Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Auf der Ehrentribüne hat Herr Professor Karl Carstens, der fünfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und frühere Präsident dieses Hauses, mit seiner Gattin Platz genommen.
Ich freue mich sehr, Sie, verehrter Herr Professor Carstens, und Ihre verehrte Frau hier begrüßen zu können und damit Gelegenheit zu haben, Ihnen hier an Ihrer früheren Wirkungsstätte namens des Deutschen Bundestages und in meinem eigenen Namen zu Ihrem heutigen 70. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen.
Durch Ihre Anwesenheit auf der Ehrentribüne des Deutschen Bundestages an Ihrem Ehrentag bringen Sie erneut zum Ausdruck, wie sehr Sie sich dem Bundestag verbunden fühlen, dem Sie sieben Jahre angehörten und in dem Sie zweieinhalb Jahre als Bundestagspräsident gewirkt haben.
Wir erinnern uns dankbar dieser Amtszeit, in der Sie vor allem bestrebt waren, die Wirkung der parlamentarischen Arbeit nach außen hin zu verbessern. Die Einführung der Kurzdebatte geht auf Sie zurück. Von Ihnen kam auch der Vorschlag, daß der Deutsche Bundestag einmal einen ganzen Tag über sich selbst debattieren sollte. Diese Anregung ist, wie Sie wissen, in diesem Jahr endlich aufgegriffen worden. Sicher haben Sie die Debatte vom 20. September aufmerksam verfolgt und dabei manches gehört, was sich mit den von Ihnen schon früher gegebenen Anregungen und Vorschlägen deckt.
Mit Ihrem Besuch, sehr verehrter Herr Professor Carstens, bekunden Sie Ihr anhaltendes Interesse am parlamentarischen Geschehen. Ich bin sicher, daß Sie uns auch künftig Ihren Rat, wo immer er gesucht wird, nicht versagen werden.
Ich wünsche Ihnen im Namen des ganzen Hauses für Ihr weiteres Wirken Gesundheit, Kraft und Gottes Segen.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich folgende Mitteilung machen.
Gestern, am 13. Dezember 1984, hat unser langjähriger Kollege, der Abgeordnete Richard Wurbs, aus persönlichen Gründen auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
Richard Wurbs hat dem Deutschen Bundestag vom Beginn der 5. Wahlperiode an ununterbrochen fast 20 Jahre lang angehört. Seit November 1979 war er Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Er hat sich bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen durch seine Fairneß, seine Sachkunde und seine auf Ausgleich zielende Persönlichkeit Anerkennung erworben. Ich selbst habe ihn in meiner kurzen Amtszeit als einen verläßlichen und kollegialen Mann kennengelernt, mit dem ich gerne zusammengearbeitet habe.
Ich bin sicher, daß ich in Ihrer aller Namen spreche, wenn ich dem ausgeschiedenen Kollegen Wurbs für sein Wirken im Deutschen Bundestag unseren Dank ausspreche und ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute wünsche.
Als Nachfolgerin des Abgeordneten Wurbs hat Frau Dr. Segall am 13. Dezember 1984 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße die neue Kollegin sehr herzlich und wünsche gute Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich vor Eintritt in die Tagesordnung noch eine andere Bemerkung anschließen. Wir stehen am Ende von drei anstrengenden Sitzungswochen, von denen eine die Haushaltswoche war, und zugleich am Ende unserer Sitzungen des Jahres 1984. Lassen Sie mich Ihnen Dank sagen für den engagierten und pflichtbewußten Beitrag eines jeden von Ihnen zu der Arbeit, die der Deutsche Bundestag zum Wohle unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu leisten hat. Das war auch in diesem Jahr eine Arbeit, die sich — allen Sorgen und Widrigkeiten zum Trotz — sehen lassen kann.
In meinen Dank möchte ich auch die Mitarbeiter unserer Verwaltung einbeziehen.
8378 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Dezember 1984
Präsident Dr. Jenninger
Ohne ihre über die bloßen Dienstpflichten oft weit hinausgehende Leistungsbereitschaft wäre unsere Arbeit nicht möglich.
Die vor uns liegenden ruhigeren Tage mögen Ihnen allen Erholung, Freude und neue Kräfte bescheren. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien Glück und Gesundheit für das neue Jahr.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt „Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Drucksache 10/2632" erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe den soeben genannten Zusatzpunkt 8 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
— Drucksache 10/2632 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 10/ 2632 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
— Entschuldigung! Ich darf das wiederholen und fragen: Wer ist dagegen? — Zwei Gegenstimmen. Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist bei zwei Gegenstimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten
Die Fraktion der FDP hat den Abgeordneten Dieter Julius Cronenberg vorgeschlagen.
Von Abgeordneten der Fraktion DIE GRÜNEN ist die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher vorgeschlagen worden.
Dazu hat mir die Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher gestern folgendes Schreiben übermittelt:
Sehr geehrter Herr Präsident!
Aus Gründen der Loyalität gegenüber der FDP-
Fraktion vermag ich die von den drei Kolleginnen der GRÜNEN vorgeschlagene Kandidatur
zum Bundestagsvizepräsidenten nicht anzunehmen.
Dafür bitte ich auch die Antragstellerinnen um Verständnis. Dennoch möchte ich den Kolleginnen für ihre Initiative danken.
Sie ist für mich ein Zeichen der Hoffnung, daß es möglich ist, Schritte zur Überwindung der unheilvollen parlamentarischen Polarisierung zu wagen und einander trotz aller Gegensätze den menschlichen Respekt nicht zu versagen.
In diesem Sinne, denke ich, können Vorschlag und Verzicht zur parlamentarischen Stilbildung beitragen.
Hildegard Hamm-Brücher
Meine Damen und Herren, da nach unseren allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen niemand gegen seinen Willen zur Kandidatur gezwungen werden kann, gibt es bisher nur den Vorschlag, den Abgeordneten Dieter Julius Cronenberg zur Wahl zu stellen. Darf ich fragen, ob andere, weitere Vorschläge gemacht werden? — Das ist nicht der Fall.
Ich darf jetzt um Ihre besondere Aufmerksamkeit für die Hinweise zum Wahlverfahren bitten.
Nach § 2 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung werden die Stellvertreter des Präsidenten mit verdeckten Stimmzetteln gewählt, d. h. gemäß § 49 der Geschäftsordnung, es wird geheim gewählt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält.
Meine Damen und Herren, an Stelle des Namensaufrufs soll im Interesse eines zügigen Ablaufs mittels Wahlausweises gewählt werden. Sind Sie damit einverstanden? — Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Der Wahlausweis befindet sich auf Ihren Pulten.
Bevor Sie den Stimmzettel in die hier vorne links und rechts aufgestellten Wahlurnen legen, müssen Sie den Wahlausweis dem Schriftführer an der Wahlurne übergeben. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß allein die Abgabe des Wahlausweises als Nachweis der Teilnahme an der Wahl gilt.
Den für die Wahl gültigen Stimmzettel erhalten Sie von den Schriftführern vor Betreten der hier vorne rechts und links aufgestellten Wahlzellen. Sie dürfen Ihren Stimmzettel nur in der Wahlzelle ankreuzen und müssen ebenfalls noch in der Wahlzelle den Stimmzettel in den Umschlag legen. Die Schriftführer müssen jeden zurückweisen, der seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Falle jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmzetteln sowie Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz, Namen nicht vorgeschlagener Mitglieder des Hauses oder Zusätze enthalten.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Dezember 1984 8379
Präsident Dr. Jenninger
Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. — Haben alle Schriftführer ihre Plätze eingenommen? — Das ist der Fall.
Ich eröffne jetzt die Wahl und bitte, mit der Ausgabe der Stimmzettel zu beginnen.
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimme abgegeben? — Ich bitte, das Verfahren zu beschleunigen.
Meine Damen und Herren, darf ich darauf hinweisen, daß sich alle Schriftführer an der Auszählung beteiligen müssen.
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, die Stimmzettel abgegeben? — Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte noch einmal alle Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, es stellt sich die Frage, ob wir das Ergebnis der Auszählung der Stimmen abwarten. Von den Parlamentarischen Geschäftsführern wird angeregt, die Beratungen wegen der Zeitsituation heute ausnahmsweise fortzusetzen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir während der Auszählung die nächsten Tagesordnungspunkte zur Beratung aufrufen? — Ich sehe, das ist überwiegend der Fall.
Dann darf ich Sie zunächst bitten, Platz zu nehmen.
