aussprechen. Lassen Sie mich aber gleichzeitig den Dank an sein Ministerium hiermit übermitteln. Wir wissen, welch schwierige Aufgaben es im Verlauf des letzten Jahres zu bewältigen gab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Entscheidungen des Ministerrats in Brüssel vom 31. März 1984 ist eine neue Ara der europäischen und nationalen Agrarpolitik eingeleitet worden. Eine Doppeloperation wurde notwendig, um den Patienten Agrarpolitik auf den Weg der Genesung zu bringen. Die Milchquotierung soll und wird diesen überschäumenden Markt, wenn auch für einen Teil unserer Betriebe, bedingt durch das ständige Hinausschieben der Entscheidungen, nicht ganz schmerzlos, in Ordnung bringen. Hierzu ist es künftig u. a. noch erforderlich, durch einen weiteren Aufkauf von Boden zusätzliche Erleichterungen für Betriebe bis zu 60 000 kg Jahresanlieferung zu schaffen. Der Abbau des positiven Grenzausgleichs in den Hartwährungsländern und der beabsichtigte Wegfall des negativen Grenzausgleichs in den Weichwährungsländern im Rahmen der Preisverhandlungen wird nach einer zeitlich begrenzten Übergangsphase die gegenseitige Verrechnung im innereuropäischen Handelsverkehr vereinfachen. Wir in der Bundesrepublik Deutschland werden bei künftigen Preisverhandlungen nicht gleichzeitig Grenzausgleichspunkte abbauen müssen und damit immer weiter ins negative Preisgefüge abrutschen.
Der Ministerrat ist nach diesen verfügten gravierenden Änderungsbeschlüssen inzwischen wieder zu Preisverhandlungen zusammengetreten. Das Angebot der Kommission ist völlig unbefriedigend und daher abzulehnen. Es ist zu wenig, wenn die Brüsseler EG-Behörden nur über Preissenkungen sprechen, ohne klare Alternativen auf den Tisch zu legen. Es ist nachgerade eine Aufforderung an jene, denen ein gemeinsames Europa noch nie etwas bedeutet hat, über Renationalisierung laut nachzudenken.
Ich halte nichts davon, weil der Integrationsprozeß, wenn auch noch vorwiegend von der Landwirtschaft getragen, bereits zum europäischen Alltag gehört und andernfalls die wirtschaftliche Existenz Europas in Frage gestellt und unsere äußere Sicherheit nicht mehr gewährleistet wäre. Wir müssen mit der Tatsache übervoller Märkte durch geeignete Maßnahmen fertig werden. Direkte und indirekte Beeinflussung der Verwendung agrarischer Rohstoffe in Verwertungsbereichen außerhalb des Nahrungsmittelsektors und eine gezielte Einfuhrpolitik insbesondere bei Getreidesubstituten sind ein Teil eines Maßnahmenbündels, das überlegt und umgehend angewandt werden muß. Dazu gehören auch Einkommensausgleichsmaßnahmen als Ergänzung zur Preispolitik. Gewiß wird sich der deutlich verlangsamte Strukturwandel nicht gänzlich abstoppen lassen.
Die Bundesregierung hat reagiert und ein erstes Maßnahmenbündel zum Ausgleich von Einkommensausfällen beschlossen. Im einzelnen brauche ich darauf nicht einzugehen. Es bleibt mir, zu danken für diese sofortige Reaktion und für diese dringend notwendige Hilfe. Die Landesregierungen müssen flankierend im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe beisteuern.
Dessenungeachtet müssen künftig die Weichen der Agrarpolitik so gestellt werden, daß das Einkommen unserer Landwirte zum allergrößten Teil wieder über den Preis erreicht wird. Es wäre aber auch eine Illusion, die Landwirtschaft in ihrer Entwicklung wieder auf den Stand vergangener Jahrzehnte zurückdrehen zu wollen.
Als Landwirt habe ich die Forderung und sage mit voller Überzeugung zur Frage des Naturschutzes, daß Naturschutz und Landwirtschaft kein Gegensatz sind und es auch in der Zukunft nicht sein dürfen. Wir Landwirte fühlen uns auch im Industriezeitalter verpflichtet, durch unsere Landbewirtschaftung einen wesentlichen Beitrag zum Naturschutz zu leisten.
Es stellt sich die Frage, ob sich die Landwirtschaft ausschließlich auf die Nahrungsmittelproduktion konzentrieren darf. Diese Frage ist nicht neu. Fossilien sind nicht unerschöpflich vorhanden. Angesichts überlaufender Agrarmärkte und völlig unzureichender Preisanhebungen muß schnell und nachhaltig gehandelt werden. Dies kann nur dadurch geschehen, daß wir einen bestimmten Teil der Produktion gezielt in den Rohstoffkreislauf der Industrie umleiten. Die notwendigen politischen Entscheidungen dulden keinen Aufschub. Sowohl die Zahl der Rohstoffe und Rohstoffkomponenten



Brunner
als auch deren Verwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Anbetracht der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, muß ich meinen Beitrag abkürzen. Ich möchte aber abschließend noch folgendes zum Ausdruck bringen: Die Landwirtschaft hat einen vielfältigen Aufgabenbereich zu erfüllen. Unsere Bäuerinnen, Bauern und unsere Landjugend kommen diesem Auftrag gerne nach. Das hat aber auch seinen Preis, der nicht nur den Bauern allein aufgeladen werden darf. Die Landwirtschaft ist ein integrierter Bestandteil unserer Volkswirtschaft und trägt wesentlich zum Erfolg der Wirtschaft insgesamt bei. Daher sind alle verantwortungsvollen Kräfte in Staat und Gesellschaft aufgerufen, diese durch die Regierung Kohl/Genscher eingeleitete Neuordnung der deutschen und europäischen Agrarpolitik voll mitzutragen, damit auch morgen und übermorgen eine ausreichende und gesunde Ernährung gesichert bleibt, die endlichen Rohstoffe nicht vergeudet werden und unsere Kultur- und Erholungslandschaft auch in Zukunft erhalten bleibt.
Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012703600
Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer.

Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012703700
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Hermann, mach' keinen Unsinn! Sag' etwas zur Hochseefischerei!)

Wenn man sich die Mühe macht und die Reden der CDU/CSU-Politiker der letzten — beinahe — Jahrzehnte durchliest, als die Sozialdemokraten mit der FDP die Regierung stellten, dann wird man feststellen,

(Dr. Rose [CDU/CSU]: So viel kannst Du gar nicht lesen!)

— ein Oberbayer sicher! —, daß die Ausführungen von damals gegenüber heute sich wesentlich unterscheiden, sowohl bei dem Herrn Kiechle als auch insbesonders bei Herrn Susset.
Ich meine, daß wir Sozialdemokraten in der Vergangenheit mit dem Minister Ertl sicher nicht in allen Fällen übereingestimmt haben, aber eines möchte ich vorweg feststellen, und zwar, daß der damalige Minister Ertl in der Vertretung der Interessen der deutschen Bauern in der Europäischen Gemeinschaft mehr durchgesetzt hat als der jetzige Minister Kiechle.

(Hornung [CDU/CSU]: Finanzminister und Bundeskanzler haben ihm keinen Spielraum gegeben!)

Die Agrarpolitik der Bundesregierung kommt mir eigentlich vor wie die Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor und einen wieder zurück.

(Susset [CDU/CSU]: Das ist ein Vergleich von Hermann Höcherl!)

— Von einer Prozession werde ich etwas verstehen, nachdem ich aus Neuötting komme. — Mit dieser Beurteilung aber, meine ich, bin ich noch viel zu freundlich. In Wirklichkeit, Herr Minister Kiechle, treten Sie in vielen Bereichen auf der Stelle oder marschieren konsequent nach rückwärts.
Im März 1984 sind Sie mit den Brüsseler Sparbeschlüssen weit nach vorne gesprungen — zu weit, wie wir meinen, besonders, wenn man die Folgen für die deutsche Landwirtschaft bedenkt —, aber schon wenige Wochen nach diesen März-Beschlüssen haben Sie wieder zum Rückmarsch geblasen. Höhepunkt dieses Rückmarsches waren die 5 %ige Mehrwertsteuerpauschale und die pauschale Ablehnung der Preisvorschläge der EG-Kommission. Das Urteil des Sachverständigenrates zu dieser Politik war — kurz und bündig —: keine Perspektive. Mein Urteil hierzu: wenig Durchblick, aber dafür kein Ausblick. Auf bayerisch: eine Wurschtelei.
Herr Kiechle, ein Wort an Sie, an den bayerischen Landsmann. Muß Ihnen nicht unwohl in Ihrer Haut sein, wenn Sie die Ergebnisse der zweijährigen Amtszeit betrachten? Fast alles, was Sie getan haben, ist gegen die süddeutschen Länder gerichtet, insbesondere gegen Bayern, benachteiligt die schlechter strukturierten Regionen in der Bundesrepublik.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

— Sie können ruhig schreien: „Das gibt es nicht!" Lesen Sie einmal nach, was der Bauernpräsident Sühler hierzu gesagt hat, was der bayerische Landwirtschaftsminister Eisenmann hierzu sagt und was der Staatssekretär Nüssel dazu ausgeführt hat. Dann haben Sie mehr Sachkenntnisse über die bayerischen Verhältnisse, als Sie durch Ihren Zwischenruf bezeugen.
Der Löwenanteil der Milliardensubvention fließt in die gut strukturierten norddeutschen Gebiete. Die Ausgleichsmaßnahmen kommen mit Sicherheit einem Herrn von Heereman oder auch einem Herrn Eigen mehr zugute als Ihren bayerischen Berufskollegen.

(Eigen [CDU/CSU]: Vielen Dank!)

Wenn man die Auswirkungen Ihrer Politik überschlägig berechnet und alle Ausgleichsmaßnahmen addiert, dann landen in den Großbetrieben mit über 50 000 DM Standardbetriebseinkommen im Schnitt rund 15 000 DM staatliche Subventionen je Betrieb pro Jahr. Die Betriebe in den unteren Größenklassen bekommen lediglich 3 000 bis 4 000 DM. Für uns ist das keine Politik sozialer Gerechtigkeit, sondern es ist Umverteilungspolitik von unten nach oben, und da fügen Sie sich in die Gesamtpolitik nahtlos ein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




Wimmer (Neuötting)

Deshalb tue ich mich auch schwer, die von Ihnen herausgestellten Maßnahmen für Klein- und Mittelbetriebe lobend zu erwähnen. Die Mittel, die über die Ausgleichszulage bereitgestellt werden, reichen nicht aus, um das Bild zu korrigieren.
Bis heute haben Sie es nicht geschafft, den Gesetzentwurf über eine sozial gerechte Verteilung der Bundesmittel in der Altershilfe für Landwirte vorzulegen.

(Hornung [CDU/CSU]: Dafür wurde die Unfallhilfe aufgestockt!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012703800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012703900
Ja, bitte schön.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1012704000
Herr Kollege Wimmer, Sie haben gerade eben von der sozialen Gerechtigkeit gesprochen. Halten Sie den Abbau der Zuschüsse zur Altersversorgung an die Berufsgenossenschaft für eine soziale Sache, der unter Ihrer Regierungsverantwortung stattgefunden hat? Wenn Sie die Verteilung im Bundesgebiet des von uns wieder aufgestockten Betrags für die Berufsgenossenschaft sehen und auch sehen, daß ein Großteil davon in die südlichen Länder fließt und nicht, wie Sie sagen, in die strukturstarken nördlichen Länder, meinen Sie dann nicht, daß das ein wirklich ausgezeichneter Ausgleich und eine bessere soziale Politik für die Landwirtschaft ist, als das, was Sie gemacht haben?

Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012704100
Nein, das glaube ich nicht. Ich werde bei der Unfallversicherung noch gezielt darauf zu sprechen kommen.
Es ist nach meiner Auffassung auch ein Skandal, daß der Auftrag des Parlaments vom Dezember 1982, ein Gesetz zum Bereich der Altershilfe vorzulegen, bisher nicht erfüllt worden ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind doch dabei!)

Was seit einigen Tagen auf dem Tisch liegt, ist nur ein Referentenentwurf, mehr noch nicht.
Sie haben mit dieser Verzögerungstaktik das Parlament an der Nase herumgeführt, aber Sie haben auch — und das ist schlimmer — die einkommen-schwachen Bauern um die notwendige Entlastung in den zurückliegenden Monaten gebracht.
Ihnen paßt die gesamte Grundeinstellung, was die Sozialpolitik betrifft, nicht. Als wir das erste Mal den Ansatz verfolgt hatten, die Altershilfezuschüsse gerechter zu verteilen, und als wir dazu auch einen Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages gefaßt hatten, wurde das von Ihnen im Bundesrat zu Fall gebracht. Bei der Debatte darüber wurde dann diese gerechtere Verteilung als „sozialistisches Machwerk" bezeichnet.

