Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Ihnen folgende amtliche Mitteilung verlesen:
Der Ältestenrat schlägt vor, in der Sitzungswoche vom 26. November 1984 mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen keine Fragestunde und keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Sind Sie mit diesen Abweichungen von der Geschäftsordnung einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
Interventionsdrohung der USA gegenüber Nicaragua
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Interventionsdrohung der USA gegenüber Nicaragua" verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gottwald.
Guten Morgen! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 12. November verkündete US-Außenminister Shultz, daß ein militärisches Eingreifen der USA im Stile der Invasion in Grenada in Nicaragua nicht auszuschließen sei. Dies ist eine gezielte öffentliche indirekte Kriegserklärung der USA an Nicaragua; denn vorausgegangen waren gezielte Falschmeldungen über angebliche Lieferungen von MiG an Nicaragua, die die militärischen Vorbereitungen, die für eine Invasion getroffen wurden, legitimieren sollten.Harte Facts sind folgende: Zum jetzigen Zeitpunkt ist Nicaragua von US-amerikanischen Kriegsflotten eingekreist. US-Schiffe dringen in nicaraguanische Hoheitsgewässer ein. In Honduras und Panama stehen US-Luft- und Landeeinheiten in Alarmbereitschaft. Im karabischen Meer finden Großmanöver statt, an denen bundesdeutsche Kriegsschiffe teilnehmen. Das Szenarium ist völlig eindeutig: Die USA treffen Vorbereitungen für eine direkte Invasion in Mittelamerika.
Im Gegensatz zum Überfall auf Grenada kann sich diesmal die Bundesregierung nicht mit der Behauptung herausreden, sie hätte von all dem nichts gewußt, da man sie nicht konsultiert hätte.
Die Lage ist für jeden einsehbar, wenn man sehen will, und die US-Regierung selbst hat die Kriegsandrohung gegen Nicaragua ausgesprochen.Wie man am Verhalten der Bundesregierung und ihrer Parteien sehen kann, sind sie diesmal vorher konsultiert worden. Seit Monaten beteiligen Sie sich aktiver denn je an der Lügenpropaganda gegen Nicaragua: die Lügen, die Sie hier auch über die Wahlen verbreitet haben, die Sie schon vorab als Farce bezeichnet haben, obwohl sie im Gegensatz zu denen in El Salvador keine Farce waren, die Ammenmärchen über den Aufbau eines kommunistischen Bollwerks in Nicaragua usw. Sie stellen bewußt die Tatsachen auf den Kopf, wenn Sie behaupten, Nicaragua destabilisiere die Region. Die USA destabilisieren die Region, und Nicaragua wird bedroht, nicht umgekehrt.
Ich habe, wenn Sie diese Propaganda verbreiten, oft den Eindruck, daß Sie einer ideologischen Kampfgruppe angehören, die den Auftrag erhalten hat, in Europa das geistige Umfeld für die Legitimierung einer Invasion in Nicaragua aufzubauen.
Man kann beobachten, daß mit der Zunahme der militärischen Eskalation und der Drohgebärden Ihres Waffenbruders USA hier eine Zunahme der Hetze gegen Nicaragua stattfindet, und dies mit den abenteuerlichsten Behauptungen.Vorgestern mußte ich mir von einem Vertreter der Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuß erklären lassen, daß die USA in Zentralamerika das Recht auf eine Abschreckungsoption hätten.
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7406 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau GottwaldSolche Thesen widersprechen nicht nur dem Anliegen der Contadora-Gruppe, eine solche Politik bereitet direkt eine Invasion in Nicaragua mit vor.
Abschreckungsoption — das heißt, aktive Vorbereitungen im Hinblick auf einen Krieg zu legitimieren. Sie geben den USA eine Option für eine Abschrekkung in Form eines Krieges — den die USA gerade vorbereiten —, und dies, obwohl sie nicht bedroht werden. Viele von Ihnen unterstützen diese Anliegen nach Leibeskräften.Nun sagen die Koalition und die Regierung, daß sie keinen Krieg in Nicaragua oder Zentralamerika wollen. Das glaube ich auch, obwohl sie sich entgegengesetzt engagieren. Ich sage Ihnen jetzt auch, warum Sie keinen Krieg in Nicaragua wollen. Was Sie im Angriff der zentralen NATO-Streitkraft USA gegen Nicaragua beunruhigt, ist, daß die NATO und ihre weltweite Politik in Verruf und Mißkredit geraten könnten. Es ist Ihnen doch egal, was in Nicaragua passiert oder was damals in Grenada passiert ist. Was Sie beunruhigt — das sagen Sie auch —, ist, daß durch solche Attacken der USA das gesamte westliche Wertesystem, das die NATO repräsentiert, in Verruf geraten könnte.Ich sage Ihnen — ich möchte das ganz besonders auch den Bündnisfreunden von den Sozialdemokraten sagen: Das, was die USA jetzt an Kriegspolitik in Zentralamerika demonstrieren, das ist das westliche Wertesystem, das die NATO repräsentiert.
Es geht nicht um Souveränität und Völkerrecht, es geht nicht um Freiheit und Demokratie, es geht einzig und allein um die Machtausweitung von Einflußsphären des Westens im Kampf gegen den Osten, wobei offensichtlich auch Angriffskriege legitim sind, solange Sie glaubhaft machen können, es seien Verteidigungskriege. Diese Politik des legendären freien Westens und seines Militärbündnisses hat Mittelamerika zum Kampfschauplatz des Ost-West-Konflikts gemacht. Der freie Westen trägt für diesen Krieg und jede weitere Eskalation die Verantwortung.
Sie tragen auch die Verantwortung dafür, wenn aus diesem Krieg
durch die USA in Nicaragua, diesem Spiel mit dem Feuer ein Krieg wird, der hier für uns alle Konsequenzen hat.Ich möchte Ihnen noch eines sagen.
Frau Abgeordnete, die Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluß.
Mein letzter Satz. — Wir werden — —
Ich bitte Sie, mit Ihrer Rede zu enden. Wir müssen auf die fünf Minuten achtgeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU wird jedem Versuch widerstehen, die sandinistische antiamerikanische Hysterie, die wir Abend für Abend — und eben noch einmal erleben, in diesen Saal schleppen zu lassen.
Wir beteiligen uns nicht an dieser Haßkampagne. Wir glauben nicht daran, daß eine US-amerikanische Invasion oder Intervention bevorsteht, ebensowenig, Frau Gottwald, wie wir dies im Winter, im Frühjahr, im Sommer oder als Herr Ortega gesagt hat, die Invasion werde am 15. Oktober des letzten Jahres entstehen, geglaubt haben.
Auch da haben wir nicht daran geglaubt. All dieser prophetische Quatsch war eben Quatsch.
Und, Frau Gottwald, Sie unterlassen es hier bitte künftig, noch einmal aus dem Auswärtigen Ausschuß zu zitieren. Wir haben in den letzten Tagen ohnehin schlimme Beweise für den Bruch von Vertrauen auch aus dem Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Der Sache werden wir nachgehen und Ihnen nicht erlauben, das Vertrauen des Hauses, das wir alle vereinbart haben, zu brechen. Damit das klar ist.
Wir stellen auch klar, daß wir uns nicht als ein dummer Partner einer Desinformationskampagne sondersgleichen mißbrauchen lassen. Wir treten ein für eine friedliche Verständigung, für sozialen Ausgleich in Zentralamerika. Wir verstehen aber auch die Sorge unseres amerikanischen Bündnispartners, daß ein zweiter Stützpunkt der UdSSR in seiner unmittelbaren Nachbarschaft errichtet werden könnte. Wir vertreten unsere Interessen,
und die lauten: Wir wollen das arg gestörte Gleichgewicht in der zentralamerikanischen Region wiederherstellen und dazu mithelfen, daß die Abrü-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7407
Dr. Marxstung fortgeführt wird. Wir wollen, daß der Abzug sowjetischen und kubanischen Personals erreicht wird, und wir wollen alle Versuche abwehren, daß die Nachbarländer Nicaraguas, nämlich Honduras, El Salvador und Costa Rica für eine proletarische Revolution sturmreif gemacht werden.
Meine Damen und Herren, ich nehme wegen der Kürze der Zeit nur noch zu einer einzigen Frage Stellung. Sie lautet: Waren die Wahlen vom 4. November in Nicaragua freie Wahlen? Meine Antwort ist: Nein, sie waren es nicht. Es war keine freie Wahl, keine demokratische, keine faire Wahl.
Es war in der Tat eine Wahlfarce. Ich begründe das.Als die Revolution gegen das Somoza-Regime durchgeführt wurde
— die übrigens, was auch oft unterschlagen wird, in der Endphase mit starker Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika vollzogen wurde —, haben die sandinistischen Führer sehr rasch begonnen, eine Diktatur durch ihre eigene ersetzen zu wollen. Sie haben rasch Lehrer, sandinistische Polizisten, Geheimdienstleute, Soldaten, Spezialisten und politische Führungskader zur Ausbildung nach Kuba und in die Sowjetunion geschickt.
— Herr Präsident, ich muß ein wenig näher ans Mikrophon treten, um mir das Wort zu verschaffen, das mir erteilt ist, um mich gegen diese unqualifizierten Zwischenrufe zur Wehr zu setzen.
Meine Damen und Herren, vor der Wahl sind die Voraussetzungen für freie Wahlen zerstört worden.
Die demokratischen Parteien sind eingeengt worden. Man hat sie am Ende verboten. Man hat die Presse unterdrückt. Man hat die Kirche unterdrückt.
Man hat alle freie Diskussion mehr und mehr abgewürgt. Deshalb gab es am Ende zwar keine Wahlurnen mit doppeltem Boden, aber es gab keine freie, allgemeine und faire Wahl.
Das möchte ich gerne festhalten und als Zeugen dafür nur zwei Zitate bringen. Frau Gottwald, Sie waren dabei, als Herr Borge, der Kommandant und Innenminister, uns in seinem Büro gesagt hat: Wir werden die Wahlen doch nicht dafür durchführen, um unsere eigene Macht in Frage stellen zu lassen. Herr Bayardo Arce, ein anderer der Commandantes, sagte — damit schließe ich — mit allem Zynismus: „Wir nützen ein von der Bourgeoisie gefordertes Instrument, um die internationale Bourgeoisie zu entwaffnen und unsere eigenen strategischen Ziele zu verfolgen. Dies wird — so sagt er — der erste Fall eines Aufbaus des Sozialismus mit kapitalistischen Dollars werden." Das ist gemeint. Dafür stehen Sie offenbar ein. Wir, die CDU/CSU, nicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich darum bemühen, meinen Beitrag so zu gestalten, wie es dem Ernst der Lage in Zentralamerika entspricht.
Die Lage in Zentralamerika spitzt sich von Tag zu Tag zu. Die Situation wird täglich gefährlicher. Unsere Zeitungen berichten täglich darüber, ausführlich übrigens auch die Zeitungen in den Vereinigten Staaten. Erfreulicherweise, Herr Kollege Dr. Marx, vertritt ein erheblicher Teil der Zeitungen in den Vereinigten Staaten eine völlig andere Auffassung als Sie. Das ist wenigstens ein Lichtblick.
Seit längerer Zeit finanzieren die Vereinigten Staaten aus ihrem Haushalt einen Krieg gegen Nicaragua.
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen im Parlament der Vereinigten Staaten dankbar, die das nicht mittragen
und die von Zeit zu Zeit dazu beigetragen haben, daß die Politik, die Sie hier eben verteidigt haben, keine Mehrheit findet. Die Häfen in Nicaragua sind mit Hilfe der Vereinigten Staaten völkerrechtswidrig vermint worden.
— Dazu werde ich Ihnen gleich etwas sagen.
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7408 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
WischnewskiVom CIA werden Broschüren verbreitet mit der Anweisung über Terror und Mord, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ein deutscher Arzt ist dem Mord zum Opfer gefallen und in den letzten Tagen der Postminister des Landes, der seine Ausbildung in der Bundesrepublik gehabt hat.
Seit der Wahlnacht in den Vereinigten Staaten nimmt das alles in verstärktem Maße zu. Täglich überfliegen Militärflugzeuge der Vereinigten Staaten dieses Land, und über der Hauptstadt gibt es Überschallknall, um die Bevölkerung zu beeinträchtigen.
Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten dringen in den Hoheitsraum von Nicaragua ein. Im Nachbarstaat Honduras sind Fallschirmjäger gelandet. Der Verteidigungsminister Caspar Weinberger sagt in „Meet the Press": Die Vereinigten Staaten sind auf allerlei Situationen vorbereitet.
Tagelang hat man uns erzählt, da würden MiGJäger ausgeladen. In der Zwischenzeit weiß jeder, das das nicht der Tatsachen entspricht.
Alle diese Handlungsweisen der Vereinigten Staaten sind wider das Völkerrecht.
Alle diese Handlungsweisen der Vereinigten Staaten sind gegen den Geist von Contadora.
Alle diese Handlungsweisen sind wider den Geist der europäischen Konferenz von San José, um zum Frieden beizutragen. Das wollten die Europäer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie hier Zwischenrufe in bezug auf die Sowjetunion machen, dann muß ich ganz ehrlich sagen: Ich bedauere sehr, daß Sie den wichtigsten Bündnispartner in unserem Bündnis mit der Sowjetunion vergleichen. Diese Haltung, die Sie hier einnehmen, ist unmöglich.
In dieser Stunde möchte ich folgende Forderungen erheben: Erstens. Wir fordern von der Bundesregierung, daß in den Gremien unseres Bündnisses
und in der Europäischen Gemeinschaft sofort über Zentralamerika geredet wird.
Herr Abgeordneter Wischnewski, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich muß Ihnen das Wort entziehen; tut mir leid.
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer .
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Entschuldigung, ich bin heute morgen selbst etwas erregt, nachdem wir hier zu früher Stunde schon so erregende Reden gehört haben.Ich glaube, daß das, was von einigen Vorrednern gesagt worden ist, im Ton der Situation in Mittelamerika nicht entspricht.
Ich glaube, es hat keinen Wert, wenn wir hier eine emotionale Stimmung erzeugen. — Warten Sie doch bitte erst einmal ab, was ich sage. — Also, es hat keinen Sinn, wenn wir eine emotionale Stimmung hier noch aufheizen.Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir bei einer Beurteilung der Situation in Zentralamerika differenzieren müssen. Das gilt auch angesichts der Situation, in der in Nicaragua behauptet wird, es stünde eine Invasion unmittelbar bevor.
— Frau Gottwald, bei allem Verständnis für Ihre Erregung — ich kenne Ihr Engagement für Nicaragua —: Es besteht absolut kein Anlaß, die Invasion bereits vorauszusagen. Denn bisher gibt es dazu keine Vorbereitungen. Ich bitte Sie sehr herzlich darum, sich einmal zu fragen, wie eine solche Invasion militärisch überhaupt stattfinden soll. Es sind noch nicht einmal amerikanische Truppen in den
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7409
Schäfer
Nachbarländern, die für eine Invasion ausreichend wären.
— Warten Sie doch bitte erst einmal ab! Am Schluß sind Sie mit mir vielleicht einverstanden.
Ich kann darüber hinaus sagen: Eine Militarisierung, wie sie in Nicaragua jetzt stattfindet, ist ja nicht neu; sie hat schon vorher begonnen. Sie ist sicher beunruhigend, beunruhigend für uns, berunruhigend auch für die Entwicklung der Demokratie in Nicaragua. Die Einschränkung der Pressefreiheit nach den Wahlen ist stärker geworden. Das wird — natürlich — zwar alles mit einer bevorstehenden Invasion begründet, aber Sie müssen natürlich auch einmal die Gegenseite sehen: In Nicaragua bemüht man sich, diese angebliche Invasion zu benutzen, um auch seine eigene Macht auszubauen — nach einer Wahl, über deren Verlauf man sich zumindest streiten kann. Denn Sie wissen genausogut wie ich, daß wir alle vor den Wahlen Versuche unternommen haben zu erreichen, daß alle Parteien an dieser Wahl teilnehmen können, und daß es die Sandinisten waren, die eben nicht bereit waren, Zugeständnisse zu machen, die es ermöglicht hätten, daß alle Parteien teilnehmen.
So war die Situation.
Ich kann nicht akzeptieren, daß hier nur die Vereinigten Staaten verantwortlich gemacht werden, aber, meine Damen und Herren, ich kann auch nicht akzeptieren, daß man die Vereinigten Staaten in dieser — so möchte ich jetzt einschränkend und differenzierend sagen — Übergangsphase von der ersten zur zweiten Amtszeit des Präsidenten, wo der Kongreß nicht mehr tagt, nicht wirklich mahnen sollten, nicht ebenfalls dazu beizutragen, daß die Situation dort eskaliert.
Meine Damen und Herren, ich bin beunruhigt darüber — und das muß auch an die Adresse unserer Freunde in Washington gesagt werden —, daß es fortgesetzt Fehlinformationen des CIA gibt. Das ist nachweislich so.
Und ich bin beunruhigt darüber, daß die Vereinigten Staaten zwar erklärt haben, daß sie Contadora unterstützen, daß aber jetzt der amerikanische Außenminister — zu meinem absoluten Unverständnis — erklärt hat, es gehe aber nicht an, daß man Manöver in Nachbarstaaten in Zukunft ausschließe.
Damit nimmt er für die Vereinigten Staaten in Anspruch, was Contadora nicht will.
Meine Damen und Herren, so kann man Contadora natürlich nicht verwirklichen, und ich sage Ihnen, Herr Marx, das muß kritisch auch an die Adresse der Vereinigten Staaten gesagt werden!
Ich sage das auch, weil ich mich eben nicht in der Nähe der rechten Republikaner befinde, sondern bei den Kräften in den Vereinigten Staaten, die sich — genauso wie wir hier — das Recht herausnehmen, über diese Entwicklung besorgt zu sein.
Meine Damen und Herren, ich halte es für bedauerlich, wenn man den Contadora-Staaten, die sich wirklich bemüht haben, eine Lösung zu finden, und die dafür in Spanien einen Friedenspreis bekommen haben, inzwischen doch mit einem sehr massiven Druck vorschreibt, wie diese Akte verwirklicht werden soll. Ich halte das für die Entwicklung nicht förderlich.Ich muß Ihnen eines sagen: Ich habe dieses Land viermal besucht, in diesem Jahr zweimal, und ich bin sehr kritisch mit den Sandinisten — Herr Marx, wir stimmen in vielem überein —, aber die Behauptung, Nicaragua würde möglicherweise Honduras, Costa Rica oder El Salvador angreifen,
ist eine der dümmsten Erfindungen, die ich jemals gehört habe,
und dazu kann ich auch als deutscher Politiker nicht schweigen.
Wissen Sie, meine Damen und Herren, ich finde, wir können hier über die innere Situation von Nicaragua streiten,
und ich stimme mit all denen überein, die eine Verbesserung dort wollen. Meine liberale Partei und auch Ihre Coordinadora sollen an wirklich freien Wahlen teilnehmen, aber ich sage Ihnen: Das, was sich zur Zeit beispielsweise in Chile abspielt, halte ich für viel schlimmer. Dazu müßten wir hier viel deutlichere Worte finden.
Meine Damen und Herren, und noch ein letztes Wort: Das, was sich als eine Wahlfarce in der Republik Südafrika abgespielt hat, darf ich auch einmal in Vergleich hierzu setzen. Auch das war keine Wahl, die meine Unterstützung findet. Lassen Sie uns all diese Wahlfarcen kritisieren, nicht nur die von Nicaragua.
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7410 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Schäfer Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Klose.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nutze die kurze Redezeit, um vier Anmerkungen zu machen:Erstens: Die Zuspitzung der Lage in Zentralamerika ist, Herr Kollege Marx, ganz eindeutig nicht das Werk Nicaraguas,
sondern bewußte Politik von Teilen der US-Administration.
Die Kriegspartei — ich nenne sie so — hat ganz bewußt das Gerücht in die Welt gesetzt, die Sowjetunion habe MiG-Kampfflugzeuge an Nicaragua geliefert, die Sowjetunion schicke Waffen, die zur Verteidigung nicht benötigt würden, und es gebe — ich zitiere — genug Anzeichen, daß Nicaragua einen Angriff gegen El Salvador und Honduras planen könnte; allerdings gebe es dafür keine harten Beweise.Ziel solcher Gerüchte ist es doch ganz offensichtlich, in den USA und, wenn möglich, weltweit eine Krisen- und Kriegsstimmung zu erzeugen. Selbst der US-Außenminister hat das Durchsickernlassen von Nachrichtenmaterial über sowjetische Waffenlieferungen einen kriminellen Akt genannt, und der Sprecher des Außenministeriums hat diese Aussage ausdrücklich bestätigt.
Ich würde doch sehr gerne wissen, was die Bundesregierung zu diesem Punkt zu sagen hat, ob sie wenigstens in diesem Punkt mit dem US-Außenminister übereinstimmt.
Zweitens. Die Politik der USA ist ganz offen darauf ausgerichtet, die politische Lage in Nicaragua zu destabilisieren und die Sandinista zu vertreiben.
Die USA finanzieren die Contras, sie schicken Waffen und Berater, neuerdings Fallschirmjäger zum „Straßenbau",
haben die Häfen vermint, überfliegen Nicaragua jeden Tag in demonstrativer Weise, und der CIA bietet Handreichungen über Guerilla-Kriegsführung mit Anleitung zur Gewaltanwendung „gegen sorgfältig ausgewählte menschliche Ziele". Das allessind Maßnahmen, die in krassem Widerspruch zu den anerkannten Regeln des Völkerrechts stehen. Ich möchte wissen, was die Bundesregierung dazu sagt.
Dritte Bemerkung. Die USA haben nachweislich Truppen in Alarmbereitschaft versetzt,
Kriegsschiffe und Luftlandetruppen. Welchem Ziel dienen diese Maßnahmen? Der US-Außenminister erklärt, es gebe keine Pläne für eine Invasion für, wie er sagt, eine direkte Intervention. Dagegen hat Jesse Jackson, Bewerber um die Kandidatur der Demokraten, nach Pressemeldungen eine US-Invasion vorausgesagt.
Der Propagandafeldzug gegen die Sandinista spreche dafür, dergleichen habe es auch vor dem Angriff auf Grenada gegeben. Was sagt die Bundesregierung dazu?
Viertens. Das Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU, Kosolawow,
hat bei einem kürzlichen Besuch in Bogota erklärt, die Sowjetunion werde im Falle einer Invasion durch Truppen eines anderen Landes jede erforderliche Unterstützung leisten.
Was immer das heißen mag, kennt die Bundesregierung überhaupt diese Äußerung? Wenn ja: Wie bewertet sie diese Aussage? Sieht sie nicht die Gefahr einer gefährlichen militärischen Eskalation?
Das sind Fragen an die Bundesregierung, auf die wir eine konkrete Antwort erwarten. Mehr noch: Wir erwarten, daß diese Regierung mäßigend auf den NATO-Partner USA einwirkt.
Ich nutze die Gelegenheit, hier unsere Solidarität mit dem Volk von Nicaragua zu bekunden.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7411
KloseIch füge hinzu: Der Konflikt in Zentralamerika berührt uns unmittelbar moralisch, politisch und sicherheitspolitisch. Er ist gefährlich auch für uns.
Die Bundesregierung kann in dieser Situation nicht einfach abwarten und schweigen. Wer schweigt, macht sich mitschuldig.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Öffentlichkeit hat in den letzten Tagen mit Besorgnis die Entwicklung in Zentralamerika, vor allem in und um Nicaragua, verfolgt. Vor allem die Behauptung der nicaraguanischen Regierung, eine amerikanisch e Invasion stehe bevor, hat Aufsehen erregt.
Die amerikanische Regierung hat nicht nur vor zwei Tagen die Bundesregierung informiert, daß eine Invasion Nicaraguas durch die USA weder geplant
noch erwogen wird, sie hat dies auch eindeutig öffentlich klargestellt.
Die Behauptungen der nicaraguanischen Führung entbehren daher einer realen Grundlage.
— Wenn es Sie nicht allzusehr beeinträchtigt, wäre es j a möglich, daß Sie die Argumente der Bundesregierung hier anhören. —
Andererseits haben die USA immer wieder deutlich gemacht, daß eine Ausrüstung Nicaraguas mit modernen Kampfflugzeugen für die USA Anlaß zu Besorgnis wäre.
Dies hat die amerikanische Regierung auch der sowjetischen Seite unmißverständlich zu erkennen gegeben.Die Verschärfung des Konflikts beruht auf drei Elementen.
Erstens. Die Sowjetunion hat nach bisher vorliegenden Erkenntnissen erstmals in massiver Weise hochmoderne Waffen direkt an Nicaragua geliefert, während bisherige, über Kuba gelieferte Waffen nur weniger modernes Gerät umfaßten. Schon vor dem neuerlichen Rüstungsschub entwickelte sich die Armee Nicaraguas seit 1979 zu einer Militärmacht, die größer und besser ausgerüstet ist als die übrigen zentralamerikanischen Staaten zusammengenommen.
Zweitens. Die Friedensbemühungen der Contadora-Gruppe sind in einer schwierigen Phase.
Nicaragua ist nicht bereit, über weitere Änderungswünsche der Nachbarländer Honduras, El Salvador und Costa Rica zur Contadora-Akte zu verhandeln.
Die Bedenken dieser drei Länder richten sich vor allem dagegen,
daß eigene Konzessionen sofort erfolgen sollen, während Nicaragua erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach der Ratifikation, Forderungen vor allem auf dem Gebiet der Abrüstung erfüllen muß, die von seinen Nachbarn als entscheidend angesehen werden.
Drittens. Die Wahlen in Nicaragua haben die Macht der FSLN als Staatspartei bestätigt.
Die Polarisierung zwischen Regierung und Opposition hat sich noch verschärft, weil der Wahlkampf so verlaufen ist, daß für eine nationale Versöhnung kein Raum blieb.Die Bundesregierung hat die Regierung Nicaraguas immer wieder an ihr 1979 abgegebenes Versprechen erinnert,
die Revolutionsziele der Blockfreiheit, des Pluralismus und einer gemischten Wirtschaft zu verwirklichen.
— Es steht Ihnen frei, meine Kolleginnen, sich hier aufzuführen wie in einem Studentenparlament des ersten Semesters. Ich möchte hier ernsthafte Argumente vortragen.
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7412 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Staatsminister MöllemannEchte Blockfreiheit ist nach unserem Verständnis nicht mit der vor allem von Kuba vertretenen These verträglich, die Sowjetunion sei der „natürliche Verbündete der Dritten Welt".
Wer, wie es die Sandinisten schon im März 1980 getan haben, engste Parteiverbindungen zur KPdSU pflegt und massiv mit sowjetischer Hilfe aufrüstet,
darf sich nicht wundern, wenn die USA — zumal nach den Erfahrungen der Kuba-Krise — darauf empfindlich reagieren.Die amerikanische Regierung weicht, wie wir sehen, von der historischen Verantwortung der USA in Mittelamerika nicht aus. Sie hat erkannt, daß nur Demokratie und soziale Reformen die Stabilität in der Region gewährleisten können,
die auch für die Sicherheitsinteressen der USA und des Westens insgesamt so wichtig ist.
Die Unterstützung der Regierung Duarte in El Salvador gegen eine unversöhnliche extreme Rechte ist übrigens auch Ausdruck dieser Haltung.
Die USA sind aber nicht bereit, zu akzeptieren, daß die Sowjetunion in der Karibik und in Mittelamerika über Kuba hinaus Fuß faßt,
sei es, weil die UdSSR in Nicaragua einen Konflikt ausnutzen will, um die USA von ihrem Engagement in anderen Zonen abzulenken,
sei es, weil die Sandinisten der Illusion erliegen, sie könnten ihre Sicherheit erhöhen, indem sie diese mit sowjetischen strategischen Interessen verknüpfen.Der bisherige Junta-Koordinator und jetzige gewählte Präsident Daniel Ortega hat mehrmals die Beschaffung von MiG-21-Jägern aus der Sowjetunion oder Libyen öffentlich angekündigt.
Erst nachdem die USA deutlich gemacht haben, daß sie eine damit erfolgende Verschiebung des Kräfteverhältnisses in Mittelamerika nicht tatenlos hinnehmen würden, kündigte Ortega vorerst den Verzicht auf diese Kampfflugzeuge an.
Die Bundesregierung hat daher Verständnis dafür, daß die USA die Aufrüstung Nicaraguas und seine außenpolitische Orientierung an der Sowjetunion mit Besorgnis verfolgen.Die im September dieses Jahres in San José versammelt gewesenen Außenminister der EG, Spaniens und Portugals, Zentralamerikas und der vier Contadora-Staaten stimmten darin überein, daß die Konflikte der Region nicht mit Waffengewalt, sondern nur durch von der Region selbst ausgehende politische Lösungen beigelegt werden können.
Das ist die Antwort der Bundesregierung: ihr Engagement für solche friedlichen politischen Lösungsmodelle.
Sie wissen doch aus den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses, daß gerade der deutsche Außenminister am Zustandekommen dieser Konferenz großen Anteil hatte.
Deshalb hat die Bundesregierung die Bemühungen der Contadora-Staaten von Anfang an mit Nachdruck unterstützt. Die Akte für Frieden und Zusammenarbeit in Zentralamerika, deren revidierte Fassung die Contadora-Staaten am 7. September 1984 zur Diskussion gestellt haben, ist in San José als fundamentaler Schritt auf dem Weg zu einer Friedenslösung in Zentralamerika begrüßt worden. Auch die USA haben immer wieder betont, daß sie den Contadora-Prozeß unterstützen.
Außenminister Shultz hat dies gerade vor der Konferenz der amerikanischen Staaten in Brasilia wiederholt.
Der Friedensprozeß in Zentralamerika kann aber nur vorankommen, wenn das verlorengegangene Vertrauen unter den beteiligten Staaten wiederhergestellt wird. Dies erfordert geduldige Verhandlungen, bis ein Konsens zwischen allen Interessen wiederhergestellt ist.Die Bundesregierung ermutigt die Contadora-Staaten bei ihren Bemühungen, eine Lösung auf der Grundlage der Achtung der Prinzipien des Völkerrechts zu finden.