Ich rufe die Punkte 23 und 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Jens, Rapp , Bachmaier, Curdt, Müller (Schweinfurt), Frau Odendahl, Oostergetelo, Stiegler, Frau Weyel, Dr. Wieczorek, Wolfram (Recklinghausen), Stahl (Kempen), Dr. Kübler, Huonker und der Fraktion der SPD
Förderung von Existenzgründungen — Drucksache 10/2275 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß
Beratung des Antrags der Abgeordneten Uldall, Dr. Faltlhauser, Wissmann, Hauser , Doss, Engelsberger, Hinrichs, Dr. Lippold, Kittelmann, Kraus, Dr. Kronenberg, Dr. Lammert, Landré, Lattmann, Müller (Wadern), Niegel, Dr. Schwörer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Unland, Gerstein, Haungs, Hinsken, Maaß, Ruf, Jung (Lörrach), Dr. Jobst, Eylmann, Schwarz, Frau Fischer, Frau Roitzsch (Quickborn), Dr. Müller, Dr. Hoffacker, Dr. Becker (Frankfurt), Clemens, von Hammerstein, Dr. Götz, Carstensen (Nordstrand), Hornung, Linsmeier, Seesing, Fischer (Hamburg), Dr. Olderog, Dr. Bugl, Magin, Milz, Strube, Rode (Wietzen), Pesch, Dr. Voigt (Northeim), Bühler (Bruchsal), Frau Dr. Wisniewski, Bohl, Wilz, Schartz (Trier),
Schneider , Lintner, Böhm (Melsungen), Stockhausen, Frau Geiger, Nelle, Jagoda, Frau Dempwolf, Dr. Czaja, Herkenrath, Louven, Kolb, Frau Dr. Hellwig, Zink, Freiherr von Schorlemer und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Haussmann, Beckmann, Grünbeck, Gattermann, Dr. Solms, Dr. Weng, Wurbs, Dr.-Ing. Laermann, Cronenberg (Arnsberg) und der Fraktion der FDP
Eigenkapitalhilfeprogramm und Ansparförderprogramm
— Drucksache 10/2549 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Punkte 23 und 24 der Tagesordnung und eine Aussprache von 60 Minuten vorgesehen. — Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wichtigste, was die Regierung Kohl seit der Wende vor zwei Jahren auf wirtschaftspolitischem Gebiet erreicht hat, ist die Wiedergewinnung des Optimismus.
Kein Unternehmer, meine Damen und Herren, wird investieren, wenn er von der Zukunft nicht etwas Positives erwartet. Kein Unternehmer wird neue Mitarbeiter einstellen, wenn sich nicht eine steigende Nachfrage für seine Produkte abzeichnet. Wir spüren laufend, wenn wir uns mit Leuten aus der Wirtschaft unterhalten, daß die düsteren Perspektiven, die von Ihnen gezeichnet werden, von einer zum Teil zögerlichen, zum Teil aber auch deutlich positiven Einschätzung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abgelöst werden.
Die ständige Schwarzmalerei der Opposition paßt überhaupt nicht mehr zu diesem tatsächlichen Bild.
Wir als Regierungskoalition werden uns bemühen, daß dieser erfreuliche Aufwärtstrend weiter gestützt wird. Dieser steigende Optimismus zeigt sich auch in der Zahl von Neugründungen.
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Uldall
Wer die wirtschaftliche Verelendung propagiert wie Sie von der SPD, gründet natürlich kein neues Unternehmen. Die sprunghaft gestiegenen Zahlen der Neugründungen von Unternehmen sind das deutlichste Zeichen, wie positiv die weitere wirtschaftliche Entwicklung tatsächlich eingeschätzt wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak?
Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, daß diese schlüssig vorgetragenen Gedanken den Kollegen überzeugen werden.
Bereits heute fördert der Bund durch eine Reihe von Maßnahmen die Neugründung von Unternehmen im Rahmen des Eigenkapitalhilfeprogramms und im Rahmen des ERP-Programms. Bei diesen Förderungsmaßnahmen fehlt jedoch ein Programm, das sich an die zukünftigen Unternehmer wendet und diese auffordert, sich durch Zielstrebigkeit auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten. Es fehlt ein Programm, das sich wendet an den jungen Handwerker, der nach Abschluß des Meisterlehrganges einen eigenen Betrieb errichten will, an den Verkäufer im Einzelhandel, der nach dem altersbedingten Ausscheiden seines Chefs den Laden übernehmen will, oder auch an den jungen Ingenieur, der sich an dem Unternehmen, in dem er arbeitet, später einmal beteiligen will. Sie alle sollen motiviert werden, sich auf ihr neues Arbeitsgebiet vorzubereiten, die Kontakte zu den künftigen Kunden aufzubauen, die personelle Besetzung zu planen und die Finanzierung ihres Betriebes zu sichern.
Die Sicherung der Finanzierung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen Erfolg der Existenzgründung.
— Das ist völlig richtig, Herr Kollege. Die Finanzierung ist das Wichtigste. Das Verständnis für derartige Fragen geht Ihnen aber leider völlig ab.
Finanzielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Existenzgründung ist vor allen Dingen, daß ausreichend Eigenmittel zur Verfügung stehen. Je mehr Eigenmittel zur Verfügung stehen, desto leichter können anfängliche Rückschläge, können Anfangsschwierigkeiten überwunden werden. Deswegen muß bereits in der Zeit vor der Neugründung die Kapitalbildung gefördert werden.
Ergänzend zu dem bewährten Eigenkapitalhilfeprogramm wollen wir deswegen ein Existenzgründungssparen schaffen, das folgendermaßen ausgestattet sein soll:
Wer über einen Zeitraum von mindestens drei und maximal zehn Jahren Beträge anspart mit dem Ziel einer Unternehmensgründung oder eines Beteiligungserwerbs, der erhält aus staatlichen Mitteln eine Prämie von 20 % auf seinen Sparbetrag. Als Obergrenze für den Sparbetrag haben wir 50 000 DM festgelegt, so daß der Gründer mit der Prämie über insgesamt 60 000 DM verfügen kann. Dieses Verfahren wird einfach und unbürokratisch sein, weil wir nicht wollen, daß sich die jungen Unternehmer mit unnötigen Verwaltungsarbeiten belasten müssen.
Sicherlich ist der Betrag von 60 000 DM bei vielen Unternehmen immer noch nicht ausreichend, aber es ist immerhin fast das Doppelte von dem, was den Unternehmern heute im Durchschnitt zur Verfügung steht, wenn sie einen neuen Betrieb gründen. Vergessen werden darf ja auch nicht, daß zusätzlich zu dem Existenzgründungssparen immer noch die Mittel der Eigenkapitalhilfe zur Verfügung stehen. Wenn man dann zusammen mit einem Kollegen einen Betrieb gründet, so können beide zusammen aus dem Existenzgründungssparen und aus dem Eigenkapitalhilfeprogramm rund 0,5 Millionen DM aufwenden. Das ist dann doch immerhin ein Betrag, der sich durchaus sehen lassen kann. Durch die verbesserte Eigenkapitalausstattung der Unternehmen werden die Betriebe dann in die Lage versetzt, die Anfangsschwierigkeiten aufzufangen. Das Existenzgründungssparen — so wie wir es empfehlen — wird deswegen dazu beitragen, daß die Quote von jungen Unternehmen, die scheitern, reduziert werden wird.
Uns liegt ein Antrag der SPD zu dem gleichen Thema vor. Wir freuen uns über diesen Antrag, denn er legt ein Zeugnis dafür ab, daß es auch in der SPD immer noch tüchtige Leute gibt, die sich für das freie Unternehmertum und für die Belebung der Marktwirtschaft einsetzen.
Was uns aber an diesem Antrag der Sozialdemokraten nicht paßt, ist die Bindung des von Ihnen vorgesehenen Darlehns an die Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch wir wollen, daß mit unserem Programm zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, und wir sind sicher, daß — so wie bisher — jedes Unternehmen nach einer bestimmten Frist auch Arbeitsplätze neu schaffen kann. Aber was wir nicht wollen, Herr Kollege Jens, ist die Verpflichtung für den Unternehmer, in jedem Fall die Arbeitskräfte auch dann zu halten, wenn es von der betriebswirtschaftlichen Lage her nicht mehr zu verantworten ist, und daß er sonst keinen Kredit erhalten würde. Durch eine solche Fessel wird der Unternehmer in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt. Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden. Vielleicht war diese nicht so marktwirtschaftliche
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Uldall
Regelung, Herr Jens, ein Zugeständnis der Marktwirtschaftler Ihrer Fraktion an die anderen Kräfte in Ihrer Fraktion.