(Eigen [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich meine, Ihre Glaubwürdigkeit ist mit diesem Verhalten nicht größer geworden.
Mit der Aufstockung der Mittel um 110 Millionen DM sollen jetzt die kleinen Betriebe um 900 bzw. 600 DM pro Jahr entlastet werden. Das ist etwa mit der Entlastung deckungsgleich, die wir am 14. November 1984 vorgeschlagen haben. Allerdings gibt es einen gravierenden und wesentlichen Unterschied: Sie wollen die größeren Betriebe, die lediglich 3% ihres Gewinns für die Beiträge zur Altershilfe aufbringen müssen, nicht belasten. Wir halten das für nicht gerechtfertigt. Wer pro Jahr durch umsatzbezogene Hilfen, wie ich ausführte, 15 000 DM oder mehr aus der Staatskasse erhält, benötigt keine Entlastung von Sozialausgaben. Betriebe mit einem Gewinn von 50 000 DM und mehr können es verkraften, wenn die Beiträge etwas stärker an der Leistungsfähigkeit des Betriebes ausgerichtet werden.
Man könnte als Agrarpolitiker angesichts des Kahlschlages der übrigen agrarpolitischen Beschlüsse diese Aufstockung noch mitmachen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, daß Sie, Herr Minister, im Kabinett und in den Koalitionsfraktionen auch einmal bereit wären, einen Kraftakt im sozialpolitischen Bereich für andere Teile der Bevölkerung mit zu unterstützen. Ich würde mir wünschen, Sie wären auch einmal bereit, einen Kraftakt für Schwerbehinderte, für Studenten, Schüler, Rentner und Sozialhilfeempfänger zu unterstützen. Das ist in den letzten Monaten nicht geschehen. Hier in der Agrarsozialpolitik gibt es einen leisen Versuch; aber setzen Sie Ihre Kraft auch einmal für andere Bereiche der Bevölkerung ein. Denn aus gesamtpolitischer Sicht — im Blick auf die 2,6 Millionen Arbeitslosen und auf die angesprochenen drastischen Kürzungen in anderen Sozialbereichen — habe ich im Zusammenhang mit der Aufstockung im Bereich der Altershilfe der Landwirte schwere Bedenken.
Daß Sie zur Zeit überhaupt bereit sind, diesen Schritt zu gehen, betrachte ich als ein Trostpflaster der Sozialpolitik für die verfehlte Agrarpolitik, die Sie betreiben.

(Hornung [CDU/CSU]: Herr Wimmer, das alles hatten Sie abgebaut! Noch nicht einmal das konnten Sie bezahlen!)

Wir als Sozialdemokraten sind stolz auf die Leistungen, die wir im Bereich der Agrarsozialpolitik erbracht haben.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Wenn Sie es hören wollen, zähle ich sie Ihnen auf:

(Dr. George [CDU/CSU]: Ja, tun Sie es einmal! Alle Streichungen mit aufzählen! — Zuruf von der CDU/CSU: Vergessen Sie die Streichungen nicht!)

1969 — noch in der Großen Koalition — Einführung der Landabgaberente, 1971 Zuschußgewährung für Nachentrichtung von Beiträgen, 1972 Krankenversicherung der Landwirte, 1974 Staffelung des Altersgeldes, 1974 Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft, 1975 jährliche Anpassung des Altersgeldes, 1975 Einführung



Wimmer (Neuötting)

des Waisengeldes und 1980 das zweite agrarsoziale Ergänzungsgesetz.

(Hornung [CDU/CSU]: Und dann haben Sie angefangen abzubauen!)

eine stolze Bilanz, die wir vorzeigen können!

(Beifall bei der SPD)

Das alles haben wir in der damaligen Zeit Ihnen abringen müssen.

(Zuruf von der SPD: So war das!)

Auch in der Unfallversicherung haben Sie kein Recht, hier einen Popanz aufzubauen. Wir waren es
— damit komme ich zur Beantwortung der Frage
—, die ein Gutachten zur Altlast gefordert haben, weil wir immer bereit gewesen sind — und das auch immer klargestellt haben —, im Bereich der Unfallversicherung die Altlast zu tragen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Und deswegen haben Sie abgebaut?)

Dieses Gutachten ist von uns angestrebt worden.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Und wissen Sie, wer für Monate, beinahe für Jahre auf diesem Gutachten gesessen ist? Das Ministerium! Das Gutachten liegt bis jetzt noch nicht vor, obwohl es seit Jahren angefordert wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gestrichen haben Sie! Nullwachstum für die Landwirte!)

— Das ist doch Quatsch!
Dieses Gutachten, das im Ministerium liegt, war sicherlich auch die einzige Hilfe, um eine Aufstokkung zu erreichen. Wir sind vorher dazu gestanden, die Altlast zu übernehmen, so auch jetzt. Tun Sie nicht so, als wenn wir es nie getan hätten.
Ich fordere Sie auf, zur Aussage des Gutachtens des Ifo-Instituts einmal Stellung zu beziehen, daß die Betriebe in den norddeutschen Berufsgenossenschaften, was die Unfallversicherung betrifft, am günstigsten dabei wegkommen. Es wäre auch für die süddeutschen interessant, wie sich die Aufstockung der Mittel auf die jeweilige Berufsgenossenschaft auswirkt. Ich gehe davon aus, daß auch hier ein Nord-Süd-Gefälle besteht und daß auch hier wieder die Süddeutschen benachteiligt sind.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

Sie haben in Ihrer Zeit die Landabgaberente abgeschafft und dafür die Milchrente eingeführt. Wir waren lange Zeit im Ausschuß gemeinsam der Meinung, daß wir die Landabgaberente aufrechterhalten sollten. Damals wurde gesagt, diese würde im gesamten EG-Bereich abgeschafft werden. Nein, die Franzosen haben sie ausgebaut. Ich meine, daß es richtig gewesen wäre — und viele aus Ihrem Berufsstand fordern das nach wie vor —, daß die Landabgaberente parallel zur Milchrente hätte geführt werden sollen.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012704200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmitz (Baesweiler)?

Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012704300
Nein, jetzt nicht, wir haben nur zehn Minuten zur Verfügung.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012704400
Die rechnen wir Ihnen ab.

(Wimmer [Neuötting] [SPD]: Bitte schön!)


Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID1012704500
Vielen Dank, Herr Kollege. — Herr Kollege Wimmer, würden Sie mir freundlicherweise recht geben, daß der Abbau der Landabgaberente in der Zeit gefordert worden ist, in der Sie die Regierung stellten? Sind Sie bereit zuzugeben, daß der Abbau der Zuschüsse zu Berufsgenossenschaften in Ihrer Regierungzeit nicht nur gefordert, sondern auch verwirklicht worden ist, und sind Sie dann bereit zuzugeben, daß die süddeutschen Länder unter Ihrer Regierung nichts mehr bekommen hätten?

(Dr. George [CDU/CSU]: Bei Null wäre überhaupt nichts drin! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Hermann, sag j a!)


Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012704600
Nein! — Ich beginne beim letzten. Es ist richtig, daß mit der Fortschreibung der Finanzmittel ein Abbau der Bundeszuschüsse vorgesehen gewesen ist. Wir haben aber zu jeder Zeit gesagt, wenn das Gutachten zur Altlast vorliegt, sind wir bereit, das in der Höhe wieder einzustellen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Dann lesen Sie es nach.
Was die Landabgaberente betrifft, war über einen gewissen Zeitraum, von allen Fraktion getragen, die Meinung vorherrschend, daß die Landabgaberente, sowohl was den Strukturwandel, aber auch was den Mißbrauch dann und wann betrifft, unter Umständen auslaufen könnte. In der letzten Phase — wahrscheinlich haben Sie hierbei nicht die Kenntnisse aus den Ausschußberatungen — war allerdings im Ausschuß gemeinsame Meinung, wir sollten bei der Landabgaberente bleiben, und das wurde von allen Fraktionen getragen.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012704700
Herr Kollege, jetzt muß ich aber doch bitten, daß Sie einen schönen Schlußsatz finden, weil Sie trotz der Zeit, die wir Ihnen zugegeben haben, ans Ende Ihrer Redezeit gekommen sind.

Hermann Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1012704800
Ich stelle abschließend fest,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Lob auf die Regierung!)

wenn die Kollegen Kiechle und Susset noch in der Opposition wären, dann würden sie zu dieser Agrarpolitik sagen: Erstens. Keine Perspektive. Zweitens. Die Agrarpolitik ist in weiten Bereichen als gescheitert zu betrachten. Wenn Sie das als Opposi-



Wimmer (Neuötting)

tionsredner so betrachteten, könnte ich Ihnen voll und ganz beipflichten.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012704900
Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (FDP):
Rede ID: ID1012705000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stimmung unter den Landwirten ist zur Zeit — wer wollte das bezweifeln! — äußerst schlecht. Bei meinen Gesprächen und Veranstaltungen im Lande merke ich immer wieder die Unruhe, Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Landwirten über die jetzige Agrarpolitik. Ich kann das sehr gut verstehen; denn ich weiß, daß es in vielen Betrieben jetzt wirklich um die Existenz geht.
Der hier vorgelegte Agrarbericht bestätigt dieses Stimmungsbild und trägt wenig dazu bei, daß wir hoffnungsvoller in die Zukunft schauen: ein 18%iger Einkommensrückgang im abgelaufenen Wirtschaftsjahr — wobei die Veredelungsbetriebe mehr abrutschten als die Marktfruchtbetriebe —, Verkaufserlöse und Vorleistungen, die auseinanderklaffen, und eine Verschuldung, die tief in die leeren Taschen der Landwirte blicken läßt.
Als Agrarpolitiker der Regierungskoalition will ich die miserable Situation in den landwirtschaftlichen Betrieben hier nicht beschönigen. Doch auch die Opposition sollte sich davor hüten, hier nur mit billiger Polemik und Schuldzuweisungen zu arbeiten, wie das hier heute morgen teilweise geschehen ist. Und, Herr Kollege Wimmer, was soll denn wieder die Diskussion um Groß und Klein, um Neid zu erwecken? Sie müssen doch auch mal zur Kenntnis nehmen, daß z. B. nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft die innerlandwirtschaftlichen Einkommensunterschiede sehr viel geringer sind als die Einkommensunterschiede in anderen Berufsgruppen. Das muß man hier doch auch einmal sagen.
Ich bin mit Ihnen j a einig über die Landabgaberente. Wir müssen sie wieder einführen. Aber wenn Sie hier von der Milchrente sprechen, kann ich nur feststellen, daß die SPD es war, die diese Milchrente hier im Parlament abgelehnt hat.

(Beifall bei der FDP)

Je kritischer die Einkommensentwicklung in den landwirtschaftlichen Betrieben verläuft, desto mehr Aufmerksamkeit sollte man der Kapitalentwicklung als wichtigem Indikator schenken. Heute kann nur jeder zweite Betrieb eine positive Eigenkapitalentwicklung vorweisen, deren Höhe nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben immer noch ungenügend ist, um die zukünftige Existenz des Hofes zu sichern. Also wird fremdfinanziert, was nur so lange gut geht, wie der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Landwirtes anerkennt und diesem die Schuldzinsen nicht über den Kopf wachsen. Das Vermögen an Grund und Boden, das die Landwirte angeblich j a so reich macht, ist da nur ein schwaches Trostpflaster. Schließlich ist es das wertvollste Betriebskapital eines bäuerlichen Familienbetriebes, auf das er nicht verzichten kann, schon gar nicht, um durch Veräußerung seine Schulden zu tilgen. Dieser Schritt ist meist tödlich und hat als solides Sanierungskonzept zur langfristigen Betriebserhaltung keinen Bestand.
Auf Grund der miserablen Einkommenssituation können die Landwirte immer weniger investieren. Das hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe selbst, sondern auch auf ihr gesamtes Umfeld im ländlichen Raum. So sind die Nettoinvestitionen von 600 DM je Hektar auf 300 DM je Hektar gesunken. Die Auswirkungen der Milchkontingentierung führten z. B. in meiner Heimatmolkerei in den ersten neun Monaten, in denen das gewirkt hat, zu einer Milchgeldminderauszahlung an die Landwirte von 3 Millionen DM im Vergleich zum Vorjahr. Und Herr Kollege Karl Eigen hat als negative Auswirkung der Milchkontingentierung eine Mindereinnahme der schleswig-holsteinischen Milchviehhalter von 141 Millionen DM für das laufende Wirtschaftsjahr angegeben. Das hat er laut Agrar-Europe bei der Pressekonferenz gesagt. Nicht daß ich hier etwas Falsches sage!

(Eigen [CDU/CSU]: Es stimmt!)