Das 21 Punkte umfassende Zieldokument der Contadora-Gruppe von 1983 ist dafür eine geeignete Leitlinie.Alle Staaten der Region sind sich im klaren darüber, daß eine Lösung auch die Interessen der USA in Betracht ziehen muß. In der bilateralen Verhandlung zwischen Nicaragua und den USA, für die inzwischen schon eine achte Runde vereinbart wurde, kommen ja substantielle Fragen der beiderseitigen
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7413
Staatsminister MöllemannInteressen zur Sprache. Die Bundesregierung hofft, daß auch bei diesen Verhandlungen eine Entspannung der Lage erreicht werden kann.Wir sind uns bewußt, daß die Konflikte in Zentralamerika in unserem Lande ebenso kontrovers und engagiert diskutiert werden wie in den anderen europäischen Ländern und in den USA selbst. Anders, als dies in der Sowjetunion der Fall ist, wird die amerikanische Politik dort ständig im Kongreß und in der Öffentlichkeit zur Debatte gestellt. Kritik gehört zu den Spielregeln der europäischen wie der amerikanischen Demokratie.
Wir lehnen es aber ab,
wenn manche bei uns damit einen emotionalen Antiamerikanismus verbinden.
Die Bundesregierung tritt für eine eigenständige — —
Meine Damen und Herren, ich bitte, in Ihren Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein.
Die Bundesregierung tritt für eine eigenständige europäische Politik in der Region ein, die die Interessen des Westens insgesamt im Auge hat. Dies kommt auch in der Initiative von Bundesminister Genscher zum Ausdruck, die zur San-José-Konferenz geführt hat.
Diese Politik richtet sich nicht gegen irgendeinen Staat, sondern ist auf Frieden und internationale Zusammenarbeit gerichtet.
Nun zwei abschließende Bemerkungen zu Fragen, die hier gestellt worden sind.
Die derzeit laufenden NATO-Manöver im Golf von Mexiko haben — das wissen mindestens die Kollegen des Verteidigungsausschusses, und zwar aller Fraktionen — mit der hier in Rede stehenden Problematik überhaupt nichts zu tun. Sie wissen, daß die Florida-Straße ebenso wie der nördliche Teil des Golfs von Mexiko innerhalb des NATO-Gültigkeitsbereichs liegen, daß dort NATO-Manöver zu jeder Zeit stattgefunden haben und daß sie mit der Situation dort nichts zu tun haben.
Ich denke, daß mindestens die sicherheitspolitisch interessierten Kollegen in der SPD das wissen.
Das zweite. Frau Kollegin Gottwald, Sie haben es für zweckmäßig gehalten, uns, die Regierung, und auch die Kollegen, die Ihre Position nicht teilen, ...
Herr Staatsminister, bitte kommen Sie zum Schluß!
Ja; ich komme zur letzten Bemerkung. — ... als eine ideologische Kampftruppe zu bezeichnen.
Ich lasse mir von Abgeordneten dieses Hauses, die sich selbst als überzeugte Marxisten bezeichnen oder jahrelang für den KB Dienst getan haben, solche Unterstellungen nicht machen und weise sie zurück.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Holtz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser wichtigster Verbündeter, die USA, hat einen weltpolitischen Zwerg, Nicaragua, gleichsam zum Hauptfeind in Lateinamerika erklärt. Es wäre gut, wenn wir den Bundesaußenminister hierzu hören würden.
Und es wäre gut, wenn deutlich würde, daß Abgeordnete nicht nur aus drei Bundestagsfraktionen in dieser Situation solidarisch an der Seite Nicaraguas stehen.
Trotz militärischer und terroristischer Aggression, die jetzt schon stattfindet,
trotz ökonomischen Boykotts und Sabotage,
trotz entwicklungspolitischer Blockade,
trotz einer gewaltigen Medienkampagne haben die Sandinisten an dem Wahlprojekt festgehalten.Trotz Veranstaltungsstörungen, Pressezensurmaßnahmen
und Meinungsdrucks, die ich verurteile,
muß festgehalten werden: Diese Wahlen vom 4. November 1984 stellen einen bedeutsamen Schrittzur Demokratisierung Nicaraguas dar, eines Lan-
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7414 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Holtzdes, das bisher keine demokratischen Strukturen kannte.
Die angesehene britische Zeitung „The Guardian" schrieb dazu, die Wahl vom 4. November sei die freieste Wahl, die das Land je hatte und vielleicht jemals haben wird.Die US-Regierung hat seit Monaten die Strategie verfolgt, die Wahl in Nicaragua vom 4. November als Scheinwahl zu brandmarken. Sie hat Druck auf Parteien ausgeübt, an diesen Wahlen nicht teilzunehmen
Wir sagen: Wir fänden es katastrophal, wenn diese Pflanze Demokratie von amerikanischen Militärstiefeln zertreten würde.
Aus einer geheimen Hintergrundstudie geht hervor, daß die US-Regierung der Auffassung ist, sie habe den ihr in der gegenwärtigen Fassung nicht genehmen Friedensplan der Contadora-Gruppe für Mittelamerika erfolgreich abgeblockt. Erzählen Sie hier also keine Märchen, Herr Möllemann, zum Contadora-Prozeß!
Hinter all diesem Tun kann nur das Ziel der amerikanischen Regierung, von der Bundesregierung unterstützt, stecken, die sandinistische Regierung zu stürzen, nicht etwa, weil dieses Land eine Invasion in andere Länder plant, sondern weil Nicaragua, das von der Somoza-Diktatur befreite Nicaragua, zu einem Hoffnungsträger für viele unterdrückte Massen in Lateinamerika geworden ist.
CSU-Minister Warnke wirft Nicaragua vor, es destabilisiere seine Nachbarländer. Wir werfen den USA vor, Nicaragua und damit die ganze Region zu destabilisieren.
Da wir mit den USA verbündet sind, tragen wir, ob wir es wollen oder nicht, im Angesicht der Weltöffentlichkeit und vor unserem eigenen Gewissen eine Mitverantwortung für das Verhalten unseres wichtigsten Bundesgenossen.
Reagan-Anhänger haben gerufen: Laßt Reagan Reagan sein! — Wir rufen Reagan zu: Laß Nicaragua Nicaragua sein!
Bei dieser Sachlage kommt es darauf an, intensive Kontakte mit Nicaragua und der sandinistischen Führung angesichts der Lebensbedrohung Nicaraguas weiterzuentwickeln. Gespräche zwischen den USA und Nicaragua sind hoffentlich nicht nur Scheingespräche. Der nationale Dialog inNicaragua im Interesse eines nationalen Konsenses muß gefördert werden. Die Friedensinitiative der Contadora-Gruppe gilt es stärker als bisher zu unterstützen. Und wir fordern einmal mehr die Bundesregierung auf, ihre entwicklungspolitische Blokkade gegenüber Nicaragua zu beenden und endlich die Gleichbehandlung, wie im Dokument von San José vorgesehen, gelten zu lassen.
Wir Sozialdemokraten erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei den USA auf die sofortige Einstellung aller verdeckten und offenen militärischen Einmischungen hinwirkt. Niemand kann eine Ausweitung des bewaffneten Kampfes verantworten. Darum muß jegliche Einmischung von außen eingestellt werden.Danke sehr.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1979 fand in Nicaragua eine Revolution statt, die eine Diktatur ablöste. Große Erwartungen wurden an diese Revolution gerichtet.
Und Tatsache ist, daß die Vereinigten Staaten dem neuen Regime rund 400 Millionen DM Hilfe zur Verfügung stellten,
80% westliche Hilfe gegenüber 20 % Hilfe, die aus dem Ostblock kam.
Die folgende Entwicklung war aber durch eine steigende Militarisierung gekennzeichnet. Heute hat Nicaragua mehr Soldaten als alle übrigen Nachbarstaaten auf dem Isthmus zusammen.
Dabei sind die Milizen noch nicht mitgerechnet.Es wäre sehr gut, meine sehr verehrten Kollegen zur Linken, wenn Sie nicht nur den Rassismus in Südafrika kritisierten, sondern auch die Liquidierungspolitik der Sandinisten gegenüber den Miskito-Indianern. Auch das ist Rassismus.
Betrachten wir die letzte Entwicklung: „Eine Schlägertruppe der Sandinisten terrorisiert im Wahlkampf die Kandidaten der Opposition." Ich zi-
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Dr. Müllertiere nur die „Süddeutsche Zeitung". „Das Land droht zu einem KZ zu werden. Die Sandinisten hatten die Lage verschärft." Das paßt Ihnen auch nicht, hat aber im „Spiegel" gestanden.„Einen der schwerwiegendsten Fakten in diesem Wahlkampf stellt der Mangel an bürgerlichen Freiheiten dar." Das hat Ihr Leib- und Magenblatt, die „Tageszeitung" aus Berlin, geschrieben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie hier aufstellen, ist doch ein Trugbild. Wer kämpft denn gegen das gegenwärtige Regime, das in marxistisch-leninistisches Fahrwasser gerät?
Es sind doch die alten Sandinisten, die dagegen kämpfen, und nicht Faschisten und Reaktionäre. Sie stehen auf der Seite der Kommunisten, aber nicht auf der Seite von Edén Pastora, nicht auf der Seite von Alfonso Robelo, nicht auf der Seite der Witwe des von Somoza ermordeten Herausgebers der „Prensa", die heute genauso verfolgt wird. Sie, Frau Gottwald, haben in einem Interview mit der „taz" gesagt — und ich danke Ihnen für diesen Zwischenruf —, daß Wahlen für Sie nichts bedeuteten.
Wir wissen, was wir von Ihrer Partei in diesem Zusammenhang halten können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im spanischen Bürgerkrieg gab es zwei Republikaner, die eine große Rolle spielten und auch heute eine Rolle spielen.
Der eine war Anarchist, der andere war ein Anhänger der Diktatur des Proletariats. Der Anarchist hat sich gewandelt, der andere, hoffe ich, auch. Der Anarchist sagt heute: Eine militärdemokratische Diktatur nach dem Vorbild Havannas wird in Nicaragua errichtet. Der ursprüngliche Sinn der revolutionären Bewegung wurde verfälscht. — Das war der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, Octavio Paz.
Ein anderer Friedenspreisträger, meine sehr verehreten Damen und Herren, hat auf einer Kundgebung, die vor der drohenden Invasion Nicaraguas warnen sollte, die jetzt bevorsteht und die im Januar, vor elf Monaten, geplant worden war, neben der Guerilla-Kommandantin Anna Guadeloupe Martínez gesprochen, die Blut an den Händen hat, um das ganz klar zu sagen.
Er — es ist Willy Brandt, meine Damen und Herren— hat in dieser Rede gesagt: Diejenigen, die gestern gegen Afghanistan protestiert haben, müssen heute wegen Nicaragua protestieren.Was haben die amerikanischen Fernseher gesehen, die Väter und Mütter der Soldaten, die hier in Europa stehen? Sie haben eine amerikanische Flagge brennen sehen und Willy Brandt daneben. Sie haben keine rote Fahne brennen sehen
und Willy Brandt daneben, weil er nie auf einer Kundgebung im Hofgarten wegen Afghanistan gegen die Sowjets gesprochen hat.
Es ist kein Wunder, daß der Verbündete der deutschen FDP, der Führer der Unabhängigen Liberalen in Nicaragua, der Herr Godoy Willy Brandt als den zehnten Kommandanten bezeichnet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bruderkuß mit Fidel Castro ist ein Judaskuß für die ursprünglichen Ideale der sandinistischen Revolution.
Wenn wir eines aus den Protesten der letzten Tagelernen können, die in der heutigen „taz" als „SpontiTheater" bezeichnet werden — Sie wirken dabeimit —,
dann müssen wir wissen, daß wegen Nicaragua auch gegen Nicaragua heißen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Fischer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur eine Anmerkung zu dem vorhergehenden Redebeitrag des Kollegen Müller machen. Herr Kollege Müller, ich halte nicht viel von Küssen im internationalen Bereich, aber besser einen Bruderkuß mit Fidel Castro getauscht, als von den weißen Rassisten einen Orden an die Ochsenbrust geheftet zu bekommen, den Ihr Vorsitzender Franz Josef Strauß dieser Tage erhalten hat.
— Herr Klein, wir sollten hier nicht weiter darüber philosophieren.
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7416 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Fischer
Meine Damen und Herren, mir scheint heute hier in diesem Hause wirklich die Doppelmoral zu triefen.
Hier wird davon gesprochen, daß die Wahlen in Nicaragua unfrei waren. Ich würde mir wünschen, wir — alle Fraktionen zusammen — wären im außenpolitischen Bereich solche Musterdemokraten, daß wir jedesmal dann, wenn Wahlen beeinflußt werden, wenn sie nicht wirklich frei sind, gemeinsam aufschreien könnten. Aber was sagen Sie etwa zu den Wahlen in El Salvador? In El Salvador konnten christdemokratische Oppositionelle teilweise gar nicht zur Wahl auf dem Land antreten, weil sie dort im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gehackt wurden.
Was sagen Sie denn zu Guatemala? In Guatemala reicht eine Bibelstunde, für Indianer auf dem Lande abgehalten, damit sie von den Todesschwadronen liquidiert werden.
Was sagen Sie denn zu Chile? In Chile werden jetzt wieder Stadien gefüllt, in denen auch Christdemokraten sitzen, meine Damen und Herren. Hierzu hätte ich mir Ihre Stimme gewünscht.
Dann wären Sie wesentlich glaubwürdiger gewesen.
— Herr Marx, seien Sie doch mal ruhig. Sie haben sich vorhin als senilisierter Christkönigskrieger wider die Weltrevolution erwiesen. Der Unsinn, den Sie hier gesagt haben, verdient nun weiß Gott keine Erwiderung mehr.
Weiter bei dieser Doppelmoral. Es werden die sowjetischen Waffenlieferungen bedauert. Ich bedauere sie auch. Aber nun seien Sie doch einmal ehrlich: Was würden Sie in der Situation machen, wenn bewaffnete Gruppen — während Sie relativ waffenlos sind —,
die eindeutig von den USA unterstützt, mit Waffen ausgerüstet und mit Logistik versehen werden, den Bürgerkrieg von den Grenzen ins Land tragen würden? Dann kommen die USA und sagen, man darf keine Waffen nehmen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das hat nichts mit Marxismus zu tun. Das wissen Sie auch ganz genau.In einer ähnlichen Situation würden Sie und ich Waffen nehmen, woher man sie bekommt!
— Eindeutig!Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn ich nationale Unabhängigkeit zu verteidigen habe — —
— Schauen Sie nach Afghanistan. Den Freiheitskämpfern in Afghanistan wird vorgeworfen, sie erhielten Waffen von der CIA. Nicaragua wird vorgeworfen, es erhalte Waffen von der Sowjetunion. Dieses Spiel ist mehr als durchsichtig. Es ist nichts anderes als eine Moral, die an einer kruden Blocklogik orientiert ist.Ich will es an einem weiteren Beispiel erläutern.
Ich hätte mir heute in dieser Debatte gewünscht, jemand von der Oppositon hätte mir den Unterschied zwischen Polen und Nicaragua erklärt. Welche Möglichkeit hat denn ein Land, das in die Interessensphäre einer Supermacht eingebunden ist, einen eigenständigen Weg sozialer Befreiung zu gehen — im Osten wie im Westen? Dazu sagen Sie nichts.
Die Manöver gab es auch in Polen. Die Invasionsdrohung gab es auch in Polen. Wenn Sie sagen: Es gibt keine Invasionsdrohung, so sage ich Ihnen: Der Verteidigungsminister der USA hat es gesagt, der Außenminister der USA hat es gesagt.
Die UNO-Botschafterin Jeane Kirkpatrick hat gesagt: Innerhalb von drei Monaten nach den Wahlen werden wir mit dem sandinistischen Spuk ein Ende machen.Meine Damen und Herren, wenn hier eine Position vertreten wird, die glaubwürdig sein soll,
dann darf sie nicht einäugig oder holzäugig sein.
— Herr Marx, man muß vielmehr sehen, daß es in Ost und in West Länder gibt, die gegen die Interessen ihrer Vormächte versuchen, einen eigenen Prozeß nationaler Unabhängigkeit in Gang zu setzen.
Hier sind wir mit unseren eigenen Interessen gefragt.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. In dieser wichtigen Überlebensfrage — da mag man von dem Prozeß in Nicaragua halten, was
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Fischer
man will — wissen wir GRÜNEN, wo wir zu stehen haben, nämlich an der Seite der Unabhängigkeit und Freiheit Nicaraguas.
Das Wort hat Herr Bundesminister Warnke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Wahl des Themas „US-Intervention in Nicaragua" haben Sie von den GRÜNEN für die Bevölkerung in den vier zentralamerikanischen Nachbarstaaten von Nicaragua die Lage auf den Kopf gestellt.
Nicht eine amerikanische Intervention steht in diesen Staaten der zentralamerikanischen Region auf der Tagesordnung, sondern erstens die Abkehr von der feierlich verkündeten Blockfreiheit durch die Sandinisten und — jetzt zitiere ich wörtlich das Staatsoberhaupt eines zentralamerikanischen Landes, Mitglied der Sozialistischen Internationale — die Eingliederung der Sandinisten in die Achse Kuba—Sowjetunion, zweitens die friedensgefährdende Überrüstung im Verhältnis zu allen anderen Staaten Zentralamerikas — 50 000 Mann regulär, 70 000 Mann Miliz —,
drittens die aktive und gegen das Völkerrecht verstoßende Destabilisierung der Region durch die Bemühungen,
Nachbarregierungen durch Unterstützung der gegen sie gerichteten Aufstandsbewegungen im eigenen Lande zu stürzen,
viertens — das ist wahrscheinlich das Wichtigste — die Aufgabe der Möglichkeit zu einem friedlichen Wechsel im Innern Nicaraguas, zu dem sich die Sandinisten vor der Weltöffentlichkeit feierlich mit ihrem Versprechen zur Einführung wirklicher Demokratie in Nicaragua bekannt hatten, von dem sie heute aber abgerückt sind.
Ich bin Herrn Kollegen Marx dankbar, daß er den Schriftbeweis für die nach wie vor bestehende Einstellung der Junta geführt hat, auf keinen Fall eine Ablösung des Sandinismus durch Wahlen zuzulassen.
Solcher Druck erzeugt Gegendruck. Das ist ganz klar.
Der Schlüssel zur friedlichen Entwicklung in Zentralamerika liegt aber in Managua. Wenn wir heute erstens den Verzicht auf Unterstützung der Aufständischen in benachbarten Ländern durch die sandinistische Junta bekommen,
wenn zweitens eine Regelung des kontrollierten Abzugs auswärtiger Berater und eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses durch die nicaraguanische Regierung nicht nur verbal unterstützt, sondern auch in der Wirklichkeit durchgesetzt wird,
dann werden wir Schritte auf dem Wege zur friedlichen Lösung weitergekommen sein.Meine Damen und Herren, der Sandinismus muß aber vor allem klarstellen,
daß er keine Heilsbotschaft für Zentralamerika mit einem unverückbaren Machtanspruch in Nicaragua darstellt, sondern daß die Sandinisten marxistische Sozialisten sind,
die sich heute im Wettbewerb mit demokratischen Sozialisten, mit christlichen Demokraten, mit Liberalen, mit Konservativen auch dem Risiko des Machtwechsels in Nicaragua in wirklich freien Wahlen zu stellen haben.
Solange sie das nicht tun, wird der Frieden in die Region nicht einkehren.
Wenn der Herr Kollege Holtz einen Hoffnungsschimmer in Nicaragua gesehen hat und die nicaraguanischen Sandinisten als Hoffnungsträger bezeichnet hat: Warum hat er nicht von den Schlägertrupps gesprochen, von den Turbas Divinas, die in der Vorbereitung der Wahlen diese Hoffnung zusammengeschlagen haben?
Meine Damen und Herren, es ist selbstzerstörerische Verblendung,
hier auf die Vereinigten Staaten die Verantwortungfür eine Entwicklung abschieben zu wollen, für die
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7418 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Bundesminister Dr. Warnkedie innernicaraguanische, sandinistische Regierungsjunta die Verantwortung trägt.
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, suchen die Verantwortung einseitig.
Sie suchen sie auf der falschen Seite, und Sie haben sich heute in die Nachbarschaft solcher Elemente begeben, wie sie hier durch den Vorredner präsentiert worden sind,
die unsere Gemeinschaft der Werte, das freie Verteidigungsbündnis der NATO
dadurch diskreditieren — —
Meine Damen und Herren, ich bitte, mit Ihren Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein. Ich bitte, dem Redner zuzuhören. Ich bitte um Zurückhaltung.
Sie unterstellen uns hier heute — ohne Widerspruch von sozialdemokratischer Sei-
te —,
daß die NATO ein Bündnis sei, welches die Menschenrechte mißachte und den Frieden nicht verteidige, sondern gefährde.
Meine Damen und Herren, wir haben die Neuzusagen an Nicaragua in der Entwicklungshilfe eingestellt, solange sich die nicaraguanische Regierung nicht nachhaltig vom Kurs der Destabilisierung abwendet.
Herr Bundesminister, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Ihre Redezeit zu Ende ist.
Wir wollen und werden den Menschen in Nicaragua helfen.
Die Bundesregierung wird so, wie sie es in der Vergangenheit getan hat, in der Gegenwart und in der Zukunft über Nichtregierungsorganisationen, über die Kirchen den Menschen in Nicaragua Hilfe zur Verfügung stellen, die nicht ideologisch mißbraucht werden kann. Ich möchte von diesem Pult aus die Kirchen ermutigen, nichtgenutzte Spielräume auszunutzen, damit wir der Bevölkerung von Nicaragua Hilfe zu ihrer Entwicklung zuteil werden lassen können. Die Bundesregierung ist dazu bereit.
Das Wort hat der Abgeordnete Lamers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie, Herr Kollege Fischer, haben ebenso wie Frau Kollegin Gottwald heute in der Tat ein weiteres Mal sehr klargelegt, wo Sie stehen,
jedenfalls nicht in unserem Lager, im Lager des Westens, im Lager der Werte, die der Westen vertritt.
Zweitens möchte ich hier einmal in aller Deutlichkeit feststellen, daß es zwischen den Sozialdemokraten und den Koalitionsparteien in einem Punkt völlige Übereinstimmung gibt, nämlich darin, daß wir gemeinsam für eine politische, für eine friedliche Lösung der Konflikte in Zentralamerika eintreten. Ich möchte nachdrücklich daran erinnern, daß der Bundeskanzler auf seiner Reise diesem Prinzip insbesondere in seinem Gespräch mit dem mexikanischen Präsidenten de la Madrid Nachdruck verliehen hat.
Ich möchte daran erinnern, daß die Konferenz von San José im wesentlichen der Bekräftigung dieses Prinzips gedient hat. Das heißt selbstverständlich auch, daß wir gegen eine militärische Lösung des Konfliktes sind.
Meine Damen und Herren, da die Gründe gegen eine solche Lösung evident sind, bin ich der festen Überzeugung, daß auch die Vereinigten Staaten eine solche Lösung nicht ins Auge fassen.
Natürlich wäre ein militärischer Sieg möglich, aberjedermann weiß, daß die Probleme mit dem Siegeigentlich erst anfingen und daß die innen- und
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Lamersaußenpolitischen Kosten zu Hause, in Lateinamerika und in Europa in gar keinem Verhältnis zu dem Ergebnis stünden.
Die Vereinigten Staaten wissen so gut wie wir, daß der Krieg nicht in der Lage ist, politische Probleme zu lösen.
Im Gegenteil, häufig sind es die militärischen Mittel, die den politischen Zweck verderben.Aber meine Damen und Herren, wir müssen uns einmal fragen: Was sind eigentlich die Gründe für die Zuspitzung in Nicaragua?
Hier wird so getan, als seien diese Gründe allein auf seiten der Vereinigten Staaten. Ich muß sagen: Das ist eine derartige Verkennung der wirklichen Entwicklung in Nicaragua, daß man sich wirklich fragen muß, woher Sie Ihre Sympathien nehmen.
Herr Kollege Holtz, Sie haben ja die Entwicklung in Nicaragua geradezu verherrlicht.Was ist aber geschehen? Lange bevor von einer militärischen Unterstützung der USA für Contras die Rede sein konnte, gab es die Militarisierung, gab es eine Militarisierung im Innern, gab es Aufrüstung und gab es die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Nachbarn. Wenn jetzt die Sandinisten unmittelbar vor den Wahlen ganz offenkundig aus taktischen Gründen einen Dialog angekündigt haben, so muß man doch leider feststellen, daß sie die Aufforderung unserer Freunde in Nicaragua vor weit einem Jahr, diesen Dialog aufzunehmen, mit Hohn und Spott bedacht, ja als Landesverrat bezeichnet haben.
Erst heute, meine Freunde, wo sie unter erheblichem Druck stehen, tun sie zumindest so, als seien sie bereit, einen Dialog zu führen. Ich kann nur hoffen, daß dies endlich eine ernsthafte Sache wird und daß Sie diesen Dialog nicht nur aus taktischen Gründen führen, sondern daß sie wirklich mit allen demokratischen Kräften — die es auch bei den Contras gibt, wie Sie sehr gut wissen — diesen Dialog führen.
Denn wir sind in der Tat der Überzeugung, daß dies der einzige Weg für eine friedliche Lösung des Konfliktes auch in diesem Lande ist, wie wir das auch in El Salvador gesehen haben.Danke schön.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Luuk.
In Mittelamerika, meine Damen und Herren, steht die Welt in diesen Tagen am Rande einer Katastrophe. Es hat selten Wahlen gegeben, bei denen politische Führungen mit so großen Mehrheiten bestätigt wurden und die dennoch derart fatale Folgen gezeitigt haben, wie dies gegenwärtig im Verhältnis zwischen Washington und Managua der Fall ist.Offensichtlich hat Präsident Reagan nach seinem hohen Wahlsieg das Gefühl, nun freie Hand für eine aggressivere Politik in Mittelamerika zu haben, und die Bestätigung der Sandinisten durch die Wähler in Nicaragua reizt Washington offenbar zu einer weiteren Verschärfung seines Drucks.Seitdem spielt sich um Nicaragua ein Nervenkrieg ab, der alles dort bisher Dagewesene in den Schatten stellt, ein Nervenkrieg, der zu den allerschlimmsten Befürchtungen Anlaß gibt, der eine militärische Auseinandersetzung vorbereiten kann und vielleicht auch soll, die mit einer Katastrophe in der gesamten mittelamerikanischen Region enden muß.Die Reagan-Administration hat den Machtwechsel in Nicaragua nie akzeptiert. Die Situation ist heute dermaßen verhärtet, daß der amerikanische Verteidigungsminister öffentlich erklären kann, die USA seien für alle Arten von Unfällen gerüstet, ohne daß er von seinem Präsidenten zurückgepfiffen wird.Was passiert hier heute morgen? Die Konservativen in diesem Land begehen wieder einmal den katastrophalen Fehler: sie verwechseln das Anschmiegen an unsere westliche Vormacht, das kritiklose Übernehmen ihrer Argumente und das ideologische Mitläufertum mit Politik.
Wo ist denn unsere Glaubwürdigkeit? Wo sind denn unsere hehren Ideale geblieben? Wie wollen wir das denn der jungen Generation in unserem Land klarmachen, wenn wir es zulassen, daß Druck von außen, Drohung und Aggression dazu führen, daß Nicaragua ökonomisch, militärisch und politisch niedergemacht wird?Unser wichtigster Bündnispartner gibt ein schlechtes Beispiel, wenn er elementare Regeln der internationalen Zusammenarbeit über Bord wirft und ohne Rücksicht auf Verluste seine Interessenpolitik treibt.
Wo bliebe denn die Überzeugungskraft unserer Moral, wenn wir eine militärische Intervention gegen Nicaragua schweigend hinnehmen? Das nenne ich eine doppelte Moral:
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7420 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau Luukim Falle Nicaraguas zu schweigen, aber den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan vor der großen Völkerfamilie zu Recht verurteilen zu wollen.Wir dürfen uns nicht in die Tasche lügen. Eine Intervention in Nicaragua hätte die gleiche völkerrechtswidrige Qualität wie der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan.
Es muß doch in dieser Debatte bedrücken, daß Argumente nicht mehr wahrgenommen werden, daß Sie bei der CDU, die kalten Krieger, die Helme wieder aufgesetzt haben und ihre Denkapparate abgeschaltet haben,
daß Sie ebenso kritiklos wie unterwürfig die falschen Positionen verteidigen.
Der Bundeskanzler hat in Stresa gegenüber Bet-tino Craxi einen Satz gesagt, auf den wir hier gerne Bezug nehmen wollen. Präsident Reagan — so der Kanzler — stehe nach seinem Wahlsieg auf dem Höhepunkt seiner Macht —, so ist es — und habe jetzt freie Hand, Politik für die Zukunft zu machen; darin müsse Europa ihn bestärken.
Dies ist im Ost-West-Dialog sicherlich hoch an der Zeit. Aber es ist sicherlich ebenso an der Zeit, diesen Dialog nicht nur über den Atlantik, sondern auch über den Golf von Mexiko mit dem amerikanischen Hinterhof zu intensivieren. Auch darin müssen wir Europäer den amerikanischen Präsidenten bestärken.Es wird noch in diesem Monat ein Treffen Kohl/ Reagan geben. Es wäre höchst angebracht, wenn es sich nicht darauf beschränken würde, daß sich der deutsche Bundeskanzler im Glanze eines amerikanischen Wahlsiegers freundlich zu sonnen und angesichts der Unbillen der Politik hierzulande zu wärmen suchte, sondern, wenn er ganz konkret die tiefe Besorgnis in unserem Lande über die Zuspitzung der Situation in Mittelamerika zum Ausdruck brächte.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sandinisten kündigen nun seit Tagen in dramatischer und dramaturgisch effektvoller Weise den militärischen Angriff der USA an. Aber mindestens zwanzigmal ist ein solcher Angriff präzise vorhergesagt worden, oft wurde das genaue Datum angegeben.