Ein verschiedentlich vorgetragenes Argument gegen unseren Plan lautete, daß viele der abgeschlossenen Sparverträge gar nicht zu einer Neugründung führen würden. Um es noch einmal zu sagen: Wenn diese Sparverträge nicht zu einer Neugründung führen, dann gibt es natürlich auch keine Prämie; damit ist ein Mißbrauch eben ausgeschlossen. Wir halten es aber gerade für wünschenswert, daß viele — vor allem junge Menschen — solche Sparverträge abschließen, weil sie sich dadurch mit dem Gedanken vertraut machen, daß für sie auch der Schritt in die Selbständigkeit später ein Berufsziel sein könnte. Eine solche Bereitschaft zur Leistung ziehen wir dem häufig propagierten Zukunftspessimismus vor.
Jede Volkswirtschaft lebt vom Strukturwandel. Überholte Betriebe sterben, neue Betriebe treten an ihre Stelle. In der Bundesrepublik schieden zwar in den vergangenen zwölf Jahren viele Unternehmen aus, aber es fehlten die Neugründungen. Das Existenzgründungssparen wird deswegen einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung der Marktwirtschaft und zur Verbesserung der arbeitsmarktpolitischen Situation leisten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Zeit zu Zeit hat man sogar in der Opposition Erfolgserlebnisse, die bekanntlich jeder Mensch braucht. Ich stelle fest, daß unser Antrag auf Drucksache 10/2275 betreffend Förderung von Existenzgründungen, nachdem entsprechende Mittel im Haushalt jetzt schon zur Verfügung gestellt wurden, offenbar Wirklichkeit wird. Gestern konnten wir in den Zeitungen lesen, daß freie Tankstellen zur Umrüstung auf unverbleites Benzin von dieser Regierung jetzt Investitionsprämien bekommen sollen. Dies wurde natürlich — wie immer — als großer Erfolg dieser Regierung dargestellt.
Tatsache ist jedoch, daß die Anregung dazu von unserer Fraktion ausging, insbesondere von meinem Kollegen Erich Wolfram.
Herr Uldall, wir wollen uns heute aber nicht über
das Erstgeburtsrecht für diesen Antrag streiten.
Unser Antrag ist zumindest vier Wochen eher hier
in den Bundestag eingebracht worden als Ihr Antrag.
Wir wollen auch überhaupt nicht verschweigen, daß unser Antrag weitgehend mit einem Antrag der Klaus-Dieter-Arndt-Stiftung aus dem Frühjahr dieses Jahres identisch ist.
Die CDU/CSU — so scheint es mir wenigstens — stand bei der Formulierung ihres Antrages offensichtlich unter solchem Zeitdruck, daß es nicht einmal für eine Begründung ausgereicht hat. Wir sind im übrigen froh, daß die CDU/CSU ihre wenig hilfreichen Vorschläge aus der Vergangenheit, Existenzgründungen durch sozial völlig ungerechte steuerliche Begünstigungen zu fördern, offenbar zu den Akten gelegt hat.
Unser Antrag geht qualitativ über die Maßnahmen der Koalition hinaus. Er enthält drei Elemente.
Erstens. Wir wollen durch eine Existenzgründungssparhilfe den Aufbau einer soliden Eigenkapitalbasis zur Gründung neuer Unternehmen fördern.
Zweitens. Wir wollen die Investitionen neu gegründeter Unternehmen durch die Gewährung von Bürgschaften unterstützen, wenn dadurch Dauerarbeitsplätze geschaffen werden.
Daß dieses dringend notwendig ist, brauche ich ja wohl nicht immer wieder zu betonen.
— Die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache, Herr Urbaniak.
Drittens. Wir wollen insbesondere Unternehmensgründungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich stützen, indem wir die Ansparförderung für diese Unternehmen verdoppeln.
In den Genuß dieser Fördermaßnahmen sollen Neugründungen in allen Unternehmensbereichen — also im Handwerk, im Handel und auch bei den freien Berufen — kommen. Eine willkürliche Ausgrenzung der freien Berufe, wie dies im Antrag der CDU/CSU vorgesehen ist, halten wir sachlich für völlig ungerechtfertigt.
Als einzigen neuen Gedanken sieht die Koalition in ihrem Antrag offenbar eine Art Vergreisungsprämie vor, indem die bisherige Altersgrenze von 50 Jahren aufgelockert wird. Man soll in Zukunft Darlehen bekommen, die bis zum 70. Lebensjahr zurückgezahlt sein müssen. Aus meiner Sicht ist das ein Musterbeispiel für die Förderung jugendlicher Dynamik und für die Erneuerung der deutschen Wirtschaft, wie Sie sie immer predigen.
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Dr. Jens
Wir glauben dagegen eher, daß die Präferenz der Eigenkapitalhilfe in eine vernünftige Relation zur Existenzgründungshilfe entsprechend unserem Antrag gebracht werden muß. Es läßt sich nicht übersehen, daß die bisherige Gründungsförderung erhebliche Mitnahmeeffekte zur Folge hat und auch dem Leichtsinn bei Unternehmensgründungen Vorschub leistete. Wir hoffen, daß sich die Koalition bei den Beratungen der Anträge unvoreingenommen zeigt und im Interesse der Sache, sprich: der potentiellen Existenzgründer die Vorschläge der SPD- Bundestagsfraktion aufgreift.
Meine Damen und Herren, dies gilt für die Einbeziehung der freien Berufe. Dies gilt ganz besonders für die zusätzliche Bereitstellung von Bürgschaften sowie die verstärkte Förderung von Gründungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich.
Ich höre im übrigen heute schon, wie die CDU im nächsten Jahr hier im Plenum feststellen wird, daß die Zahl der Pleiten zurückgegangen ist. Tatsache ist — das möchte ich noch einmal betonen —, daß die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche in diesem Jahr erneut kräftig angestiegen ist, und zwar — nach Aussage der Creditreform — von 11 845 auf 12 078. Ich glaube, wir müssen in Zukunft auf diesem Feld mehr tun, um Unternehmenszusammenbrüche, wenn sie nicht marktwirtschaftlich gerechtfertigt sind, zu verhindern.
Viele Unternehmen, die zusammengebrochen sind, hätten unsere Hilfe verdient. Ich glaube, die Kreditgarantiegemeinschaften in den Ländern reichen nicht aus. Ich meine, nach sorgfältiger Prüfung durch eine Konkursauffanggesellschaft müßten unter bestimmten marktwirtschaftlichen Kautelen Kredite zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Nicht selten haben in der letzten Zeit private Banken aus ihrer Interessenlage heraus kleine und mittlere Unternehmen in Konkurs getrieben. Dies ist gesamtwirtschaftlich keinesfalls immer eine sinnvolle Lösung. Hier sollten, j a, hier müßten wir gegensteuern.
Die von der Bundesregierung eingeführte steuerliche Begünstigung beim Aufkauf insolvenzgefährdeter Unternehmen ist aus meiner Sicht kein Beitrag zur Erhaltung wettbewerblicher Strukturen. Das Gegenteil ist richtig. Diese Regelung müßte deshalb schnellstens wieder abgeschafft werden.
Ich komme zum Schluß. Wir Sozialdemokraten werden in den kleinen und mittleren Unternehmen immer einen wichtigen Eckpfeiler dieser marktwirtschaftlichen Ordnung sehen. Wir werden ihnen nicht zuviel versprechen, wie es die Koalitionsfraktionen gerne tun. Wir wissen jedoch um die vielfältigen Nachteile der kleinen Unternehmen im Wettbewerbskampf mit den großen. Wir bleiben deshalb auch weiterhin drängende Kraft für eine Marktstruktur, in der kleine, mittlere und große Unternehmen ihren Platz haben.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche diese Debatte, um Ihnen das Ergebnis der Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten bekanntzugeben. Das Protokoll der Schriftführer sagt aus: abgegebene Stimmen 391, davon 381 gültig. Es stimmten mit Ja 277 Mitglieder, mit Nein 84 Mitglieder. Es hat 20 Enthaltungen gegeben, und 10 Stimmen waren ungültig.
Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Cronenberg die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt worden.
Ich frage Sie, Herr Cronenberg, ob Sie die Wahl annehmen.
Ja, Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.
Herr Vizepräsident, dann übermittle ich Ihnen die Glückwünsche des Hauses. Ich darf Sie auch im Namen des Präsidenten aussprechen und meine eigenen Glückwünsche hinzufügen.
Wir fahren in der Aussprache fort. Als nächster hat der Abgeordnete Haussmann das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Existenzgründung steht heute auf der Tagesordnung. Es hätte sicher das Interesse von mehr Kollegen verdient. Ich will es sehr knapp machen.