— Schönen Dank. Das zeigt die wirklich sehr negativen Auswirkungen dieser Maßnahme. Es ist eben nicht so, daß diese Milchkontingentierung jetzt schon positiv wirkt. Das muß man an Hand solcher Zahlen hier doch einmal ganz deutlich feststellen.
Dieses Geld — ob es nun 140 Millionen DM, 141 Millionen DM oder mehr sind; das will ich hier gar nicht werten — fehlt den Landwirten, die ihr Geld in der Regel j a nicht in den USA oder in der Schweiz anlegen, sondern für Investitionen nutzen, die der Bauwirtschaft, dem Landmaschinenhandel und Futtermittelhandel im ländlichen Raum zugute kommen. Wir können daher die Agrarpolitik nicht losgelöst von der Gesamtwirtschaft des landwirtschaftlichen Raumes sehen.
Politisches Anliegen der FDP ist es daher, dem Instrument der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wieder mehr Gewicht zu geben. Zu diesem Thema gab es j a vor kurzem gerade eine Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuß. Arbeitsplatzalternativen müssen im ländlichen Raum neu geschaffen werden, um die dortigen Wirtschaftsstrukturen nicht verkrusten zu lassen. Wir müssen durch Investitionsförderung und steuerliche Anreize neue Investoren mobilisieren, Existenzgründungen ermöglichen, neues Gewerbe ansiedeln und eine echte Mittelstandspolitik betreiben, die auch Landwirten die Möglichkeit eröffnet, nicht nur vom Hof allein, sondern eventuell auch von einem außerlandwirtschaftlichen Einkommen zu leben. Dabei will die FDP keinen Landwirt vom Hof verdrängen, sondern ihm sein Eigentum, seine Zukunft in seiner Heimat auf Dauer sichern.

(Sehr gut! bei der SPD)

Durch eine gezielte Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum wird die Diskussion um Wachsen oder Weichen nicht wieder heraufbeschworen. Im Gegenteil! Die Palette der Erwerbsmöglichkeiten und der Berufschancen erweitert sich. Der land-



Bredehorn
wirtschaftliche Strukturwandel darf nach unserer Ansicht weder forciert noch gestoppt werden. Das erste wäre angesichts des außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatzmangels unsozial, das zweite wäre gleichbedeutend mit einem Auf-die-lange-BankSchieben dringend zu lösender wirtschaftlicher Probleme.
Bundesminister Kiechle hat uns als Ausgleich für Kontingentierung und Mengenbeschränkung eine aktive Preispolitik versprochen. Angesichts überfüllter Märkte ist es sicherlich eine Illusion, daran zu glauben, daß sich in allernächster Zukunft das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den Märkten wieder einpendeln werde. Somit sind der an und für sich notwendigen aktiven Preispolitik enge Grenzen gesetzt, und Bundesminister Kiechle hat bei den Brüsseler Preisverhandlungen einen sehr schweren Stand. Wir können ihm bei seinem schwierigen Geschäft nur Erfolg und Standhaftigkeit wünschen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Agrarpreise sind durch ihre Doppelfunktion, nämlich das Einkommen zu sichern und die soziale Abpufferung zu gewährleisten, völlig überfrachtet. Jetzt brechen uns die Märkte unter den dadurch provozierten und produzierten Mengen zusammen. Durch Garantiepreise haben wir der Agrarproduktion jahrelang die Sporen gegeben. Die jetzt notwendig werdenden Reglementierungen und Mengenbeschränkungen heben die Agrarwirtschaft gänzlich aus dem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen heraus und können für uns Liberale kein zukunftsweisender Weg sein. Wir müssen eine sanfte Methode finden, den Agrarbereich wieder mehr in unser Wirtschaftssystem einzubinden. Mit Hauruckaktionen schaffen wir das nicht. Sie schaden mehr, als daß sie nützen.
Die Milchkontingentierung mit ihrer Härtefallregelung ist von ihrem Grundansatz her nach wie vor falsch, ungeschickt gehandhabt worden und überdies ein planwirtschaftliches Fremdelement. Mit der von uns geforderten differenzierten Mitverantwortungsabgabe wäre den Milchbauern wahrlich viel erspart geblieben.
Der Getreidemarkt ist unser nächstes Sorgenkind. Die von der EG-Kommission vorgeschlagene Preisabsenkung um 3,6% wird von uns abgelehnt, weil sie das falsche Instrument ist, um die Überschußproduktion zurückzuführen. Jetzt allerdings müssen wir politisch entscheiden, wobei ich Lösungsmöglichkeiten über eine Mitverantwortungsabgabe für Getreide und auch über ein Flächenstillegungsprogramm — das wurde teilweise hier angesprochen — sehe. Die notwendige verstärkte Förderung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe und des Anbaus von Leguminosen wird langfristig sicher auch zu einer Entlastung des Getreidemarktes beitragen können.
Meine Damen und Herren, unsere Bauern sind in großer Sorge und Unsicherheit über die Auswirkungen der aktuellen Agrarpolitik. Verantwortliche Agrarpolitiker sprechen heute davon, die Politik des Wachsens oder Weichens sei jetzt beendet. Jetzt werde eine Politik für den kleineren und mittleren Vollerwerbsbetrieb gemacht. Die Auswirkungen dieser Politik — ich verweise z. B. auf die Milchkontingentierung und andere agrarpolitische Entscheidungen — bedingen in der Praxis und in den Betrieben allerdings eher das Gegenteil. Viele Betriebe fürchten augenblicklich um ihre Existenz. Deshalb ist es jetzt unsere Pflicht, unseren Landwirten mit einer verantwortungsbewußten Agrarpolitik wieder Perspektiven aufzuzeigen. Für die FDP-Agrarpolitik wird es darum gehen, das Eigentum unserer Landwirte zu sichern, die Überschüsse abzubauen und damit wieder mehr Marktgleichgewicht herzustellen, die ökologischen Leistungen einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft auch finanziell anzuerkennen, die Agrarproduktion umweltverträglicher zu gestalten, die freie unternehmerische Entscheidung zu fördern und den leistungsfähigen bäuerlichen Familienbetrieb zu sichern. Der bäuerliche Familienbetrieb ist zu Leistungen bereit.
Diese Leistungsbereitschaft will die FDP aus ökonomischen, aus ökologischen und aus gesellschaftspolitischen Gründen auf vielfältige Weise fördern: durch Einstellung aller produktionssteigernden Förderungsmaßnahmen zum Bau von Kuh- und Schweinemastställen; durch Förderung des Obergangs zur nebenberuflichen Landwirtschaft; durch differenzierte Zuschüsse zu den Beiträgen für die landwirtschaftliche Alterskasse; durch die Wiedereinführung einer Landabgaberente; durch die Ausweitung der Förderungsmöglichkeiten für benachteiligte Gebiete unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelbetriebes; durch ein Flächenstillegungsprogramm zur Reduzierung der Überschußproduktion; durch die Weiterentwicklung von Bestandsobergrenzen, wie wir es bei der Mehrwertsteuer als ersten Schritt zur Verhinderung unerwünschter Konzentration in der Tierproduktion getan haben; durch finanziellen Ausgleich für landschaftspflegerische Leistungen; durch Entschädigungsregelungen für umweltbedingte Bewirtschaftungsauflagen oder Flächenstillegungen zum Zwecke des Naturschutzes und des Wasserschutzes — hier war es allein die FDP-Fraktion, die bei den Beratungen des Bundeshaushaltes 1985 den Antrag eingebracht hat, 100 Millionen DM aus den Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe bereitzustellen; wenn jetzt seitens der Länder noch Widerstand kommt, wenn sie also nicht mitziehen, kann ich Sie nur bitten, uns hier mit zu unterstützen; wir müssen in diesem Bereich mehr tun, die Länder allein werden das nicht schaffen —;

(Beifall bei der FDP)

durch Förderung der Aufforstung landwirtschaftlich genutzter Flächen; durch Förderung der Entwicklung von Agrarerzeugnissen mit neuen Marktchancen — hier denke ich an nachwachsende Rohstoffe für industrielle Nutzung, Eiweißpflanzen und an die Förderung von alternativem Landbau — und durch steuerliche Entlastung zugunsten der kleineren und mittleren bäuerlichen Betriebe.
Meine Damen und Herren, das agrarpolitische Ziel der FDP ist und bleibt die Erhaltung einer Vielzahl von leistungsfähigen bäuerlichen Familienbe-



Bredehorn
trieben, die als Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe bewirtschaftet werden. Jetzt müssen die politischen Entscheidungen fallen, die diesen Betrieben eine Zukunftschance belassen und das Vordringen der von uns nicht gewünschten Agrarfabriken bremsen. Bäuerliche Familien — damit will ich enden — müssen in ihrer vielschichtigen Leistungsbereitschaft auch in Zukunft von einer intelligenten und ehrlichen Agrar- und Wirtschaftspolitik unterstützt werden.
Schönen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012705100
Das Wort hat der Abgeordnete Kißlinger.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Jetzt wird's lustig!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012705200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, als ich mir heute hier Ihre Stellungnahme zur Forst- und Holzwirtschaft anhörte, war ich — ebenso wie beim Lesen des Agrarberichtes — erstaunt darüber, wie wenig Sie als Regierung zur Problematik des Waldes zu sagen haben. Gewiß kann der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht über alles reden. Aber daß er so viel über Landwirtschaft und so wenig über die Forstwirtschaft und ihre Probleme geredet hat, finde ich nicht gut.

(Hornung [CDU/CSU]: Wir tun etwas, wir reden nicht so viel!)

Inzwischen ist viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen, aber auch viel saurer Regen auf die Wälder gefallen. Immerhin hatten wir 1983 473 800 Betriebe mit Wald; 97 % davon befinden sich in privater Hand. Forstwirte und Arbeitnehmer fragen sich, was werden soll.
Damit dieses Kapitel des Agrarberichts in Zukunft nicht zur Sterbestatistik wird, scheint es uns notwendig zu sein, Sie wieder einmal mit der Situation unseres Waldes zu konfrontieren.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Denn ich gehe davon aus, daß sich niemand in diesem Hause zum Totengräber unserer Wälder qualifizieren will.

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das Waldsterben gefährdet die Existenz vieler Waldbauern und nimmt ihnen ihre letzte Sparbüchse. Die Holzwirtschaft hat eine Abnahme der Zahl der Betriebe und der Beschäftigten zu verzeichnen. Sie gehen zwar von einer zukünftig leicht verbesserten Ertragslage aus, ich hege jedoch große Zweifel daran. Denn das Waldsterben geht weiter, und damit verschärfen sich auch die Probleme auf dem Holzmarkt. Schon jetzt steht er unter großem Druck. Die Berufsverbände drängen darauf, daß im Forstschädenausgleichsgesetz Regelungen zur Unterstützung der Waldbauern getroffen werden. Denn allein bei einer 10 %igen Schädigung des Waldes haben wir einen Vermögensverlust von 15 bis 20
Milliarden DM, und die umweltbedingten Mehrbelastungen belaufen sich jährlich bereits auf 1,7 Milliarden DM. Wie stellen Sie sich bei einer Verschärfung der Situation Lösungen vor, die diesen Problemen halbwegs gerecht werden?

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das möchten wir gern wissen, ja!)

Aber hier geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Schaden, meine Damen und Herren, hier geht es auch darum, daß die Natur und damit unser ganzer Lebensraum bedroht sind. Die Funktion des Waldes, das Gleichgewicht des Naturhaushaltes zu erhalten, ist erschreckend beeinträchtigt. Die Funktion des Waldes, Schutz vor Lawinen, Hochwasser, Überflutungen in den Alpen und Mittelgebirgen zu bieten, ist bedroht. In unserer Großen Anfrage zur ökologischen und ökonomischen Situation im deutschen Alpenraum haben wir bereits damals unserer Sorge Ausdruck verliehen.

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Sehr richtig!)

Die Funktion des Fremdenverkehrs als eines wesentlichen Wirtschaftsfaktors in den Waldgebieten wird erheblich beeinträchtigt, und das wird auch die Steuerkraft der Kommunen deutlich schwächen.
Nun, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, alle diese für die Menschen unseres Landes existentiellen Probleme werden von Ihnen nicht ernst genug genommen.

(Beifall bei der SPD)

Der Schock, den der Waldschadensbericht 1984 auch bei Ihnen ausgelöst hat, scheint sich wohl schon gelegt zu haben, obwohl die Schäden zunehmen. Sie strahlen wie fast überall fröhlichen Optimismus aus. Aber ich höre von unseren Bauern und Forstbeamten, daß das Waldsterben auch zur Stunde dramatisch fortschreitet. Das Aussehen der Nadelgehölze Fichten und Tannen deutet nach Aussagen von Fachleuten darauf hin, daß uns die nächste Waldschadenserhebung noch härter treffen wird. Ihr zögerndes Handeln, Ihre wechselnden Kniefälle vor der Auto- und Kraftwerkslobby, Ihr ständiges Ankündigen und Doch-nichts-Tun, Ihr Reden von Alleingängen und das Fehlen des Muts zum Wagnis, das Gebären nicht greifender Katalysatorenregelungen, das alles reicht einfach nicht aus, um das Überleben unserer Wälder zu garantieren.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ihr habt doch gar nichts gemacht!)