Aber jedesmal geschah nichts, und auch diesmal wird es wieder so sein.Die Sandinisten wissen nur allzugut, daß die USA allenfalls in zwei Fällen ein militärisches Eingreifen in Erwägung ziehen würden, nämlich erstens, wenn das hochgerüstete Nicaragua seine Nachbarn, von denen Costa Rica nicht einmal einen einzigen Mann unter Waffen hat, überfallen würde, oder zweitens, wenn sie das Land Nicaragua zu einer Basis für sowjetische Angriffswaffen machen würden. Davor allerdings warnen die USA nun die Sowjets sehr deutlich. Da sich dadurch die Sowjetunion über die Situation im klaren ist, wird sie mit Sicherheit ein Abenteuer in dieser Region nicht eingehen. Weil aber auch die Sandinisten gewarnt werden, wird es einen Angriff gegen die Nachbarn von seiten Nicaraguas ebenfalls nicht geben. Dann aber werden die USA wie auch in der Vergangenheit einen Anlaß zu einem militärischen Eingreifen in Nicaragua nicht sehen.Daß nun die Sandinisten dennoch in hysterischer Weise den Angriff der USA dauernd vorhersagen, hat natürlich seine Gründe. Sie liegen in der typischen Verhaltensweise einer Diktatur.
Um von den innenpolitischen Schwierigkeiten und der Unfähigkeit zur Lösung wirtschaftlicher Probleme abzulenken, muß die angebliche Bedrohung von außen herhalten.
Ein Feindbild wird ständig neu aufgebaut, um die Bürger wieder zur Loyalität gegenüber dem totalitären Staat zu veranlassen.Die Völker dieser Region sind mündiger geworden. Sie lassen sich nicht mehr durch Militärdiktaturen rechter oder linker Herkunft unterdrücken. Wer eine demokratische Wahlentscheidung wie in Nicaragua nicht zuläßt, ruft den Widerstand der Bevölkerung hervor.Sie, die GRÜNEN, gehören zu denjenigen, die ihren Vätern und Großvätern vorwerfen, daß sie geschwiegen haben oder gar Mitläufer eines Regimes gewesen sind, das die demokratische Opposition unterdrückte und die Bürger der totalitären Staatsmacht unterwarf. Wie sich doch die Bilder gleichen: politische Schlägertrupps, Bespitzelung und Unterdrückung durch Blockwarte, geheime Staatspolizei und Volksgerichte, dazu ständig militärische Aufrüstung! Meine Damen und Herren, was wäre den europäischen Völkern erspart geblieben, wenn damals Frankreich, England und die USA rechtzeitig
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Dr. Pingermassiv davor gewarnt hätten, ein europäisches Nachbarland zu überfallen!
Nun wird mit Recht darauf hingewiesen, daß beachtliche und positive politische Erfolge in Nicaragua erzielt worden sind, bei der Alphabetisierung und im Gesundheitswesen.
Aber hat man, meine Damen und Herren, damals nicht auch darauf hingewiesen, daß die Arbeitslosen von der Straße geholt und Autobahnen gebaut worden sind?
- Es gibt Parallelen, auf die hingewiesen werden muß. — Meine Damen und Herren, zum enthusiastischen Bejubeln eines Regimes wie in Nicaragua besteht überhaupt kein Anlaß.
Zu erklären sind die Jubelchöre für Nicaragua nur aus der Möglichkeit zur Äußerung von Ressentiments und Feindschaft gegen die USA. Antiamerikanismus ist für viele das eigentliche Motiv, wie seinerzeit z. B. in Kambodscha und im Iran.
Aber ich frage mich: Wer interessiert sich heute noch für den Zustand in diesen Ländern? Massendemonstrationen zugunsten der leidenden Bevölkerung gibt es heute jedenfalls nicht.
Sie, die GRÜNEN, haben den Bundestag heute mißbraucht, um Ihrem Antiamerikanismus hier Gehör zu verschaffen und gleichzeitig ein Regime hochzujubeln, das unter dem Beifall der ganzen Bevölkerung damals, 1979, eine Demokratie versprochen hatte und jetzt in Wirklichkeit statt dieser Demokratie durch Scheinwahlen eine Militärdiktatur zu legitimieren versucht. Dagegen wehren wir uns.Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe den Punkt 27 der Tagesordnung sowie die Zusatzpunkte 8 bis 10 auf:
Parteienfinanzierung und Unabhängigkeit des politischen Mandats
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Flick- und Spendenaffäre
— Drucksache 10/2380 —
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Parteienfinanzierung und Unabhängigkeit des politischen Mandats
— Drucksache 10/2386 —
Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Flick- und Spendenaffäre
— Drucksache 10/2388 —
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine gemeinsame Beratung des Punktes 27 der Tagesordnung und der Zusatzpunkte 8 bis 10 und eine Aussprache von fünf Stunden vorgesehen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bötsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorgänge der letzten Wochen haben viele Bürger dieser Republik zum Nachdenken angeregt, bei nicht wenigen Diskussionen, Zweifel und auch berechtigte Kritik ausgelöst. Dies ist in einem freien Lande selbstverständlich. Wie kein anderes Organ unseres Staates ist der Deutsche Bundestag dazu berufen, Kritik aufzunehmen und da, wo es notwendig ist, Mängel und Fehler zu korrigieren.Mit der heutigen Debatte zu Fragen der Parteienfinanzierung und zur Unabhängigkeit des politischen Mandats will meine Fraktion deshalb dazu beitragen, Klarheit zu schaffen, Zweifel auszuräumen und verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Vor allem wollen wir den mündigen Bürgern die Sicherheit geben, daß nur sie — und ausschließlich sie — darüber zu bestimmen haben, wer dieses Land und seine Bewohner regiert.Diesem Zweck dient der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP gemeinsam eingebrachte Entschließungsantrag. Wir bedauern es, daß es zu keinem gemeinsamen Entschließungsantrag mit der SPD gekommen ist. Wir betrachten das Verhalten insoweit als widersprüchlich, als Herr Dr. Vogel den Entschließungsantrag der SPD den übrigen Fraktionsvorsitzenden zwar zugesandt und mitgeteilt hat, man könne sich ihm anschließen, es aber dann zu ernsthaften Gesprächen über Formulierungen überhaupt nicht gekommen ist.
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7422 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. BötschHerr Dr. Vogel, ich glaube, Sie müssen der Öffentlichkeit erklären, wie dieses Verhalten zu bewerten ist.
Die Debatte gibt uns Anlaß, über politische Parteien insgesamt, über uns selbst, über die Fragen der Parteienfinanzierung und einige damit zusammenhängende Probleme nachzudenken. Die Existenz politischer Parteien ist unverzichtbare Voraussetzung für den Bestand und die Funktionsfähigkeit der großen demokratischen Staaten mit freiheitlicher Grundordnung. Die Parteien sind gewissermaßen der Eckstein der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Ohne politische Parteien gäbe es diesen Staat Bundesrepublik Deutschland und gäbe es dieses Parlament nicht.
Die Väter unseres Grundgesetzes haben diesem bedeutenden Umstand Rechnung getragen, indem sie in die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland Rechtssätze über die politischen Parteien aufnahmen. Das ist ein Novum in der deutschen Geschichte. So erwähnt die Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 die Partei in Art. 130 nur negativ. Dessen Abs. 1 lautet: „Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei." Auch das deutsche Wahlgesetz der damaligen Zeit spricht nicht von Parteien, nur von Wählergruppen. Die politischen Erfahrungen der Jahre 1919 folgende haben den Parlamentarischen Rat bewogen, in Art. 21 des Grundgesetzes Regelungen über das Parteienrecht aufzunehmen. Daß dieser Verfassungsartikel bestimmt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit", ist die logische Konsequenz aus der in Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes getroffenen Festlegung: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt."Die Fraktionen des Deutschen Bundestages waren sich in allen Legislaturperioden ihrer besonderen Verpflichtung aus der erwähnten Verfassungsbestimmung bewußt. Sie haben sich, vom Bundesverfassungsgericht dabei unterstützt und teilweise auch erst auf den rechten Weg gebracht, bemüht, den Anforderungen von Art. 21 des Grundgesetzes gerecht zu werden. Diesen Bemühungen ist aber wohl nicht ganz der Erfolg beschieden gewesen, wie die bis zum heutigen Tag andauernden Diskussionen über die Parteienfinanzierung beweisen.Aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, daß heute eine Debatte zu dem Thema „Parteienfinanzierung und Unabhängigkeit des politischen Mandats" stattfindet. Ich bin zuversichtlich, Herr Dr. Vogel, daß dieses Parlament — wie Sie in Ausführungen vor dieser Debatte hofften — die Nagelprobe seiner Glaubwürdigkeit bestehen wird.Wenn es nun darum geht, die von Ihnen beschworene Vertrauenskrise zu überwinden, sind allerdings nicht nur — wie Sie meinen — Bundeskanzler und Koalitionsparteien aufgefordert, hierzu Wege aufzuzeigen. Dieser Appell muß in gleicher Weise an Ihre eigene Partei gerichtet werden.
Denn die SPD kann heute nicht so tun, als gehe sie die ganze Sache nichts an und als könne sie die Rolle des Anklägers übernehmen.Ich hoffe, daß die heutige Debatte auch dazu beitragen wird, das böse Gerede von der Käuflichkeit dieses Staates und seiner Politiker zu widerlegen.
Die Öffentlichkeit soll wissen: Das Verhalten und Handeln der Mitglieder dieses Hauses entspricht den Anforderungen, die unser Grundgesetz stellt, und wo dies nicht der Fall ist, sind Instrumente vorhanden, oder es müssen ergänzende Regularien geschaffen werden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Ein unbefangener Leser könnte aus den wohlklingenden Formulierungen von Art. 21 des Grundgesetzes, vor allem wenn er ihn isoliert betrachtet, falsche Schlüsse ziehen. So wichtig diese Bestimmung auch ist, die Bundesrepublik Deutschland ist kein „Parteienstaat", wie wir ihn in totalitären Regimen finden. Zwar sind die Parteien nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in das Verfassungsgefüge inkorporiert — eingebunden —, jedoch ist es nicht gerechtfertigt, von einer „Verstaatlichung der Parteien" zu sprechen. Einer solchen weitgehenden Identifizierung von Staat und Parteien steht das heutige Selbstverständnis unserer Parteien entgegen. Bereits die Formulierung „wirken mit" schließt eine Monopolstellung aus.
Die entscheidende Absage an den „Parteienstaat" bringt Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes — hören Sie jetzt genau zu —:Sie— damit sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gemeint —sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Hier, meine Damen und Herren, haben wir die zentrale Norm unseres Parlamentsrechts. Wir können deshalb diese Bestimmung unserer Verfassung, die das freie Mandat gewährleistet, nicht hoch genug einschätzen. Dieser Artikel macht das Spannungsverhältnis deutlich, in dem sich der Abgeordnete
— Warten Sie doch ab! Ich komme noch darauf; ich kann nicht alles in einem Satz sagen, geschweige denn in einem Halbsatz.Dieser Artikel also macht das Spannungsverhältnis deutlich, in dem sich der Abgeordnete als Vertreter des gesamten Volkes einerseits und als Expo-
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Dr. Bötschnent einer konkreten Parteiorganisation andererseits befindet.Die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" hat sich in den 70er Jahren eingehend mit Art. 38 des Grundgesetzes befaßt und die Auffassung vertreten, daß das in Art. 38 verankerte Institut des freien Mandats ein notwendiges Strukturelement der parteienstaatlichen parlamentarisch-repräsentativen Demokratie ist. Im Zusammenhang mit den Reformvorschlägen zur Regelung des Abgeordnetenstatus bei Veränderung der Partei- oder Fraktionszugehörigkeit hat sich die Kommission deshalb dafür ausgesprochen, die Grundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 uneingeschränkt aufrechtzuerhalten und jede Änderung zu unterlassen.Im Spannungsgefüge der beiden genannten Artikel haben wir die Freiheit des Mandats vor Einwirkungen, die aus der Partei selbst oder aber von dritter Seite kommen, zu schützen.Und jetzt sollten Sie zuhören: Eine Abberufung durch die Partei während der Legislaturperiode gibt es nicht.
Ein von Abgeordneten abgegebenes Versprechen, das Mandat zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses niederzulegen, ist unwirksam. Wer von seinem Abgeordneten den Mandatsverzicht verlangt, fördert nicht die Basisdemokratie, sondern muß sich die Frage nach seinem eigenen Verfassungsverständnis stellen lassen.
Um die durch Art. 38 geschützte Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten sicherzustellen, haben diese nach Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung". Dadurch sollen sie von einer mit finanziellen Zuwendungen verbundenen Einflußnahme durch Dritte frei sein.Darüber hinaus ist es den Abgeordneten jedoch nicht verwehrt, einen Beruf auszuüben. Es liegt im Interesse der Basisnähe dieses Parlaments, wenn möglichst viele Abgeordnete ihren erlernten Beruf ausüben, so berufliche Lebenserfahrung mit in die Entscheidung einbringen und später wieder in ihren erlernten Beruf zurückkehren.
Etwas anderes ist es allerdings, wenn Abgeordnete aus einem Vertragsverhältnis Bezüge erhalten, ohne die hierfür geschuldeten Dienste zu leisten.
Die Verfassung verlangt nämlich, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, gesetzliche Vorkehrungen dagegen. Abgeordnete, die geschuldete Dienste nicht leisten, aber Bezüge deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen irgendeines Zahlenden vertreten, handeln pflichtwidrig. Persönliche Einkünfte aus derartigen Tätigkeiten sind mit der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar.
Der weitere Komplex sind die Spenden an politische Parteien. Wer die Notwendigkeit politischer Parteien bejaht, muß auch die Ausstattung der Parteien mit ausreichenden Mitteln sicherstellen, um sie in die Lage zu versetzen, die ihnen nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können. Der Gesetzgeber hatte, wie die Entwicklung zeigt, Schwierigkeiten, sich auf diesem Gebiet, das für ihn Neuland bedeutete, zurechtzufinden. Mehrmals mußte das Bundesverfassungsgericht auch korrigierend eingreifen, dessen Rechtsprechung zur Parteienfinanzierung allerdings auch nicht immer eine einheitliche Linie erkennen ließ.
Die Union hatte, Herr Dr. Vogel, rechtzeitig dazu aufgefordert, die bestehenden Unklarheiten durch eine Neuordnung der Parteienfinanzierung zu beseitigen. Vor allem der CDU-Vorsitzende und heutige Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich um eine einvernehmliche Regelung des schwierigen Problemkreises spätestens schon seit Mitte der 70er Jahre eingehend bemüht, aber kein Gehör bei den damaligen Regierungsparteien gefunden, insbesondere nicht bei der SPD.
Die dringend gebotene gesetzliche Regelung hätte längst in Kraft treten können. Wir hätten uns viel Arger und Enttäuschung erspart, und unsere Mitbürger hätten wir von einer um sich schleichenden Staatsverdrossenheit bewahren können.
Es ist der Initiative der Regierung Kohl zu verdanken, daß die seit langem fällige Regelung im Jahre 1983 dann tatsächlich zustande gekommen ist.
In dem am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Gesetz haben wir einen Weg gefunden, der die Parteien vor staatlicher Abhängigkeit, aber auch vor der Einflußnahme von Kräften außerhalb des Staates schützt. Wir halten deshalb mit dem Bundesverfassungsgericht eine völlige, aber auch eine nur überwiegende Deckung des Finanzbedarfs der Parteien aus öffentlichen Mitteln für nicht vertretbar.Wie die vom Bundespräsidenten berufene Sachverständigenkommission sind wir der Auffassung, daß neben der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung, neben den Mitgliedsbeiträgen auch Spenden zur Finanzierung der Arbeit der Parteien nicht nur notwendig, sondern unverzichtbar sind.
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7424 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. BötschDie Kommission hat zu Recht ausgeführt: Sie sind verfassungspolitisch erwünscht und unentbehrlich, wenn die Staatsunabhängigkeit der Parteien gewahrt bleiben soll.Die Erfahrungen der letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig es ist, in diesem hochsensiblen Bereich, in dem es auch um die Unabhängigkeit der Abgeordneten geht, die verschiedenen Sachverhalte und ihre rechtliche Einordnung auseinanderzuhalten. Weil es schwer ist, die verschiedenen Bereiche klar zu trennen, erweckten manche in der Öffentlichkeit den Eindruck, die Politiker dieses Staates seien käuflich. Der Herr Bundestagspräsident ist dieser Behauptung in seiner Antrittsrede zu Recht mit Entschiedenheit entgegengetreten.
Wo aber dieser Eindruck geblieben ist, müssen wir klarstellen: Das weisungsfreie Mandat des Abgeordneten verträgt nach Art. 38 des Grundgesetzes keine finanzielle Beeinflussung. Deshalb stehen wir voll und ganz hinter dem Beschluß, mit dem der Ältestenrat die Rechtsstellungskommission beauftragt hat — ich zitiere —, „die Verhaltensregeln daraufhin zu überprüfen, ob sie ihrer Zielsetzung entsprechend auch in Zukunft als ausreichend angesehen werden können oder gegebenenfalls der Überarbeitung oder der Erweiterung bedürfen. Die Prüfung soll auch darauf erstreckt werden, ob die Verhaltensregeln gegebenenfalls in verschärfter Form in das Abgeordnetengesetz aufgenommen werden sollten."Hier befinden wir uns auf dem richtigen Weg, um das Problem in den Griff zu bekommen. Die weitergehenden Forderungen nach Transparenz, die uns das Schlagwort vom „Abgeordneten mit den gläsernen Taschen" beschert haben, stiften m. E. mehr Schaden als Nutzen, weil sie der Unabhängigkeit des politischen Mandats abträglich sind.Ich freue mich, daß Sie, Herr Dr. Vogel, den gläsernen Abgeordnetentaschen eine Absage erteilt haben, wenn ich ein Interview mit der „Esslinger Zeitung" richtig deute. Hier würden nämlich Orwellsche Visionen im Jahre 1984 tatsächlich Wirklichkeit, allerdings nur für Parlamentarier.
Das Grundgesetz und unsere gesamte Rechtsordnung messen dem Schutz der menschlichen Persönlichkeit besondere Bedeutung bei.
Dem verfassungskräftigen Gebot der Achtung der Intimsphäre des einzelnen steht die Forderung, die Einkünfte und Vermögensverhältnisse von Abgeordneten einer unbegrenzten Transparenz zu unterwerfen, entgegen. Hier wird der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung unverhältnismäßig beeinträchtigt mit der Gefahr neuer Abhängigkeiten, die mit dem freier. Mandat im Sinne unserer Verfassung nicht mehr in Einklang stehen.Hinzu kommt, daß die in einer ganzen Reihe von Gesetzen ausdrücklich vorgeschriebene Geheimhaltung — wie etwa das Steuergeheimnis — nicht mehr gewährleistet wäre. Für gewisse Berufsgruppen brächte dies erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Wie etwa sollte sich z. B. ein dem Deutschen Bundestag angehörender Unternehmer, Handwerker, Freiberufler im Wettbewerb behaupten können, wenn er einem größeren Kreis Einzelheiten über seine Vermögensverhältnisse offenbaren müßte, die Rückschlüsse etwa auf die Bonität seines Betriebs zuließen?Dies ist ein anderer Themenbereich, als er dem Auftrag des Untersuchungsaussschusses zugrunde liegt; denn dieser hat zu klären — und darauf muß noch einmal hingewiesen werden —, ob und gegebenenfalls in welcher Weise es der Flick-Konzern unternommen hat, auf Entscheidungen von Mitgliedern des Deutschen Bundestags, der Regierung, der Verwaltung oder sonstiger Stellen der Bundesrepublik Deutschland Einfluß zu nehmen. Wir sind auch der Auffassung: Der Untersuchungsausschuß sollte sorgfältig, aber auch zügig beraten, damit in absehbarer Zeit die Untersuchungen zum Abschluß kommen können.Mit aller Entschiedenheit weisen wir dabei Versuche zurück, Bundeskanzler Kohl und seine Regierung ins Zwielicht und mit einer Angelegenheit in Verbindung zu bringen, die von der Regierung Schmidt zu entscheiden war.
Bei der Vernehmung des Bundeskanzlers durch den Untersuchungsausschuß ist das von SPD und GRÜNEN in trauter Eintracht inszenierte Vorhaben gegen die derzeitige Bundesregierung in sich zusammengebrochen. Helmut Kohl hat vor dem Untersuchungsausschuß nachgewiesen, daß er als damaliger Oppositionspolitiker mit der von den Ministern der Regierung Schmidt erteilten Genehmigung für den Flick-Konzern nichts zu tun hatte. Das gleiche gilt natürlich für Franz Josef Strauß, dem nach seiner gestrigen Vernehmung als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß ebenfalls nicht der geringste Vorwurf gemacht werden kann.
Treffend hat Rudolf Bauer in der „Rheinischen Post" vom 8. November 1984 die Situation kommentiert:Die Kontakte der SPD zur Wirtschaft, besonders zur Großindustrie, waren weitaus besser als die der CDU.
Denn viele Unternehmer halten es stets mit den Regierenden, und damals gefiel manchen von Ihnen, daß Schmidt mit Hilfe der FDP ärgsten Sozialismus verhinderte und zugleich die Gewerkschaften verhältnismäßig ruhighielt. Kohl war für den Ausschuß wohl die falsche Adresse. Schmidt hat ihn damals zu Recht weder gefragt noch eingeweiht.Zum Thema Untersuchungsausschuß noch eine allgemeine Bemerkung. Auch dieser Untersuchungsausschuß wird wie viele seiner Vorgänger
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7425
Dr. Bötschder Reformdiskussion Nährstoff geben müssen. Ist es nicht Zeit für eine gesetzliche Regelung? So müssen wir uns fragen. Der Boden hierzu scheint aufbereitet zu sein.
— Sie scheinen nicht zugehört zu haben, Herr Kollege.
Die bereits erwähnte Enquete-Kommission Verfassungsreform hat umfangreiche Vorschläge für eine gesetzliche Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse vorgelegt. In Anlehnung daran hatten unsere Fraktionsmitglieder in der 8. Wahlperiode des Deutschen Bundestags den Entwurf eines Gesetzes über die Untersuchungsverfahren des Deutschen Bundestages eingebracht, der damals ein Opfer der Diskontinuität geworden ist. Das Provisorium des Entwurfs der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft hat unseres Erachtens ausgedient. Ich meine, der Gesetzgeber ist jetzt zum Handeln aufgerufen.
Lassen Sie mich zusammenfassend aus tiefster Überzeugung sagen: Die Bundesrepublik Deutschland ist keine käufliche und keine gekaufte Republik.
Sie war es nicht unter Bundeskanzler Konrad Adenauer. Sie war es nicht unter den Bundeskanzlern Erhard und Kiesinger. Sie war es nicht unter den Bundeskanzlern Brandt und Schmidt. Und sie ist es auch nicht unter Bundeskanzler Helmut Kohl.
Solange die Unionsparteien die Politik dieses Landes an verantwortlicher Stelle mitgestalten, wird es nie und nimmer dazu kommen. Unsere Väter haben diesen Staat nach dem Zusammenbruch des menschenverachtenden nationalsozialistischen Gewaltregimes unter größten Entbehrungen und schwierigsten Umständen wieder aufgebaut und eines der freiheitlichsten Staatswesen der Welt geschaffen. Auch im 35. Jahr seines Bestehens haben die Bürger allen Grund, auf diesen unseren Staat stolz zu sein.
Wir Mitglieder des Deutschen Bundestags tragen eine hohe Verantwortung für diesen Staat und seine Bürger. Die Freiheit, die uns Art. 38 des Grundgesetzes bei der Wahrnehmung unseres Mandats einräumt, ist nicht grenzenlos. Wenn wir vor den Bürgern unseres Staates bestehen wollen, müssen wir die Freiheit des Art. 38 so gebrauchen, daß wir das Ergebnis unseres Wirkens vor unserem Gewissen jederzeit verantworten können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate, das, was im Zusammenhang mit dem Flick-Komplex und dem Parteispenden-Komplex an immer neuen Einzelheiten bekannt geworden ist, hat die Glaubwürdigkeit der Politik und der Parteien nachhaltig erschüttert. Die Folge dieser Erschütterung ist eine Krise — nicht eine Staatskrise, wie da und dort vorschnell behauptet worden ist, aber eine Vertrauenskrise, und das ist schlimm genug. Es geht an die demokratische und parlamentarische Substanz, wenn unser Volk ernsthaft daran zweifelt, ob wichtige inhaltliche und personelle Entscheidungen von denen getroffen werden, die es in freier Wahl dazu bestimmt hat, oder ob sie nicht in Wahrheit von der Chefetage eines Großkonzerns in unserem Lande ausgehen,
wenn unser Volk zweifelt, daß nicht Argumente, sondern Geld entscheidet. Und es geht an die Substanz, wenn der Eindruck entsteht, daß nicht mehr gleiches Recht für alle gilt, daß mit zweierlei Maß gemessen wird.Sie, Herr Bundeskanzler, werden nicht müde, zu sagen, Sie könnten nirgends eine Krise entdecken. Die Umfragen, so haben Sie im Fernsehen dem Volk mitgeteilt, zeigten, daß doch alles in Ordnung und alles voller Optimismus sei.
Herr Bundeskanzler, ist das wirklich Ihr Ernst? Und wenn es Ihr Ernst ist: Wo leben Sie eigentlich? Sagen Ihnen nicht wenigstens Ihre Fraktionskollegen, was die Menschen landauf und landab reden? Hören Sie nicht einmal auf den neuen Bundestagspräsidenten, der in seiner Antrittsrede die Vertrauenskrise mit beredten Worten beklagt hat, oder auf Ihren eigenen Generalsekretär, der neuerdings, anders als Sie, ebenfalls von einer Vertrauenskrise spricht?
Und wissen Sie wirklich nicht, warum die Parteien, die schon vor 1983 im Bundestag vertreten waren, in diesem Jahr bei jeder Wahl Stimmen verloren haben, voran die Ihre, entgegen Ihren voreiligen Behauptungen auch bei der letzten Gemeindewahl in Baden-Württemberg?
Und wissen Sie wirklich nicht, — —
— Meine Damen und Herren, ich möchte HerrnKlein und der Union jede Gelegenheit zur Selbstdarstellung, auch der deutschen Öffentlichkeit ge-
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7426 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Vogelgenüber, lassen. Lärmen Sie, wo Ihnen die Argumente fehlen.
Wissen Sie wirklich nicht, warum die einzige Partei, die es vor 1983 noch nicht gab, die GRÜNEN, von Wahl zu Wahl Stimmen gewinnen? Sind Sie wirklich, Herr Kollege Kohl, noch nicht auf den Gedanken gekommen, das könne etwas mit der Vertrauenskrise zu tun haben,
in die der Flick-Konzern und ihm willfährige Politiker, aber auch eigene Fehler, die betroffenen Parteien gestürzt haben? Ist Ihnen der Gedanke fremd? Außerdem — —
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich mit den Zwischenrufen etwas zurückzuhalten.
Ich kann diese Art von Zwischenrufen, meine Damen und Herren, nur begrüßen. Sie geben der Öffentlichkeit die Gelegenheit, sich ein Urteil zu bilden.
Außerdem: Herr Bundeskanzler, lesen Sie eigentlich gar keine ausländischen Zeitungen mehr?
Sie haben doch noch bei der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1985 am 12. September dieses Jahres so fleißig aus der „Financial Times" zitiert. Warum zitieren Sie denn in den letzten Tagen und Wochen die internationale Presse nicht mehr, etwa die Londoner „Times", die am Montag dieser Woche — und ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung, Herr Bundeskanzler —
in einem Kommentar unter anderem schrieb — —
— Sie müssen aber ein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie jetzt schon in dieser Art und Weise reagieren.
Sie haben doch den Kommentar noch gar nicht gehört.
Diese angesehene konservative Zeitung schrieb in ihrem Kommentar am Montag dieser Woche wörtlich:
Die Flick-Affäre in Westdeutschland enthüllt wie Watergate die Schwächen und die Stärken einer parlamentarischen Demokratie ... Die Stärke der westdeutschen Demokratie ... zeigt sich im Wagemut jener Staatsdiener, die als erste die Rechtsverletzungen aufdeckten; sie zeigt sich in der Energie der freien Presse, die ... die Versuche der Regierung zur Vertuschung vereitelte; und sie zeigt sich nicht zuletzt in der Integrität der Parlamentarier, die bei der Offenlegung des Skandals helfen.
Dann fährt die „Times" fort:
Kanzler Kohl's Reaktion auf die Affäre war so wie bei jeder anderen Krise im Laufe seiner Regierungszeit. Er strich die Segel, schloß die Luken
— schreibt die „Times" —
und wartete auf das Abklingen des Sturmes. Dennoch gibt es in Deutschland und selbst in seiner eigenen Partei
— Sie sind nicht gemeint, Herr Klein —
zunehmend das Gefühl, daß diese Reaktion moralisch wie politisch unangemessen sei.
Daß Sie dieses Gefühl nicht haben, Herr Klein, das will ich Ihnen gerne glauben.
Der Bundeskanzler sagt uns immer noch, es gebe keine Krise, es gebe nur eine Kampagne, eine Kampagne von Leuten, die Ihnen, Herr Bundeskanzler, ans Leder wollten,
die Sie stürzen wollten. Sie nennen diese Leute öffentlich und zitierbar „Staatsverderber". Herr Bundeskanzler, wen meinen Sie da eigentlich? Die Medien etwa, die die Mißstände beim Namen nennen und damit nicht nur ein Recht ausüben, sondern ihre Pflicht tun? Sind denn alle Journalisten, die nicht bedingungslos auf Ihrer Seite stehen, in Ihren Augen „Staatsverderber"?
Was für ein Staatsverständnis, was für ein Verständnis von der Funktion der Presse in einer freiheitlichen Gesellschaft haben Sie eigentlich, wenn Sie zu solchen Argumenten greifen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie sind nicht der Staat, Sie sind — wie wir alle — ein der öffentlichen Kritik und Kontrolle
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7427
Dr. Vogelunterworfener und auswechselbarer Diener dieses Staates und dieser Republik.
Dieser Staat, Herr Bundeskanzler, wird auch dann nicht verdorben sein, wenn Sie nicht mehr Kanzler sind; er wird auch dann der Staat unseres Grundgesetzes sein und bleiben.