Ich stimme mit dem Vorredner, dem Kollegen von der CDU, und in diesem Punkt auch mit Herrn Jens überein — es ist schön, daß wir Gemeinsamkeiten haben —: Marktwirtschaft lebt von der Dynamik auch von unten. Wir müssen immer wieder Leute ermuntern, sich selbständig zu machen, nachzuwachsen. Die Arbeitsplätze der Zukunft werden überwiegend in kleinen und mittleren Einheiten zu suchen sein, sagen uns viele Arbeitsmarktforscher voraus.
Der Schwerpunkt unserer Wirtschaftspolitik liegt nicht in der Umverteilung von Arbeit, sondern in der Neuschaffung von Arbeitsplätzen.
Deshalb kommt diesen Aktivitäten zur Verbesserung von neuen Existenzen, Herr Urbaniak, große Bedeutung zu, und deshalb haben wir alle Pläne, zur Verbesserung dieser Existenzgründungen beizutragen, massiv unterstützt.
Die FDP ist auch in der Vergangenheit auf diesem Gebiet am aktivsten gewesen. Wir haben, damals mit den Sozialdemokraten, das Eigenkapitalhilfeprogramm durchgesetzt. Damals gab es ja auch schon eine Diskussion über das Ansparmodell. Ich glaube, es war richtig, daß wir uns damals durchgesetzt haben. Was den Firmen fehlt, ist vor allem Eigenkapitalhilfe. Wir haben dieses Programm 1979
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Dr. Haussmann
ins Leben gerufen. Heute partizipieren bis zu 11 000 Betriebe jährlich daran.
Was etwas problematisch ist und was wir verbessern müssen, ist die Verteilung auf die Bundesländer. Dort fällt leider auf, daß das sozialdemokratische Bundesland Nordrhein-Westfalen, das in der Gründung neuer Existenzen besonders wichtig wäre, in seinem Anteil von 25% im Jahr 1980 auf 17,4% im Jahr 1983 zurückgefallen ist.
Wir werden die Ursachen dafür im politischen Raum suchen müssen, und wir müssen die Diskussion über die Ursachen dafür anläßlich der Großen Anfrage zur Strukturpolitik hier im Deutschen Bundestag vertiefen. Es ist ein dramatisches Absinken in Nordrhein-Westfalen von 25 auf 17 % zu verzeichnen. Wenn man den Bevölkerungsanteil hochrechnet, ist das Mißverhältnis noch negativer.
Wir haben deshalb der Idee von Herrn Wissmann, die auch auf Herrn Pieroth zurückgeht, gern zugestimmt mit der Maßgabe, daß das bewährte Eigenkapitalhilfeprogramm in seiner Ausstattung nicht verschlechtert wird. Wir haben die große Hoffnung, daß der Bundesfinanzminister dieses Programm auch über das Jahr 1987 hinaus unterstützen wird.
Wir halten diese Ansparidee insbesondere für handwerkliche Berufe für besonders wichtig. Wir sehen zwar Schönheitsfehler. Aber wir glauben, daß die große CDU/CSU-Fraktion so stark ist, weiter Überzeugungsarbeit im Finanzministerium zu leisten. Die freien Berufe dürften bei diesem Programm eines Ansparmodells eigentlich nicht ausgeschlossen werden.
Die vorgesehene Prämie für den Existenzgründer müßte steuerfrei ausgestaltet werden. Das sind unsere Wünsche kurz vor Weihnachten. Wir sind sicher, daß der starke Finanzminister diese Wünsche erhört und daß wir im parlamentarischen Verfahren dies noch verbessern können.
Ich glaube, mit dieser Ergänzung der Existenzgründung steht nun ein optimales Instrumentarium für neue Existenzgründer zur Verfügung. Wir haben das bewährte Eigenkapitalhilfeprogramm — wenn Sie so wollen: venture capital —; das ist nicht so neu, das gab es damals schon. Wir haben jetzt die Ansparidee. Wir haben dann noch die verbesserte Gründungsberatung und die stärkere Ausgestaltung der sogenannten technologieorientierten Existenzgründung; das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Bereich.
Wenn wir all dies sehen, darf nicht vergessen werden, daß unsere Aktivität durch staatliche Subvention nicht nur denen gelten kann, die neu beginnen — denn dies ist ja ein Wettbewerbsproblem gegenüber denen, die schon lang ohne staatliche Hilfe begonnen haben —; sondern wenn wir heute über Existenzgründungshilfen diskutieren, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß wir die grundsätzliche Aufgabe haben, die steuerlichen Rahmenbedingungen für bereits existierende mittlere Betriebe Zug um Zug zu verbessern. Wenn das zusammenkommt, ist es ein sinnvolles Konzept.
Wir unterstützen jedenfalls dieses Konzept.
Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.
Guten Morgen, mein lieber Kollege Herr Unland! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
— Guten Morgen, Herr Wissmann. Die Fraktion der SPD wie auch die Koalition verbinden mit ihren Gesetzentwürfen die Erwartung, daß damit neue wirtschaftliche Dynamik und eine Belebung des Arbeitsmarkts ausgelöst würden. Wenn man sich in den letzten Monaten die Kritik aus dem eigenen Lager, auch aus dem Lager der Selbständigen anschaut, stellt man fest, daß gegenüber diesen Erwartungen mehr als Skepsis angebracht ist. Die „Creditreform" schätzt, daß von den Neugründungen ca. ein Drittel keine echten Neugründungen, sondern lediglich Fortführungen von alten Unternehmungen in neuer Form sind, daß weniger als 1 Vo der geförderten Neugründungen tatsächlich technologisch-innovativen Charakter haben und daß drei Viertel der Newcomer zudem als GmbH geführt werden, von denen wiederum vier Fünftel innerhalb von vier Jahren pleite gehen werden. Diese Erwartungen der „Creditreform" stützt sich auf die Erfahrungen der letzten Jahre. Der größte Teil der mit staatlicher Förderung versehenen Neugründungen geht nach dem kritischen dritten Jahr pleite.
Wenn man sich diese Erfahrung anschaut, muß man sagen, daß es in einem großen Umfang staatliche Fehlinvestitionen in diese sogenannten Neugründungen gibt
und daß daher auch die erwartete Belebung des Arbeitsmarktes nicht eintreten wird.
Nun muß ich den SPD-Antrag gegenüber dem Koalitionsantrag etwas differenziert beurteilen. Durch ihn sollen nämlich mit der Gießkanne öffentliche Mittel ausgestreut werden, ohne daß bei den Neugründungsprogrammen Struktureffekte in sozialer und ökologischer Hinsicht bedacht werden.
Was das Programm der Koalition angeht, so möchten wir darauf hinweisen, daß die Beschränkung der Förderung auf Gewerbeunternehmen deswegen nicht sinnvoll ist, weil es — ich nenne jetzt ein wesentliches Beispiel — gerade im Handwerksbereich viele alternative Projekte gibt, die wieder Reparaturproduktion aufnehmen — und damit zunächst zugegebenermaßen in eine Lücke, eine Marktnische, stoßen —, aber einen nicht zu unter-
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Stratmann
schätzenden Beitrag gegen die Verschleißproduktion, die volkswirtschaftlich sehr negativ und außerordentlich teuer ist, leisten.
Für die Ausschußberatungen möchte ich anregen, daß wir für solche Existenzgründungsprogramme in erster Linie ökologische und soziale Vergabekriterien geltend machen. Erstes Beispiel für ein solches soziales Kriterium: Es gibt in der Bundesrepublik mittlerweile einen breit entfalteten Sektor von selbstverwalteten Alternativbetrieben. — Höre ich da aus der SPD-Fraktion ein Kichern? Das scheint so zu sein. Dazu kann ich Ihnen sagen: Es gibt mittlerweile 14 000 Selbsthilfeprojekte und selbstverwaltete Betriebe, in deren Rahmen 104 000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind.
Die IHK München und Oberbayern hat als wesentliches Motiv für Existenzneugründungen angegeben, daß 70 % der Neugründer aktiv werden, um wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen. Das ist ein auch in unseren Augen sehr ehrenwertes Motiv. Dièses Motiv muß man allerdings nicht nur gegenüber Privaten, also privatwirtschaftlich arbeitenden Existenzgründern, gelten lassen, sondern auch gegenüber den alternativen Projekten, die neue Formen der Betriebsführung und der Unternehmensverwaltung, also Selbstverwaltung, zu praktizieren versuchen, um damit experimentell Erfahrungen zu machen. Bisher gibt es ca. 14 000 solcher Unternehmungen.