Wenn Sie schon mit der Katalysatorenproblematik nicht rechtzeitig zu Rande kommen, müssen Sie sich halt auf das Tempolimit werfen, das bei Ihnen ja nicht beliebt ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012705300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012705400
Bitte.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1012705500
Lieber Herr Kollege Kißlinger, können Sie vielleicht mir und



Carstensen (Nordstrand)

auch Ihrer lieben Frau Genossin Simonis die Frage beantworten, warum Sie in Ihrer Regierungszeit nicht auf die Idee gekommen sind, etwas gegen den Ausstoß schädlicher Substanzen aus Autos und aus Kraftwerken zu unternehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012705600
Herr Kollege Carstensen, Sie wissen wie ich, daß in der Tat die Dramatik der Situation leider Gottes auf von den Fachleuten zu spät erkannt worden ist. Wenn man einen Dieb fangen soll, den man noch gar nicht kennt, hat man dabei erhebliche Schwierigkeiten.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Die Erfahrungen der Amerikaner waren früher da! Ihr habt geschlafen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es ist gut, daß sich eine Reihe von Forschungsaufträgen mit den verschiedensten Aspekten des Waldsterbens beschäftigt. Aber wenn wir die Hauptursachen kennen, kommt es darauf an, sofort Entscheidendes zu tun. Sie sind im Wettlauf mit der Zeit, und diesen Wettlauf werden Sie bei weiterem Zögern verlieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir werden ihn gewinnen!)

Der bei anderen Dringen so glasharte Innenminister hätte gut daran getan, nicht auf den Gesundheitsvorbehalt nach Art. 36 des EG-Vertrags zur Durchsetzung einer obligatorischen Einführung abgasarmer Neufahrzeuge zu verzichten. Jetzt hat der Minister, wie wir vor einigen Tagen gesehen haben, keine Chance mehr, in Brüssel durchzukommen.
Die Kritik, die wir äußern, kommt j a auch aus Ihrem Lager. Vielleicht haben Sie heute früh die Nachrichten gehört. Danach gibt es einen Kritiker, dem wir nur zustimmen können. Als eine einzige Blamage bezeichnete Graf Lambsdorff die Politik der Bundesregierung auf dem Gebiet der Abgasentgiftung.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Recht hat er!)

Dem stimmen wir zu.

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Er hat selten recht; aber da hat er recht!)

Graf Lambsdorff sagt weiter, einige Äußerungen Zimmermanns erweckten in ihm den Eindruck totaler Unkenntnis im Hinblick auf Markt, Produzenten und Käufer. Er hat recht.

(Beifall bei der SPD)

Lambsdorff fürchtet, daß die Bundesregierung hier bereits einige Dinge verschlafen und übersehen hat. Er hat recht. Wir sind mit ihm hier ganz einer Meinung.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wie schon immer! — Zuruf von der CDU/CSU: Wer geschlafen hat, weiß die Geschichte! — Weitere Zurufe der CDU/CSU)

Wenn Sie heute Freude haben, weil vor ein paar Tagen das Gericht entschied, daß Buschhaus in Betrieb gehen kann, das nach wie vor die größte Dreckschleuder unseres Landes ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht! — Zuruf des Abg. Eigen [CDU/ CSU])

mit 0,4 % Stromproduktion und 6 % Schwefeldioxidausstoß, dann zeigen Sie wieder, daß Sie keinen Willen haben, die Situation zu ändern.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Schmierentheater um Buschhaus ist den Menschen in unserem Land noch genug in Erinnerung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nordrhein-Westfalen! — Freiherr von Schorlemer [CDU/ CSU]: Fragen Sie mal die SPD von Helmstedt, was die dazu sagt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ihnen fehlt hier der Wille. Und Ihnen fehlt noch etwas: ein Gesamtkonzept zur Luftreinhaltung und zur Energieversorgung, das wirksam greift.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Und kommen Sie uns dann nicht mit Ihrer ernsthaften Sorge um Arbeitsplätze! Aktive Umweltpolitik vernichtet diese nicht, sie schafft sie im Gegenteil neu, wie wir es in unserem Programm „Arbeit und Umwelt" vorgeschlagen haben.

(Borchert [CDU/CSU]: Erzählen Sie das den Genossen in Nordrhein-Westfalen!)

— Die Genossen in Nordrhein-Westfalen wissen das. Die gehen da ein Stück voraus.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Die werden sich freuen!)

Meine Herren, Sie sollten von Umweltschutz nicht nur reden. Sie sollten auf diesem Felde endlich das Notwendige tun.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir tun wenigstens etwas, Ihr habt nur geredet!)

— Davon spürt zur Stunde in diesem Lande niemand etwas.
Wenn Sie sich immer als die großen Hüter der Wirtschaft geben, dann lesen Sie doch nach, was Sie durch die Untätigkeit in der Automobilindustrie an Schrecken hervorgerufen haben. Auch hier könnte man wieder den Grafen Lambsdorff zitieren. Wie viel weniger Umweltschäden auftreten und wie viel mehr wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen sind durch umweltfreundliche Technologien und durch Produktionen umweltfreundlicher Art, das machen uns die Konkurrenten in Japan vor. Hier hätten Sie die Alarmglocken schon längst schrillen hören sollen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Aber schon vor zehn Jahren! Da wart ihr doch an der Regierung!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012705700
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012705800
Meine Damen und Herren, wir haben unsere konkreten Vorschläge vorgebracht. Ihre Resonanz darauf konnten wir nicht finden. Es wird Ihnen deshalb niemand die Last von Ihren Schultern nehmen, auch nicht die Verantwortung für die sterbenden Wälder. Aus dieser Verantwortung entlassen Sie Millionen von Bürgern in diesem Lande mit uns gemeinsam nicht. Wir stehen ihnen bei in ihrem Kampf, sich ihre liebenswerte Heimat zu erhalten und den Kindern eine lebenswerte Zukunft.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012705900
Das Wort hat der Abgeordnete Bayha.
Herr Kollege Bayha, Sie haben zwar keinen runden Geburtstag, aber wenn Sie heute zu uns reden, möchten wir Ihnen alle herzlich zu Ihrem Geburtstag gratulieren.

(Beifall)


Richard Bayha (CDU):
Rede ID: ID1012706000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich für diese herzlichen Glückwünsche bei Ihnen bedanken.
Kollege Dr. Vogel hat vorhin in einer Aneinanderreihung von volkswirtschaftlichen Daten Schuldzuweisungen für Schwierigkeiten in der Agrarpolitik vorgenommen. Ich meine, das hätte er lieber nicht tun sollen. Wenn er den Grünen Bericht gelesen hätte, insbesondere die Übersicht 31, dann hätte er das wohl auch nicht getan; dort ist an Hand einiger für die Landwirtschaft wichtigen Rahmendaten festgehalten, wie in den letzten sieben Jahren SPD- Regierung die Unkosten für die Landwirtschaft dreimal so stark gestiegen ist wie die Einnahmenseite. Dies ist einmalig in der Europäischen Gemeinschaft; denn alle anderen Länder haben in etwa ein Verhältnis von 1 : 1.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das ist auch die außerordentlich große Schwierigkeit: diese auseinanderklaffende Schere, mit der die Landwirte seit Jahren zu tun haben.
Es gibt sicher noch eine ganze Menge anderer Ursachen. Lassen Sie mich einmal kurz zurückblikken. In diesem Jahrhundert sind unsere Landwirte jahrzehntelang erzogen worden, gegen den Hunger oder in einen offenen Markt zu produzieren. Die Parole in den 30er, 40er und 50er Jahren war: Schlagt Erzeugungsschlachten! Als dann die Römischen Verträge abgeschlossen wurden und die EG kam, waren die Ziele nicht anders. In Art. 39 steht: „Die Produktivität der Landwirtschaft ist durch Förderung des technischen Fortschritts ... zu steigern. Die Produktitvität der Arbeitskraft ist zu erhöhen". Die neue Parole war: Versorgung sicherstellen zu einem angemessenen Preis.
Auch auf der Konferenz von Stresa im Jahre 1958, wo der Familienbetrieb zum Leitbild erkoren wurde, hieß es im großen und ganzen: Erzeugt!
Und auch in der jüngsten Zeit, im Jahre 1978 — um noch ein anderes Beispiel zu bringen —, hat die
FAO, die Welternährungsorganisation, in Rom ein Gutachten erstellen lassen. Darin werden die Industrieländer aufgefordert, mehr in die Landwirtschaft zu investieren, weil nur sie, die Landwirtschaft, in der Lage sei, den Hunger in der Welt zu bannen. Neue oder alte Parole: Brot für die Welt.
All das haben Sie von der Opposition, die Sie vorhin diesen Minister und diese Regierung kritisiert haben, gar nicht bedacht, insbesondere nicht die volkswirtschaftlichen Rahmendaten, die auf Sie zurückzuführen sind, an denen Sie mit Ihrer Regierung gescheitert sind und die diese Regierung Gott sei Dank geändert hat. Davon wird auch die Landwirtschaft etwas profitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

All diese Aufgaben, die ich eben ganz kurz skizziert habe, haben die deutsche Landwirtschaft und auch die Landwirte der übrigen EG-Länder mit einer grandiosen Leistungsbereitschaft gelöst.
In den Hungerjahren ist die Bevölkerung ernährt worden. In den Jahren des Wirtschaftswachstums sind in der Bundesrepublik 3 Millionen Menschen für die übrige Wirtschaft freigesetzt worden. Wir haben j a nur noch 815 000 Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft.
Die deutsche Landwirtschaft versorgt die Bevölkerung mit besten, qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zum niedrigsten Preis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu möchte ich Ihnen hier ein paar Zahlen nennen. Die Ausgaben für die Ernährung machten 1950 — das habe ich mir dieser Tage vom Statistischen Bundesamt extra errechnen lassen, weil es diese Statistik nicht gibt — 42,5 % des gesamten privaten Verbrauchs aus. Heute sind es nur noch 19,2 %. Diese Leistung, die die deutsche Landwirtschaft für ihre Bevölkerung erbringt, ist Weltspitze. Das muß man doch auch einmal anerkennen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das muß man insbesondere dann anerkennen, wenn man — wie vorhin — vom Oppositionsführer sehr vorwurfsvoll hören muß, daß diese Regierung für die nächsten sieben Jahre der Landwirtschaft 24 Milliarden DM zusätzlich geben will. Diese Leistung, die die Landwirtschaft vollbracht hat, kann sich sehenlassen. Sie muß auch honoriert werden.
Die Probleme, die wir heute haben, sind leider umgekehrter Natur: Die Bevölkerungsentwicklung ist rückläufig, die Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft sind rasant, der Weltmarkt wird immer enger, die Agrarpreise stagnieren und die Unkosten steigen weiter.
Hierzu zwei kurze Beispiele: Der Weizenpreis betrug 1950 33 DM pro Doppelzentner. 1985 lag er bei 48 DM. Das ist eine Steigerung von 1,1 % jährlich über einen Zeitraum von 35 Jahren. Die Unkostenseite will ich am Werklohn einer LandmaschinenReparaturwerkstatt verdeutlichen. Eine solche Stunde kostete 1950 3,51 DM, heute 43,20 DM. Das ist eine Steigerung von insgesamt 1 130% oder 7,5%



Bayha
pro Jahr. Das sind die Probleme, mit denen wir uns herumschlagen müssen.
Meine Damen und Herren, hinzu kommt, daß wir es in den letzten Jahren beim Getreide mit exorbitanten Ertragssteigerungen zu tun hatten und in Zukunft noch mehr zu tun haben werden. Wir haben 1950, also vor 35 Jahren, 27 Doppelzentner Weizen geerntet. Wir ernten heute — letzter Durchschnitt — 57 Doppelzentner. Wir werden, wenn das so weitergeht — und daran zweifelt niemand —, in zehn Jahren 70 Doppelzentner ernten.

(Frau Weyel [SPD]: Es wird nicht so weitergehen!)