Außerdem, was heißt „Kampagne", was heißt „Verleumdung" und „Diffamierung"? Nehmen Sie denn die Tatsachen, die schon jetzt feststehen, überhaupt nicht zur Kenntnis? Es ist doch Tatsache, daß sich zwei ehemalige Bundesminister und nach dem jetzigen Verfahrensstand ein Repräsentant des Flick-Konzerns ab Januar 1985 vor dem Landgericht Bonn wegen des Verdachts verantworten müssen, die Steuervergünstigung für den Konzern sei im Wege der Bestechung zustande gekommen.
Es ist doch Tatsache und keine „Verleumdung", daß ein Bundestagspräsident zurücktreten mußte, weil er sein politisches Amt, seine privaten Einkommensverhältnisse und seine Beziehungen zu dem Konzern nicht streng genug auseinandergehalten hat, sondern den Eindruck einer unguten Verquikkung entstehen ließ. Es ist doch Tatsache, daß sich der maßgebende Repräsentant dieses Konzerns, der Mann, der übrigens schon zum Repräsentanten der gesamten deutschen Wirtschaft gewählt war, seines Einflusses auf personelle und inhaltliche Entscheidungen
in einer Weise und in einer Sprache rühmte, über die man nur erschrecken kann; daß er Herrn Barzel „an die Leine legen"; daß er Herrn Gaddum und Sie „ausstatten" wollte; daß er Politikern Parteispenden bar oder bargeldlos aushändigte oder zukommen ließ;
daß sich der gleiche Herr aus Verhandlungen meiner Fraktion von einem Mann unterrichten ließ, der mit dem Konzern in einem mit Vergütung verbundenen Vertragsverhältnis stand; daß Herr Biedenkopf — kurz darauf Ihr Generalsekretär — die Absicht, Sie an die Stelle von Herrn Barzel als Parteivorsitzenden treten zu lassen, sehr frühzeitig mit eben diesem Herrn besprach und daß in diesem Zusammenhang auch das schlimme Wort vom „Sozialfall" fiel, den es zu verhindern gelte.Dies alles sind doch keine Verleumdungen. Was ich hier darstelle, sind doch alles Tatsachen.
Tatsache ist auch, daß alle Parteien, die vor dem 1. Januar 1983 Spenden empfangen haben, zugeben mußten, dem Veröffentlichungsgebot des Gesetzes zuwidergehandelt zu haben.
Tatsache ist weiter, daß die Staatsanwaltschaft in einer Vielzahl von Fällen wegen des Verdachts ermittelt, Parteien seien in großem Umfang Gelder unter Verstoß gegen die Steuergesetze, also unter gleichzeitiger Steuerhinterziehung zugewendet worden.
— Meine Herren, in der Veranstaltung von Sprechchören müssen Sie noch Fortschritte machen. Das ist noch sehr unkoordiniert.
Allein für die Staatsbürgerliche Vereinigung e. V. 1954 Köln/Koblenz, die ihren Sitz 1957 unter einer sozialdemokratischen Landesregierung von Köln nach Koblenz verlegt hat, wird ein Betrag von deutlich über 200 Millionen DM genannt, der allein in den Jahren von 1969 bis 1980 zunächst in die Schweiz und dann auf weiteren Umwegen an CDU/ CSU und FDP geflossen sein soll.Meine Damen und Herren, Tatsache ist schließlich
— die Selbstreinigung, die Überwindung einer Krise beginnt mit der Aufhellung der Fakten, der Tatsachen —, daß eine Koalitionspartei die Öffentlichkeit längere Zeit glauben machen wollte, ihr seien 6 Millionen DM von einem Unbekannten auf ein Konto überwiesen worden, während heute feststeht, daß der Ehrenvorsitzende — —
— Meine Damen und Herren, Sie müssen ein verdammt schlechtes Gewissen haben, wenn Sie so reagieren.
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7428 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie alle, etwas zurückhaltender zu sein und Ihre Leidenschaften zu mäßigen.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klein ?
Herr Präsident, ich bitte um Verständnis,
daß ein Kollege, der mich zunächst ohne Kritik als Heuchler beschimpft, nicht die Gelegenheit bekommt, eine Zwischenfrage zu stellen.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, ich werde diese Frage an Hand des Protokolls klären. Der Herr Abgeordnete Klein bestreitet, dies gesagt zu haben.
Ich frage Sie, ob Sie jetzt eine Frage des Herrn Abgeordneten Klein beantworten wollen.
Nein, ich gestatte keine Frage.
Ich bitte im übrigen — das gebe ich zu erwägen —, daß mir die Zeit, die mir durch die Tumulte und lärmenden Störungen von meiner Redezeit verlorengeht, nicht angerechnet wird.
Tatsache ist, daß eine Koalitionspartei die Öffentlichkeit längere Zeit glauben machen wollte, ihr seien 6 Millionen DM von einem Unbekannten auf ihr Konto überwiesen worden,
während heute feststeht, daß der Ehrenvorsitzende dieser Partei die Spende eingeworben hat und den Spender deshalb selbstverständlich von Anfang an kannte.
Dennoch ließ er im Rechenschaftsbericht seiner Partei die Veröffentlichung zu, es handle sich um eine anonyme Spende.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sind die Tatsachen, die ich eben aufgezählt habe,
nicht genug, um Vertrauen in unserem Volk zu erschüttern? Für wie dickfellig, für wie abgebrüht halten Sie eigentlich unser Volk,
wenn Sie nicht erkennen, daß dies Vertrauen schädigt?
Wir glauben, es ist genug. Nein, wir glauben, es schon zu viel.
Deshalb darf nichts beschönigt oder gar vertuscht werden. Wir müssen vielmehr alles tun, um die Vertrauenskrise zu überwinden, um den Selbstheilungs- und Reinigungsprozeß zu beschleunigen.
Das Gift, das sich da angesammelt hat, muß beseitigt werden, und zwar rasch.Ich sage ganz betont: Wir müssen handeln. Ich sage es auch deshalb, weil nicht nur eine Partei, sondern alle Parteien, auch die meine, Fehler gemacht haben.
Aber den Bundeskanzler trifft kraft seines Amtes besondere Verantwortung. Diese Verantwortung trifft ihn auch persönlich;
denn der Bundeskanzler hat sein Amt mit dem immer wieder erhobenen Anspruch der geistig-moralischen Erneuerung, dem Anspruch der moralisch-politischen Wende, der Forderung nach Rückkehr zu den preußischen Tugenden angetreten.Was ist eigentlich geschehen, um den Worten Taten folgen zu lassen, um dem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust zu begegnen? Wenig genug. Vieles, was Sie getan oder unterlassen haben, hat den Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust sogar noch gesteigert. Sie haben nach Erhebung der Anklage gegen einen Bundesminister diesen im Amt belassen, obwohl jeder kleine Beamte in der gleichen Situation bis zur Klärung der Vorwürfe sofort vom Dienst suspendiert wird.
Sie haben im Handstreichverfahren eine Amnestie durchsetzen wollen. Der Satz, den Sie dazu am 18. Mai 1984 vor der Jahresversammlung des Bundes Deutscher Industrie gesagt haben, ist unvergessen. Der schlimme Satz lautet wörtlich:
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7429
Dr. VogelUnd ich denke,— gemeint war die Amnestie —das werden wir jetzt durchkämpfen, egal auf welchem Wege, ob mit oder ohne Vorlage.Sie haben die Krise um Herrn Dr. Barzel zwei Wochen lang schwelen lassen, statt gleich zu Beginn ein für alle Parteien und alle Beteiligten hilfreiches und klärendes Wort zu sprechen.
Sind das alles Stationen der geistig-moralischen Erneuerung? Ich behaupte nicht — ich habe das bei jeder Gelegenheit wiederholt —, daß wir die Fraktion und die Partei, für die ich spreche, ohne Fehler seien. Vielmehr wiederhole ich noch einmal: Auch in unserem Bereich sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zur Abwendung der aus diesen Fehlern drohenden Schäden da gehandelt,
wo Sie untätig geblieben sind.
Wir haben den Antrag auf Einsetzung des FlickUntersuchungsausschusses gestellt. Wir haben beim Bundesverfassungsgericht mit Erfolg auf die Herausgabe der Akten geklagt, die dem Ausschuß zunächst vorenthalten worden sind. Wir haben jede Amnestie abgelehnt. Sie sagen — und das ist richtig— auch bei uns sei ein Amnestievorschlag erörtert worden.
Das haben wir nie bestritten, aber Sie haben nach Erörterung zur Amnestie ja gesagt und sie durchsetzen wollen; wir haben nach Erörterung nein gesagt und sie bekämpft. Das ist der entscheidende Unterschied.
Jetzt versuchen Sie, abzulenken. Sie eröffnen Nebenkriegsschauplätze und verbreiten allerlei Legenden. Die Handwerkerlegende zum Beispiel. Aber wo ist denn der Handwerker, der wegen einer Spende von 10 000 oder 20 000 DM verurteilt worden ist? Dann die Legende von der Rechtsunsicherheit— zu der leider auch Sie, Herr Kollege Bötsch, heute wieder einen Beitrag geleistet haben —, die erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1979 behoben worden sei.
Aber wo steht denn in diesem Urteil — Sie haben essicher gelesen, Herr Bötsch — ein Satz, der nichtauch schon in den Urteilen von 1958 und 1968 zursteuerlichen Begünstigung von Spenden an politische Parteien gestanden hätte?
Im Karlsruher Urteil von 1958 heißt es bekanntlich wörtlich — ich muß es vorlesen, weil Sie immer wieder Unklarheit behaupten —:Aus dem Vorstehenden ergibt sich,— so sagt der Senat des Gerichtes —daß auch solche Spenden, die für allgemeine staatspolitische Zwecke an eine juristische Person gegeben werden, weder mittelbar noch unmittelbar einer politischen Partei zufließen dürfen.Auch nicht auf dem Umweg über die Schweiz, was ich hinzufüge. Wo ist denn da die mangelnde Rechtsklarheit?
Weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verzögerungslegende: Sie behaupten — auch das haben Sie leider heute wieder gesagt, Herr Kollege Bötsch —, wir hätten uns einer klaren Regelung der Parteienfinanzierung widersetzt. Aber die Unklarheit gab es doch gar nicht, und widersetzt haben wir uns der von Ihnen unablässig geforderten völligen Gleichstellung der Parteien mit den gemeinnützigen Verbänden und Institutionen, weil eine solche Regelung, wie Sie sie wollten, eindeutig verfassungswidrig ist.
Ob übrigens die von der Sachverständigenkommission 1983 vorgeschlagene, durch einen Chancenausgleich modifizierte Gleichstellung, deren Aufnahme in das Gesetz Sie mit sehr großem Nachdruck betrieben haben, der Prüfung in Karlsruhe standhält, ist durchaus nicht unzweifelhaft und bleibt abzuwarten. Wir haben bei der zweiten Lesung durch unseren Redner, Herrn Schmude, darauf hingewiesen.
— Lieber Herr Bötsch, das Gesetz hat eine ganze Reihe von Klarstellungen und Verbesserungen gebracht:
das Verbot der Umwegfinanzierung, das Verbot der Auslandsfinanzierung. Hätten wir das ablehnen sollen, weil ein Punkt verfassungsmäßig zweifelhaft ist?
Ferner die Duldungslegende: Sie sagen immer wieder, die Finanzbehörden hätten jahrzehntelang gewußt und geduldet, daß die zur Sammlung von Parteispenden gegründeten Vereinigungen rechtswidrig von ihnen als gemeinnützig entgegengenommene unversteuerte Gelder vor allem an Ihre Partei und die FDP weitergeleitet haben. Diese Duldung,
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7430 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. VogelHerr Bundeskanzler — ich glaube, nun sollte man genau zuhören —, ist doch bislang öffentlich und konkret nur den seit 1957 für die Staatsbürgerliche Vereinigung, die 1957 aus Nordrhein-Westfalen nach Koblenz wegging, zuständigen Finanzbehörden des Landes Rheinland-Pfalz vorgeworfen worden, deren Verhalten ein Untersuchungsausschuß des rheinland-pfälzischen Landtags gegenwärtig mit großer Akribie untersucht. Sie sollten sich nicht wundern, Herr Bundeskanzler, wenn angesichts Ihrer immer wiederholten Duldungsbehauptungen gerade in bezug auf diese Staatsbürgerliche Vereinigung auch an Sie Fragen gestellt werden. Dies um so mehr, als — dies möchte ich jetzt hier vor dem Plenum des Bundestags noch einmal ganz deutlich sagen — der Berufsverband der Steuerbeamten, dem sie doch sonst immer mit Wohlwollen begegnen, insgesamt und speziell der nordrhein-westfälische Finanzminister Posser für Nordrhein-Westfalen diese Duldungslegende mit aller Schärfe und Eindeutigkeit zurückgewiesen hat.
Sie wissen doch auch, daß die Strafgerichte, die bisher entschieden haben, diese Duldungsthese bislang nicht in einem Fall akzeptiert haben.
Noch weitere Legenden: die Spendenverteufelungskampagne. Sie behaupten — das klang heute auch durch —, Spender würden insgesamt diskriminiert. Wir Sozialdemokraten haben zu keiner Zeit legale Spenden verteufelt, auch nicht in den letzten Wochen und Tagen dieser Auseinandersetzung.
In den Verhaltensrichtlinien meiner Partei vom Mai 1981 heißt es wörtlich:Spenden von Einzelpersonen oder Organisationen sind eine aktive Unterstützung der Parteiarbeit. Sie sind abzulehnen, wenn sie vom Spender erkennbar in der Absicht gegeben werden, wirtschaftliche Vorteile zu erreichen oder wenn sie die Partei hindern könnten, ihre durch Programm und Beschlüsse festgelegte Politik zu betreiben.Dazu bekennen wir uns. Natürlich gilt den Spendern, die uns demgemäß aktiv unterstützt haben, unser Dank. Das sage ich auch von dieser Stelle.
Bleibt schließlich die Kampagnenlegende; mit der habe ich mich schon auseinandergesetzt. Sie ist die abwegigste von allen und wird auch von der gesamten ausländischen Presse — nicht nur von der „Times", die hier noch immer zur Verfügung steht — so beurteilt und so gesehen.Nein, meine Damen und Herren, mit Ausflüchten, mit taktischen Winkelzügen werden wir der Vertrauenskrise nicht Herr.
All diese Ausflüchte lassen das Mißtrauen der Bürger weiter wachsen. Wenn wir wieder festen Bodenunter die Füße bekommen wollen, dann müssen wiruns über die jetzt aktuellen und konkreten Fragen hinaus auch grundsätzlichen Fragen stellen.Herr Präsident, meine Damen und Herren, natürlich bedeutet Verfügungsgewalt über Kapital und Produktionsmittel Einfluß und auch Macht; nur ein Blinder kann das bestreiten. Die Bändigung und die Kontrolle dieser Macht ist gerade für uns Sozialdemokraten stets ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema gewesen.
Um diese Bändigung und Kontrolle haben wir ein Jahrhundert lang mit denen gekämpft, die diese Kontrolle und Bändigung, die die Unterordnung auch der wirtschaftlichen Macht unter das Allgemeinwohl nicht wollten. Dieser Kampf, in dem wir Rückschläge, aber auch historische Erfolge erzielt haben, ist noch nicht zu Ende; er dauert an, etwa auf dem Gebiet der Mitbestimmung.
Jetzt geht es in der Auseinandersetzung aber um einen anderen Punkt; um einen Punkt, über den wir uns eigentlich verständigen können und über den wir einig sein sollten. Es geht darum, daß nämlich die finanziell Starken auf die politische Willensbildung des Parlaments und der Regierung durch Einsatz finanzieller Mittel keinen stärkeren Einfluß nehmen dürfen als die finanziell Schwächeren. Daß eine Million Mark nicht mehr bedeutet als eine Million Stimmen bei einer freiheitlichen Wahl.
Das ist dann aber nicht nur eine Rechtsfrage. Das beginnt nicht erst bei der Bestechung. Das beginnt schon bei der Vermeidung des bösen Scheins.
Sie wissen, ein Richter kann schon als befangen abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Wir sind keine Richter, aber — das ist eine Lehre aus den Erfahrungen der letzten Monate und Jahre —: Wir — ich sage bewußt: wir — sollten in Zukunft alles vermeiden, was uns in den Augen der Wählerinnen und Wähler als befangen oder als abhängig erscheinen läßt.
Das heißt, manches von dem, was wir bisher als angängig, zumindest aber als hinnehmbar angesehen haben — was Herr Strauß noch gestern vor dem Untersuchungsausschuß als jedenfalls für ihn im Umgang selbstverständlich schilderte —, darf es in Zukunft nicht mehr geben. Gerade hierin, nicht nur in neuen Paragraphen, muß sich die Lernfähigkeit des ganzen Parlamentes erweisen.
Ein zweites. Wir müssen den Grundsatz der Gleichbehandlung, einen der obersten Grundsätze unserer Verfassung, daß für alle gleiches Recht gilt, noch viel ernster nehmen als bisher.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7431
Dr. VogelEs treibt den Gutwilligsten auf die Barrikaden, wenn der kleine Mann für Gesetzesverstöße unnachsichtig zur Verantwortung gezogen wird und die Großen sich durch Amnestie vor den Folgen ihres Tuns in Sicherheit bringen wollen.
Es treibt ihn auf die Barrikaden, wenn der Kleine beim Streit mit den Behörden um jede Information kämpfen muß und der Große sie von Ministerien ins Haus geschickt bekommt,
wenn der Kleine seine Steuer auf Mark und Pfennig zahlt — schon weil sie ihm vom Lohn abgezogen wird — und manche Große — ich verallgemeinere nicht — so tun, als ob die Steuergesetze für sie überhaupt keine Gültigkeit hätten.
Es zerfrißt unseren Grundkonsens, wenn der kleine Beamte, der wegen eines von ihm verschuldeten Unfalls zur Verantwortung gezogen wird, zu seinem Rechtsschutz allenfalls einen Verteidiger erhält, der sich mit normalen Gebühren zufrieden gibt, während sich Große auch Staranwälte leisten können, die nur zu einem Sonderhonorar von über 100 000 DM tätig werden. Auch das ist eine Frage der Gleichheit.
Es zerstört Vertrauen, wenn der Kleine bei den Sozialbehörden um 100 DM oder 200 DM kämpfen muß, während Große nach einigen Telefongesprächen unter Befürwortung von Freunden das Monatseinkommen ohne völlig überzeugende Gegenleistung um 25 000 DM oder mehr verbessern.
Wenn der Große auch noch den letzten Rechtsanspruch verfolgt und mit Hilfe von Experten wahrnimmt, während dem Kleinen gleichzeitig überzogenes Anspruchsdenken vorgeworfen wird.
Das sind Themen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die über den heutigen Tag hinausweisen.
Das sind die Themenfelder, auf denen es sich entscheidet, ob die Staatsverdrossenheit weiter wächst oder ob wir sie abbauen können. Da ziehe ich die Grenze nicht entlang von Fraktionslinien, sondern ich sage: Es ist unsere gemeinsame Aufgabe und unser gemeinsames Thema, darüber zu reden.
Hier und heute in dieser Sitzung geht es um eine Entscheidung, die drei Punkte klarstellt.Erstens, rückhaltlose Aufklärung aller Verstöße und Verstrickungen durch den Untersuchungsausschuß und die Justiz. Beide, die Justiz, die gelegentlich ganz zu Unrecht hier angegriffen worden ist, und der Untersuchungsausschuß, verdienen Vertrauen und unseren Dank.
Es ist nicht zuletzt das Verdienst der Justiz und des Untersuchungsausschusses, daß sich unsere Bürgerinnen und Bürger weiterhin auf die Institutionen unseres Staates verlassen können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hamm-Brücher?
Bitte sehr, gerne.
Bitte, Frau HammBrücher.
Herr Kollege Dr. Vogel, weil Sie vorhin — wie ich meine, sehr zu Recht — hier die gemeinsame und fraktionsübergreifende Linie in der Auseinandersetzung unterstrichen haben, möchte ich die Frage stellen: Wie ist es denn möglich gewesen, daß es nicht gelungen ist, zwischen den betroffenen Fraktionen zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag zu kommen?
Frau Kollegin, ich bedaure, daß dies nicht möglich war.
— Meine Damen und Herren, ich kann nur immer wieder mit einem gewissen Erstaunen feststellen, daß Sie offenbar so wundgescheuert sind, daß Sie schon der Anfang einer Antwort zu solchen Reaktionen und emotionalen Äußerungen veranlaßt.
Frau Kollegin Hamm-Brücher, wir haben, wie Sie wissen — der Herr Kollege Bötsch hat das dankenswerterweise erwähnt —, unsere Entschließung den anderen Fraktionen zugestellt und sie eingeladen, sie mit uns zusammen einzubringen. Wir haben von zwei Fraktionen, nämlich von der Ihren und von der Fraktion der GRÜNEN, überhaupt keine Antwort bekommen.
— Sprechen Sie jetzt auch schon für die FDP?
— Ja, das sage ich doch gerade. Hören Sie doch wenigstens trotz Ihrer Aufregung zu.
Wenn Herr Kollege Wolfgramm auf der Geschäftsführerebene gesprochen hat, dann will ich das nicht bestreiten. Das wird sofort akzeptiert.
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7432 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Vogel— Meine Damen und Herren, Sie haben offenbar den Eindruck, daß dies der zentrale Punkt ist. Diese Auffassung teile ich bei dem, was heute ansteht, nicht.
Nun zur Union. Die Union hat erkennen lassen, daß sie diesem Gedanken nur nähertritt, wenn in die Entschließung Passagen und Forderungen aufgenommen werden, von denen wir Sozialdemokraten nicht glauben, daß wir sie mitverantworten und daß wir sie tragen können.
— Ja, wenn Sie das wollen, dann trage ich Ihnen das auch gern vor. Im übrigen werden Sie das bei der Lektüre Ihrer Entschließung und unserer Entschließung unschwer erkennen.
Das ist die Frage mit der Umwegamnestie, mit dem milderen Gesetz; das ist die Frage, daß Sie bei der Presse zwischen Guten und Bösen sehr sorgfältig unterscheiden,
und es sind noch ein paar Punkte mehr.
— Ich gebe Ihnen immer gern kleine Beruhigungspausen, meine Damen und Herren! —
Ich kann nur sagen, ich bedauere diese Entwicklung, aber sie ist parlamentarisch. Ich muß sie akzeptieren und zur Kenntnis nehmen.
Hier und heute in dieser Sitzung geht es um eine Entscheidung, die drei Punkte klarstellt. Ich war dabei, auszudrücken, daß der Untersuchungsausschuß und die Justiz dabei eine wichtige Rolle spielen. Es ist Verdienst des Ausschusses und der Justiz, daß sich unsere Bürgerinnen und Bürger auf die Institutionen unseres Staates weiterhin verlassen können. Es ist ihr Verdienst, daß wir der Behauptung, unsere Republik sei käuflich, mit gutem Gewissen entgegentreten. Wenn Justiz und Ausschuß ihre Pflicht nicht getan hätten, würde uns das ein ganzes Stück schwerer fallen.
Zweitens. Anwendung des geltenden Rechts auf alle Betroffenen ohne Ansehen der Person, keine Amnestie, aber auch keine Umwegamnestie: Es wäre dankenswert, wenn sich die Union heute bei dieser Gelegenheit vor den Augen des Parlaments durch Zustimmung zu dieser Passage endgültig und ein für allemal vom Amnestiegedanken lösen und ihn zu den Akten legen würde.
Drittens. Offenlegung der Einkommensverhältnisse aller Abgeordneten und aller Regierungsmitglieder gegenüber einem dafür zu bestimmenden Gremium — und da sehe ich gewisse Anknüpfungspunkte, Herr Kollege Bötsch —, das übrigens auch aus dafür qualifizierten Persönlichkeiten bestehen könnte, die nicht dem Parlament angehören: Der richtige Ort, das weiterzuverhandeln, ist die Rechtsstellungskommission.
Der von uns vorgelegte Entschließungsentwurf fordert dies. Er verlangt nichts, was nicht auch Mitglieder der Koalitionsfraktionen gutheißen können. Ich bitte dafür um Zustimmung.Die Zustimmung wäre auch ein weiterer Beweis dafür, daß wir es nicht mit einer Staatskrise zu tun haben, daß — im Gegenteil — das Parlament als das zentrale Organ unseres demokratischen Staates voll handlungsfähig und deshalb auch zur Reinigung fähig ist. Denn das, so glaube ich, ist einer der größten Vorzüge unserer Verfassungs- und Gesellschaftsordnung: daß Mißstände nicht unter den Teppich gekehrt, daß auch die Verfehlungen der Mächtigen ohne Ansehen der Person aufgedeckt und geahndet werden.Wir Sozialdemokraten sind entschlossen, alles zu tun, um diese besonders kostbare Errungenschaft unserer gemeinsam erarbeiteten Rechts- und Verfassungskultur vor bleibendem Schaden zu bewahren.
Herr Abgeordneter Beckmann, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für die Bemerkung: „Sie Heuchler!"
Das Wort, meine Damen und Herren, hat der Abgeordnete Haussmann.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In meinem Beitrag soll die Rede sein: von der Nichtkäuflichkeit der Politiker,
von den Pharisäern,
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7433
Dr. Haussmannvon den falschen Tugendwächtern und von dem nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten,
und dies aus der Sicht eines jüngeren und liberalen Abgeordneten,
eines Nichtjuristen übrigens, der den Versuch machen will, dem Bürger zu erklären wie er selbst die Unabhängigkeit seines Mandates und die seiner eigenen Partei auffaßt.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns zum Glück nicht in einer Staatskrise. Es besteht wohl eine Krise des Vertrauens zwischen Bürgern und Parteien, und aus dieser Vertrauenskrise kann eine Staatskrise werden, wenn wir uns weiter in dieser Form gegenseitig miesmachen.
Ich glaube, sehr geehrter Herr Vogel, daß vor allem die erste Passage Ihrer Rede leider nicht dem gerecht geworden ist, was wir eigentlich heute machen müßten: einen großen Tag des Parlaments, nicht eine gegenseitige Abrechnung der Parteien.
Ich gebe wohl zu, daß aus dieser Vertrauenskrise auch dann eine Staatskrise werden kann, wenn wir, meine verehrten Kollegen, nicht selbst die Kraft zur Einsicht und auch zur Selbstkritik und zu harten Konsequenzen haben. Daher wird es mit der Fraktion der Freien Demokraten keine Amnestie in diesem Zusammenhang geben können.Ich glaube, dieser Tag ist ein wichtiger Tag für unser Parlament, denn nicht die Medien, nicht die Justiz, sondern nur wir alleine können dazu beitragen, daß das Vertrauen der Bürger zurückkehrt, ohne das diese junge, immer noch nicht genügend gefestigte Demokratie nicht bestehen kann.
Deshalb ist es notwendig, aus der Sicht eines jüngeren Politikers noch einmal sehr einfach zu erklären, wie es zu dieser Entwicklung kam. Ich sehe
— Lieber Herr Fischer, unsere liberalen Grundgesetzväter, Theodor Heuss und andere,
haben ein Grundgesetz geschaffen, das das freieste und liberalste in unserer deutschen Geschichte ist.
Sie haben in diesem Grundgesetz den politischen Parteien zum erstenmal eine wichtige Rolle eingeräumt.
Unsere früheren Abgeordnetenkollegen haben die materielle Basis dieser Parteien nicht eindeutig und abschließend geregelt. Dies war aus unserer Sicht ein schwerwiegendes Versäumnis. Die Folgen waren Grauzonen in der steuerlichen Behandlung von Spenden an politische Parteien.
Dies hat zu einem Vertrauensverlust geführt.
Dies mußte dringend geändert werden. Daher haben meine Fraktion und ich aus Überzeugung dem neuen Gesetz zur Regelung der Parteienfinanzen zugestimmt. Ich finde es übrigens gut und richtig, daß dabei die Kollegen Sozialdemokraten mit zugestimmt haben, denn wir hatten auf diesem Gebiet gemeinsame Versäumnisse begangen.Hätte dieser Geist, dies gemeinsam in Ordnung zu bringen, Bestand gehabt — und dazu hätten auch Sozialdemokraten auf Grund ihrer Geschichte allen Grund —, so hätten wir auch heute im Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Antrag vorlegen müssen.
Meine Fraktion bedauert zutiefst, daß es in den Vorverhandlungen nicht gelungen ist, hier einen gemeinsamen Antrag von Sozialdemokraten, CDU/ CSU und FDP vorzulegen.
Ich befürchte, daß dies parteipolitische Gründe hat. Ich befürchte, daß die Sozialdemokraten unter der Konkurrenz der GRÜNEN nicht mehr in einer wichtigen parlamentarischen Verhandlung mit uns gemeinsam im Deutschen Bundestag stimmen wollen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgordneten Conradi?
Nein. Ich bitte sehr um Verständnis, daß ich diese für uns sehr wichtige Rede im Zusammenhang vortragen möchte.
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7434 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Haussmann— Herr Conradi, wenn Sie die beiden Anträge vergleichen, werden Sie feststellen, daß es kaum gravierende Unterschiede gibt.
Leider hat uns Ihre Fraktion im Vorfeld dieser Debatte angezeigt, daß Sie nicht in konkrete Verhandlungen eintreten möchten.
Deshalb ist es schade, daß aus der gemeinsamen Verantwortung von Sozialdemokraten, CDU/CSU und FDP heute kein gemeinsamer Antrag vorliegt.
Wenigstens, Frau Kollegin, erinnern noch die Briefe und Reden von bedeutenden Sozialdemokraten wie Karl Klasen, Alfred Nau und Helmut Schmidt an das ehrliche Gewissen der damaligen Sozialdemokraten in dieser Frage.
Das demokratiezerstörende Wort von der Käuflichkeit der Republik geht um.
Dieses böse Wort soll suggerieren, daß Politiker bestimmte Handlungen begehen, weil sie dafür Geld bekommen. Das ist für mich unvorstellbar und absolut irreal. Ich halte es für gänzlich ausgeschlossen, daß irgendein Kollege dieses Hauses — egal, von welcher Fraktion, meine verehrten Kollegen — so handeln könnte und gehandelt hat.
Etwas völlig anderes — wir haben die gemeinsame Verpflichtung, das in der öffentlichen Diskussion klar zu trennen — ist die Annahme von Spenden für die Verfolgung genereller politischer Ziele wie z. B. einer bestimmten Sozialpolitik oder einer grundsätzlich marktwirtschaftlichen Politik.