In diesem Zusammenhang bedaure ich sehr, daß sich der Wirtschaftsausschuß bisher aus ideologischen Gründen geweigert hat, mit diesem Selbsthilfesektor und diesem selbstverwalteten Sektor eigene Erfahrungen zu machen.
und z. B. im Rahmen des offiziellen Berliner Besuchsprogramms dort einmal Kontakte aufzunehmen. Daß ideologische Gründe für diese Ablehnung vorherrschend sind, hat sich im letzten Obleutegespräch eindeutig gezeigt. Herr Unland oder auch Herr Wissmann, Ihnen steht jederzeit die Möglichkeit offen, anders zu verfahren.
Herr Abgeordneter Stratmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rapp?
Lassen Sie mich bitte den zweiten Punkt gerade noch ausführen; dann gerne, Herr Rapp.
Das wird nichts mehr. So lang ist Ihre Redezeit nicht.
Wichtig ist, daß im Rahmen eines solchen Existenzgründungsprogramms auch die Übernahme von Betrieben, die pleite gehen, durch die Belegschaften in Form von Belegschaftsinitiativen ermöglicht wird. Ein solches Beispiel ist die Arbeitnehmerfabrik in Bremen, die aus der Voith-Fabrik hervorgegangen ist. In dieser Fabrik waren ca. 120 Beschäftigte; sie sollte pleite gehen; durch Initiative des Betriebsrates und der Belegschaft wie auch — das muß man wirklich anerkennen — durch Unterstützung des Bremer Senats ist es möglich geworden, daß dort heute in Selbstverwaltung, in Arbeitnehmerinitiative, ein Betrieb mit 20 bis 30 Beschäftigten arbeitet. Im Rahmen eines Existenzgründungsprogramms müssen gerade die Modalitäten und Förderinstrumente geschaffen werden, um solche Betriebsübernahmen in Belegschaftsinitiative weiter zu ermöglichen.
Ein drittes Beispiel — Herr Rapp, anschließend bitte! —, das wir in solche Existenzgründungsprogramme aufnehmen sollten, ist, es Arbeitslosen zu ermöglichen, daß Arbeitsloseninitiativen gemeinschaftlich wirtschaftliche Existenzen gründen und dafür auch nach dem Arbeitsförderungsgesetz ABM-Mittel sozusagen kapitalisieren und als Starthilfe in Nutzung nehmen können
Herr Rapp, bitte schön.
Das wird nun nichts mehr. Sie haben noch genau eine Sekunde. Herr Rapp hat nachher zwölf Minuten.
Aber im Rahmen der Parlamentsreform und zur Belebung der Debatte möchte ich Herrn Rappe doch gern die Möglichkeit geben.
Sie möchten schon gern, aber wir haben inzwischen minus zehn Sekunden!
Herr Rapp, Sie können ja Ihre Zwischenfrage auf Ihre Redezeit anrechnen lassen.
Mein Vorschlag ist, daß Sie sich nachher unterhalten und das etwas lauter als sonst tun, so daß die Kollegen mithören können.
Jetzt kommt als nächster Redner Herr Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Kollegen Stratmann zunächst nur sagen, daß Mitglieder des Wirtschaftsausschusses selbstverständlich auch an dem interessiert sind, was in den von Ihnen zitierten Selbsthilfeeinrichtungen stattfindet. Aber wir haben, so meine ich, im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages wie auch in anderen Ausschüssen zu Recht die Angewohnheit, keine offiziellen Sitzungen eines Ausschusses bei irgendwelchen Privatfirmen durchzuführen, und das gilt dann natürlich auch für Selbsthilfeeinrichtungen. Wenn wir dies anfangen würden, dann könnten wir uns zum Schluß vor Einladungen nicht mehr retten und keine sinnvolle, nicht interessenorientierte Arbeit leisten.
Lassen Sie mich zum Thema unserer heutigen Debatte kommen, meine Damen und Herren. Wir sind froh darüber, daß es gelungen ist, das Eigenka-
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pitalhilfeprogramm im wesentlichen unverändert fortzuführen — das hat eine erhebliche Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt bedeutet, da das Eigenkapitalhilfeprogramm mit seinen Zinszuschüssen sehr populär geworden ist —, und daß wir gleichzeitig die Möglichkeit bekommen, schon im nächsten Jahr die in der CDU und auch in der CSU seit langem verfolgte Idee eines Existenzgründungsansparens durchzusetzen. Diese Idee ist in Jahren entwickelt worden und kann jetzt endlich umgesetzt werden.
Es geht uns dabei nicht nur um die jungen Unternehmer, sondern es geht uns vor allem auch um einen Beitrag — wir meinen: um einen wichtigen Beitrag — zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten. In welche Richtung wir denken und handeln müssen, zeigt ein Vergleich mit den Vereinigten Staaten: In der Zeit von 1980 bis 1984 sind in den USA insgesamt 9,8 Millionen Erwerbstätige hinzugekommen. Im gleichen Zeitraum ist bei uns in Deutschland die Zahl der Erwerbstätigen um 1,1 Millionen zurückgegangen. 80 % der neuen Arbeitsplätze in den USA sind in Betrieben geschaffen worden, die jünger als fünf Jahre sind. Wir wissen heute, daß dort nicht nur die modernen Zukunftsindustrien, sondern vor allem auch der Handels- und Dienstleistungssektor zu dieser Entwicklung beigetragen haben.
Die Tatsache, daß wir in den USA seit 1970 insgesamt, Herr Stratmann, sogar 27 Millionen neue Arbeitsplätze haben
und daß davon fast 80 % Vollzeitarbeitsplätze sind, zeigt doch, daß es gut wäre, wenn die GRÜNEN ideologisch etwas weniger verklemmt auf die USA schauen und sehen würden, daß wir an diesem Punkt jedenfalls von der amerikanischen Entwicklung lernen können.
Ich glaube ohnehin, daß die Gründe für günstige Rahmenbedingungen für Existenzgründer nicht nur im Materiellen — darüber reden wir heute —, sondern auch im gesellschaftspolitischen Klima liegen.
Ich meine, es ist nicht verwunderlich, daß sich in den 70er Jahren, in einer Zeit, in der die Existenzgründer häufig mit dem Makel des Kapitalisten behaftet waren, die Zahl der Existenzgründungen bei uns nicht mehr so entwickelt hat, wie sie sich hätte entwickeln können, während die Zahl in derselben Zeit in den USA auch deswegen nach oben ging, weil nicht nur die Rahmenbedingungen besser waren, sondern weil der junge Unternehmensgründer dort auch das Image des Wagnisbereiten, des Pioniers und dessen hatte, der zu Neuem aufbricht. Bei uns grassierte zu dieser Zeit das allgemeine Versorgungsdenken. Diese Regierung hat damit begonnen, diesen Wandel durchzusetzen. Ich glaube, wir sind auf einem guten, wenn auch langen Wege.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang ein paar Zahlen hinsichtlich der nach dem Eigenkapitalhilfeprogramm geförderten Unternehmen nennen: 1979 888 Unternehmen; 1980 3 065 Unternehmen; 1981 2 708 Unternehmen; 1982 3 016 Unternehmen; 1983 aber bereits 7 557 Unternehmen. Ich meine, diese Zahlen, die nur ein kleiner Ausschnitt der Existenzgründungen sind, nämlich der durch das Eigenkapitalhilfeprogramm geförderten Unternehmen, machen die Trendwende deutlich, die wir durchzusetzen begonnen haben.
Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: Ich erwarte mir von einer breiten Existenzgründungswelle weit mehr Arbeitsplätze als durch jede Diskussion und die Folgen dieser Diskussion über die gerechteste Verteilung des Mangels an Arbeit durch Arbeitszeitüberlegungen;
denn hiervon kommt ein neuer Impuls, den wir dringend brauchen.
Allein 1983 wurden durch die verschiedenen Existenzgründungsprogramme, also nicht nur durch das Eigenkapitalhilfeprogramm, insgesamt 16 500 Existenzgründungsvorhaben mitfinanziert und zugleich etwa 80 000 Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen. Wenn Sie nicht nur die geförderten nehmen, sondern den Bereich noch weiter spannen, kommen Sie mit Sicherheit in noch weit größere Größenordnungen. Man kann sagen, Existenzgründungen verjüngen eine Volkswirtschaft, bringen neuen Schwung, neue Ideen, neue Impulse, vor allem aber neue Arbeitsplätze. Deswegen sollten wir alle daran arbeiten, daß sich dieser Trend verstärkt.