Diese Mengen sind nicht mehr verkraftbar und nicht mehr absetzbar. Wir hatten in diesem Jahr in der EG einen Verbrauch von 117 Millionen t und eine Ernte von 150 Millionen t. Wir gehen mit einem Überschuß von wahrscheinlich 30 Millionen t Getreide in das neue Erntejahr hinein.
Zur Verdeutlichung: Wir könnten die ganze Sahelzone mit 8 bis 10 Millionen t Getreide zufriedenstellen, wenn es nur an den Mann gebracht werden könnte.
Diese Ertragssteigerungen beim Weizen werden uns noch große Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube, wir sollten hier auch einige unkonventionelle Dinge ins Auge fassen. Ich möchte einige kurze Denkanstöße geben.
Erstens. Die Welthungerhilfe muß deutlich verstärkt werden. Ich meine, es ist ein Skandal, daß auf unserem Nachbarkontinent 30 Millionen hungern, während wir mit 30 Millionen t Überschuß in die neue Ernte gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zweitens. Ich meine, daß alle Agrarexportchancen mehr noch als in der Vergangenheit zu nutzen sind, insbesondere bei Spezialitäten.
Drittens. Die Agrarproduktion für industrielle Rohstoffe muß in Forschung und Praxis beschleunigt werden. Wir wissen nicht, wann die nächste Ölkrise kommt und wir diese Produktion brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens. Benachteiligte Gebiete sollten in Zukunft stärker flächenbezogen und weniger produktionsbezogen gefördert werden, d. h. man sollte von der Großvieheinheit als Bemessungsgrundlage Abkehr nehmen.
Fünftens. Bei weiter ansteigenden Getreideüberschüssen in der EG sollte auch erwogen werden, ob bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht auf freiwilliger Basis vorübergehend stillgelegt werden. Stillgelegte landwirtschaftliche Nutzflächen sollten auch für Naturschutzzwecke, Freizeit, Erholung, zur Regeneration des Bodens und als Reserveland zur Verfügung gehalten werden. Solchermaßen stillgelegte Flächen sind meiner Meinung nach so zu pflegen, daß sie jederzeit bei Bedarf wieder in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß einbezogen werden können. Selbstverständlich sollten die Landwirte dafür einen angemessenen Ausgleich erhalten.
Ich halte das aus folgenden Gründen für notwendig. Ich habe vorhin eine Rechnung aufgemacht, die in absoluten Zahlen so aussieht, daß wir bei steigenden Getreideerträgen in zehn Jahren zirka 80 Millionen t Getreide in der EG zuviel haben werden. Das ist eine Größenordnung, die nirgends absetzbar ist; denn die internationalen Märkte gehen zurück. Indien ist Selbstversorger. Die Volksrepublik China ist oder wird Selbstversorger. Die Sowjetunion macht alle Anstrengungen, Selbstversorger zu werden, d. h. die Aufnahmemöglichkeit des Weltmarktes wird in Zukunft noch wesentlich geringer. Da können wir einfach nicht mehr mit solchen außergewöhnlich großen Mengen an Getreideüberschüssen operieren. Hier müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen, ansonsten werden alle Dämme unterspült.
Ich meine, auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft ist die Einberufung einer zweiten Konferenz von Stresa, auf der ein Grundkonzept für eine Neuorientierung der Agrarpolitik der EG entwickelt werden soll, ein Gebot der Stunde; eigentlich längst überfällig.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Die Überschußprobleme der Europäischen Gemeinschaft haben so dramatische Ausmaße angenommen und werden sich durch den Beitritt stark agrarstrukturierter Staaten wie Spanien und Portugal noch so verschärfen, daß eine neue agrarpolitische Strategie dringend geboten ist. Mit den national-egoistischen Verteilungskämpfen der Vergangenheit jedenfalls sind die Herausforderungen in Europa in der Zukunft nicht zu bewältigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die erste Agrarkonferenz von Stresa im Jahr 1958 hat die agrarpolitischen Ziele für eine Sechsergemeinschaft konzipiert. Nach 27 Jahren ist es an der Zeit, über die Zielvorstellungen der EG allein schon deshalb nachzudenken, weil die Finanzierungsprobleme in Zukunft unlösbar erscheinen. Die Bundesregierung sollte bei der Europäischen Kommission, meine ich jedenfalls, auf die Einberufung einer solchen zweiten Konferenz von Stresa drängen. Das ist schon deshalb notwendig, weil ich von der EG-Kommission selber jedenfalls keine Initiative erwarte.

(Pfuhl [SPD]: Recht hast du!)

Ziel einer solchen Konferenz muß eine mittelfristige Agrarkonzeption sein, die sich mit den Fragen der Strukturanpassung, der Überschußproduktion und der Harmonisierung des Rechts befaßt.
Meine Damen und Herren, lieber Minister Kiechle, ich habe einige Denkanstöße für eine mittelfristige Agrarpolitik, für mittelfristige Zielvorstellungen gegeben. Ich wünsche Ihnen in Ihrem Amt und für die schwierigen Verhandlungen der nächsten Tage großen Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012706100
Das Wort hat der Abgeordnete Oostergetelo.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Jetzt kommt endlich einmal von der SPD ein Bauer! — Hornung [CDU/CSU]: Ein Kleinbauer!)


Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1012706200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bayha, ich möchte Ihnen im doppelten Sinn gratulieren: erstens zum Geburtstag und zweitens, weil Sie über den Tag hinaus gedacht haben. Alles das, was Sie mittelfristig über Stresa und über die Begrenztheit des Weltmarktes gesagt haben, kann ich nur teilen.
Aber ich muß Ihnen auch sagen: Sie haben fürsorglich das umschifft, was heute ansteht. Der alte Bodelschwingh hat einmal im Reichstag gesagt: Sie sterben darüber. Sie haben kein Wort zu den Verhältnissen heute gesagt, dazu, was heute in den Versammlungen bei den Bauern los ist. Das ist natürlich möglich.
Ich kenne auch Ihre Einstellung, daß Sie jede staatliche Reglementierung mehr ablehnen als ich. Aber kein Wort Ihrerseits zur Reglementierung bei der Quote! Dies würde zur Redlichkeit dazugehören, nicht nur über morgen zu reden, sondern auch über heute, denn heute muß ich noch weiterleben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mir die Reden anschaue: Lieber Kollege Paintner, ich kenne diesen Salto mortale aus allen Jahren. Erst gibt es über zwei Drittel der Rede Kritik, und dann folgt das Zurückfinden.
Herr Bredehorn, ich bin mit Ihrem Vortrag mehr einverstanden. Nur muß ich Sie daran erinnern: Der Beschluß, die Quote einzuführen, ist auch von den Kabinettsmitgliedern der FDP gefaßt worden.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Dies vergißt man immer zu sagen. Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten sich vorher durchgesetzt. Ihre Meinung in diesem Punkt kenne ich, und ich akzeptiere sie auch.
Der Agrarbericht 1983 enthält reichliches Zahlenmaterial von 11 000 Testbetrieben. Dafür Dankeschön. Der verantwortliche Minister hätte den diesjährigen Agrarbericht eigentlich mit einem Trauerflor versehen müssen; denn die aufgezeigten Ergebnisse sind mehr als deprimierend: der höchste Einkommensrückgang, den wir je hatten, der höchste Anteil von Betrieben mit Eigenkapitalverlusten — dies sind Fakten, meine Damen und Herren, ungefähr die Hälfte aller Betriebe lebt von der Substanz —, die bisher höchste Verschuldung, ein Tiefstand bei den Nettoinvestitionen, kurz ein negatives Buch der Rekorde. Das unterste Viertel, also die am schlechtesten verdienenden Betriebe, erwirtschaften, statistisch gesehen, überhaupt keinen Gewinn. Da reden viele bei Ihnen von Neid, wo es um das nackte Überleben geht! Sagen Sie doch auch mal draußen in den Versammlungen, daß das so gewollt sein muß!

(Beifall bei der SPD)

Die Familienarbeitskraft im untersten Viertel muß sich pro Tag — bei 60 Stunden oder mehr in der Woche —, 365 Tage im Jahr plagen und noch 1,55 DM mitbringen. Das ist ein blamables Ergebnis für eine Regierung, die mit der Parole über das Land zieht: Leistung muß sich wieder lohnen. Wo wird denn da entlohnt?
Zurück zum Agrarbericht: Wir hatten 1983 52 000 Auszubildende. Das ist der bisher höchste Stand, das ist erfreulich. Aber welch ein Gegensatz: Eine Vielzahl junger Menschen ist in Agrarberufen gut ausgebildet, aber ohne Chancen. Deshalb breitet sich gerade bei den Jugendlichen auf dem Lande Enttäuschung, Resignation aus. Auf der Anklagebank befindet sich nicht nur für die Jugendlichen die Milchquotierung, die Sie dann Garantiemengenregelung genannt haben. Statt einer differenzierten Mitverantwortungsabgabe das Wort zu reden, sie auszubauen und mit der Milchrente Produktion aus dem Markt herauszunehmen, haben Sie die Quotenregelung forciert.

(Hornung [CDU/CSU]: Das ist auch besser!)

Welch ein Aberwitz: 1 Milliarde DM wird ausgegeben, damit andere weiterproduzieren. Das ist doch das Ergebnis, meine Freunde: Hoch spezialisierte, hoch qualifizierte Lehrer in allen Bereichen haben den Minister gewarnt, Sie überhörten es. Fachkundige Beamte Ihres Hauses warnten, sie wurden von Ihnen ignoriert, Herr Minister. Die europäischen Partner sperrten sich, und das wurde die Ursache für die beweinenswerte Verhandlung, die wir dann als Ergebnis vor uns haben. Die Partner konnten den politischen Preis hochschrauben; denn die Bundesregierung klebte ja an ihrer Idee der Quote, wie sonst nur angeschlagene Minister der Regierung Kohl an ihren Sesseln kleben.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Sehr gut gesagt!)

Die Partner ließen sich bitten, von Stuttgart über Athen — Sie wissen das auch — bis Fontainebleau, und dann hatte man die deutsche Regierung da, wo man sie haben wollte. Der Grenzausgleich war fällig.

(Hornung [CDU/CSU]: Bei Ihnen ist er nicht fällig gewesen! Bei Ihnen ist er gefallen, ohne Ausgleich!)

Im übrigen sollten Sie hier Redlichkeit aufbringen: Es gab Konsens in diesem Hause bei allen Parteien und dem Bauernverband, daß der Grenzausgleich das nationale Interesse darstellt.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Der Minister hat noch in Berlin auf der vorvorigen Grünen Woche gesagt: Mit mir gibt es keinen Abbau des Grenzausgleichs und keine Nullpreisrunde.

(Hornung [CDU/CSU]: Bei Ihnen 15 % ohne Ausgleich!)

Dies ist Wortbruch. Was denn sonst?

(Beifall bei der SPD)




Oostergetelo
Herr Minister, Sie haben wie ein Löwe um die Durchsetzung der Milchquoten gekämpft und haben dafür den Radikalabbau des deutschen Grenzausgleichs zahlen müssen. Herr Brunner; daß Sie dies hier noch positiv auslegen, beruht nur auf Ihrer Findigkeit.
Nein, meine Damen und Herren, auch der Minister selber war dieser Meinung. Am 2. Februar 1983 noch hat er gesagt:
Die von der EG-Kommission vorgelegten Preisvorschläge sind für die deutschen Bauern unzumutbar. Dies gilt insbesondere für den Abbau des Grenzausgleichs.
Sühler hat dasselbe gesagt. Sie können sich dies nicht noch einmal leisten. Aber ich denke, Sie kennen die Formulierung.
Die Fehlleistungen des Kanzlers und des Landwirtschaftsministers führen große Teile der deutschen Landwirtschaft in eine schlimme Lage. Franz Josef Strauß spricht von 30 000 Betrieben.
Zum Ausgleich des selbst angerichteten Schadens schuf die Koalition dann die Vorsteuerpauschale, ein Mittel, das jedoch als Produktionsanreiz wirkt. Ich weiß auch: Nicht alle im Bauernverband waren der Meinung, das so zu machen, wie man es gemacht hat. Aber wenn man dann von Ausgleich für alle redet, muß ich fragen: Für wie dumm halten Sie eigentlich die deutschen Bauern? Bei einer Hilfe über den Umsatz haben doch eindeutig die Klein- und Mittelbetriebe mit wenig Umsatz das Nachsehen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Durch die Quotierung nimmt man ihnen erst den Umsatz und verspricht ihnen dann Hilfe über den Umsatz.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012706300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1012706400
Natürlich. Vizepräsident Westphal: Bitte schön.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1012706500
Lieber Herr Kollege Jan Oostergetelo, wenn Sie genauso wie der Kollege Vogel die 5%ige Erhöhung der Mehrwertsteuer beklagen und meinen, sie würde den kleinen Betrieben schaden und nur den großen Betrieben zugute kommen: Kann ich davon ausgehen, daß Sie bei Ihrem Umsatz in Ihrem Betrieb die erhaltenen 5 % zurückgegeben oder einer caritativen Einrichtung zur Verfügung gestellt haben?

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Das ist eine Sauerei!)


Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1012706600
Also, Herr Kollege, diese Frage ist viel zu ernst, als daß ich dies so hinnehmen könnte.

(Dr. Vogel [SPD]: Schändlich!) Jetzt zwingen Sie mich, zu sagen:

Erstens. Es ist auch dann meine Pflicht, wenn ich zu den Gesegneten gehöre, mich für den einzusetzen, der im Graben liegt.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Habe ich etwa meinen Vorredner nach seiner Quote oder meinen Nachredner nach seinen Höfen gefragt?
Drittens. Es waren genau die Holsteiner, die die Schere noch öffnen wollten. Sie wollten 1,5 und 2,5 beim Geflügel. Sie wollten Industriebetriebe bei einem Umsatz von 1,6 Millionen DM mit 5 % fördern. Wenn es die Sozialdemokraten nicht gegeben hätte, hätten Sie zugestimmt. Wie können Sie das hier sagen?

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ist doch Quatsch!)

Die Quotierung wurde am 6. Juni — das ist die Wahrheit, das bitte ich im Protokoll nachzulesen — von der Koalition, vertreten von Herrn Susset, eingebracht. „Regierungsentwurf" stand über diesem Schwindel, als es darum ging, nach oben zu öffnen.

(Susset [CDU/CSU]: Das haben wir geändert!)