Das ist legitim, und das ist notwendig. Wer es mit dieser Verfassung und damit auch der Rolle der Parteien ernst nimmt, muß Spenden gutheißen.
Meine verehrten Kollegen, wir haben in diesen Tagen die Aufgabe, gegen viele Pharisäer gemeinsam Front zu machen.
Ich finde, genausowenig wie Anzeigen im „Spiegel", „Stern" oder im Fernsehen Journalisten abhängig oder gar käuflich machen, genausowenig machen uns Spenden an unsere Partei abhängig oder käuflich.
Es ist schon etwas schizophren:
Wer in unserer Gesellschaft für Kultur spendet, ist zu Recht ein Ehrenmann, er ist ein Mäzen. Wer für politische Überzeugungen spendet, ist inzwischen anrüchig geworden. Da stimmt etwas nicht.
Wenden wir uns daher in diesem Parlament gemeinsam gegen die unselige deutsche Tradition der Diffamierung und Verächtlichmachung
unserer Parteien, die wir gemeinsam, früher als DIE GRÜNEN, mit wenig Geld,
mit viel Engagement und mit großen persönlichen Opfern aufgebaut haben.
Wenden wir uns daher mit großer Kraft gegen die Verächtlichmachung der Parteien,
die wir anders als DIE GRÜNEN in vielen Jahrzehnten mit wenig Geld, mit viel Engagement und persönlichen Opfern aufgebaut haben, Herr Fischer.
Mir tun bei dieser ganzen Diskussion im übrigen auch viele ehrenamtliche Helfer aller politischen Parteien leid.
Sie haben das Naserümpfen der Bürger über die Parteien vor Ort auszuhalten. Letztlich leben unsere Parteien an der Basis von deren Engagement und nicht vom Geld.
Von diesen ehrenamtlichen Leuten lebt nach wie vor auch diese Demokratie.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7435
Dr. HaussmannSie setzen sich mit ihrer Arbeit für eine Partei, für ein Ideal ein. Sie bekommen keinen Pfennig Aufwandsentschädigung. Sie opfern Hunderte von Stunden ihrer Freizeit und müssen sich jetzt große Vorwürfe gefallen lassen. Das Parlament hat heute die Aufgabe, diese Menschen von diesem Vorwurf zu befreien. Wir hier haben diese Aufgabe.
Wir haben heute als Parlamentarier auch die Aufgabe, die Unabhängigkeit des Abgeordneten durch verbesserte Verhaltensregeln zu diskutieren. Ich bin meiner verehrten Frau Kollegin Hamm-Brücher dankbar dafür, daß sie schon in einem sehr viel früheren Zeitraum in einer gemeinsamen Initiative aller Fraktionen dafür gesorgt hat, daß sich die Rolle der Parlamentarier nicht auf Geld und Beraterverträge verkürzt, sondern daß wir allen Grund haben, gemeinsam dafür zu sorgen, daß unsere Unabhängigkeit, unsere Würde und unser Gewicht nicht nur auf dem Weg über die Diskussion über unsere Finanzen hergestellt wird, meine verehrten Kollegen.
Wer über materielle Dinge redet, Herr Fischer, sollte dies nicht auf die Diäten verkürzen, sondern der sollte auch die vielen immateriellen Vorteile, die bestimmten politischen Gruppen und Berufsgruppen zustehen, in der Öffentlichkeit klar diskutieren.
Deshalb, Herr Conradi, hätten Sie als Freiberufler wie ich
allen Grund, auch darüber zu diskutieren, daß Vertreter des öffentlichen Dienstes oder Kollegen, die den Gewerkschaften oder großen Arbeitgeberorganisationen angehören, als Abgeordnete nicht nur materielle Vorteile, sondern auch immaterielle Vorteile haben.
Ich finde es wichtig — aus der Sicht der FDP ist es entscheidend —, daß bei dieser Diskussion über die Unabhängigkeit des Abgeordneten auch dafür gesorgt wird, daß sich die Zusammensetzung unseres Parlaments durch diese Diskussion nicht zu Lasten der unabhängigen Freiberufler weiter verschlechtert.
Diese Angst haben wir. Was wir nicht wollen, ist folgendes: Wir wollen kein Sonderrecht für Abgeordnete. Wir haben eine besondere Verantwortung, der wir uns stellen.Wenn das Wort von dem gläsernen Abgeordneten schon in der Diskussion ist, frage ich, meine Damen und Herren: Welches Menschenbild liegt dem zugrunde, daß sich dieselben Journalisten, die bei allen Fragen des Datenschutzes zu Recht gegen den gläsernen Menschen argumentieren, den gläsernen Abgeordneten wünschen?
— Auch das wäre eine Frage. Ich bin überhaupt der Meinung, Frau Kollegin, daß in diese Diskussion über den Zusammenhang von Macht und Politik auch all diejenigen Berufsgruppen eingeschlossen werden müssen, die ebenfalls Macht ausüben. Das ist sehr wichtig.
Es ist sehr wichtig, daß wir deshalb in unsere öffentliche Diskussion auch mehr Transparenz darüber einbringen, in welchen Zusammenhängen mit Beraterverträgen wichtige Journalisten stehen und wie deren finanzielle Verhältnisse sind. Das gehört auch in diese Diskussion.
Unsere Fraktion hat auf einer Fraktionssitzung diese Woche ihre Vorschläge gemacht für mehr Transparenz, aber auch zum Schutz des Abgeordneten. Wir werden bei unseren Vorstellungen etwas weitergehen, als in dem gemeinsamen Antrag steht. Aber dafür besteht j a noch die Möglichkeit der Diskussion.Ich fasse aus der Sicht der Freien Demokraten zusammen: Wir glauben, daß aus dieser Vertrauenskrise dann keine Staatskrise werden kann, wenn wir die Kraft zu Einsicht und Selbstkritik aufbringen.
Das bedeutet dreierlei Herr Fischer.Erstens. Wir sind dafür, daß der Untersuchungsausschuß zügig, schnell alle Fakten auf den Tisch legt
und das dort nicht eine Regie geführt wird, daß je nach Wahlterminen einzelne Fakten auftauchen.
Zweitens. Wir sind für die ehrliche Praktizierung des neuen Gesetzes zur Finanzierung der Parteien. Wir haben dazu beigetragen, daß auch die eine große Spende an die FDP aufgeklärt wurde.
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7436 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. HaussmannWir erwarten nun, daß die Spende von über 7 Millionen DM an die Sozialdemokratische Partei, die ja nicht aus dem Privatvermögen von Herrn Nau sein kann, endlich ebenso aufgeklärt wird.
Drittens. Mit den Freien Demokraten wird es in diesem Zusammenhang keine neuen Ansätze zu Amnestieplänen geben.
Viertens. Wir haben die große Bitte an alle Kollegen, daß bei der Diskussion über die Stellung des Abgeordneten sowohl die Frage der Unabhängigkeit als auch die Frage der Würde des einzelnen Abgeordneten einbezogen werden.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß diese noch junge Demokratie die Kraft zu Konsequenzen und zur Erneuerung hat.Ich danke Ihnen allen, daß Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, in großer Ruhe meine Gedanken vorzutragen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schoppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es werden in der letzten Zeit häufig Parallelen zwischen Weimar und heute gezogen. Nun wird aber von denen, die in unglaublicher Weise uns GRÜNE in die Nähe von Nazis rücken, in der Öffentlichkeit nie ein Wort über die Vergangenheit des Hauses Flick verloren. Deshalb möchte ich das heute in Kürze nachholen.
1931 bedachte Flick alle großen Parteien außer der KPD mit 1,5 Millionen Reichsmark. In den zwölf Jahren des Tausendjährigen Reichs schmierte Flick Nazigrößen mit insgesamt 7,65 Millionen Reichsmark Spenden. Als Destinatäre der Zahlungen — um eine konzernübliche Floskel zu benutzen — tauchten bevorzugt Namen wie Heinrich Himmler und Hermann Göring auf.
In der NS-Zeit arbeiteten Zehntausende von Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen und Fremdarbeitern unter teilweise unwürdigsten Verhältnissen in den Rüstungsbetrieben. Flicks Verhältnis zu den Machthabern war ungetrübt. Als der Krieg vorbei war, war Flick der reichste Mann in Deutschland. Wenige Jahre später wird Konrad Adenauer ihm zu seinem großen und staunenswerten Lebenswerk beglückwünschen.
So ist die Diehl-Liste, die uns heute erregt, das historische Dokument einer Praxis der Verflechtung von Geldelite und Politik.
Wir behaupten nicht: Bonn ist Weimar. Und wir haben ein großes Interesse daran, daß Bonn niemals Weimar wird.
Aber es muß einmal darauf hingewiesen werden, daß Flick, der aus Profitinteressen die Nazis finanzierte, heute wieder aus Profitinteressen die demokratischen Parteien CDU, CSU, FDP und SPD unterstützt. Wenn es um Spenden und Einfluß geht, meine Damen und Herren, ist Flick kein Einzelfall. Weisen nicht die diesjährigen Entscheidungen bezüglich Buschhaus, Katalysator und Formaldehyd auf die alltägliche Dominanz der Interessen von Energie-, Automobil- und Chemiekonzernen hin?
Am 5. November sagte ein Unionsabgeordneter von dieser Stelle zur Problematik der Spendenaffäre:Die Vorstellung, Politiker oder politische Entscheidungen kaufen zu können, muß von uns unerbittlich zurückgewiesen werden. Sie steht unserer politischen Ordnung feindlich gegenüber.Der Bundeskanzler, der den Eid auf die Verfassung und die Einhaltung von Gesetzen geleistet hat, gibt im Untersuchungsausschuß offen zu, gegen geltende Gesetze und die Verfassung verstoßen zu haben,
mit der ungeheuerlichen Begründung: Die anderen haben es schließlich auch gemacht.In der Öffentlichkeit geht der Kanzler hausieren mit dem Märchen vom gesetzlosen Zustand, das auch Herr Haussmann eben wiederholt hat, obwohl Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die Verfassungsrang haben, seit 1958 eindeutige Regelungen vorschreiben.
Der oben erwähnte Unionsabgeordnete sagte weiter:Aber ich bin gegen das Geraune von der Götterdämmerung und gegen die zur Mode gewordene pauschale Infragestellung der Institutionen unseres freiheitlichen Rechtsstaates.Hat dieser Abgeordnete vor einer Woche, als er dieses sagte, den Kanzler gemeint? Was ist das für eine
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7437
Frau SchoppeRegierung, deren Kanzler selbst eine derart zwielichtige Haltung zur Verfassung zeigt?
So lange diese eingestandenen Rechtsbrüche auf höchster Ebene keine politischen Konsequenzen haben, ist die Debatte um eine an sich sinnvolle Maßnahme wie die Offenlegung sämtlicher Abgeordneteneinkünfte von nachrangiger Bedeutung.
Wie erbärmlich ist ein Parteienstaat, in dem ein ehemaliger erster Repräsentant dieses Staates im Foyer eines Theaters bei einem Steuerpflichtigen betteln geht? Es liegt der Verdacht nahe, daß seine Steuern, die durch Flucht hier hinterzogen wurden, als Parteispenden zurückgekommen sind.
Nun stelle sich niemand die Beeinflussung von Parteien so simpel vor, daß mit einer einmaligen Zahlung, und möge sie noch so hoch sein, ein bestimmtes Gesetz im Sinne des Spenders verändert würde. Es sind die kontinuierlichen Zahlungen, die den Partner dienstbar machen. Es sind die kleinen Aufmerksamkeiten — ein halbes Pfund Kaviar, mein Gott, was ist das schon? —,
das Gefühl von gemeinsamer Wichtigkeit von Geldeliten und Politikereliten, das zur Freundschaft führt. Und wer kann schließlich einem Freund eine Bitte abschlagen?In einer Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger am 28. September 1983 in Bonn sagte der Kanzler:Als Verleger sind Sie Unternehmer, aber Sie sind sehr viel mehr als das. Ihre auch wirtschaftliche Unabhängigkeit ist Voraussetzung für die freie Berichterstattung.
Brauchen die Parteien diese Unabhängigkeit nicht? Wollen Sie im Ernst von der Unabhängigkeit der FDP sprechen, wenn diese eingestandenermaßen nur durch die 6-Millionen-DM-Spende von Horten überleben konnte? Hier wird mit finanziellen Mitteln um das Leben einer Partei gekämpft, als würde deren Verschwinden eine Staatskrise auslösen.
Dabei ist sie doch nur historisch obsolet geworden.
Meine Damen und Herren, was ist denn eigentlich gemeint, wenn von einem Selbstreinigungsprozeß die Rede ist? Da verfällt der Kanzler, der mal in einem „Bild-Zeitungs"-Interview sagte, die Leute hätten so was Hoffnungsvolles im Blick, wenn sie ihn ansähen, im Untersuchungsausschuß in unsäglicher Redseligkeit, und plötzlich verläßt ihn das Gedächtnis. Diese Ausfallerscheinungen werden allerdings auch bei anderen Zeugen beobachtet.
Meine Damen und Herren, der Einfluß der Großindustrie auf politische Entscheidungsprozesse ist unvereinbar mit einer Demokratie, die diesen Namen verdient.
Die wirtschaftliche und politische Macht muß kontrolliert werden. Dazu gehören Maßnahmen zur Entflechtung der Großindustrie ebenso wie die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Belegschaften. Dazu gehört auf parlamentarischer Ebene die rücksichtslose Aufklärung der vielfältigen Beziehungen von Industrie und Politik. Dazu gehört die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes des Flick-Ausschusses auf die Untersuchung der allgemeinen Spendenpraxis und die Tätigkeit von parteinahen Stiftungen.Wenn Sie es mit Selbstreinigung ernst meinen, warum diffamieren Sie dann den Teil der Medien, der sich darum bemüht, rechtswidrige Spendenpraktiken aufzudecken? Wer hier aufklärende Auskunft wünscht, wird verketzert. Es ist kein Zufall, daß die unglaublichen Anschuldigungen gegen die GRÜNEN, sie befänden sich in der Nähe der Nazis, gerade in dieser Zeit strapaziert werden. Die von Ihnen beklagte Staatsverdrossenheit der Bürger und Bürgerinnen geht auf das Konto der Flick-Partei. Die kulturelle Hegemonie der herrschenden Schichten hat durch diese Affäre einen weiteren Verlust erfahren, der noch größer würde, wenn die Diskussion, d. h. die Aufklärung vorangetrieben würde. Dieser Prozeß soll von Ihnen aufgehalten werden, und Sie haben kein Interesse daran, hier Aufklärung zu praktizieren.Das schlechte Gedächtnis der Zeugen im Untersuchungsausschuß ist die Strategie der Vernebelung. Die Erklärung, die GRÜNEN stünden den Nazis nahe, ist der Versuch, durch Feindbilder den jetzigen Zustand des Staates als durch die GRÜNEN bedroht darzustellen. Dadurch soll er psychologisch-ideologisch aufgewertet werden. Es wird der Versuch unternommen, einen künstlichen Konflikt zu schaffen, der die Identifizierung mit dem Staat — mag er noch so abgewirtschaftet sein — ermöglichen soll. Dieser Versuch, Herr Geißler, Herr Hennig, Herr Seiters und wie Sie alle heißen mögen, wird Ihnen nicht gelingen.
Wir haben die größte parlamentarische Bewegung der Nachkriegszeit, eine Bewegung, die sich durch das unbeirrbare Beharren auf Bürgerrechte auszeichnet, eine Bewegung, die Parteien und Regierung kritisch gegenübersteht und sich nicht durch dummdreiste Reden in die Irre führen läßt.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen Punkt beleuchten, nämlich wie Sie sich die Lösung
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7438 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau Schoppeder problematischen Spendenpraxis vorstellen. Ich meine die Gemeinnützigkeitsklausel im neuen Parteienfinanzierungsgesetz. Nachdem nun die Spendenpraxis durch die Geldwaschanlagen öffentlich in Verruf geraten ist, wollen Sie sich die Gemeinnützigkeit als Partei direkt zuerkennen. Das Wirtschaften in die eigene Tasche und Gemeinnützigkeit schließen sich aus.
Wollen Sie vielleicht die CDU mit der Caritas und die FDP mit der Welthungerhilfe auf eine Stufe stellen?
Diese offensichtliche Doppelmoral ist die eigentliche Ursache für das, was Sie als Staatsverdrossenheit bezeichnen.
Zu Recht kehren Ihnen die Leute den Rücken. Die mit so viel Pathos hier in den vergangenen Jahren zur Schau getragene „geistig-moralische Wende" hat sich als hohle Phrase entpuppt.
Herr Bundeskanzler, es muß ganz lapidar die Frage gestellt werden: Haben Sie und Ihre Regierung noch das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Geißler.
— Ich hätte es allerdings begrüßt, wenn Sie nicht von der Regierungsbank hergekommen wären.
— Halten Sie sich bitte zurück, Herr Kollege. Dies war, wie ich glaube, eine Äußerung im Interesse des Parlaments.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß die Rede des Abgeordneten Vogel und die Rede der Frau Abgeordneten Schoppe dem entsprechen, was die Bürger von diesem Parlament heute erwarten.
Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit, einseitige Schuldzuweisungen sind nicht in der Lage, neues Vertrauen zu schaffen.
Der Herr Kollege Vogel hat diese einseitigen Schuldzuweisungen vorgenommen. Er hat nicht von den Spenden an die Sozialdemokratische Partei gesprochen, nicht von Herrn Nau oder von Herrn Markscheffel gesprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie treten hier als Saubermann auf. Ihr ehemaliger Schatzmeister ist nicht mehr am Leben. Ich sage aber: Ich habe vor diesen Schatzmeistern, auch wenn sie möglicherweise gefehlt haben, eine größere Achtung hinsichtlich ihres Einsatzes für ihre eigene Partei als vor selbsternannten Ehrenmännern,
die unfähig sind, in diesem Parlament eine Aussage zu machen, die geeignet ist, alle demokratischen Parteien in die Lage zu versetzen, neues Vertrauen bei der Bevölkerung zu gewinnen.
Herr Abgeordneter Dr. Geißler, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Jahn, vielleicht etwas später. Ich lasse Zwischenfragen durchaus zu.
Ich möchte zunächst aber etwas darüber sagen, worum es nach unserer Auffassung geht.Ich rede nicht von der unbestreitbaren Tatsache — ich will sie hier nur kurz anführen —, die auch zur Wahrheitsfindung gehört hätte, daß der eigentliche Gegenstand des Unersuchungsausschusses darin besteht, zu untersuchen, ob mit der Steuerbefreiung nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes zugunsten des Flick-Konzerns unlautere, rechtlich nicht einwandfreie Verhaltensweisen, von wem auch immer, verbunden gewesen sind. Ich stelle für meine Fraktion, für die Christlich Demokratische Union und für den Bundeskanzler hier nur fest: Die Entscheidungen zugunsten des Flick-Konzerns im Jahre 1976 liegen ausschließlich und allein in der politischen und rechtlichen Verantwortung der damaligen Bundesregierung. Mitglieder der Union haben mit diesen Entscheidungen nichts zu tun gehabt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte dies jetzt nicht gesagt, wenn Herr Vogel diese Rede nicht gehalten hätte. In dieser Zeit hat die Sozialdemokratische Partei direkt oder über Unterorganisationen bzw. Nebenorganisationen von die-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7439
Dr. Geißlerser Firma Spenden in Millionenhöhe bekommen. Dadurch sind Sie in einen Verdacht geraten, möglicherweise in einen falschen Verdacht. Sie sollten aber, bevor Sie solche Reden halten, zu diesem zentralen Punkt einmal Stellung nehmen.
Der Kern der politischen Auseinandersetzung, die wir heute führen, ist die Frage, ob die Bürger auf die Integrität, auf die Unbestechlichkeit und auf die Unabhängigkeit der politischen Institutionen und der politisch Handelnden vertrauen können. Ich beantworte diese Frage aus meiner Erfahrung in zehn Jahren Tätigkeit als Landesminister und sieben Jahren als Generalsekretär mit einem klaren Ja. Ich habe es in dieser ganzen Zeit nicht ein einziges Mal erlebt, daß Entscheidungen der Regierungen, denen ich angehört habe — im übrigen alles Regierungen unter dem Ministerpräsidenten Helmut Kohl oder dem Bundeskanzler Helmut Kohl —, oder Entscheidungen meiner Partei durch Geld oder Abhängigkeitsverhältnisse gesteuert worden wären. Und wenn jemand dies mit einer Geldspende bei mir versucht hätte, wäre er zur Tür hinausgeflogen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, subjektiv allerdings sind in den Augen vieler Mitbürger Politiker und Parteien — dies kann ja nicht bestritten werden — durch die Vorgänge um die Steuerbefreiung nach § 6 b, durch den Rücktritt des früheren Bundestagspräsidenten und die steuerrechtlichen Probleme der Parteienfinanzierung in einen — ich sage: falschen — Verdacht geraten. Aber es ist Mißtrauen entstanden, und dieses Mißtrauen müssen wir im Interesse unseres Staates und unserer Demokratie — gemeinsam, hoffe ich — überwinden. Dazu sind nach meiner Auffassung vier Schritte notwendig, die uns nach vorn bringen.Fehler — das will ich als erstes sagen — dürfen nicht verschwiegen werden. Sie müssen aufgeklärt und zugegeben werden.
Zweitens. Es gibt in diesem Zusammenhang keine Amnestie.
Drittens. Für die Zukunft brauchen wird die Offenlegung aller Großspenden, und zwar ohne jede Ausnahme, und eine erweiterte und verbindliche Form der Verhaltensregeln für alle Abgeordneten.Viertens brauchen wir eine Besinnung auf die besondere ethische Verantwortung der politisch Handelnden.Bevor ich diese vier Schritte erläutere, möchte ich zunächst noch eine Vorbemerkung zur Unabhängigkeit des politischen Mandats machen. Wir reden, wenn wir von der Unabhängigkeit des politischen Mandats sprechen — und das ist das zentrale Thema dieser Parlamentsdebatte —, immer von der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ich finde, wir sollten uns darüber einig sein, daß es eine große Anzahl nicht minder gewichtiger anderer Abhängigkeiten geben kann. Das Grundgesetz will unabhängige Abgeordnete — unabhängig vom Geld anderer, aber auch unabhängig vom Diktat von Organisationen, unabhängig vom Imperativ der Basisgruppen.
Es werden hier verfassungspolitische Vorwürfe erhoben. Frau Abgeordnete Schoppe, die vorhin gerade geredet hat, darf nur noch vier Monate im Parlament bleiben, weil sie von ihrer Basisgruppe aus dem Parlament herausrotiert wird. Die Basis sind aber nicht die Wähler, sondern eine Gruppe von Aktivisten.Der rotierende Abgeordnete ist vom Grundgesetz genausowenig gewollt wie der gekaufte. Nur, der gekaufte, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in allen Parteien die absolute Ausnahme; der rotierende ist bei Ihnen die Regel.
Um dies einmal auf einen verfassungsrechtlichen Nenner zu bringen: Bei dem einen oder anderen mag es sich um eine persönliche Verfehlung handeln; bei den GRÜNEN ist in diesem Zusammenhang die Verfassungswidrigkeit System.
Ich habe die große Sorge, daß wir im Zusammenhang mit dieser Diskussion,
die wir führen — und dies sollte die Sorge aller demokratischen Parteien sein —,
das wieder aufbereitet und geschürt bekommen, was in einer hundertjährigen Geschichte des deutschen Parteienwesens an feindseliger Haltung, auch an antidemokratischer Haltung gegenüber den politischen Parteien schon immer dagewesen ist. Dazu gehört auch eine privatistische Politikabstinenz, die sozusagen vom Katheder aus beobachtet, wie sich da die Politiker im Gelände tummeln und sich die Hände schmutzig machen.
Wenn ich da einige Ausführungen von Politologen und Soziologen in dem Zusammenhang über die politischen Parteien in den vergangenen Tagen gehört habe, so fällt mir da nur Ludwig Uhland ein, der angesichts der Zahl der Professoren in dem
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7440 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. GeißlerParlament in der Paulskirche gesagt hat: „68 Professoren, Vaterland, du bist verloren".
Ich nehme ausdrücklich die Professoren in meiner eigenen Partei und den Herrn Professor Ehmke für diese Parlamentsstunde ausdrücklich aus. Das möchte ich hinzufügen.Aber wir haben natürlich auch ein romantisierendes Demokratieverständnis
— das ist eine Frage an die GRÜNEN —, das glaubt, ohne politische Parteien auskommen zu können,
sozusagen von der Basis aus Demokratie praktizieren zu können. Nur, das eine steht fest: Eine parlamentarische Demokratie in einer Industriegesellschaft kann ohne politische Parteien nicht existieren.
Im Hintergrund schwebt immer noch ein autoritäres Staatsverständnis,
das eigentlich auf Parlament und politische Parteien überhaupt verzichten zu können glaubt. Wir haben dies in der Weimarer Republik mit der Diffamierung des Parlaments als Schwatzbude und vielem anderen erlebt.
Wir stehen bei dieser Debatte in der Verantwortung auch gegenüber Millionen von Mitgliedern in den demokratischen Parteien, die diese Debatte beobachten, die dieses historische Mißverständnis längst überwunden haben und aktiv und engagiert einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Demokratie leisten.
Denen gegenüber tragen wir auch Verantwortung.Der Kern des Problems, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt nicht in der Frage, ob die Spendenpraxis der vergangenen Jahre steuerrechtlich einwandfrei war oder nicht. Dies wird zur Zeit von den Gerichten untersucht und entschieden. Wenn ich mir im Rückblick die Frage stelle — die Frage hat sich auch der Bundeskanzler gestellt, und ich finde, er hat sie im Untersuchungsausschuß ehrlich beantwortet —, was wir in den 70er Jahren hätten anders machen müssen, dann meine ich, wir hätten den Art. 21 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes ernster nehmen müssen, d. h. das Verfassungsgebot, das die Parteien verpflichtet, über die Herkunft und Verwendung der Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu geben. Dies nicht rechtzeitig gesehen und beachtet zu haben muß uns eigentlich alle betroffen machen. Es kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, aber dies wird sich nicht mehr wiederholen. Dies unseren Bürgern gegenüber verbindlich zu erklären ist für meine Fraktion das erste Ergebnis dieser Debatte.
Herr Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling?
Nein.Zweitens hat auch der Gesetzgeber versagt. Das neue Parteiengesetz, wie es die Union und der Bundeskanzler seit Jahren gewollt haben, hätte in diesem Parlament viel früher verabschiedet werden müssen. Allerdings müssen aus diesem Gesetz, dessen Kennzeichen Transparenz und Förderungswürdigkeit der Spenden sind, strenge Konsequenzen gezogen werden.Entsprechend diesem Gesetz hat die Christlich Demokratische Union auf ihrem Stuttgarter Parteitag in ihrer Beitrags- und Finanzordnung folgendes bestimmt.Erstens. Spenden sind abzulehnen, wenn ersichtlich ist, daß der Spender persönliche Vorteile damit verfolgt.Zweitens. Alle Spenden sind öffentlich zu verzeichnen.Drittens. Alle Spenden, die eine Einzelperson, z. B. ein Mandatsträger, erhält, sind unverzüglich der Parteiorganisation, der der Empfänger angehört, anzuzeigen und mit dieser abzurechnen.
Viertens. Spendenquittungen dürfen nicht mehr von Einzelpersonen und Mandatsträgern, sondern nur noch von den Berechtigten der Parteiorganisationen, z. B. den Kreisvorsitzenden und Geschäftsführern, ausgestellt werden.Wer sich daran nicht hält, handelt parteischädigend und wird zur Verantwortung gezogen.Ich fordere alle Parteien des Deutschen Bundestages auf, ähnlich klare und eindeutige Konsequenzen aus dem neuen Parteiengesetz zu ziehen.
Etwas ist klar — das möchte ich hinzufügen —: Ohne Spenden können die politischen Parteien ihre verfassungspolitischen Aufgaben nicht erfüllen. Deswegen wende ich mich gegen jede Diskriminierung von Spenden. Ganz im Gegenteil, ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion und meiner Partei bei allen Mitbürgern, die durch große oder kleine
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7441
Dr. GeißlerSpenden einen Beitrag für die parlamentarische Demokratie geleistet haben.
Drittens. Der Bundesvorstand der Christlich Demokratischen Union hat beschlossen, dem Parlament zu empfehlen, die Verhaltensregeln für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu ergänzen, zu erweitern und verbindlich zu machen. Dabei sollen nach Auffassung der Christlich Demokratischen Union auch die Erfahrungen in anderen demokratischen Ländern berücksichtigt werden. Ich persönlich werde mich — ich spreche zu diesem Punkt nicht im Namen der Fraktion; die Fraktion hat darüber noch nicht entschieden —, wie jedermann weiß, bei der jetzt beginnenden Debatte über die Neuordnung der Verhaltensregeln dafür einsetzen, daß die von allen Parteien im Ältestenrat beschlossene Überprüfung mit dem Ziel erfolgt, eine verbesserte Offenlegung auch der Einkünfte und Vermögen herbeizuführen, wobei ich es für richtig halte, daß der von dem Herrn Bundespräsidenten in die Diskussion eingeführte Vorschlag eines Ehrenrates in die Prüfung mit einbezogen wird. Nach meiner Auffassung — das ist ganz klar — müssen der Persönlichkeitsschutz, der Schutz des Mandanten, die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewährleitet bleiben; dies ist nach meiner Auffassung auch möglich.Ein internationaler Vergleich ergibt, daß in den großen westlichen Demokratien, die längere demokratische Traditionen haben als wir, wesentlich strengere Verhaltensregeln für die Mandatsträger gefordert werden und auch verwirklicht worden sind, ohne daß dort die — zu Recht — befürchteten negativen Folgen, wie z. B. eine Verbeamtung der Parlamente, eingetreten sind.Ich möchte eine vierte Bemerkung machen. Wir Abgeordneten haben die Aufgabe — im Unterschied zu allen anderen Bürgern auch die Macht —, Schicksal und Lebensbedingungen des ganzen Volkes zu beeinflussen, zu verändern und zu gestalten. Aus dem freien und unabhängigen Mandat und der Funktionsfähigkeit des Parlementes erwächst die Notwendigkeit der Immunität und Idemnität des Abgeordneten, im übrigen auch sein verfassungsmäßiges Recht auf eine dieser Verantwortung angemessene Entschädigung. Diesen verfassungsmäßigen Rechten entsprechen aber auch die Pflichten des Abgeordneten. Ich bin fest davon überzeugt — was ich jetzt sage, kann jeden von uns treffen, auch mich, denn niemand ist vor Fehlern oder vor Schuld gefeit —, daß jeder, der ein politisches Amt ausübt, sich an höheren Maßstäben messen lassen muß als der normale Bürger.