Wenn wir in Ruhe über Arbeitsplätze und Existenzgründungen reden, dann, glaube ich, müßten wir bei sauberer Analyse schnell zu der Erkenntnis kommen, daß wir die neuen Arbeitsplätze, die wir in den kommenden Jahren brauchen, nicht in erster Linie aus den Großunternehmen bekommen werden. Wenden wir auch hier den Blick nach den USA. Dort sind seit 1980 in den 500 größten Industriebetrieben drei Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland — wenn wir ehrlich sind — genau denselben Trend. Den Zuwachs an Arbeitsplätzen in den USA haben fast ausschließlich — über 80 % — die Klein- und Mittelbetriebe möglich gemacht. Ich behaupte, wir werden auch hier dieselbe Entwicklung nicht nur schon jetzt beobachten können, sondern auch in Zukunft.
Auch deswegen gewinnt der Bereich der kleinen, innovativen Unternehmen, aber auch des ganz nor-
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malen Handels- und Dienstleistungssektors, vor allem des Handwerks,
eine unglaubliche neue Dimension auch bei der Frage der Arbeitslosigkeit. Deswegen ist es so besorgniserregend, daß die Eigenkapitalquote kleiner und mittlerer Betriebe zwischen 1968 und 1982 von im Schnitt 30% auf im Schnitt 18,5% zurückgegangen ist. Deswegen ist es so wichtig, daß wir die Eigenkapitalquote kleiner und mittlerer Betriebe stärken und alles daransetzen, daß junge Existenzgründer nicht mit wenig, sondern mit mehr Eigenkapital anfangen, so wie wir das durch das Existenzansparprogramm ja versuchen.
Herr Abgeordneter Wissmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?
Bitte schön.
Herr Kollege Wissmann, was sagen Sie denn zu der Meldung des Kieler Instituts, was die Prognose der Beschäftigung für 1985 angeht, müsse man mit weiteren hunderttausend Arbeitslosen rechnen?
Herr Kollege Urbaniak, ich halte mich bei der nicht parteipolitischen Analyse der Entwicklung an das vor wenigen Wochen veröffentlichte und sicher auch Ihnen bekannte Sachverständigengutachten. Im Sachverständigengutachten der Fünf Weisen
steht wörtlich, daß wir im Jahre 1985 mit dem Prozeß einer Eingliederung von neuen Erwerbstätigen in einer Größenordnung von 250 000 bis 300 000 rechnen könnten — erstmals eine wirkliche Trendumkehr — und daß wir mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um etwa 100 000 rechnen könnten. Das sind keine Zahlen der Regierung, das sind die Zahlen des Sachverständigengutachtens. Ich fände es gut, wenn Sie sozusagen mit dazu beitragen würden, den Menschen draußen Mut zu machen, statt ständig mit der Schwarzmalerei Leuten Angst zu machen, was ja auch ein Grund für die mangelnde Konsumgüterkonjunktur dieses Jahres ist.
Lassen Sie mich in meiner Rede fortfahren und sagen — —
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich wollte keine Zwischenfrage mehr zulassen, weil wir alle eine knappe Redezeit haben. Ich habe gezeigt, daß ich die Diskussion nicht scheue, aber ich kann in den wenigen Minuten nicht mehr Zwischenfragen zulassen.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Existenzgründungsansparprogramm dafür sorgen, daß die ungenügende Eigenkapitalausstattung der Existenzgründer verbessert wird. Eine Summe von 60 000 DM, wie sie durch unser Ansparprogramm erzielt werden kann, wird dazu beitragen, daß sich die Eigenkapitalbasis bei den Existenzgründern verbessert und somit eine bisher in den Förderprogrammen bestehende Lücke gefüllt werden kann. Wir sehen darin eine Ergänzung zu den bestehenden Programmen. Ich will ausdrücklich sagen, daß ich es begrüße, daß sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion entschlossen hat, der von uns seit Jahren entwickelten Idee zu folgen, und diesen Willen in ihrem Antrag nachdrücklich unterstreicht. Ich hoffe sehr, daß es zu einem konstruktiven Dialog über diese Fragen kommen wird, meine Damen und Herren.
In einem Punkt möchte ich dem sozialdemokratischen Antrag allerdings widersprechen. Ich meine, Sie unterlaufen mit Ihrem Antrag die an sich richtige Überlegung der Stärkung der Eigenkapitaldecke dadurch, daß Sie für jeden neu geschaffenen Dauerarbeitsplatz die Absicherung von Investitionsdarlehen durch Gewährung einer Bürgschaft in Höhe der angesparten Eigenkapitalsumme fordern. Hier fangen Sie meines Erachtens schon wieder an, durch eine staatliche Intervention den Existenzgründer einzuengen. Unsere Absicht dagegen ist nicht, eine Fülle von Detailauflagen, von unmittelbaren Koppelungen von Investition und Arbeitsplatz zu machen, sondern unsere Absicht ist es, die staatlichen Auflagen so niedrig wie möglich zu halten. Ich behaupte, wir erreichen mehr neue Arbeitsplätze, wenn wir durch geringe Auflagen, gute Rahmenbedingungen und gezielte Förderungen eine Existenzgründungswelle, die schon vorhanden ist, massiv verstärken, als wenn wir durch tausend Einzelauflagen künstlich versuchen Arbeitsplätze zu produzieren,
die wir dann doch nicht schaffen werden.
Meine Damen und Herren, auch die CDU/CSU- Bundestagsfraktion ist der Meinung, daß wir, sobald es möglich ist, die freien Berufe — hier stimme ich dem Kollegen Haussmann zu — in die Förderung einbeziehen sollten. Dagegen gab es jetzt noch finanzpolitische Bedenken. Aber was heute nicht möglich ist, ist vielleicht im nächsten Jahr möglich. Wir meinen, daß jetzt der Ansatz begonnen wurde und daß wir auf diesem Wege fortfahren sollten.
Meine herzliche Bitte an alle Kollegen wäre, daß wir über die Parteigrenzen hinweg — ich finde, dafür haben auch die Sozialdemokraten mit ihrem Antrag einen Ansatz geliefert — wenigstens die Frage der Existenzneugründungen etwas ideologiefreier diskutieren, als es gelegentlich in diesem Hause möglich ist.
— Herr Stratmann, wenn sogar bei Ihnen irgendwann die Einsicht dämmern würde, daß Sie neue
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Arbeitsplätze nicht durch Reden und fragwürdige Parteitagsbeschlüsse, sondern eher durch eine Existenzgründungswelle schaffen können, dann hätten wir allerdings einen großen Fortschritt in der Überzeugungsarbeit in diesem Hause gemacht.
Das Wort hat der Abgeordnete Rapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer angesichts des Wandels der internationalen Arbeitsteilung, der technischen Entwicklung und der Veränderungen in den Nachfragestrukturen über die Zukunft der Arbeit nachdenkt, der wird dabei — hier hat der Herr Wissmann völlig recht — eher auf die kleinen und mittleren Unternehmen und die Selbständigen in Handwerk, Handel und Gewerbe und in freien Berufen setzen als auf die Großwirtschaft, eher auf den mittelständischen Betrieb, der sozusagen als ein industrielles Fachgeschäft komplette Problemlösungen liefert, als auf die großbetrieblich organisierte Massenfertigung.
Ich wäre in der Lage, aus zahlreichen Programmdokumenten und Verlautbarungen der letzten 15 Jahre zu zitieren, um aufzuzeigen, daß sich diese Einsicht in der deutschen Sozialdemokratie immer mehr Bahn gebrochen und durchgesetzt hat. Schon besteht da und dort Anlaß, vor Überzeichnung zu warnen. Selbstverständlich wird es weiterhin großbetriebliche Formen der Fertigung und des Vertriebs mit vielen Arbeitsplätzen geben. Gerade den Kleinen wäre mit einer künstlichen Frontziehung zwischen Groß und Klein nicht gedient. Aber naheliegend ist doch, daß die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen in unserer Wirtschaft noch wachsen wird, in denen schon heute zwei Drittel unserer Arbeitsplätze und zwei Drittel der Ausbildungsverhältnisse ihren Ort haben und in denen drei Fünftel des Sozialprodukts erwirtschaftet werden.
Meine Damen und Herren, Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung haben dieser Einsicht Taten folgen lassen. Ich rufe dazu aus der Summe unseres Regierungshandelns in Stichworten nur einige Positionen in Erinnerung. 1970 hat die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ein Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung kleiner und mittlerer Unternehmen beschlossen, das sich dann in den folgenden Jahren entfaltet hat.
Erstens im Wettbewerbsrecht: Damals wurden — übrigens weitgehend gegen die CDU/CSU-Opposition — Verbesserungen in den Wettbewerbsbedingungen der kleinen und mittleren Unternehmen erzielt,
die sich auch heute unter den veränderten Bedingungen und unter der derzeitigen Bundesregierung noch glänzend bewähren.