Freunde, laßt mich noch zur Quotierung sagen: Die Quotierung nützt zwar Holland und England, aber im Hinblick auf Deutschland mit durchschnittlich 15,8 Kühen muß man fragen: Herr Minister, von wem haben Sie eigentlich „Schaden abgewendet" und wessen „Nutzen gemehrt"? Mit der Festlegung auf die einzelbetriebliche Quote und mit der Härtefallregelung haben Sie das schlechteste aller möglichen Modelle gewählt. Inzwischen wissen alle Bauern, daß sie als einzige in der EG Strafabgaben entrichten müssen, auch dann, wenn national die Quote nicht überschritten wird. Dieser PyrrhusSieg von Brüssel aus dem letzten Jahr kann für den deutschen Landwirtschaftsminister noch zum Waterloo werden.
Auch in anderer Hinsicht ist der Minister noch nicht über den Berg: bei der Milchkontingentierung. Inzwischen gibt es 20 Verfassungsklagen, 20 000 Klagen bei den Verwaltungsgerichten. Es wird höchste Zeit, daß die Rechtsunsicherheit aufhört. Diese ist unerträglich. Wenn wir als Ökonomen hier miteinander diskutieren, sollte es doch keinen Zweifel unter uns geben. Es muß Schluß sein mit dem Fallbeil der Quotierung über der Existenz vieler Familien. Es ist bezeichnend, daß die CDU als Härtefälle nur solche anerkennt, in denen es um die Absicherung investierten Geldes geht.

(Hornung [CDU/CSU]: Jeder weiß, daß die Mengenbegrenzung die einzige Chance war!)

Im Basisjahr gibt es für Betriebe, wenn die Betriebsleiter gestorben sind und keine Milch hatten, keine Anerkennung als Härtefall. Wenn der jetzige Betriebsleiter damals in Ausbildung war, ist das ebenfalls kein Härtefall. Auch bei schwerer Krankheit gibt es nicht die Anerkennung als Härtefall. Ich könnte jetzt eine ganze Palette existenzieller Notlagen aufführen. Es geht auch um solche, die in Feuchtwiesen zum verkehrten Zeitpunkt investiert



Oostergetelo
haben und die Sie jetzt kaputtmachen, trotz der Investitionen.
Meine Damen und Herren, es wird höchste Zeit. Seien Sie bereit, Herr Minister, über die bessere Idee, die Mitverantwortungsabgabe, nachzudenken! Entleihen Sie dies bei uns ruhig, wir würden Ihnen den Ideenklau gern nachsehen. Es war immer unser gemeinsames Anliegen, Herr Minister, daß die bäuerliche Struktur der Landwirtschaft erhalten bleibt.

(Hornung [CDU/CSU]: Sie haben sie doch kaputtgemacht!)

Ich unterstelle Ihnen nicht, daß eine Politik der Existenzvernichtung in Ihrer Absicht lag, aber lassen Sie sich sagen: Faktisch, Herr Minister, wird sie derzeit betrieben.
Danke schön.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012706700
Das Wort hat der Abgeordnete von Heereman.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012706800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen, die hier heute morgen klargemacht haben, wie verhängnisvoll sich die Einkommensentwicklung innerhalb der Landwirtschaft in der Bundesrepublik darstellt — das geht auch aus dem Agrarbericht hervor —, komme ich nicht umhin, doch Überlegungen anzustellen, ob es nicht sinnvoll ist, mit mehr sachlicher Auseinandersetzung und Diskussion an Dinge zugunsten der Bauern heranzugehen, als hier Gefechte zu führen, die uns überhaupt nicht weiterbringen, die auch zu Verdrehungen führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe mich eigentlich sehr gewundert, verehrter Herr Kollege Dr. Vogel, daß Sie zunächst so bei den allgemeinen wirtschaftlichen Dingen eingestiegen sind. Fest steht doch, daß wir wesentliche Verbesserungen haben. Das Zurückführen der Inflationsrate bringt pro Punkt 8 Milliarden DM mehr Kaufkraft, die u. a. auch der Landwirtschaft zugute kommen. Da müssen Sie doch bitte einmal sehen, daß wir 1980 5,5 %, 1981 6,1 % hatten und jetzt 2,6 % haben.
Ich bin auch der Meinung, daß man dann nicht so in einem Rundumschlag einem sich sehr bemühenden Landwirtschaftsminister unterstellen sollte, er mache eine falsche Politik und faktisch auch eine Politik gegen die Bauern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012706900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller (Schweinfurt)?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012707000
Darf ich diesen Satz und diesen Gedanken noch zu Ende führen.
Ich möchte Ihnen dann vor Augen halten, was Ihr Fraktionskollege, der frühere Bundeskanzler, auf einer Vortragstagung vor wenigen Tagen gesagt hat. Ich darf nur einen kurzen Satz zitieren aus der „Frankfurter Allgemeinen", die die Situation beschreibt:
Ein Zucken geht über die Gesichter einiger Zuhörer, als der Redner
— gemeint ist der ehemalige Bundeskanzler Schmidt —
darauf hinweist, daß Stoltenberg an der hohen Arbeitslosigkeit ebensowenig schuld sei wie zuvor die von ihm geführte Regierung. Dies sei das Ergebnis einer Weltkrise.
Hier sehen wir doch, daß wir vielleicht ehrlicher diskutieren sollten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012707100
Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller (Schweinfurt)?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012707200
Bitte sehr.

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID1012707300
Herr Kollege von Heereman, könnten Sie mir bitte sagen, wo bei einer Inflationsrate von über 2% und einer negativen Einkommensentwicklung das Plus für die Landwirtschaft ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012707400
Das Plus ist immer da, Herr Kollege Müller. Wenn Sie eine Inflationsrate von 6% oder 6,5% haben und sie auf 21)/0 absenken — Sie kennen meine Aussagen von früher —, dann haben Sie eine wesentliche Verbesserung.

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Ist doch minus!)

Daß die Einkommenssituation allgemein schlecht ist, wird überhaupt nicht bestritten. Nur daß Sie auch so etwas als negativ hinstellen, ist doch eine Verdrehung der Tatsachen, die ich hier dargestellt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012707500
Herr Abgeordneter, es gibt noch jemanden, der eine Zwischenfrage stellen möchte. Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012707600
Bitte schön, Herr Kollege.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1012707700
Herr Kollege Heereman, sind Sie es den Bauern nicht schuldig, bei der Situation, in der sie stehen, hier jetzt nicht Bagatellreden zu halten, die das verschleiern sollen, was die Bauern in ihren Verbänden draußen mitbekommen,

(Zurufe von der CDU/CSU)

und sind Sie nicht bereit, sich endlich zu entscheiden, ob Sie diese Politik der CDU im Agrarbereich mitvertreten oder der Präsident des Verbandes sein wollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012707800
Herr Oostergetelo, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich hier als Mitglied dieses Hohen Hauses auf das eingehe, was vorgetragen und zum



Freiherr Heereman von Zuydtwyck
Teil vorgelesen wird, und daß ich hier aus meiner Sachkenntnis heraus Diskussionsbeiträge leiste.
Aber da ich bei Ihnen gerade bin: Was Sie hier wieder an Verdrehungen vorgetragen haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

bis hin zu der Frage mit den 330 Vieheinheiten, das gibt mir Anlaß zu der Frage: Wer hat das denn geändert? Das haben doch die Koalitionsfraktionen geändert!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Wer hat denn überhaupt erstmalig eine Begrenzung eingeführt, damit wir — und ich weiß, worüber ich spreche — überhaupt einmal Grenzen haben?

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wer hat das denn gemacht? Sie können doch hier die Dinge nicht verdrehen!
Wenn Sie von Ihrer gestaffelten Mitverantwortungsabgabe reden, sagen Sie doch bitte einmal, was Sie wollen! In Ihre Entschließung schreiben Sie hinein, daß die Milchkontingentierung abgeschafft werden soll, und dann setzen Sie sich für eine EG- einheitliche Anwendung der Regelungen auf dem Milchmarkt ein. Was heißt das denn? Sagen Sie doch bitte auch dazu, was Sie im Wochenblatt Baden-Württemberg geschrieben haben, daß Sie für die ersten 20 Kühe einen 5 %igen Abzug wollen. Diese Belastung ist wesentlich höher als das,

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

was jetzt durch die Garantiemengenordnung geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das sind 5% Preissenkung!)

Wenn Sie glauben, daß hier nicht sachlich diskutiert wird, Sie aber etwas verdrehen wollen, müssen Sie auch — dieser Meinung bin ich schon — diese Antwort bekommen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012707900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012708000
Nein, danke. Ich glaube, das erübrigt sich, da der verehrte Herr Kollege überhaupt nicht willens und bereit ist, sachlich und fundiert zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Ursachen der aufgezeigten Entwicklung liegen — das ist klar genug gesagt worden — in den verschlechterten Rahmenbedingungen und in der zunehmend restriktiveren Agrarpreispolitik. Auch hier weiß ich ja, worüber ich spreche. Wie schwer war es doch in den früheren Jahren, überhaupt Preisverbesserungen durchzusetzen! Ich weiß doch, wie schwer es der Ernährungsminister Ertl seinerzeit gehabt hat, etwas durchzusetzen. Ich habe doch diese Verhandlungen miterlebt, und ich weiß, wie der Grenzausgleich abgezogen werden mußte und nicht ausgeglichen wurde, was u. a. zu dieser Einkommenssituation geführt hat.
Sie haben also die Rahmenbedingungen sich ständig verschlechtern lassen. Hinzu kommt die allgemeine Entwicklung, daß auch keine alternativen Arbeitsplätze da waren. Der wachsende Produktionsdruck, der entstand, war doch die Folge einer unzulänglichen Preisanhebung und führte zu niedrigen Realeinkommen und zu einer wachsenden Zahl von existenzgefährdeten Betrieben.
Da ist doch nicht scheinheilige Auseinandersetzung gefordert, sondern da ist doch gefordert — der Kollege Bayha hat darauf hingewiesen —, daß wir uns endlich mit kurzfristigen und mit mittel- und langfristigen Programmen auseinandersetzen, wozu wir doch Reformen brauchen.
Ich muß noch einmal Sie, Herr Kollege Vogel, ansprechen. Wir widersetzen uns ja Reformen überhaupt nicht. Ihre Alternativvorschläge besagen, Sie wollten weniger Planung und weniger Administration, aber wenn Sie dann auch wieder zur gestaffelten Mitverantwortungsabgabe kommen, bedeutet das auch Administration. Wenn keine Lösung gefunden worden wäre, wäre ja überhaupt kein Einstieg vorgenommen worden.
Ich bin schon der Meinung, daß es notwendig ist, daß wir mehr Konsens herstellen,

(Zuruf von der SPD: Aber so nicht!) und das dürfte doch wohl möglich sein.


(Dr. Vogel [SPD]: Dann muß sich der Präsident des Verbandes gut überlegen, was er hier sagt! — Gegenruf von der CDU/CSU: Keine Drohungen!)

— Ich brauche mir nicht zu überlegen, was ich sage; ich weiß, was ich sage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben, wie einige Redner, kritisiert, daß manche hier anders reden als draußen. Ich sage das gleiche. Preiserhöhungen in Brüssel sind dringend notwendig. Dazu hätten Ihre verehrten Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament auch mal ein mutiges Wort sagen und mitstimmen sollen.

(Dr. Vogel [SPD]: Dazu gehört auch Ihr Finanzminister!)

— Dazu komme ich. Selbstverständlich muß auch die Finanzierung — da ist die Bundesregierung gefordert — für dieses Haushaltsjahr schnellstens sichergestellt werden.

(Roth [SPD]: Wie hoch soll denn die Mehrwertsteuerquote noch werden?)