Dies entspricht im übrigen auch den ethischen Maximen, wie sie von Aristoteles bis Max Weber immer wieder für diejenigen formuliert und postuliert worden sind, die Herrschaft ausüben. Das Ethos des Abgeordneten und eines frei gewählten Parlaments gründet sich darin, daß sie Verantwortung für das Ganze tragen.Aber es gibt auch eine moralische Verpflichtung von uns allen, demokratische Institutionen wie das Parlament, aber auch die Parteien, zu schützen und zu verteidigen gegen emotionalisierte irrationale Angriffe. Die Demokratie ist nicht deswegen besser, weil demokratische Politiker unfehlbar sind, sondern weil wir Institutionen haben, die Kritik und Diskussion ermöglichen und die innere Kraft zur Erneuerung besitzen. Deswegen ist die Demokratie besser.
Herr Abgeordneter Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Karl Raimund Popper hat schon 1945 zu Recht festgestellt, daß keine Emotion— er hat hinzugefügt: noch nicht einmal die Liebe— die Herrschaft von Institutionen ersetzen kann, die durch Vernunft kontrolliert werden. Deshalb lassen wir nicht zu, daß mit diesen Institutionen zynisch umgesprungen wird.
Ich bringe jetzt mit Erlaubnis der Frau Präsidentin ein Zitat:Kaum ein Tag vergeht in diesen Wochen, an dem nicht unter dem inzwischen gängigen Stichwort Spendenaffäre immer neue sogenannte Enthüllungen, Unterstellungen und Gerüchte in die Welt gesetzt werden ... Wer Regierungen, welche Partei sie auch immer stellt, mit Rufmordkampagnen kippen will, verhöhnt und mißachtet jeden, der seiner demokratischen Pflicht in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nachgekommen ist. Er nimmt auch in Kauf, daß unsere doch immer noch junge Demokratie schließlich nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet, und er riskiert, daß Kräfte die Oberhand erlangen könnten, die unser Gemeinwesen aus seiner Bahn treiben wollen.Dies hat Herbert Wehner am 4. März 1982 in einem Zeitungsbeitrag geschrieben. Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was manche in seiner Nachfolge hier in diesem Parlament gesagt haben, dann kann man Wehmut bekommen,
daß dieser Mann der sozialdemokratischen Partei in dieser schwierigen Stunde den Parlamentsfraktionen nicht mehr zur Verfügung steht. Dies ist meine Meinung.
— Ich habe Herbert Wehner zitiert. Lesen Sie das Zitat noch einmal nach. Dieses Zitat war genau auf die Situation gemünzt und formuliert, in der wir uns heute befinden. Ich habe es deswegen gebracht,
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7442 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Geißlerweil natürlich zu Recht gesagt wird, daß die Presse die Aufgabe hat, Mißstände in einer Demokratie offenzulegen. Niemand, der Macht ausübt und sich an der Regierung befindet, kann und darf sich beklagen, wenn Medien gegen die Regierung schreiben und senden. Das Grundgesetz verbietet auch keine Richtungspresse. Aber die Medien stehen auch nicht auf einem unantastbaren Podest. Schaden fügt der Demokratie nicht zu, wer objektiv und verantwortlich berichtet und informiert.
Aber Schaden fügt der Demokratie zu, wer sich illegal Informationen beschafft.
Schaden fügt der Demokratie zu, wer als Beamter oder Angehöriger des öffentlichen Dienstes unter Verletzung rechtlicher Vorschriften Informationen preisgibt und die Persönlichkeitsrechte verletzt.
und dazu beiträgt, daß rechtswidrige Vorverurteilungen gegenüber unbescholtenen Bürgern vorgenommen werden.
Der Demokratie schadet, wer diesen demokratischen Staat — wie es die GRÜNEN tun — eine Bananenrepublik oder eine käufliche Republik nennt.
Ich kritisiere nicht die Kritik, die notwendig ist, aber ich kritisiere die Maßlosigkeit dieser Kritik, die alle Maßstäbe im historischen wie im internationalen Vergleich verliert und die politische Kultur verdirbt.Diese Verzerrungen — das wollte ich der sozialdemokratischen Partei einmal in Erinnerung rufen — erinnern mich z. B. an einen Skandal in der Weimarer Republik, der in die Geschichte als der sogenannte Barmat-Skandal des Jahres 1924 eingegangen ist. Damals waren die Sozialdemokraten und die Zentrumspartei beschuldigt worden, Kredite der Deutschen Staatsbank und der Deutschen Reichspost an die Firma Barmat gegeben zu haben, und zwar aus rein parteipolitischen Gründen, an ein Unternehmen, das 1924 in Konkurs gegangen ist. Die Hugenberg-Presse, die Deutschnationalen und die Nazis haben diesen Vorfall dazu benutzt, eine beispiellose Hetze gegen das Zentrum und die Sozialdemokraten und den Reichspräsidenten Ebert in Gang zu setzen. Damals wie heute gelangten Informationen aus Vorermittlungen und den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft an eine bestimmte Presse. Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Rudolf Breitscheid hat am 20. Januar 1925 im Deutschen Reichstag dazu folgendes festgestellt — ich zitiere aus dem Protokoll des Deutschen Reichtags mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:Die politische, ja man kann sagen, die parteipolitische Ausbeutung dieser Fälle liegt auf der Hand. Es sollte und soll der Beweis erbracht werden, daß die Parteien, die auf dem Boden der Demokratie stehen, das Land auch moralisch ins Verderben führen ... Es lag hier der Versuch vor, Stimmung gegen Schwarz-RotGold und für Schwarz-Weiß-Rot zu machen.Ich stelle die Frage: Für wen wird heute Stimmung gemacht? Heute wird Stimmung gegen die sogenannten etablierten Parteien gemacht. Damals hieß es: Systemparteien. Ich setze die GRÜNEN nicht mit den antidemokratischen Parteien der Weimarer Republik gleich.
Aber vor drei Wochen hat der Abgeordnete Reents hier in diesem Saal den Bundeskanzler in einer schlimmen Weise beschuldigt,
wahrheitswidrig, wie wir wissen, ein Mann, der früher dem Kommunistischen Bund angehört hat. Die Christlich Demokratische und Christlich-Soziale Union werden es nicht zulassen, daß ein Altkommunist den Bundeskanzler in dieser Form diffamiert, wie die Deutschnationalen damals den Reichspräsidenten Ebert diffamiert haben.
— Ich habe mich gegen die Maßlosigkeit der Kritik gewehrt. Das ist etwas, was Sie sich überlegen müssen.Wenn Herr Vietor mit seinen Geschäftspraktiken der Neuen Heimat schadet, dann hat niemand das Recht, deswegen die ganze deutsche Gewerkschaftsbewegung zu diffamieren.
Wenn die Firma Flick mit ihren unsäglichen Aktennotizen demokratische Politiker in Mißkredit bringt, dann darf niemand deswegen die gesamte deutsche Unternehmerschaft in einen Topf rühren.
Und wenn demokratische Parteien zugegebenermaßen Fehler gemacht haben, Fehler, die sie zuge(Frau Gottwald [GRÜNE]: Weil es herausgekommen ist!)Wer gibt Ihnen eigentlich das Recht, demokratische Parteien in dieser maßlosen Weise zu diffamieren, die diesen Staat nach 1945, nach der schwersten Krise, die dieses Volk in seiner Geschichte erlebt hat, aufgebaut haben?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7443
Dr. GeißlerIm übrigen, um dies auch einmal klar zu sagen: Es ist fast unbegreiflich, was Sie hier von der Verquickung von großem Geld mit den Parteien sagen.
Wie stellen Sie sich eigentlich die Willensbildung in einer großen demokratischen Partei vor? Das eine sage ich Ihnen: Kleine Parteien sind gefährdet, große Volksparteien, in denen die unterschiedlichsten Interessen vorhanden sind, können nicht gekauft oder bestochen werden.
Wie soll denn auf einem Parteitag der Christlich Demokraktischen Union oder der Sozialdemokratischen Partei mit 800 Delegierten oder in einer Fraktion mit 250 Mitgliedern eine politische Entscheidung durch Spenden an einzelne beeinflußt werden? Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies geht an der Komplexität der demokratischen Willensbildung doch völlig vorbei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun wäre es angesichts der Vertrauenskrise, von der wir alle miteinander sprechen, die ich ja gar nicht abstreite und die wir in unserer Erklärung auch gar nicht bestreiten,
auch möglich gewesen, daß die Parteien, die diesen Staat aufgebaut haben — Herbert Wehner hätte dies mit Sicherheit so gesehen —,
diese wichtige Parlamentsdebatte mit einer gemeinsamen Erklärung beschließen.
Die SPD hat sich dazu nicht bereit gefunden. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion ist von der Frau Kollegin Hamm-Brücher gefragt worden, warum es dazu nicht gekommen ist. Herr Vogel hat an den Fraktionsvorsitzenden Dr. Dregger einen Brief mit Datum vom 6. November 1984 geschrieben. Er schreibt:Die SPD-Fraktion hat den anliegenden Entschließungsantrag beschlossen. Er soll zu der für den 16. November 1984 vorgesehenen Debatte eingebracht werden. Meine Fraktion bietet Ihnen wie auch den anderen Fraktionen
an, diesen Antrag gemeinsam einzubringen.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat Ihnen darauf am 9. November geschrieben:
Ich würde es begrüßen, wenn wir in der für den 16. November vereinbarten Debatte zu einer gemeinsamen Beschlußvorlage kommen könnten. Wir sollten die notwendigen Gespräche zwischen unseren Fraktionen führen lassen.
Daraufhin, nach einmaligen Kontakten, hat die Geschäftsführung der sozialdemokratischen Fraktion die CDU/CSU wissen lassen, daß die sozialdemokratische Fraktion eine gemeinsame Erklärung nicht wünscht,
ohne daß es überhaupt zu einem Gespräch darüber, ob eine gemeinsame Erklärung möglich ist, gekommen ist.
Herr Abgeordneter Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hamm-Brücher?
Nein.
Leider nicht, Frau Abgeordnete!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedaure dies. Die SPD hat sich nicht dazu bereitgefunden, und wir müssen die Frage stellen: Warum eigentlich? Ich wende mich jetzt an meine eigene Fraktion
und frage, warum die Sozialdemokratische Partei nicht bereit war, mit uns gemeinsam eine Entschließung zu erarbeiten, wobei von Anfang an feststand, daß hier nichts unter den Teppich gekehrt werden sollte.
Das wäre in der Tat eine falsche Motivation gewesen. Dies wollte von uns niemand;
dies wollte auch der Teil in der SPD nicht, der sich dazu bereit erklärt hatte.
Wir Christlichen Demokraten und wir von der Christlich-Sozialen Union müssen uns darüber im klaren sein, daß die Sozialdemokraten — und dies ist der eigentliche Hintergrund — den großangelegten Versuch unternehmen wollen, mit dem Thema „Die CDU und das große Geld" uns in den Augen
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7444 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Geißlerder Wähler als die Partei des Großkapitals moralisch und politisch zu diskreditieren.
Dies ist der eigentliche Hintergrund.
Weil Sie sonst nichts zu bieten haben — das muß ich Ihnen jetzt schon sagen —,
will die SPD von der von ihr mitverursachten Vertrauenskrise ablenken und parteipolitisches Kapital daraus schlagen.Wir machen den Sozialdemokraten nicht den Vorwurf, daß sie Spenden genommen haben, weil wir Spenden für staatspolitisch notwendig halten, aber ich mache der SPD den Vorwurf, daß sie die Unionsparteien mit Hilfe der unsäglichen Aktennotizen des Flick-Konzerns als Handlanger des Großkapitals diskreditieren will. Das mache ich ihr zum Vorwurf!Da befinden Sie sich in einem Boot mit den GRÜNEN. Nur, so leicht kommen Sie aus dieser Debatte nicht heraus!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da gibt es nämlich einen Unterschied: Die SPD kriegt Geld von Flick und vom DGB. Dann sind die Kassen voll, und die sozialistische Moral ist intakt.
Das geht frei nach dem alten Bauernsprichtwort: Ehrlich währt am längsten, und wer nicht stiehlt, der kommt zu nichts.
Wir können es auch so sagen: Das ist die SPD-Variante des dialektischen Materialismus.
So — mit Flick und DGB — versöhnt der real existierende Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland den angeblich unüberwindlichen Konflikt zwischen Kapital und Arbeit.
Sie können es auch anders sehen: BB wie Breit und Brauchitsch.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?Dr. Geißler [CDU/CSU]: Nein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Kampagne „Die CDU und das große Geld" wird an ihrer inneren Unwahrhaftigkeit zerbrechen. Alle großen Sozialgesetze in der Nachkriegszeit — Montanmitbestimmung, Betriebsverfassungsgesetz,
das Bundesversorgungsgesetz, das Kindergeld, die große Rentenreform, das Bundessozialhilfegesetz, das Arbeiterkrankheitssicherungsgesetz, das Arbeitsförderungsgesetz, der Lastenausgleich,
das 312-DM-Gesetz — und die Entscheidungen, die wir jetzt getroffen haben, sind doch nicht Ergebnisse des Einflusses der Wirtschaft, sind auch nicht Ergebnisse der SPD-Politik gewesen,
sondern sind von Christlichen Demokraten konzipiert und von der Union durchgesetzt worden!
Wir werden uns — darauf können sie sich verlassen — auf unsere Aufgabe als große Volkspartei konzentrieren. Wenn wir unsere Aufgabe richtig verstehen und wenn diese Debatte heute einen Sinn haben soll, dann geht es jetzt darum, die demokratischen Parteien gemeinsam in die Lage zu versetzen, die Schritte nach vorne zu tun, von denen ich vorher gesprochen habe.Ich danke den Mitgliedern aller politischen Parteien, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
zu dem Aufbau unserer Demokratie durch Spenden, durch Beiträge, aber auch durch persönliches Engagement beigetragen haben. Die Erfahrungen, die die Männer und Frauen der ersten Stunde dieser Republik in den Parlamenten der Weimarer Republik gesammelt haben —
die Frauenvereinigung der CDU hat genauso wie die Frauenvereinigungen der SPD und der FDP in diesen Tagen ein Buch vorgestellt, in dem dargestellt wird, wie die Frauen, die damals in der Weimarer Republik die Verantwortung getragen haben, ihre Erfahrungen in die neue Republik eingebracht haben —,
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Dr. Geißlerwaren die Basis für den Aufbau der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland.Vor 1933 gab es — wie Bundespräsident von Weizsäcker einmal gesagt hat — nicht zu viele Nazis, sondern zu wenige Demokraten. Wir müssen die Chance nutzen, durch die innere Kraft der Erneuerung noch mehr Mitbürger für die Arbeit in den politischen Parteien zu gewinnen. Das unterscheidet die Situation damals von heute: Heute gibt es innerhalb und außerhalb der Parteien Millionen demokratisch engagierter Bürger. Wir haben eine große Verantwortung dadurch, daß wir die Schritte nach vorne tun, daß wir neues Vertrauen gewinnen.Die heutigen Parteien sind nicht von Fehlern befreit und gegen Fehler gefeit. Aber im Gegensatz zu damals wird uns dieses breite demokratische Bewußtsein, das die politischen Parteien geschaffen haben, fn die Lage versetzen, aus dieser Krise eine Chance zu machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmude.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute zu sehr aktuellen Vorgängen zu sprechen. Ausflüge in die Geschichte der Diffamierung, Herr Geißler, können und dürfen davon nicht ablenken.
Sie sind auch nicht besonders überzeugend, wenn Sie in aller Bescheidenheit den derzeitigen Deutschen Meister in der politischen Diffamierung in dieser historischen Darlegung so gar keines Wortes würdigen.
Jedenfalls wissen wir jetzt, weshalb es richtig war, frühzeitig einen Entschließungsentwurf vorzulegen, Ihnen anzubieten, diesen gemeinsam einzubringen, aber dem Gedanken an eine Verwässerung und Veränderung dieses Entwurfs nicht näherzutreten.
Wir haben die Chance, mit dieser Debatte die Demokratie zu stärken. Nicht das schonungslose Reden über anstößiges Handeln erschüttert das Vertrauen der Bürger. Der kritisch beleuchtete Tatbestand selbst ist es, der diese Wirkung hat. Wer ihn aufdeckt, ihn kritisiert und sich um notwendige Konsequenzen bemüht, stellt Vertrauen wieder her.
Über solche Grundsätze können wir uns vermutlich alle einigen. Der Anschein einer weitreichenden Gemeinsamkeit zwischen den Fraktionen wäre allerdings trügerisch; denn zur Aufklärung gehört die ehrliche Beschreibung des in der Vergangenheit
Geschehenen. Diese Bereitschaft kann ich bei CDU/CSU und FDP auch heute nicht erkennen.
Statt dessen hören wir verharmlosende und beschönigende Bewertungen, erleben schlichte Falschdarstellungen und immer wieder völlig unhaltbare Rechtfertigungsversuche. Das läuft trotz gegenteiliger Beteuerungen auf Vertuschung hinaus. Und darin gibt es zwischen uns keine Gemeinsamkeit, so wenig wie es sie in der Vergangenheit in unserem Handeln gegeben hat.
Es ist leider richtig! Auch bei Spendenvorgängen zugunsten der SPD ist in der Vergangenheit offenbar nicht alles vorschriftsmäßig zugegangen. Wer daraus aber schon folgert, die SPD sei betroffen wie andere Parteien auch, verfälscht bereits die Wahrheit.
Die SPD ist nicht und war nicht die Partei des großen Geldes.
Vor den jetzigen Diskussionen ist auf einen solchen Gedanken auch niemand gekommen. Neben den Hunderten von Millionen an Spenden für die jetzigen Regierungsparteien nehmen sich die Zuwendungen an die SPD wie Trostpreise aus.
Noch die Rechenschaftsberichte für 1983 zeigen gravierende Unterschiede: viermal so hohe Spendeneingänge allein bei der CDU wie bei der SPD.
Selbst die kleineren Parteien CSU und FDP haben deutlich mehr erhalten als die SPD.
Seit jeher ist einer der Hauptinhalte sozialdemokratischer Politik der Kampf um die Begrenzung wirtschaftlicher Macht, vor allem wo sie sich politisch auswirken will. Auch deshalb sind wir Sozialdemokraten nicht im geringsten als kapitalnah verdächtig.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung ist von Sozialdemokraten erstritten worden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Jetzt nicht.Es war die hessische Landesregierung, die das Urteil von 1959 erwirkt hat, mit dem der nahezu unbegrenzten steuerlichen Begünstigung von Parteispenden ein Ende gemacht worden ist. Auch das
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7446 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. SchmudeUrteil von 1966 zur staatlichen Parteienfinanzierung ist auf Antrag der SPD-geführten hessischen Landesregierung ergangen.Wir Sozialdemokraten haben die rückwirkende Strafbefreiung für Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Parteispenden immer wieder und bis heute erfolgreich verhindert. Wir haben die Versuche verdeckter Amnestien abgewehrt, wie sie zuletzt bei der Beratung des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes Ende 1983 von der Koalition unternommen wurden.
Wir haben uns mit aller Kraft und erfolgreich den offenen Anschlägen auf die Strafrechtspflege widersetzt, die mit Amnestievorhaben zunächst Ende 1981 und erneut im Mai dieses Jahres durchgeführt werden sollten.
Schließlich weisen wir darauf hin — nicht mit Schadenfreude, sondern weil es zur Bewertung der Betroffenheit verschiedener Parteien gehört —: Anders als bei den Regierungsparteien sind bei der SPD Bundestagsabgeordnete, Staatssekretäre oder gar Minister nicht Zielpersonen von Strafverfolgungsmaßnahmen.
Mit alledem will ich Gesetzesverstöße und auch Verstöße gegen politische Anstandsregeln, die Sozialdemokraten zu vertreten haben, weder abstreiten noch rechtfertigen und auch nicht vertuschen. Aber: Staatsanwälte und Richter werden und müssen die anhängigen Verfahren unbehindert und unbeeinflußt zu einem rechtsstaatlichen Ende bringen. Der vom Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschuß muß seine Arbeit fortsetzen, bis die Beweise ausgeschöpft sind und die mögliche Aufklärung erreicht ist.Wer sich politische oder auch strafrechtliche Verfehlungen hat zuschulden kommen lassen, muß Konsequenzen tragen. Er wird damit, meine Damen und Herren, nicht zum politisch-moralischen Abschuß freigegeben, sondern hat weiterhin Anspruch auf unsere menschliche Achtung.
Nirgendwo gilt z. B. ein bestrafter Steuersünder als krimineller Lump. Das muß auch gelten, wenn die Strafe Politiker oder ihre finanziellen Förderer trifft. Voraussetzung ist allerdings, daß sie sich einer Aufklärung und einer eventuellen Bestrafung in gleicher Weise zu stellen haben wie jeder andere.Wer bereinigen und Konsequenzen ziehen will, darf die frühere Rechtslage nicht verfälschen. Sie war auch vor 1984 nicht unklar. Das Bundesverfassungsgericht selbst hatte das geltende Recht in mehreren Entscheidungen festgelegt, es hatte durch seine Rechtsprechung die dann notwendigen Gesetze erzwungen. Sie waren klar und jedermann bekannt. Eben deshalb wurden sie nicht in jenem guten Glauben, den man uns heute weismachen will, umgangen. Sie wurden in eindeutiger Absicht und vielfach mit raffinierten Täuschungsmanövern gegenüber dem Finanzamt gebrochen. Zur Klarstellung bedurfte es gar nicht mehr des Verfassungsgerichtsurteils aus dem Jahre 1979, zu dem der Bundeskanzler sich so gerne rühmt, er habe es über den Antrag der niedersächsischen Landesregierung herbeigeführt. Tatsächlich war der Antrag der Versuch, die geltende Rechtslage durch ein neues Urteil ändern zu lassen, nachdem wir Sozialdemokraten uns einer verfassungswidrigen Änderung versagt hatten. Herausgekommen ist damals nichts anderes als die Bestätigung des Rechts, das schon vorher galt.Zur Bereinigung gehört eine wahrheitsgemäße Tatsachenschilderung. Das genaue Gegenteil davon leistet sich der CDU-Bundesvorstand, wenn er in der Anlage zu seinem Beschluß vom 5. November 1984 behauptet, staatsbürgerliche Vereinigungen hätten mit Billigung der Finanzämter Spenden für politische Parteien angenommen, anerkannte Spendenbescheinigungen ausgestellt und seien entsprechend auch in den Rechenschaftsberichten der politischen Parteien als Spender genannt worden. Ja, in den veröffentlichten Rechenschaftsberichten finden sich immer wieder staatsbürgerliche Vereinigungen als Spender für CDU, CSU und FDP. Diese aber waren nicht steuerbegünstigt und konnten deshalb auch keine anerkannten Spendenbescheinigungen ausstellen. Ausgestellt hat solche Bescheinigungen aber die inzwischen traurig berühmte „Staatsbürgerliche Vereinigung Köln/Koblenz 1954 e. V." Sie hat, seit 1957 mit Sitz in Koblenz, über 200 Millionen DM für die CDU und die FDP gesammelt, ist aber mit keiner einzigen Spende in den Rechenschaftsberichten der Parteien erwähnt.
Hierzu wird also von der CDU der Sachverhalt verfälscht, indem sie sich die Namensgleichheit der Vereinigungen zunutze macht. Und das ist nur ein Beispiel für solche Art der unaufrichtigen Vergangenheitsbewältigung.
Zur Bereinigung der Vorgänge gehört, daß jeder weitere Gedanke an eine Amnestie unterbleibt. Wir haben unverändert Zweifel, ob wir das von CDU und CSU wirklich erwarten dürfen. Noch vor zwei Tagen hat Herr Waigel im Fernsehen verkündet, er halte die Amnestie weiterhin für legitim, finde nur keine Mehrheit dafür. Das wird wohl auch der Grund sein, daß in Ihrer Entschließung die Ablehnung einer Amnestie in so dürren Worten ausgedrückt wird.
Sie werden keinen Antrag stellen, ja, weil Sie im Moment keine Mehrheit dafür erwarten. Gerade in diesem Punkt ist unser Antrag vollständiger und klarer. Wir bestehen auf ihm und werden — Frau Präsidentin, das beantrage ich jetzt — in einer na-
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Dr. Schmudementlichen Abstimmung feststellen lassen, wie das Haus dazu steht.
Ich habe den Argwohn: Während wir uns jetzt von Ihnen Gemeinsamkeitsgerede entgegenhalten lassen, sind Sie bereits dabei, ein neues Manöver vorzubereiten, mit dem Sie den Effekt des alten Amnestieversuchs erreichen wollen. Was soll denn wohl das dauernde öffentliche Gerede von dem Vorrang des Finanz- und des Finanzgerichtsverfahrens vor einem Strafverfahren? Wollen Sie die jahrzehntelange Übung, die hier besteht, daß die Verfahren parallel laufen, daß sie von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung vorbereitet werden, jetzt aus diesem aktuellen Anlaß ändern? Und wenn Sie solche Pläne haben, um die, die zur Verurteilung anstehen, zu retten, die Urteile aufzuschieben, dann sagen Sie es hier heute in dieser Sitzung, damit wir wissen, woran wir bei Ihnen sind.
Es geht nicht, daß Sie, erklären, eine Amnestie würden Sie nicht beantragen, gleichzeitig aber auf einem Umweg, verdeckt, ein Manöver betreiben, das letztlich doch den Zweck der Strafbefreiung haben soll.Ein neuer Anfang würde von vornherein auch dann verschüttet, wenn man in das jetzige Parteienfinanzierungsgesetz eine versteckte Amnestie hineinlesen wollte. Es enthält sie nicht. Es schafft andere Rahmenbedingungen für Spenden: die verschärfte Veröffentlichungspflicht, die Begünstigung kleiner Spenden und Beiträge, den Chancenausgleich. Wer, wie Herr Geißler vor wenigen Tagen noch, die Straffreistellung über die Anwendung dieses Gesetzes als milderes Recht empfiehlt, der leugnet die Andersartigkeit der neuen Regelungen. Dem Bestand des Gesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht dient er damit wahrlich nicht.
Wer die Verhältnisse in den letzten Jahren wirklich aufklären will, der darf nicht die wichtigsten Helfer bei dieser Aufklärung, die Journalisten, beschimpfen und zu Hauptschuldigen abstempeln wollen.
Fern von jeder Einsicht und Besinnung, fern von jeder Selbstkritik hat der Bundeskanzler in der Medienschelte inzwischen Rekorde aufgestellt. Nicht bei ihm selbst und seinen Freunden in Politik und Wirtschaft, sondern bei denen, die sie schildern, sieht er die Hauptschuld an den derzeitigen Problemen. Von ihm stammt doch das Schimpfwort von der „Hamburger Kloake", gleich für mehrere der dort erscheinenden Zeitschriften.
Er sieht unter den Journalisten die Verderber desStaates und muß sich doch entgegenhalten lassen,daß niemand den Staat so wirksam verderben kann wie der, der an seiner Spitze steht.
Daß man auf Boten einprügelt, hat die Nachrichtenlage noch niemals verbessert. Die Boten haben Mißstände und Skandale nicht geschaffen, sie berichten über sie.
Und wie sich jetzt zeigt, waren die Funk- und Presseberichte über Mißstände in der Parteienfinanzierung und sonstige Verquickungen von Geld und Politik im wesentlichen zutreffend.Durch ihr eigenes Verhalten hat die CDU/CSU das kürzlich eindeutig bestätigt. Mit Worten hat sich der Bundeskanzler, als es um Herrn Barzel ging, gegen eine „großangelegte Verleumdungskampagne" gewandt. Gleichzeitig hatte die Union bereits damit begonnen, den Rücktritt Barzels von seinem Amt zu betreiben. Weshalb denn wohl? Wegen einer Verleumdungskampagne? Weil es „Spiegel" und „Stern" und auch der „Zeit" so gefiel? Nein, weil es auch die Unionspolitiker selbst für unerläßlich hielten.Natürlich, meine Damen und Herren, ist unsere Republik nicht käuflich. Wir haben auch keine Staatskrise, weil unser Staat eben nicht identisch ist mit der jetzigen Regierung und den Regierungsparteien.
Daß wir aber in dieser Hinsicht von der Öffentlichkeit befragt werden, dürfen wir doch nicht einfach zurückweisen; denn böser Anschein ist entstanden, auch durch das Verhalten des Bundeskanzlers selbst. Es ist ja respektabel, wenn er sich als Parteivorsitzender nicht zu schade ist, auch auf die finanzielle Ausstattung seiner Partei zu achten,
Aber es ist ein schlimmer politischer Stil, wenn der Vorsitzende der großen Oppositionspartei im Bundestag, der Ministerpräsident eines Landes und später Kanzlerkandidat, sich darauf einließ, bei Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern immer wieder größere Bargeldbeträge entgegenzunehmen.
Nicht nur ist das Verfahren der Barzahlung an Stelle einer ordentlichen Überweisung anrüchig, auch die Zahlung gerade an diesen Empfänger, einen Spitzenpolitiker, ist es. Womit sollen denn wohl diejenigen, die keine dicken Geldumschläge dabei haben, bei Gesprächen mit ihm ihre Argumente unterstreichen?
Führt man sich das Bild dieser Geldübergaben vorAugen, so ist doch nur einleuchtend, wenn die
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7448 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Schmude„Westfälische Rundschau" am 9. November 1984 schreibt:Immer dringlicher wird der Verdacht, daß der deutsche Wähler in seiner vom Grundgesetz garantierten Rolle als alleiniger Souverän harte Konkurrenz hat; die Deutsche Mark.Meine Damen und Herren, diese Debatte könnte auch für den Bundeskanzler eine große Chance sein. Er könnte hier eindeutig erklären, daß die Vorgänge bei der Parteienfinanzierung nicht in Ordnung waren, daß sie Anlaß zur Kritik gegeben haben. Er könnte die Kritik als berechtigt anerkennen und versprechen, daß er sich bemühen wird, das verlorene Vertrauen der Bürger durch rückhaltlose Aufklärung und eindeutige Konsequenzen wiederzugewinnen.