Zweitens im Steuerrecht: Ich erwähne die mehrfachen Entlastungen bei der Gewerbesteuer,
die Verbesserungen bei der Vermögen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Erhöhung des Abzugs für Vorsorgeleistungen, den Verlustrücktrag, verschiedene Verbesserungen bei den Abschreibungen und hinsichtlich der Altersversorgung.
Drittens in der Reform des öffentlichen Auftragswesens.
Viertens in der Forschungs- und Technologiepolitik, die wir für die kleinen und mittleren Unternehmen geöffnet haben.
Fünftens schließlich im Bukett der Finanzierungshilfen, vor allem auch zur Existenzgründung und beim Eigenkapitalhilfeprogramm.
Unter sozialdemokratischer Regierungsführung ist die Palette der Hilfen reichhaltiger und umfänglicher geworden.
Die SPD ist Volkspartei in der Tradition der Arbeiterbewegung. Sie hat es sich und sie wird es sich nie so leicht machen können, sich den Selbständigen im wirtschaftlichen Mittelstand mit bloßer und einseitiger Klientelpolitik zu nähern. Sozialdemokratischer Konsens war zu unserer Regierungszeit weltweit das Markenzeichen für eine Politik des gemeinwohlfördernden Ausgleichs und des sozialen Friedens.
Darauf sind wir stolz. Diese Ehre lassen wir uns auch nicht durch die von Herrn Geißler mit seinen semantischen Tiefschlägen in Gang gekommenen Kampagnen rauben.
Heute regieren Parteien, die es sich da leichter machen, die glauben, mit reiner Klientelpolitik einen ganzen großen Wirtschaftsbereich für sich vereinnahmen zu können.
Ich weiß nicht, ob Sie es begreifen, wenn ich beklage, daß Sie, die derzeitige Regierungskoalition, nicht nur die Bemühungen, Verdienste und Erfolge sozialdemokratischer Selbständigen- und Mittelstandspolitik verdunkeln wollen und vergessen zu machen versuchen,
was ja im Parteienwettbewerb gerade noch angehen mag. Ich beklage, daß Sie darüber hinaus in diesem tragenden Bereich unserer Wirtschaft Schaden stiften, indem Sie dort das totale Feindbild einer Sozialdemokratie aufrichten, wie Sie gern hätten, daß die Sozialdemokratie wäre, damit Sie jederzeit für eigenes Versagen auch einen handhabbaren
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Rapp
Buhmann und Prügelknaben zur Verfügung haben.
Zu diesem Zweck laufen Sie mit dem Totschlagwort von der finanziellen Erblast durch die Landschaft der Wirtschaftsverbände.
Sache aber ist erstens, daß schon die Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung der zu hoch gewordenen Neuverschuldung der öffentlichen Hände mit Konsolidierungsmaßnahmen entgegenwirkten, die die damalige Opposition zum Teil nicht mitgetragen
und deren Früchte die Wenderegierung dann für sich verbucht hat;
zweitens, daß wir Sozialdemokraten es zu unserer Zeit mit einer Bundesratsmehrheit aus CDU und CSU zu tun und dementsprechend eine Bundestagsopposition einzubeziehen hatten, die unsere Gesetze teurer machte, regelmäßig einen oben drauf sattelte,
zugleich aber dem Staat Einnahmen verweigerte und selbstverständlich die Kreditfinanzierung verteufelte.
Als ob ich etwa meiner Frau sagen könnte, sie bekomme nächstens 1 000 DM weniger Haushaltsgeld, dafür möge sie bitte schön auch 1 000 DM mehr ausgeben, und aus der Differenz möge sie dann meine Schulden bezahlen.
Das war jahrelang Ihre Sonthofen-Finanzpolitik.
Früher hat es ja im Lager von CDU und CSU noch einige Stimmen gegeben, die sagten: Was die Schulden anlangt, so sind wir alle mit dabeigewesen. Diese Stimmen hat es sogar nach der Wende noch vereinzelt gegeben. Soviel politische Kultur kann man heute nicht mehr voraussetzen.
Gleichwohl setze ich darauf: Menschen, die ihre Existenz täglich im wirtschaftlichen Wettbewerb neu begründen müssen und dabei auf Fairneß angewiesen sind, werden sich die Chance des produktiven politischen Wettbewerbs nicht auf die ideologische Gut- und Böse-Struktur verkürzen lassen, die den Unions-Demokraten nun einmal so sehr liegt.
Meine Damen und Herren, in den Jahren 1968 bis 1982, Jahren sozialdemokratischer Regierungsführung, hat nach der Umsatzsteuerstatistik die Zahl der Unternehmen um 100 000 auf 1 750 000 Wirtschaftseinheiten zugenommen. Dabei war die Steuergrenze angehoben worden. Nimmt man hinzu, was sich unterhalb dieser Grenze tat, liegt die Steigerung noch deutlich höher.
Ich entnehme diese Zahlen — Erfolgszahlen doch wohl auch sozialdemokratischer Politik — einer lesenswerten Publikation des Instituts der Deutschen Wirtschaft.
Dabei hat es gewiß auch Jahre mit hohen Insolvenzzahlen gegeben. CDU und CSU haben daraus eine ihrer berüchtigten Verteufelungskampagnen gemacht.
Nur: Hatte die Zahl der Unternehmen noch von 1981 auf 1982 per saldo, also Zugänge minus Abgänge, um 21 000 zugenommen, so ging der Zugang 1983 unter der Wende-Regierung auf ganze 1 000 zurück,
und die Pleitenzahlen des Jahres 1984 übersteigen alles bisher Dagewesene.
— Das ist die Realität.
Wir operieren nun dieserhalb nicht mit ideologischen Unterstellungen bösen Willens, wie die Konservativen das uns gegenüber halt so in der Übung haben.
Wie kämen wir dazu? Aber Kritik am konkreten Fall ist unsere Pflicht. Sie, die Regierungsfraktionen und -parteien, haben dem selbständigen Mittelstand eingeredet, allein die Klimaänderung durch den Regierungswechsel werde — da tut sich der Himmel auf — alles, alles wenden. Sie haben Illusionen geweckt, die auch unter der Erfahrung Ihrer konkreten Maßnahmen bei vielen bereits zerstoben sind.
So ist Ihre Vermögensteuersenkung am wirtschaftlichen Mittelstand vorbeigegangen und hat im wesentlichen nur die Cash-Bestände großer Unternehmen aufgestockt.
Auch Ihre zusätzlichen Entlastungen bei der Gewerbesteuer sind vor allem großen Unternehmen zugute gekommen.
Die steuerliche Begünstigung beim Ankauf insolvenzgefährdeter Unternehmen schiebt zusätzlich die Konzentrationstendenzen an.
Bei der Begrenzung der Nebentätigkeiten öffentlich Bediensteter verweigern Sie eine Klausel, die auf die Lage am Arbeitsmarkt und auf die wirtschaftliche Situation abstellt, was Aufgreifkriterien
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für jeden wären, der sich gegen eine ihn schädigende Praxis der Behörde zur Wehr setzen muß.
Zur angeblichen Entbürokratisierung fällt Ihnen die Streichung von Gesetzen ein, die die kleinen Unternehmen des Handels zu ihrem Schutz vor nicht leistungsbegründeter Übermacht für unverzichtbar halten.
Bei der Novelle zum Kreditwesengesetz sind diejenigen Institutsgruppen eindeutig die Verlierer, die in besonderer Weise den Mittelstandskredit pflegen.
Die finanziellen Mittel zur Beratungsförderung streichen Sie zusammen.
Den Selbständigen haben Sie den Zugang zur Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente erschwert.
Um es im Understatement zu sagen: Den Vergleich mit solcher Art von Mittelstandspolitik brauchen die Sozialdemokraten wahrlich nicht zu scheuen. Die Erfolgszahlen habe ich erwähnt: 100 000 Einheiten mehr zu unserer Zeit. Wo sind Sie geblieben?
Wir werden auch auf diesem Gebiet, meine Damen und Herren, eine Opposition sein, die ihr Heil nicht in einer Sonthofen-Strategie sucht. Unser vorliegender Antrag beweist das. Wie wäre es denn — damit komme ich auch auf den Appell von Herrn Wissmann zurück —, wenn wir die beiden Anträge zusammenführten?