Das ist dringend notwendig und wird auch finanziert. — Ich glaube, Herr Kollege Roth, wir können und brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, wer mit Geld fertigwerden kann und wer nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

Das hat doch wohl diese Bundesregierung bewiesen, daß sie das kann.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)




Freiherr Heereman von Zuydtwyck
— Ich weiß, daß Ihnen das unangenehm ist. Aber Einschnitte sind notwendig gewesen, genauso wie in der Agrarpolitik.
Ich will hier keine Schuldzuweisungen vornehmen; es bringt uns nicht weiter.
Nur eins muß ich hier doch sagen: Wenn wir Programme entwickeln, sollten wir das sinnvoller tun. Wenn wir über Umweltschutz sprechen, haben Sie uns j a mit dabei. Unsere Entschließung sagt Ihnen ja, was die Koalitionsfraktionen tun wollen, weil es dringend notwendig ist, daß Änderungen erfolgen. Ich bin der Meinung, daß die Agrarpolitik kurz und mittelfristig zweierlei tun muß: Der Einkommensdruck muß weg. Die Hoffnungslosigkeit muß aus den Betrieben heraus. Dazu muß kurzfristig preispolitisch etwas gemacht werden, und da unterstützen wir den Bundesminister voll bei seinen Verhandlungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auf der anderen Seite müssen wir uns darüber im klaren sein, daß für benachteiligte Gebiete und Regionen Ausgleichszahlungen kommen müssen. Das, was unter anderem der Berufsstand seit vielen Jahren gefordert hat, die Ausgleichszulage zu erhöhen und zu erweitern, ist ja bereits geschehen. Das ist ein Beschluß und ein Einstieg in eine Politik, der dringend notwendig war. Nicht über Einkommensausgleich reden, sondern Einkommensausgleich zahlen ist für mich handfeste und greifbare Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sicherlich können wir uns über mögliche Entlastung unterhalten. Die Flächenextensivierung vor allem in Landschaftsschutzgebieten ist angesprochen worden. Hier haben wir schon eine Menge vorliegen. Aber solche Maßnahmen sind nur gegen ausreichende Entschädigungen möglich und durchzuführen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012708100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012708200
Bitte sehr.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1012708300
Herr Kollege, ich habe eine kleine Frage, die sich auf die Anwesenheit der Bundesregierung bezieht. Wir sind uns einig, daß Ihr Weg über die Preispolitik oder unser Weg über die direkten Einkommensübertragungen jedenfalls erhebliche finanzielle Folgen hätte, egal, welchen Weg man wählt. Halten Sie es für angemessen, daß der Bundesminister der Finanzen und seine vier Staatssekretäre — alle fünf also — in dieser finanz- und haushaltspolitisch so dramatischen Debatte durch Abwesenheit glänzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1012708400
Herr Kollege Roth, das kann ich nicht beurteilen. Für mich deckt, was die Kompetenz und den Sach-
und Fachverstand angeht, der zuständige Ressortminister das alles mit ab.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

Im übrigen sollten wir nicht versuchen, mit solchen Sachen die Dinge interessanter zu gestalten. Das bringt uns nicht weiter.
Eine Agrarpolitik, die bäuerliche Struktur erhalten will, muß alle Möglichkeiten nutzen, um Familieneinkommen zu verbessern. — Nicht nur Preispolitik, verehrter Herr Kollege Roth, sondern dort, wo es möglich ist, auch direkte Einkommensübertragung.
Und bitte, nehmen Sie doch zur Kenntnis: Hier ist etwas geschehen. Hier ist schon etwas gemacht worden. Nur, jetzt müssen die Änderungen auch geradlinig durchgezogen werden. Ich hätte schon die Bitte, daß wir uns etwas mehr, als es auch heute morgen hier geschehen ist, auf diese Gemeinsamkeit besinnen. Denn es geht hier um die Bauern. Es geht um die Bauern, die es endlich leid sind, daß man nur über sie redet — und das überall. Sie brauchen Hilfe. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben das über den Entschließungsantrag und über die Erklärung kundgetan.
Der Bundesminister hat die Erklärung abgegeben, was jetzt geschehen muß. Ich bin der Meinung, daß wir dann mehr Gemeinsamkeiten haben werden, als man hier überhaupt — den Eindruck habe ich — zur Kenntnis nehmen will. Man sollte das mehr zur Kenntnis nehmen. Wir sind nicht in einer Sackgasse. Wir sind auch nicht so verwegen, zu glauben, daß wir, womöglich mit der Rückkehr zu Hammer und Sichel in ein vorindustrielles Zeitalter, nur auf einmal eine neue Landwirtschaft entwickeln können. Wir müssen schon eine moderne, umweltbewußte Landwirtschaft haben, aber bitte keine Hysterie!
Ich war sehr froh, daß heute morgen auch die Kollegin Vollmer die Dinge hier nicht so hysterisch dargestellt hat, obwohl Ihr Einstieg, sehr verehrte Frau Kollegin, sicherlich einige Anmerkungen notwendig machen würde. Nur, Sie haben gesagt, daß Sie wahrscheinlich heute das letztemal hier gesprochen haben, und ich möchte Ihnen die Rückkehr aus der Arbeit hier nicht erschweren.

(Roth [SPD]: Den Abschied leichter machen!)

Meine Damen und Herren, also mehr Verständnis und endlich Hilfe für die Bauern! Das wird uns weiterbringen, und dazu sind heute gute Vorschläge gemacht worden — bis hin, wie ich nochmals sagen muß, zum Abbau von Emissionen und Umweltschädigungen. Die Fragen des Waldes sind hier angesprochen worden. Die Gutachten lagen übrigens schon vor zehn Jahren vor. Das muß ich Ihnen, Herr Kollege Kißlinger, sagen.

(Zurufe von der SPD)

Die Gutachten lagen schon vor zehn Jahren vor; Sie hätten nur Ihre schwedischen Kollegen zu fragen brauchen. Die hätten Ihnen schon damals ein Gutachten über acid rain und über Versauerung vorle-



Freiherr Heereman von Zuydtwyck
gen können. Nur, das ist nicht ernst genug genommen worden, und was 1972 und 1976 in den Vereinigten Staaten und in Japan möglich war, haben wir nicht gemacht. Nur — ich wiederhole mich bitte keine weiteren Schuldzuweisungen! Lassen Sie uns gemeinsam sehen, das Los der Bauern zu verbessern!
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012708500
Das Wort hat der Abgeordnete Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1012708600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht im einzelnen auf die Vorrede eingehen. Dazu ist nämlich im vorhinein schon einiges gesagt worden. Mir geht es darum, daß wir auf die Dinge zu sprechen kommen, die nicht erwähnt worden sind.
So bedaure ich es, daß in der Rede des Ministers kaum ein Satz über Strukturpolitik vorkam und in den ganzen Diskussionen und Beiträgen auch kein Satz zu des Ministers liebstem Kind, dem Agrarkredit. Und das wird doch seinen Grund haben. Denn mit dem bisherigen Ergebnis ist kein Blumentopf zu gewinnen. Nur 60 % der Mittel wurden ausgeschöpft, nur 30 % der Anträge kommen aus benachteiligten Gebieten, und es kann sich bei ihnen nur um Betriebe handeln, die, möglicherweise über eine Härteregelung, gesundgefördert worden sind. Das ist ja auch klar. Die, denen geholfen werden müßte, sind gar nicht in der Lage, solche Kredite aufzunehmen. Wenn einem das Wasser bis zum Hals oder gar bis zum Munde steht, kann man nicht noch mehr Kredite aufnehmen, auch wenn sie verbilligt sind. Denn jeder Kredit mehr wird die Katastrophe vergrößern. Es ist ja auch bezeichnend, daß die Betriebsgrößen, auch wenn sie nicht unbedingt für den Betriebserfolg maßgebend sind, bei den geförderten Betrieben durchschnittlich höher sind als beim einzelbetrieblichen Förderungsprogramm. Sie übersteigt sie um 6 %. Das ist doch sehr bezeichnend.
Außerdem wird behauptet, man hätte auf eine Förderschwelle verzichtet. Lesen Sie sich die Richtlinien doch einmal durch. Ich habe mir sie von der Kammer Kreuznach und der Kammer Rheinland geben lassen. Darin ist ganz eindeutig von einer Bonitätsprüfung, einem Betriebsentwicklungsplan die Rede. Darin steht eindeutig, daß die Betriebe nicht überlastet werden dürfen, daß also dann, wenn ihr Einkommen nicht ausreicht, eine bestimmte Schwelle nicht erreicht, der Kredit zu versagen ist. Was ist das anderes als eine Förderschwelle? Die Förderschwelle besteht also weiter.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Früher waren es doch zwei Schwellen!)

Was wird übrigens aus einem Programm für Junglandwirte in dieser Beziehung? Hier müßte, wie ich glaube, einiges getan werden. Darüber werden wir nachdenken müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben ja in der Opposition noch Zeit dazu! — Viele Jahre!)

Ich komme zu einem anderen Punkt, der im Rahmen der Beratung über einen Agrarbericht auch anzusprechen ist, nämlich zum ländlichen Raum. Herr Kiechle hat gesagt, auf Grund der Arbeitslosigkeit wäre es unverantwortlich, die Landwirte direkt oder indirekt von ihren Höfen zu verdrängen. Einverstanden!
Herr Susset sagte 1981: „Man kann auch nicht fordern, daß diejenigen, die in der Landwirtschaft heute nicht das entsprechende Einkommen erzielen, einfach heraus sollen. Die Arbeitsplätze sind nicht da." — Ähnlich sagt es Herr Sauter: „Wir verwahren uns gegen eine passive Sanierung dieser Gebiete. Im Mittelpunkt unserer Strukturpolitik steht der Mensch, der in dieser Region lebt und arbeitet."
Das sind wunderbare Sätze. Was aber sind die Fakten? Diese sehen so aus: Rückzug von Bundesbehörden aus der Fläche, 2,6 Millionen Arbeitslose. Herr Paintner, es sind doch nicht 500 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Sie haben doch noch gar nicht bilanziert. Die Zahl der Arbeitsplätze, die verlorengingen, übersteigt die Zahl derjenigen Arbeitsplätze, die dann wieder ersetzt wurden, bei weitem. Sonst hätten wir im ländlichen Raum doch nicht die hohe Arbeitslosigkeit.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das war zu Ihrer Zeit!)

— Nein! Entschuldigen Sie vielmals — die Strekkenstillegungen grassieren, der Bund zieht sich im Bereich von Bundespost und Bundesbahn aus der Fläche zurück. Das haben wir hier immer beklagt. Auch Sie haben uns das damals vorgeworfen. Heute aber wird es durchgeführt. Wo bleibt denn der Protest?

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Habt ihr das damals nicht durchgeführt? Das wäre ja etwas ganz Neues!)

Bei der Bundesbahn zahlen die Länder und die Gemeinden die Zeche. Die Fahrpreise für den Schienenersatzverkehr sind höher als die für die Bundesbahn, obwohl die Kosten für die Strecken nicht mehr dem Betreiber angelastet werden. Die Gemeinden müssen zahlen. Es müssen neue Straßen gebaut, Straßen erweitert und Haltebuchten eingerichtet werden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Seien Sie ganz still. — Das ist eine Sanierung auf Kosten der Schwachen.
Was bedeutet das? Der Individualverkehr weitet sich aus. Der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche geht kaputt.
Was die Situation der Milcherzeuger in Problemgebieten betrifft, so kann man nur von einer kalten Enteignung sprechen. Das muß ganz klar gesagt werden. Diese Leute haben auf ihrer Fläche keine



Immer (Altenkirchen)

Chance mehr, weil sie weder Schweine produzieren noch in die Ackerproduktion einsteigen können und die Milch eben nicht mehr erzeugen dürfen. Sie können ihre Fläche also nicht mehr eigentumsgemäß nutzen. Was ist das anderes als Enteignung?
Ich fasse zusammen, und zwar mit einem Zitat von dem jetzigen Staatssekretär im Ministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Er sagte — allerdings 1976 —:
Die Raumordnungspolitik der Bundesregierung tritt auf der Stelle. Sie gleicht dem Versuch einer Schildkröte, sich im Stabhochsprung zu üben.
Wie wahr, wie wahr, aber nicht 1976, sondern heute. Es wurden hehre Grundsätze der Raumordnungspolitik vom Kabinett beschlossen, aber es wird nichts getan. Die Abstimmung findet nicht statt.
Erstens. Der Entlastungsangriff der Koalition zur Beschwichtigung der Bauern ist gescheitert. Die Schüsse gingen ins Leere; einige Rohrkrepierer, um nicht zu sagen: Eigentore waren dabei, Herr Eigen, so z. B. das Agrarkreditprogramm, das denen nicht hilft, die bis zum Hals in Schulden stecken. Wie wäre es, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht in begrenztem Maße in Härtefällen Umschuldungsdarlehen geben könnte? Das ist ein ernsthafter Vorschlag, den ich zu bedenken bitte.
Zweitens. Eine Neukonzeption der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist dringend erforderlich.
Drittens. Beide Gemeinschaftsaufgaben müssen angesichts der zum Teil hoffnungslosen Situation in den ländlichen bzw. peripheren Problemgebieten und insbesondere auch in Teilen des Zonenrandgebietes stärker aufeinander abgestimmt werden.
Viertens. Der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche muß, wie ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion es fordert, endlich in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, das auf die einzelne Region bezogen ist. Das Suppenkasperprinzip, nämlich Stillegung durch Auszehrung — am siebten Tage war sie tot, die Strecke —, wird auch von der Post praktiziert. Dem muß gegengesteuert werden.
Fünftens. Die von der Bundesregierung geförderte, zumindest geduldete Passivsanierung muß gestoppt werden.
Sechstens. Die längst überfällige Abstimmung der Bundesressorts über die Kompetenzen in Fragen der raumbedeutsamen Wirtschafts-, Verkehrs-und Umweltpolitik muß schnell zu Ende gebracht werden und endlich zu Taten führen. Denn in zwei Jahren ist bei Ihnen alles vorbei. Ich hoffe, daß Sie bis dahin noch einiges tun; es wird allmählich Zeit.
Siebtens. Ohne ein wirksames Beschäftigungsprogramm wie das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt", das die SPD vorgeschlagen hat, hat der ländliche Raum nach meiner Meinung — dies zeigen auch die Statistiken — keine Chance, zu überleben, haben die Menschen keine Chance, in ihrer Heimat zu bleiben. Wir möchten nicht gerne, daß es eine neue Art von Heimatvertriebenen gibt, die den ländlichen Raum aus wirtschaftlichen Gründen allenthalben verlassen müssen. Wir wollen, daß diese Menschen dort wohnen bleiben können, wo zu wohnen sie ein Recht haben. Darum brauchen sie eben nicht mobil zu werden. Vielmehr müssen wir alles tun, damit sie dort arbeiten, zur Schule gehen, ihre Bildung erfahren und ihre Landwirtschaft betreiben können.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Was habt ihr denn früher getan? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Dazu sollten Sie beitragen.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Späte Erkenntnis! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— „Späte Erkenntnis"? Dann lesen Sie die Reden nach, die ich in diesem Hohen Hause gehalten habe. Da werden Sie die Widersprüche nicht finden, die wir bei Herrn Kiechle, Herrn Sauter, Herrn Susset und anderen finden.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Ihr habt geredet, aber nicht gewirkt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012708700
Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID1012708800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Höflichkeit gebietet es, daß ich mich für alle Diskussionsbeiträge, die in dieser Debatte geleistet worden sind, bedanke. Wenn ich allerdings an die Diskussionsbeiträge der Opposition denke, fällt mir ein Wort von Matthias Claudius ein, das er vor rund 200 Jahren gesagt hat. Er meinte damals schon: Früher wußten die Menschen mehr, als sie schrieben. Heute schreiben sie mehr, als sie wissen. Ich kann nur hinzufügen: Das, was hier geredet wurde, ohne daß etwas gesagt wurde, deutet darauf hin, daß nicht einmal mehr das Wissen über das Nichtssagen vorhanden ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Es ist ein wahrer Jammer was hier in einer solchen Debatte geboten worden ist — und das immerhin in einer ernsten Zeit. Ich will Ihnen gleich ein paar Beispiele nennen. Denn es war starker Tobak, was hier heute gesagt wurde. Auch das steht für die künftigen Jahre im Protokoll, meine Damen und Herren.
Erstens. Der Vorsitzende der Fraktion der SPD hat sich bemüht, selbst hierherzukommen — was ich sehr begrüße —, um an der Agrardebatte teilzunehmen, um in ihr zu reden. Nur, das, was Sie, sehr verehrter Herr Vogel, gesagt haben, hat Ihnen kein Fachmann aufgeschrieben. Das möchte ich Ihnen schon sagen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Hätten Sie etwas anderes erwartet?)