Er könnte eindeutig erklären, daß die Justiz ihr Amt ohne Ansehen der Person gegen Straftäter ausüben muß, auch wenn es Menschen trifft, die ihm nahestehen.Nichts von alledem hören wir vom Bundeskanzler. Er hat sich nichts vorzuwerfen, sondern nur anderen. Vertrauensverluste ignoriert er. Aufklärungsbemühungen sind für ihn Schmutzkampagnen. Zu Konsequenzen ist er, wie wir wiederholt erlebt haben, erst bereit, wenn kein anderer Ausweg mehr bleibt. Die Justiz verfolgt nach seinen Erklärungen Unschuldige. Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu sind, wenn sie nur im Zusammenhang mit Parteispenden begangen wurden, nicht zu beanstanden, ja ehrenhaft und verdienstvoll.Diese Haltung des Chefs unserer Bundesregierung droht sogar im Verhältnis zu den Mißständen und Fehlgriffen bei der Parteienfinanzierung zum schlimmeren Skandal zu werden.
Der Bundeskanzler ist mit seinem Amnestievorhaben an der empörten Ablehnung der großen Mehrheit aller Bürger gescheitert.
Das allgemeine Rechtsbewußtsein, dessen Gefährdung aus Anlaß von Demonstrationen und Hausbesetzungen so gern beklagt wird, hat sich eben in diesem Scheitern bewährt. Dr. Kohl aber hält uneinsichtig an seinem anstößigen Bestreben fest.
Daß er sich den Finanziers seiner Partei damit erkenntlich zeigen will, macht seinen skandalösen Umgang mit dem Recht nur schlimmer.
Mit der Amnestie selbst erfolglos, versucht er es mit Freisprüchen durch Kanzlerworte. In der Geschichte der Bundesrepublik hat sich damit ein Bundeskanzler zum erstenmal so massiv in die Aufgaben der Justiz während laufender Verfahren eingemischt,
daß sich Gericht und Staatsanwaltschaft in einem Fall bereits nachdrücklich wehren mußten. Der Verfahrensausgang in diesem Fall — im Fall Madaus — übrigens zeigt: Die öffentlichen Freisprüche des Bundeskanzlers sind wertlos. Ich füge hinzu: Sie sind auch anmaßend.
Beim Bundeskanzler bemerken wir keine Einsicht; nicht einmal zum Stillschweigen ist er bereit. Unbeirrt und lautstark hadert er mit der Gerechtigkeit, wie sie die Justiz ausübt. Man muß ihm unterstellen, daß er lieber heute als morgen auf die Amnestie zurückkommen würde.Mit dieser Haltung ist der Bundeskanzler im Begriff, das Vertrauen der Bürger zum Staat stärker zu erschüttern, als alle sonstigen Skandale es könnten. Dadurch vereitelt er zugleich den Erfolg unseres gemeinsamen Bemühens um die Wiederherstellung des Vertrauens; denn der Bürger kann sich nun einmal auf den Bestand von Recht und Gesetz nicht verlassen, wenn er damit rechnen muß, daß der Bundeskanzler selbst es ist, der sich daran vergreifen will.
Unsere Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Bundeskanzlers haben wir Sozialdemokraten nach seiner Amtsübernahme nicht ausräumen können; wir haben hierfür vielfache Bestätigung gefunden. Doch nicht davon, sondern von Schlimmerem muß heute die Rede sein. Die Wende sollte ja nicht nur bessere Sachentscheidungen, sie sollte eine erneuerte politische Führung und moralische Orientierung durch diesen Bundeskanzler bringen.
Wir haben das damals für Wortgeklingel gehalten, dem bestenfalls keinerlei Taten folgen würden. Nicht erwartet haben wir, daß gerade auf dem Gebiet der politischen Moral die Hauptmängel dieser Regierung liegen würden.
Während wir die unzureichende fachliche Kompetenz dieses Bundeskanzlers kritisierten, haben wir nicht geahnt, daß es ihm sehr viel mehr noch an moralischer Kompetenz für sein Amt fehlen würde.
Heute ist eben das Gesprächsthema im Inland undim Ausland. Man sieht die Maßstäbe, die dieser
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7449
Dr. SchmudeKanzler setzt, und erkennt immer mehr, daß sie verheerend sind.
Meine Damen und Herren, haben wir unter diesen Umständen überhaupt eine Chance, die Krise des Vertrauens der Bürger in die Politik zu beenden?
Wir Sozialdemokraten wollen mit unserem Entschließungsantrag einen Versuch dazu machen. Erfolgreich könnte er letztlich nur sein, wenn auch die Regierungsparteien, wenn besonders der Bundeskanzler zu besserer Einsicht fähig wäre.
Das aber steht leider nicht zu hoffen. Wir müssen vielmehr fürchten, daß die Vertrauenskrise weiter schwelen wird. Es wäre nicht die erste lange schwelende Krise, die erst damit ein Ende findet, daß der amtierende Bundeskanzler abtritt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich bin heute morgen hierhergekommen, um als Bundesminister der Justiz etwas zu sagen.
Mich darauf zu beschränken ist nach dem Ablauf der Debatte, insbesondere nach dem, was Kollege Dr. Schmude eben sagte, nicht so ganz möglich. Ich weiß nicht: Ist der SPD-Fraktion eigentlich klar, in welchem Umfange sie sich dem Bemühen, Vergangenes aufzuarbeiten und bessere Lösungen für die Zukunft zu suchen, verweigert,
wie sie mit einseitigen Attacken und Angriffen hier in einer Massivität auftritt, daß man meinen sollte, ihr einziges Problem sei es, den Kanzler und andere aus der Unionsfraktion und aus der FDP-Fraktion in einer Weise zu attackieren, herabzusetzen, um das ganze Elend in diesem Lande auszubreiten, um vordergründigen Beifall auf ihren Karren zu laden?
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, daß dies schiefgehen wird.
— Herr Conradi, ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu, weil ich gerade dabei bin, Ihnen in aller Deutlichkeit die Berechtigung abzusprechen,
mit dem moralischen Anspruch aufzutreten, daß es Ihnen um die Sache ginge.
Das haben Sie sich selbst zerstört. Dies hier festzustellen, ist notwendig.
Ich will, wie ich es vorgehabt habe, eine Reihe von Bemerkungen machen. Schon beim Deutschen Juristentag vor wenigen Wochen in Hamburg wurde über politische Institutionen in Krisenzeiten gesprochen. War das nur eine historische Betrachtung, oder ist dies ein aktuelles Thema?Ich meine, wir haben keine Krise unseres Staates. Wir haben auch keine Krise der Institutionen.
Was wir haben, ist ein schwindendes Vertrauen in politische Repräsentanten. Ich muß da aufgreifen, daß diejenigen draußen im Lande, die sich heute die Zeit dafür nehmen, uns zuzuhören, wie wir uns mit einer solchen Frage auseinandersetzen, natürlich auch aufmerksam verfolgen werden, ob der Versuch unternommen wird, hier nur zu einem gegenseitigen Schlagabtausch zu kommen. Da wird es doch interessant sein, ob jeder bereit ist, nicht nur so in einem Nebensatz zu sagen: Auch wir haben mal eine Spende kassiert und nicht veröffentlicht, irgend etwas getan, was nicht hätte sein sollen. Nein, da wird schon mehr verlangt, und da sind diejenigen, die durch die Jahre in diesem Parlament und als politische Parteien in diesem Lande mitgewirkt haben, alle mit im selben Boot. Wer hier aussteigt, wird sich in einer Weise naß machen, wie ihm dies vielleicht heute überhaupt noch nicht so ganz klar ist.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns mit den Fragen, die zur Debatte anstehen, auseinandersetzen, denn das schwindende Vertrauen könnte Vorbote für Schlimmeres sein. Da dürfen wir natürlich nichts beschönigen. Da müssen wir klare Fragen stellen. Mich interessieren als Jusitz- und damit auch als Verfassungsminister zunächst einmal eine ganze Reihe von Rechtsfragen zur Parteienfinanzierung, auch zur verfassungsrechtlichen Stellung des Abgeordneten.
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7450 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Bundesminister EngelhardDie Parteien machen in unserer parlamentarischen Demokratie das Volk handlungsfähig und geben ihm Einfluß auf die Staatsgewalt.
Die Parteien sind Mittler zwischen dem Volk und dem Staat mit dem Rang einer verfassungsrechtlich abgesicherten Institution. Deshalb und aus keinem anderen Grunde müssen die Parteien bei allem Bestreben, wieder zu mehr Bescheidenheit zu kommen, über ausreichende Mittel verfügen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. Deswegen ist die Hingabe von Spenden eben nicht nur legitim,
sondern in der Konsequenz der Rechtsprechungdes Bundesverfassungsgerichts gut und notwendig.Da sind wir wieder bei dem Punkt. Wer dann antritt und sagt: „Auch ich habe natürlich Spenden bekommen. Nun ja, ich will es j a einräumen", wobei dies denn nur der Vor-Satz dafür ist, um anschließend in der breiten Öffentlichkeit wie durch die Jahre wieder einmal den Eindruck erwecken zu wollen — meine Damen und Herren von der SPD —, als würde man sich im Regelfall wirklich nur von den Spargroschen der Witwen und Waisen ernähren, der stellt sich in einer Weise dar, die schon etwas Rührendes und ans Herz Gehendes hat.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einem Zwiespalt. Wir befinden uns in einem Spannungsverhältnis; das muß man mal einräumen. Auf der einen Seite wird uns vom Bundesverfassungsgericht gesagt, daß wir uns als Parteien, von der Erstattung der Wahlkampfkosten abgesehen, nicht aus Staatsmitteln erhalten dürfen, auf der anderen Seite aber reichen Mitgliedsbeiträge nicht aus, um den Aufgaben gerecht werden zu können. Da wird es in der Zukunft ganz interessant sein, sich mal stärker dem Finanzierungswesen der GRÜNEN zuzuwenden.
Sie ernähren sich j a in einem Umfange aus Staatsmitteln, der mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wohl kaum in Einklang zu bringen ist.
Nun brauchen die Parteien Menschen und Institutionen, die ihnen Spenden geben. Wenn ich dies fast als einen Appell ansehe, weil es immer noch in den Ruch des Schlechten, des Anrüchigen zu bringen versucht wird, so sage ich, daß man sich dabei j a nicht nur an die Wirtschaft oder an Mitglieder der politischen Parteien wendet; denn die politischen Parteien sind Mittler für alle Wähler, auch für die politisch nicht Organisierten, und deswegen ist es auch ein Zeichen der Verbundenheit zu diesem Staat — ich sage: auch —, einer politischen Partei, der man nicht angehört, aber der man zuneigt, eine politische Spende zu geben.
Gerade in einer Situation, wo der Eindruck erweckt wird, als sei alles nur ein tiefer Sumpf, durch den selbst der moralisch Integre in hohen Gummistiefeln nicht mehr trocken hindurchkäme,
muß es notwendig sein, einmal zu sagen,
was Sache ist und wie das oberste Gericht, das Bundesverfassungsgericht, uns die Handlungsweise vorgegeben hat.Wir sind uns alle einig, trotz mancher schrillen Töne in dieser Debatte, daß alle Versuche, den politischen Einfluß der Parteien zu kaufen, abzulehnen, zu verurteilen sind. Der Generalsekretär der CDU, Herr Geißler, hat zu Recht darauf hingewiesen, daß— dies gilt nicht für große Parteien; da ist es gleich, ob eine Partei 50% der Mandatssitze im Parlament hat oder 5% — Parteien wirklich nicht so leicht zu kaufen sind. Aber es geht um etwas ganz anderes.— Es geht um die Frage des bösen Scheins.
Hier ist durch die Publizitätspflicht des Parteienfinanzierungsgesetzes ein Instrument geschaffen worden, das uns künftig entscheidend weiterhelfen wird. Ich meine, daß die Vergangenheit nicht verdrängt werden darf, sondern daß wir uns redlich bemühen müssen, sie aufzuarbeiten.Nun sind die Ausgangslagen und die Sachverhalte für die Vielzahl der anhängigen Verfahren höchst vielgestaltig. Es wird vielleicht erwartet, daß ich an dieser Stelle etwas zur Rechtslage sage. Meine Damen und Herren, ich werde mich hüten, nein.
— Wirklich, Herr Kollege Schmidt, ich werde mich hüten. Als Bundesminister der Justiz
will und darf ich mich nicht in schwebende Verfahren einmischen.
— Es freut mich, daß dies den Beifall des Kollegen Schmude findet, der in wesentlichen Passagen seiner Rede — er ist derzeit auch nicht in einem sol-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7451
Bundesminister Engelhardchen Amt — fast als der große Vorverurteiler vorher auf den Plan getreten war.
Es ist Aufgabe der unabhängigen Gerichte, in jedem einzelnen Falle zu einer gerechten Entscheidung zu kommen. Der Deutsche Bundestag hat sich beschlußmäßig klar dagegen ausgesprochen, zu einer Erledigung der Verfahren durch eine Amnestie zu kommen, und dabei bleibt es auch. Dann bitte ich, nicht immer auf Umwegen die Fragen zu stellen, die bereits beantwortet sind. Ich hoffe jedenfalls, daß die Anfragen des Kollegen Emmerlich zum Verhältnis zwischen Strafgerichtsbarkeit und Finanzgerichtsbarkeit mittlerweile schon beantwortet sind. Ich habe sie bereits abgezeichnet.
Die Bundesregierung hat damit eine klare Antwort gegeben. Erwecken Sie in einer solchen Debatte nicht den Eindruck, als sollten hier von Regierungsseite oder der Mehrheit der Regierungsparteien her durch die Hintertür wieder irgendwelche Versuche in diese Richtung unternommen werden.Meine Damen und Herren, es gibt ein weiteres großes Thema, womit sich zu befassen unsere Aufgabe wäre, das Thema der Diskussion um den „gläsernen Abgeordneten". Nun ist es vielleicht einmal ganz interessant, sich in die Erinnerung zurückzurufen, daß der Abgeordnete Dr. Linde, unser ehemaliger Kollege, am 25. Juni 1980, damals als Berichterstatter des Rechtsausschusses, hier im Hause ausführte:Ich möchte... ganz deutlich sagen, daß es ... zu bedauern ist, daß es entgegen früheren Ankündigungen ... nicht gelungen ist, über den öffentlichen Dienst hinaus das Verhältnis Beruf und Mandat auseinanderzuklamüsern, d. h., diese Frage umfassend, allgemeingültig und zutreffend zu regeln. Wir müssen offen sagen, daß wir dies nicht geschafft haben, daß es dafür keine zutreffende Regelungen gibt.Dann ist später der Versuch, ein Gesetz gegen den Mißbrauch der Abgeordnetenstellung zu schaffen, erarbeitet von der Rechtsstellungskommission des Deutschen Bundestages, ebenfalls gescheitert.Ich meine, wir müssen die heutige Diskussion — das wird vom Bürger zu Recht erwartet — zum Ausgangspunkt und zum Anlaß nehmen, uns intensiv mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und nach besseren Lösungen ehrlichen Herzens und mit nachdrücklichem Willen zu suchen.Nun hat das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil uns das sicher ganz realistische Bild des modernen Berufspolitikers gezeichnet, dessen verfassungsrechtlicher Status durch Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit gekennzeichnet ist. Den öffentlichen Status des Abgordneten, der dessen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit meint, konkretisiert das Bundesverfassungsgericht erstens in der Forderung nach einem Parlamentsgesetz, zweitens in der Betonung der Notwendigkeit einer ausgewogenen, repräsentativen Zusammensetzung des Parlaments und drittens — darum geht es hier vor allem und ganz zentral — in dem Hinweis auf das Problem der sogenannten Beraterverträge.Mandat und Berufsausübung sowie sonstige Beschäftigungsverhältnisse neben dem Mandat sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts miteinander vereinbar. Ich meine, auch hieran müssen wir ganz strikt festhalten. Ein Berufsausübungsverbot für Abgeordnete wäre mit Rücksicht auf die Freiheit des Mandats und des Grundrechtsstatus des Abgeordneten verfassungsrechtlich unzulässig. Ein solches Unterfangen wäre natürlich auch verfassungspolitisch im höchsten Maße unerwünscht, denn die Vielfalt unserer Gesellschaft verlangt, daß im Bundestag auch Vertreter der freien Berufe, selbständige Unternehmer und Handwerker, Frauen und Männer aus der privaten Wirtschaft ihren Platz haben und zu Wort kommen. Welcher Geschäftsmann, welcher Architekt, Arzt oder wer immer wäre noch bereit, ins Parlament zu gehen, wenn er damit gleichzeitig und endgültig all das von sich stoßen müßte, was er sich über Jahre hin mühsam aufgebaut hat.
— Nein, nein.Dazu gehört überdies ein ganz anderer Gedanke. Die Entwicklung zum Abgeordneten als Lehrberuf — Azubi meine ich — wäre damit natürlich vorprogrammiert und kann ganz sicherlich der richtige Weg nicht sein.Nun, wir sind uns dahin einig, daß Verträge, die nur dem Ziel dienen, den Abgeordneten zum Lobbyisten der Interessen eines Geldgebers zu machen, unzulässig sind. Deswegen müssen wir uns um größere Transparenz, um größere Durchsichtigkeit bemühen.
Allerdings ist vor Patentrezepten zu warnen. — Nein, nicht vertraulich. — Ich meine, die Erfahrung lehrt uns, daß eilfertige und nach einem publikumswirksamen Echo schielende Patentrezepte der Sache nur schaden.
Was wir brauchen, ist eine wohlüberlegte Lösung. Dazu hat die FDP-Fraktion — man mag dem mehr oder weniger zuneigen — bereits Vorschläge vorgelegt, die zumindest einen guten Denkanstoß und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen darstellen.Ich meine, daß wir uns bei der Beratung dieses Themas darum bemühen müssen, zu einer Ausgewogenheit zu kommen. Der Bürger hat ein Anrecht, klar hindurchblicken zu können, kann aber andererseits vom Abgeordneten und seiner Familie
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7452 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Bundesminister Engelhardnicht verlangen, ihr Leben vor einem öffentlichen Röntgenschirm zu verbringen.
Ich meine, daß die informationelle Selbstbestimmung, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil für alle Bürger festgelegt hat, auch für den Abgeordneten gilt.
— Nicht „auf einmal"! — Da geht es natürlich nicht an, daß Datenschutzwächter sogar über die Führung eines innerbetrieblichen Geburtstagskalenders — nicht etwa beschränkt auf die Damen, damit wir uns recht verstehen — ein großes Lamento anstimmen, aber auf der anderen Seite die ganzen privaten Vermögens- und Erbschaftsverhältnisse von Abgeordneten und ihren Familien total durchleuchten wollen. Nein, ich meine, wir werden uns hier um eine sehr wichtige und richtige, aber um eine ausgewogene und vernünftige Lösung bemühen müssen.Ich sage als Justizminister in diesem Zusammenhang, was alle die Verfahren angeht, was alle die Beschuldigungen angeht, mit aller Deutlichkeit zum Schluß noch eines. Wer sich um die größere Wahrhaftigkeit und zu Recht um die Aufdeckung von Vergehen bemüht, dem muß natürlich auch daran gelegen sein, allen jenen, die unschuldig in Verdacht geraten sind,
seien es Abgeordnete oder andere, die Möglichkeit zur vollen Rehabilitierung zu gewähren.
Meine Damen und Herren, es gibt — das soll am Schluß meines Beitrags stehen — ein Gedicht von Erich Kästner mit dem Titel „Moral". Dieses Gedicht hat nur zwei Zeilen. Es lautet:Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.Ich meine, diese Debatte sollte dazu dienen — nicht nur uns zu unterhalten, oder, wie Sie es für notwendig gehalten haben, in der schwersten Weise Beschuldigungen auszusprechen —, die Ergebnisse praktisch umzusetzen und dem, was wir denken und wollen, die Tat folgen zu lassen. Ich vertraue auf die Selbstreinigungskräfte dieser parlamentarischen Demokratie. Denn noch immer war in dieser rechtsstaatlichen und parlamentarischen Demokratie die Möglichkeit, Mißstände einzusehen und zu beheben, besser als in jedem anderen Staats- und Regierungssystem.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröder .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will eine Bemerkung zu dem machen, was Herr Geißler hier versucht hat.
Er hat versucht, vom Thema abzulenken.
Das hat er ganz gut gemacht, das ist gar nicht zu bestreiten. Aber das, was wir hier heute diskutieren, Herr Geißler, ist nicht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Rotation, sondern das, was wir heute zu diskutieren haben, ist die Frage, welche Rolle das große Geld in der Politik, speziell in Ihrer Politik, spielt.
Davon abzulenken sollten Sie nicht versuchen.Daß Sie das versuchen, hat mich ja nicht überrascht. Das, was mich indessen empört hat, ist, daß Sie es gewagt haben, sich auf Herbert Wehner zu berufen, einen Mann, den Sie sein ganzes Leben lang diffamiert und malträtiert haben und den Sie jetzt hier in zynischer Weise als Kronzeugen für Ihre miese Argumentation benutzen. Das hat mich empört, Herr Geißler.
Ich halte solch ein Vorgehen für den Gipfel der Verkommenheit; schlimmer geht's dann wirklich nicht mehr.
Meine Damen und Herren, ich habe in der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat" mitgearbeitet.
Ich war über die Distanz zwischen protestierender Jugend und demokratischem Staat erschrocken. Ich habe versucht, in dieser Arbeit mit den Jugendlichen zu reden. Ich habe festgestellt, daß das Mißtrauen gegenüber der Politik abgrundtief war. Jugendliche schrieben der Kommission, die auch Sie mit eingesetzt haben — ich zitiere aus dem Zwischenbericht wörtlich —:Die Jugend— so schrieb man uns —könnt ihr nicht zum Patienten machen, wenn das System krank ist. Massive Kriegsvorbereitung, permanentes Risiko radioaktiver Verseuchung,
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7453
Schröder
Ausbeutung der Dritten Welt, Umweltzerstörung überall, „legales" Spekulantentum mit unserem Wohnraum, lügende Politikermäuler, das sind Symptome der Krankheit, die wir bekämpfen.
— Nun lesen Sie das doch einmal, das steht in einem Zwischenbericht des Deutschen Bundestages, den Sie diskutiert und mit angenommen haben. Wollen Sie das denn alles vergessen? Ich habe in der Debatte mit den betroffenen Jugendlichen gesagt: Politik ist anders. Es lohnt sich, sich politisch zu engagieren. Ich habe versucht, davon zu überzeugen,
daß in der Politik nicht die Macht der Millionäre, sondern die Macht der Millionen zählt.
Herr Abgeordneter Schröder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sauter ?
Nein, keine Zwischenfragen. — Ich sage Ihnen: Es ist heute nicht leichter geworden, mit kritischen Jugendlichen über das Thema Politik und Moral zu reden. Es ist sehr viel schwerer geworden.
Und wir sollten nicht davon ablenken, warum es schwerer geworden ist. Aber genau das hat Herr Geißler gemacht.Da gibt es doch den Jugendlichen, der sich dutzendfach beworben und immer noch keine Lehrstelle hat; da gibt es doch den Stahlarbeiter in Georgsmarienhütte und anderswo, der um seinen Arbeitsplatz bangt; da ist doch die Rentnerin, die keinen Ausgleich für die Preissteigerungsraten bekommen wird; und da ist der Landwirt, der durch Ihre Politik an den Rand der Existenz gebracht worden ist.
— Schreien Sie nur, ich rede für diese Menschen. — Alle diese Menschen vertrauen darauf, daß man Politik nur auf legalem Wege verändern darf.
Nur der Weg der Legalität und der Anständigkeit soll begangen werden. Darauf vertrauen diese Menschen, die um ihre Existenz ringen. Und sie entdekken dann, daß es für die Großen, für die Mächtigen im Lande Wege jenseits der Legalität, jedenfallsWege jenseits der Moral zu geben scheint. Nicht daß in unserer Gesellschaft unterschiedliche Interessen vertreten werden, ist der Skandal, sondern wie sie vertreten werden; das muß uns beschäftigen.
Ein Weiteres kommt hinzu — hier ist schon die Rede davon gewesen —: Die Menschen im Lande verstehen durchaus, daß Gesetzesverstöße bestraft werden. Dieses Verständnis ist Teil einer politischen Kultur, die Recht vom Unrecht schon zu unterscheiden weiß. Da muß man sich gar nicht in Sonntagsreden beklagen.Aber was soll denn der Jugendliche denken, der wegen eines Kaufhausdiebstahls angeklagt und verurteilt wird, wenn er noch vor einem halben Jahr, Herr Geißler, Ihr Gerede über die Notwendigkeit von Amnestien für Steuerstraftäter hören mußte?
Was soll der denken, und wie wollen Sie den an demokratische Politik heranführen?Was sich mit der Affäre Flick verbindet, hat gewiß viele Facetten. Die gefährlichste kann man, finde ich, nüchternen Zahlen entnehmen, wenn man sich die Mühe macht, diese Zahlen zu lesen. Nach den veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Parteien haben in den Jahren 1969 bis 1983 offiziell an Spenden ausgewiesen: Die SPD 8 % der Einnahmen, die CDU/CSU 25 % der Einnahmen und die FDP 33 % der Einnahmen.
Damit wird deutlich, wie der Grad der Spendenabhängigkeit der Parteien ist. Man kann sagen, die kleinste hängt sehr am Spendentropf. Mir kommt es darauf an, das einmal deutlich zu machen: Die FDP lag 1982 — und es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß das das Jahr der Wende war — sogar auf der Spendenintensivstation. 1982 war das schlechteste Jahr der FDP: Nur 4,5 Millionen DM an Spenden wurden verbucht, 5,5 Millionen DM an Mitgliedsbeiträgen. Es ist das einzige Jahr, in dem bei dieser Partei die Mitgliedsbeiträge über den Spenden lagen.Dann wurde die Wende vollzogen, und die Belohnung blieb nicht aus. 1983 konnten schon wieder 13 Millionen DM an Spenden auf FDP-Konten verbucht werden, darunter sozusagen als letzte Rate auch jene 6 Millionen, die angeblich vom Steuerflüchtling Horten kommen sollen und deren Herkunft lange im Dunkeln geblieben ist.Wer sich — und ich weiß, worüber ich rede —
dieses Zahlenwerk zu Gemüte führt, kommt zu dem Schluß: Bei der Flick-Affäre ging es nicht nur um den Kauf einzelner Entscheidungen, sondern auch um den Kauf der FDP für eine andere Regierung.
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7454 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Schröder
Es ging um den Kauf einer Partei heraus aus Reformpolitik,
hinein in Wende-Politik.
Das Geschäft ist, so scheint es, gelungen. Ob aber die Geschäftspartner an diesem Geschäft zugrunde gehen,
dies, meine Damen und Herren, ist historisch noch offen.
Wir werden gespannt abwarten können, wie sich diese Frage entscheidet.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, muß ich von hier oben für ein bißchen mehr Ordnung und parlamentarisches Verhalten sorgen.
Herr Abgeordneter Schröder , Ihr auf einen Abgeordneten bezogener Ausdruck „Gipfel der Verkommenheit" ist ein unparlamentarischer Ausdruck; den möchten wir hier nicht hören.
Herr Abgeordneter Pfeffermann, Ihr Zwischenruf „Saudummes Gequatsche" ist hier mehrfach gerügt worden und wird heute wieder gerügt. Herr Pfeffermann, wir möchten dies hier nicht wieder hören.
Wir kommen zum nächsten Redner. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den beklagenswerten und eigentlich unverständlichen Entgleisungen meines Vorredners möchte ich Sie auf den eigentlichen Sinn und Kern der Debatte zurückführen.
Ich kann zwischen dem, was die Sozialdemokratische Partei in ihrem Entschließungsantrag vorgelegt hat, und den Tiefschlägen, die der Kollege Schröder hier ausgeteilt hat, auch keinen inneren Zusammenhang mehr erblicken, aber das ist j a Ihr Problem, nicht unseres.
Es geht um Sachverhalte, es geht um Probleme, die uns und viele beschweren. Es geht darum, diese Sachverhalte aufzuarbeiten und Folgerungen für die Zukunft zu ziehen. Meine Damen und Herren, Selbstgerechtigkeit steht in dieser Debatte über die
Stichworte „Flick" und „Parteispenden" keiner Partei zu.
Deshalb sind die immer schrilleren Töne der Opposition, die wir bis zu dieser Stunde vernommen haben, im Ansatz vollkommen verfehlt. Sie sind unglaubwürdig. Sie dienen nicht der Klärung und einem notwendigen Neubeginn da, wo er erforderlich ist. Vielmehr sind sie Ausdruck des schlechten Gewissens und der miserablen politischen Situation der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Herr Kollege Vogel hat mit satter Polemik gegen andere begonnen. Selbstkritik war bei ihm nur in Nebensätzen zu hören. Wir haben von ihm und vor allem von den folgenden Rednern unqualifizierte Attacken gegen den Bundeskanzler gehört,
die Fairneß und Anstand vermissen lassen.
Ich sage ausdrücklich: So kann man Vertrauen nicht wiedergewinnen und festigen. Darin hat der Kollege Vogel ja recht: Alle demokratischen Parteien sind darauf angewiesen, nicht nur durch Reden, sondern durch Handeln in manchen Gruppen der Bevölkerung zweifellos erschüttertes oder verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.
Darin stimmen wir überein.
Aber es macht keinen Sinn, Herr Kollege Vogel, wenn Ihre Freunde hier im Tone des Anklägers über die 6-Millionen-Spende von Herrn Horten an die Freie Demokratische Partei reden und nichts sagen zu der 7,6-Millionen-Spende Ihres langjährigen Schatzmeisters Nau.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein?