Wir Sozialdemokraten würden uns darüber freuen. Prüfen Sie bitte vorurteilslos, ob nicht die zusätzlichen Elemente unseres Antrags, nämlich Einbeziehung der freien Berufe, arbeitsmarktbezogene Bürgschaften, das Strukturelement im Forschungs- und Entwicklungsbereich, einem gemeinsamen Antrag zur Zierde gereichten!
Wenn ich mehr Zeit hätte, könnte ich noch andere Felder eines produktiven mittelstandspolitischen Parteienwettbewerbs aufzeigen. Dabei bin ich mir der Gefahr einer Überbietungskonkurrenz und der Gefahr der Tendenz zur Errichtung von Naturschutzparks, die niemand will, auch der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, bewußt. Aber aufhören müßten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mit Ihrem Bestreben, sich die wirtschaftlichen Verbände dienstbar zu machen, aufhören müßten Sie mit jener Buhmann-Semantik gegenüber den Sozialdemokraten, mit der Sie übrigens nur eine für Sie wenig schmeichelhafte Einschätzung des Urteilsvermögens der wirtschaftlich Selbständigen verraten.
Wir freuen uns auf die Beratung beider Anträge im Ausschuß.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herr Grüner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung begrüßt sehr, daß das Grundanliegen der Ansparförderung zur Unterstützung der Gründung von selbständigen Existenzen hier eine so breite Zustimmung findet, wie das auch in der Begründung des SPD-Antrags sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Wir halten es für außerordentlich wichtig, auch bei dieser Debatte in Erinnerung zu rufen, daß die Mittelstandspolitik der jetzigen Bundesregierung und der früheren Bundesregierungen vor allem unter beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten konzipiert worden ist und notwendig ist. Das ist hier unterstrichen worden. Herr Kollege Rapp, Sie haben das hier in Erinnerung gerufen, und Sie haben bei Ihrer negativen Wertung der „Wende-Regierung" unterschlagen, daß es der Einfluß des Koalitionspartners FDP war, der diese Mittelstandspolitik in der Sozialliberalen Koalition möglich gemacht hat, selbstverständlich mit der Zustimmung derer, die wie Sie die beschäftigungspolitische Notwendigkeit gesehen haben. Aber wer z. B. die Ausdehnung der Gewerbesteuer auf die freien Berufe fordert, wie Sie das jetzt tun, und damit in Kauf nimmt, daß diejenigen, die anderen Arbeit und Brot geben, höher als alle anderen Einkommensbezieher besteuert werden, der muß sich die Frage des Widerspruchs, der hier auftaucht, schon stellen lassen.
Ich halte es für wichtig, daß wir die Gemeinsamkeiten bei der Beratung der hier vorliegenden Anträge unterstreichen. Ich will es auf den Punkt bringen und an einem Beispiel deutlich machen: Zur Zeit werden mehr als zwei Drittel aller Ausbildungsplätze von Unternehmen und Angehörigen freier Berufe zur Verfügung gestellt, die weniger als 50 Beschäftigte haben. Ich glaube, an einer solchen Zahl können wir nach draußen deutlicher machen als durch andere Statistiken, warum eine Unterstützung selbständiger Existenzen notwendig ist und warum Mittelstandspolitik von so außerordentlicher beschäftigungspolitischer Bedeutung ist.
Ich erwähne hier das bewährte ERP-Existenzgründungsprogramm, das erfolgreiche Eigenkapitalhilfeprogramm sowie das Bürgschaftsprogramm für freie Berufe, das sich als ein wirksames Instrument gerade auch zur Unterstützung von Neugründungen im freiberuflichen Bereich erwiesen hat. Alle drei Programme werden von der Lastenausgleichsbank abgewickelt. Sie können auf einem
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Parl. Staatssekretär Grüner
Formular beantragt werden, so daß hier im Bereich des Bundes wirklich nicht von einem Förderwirrwarr bei der Existenzgründungsförderung gesprochen werden kann.
Mit diesen Programmen werden 1984 über 17 000 Existenzgründungen unterstützt, mit denen rund 85 000 Arbeitsplätze verbunden sein werden. Ich möchte auch erwähnen, daß derartig öffentlich geförderte Existenzgründungen wesentlich größere Überlebenschancen haben, und das hängt eng damit zusammen, daß sie besonders eingehend geprüft werden und vor allem eine intensive Beratungsförderung erhalten. So sind beim Eigenkapitalhilfeprogramm vom ältesten Gründungsjahrgang, nämlich 1979, bisher nur knapp 5 % der geförderten Unternehmen wieder ausgeschieden.
Naturgemäß sind diese Zahlen für die jüngeren Jahrgänge noch geringer. Das hat übrigens auch der von Ihnen, Herr Stratmann, erwähnte und sehr kritische Verein „Creditreform" festgestellt. Ich meine, das ist ganz bemerkenswert.
Im Haushalt 1985 stehen für das Eigenkapitalhilfeprogramm knapp 104 Millionen DM zur Verfügung; das sind fast 90% mehr als in diesem Jahr 1984. Die Verpflichtungsermächtigung wurde auf 240 Millionen DM angehoben. Dies ermöglicht es uns, das Programm nicht nur mit unverändert günstigen Zinskonditionen fortzusetzen, sondern auch gleichzeitig noch die bisherige Altersgrenze von 50 Jahren aufzulockern. Das Programm wird in dieser Form bis Ende 1987 verlängert. Wir rechnen damit, daß durch diese Maßnahme von 1985 bis 1987 33 000 Existenzgründungen gefördert werden, mit denen 165 000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert und Investitionen von über 6 Milliarden DM ermöglicht werden.
Als Ergänzung dieses hier dargestellten Existenzgründungsförderungsprogramms des Bundes werden wir im Laufe des Jahres 1985 die auf Initiative des Parlaments entstandene Ansparförderung einführen. Der Deutsche Bundestag — das ist erwähnt worden — hat dafür Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 200 Millionen DM beschlossen. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß wir mit dem Inkrafttreten nicht zum 1. Januar des nächsten Jahres rechnen können, weil die Richtlinien sehr sorgfältig mit den Banken abgestimmt werden müssen, weil wir bei einer Beihilfe die Zustimmung der Europäischen Kommission benötigen und — das ist uns besonders wichtig — eine intensive Abstimmung mit den Ländern anstreben, um wirklich sicherzustellen, daß hier eine neue Förderung aus einem Guß entsteht.
Ich bin froh darüber, daß hier im Parlament deutlich geworden ist, daß die Beschränkung des Programms auf die gewerbliche Wirtschaft auf Bedenken stößt und die Einbeziehung der freien Berufe in Erwägung gezogen wird. Ich halte es für sehr wichtig, daß wir das tun; denn im Mittelpunkt dieser Ansparförderung steht die Schaffung selbständiger Existenzen und der damit verbundenen Arbeitsplätze. Wir alle wissen, daß wir besonders große Wachstumschancen — auch im Hinblick auf die Arbeitsplätze — im Dienstleistungsbereich haben und daß die Unterscheidung zwischen gewerblich und freiberuflich eher willkürlich ist, wenn man den Beschäftigungseffekt ins Auge faßt. Da es um ein Ansparprogramm geht und viele künftige Existenzgründer im Zeitpunkt des Ansparens weiß Gott nicht wissen können, ob sie selbständig-gewerblich oder -freiberuflich tätig sein werden, ist es besonders bedeutsam, daß wir bei der Abfassung der Richtlinie diesen Anregungen aus dem Parlament entgegenkommen und die Frage noch einmal erörtern, ohne dabei die fiskalischen und anderen Gesichtspunkte unter den Tisch fallen zu lassen, die im jetzigen Stadium dazu geführt haben, daß die freien Berufe in diese Ansparförderung nicht einbezogen sind.
Nutzen wir die Chance dieses Programms — ich meine, die Diskussion hier hat deutliche Hinweise darauf gegeben, die Bedeutung der Selbständigen für die Überwindung der Wachstumsschwäche und für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ins öffentliche Bewußtsein zu rücken —, dann hätte dieses Programm weit über seine materiellen Auswirkungen hinaus auch eine wichtige Funktion für unseren Arbeitsmarkt, für die Überwindung der von uns gemeinsam gesehenen Probleme der Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Anträge auf den Drucksachen 10/2275 und 10/2549 zu den Tagesordnungspunkten 23 und 24 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Gibt es andere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Herr Präsident Jenninger hat bereits, als wir hier heute morgen noch zahlreicher versammelt waren, Worte des Dankes gesprochen. Ich möchte diesen Dank bekräftigen; das darf ich denn wohl doch tun. Ihnen allen wünsche ich mit meinen Kollegen hier oben ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das kommende Jahr.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages berufe ich auf Mittwoch, den 16. Januar 1985, um 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.