Sie haben hier von den Überschüssen gesprochen
und darauf hingewiesen, daß ich einmal gesagt hät-



Bundesminister Kiechle
te, wegen der Überschüsse sollte man nicht soviel Wind machen. Damals hatten wir in ganz Europa 330 000 Tonnen Butter und 170 000 Tonnen Magermilchpulver auf Lager. Ich habe mich jetzt mit anderen Mengen herumzuschlagen.
Zweitens. Sie haben lang und breit darauf hingewiesen, daß den Bauern jetzt hohe Subventionen gezahlt werden müßten, daß es bessere Wege gebe usw. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Auch die Verbraucher haben, wenn auch in diesem Fall zu Lasten der Bauern, profitiert.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sie haben jetzt nämlich im Jahr, bezogen auf die derzeit geltenden Preise, die selbstverständlich auch unter dem Druck der Mengen zustande gekommen sind, eine Entlastung von rund 2 Milliarden DM. Das müßte man dann der Überbrückungshilfe gegenrechnen, wenn man hier seriös argumentieren will.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Drittens. Sie haben gesagt, ich machte in Brüssel Preisvorschläge, die finanziell in keiner Weise gedeckt seien, weil unser Finanzminister hier den Bremser spiele, und das sei ein Widerspruch in sich. Ich bin mir schon darüber im klaren, daß seriöse Politik machen auch über Geld reden heißt. Ich weise Sie allerdings — das konnten Sie vielleicht nicht wissen — darauf hin — vielleicht nehmen Sie es dann jetzt zur Kenntnis —, daß die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, für 1985 einen Haushaltsvoranschlag vorgelegt hat, in dem sie die ECU so bewertet, als ob sie, umgerechnet in D-Mark, im Verhältnis zum Dollar 2,80 DM wert sei. In Wirklichkeit haben wir eine echte Relation von 1$ : 3,40 DM. Damit hat sie sich eine stille Reserve von rd. 1 Milliarde ECU in diesem Haushalt geschaffen. Mit dieser Milliarde ECU läßt sich wohl noch eine Preisanhebung in der Größenordnung für das laufende Jahr — —

(Dr. Vogel [SPD]: Wissen Sie, wie der Dollar morgen steht?)

— Na; ich weiß auf jeden Fall, daß er im Jahr 1985 nicht auf 2,80 DM zurückgehen wird. Das läßt sich jedenfalls mit größerer Sicherheit annehmen als Ihre Unterstellung, daß kein Geld da sei.

(Dr. Vogel [SPD]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Jedenfalls ist mit dieser stillen Reserve eine gewisse Preisanhebung zu vertreten.
Was wir hier überhaupt insgesamt gehört haben, ist natürlich der alte Streit. Wir können ihn offensichtlich nicht austragen. Sie kleiden ihn heute in viele Gemälde und Bilder. Der eine sagt: Zu Lasten der Agrarproduktion muß ein Marktgleichgewicht über Preise hergestellt werden. Das versteckt sich auch in dem Antrag, den Sie hier stellen: Mehr Markt usw. Die Sprüche kenne ich alle. Das klingt prima. Da klatschen die meisten. Keiner weiß, was gemeint ist. Ich weiß es.

(Lachen bei der SPD)

Von den Vertretern dieser Richtung wird gesagt: Wir müssen die Preise senken, dürfen sie auf alle Fälle nicht erhöhen, müssen sie eher senken; dann ergibt sich am Markt von selbst ein Gleichgewicht. Schön. Dieses Konzept kann man vertreten. Vertreten Sie es bitte im Klartext!
Ich vertrete ein anderes Konzept, und die Bundesregierung mit mir. Deswegen braucht der Finanzminister nicht da zu sein, weil wir j a nicht mit zwei Zungen reden. Ich kann für ihn in diesem Fall mitreden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich vertrete das Konzept, wir müssen unseren Bauern, vor allem den kleinen und mittleren und denen in schlechten Regionen, weil sie dort unter ungünstigen Voraussetzungen produzieren, die Preise sichern und erhalten und eher möglich machen, daß sie steigen, und müssen dafür das ständige Wachstum der Mengen bremsen. Dies ist allerdings in einem Zeitpunkt, in dem man so hohe Überschüsse vorfindet, wie wir sie jetzt haben, ein schwieriges Geschäft. Das bestreite ich nicht. Sie stoßen jetzt in die Wunden, die da vorhanden sind.

(Abg. Müller [Schweinfurt] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich nehme keine Zwischenfrage an. — Sie stoßen jetzt in diese Wunden, die da auf Grund der Durchführungsmodalitäten usw. vorhanden sind, und tun so, als ob davon die ganze Agrarpolitik abhinge. So ist es bei Gott nicht. Wir haben ja schon die beiden Wege geöffnet: Sozialpolitik einerseits, Förderung benachteiligter Gebiete andererseits, um zusätzlich zur Preispolitik etwas zu tun.
Dann wird hier einfach gesagt, die Quote ist die Quelle allen Übels. Na schön: Die Quote hat ihre Übel. Es war das kleinste aller noch möglichen Übel. Das bestreitet keiner. Nur, ich muß etwas hinzufügen. Wenn wir weiterhin jeden hätten produzieren lassen, wie es ihn freut und wie er kann — das ist j a die Konzeption, die der Herr Oostergetelo in Form einer Pfarreipredigt vorträgt —, dann hätten wir noch mehr Menge; und bei dieser noch größeren Menge sinkt der Preis dann, weil wir ihn nicht mehr über die Marktordnungen halten können. Wer die Marktordnungen kaputtmachen will, muß die Mengen ständig steigen lassen. Das kann der einzelne Landwirt nicht verstehen. Aber das ist an sich das einfachste Konzept, um die Preise kaputtzumachen. Aber dann haben Sie lauter Härtefallgeschädigte, wenn der Milchpreis um 15 Pfennig heruntergeht. Dann brauchen Sie sich nicht mehr über soundso viele Tausende Härtefallgeschädigte zu unterhalten, sondern dann sind es sämtliche Bauern, die Milch produzieren, auch die mit großen Betrieben und möglicherweise, weil sie investiert haben, vielen Schulden.
Das wollte ich Ihnen zu dieser Auseinandersetzung sagen. Die kann keiner ändern. Die muß einfach durchgetragen werden. Am Schluß werden unsere Bauern schon merken,

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Die, die noch übrig sind!)




Bundesminister Kiechle
wer ihnen da etwas vormachen will und wer ihnen nichts vormachen will.
Übrigens, das Gutachten, das der Herr Wimmer nicht finden kann, ist im Jahr 1984 auch dem Ausschuß übersandt worden. Es ist nicht geheim. Es ist in den grün-weißen Heften veröffentlicht. Ich gebe Ihnen die Nummer. Da können Sie es nachlesen. Aber wenn hinter Ihren Ausführungen noch nicht einmal steht, daß Sie wissen, daß es das Gutachten längst gibt und daß es veröffentlicht ist, dann brauche ich mich über die übrigen Punkte auch nicht zu wundern.

(Widerspruch des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

— Das ist genau richtig veröffentlicht. (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Nein!)

— Sie können es beim Hiltrup-Verlag bestellen, wenn Ihnen die paar Mark nicht zu schade sind. Es ist übergeben worden. Also, kommen Sie! Machen Sie hier nicht noch einmal Aussagen, die nicht wahr sind!
Im übrigen möchte ich Ihnen, Herr Dr. Vogel, zu den Ausführungen Ihres großen Spezialisten und Sachverständigen Oostergetelo etwas sagen, nicht zu dem, was er hier gesagt hat — das war es nicht wert —, aber hier ist ein Interview vom 9. März. Ich lese nur ein paar Sätze vor. Erstens hat er gesagt:
Die deutschen Interessen
— in den Brüsseler Verhandlungen, um die geht es —
sind völlig verspielt. Es gibt keine Möglichkeiten, beim Grenzausgleich nachzupokern. In der EG lagern Überschüsse im Wert von 18 Milliarden DM, und wir haben überhaupt keine Chance, mit einer Nullrunde aus den Preisverhandlungen herauszukommen.
Bei der nächsten Frage sagt er:
Wenn ich Landwirtschaftsminister wäre,

(Lachen bei der CDU/CSU)

dann würde ich auf jeden Fall versuchen, bei den Produkten, die am Markt einen Preisspielraum bieten, Erhöhungen herauszuhandeln. Möglichkeiten zu einer Preiserhöhung sehe ich vor allem im Milchbereich.
Also genau in dem Bereich, wo wir die Quotenregelung festgelegt haben, sieht er plötzlich noch Möglichkeiten zur Erhöhung der Preise. Bei der nächsten Frage sagt er:
Sie haben recht. Der Spielraum bei den Preisverhandlungen ist minimal. Er muß trotzdem voll ausgeschöpft werden.
Da haben Sie also drei Aussagen in einem Interview. Dann wissen Sie auch, was seine übrigen Bemerkungen hier letztlich wert waren.
Dann möchte ich — ich habe noch eine Minute — eine Bemerkung zu diesem System von Mengen und Preisen machen. Da gibt es ein ganz einfaches Zitat. Vielleicht kann man sich das merken. Das Zitat stammt nicht von mir, aber ich zitiere es hier:
Zur Überschußbekämpfung senke man die Preise und erhöhe so die Produktion und damit die Überschüsse, da die Bauern den Verlust auszugleichen versuchen. Darauf reagiere man mit weiterem Preisdruck und zwinge die Landwirte, langsam aber sicher entweder zu Tier- und Agrarfabrikanten zu werden oder als Bauer aufzuhören. Eine solche Politik zerstört sowohl die bäuerliche Landwirtschaft als auch Natur und Umwelt.
Ich kann dem nur zustimmen. Nur bin ich nicht bereit, das über die Preise zu machen, wie das ja längst das Evangelium in vielen Debatten ist und wie das auch von Ihnen, Herr Müller, noch vor eineinhalb Jahren beschworen und als Programm vorgesehen wurde. Ich brauche nur nachzulesen, was Ihr Sprecher Arndt bei der Debatte im Europäischen Parlament vorgestern wieder gesagt hat: Herunter mit den Preisen, auf jeden Fall eine Nullrunde, alles andere könne er nicht vertreten. Das ist der Unterschied zwischen den Worten und den Taten. Ich muß ehrlich sagen, ich bin gerne bereit, mich über jede sachliche Aussage, über jeden Vorschlag und natürlich auch über jede Kritik, wenn sie auf Fakten, Daten und Tatsachen beruht, wirklich echt auseinanderzusetzen. Aber über bloßes Geschwätz und bloße Polemik kann man nicht mehr eine Diskussion führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1012708900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Agrarbericht 1985 der Bundesregierung auf den Drucksachen 10/2850 und 10/2851 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. Für die Entschließungsanträge auf den Drucksachen 10/3007 und 10/3008 ist Ausschußüberweisung an dieselben Ausschüsse beantragt worden. Erhebt sich gegen die Überweisungen ein Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 27. März 1985, 13 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.