Nein, Herr Kollege Kuhlwein. Ich möchte jetzt im Zusammenhang reden wie auch meine Vorredner.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7455
Dr. Stoltenberg— Wir wollen uns von Ihnen gar nicht provozieren lassen. Die Provokationsversuche haben bisher schon ausgereicht.
Zwei Vorgänge sind es, die die Öffentlichkeit beunruhigt haben und die, wie ich glaube, heute Antworten erfordern: einmal die schon angesprochenen Verfahren und Vorgänge um die Steuerbefreiung für den Veräußerungsgewinn der Firma Flick nach § 6 b in den Jahren 1975 bis 1980. Da gibt es viele abenteuerliche Versionen. Die abenteuerlichste haben wir soeben von Herrn Kollegen Schröder gehört: Das ganze Manöver Flick sei nur so zu verstehen, daß versucht worden sei, die Freie Demokratische Partei für einen Koalitionswechseln einzukaufen.
Ich muß Ihnen sagen: Das ist Ausdruck einer geradezu absurden Phantasie für eine jedenfalls heute in den Grundzügen orientierte Öffentlichkeit.
Zum zweiten geht es — das ist der Punkt, der uns alle trifft — um die Praxis bei bestimmten Spenden an alle Parteien, im Grunde in den drei Jahrzehnten vor dem Jahr 1980, wenn man den Dingen sehr genau nachgeht.Zur Steuerbefreiung Flick ist natürlich ein abschließendes Votum nicht möglich, weil der Untersuchungsausschuß seine Arbeiten noch nicht beendet hat und weil es ja auch die erwähnten Verfahren gibt, die einzelne berühren. Aber nach dem heutigen Erkenntnisstand kann man nach meiner Überzeugung den damals verantwortlichen Bundesministern der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Demokratischen Partei kein unkorrektes, gesetzwidriges Verhalten vorwerfen. Ich sage das mit Blick auf alle, die in den Jahren 1975 bis 1980 an diesem Verfahren mitgewirkt und die Entscheidung öffentlich und auch parlamentarisch vertreten haben. Ich nehme hier niemanden aus.Aber dann muß auch Schluß sein mit den verdeckten oder offenen Versuchen, die wir heute in geradezu dilettantischer Weise wieder erlebt haben: die damalige Opposition, die CDU/CSU, und ihre führenden Politiker in Verbindung mit diesem Verfahren der Steuerbefreiung ins Zwielicht rücken zu wollen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Penner?
Nein, ich möchte im Zusammenhang reden!Ich sage das auch zu der erneut aufgelegten miserablen Polemik insbesondere gegen den Bundeskanzler außerhalb und innerhalb dieses Plenarsaals.
Ich muß wirklich nach der Rede des Herrn Kollegen Schröder die sozialdemokratischen Abgeordneten fragen: Ist Ihnen jedes Gefühl dafür verlorengegangen, daß Sie bei solchen Versuchen und Tiefschlägen nur ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen?
Ich habe ja Verständnis dafür, daß manche kämpferische und auch harte Äußerung meines Freundes Heiner Geißler in den letzten Jahren bei Ihnen Wirkungen und eine bestimmte Empfindlichkeit hinterlassen hat. Aber diese eindrucksvolle sachbezogene Rede von Heiner Geißler als den Gipfelpunkt der Verkommenheit zu bezeichnen, ist ein Tiefstand der politischen Kultur in diesem Hause, der kaum noch zu übertreffen ist.
Meine Damen und Herren, unser Bundeskanzler Helmut Kohl hat in der öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses alle Fragen eindeutig beantwortet und alle Unterstellungen, was ihn betrifft, zurückgewiesen. Das Wiederaufwärmen bestimmter Reizworte aus diesen Wochen und aus diesen Sitzungen bringt Ihnen überhaupt nichts.
Ich will hier ganz klar sagen: Die bruchstückhaft bekanntgewordenen Aufzeichnungen leitender Mitarbeiter der Firma Flick bekunden Überlegungen und wohl zum Teil auch Versuche der Einwirkung auf die damals verantwortlichen Politiker und Beamten, die entschieden zu verurteilen sind.
Ich sage das hier ganz nachdrücklich.
Aber um so wichtiger ist auch die Feststellung: Es gibt bis heute keinen Hinweis darauf
— Herr Kollege Vogel, ich spreche hier auch im Hinblick auf die durch solche Aufzeichnungen betroffenen Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei;
ich glaube, daß es richtig ist, daß wir hier einmal, jedenfalls gegen Schluß der Debatte, etwas offener und unvoreingenommener miteinander diskutieren —, daß diese Versuche bei den damals verantwortlichen Politikern und Beamten erfolgreich waren.
Insofern ist es wichtig, daß aus heutiger Sicht in einer Zwischenbilanz die Integrität der Bundesregierung und der damals Verantwortlichen sowie — worauf ich Wert lege — der beteiligten Beamten
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7456 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Stoltenbergnicht ernsthaft in Frage gestellt werden kann. Es ist ein staatspolitisches Erfordernis, dies zu unterstreichen, damit wir nicht in einem Sumpf gegenseitiger Unterstellungen und Verdächtigungen alle Schaden nehmen und, was schlimmer ist, unser Staat Schaden nimmt.
— Die von mir gewählte Formulierung läßt kein solches Mißverständnis zu, Herr Kollege. Sie können das im unkorrigierten Protokoll nachlesen. Aber Sie müssen auch zuhören.Meine Damen und Herren, der zweite Punkt ist das Thema Parteispenden. Hier ist für alle Parteien manches aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Ich will das hier ausdrücklich unterstreichen. Wir haben das ja im Grunde in einer großen und breit angelegten Debatte am 24. Mai begonnen. Da ging es um das Stichwort privater Spenden sehr unterschiedlicher Größenordnung und Qualität,
um das Thema von versteuerten Spenden, um das Thema
der Rolle der Berufsverbände. Ich erinnere daran und sage das erneut, weil dies immer wieder in zum Teil bösartiger Weise in der Öffentlichkeit verwischt wird: Nach dem Gutachten des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1952, ausdrücklich auch bekräftigt in der Rechtmäßigkeit durch ein Schreiben des damaligen Bundesfinanzministers Matthöfer aus dem Jahre 1980, haben über Jahrzehnte hinweg alle demokratischen Parteien hohe Millionenbeträge aus Beitragseinnahmen von Berufsverbänden — Gewerkschaften genauso wie Arbeitgeberverbänden — bekommen.
— Weil ja der Eindruck erweckt wird, Herr Kollege Vogel, trotz der Klarstellungen nach dem 24. Mai, als ob dies alles in ein Zwielicht gerückt werden müßte. Deswegen unterstreiche ich das hier noch einmal sehr nachdrücklich.
Und es geht um die nach heutigem Erkenntnisstand problematischere Rolle der sogenannten Fördervereine, von denen es nicht nur einen gab, sondern unter denen nach undementierten Pressemeldungen — Sie haben sie nicht dementiert — auch Fördervereine waren, die der Sozialdemokratischen Partei in den vergangenen fünfzehn, zwanzig Jahren Mittel zufließen ließen.
— Ich beziehe mich hier auf die Veröffentlichungen über ganz bestimmte Organisationen. Und wenn Sie das dementieren können — —
— Na, es gibt bestimmte Fördervereine, die nach nicht dementierten Meldungen auch der Sozialdemokratischen Partei — — ,
— Ich bin gern bereit, Ihnen die Presseartikel zuzuleiten. Wir können uns darüber unterhalten.
Es geht
um die ganz besondere Rolle der Stiftungen. — Wissen Sie, Sie haben sich vorhin so über lärmende Zwischenrufe beklagt. Jetzt sind Sie derjenige, der in diesem Augenblick am meisten lärmt in diesem Haus, Herr Kollege Vogel.
Das ist alles sehr merkwürdig bei einer ganz ruhigen Rede.
Hier gibt es einige offene Fragen, die heute noch nicht abschließend beantwortet werden können. Ich unterstreiche, was ich hier am 24. Mai gesagt habe: Nach den mir zugänglich gewordenen amtlichen Erkenntnissen und Informationen über die Rolle der Finanzverwaltung in den letzten 20, 25 Jahren gibt es keinen Grund für pauschale Attacken und Verdächtigungen gegenüber der Finanzverwaltung des Bundes und der Länder. Ich sage das heute noch einmal hier, Herr Kollege Vogel.
— Das ist doch gut. Ich habe keine solche Äußerung heute gehört. Aber sollte sie irgenwo gefallen sein,
hindert mich das doch nicht, meine persönliche Überzeugung auch in der amtlichen Verantwortung des Bundesfinanzministers seit 1982 hier zu sagen.
Aber zu den offenen Fragen — ich formuliere dies nur als eine Frage und nicht als eine Insinuation — gehört doch, weshalb bestimmte Fördervereine, deren Tätgkeit seit den 50er Jahren bekannt ist, die in den Einkommensteuerrichtlinien der staatlichen Behörden als förderungswürdig beschrieben sind und von denen über lange Zeit
Spendenbescheinigungen an Spender ausgestellt wurden, die nie bekannt waren, bei Prüfungen über Jahrzehnte ohne Beanstandungen blieben.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7457
Dr. Stoltenberg— Das ist ja nicht nur ein einziger Vorgang. Sie haben immer sofort die Fixierung auf bestimmte Standorte und Personen. Seien sie etwas offener in der Betrachtung, Herr Kollege Vogel, etwas problembewußter und etwas selbstkritischer! Dann sehen Sie den notwendigen Klärungsprozeß besser als heute morgen in Ihrer Rede.
Ich habe den Eindruck — und deswegen vermeide ich, soweit Sie mich nicht direkt einladen, jede Polemik —, daß es für den Schlußteil dieser Debatte dem Ansehen dieses Hohen Hauses gut bekommt, wenn wir uns nun alle über die Grenzen der Parteien hinweg auf die Sachfragen konzentrieren.
Das bewegt viele Menschen.
— Bei Ihnen ist der Appell nicht so aussichtsreich, Herr Fischer. Ich wiederhole ihn trotzdem.Wenn dies offenkundig so ist, dann stellt sich natürlich die weitergehende Frage — die ich auch nur als Frage formuliere, damit Sie mir nicht wieder unterstellen, ein Bundesminister wolle hier unangemessen auf die unabhängige Justiz einwirken —: Ist unter dieser Prämisse Vertrauensschutz nicht jedenfalls für die sehr große, die überwältigende Mehrheit der Spender geboten, auch wenn sie über Jahrzehnte den hier beschriebenen Weg gegangen sind?
Hier ist eine rechtsstaatliche Klärung durch die unabhängigen Gerichte selbstverständlich der gebotene Weg, zu Antworten zu kommen.Aber ich stelle diese Frage, weil ich mit Bestürzung sehe, daß unbescholtene Bürger, die jetzt von solchen Verfahren erfaßt sind, vorweg nicht nur kritisiert, sondern zum Teil auch vorverurteilt werden.
Und das muß jeden, der einmal Bundesjustizminister einer früheren Regierung war, Herr Schmude, Herr Vogel, doch genauso bestürzen, wie es mich und die große Mehrzahl der Kollegen in diesem Hause bestürzt.
Was muß noch aufgearbeitet werden?
Ich sage ein paar — —
— Über die reden wir in einem anderen Zusammenhang, Herr Kollege Fischer. — Aber gerade dem kritischen linken Bewußtsein
sollte doch der Begriff „Aufarbeitung" geistiger Tatbestände oder politischer Probleme nicht völlig fremd sein. Ich nehme nicht an, daß Sie sich in Frankfurt so weit von der ernsthaften Wissenschaft entfernt haben, daß Sie über eine solche Formulierung nur noch ironisch lachen können. Das ist kein gutes Zeichen für Sie und ihren geistigen Bewußtseinsstand.
Was muß noch aufgearbeitet werden?
Es gibt keinen Grund, von einer Krise der Justiz zu sprechen. Aber es ist eine schwere Belastung,
wenn über Jahre hinweg aus dem Bereich der Justiz, insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen, immer wieder vertrauliche, zum Teil rein private Unterlagen aus den Akten der Ermittlungsbehörden gezielt an bestimmte Presseorgane, jene, die der unvergeßliche Konrad Ahlers einmal als „Kampfpresse" bezeichnet hat — und da er selbst bei einem dieser Organe jahrelang mitgearbeitet hatte, wußte er, wovon er sprach —, weitergegeben werden und diese zum Anlaß für personenbezogene Kampagnen und Vorverurteilungen gemacht wird. Es kann in einer solchen Debatte nicht unerwähnt bleiben, daß das rechtsstaatliche Grundsätze berührt, meine Damen und Herren.
Es bleibt auch ein Problem für den Deutschen Bundestag, das sicher aufgearbeitet werden muß: Wir haben in den letzten Wochen erlebt, daß Unterlagen, die nach dem erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Steuergeheimnis und andere Grundsätze berührten und die von amtlichen Stellen, insbesondere aber auch von dem zuständigen Gericht, dem Untersuchungsausschuß des Parlaments zugeleitet worden waren, in kürzester Frist, wie mir verläßliche Beteiligte, verläßliche Mitbürger, sagten, zum Teil in Fotokopien, hier in Bonn breit gestreut und dann mit unterschiedlicher Tendenz selektiv veröffentlicht wurden. Dies berührt — ich sage das in allem Respekt als Mitglied des Deutschen Bundestages — uns als Parlament.
Man wird sicher nicht polemisch, sondern mit großem Ernst auf diesen Vorgang zurückkommen müssen.Natürlich haben wir Kritik bekommen — das ist doch auch die Aufgabe der Opposition —, als das
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7458 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. StoltenbergBundesverfassungsgericht in dieser Frage gegen die Rechtsauffassung der Bundesregierung entschieden hat. Es war übrigens die Rechtsauffassung der Bundesregierung und von elf Ländern. Wir haben sie vorher mit den Finanzministern der Länder abgestimmt, in der traditionellen Einschätzung des Rangs des Steuergeheimnisses. Das Bundesverfassungsgericht hat j a in seiner Entscheidung diesen Standpunkt der absoluten Schutzwürdigkeit des Steuergeheimnisses nachdrücklich bekräftigt. Aber es hat in dem Beschluß über die Verpflichtung zur Verfügungstellung aller Akten unterstellt — und dem hat sich dann auch das Landgericht Bonn mit einem entsprechenden Verhalten angeschlossen —, daß vertrauliche Akten, sei es im Hinblick auf das Steuergeheimnis, sei es im Hinblick auf den Datenschutz, sei es im Hinblick auf das Geschäftsgeheimnis, sei es im Hinblick auf den privaten Bereich von Mitbürgern — denn wie ich höre und lese, spielen in dem, was herübergegeben und dann verteilt wurde, sogar Scheidungsakten eine Rolle —, im parlamentarischen Untersuchungsausschuß — in allen seinen Mitgliedern und in allen Mitarbeitern — denselben strengen Regeln unterworfen werden, wie es in einem Finanzamt oder in einer anderen Behörde auch geschieht. Und nun muß ich hier nach acht Wochen sagen, ohne Verantwortlichkeiten feststellen zu können
— das kann ich nicht, Herr Kollege Vogel; ich werde mich hüten, Verdächtigungen in bezug auf Personen oder Gruppen auszusprechen, sondern ich muß den Tatbestand feststellen —, daß angesichts des tatsächlichen Verhaltens von Beteiligten, wer immer das war, diese Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts eine Fehleinschätzung gewesen ist. Das sage ich in aller Öffentlichkeit, meine Damen und Herren.
Das erfüllt mich als Bürger, als Politiker und natürlich auch in meinem Amt als Bundesminister der Finanzen mit tiefer Sorge.Hier ist, wen immer das trifft, im Verursachen — in der Wirkung trifft es uns alle —, ein schlimmes Beispiel gesetzt,
ein tiefer Eingriff in rechtsstaatliche Prinzipien des Vertrauensschutzes für den Privatbereich, eine faktische Gefährdung auch des Steuergeheimnisses gegeben. Und man muß das zu diesem Zeitpunkt, auch in diesem Zusammenhang, öffentlich markieren, weil die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts doch bedeutet, daß nicht nur Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, sondern auch von elf Landtagen — so muß man diesen Beschluß wohl auslegen — dieselben Rechte haben.Wenn hier nicht zu einem Zeitpunkt, den das Hohe Haus, der Präsident, der Ältestenrat bestimmen, dieser Vorgang aufgearbeitet wird — ich sage das noch mal, Herr Fischer, auch wenn es Sie amüsiert — und daraus Konsequenzen gezogen werden, haben wir einen tiefen Einbruch in den Schutzbereich des privaten, des persönlichen Lebens, des Datenschutzes. Wie grotesk mutet es doch an, meine Damen und Herren, wenn bei bestimmten Themen die Ansprüche des Datenschutzes polemisch so überdehnt werden, daß ich dem nicht mehr folgen kann? Was für eine — zum Teil künstliche — Erregung gibt es bis in Gruppen dieses Hauses zur Zeit über die Frage, ob der fälschungssichere Personalausweis ein Kennzeichen hat oder nicht. Darüber erregen sich Leute, und eine breite deutsche Öffentlichkeit schweigt, wenn hier letzten Endes doch in Verantwortung des Deutschen Bundestages in diesen Wochen gegen elementare Grundsätze des Persönlichkeits- und Datenschutzes in schlimmster Weise verstoßen wird.
Dies sage ich nun auch, ohne hier nun in die von Ihnen, Herr Kollege Vogel, insinuierte Journalistenschelte einzustimmen; das habe ich nicht vor: Es muß nun auch einmal aufhören, daß diejenigen, die in ihrer publizistischen Verantwortung das Geschäft mit solchen Vertrauensbrüchen und Rechtsverstößen machen, hier als die großen Helden oder Enthüller, die Leitbilder in der deutschen Öffentlichkeit dargestellt werden. Das kann man auch nicht weiter so machen.
Herr Kollege Vogel, bei aller Bedeutung des geschriebenen und angewandten Rechts: Wirksamer als manche Rechtsvorschrift ist auch die Verurteilung bestimmter Praktiken in einer aufgeklärten öffentlichen Meinung. Wenn das wirksamer geschehen würde unter Beteiligung führender Politiker der Sozialdemokratischen Partei, dann stünden wir etwas besser da, als wir alle miteinander gegenwärtig wohl in dieser Situation stehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt ?
Jawohl, Herr Kollege Schmidt.
Herr Kollege, würden Sie so liebenswürdig sein, bei der letzten Feststellung, der ich persönlich durchaus zustimme, nicht nur die Kollegen an der Spitze der sozialdemokratischen Fraktion, sondern auch diejenigen an der Spitze Ihrer eigenen Fraktion einzubeziehen?
Ja. Ich akzeptiere Ihren Hinweis, daß dies eine Aufforderung an uns alle ist, aber ich habe nach den Beiträgen der sozialdemokratischen Sprecher vom heutigen Vormittag — ich weiß nicht, ob Sie der Rede des Kollegen Vogel
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Dr. Stoltenbergfolgen konnten — Grund, das mit besonderem Nachdruck an die Adresse der Führung der sozialdemokratischen Fraktion zu sagen.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt ?
Akzeptieren Sie, Herr Kollege, daß ich persönlich Grund habe, es an die Adresse der führenden Kollegen Ihrer Fraktion zu sagen?
Das kann ich ohne eine genauere Kenntnis dessen, was Sie in diesem Zusammenhang bewegt, nicht bewerten, Herr Kollege Schmidt.
— Das kann ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern
— ich darf das einmal ganz spontan sagen, Herr Kollege Schmidt —, daß Sie bei aller harten Kritik und vielleicht auch der einen oder anderen verletzenden Bemerkung, die es in vielen Jahren aus den Reihen meiner Fraktion gegeben hat, in so unqualifizierter Weise angegriffen wurden, wie es soeben der Kollege Schröder, der vor mir gesprochen hat, gegenüber führenden Politikern der Koalition getan hat. Das muß ich hier nun doch spontan sagen.
Meine Damen und Herren, natürlich ist die Frage — das will ich zum Schluß sagen —, was jetzt aufzuarbeiten ist, bei allen Bemerkungen gegenüber der Justiz in Nordrhein-Westfalen, gegenüber dem Parlament selbst insbesondere eine Frage an die demokratischen Parteien. Auch hier muß man der selektiven Vergangenheitsbewältigung widersprechen.
Vor allem Herr Kollege Schmude hat an Initiativen sozialdemokratischer Politiker für die rechtsstaatliche Klärung des Rahmenbereichs, des Umfangs legitimer Parteienfinanzierung erinnert. Aber ich will noch einmal daran erinnern, daß es unser Bundesvorsitzender Helmut Kohl war, der seit 1975 immer wieder auf eine neue, in den Grenzen eindeutigere und unbezweifelbarere Gesetzgebung für die Parteienfinanzierung hingearbeitet hat und der viele Jahre von der Sozialdemokratischen Partei keinerlei Unterstützung gefunden hat.
Ich will auch daran erinnern, daß es die niedersächsische Landesregierung in der Verantwortung meines Freundes Ernst Albrecht war, die Ende der 70er Jahre durch eine Feststellungsklage die wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführt hat, die von wesentlicher Bedeutung dafür war, daß wir kurz nach dem Regierungswechsel endlich im Einvernehmen der neuen Koalition und dann auch mit Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei ein festes und klares Fundament in dem jetzigen Parteienfinanzierungsgesetz bekommen haben. Ich glaube, von diesem Fundament sollten wir ausgehen.
Ich unterstelle das, was für die Christlich-Demokratische Union gilt, für alle demokratischen Parteien in diesem Hause: Parteispenden und Parteifinanzierung bewegen sich in den letzten Jahren eindeutig auf klaren rechtsstaatlichen Grundlagen. Wir sollten das auch den Bürgern sagen, denn wir sind darauf angewiesen, nicht in erster Linie unter dem Vorzeichen der Spenden — das ist wichtig, aber nicht der entscheidende Gesichtspunkt —, wohl aber mit Vertrauenswerbung und Vertrauensbildung diese Krise zu überwinden.
— Frau Kollegin, wir sind darauf angewiesen und Sie auch, selbst wenn Sie das noch nicht völlig begriffen haben.
Wenn man am Anfang einer politischen Bewegung und Partei steht, mag man Gründe haben, ein bißchen euphorisch und selbstgerecht zu sein. Aber auch Ihnen werden auf dem Wege Ihrer Partei Rückschläge und Krisen, mit denen Sie sich ernsthaft auseinandersetzen müssen, nicht erspart bleiben. Das ist ein Grundgesetz für alle demokratischen Parteien mit einer Tradition über Jahrzehnte und Generationen hinweg.
Hier sollten wir uns zusammenfinden, die Polemik, die leider einen Teil des Vormittags bestimmt hat, endgültig überwinden, uns den kritischen Fragen wechselseitig stellen und dafür sorgen, daß unsere freiheitliche Demokratie mit ihren Institutionen und ihren demokratischen Parteien nicht dauerhaft geschwächt, sondern gestärkt aus der Phase der gegenwärtigen Belastungen, wenn Sie es so wollen, der gegenwärtigen Krise hervorgeht.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schily.
Irgend jemand hat seine Uhr hier vergessen. Ich weiß nicht, wer es ist. — Herr Geißler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre dankbar, wenn mir die Zeit für die Übergabe der Uhr nicht auf die Redezeit angerechnet würde.
Nach dieser „Wiederaufbereitungsrede" zur „Entsorgung der Koalition" durch Herrn Stoltenberg müssen wir uns, wie ich meine, die Frage stellen, was diese Debatte für einen Sinn haben soll. Ich glaube, sie hat nur dann einen Sinn, wenn es uns gelingt, einige einfache Wahrheiten gegen Vernebelungs- und Vertuschungsversuche zu verteidigen.Dazu gehört erstens, daß wir politische und rechtliche Fragen säuberlich trennen. In einem kann ich Herrn Geißler und den Kolleginnen und Kollegen
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7460 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Schilyvon der FDP und der SPD ohne weiteres zustimmen, nämlich darin, daß Spenden an sich nichts Strafbares sind. Wenn wir es aber mit Spenden in einem gewissen Umfang zu tun haben, muß man gewiß eine Beurteilung der Bedeutung solcher Spenden in einem politischen Zusammenhang vornehmen. Es ist die Frage zu stellen: Wie unabhängig ist eigentlich eine Bundesregierung mit einem dahinsiechenden Koalitionspartner, der nur noch mit künstlichen Finanzinfusionen eines Herrn Horten am Leben erhalten werden kann? Diese Frage muß doch wohl gestellt werden, denn wir wissen ja aus den Äußerungen des früheren Bundespräsidenten Scheel, daß sie FDP im vergangenen Jahr konkursreif war, was uns nicht hindern sollte, vielleicht einige Zweifel an den Salzburger Anekdoten von Herrn Scheel zu haben. Aber das steht auf einem anderen Blatt.Wie unabhängig ist eigentlich eine Bundesregierung, deren Koalitionspartner nur überleben kann, wenn er solche Finanzinfusionen erhält?
Gehen wir zu den Rechtsfragen über.
Es ist die Behauptung in die Welt gesetzt und ständig wiederholt worden, es habe in der Vergangenheit einen gesetzlosen Zustand gegeben.
Das ist die schlichte Unwahrheit.
— Herr Kollege Bohl, „ein gesetzloser Zustand" ist wörtlich gesagt worden.Aber seit wann können denn eigentlich Unklarheiten der Rechtslage dadurch herbeigeführt werden, daß man Gesetze und Verfassung ständig mißachtet? Das wäre ja eine fabelhafte Sache, wenn man Gesetze durch ihre Mißachtung abändern könnte.
Es gab eine kristallklare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 1958. Daran können Sie nicht vorbeigehen.
Man muß von einem Vorsitzenden einer großen Partei erwarten, daß er schlichte Steuergesetze und auch Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu lesen versteht. Wenn Sie von dem einfachen Bürger erwarten, daß er die teilweise komplizierte Materie des Steuerrechts durchschaut und befolgt, dann verlangen wir doch von Ihnen mindestens, daß Sie es nachvollziehen und sich an das Gesetz halten, wenn dort — im Einkommensteuergesetz, im Körperschaftsteuergesetz — steht, daß nur bis zu einer gewissen Grenze Spenden an Parteien steuerlich berücksichtigt werden können.Wie will denn ein Finanzminister auftreten und Steuern beanspruchen, wenn die Parteien, die es verstanden haben, sich mit einigen Fördervereinen und anderen Spenden in die Kassen zu wirtschaften, so schluderig mit dem Gesetz und dem Recht umgehen?
Wenn alles so mit rechten Dingen zugegangen ist, wenn Sie ein so untadeliges Rechtsbewußtsein hatten: Warum haben Sie denn eigentlich den Versuch einer Amnestie, der erfreulicherweise gescheitert ist, gestartet? Was soll denn das für einen Sinn machen? Wenn alles so hervorragend war, konnten Sie doch in aller Ruhe die Einstellung der Verfahren und die Freisprüche abwarten. Wozu bedurfte es einer Amnestie?
Sie sind im übrigen schlecht beraten, meine Damen und Herren, wenn Sie sich auf eine angebliche Duldung durch Finanzverwaltungen berufen. Ein solcher Entlastungsversuch verfängt schon deshalb nicht, weil durch einen Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit" einige Fakten zutage getreten sind, die den Verdacht stützen, daß während der Ministerpräsidentenzeit von Herrn Dr. Kohl in Rheinland-Pfalz die Landesregierung die Überprüfung von Spendenkanalisationen behindert und möglicherweise verhindert hat
mit dem Ergebnis, daß später ein Steuerverzicht in Millionenhöhe erklärt worden ist. Sie sollten sich doch wohl nicht auf Ihre eigenen Versäumnisse oder womöglich Ihre eigenen Aktivitäten berufen, um dann zu sagen: Da ist eine Art von Vertrauensschutz zu berücksichtigen.Feiern Sie bitte nicht das Parteiengesetz sozusagen als Beginn der Rechtsordnung oder der Rechtssicherheit! Das Gegenteil ist doch der Fall. Das Parteiengesetz ist ja ein Gesetzesvorhaben gewesen, mit dem Sie gerade etwas verfassungsrechtlich äußerst Bedenkliches eingeführt haben, was demnächst zur Nachprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht ansteht, nämlich die Bevorzugung von Großspendern, wo eine Gleichstellung mit gemeinnützigen Organisationen versucht wird.Zweiter Punkt in den Rechtsfragen: Ich habe manchmal den Eindruck, daß von CDU/CSU-Seite und FDP-Seite, aber auch leider von manchen Sozialdemokraten die Vorschrift in Art. 21 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 25 des Parteiengesetzes als eine Art Nebensächlichkeit angesehen oder dargestellt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gesagt: Es ist ein zentrales Gebot der Verfassung, daß die Namen von Großspendern in den Rechenschaftsberichten erscheinen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7461
SchilyDieses zentrale Gebot haben Sie ständig und bewußt mißachtet.
Das ist ein Verfassungsbruch ungekannten Ausmaßes. Dazu müssen Sie sich erst einmal äußern und sich hier nicht über andere Fragen verbreiten.
Herr Geißler, ich glaube, Sie sind gewiß ein gescheiter Kopf,
was Sie nicht hindert, von Ihrer Gescheitheit häufig einen falschen Gebrauch zu machen.
Aber auf Grund Ihrer Gescheitheit haben Sie einen Sachverhalt sehr gut analysiert. Das war kürzlich in einer Fernsehsendung, die wir gemeinsam bestritten haben. Da haben Sie nämlich gesagt: Abhängigkeit von Parteien entsteht dann, wenn die Transparenz nicht gewährleistet ist. Sie stehen dazu, ich sehe Ihr Kopfnicken.Wie war es denn in der Vergangenheit mit der Transparenz? Gucken Sie doch Ihre alten Rechenschaftsberichte an! Finden wir dort irgendwo den Namen Flick? Finden wir dort irgendwo den Namen eines einzigen Großspenders? Finden wir da den Namen der Deutschen Bank, die kürzlich erklärt hat, daß sie Großspenden geleistet hat? Finden wir diese Namen irgendwo? Also hat es offenbar eine Transparenz nicht gegeben.
In Ihrer Logik waren Sie in der Zeit nicht unabhängig, sondern abhängig. So sieht es offensichtlich aus.
Nun ist es notwendig, nicht salbungsvolle Reden über Selbstreinigung zu halten, sondern was gefordert und notwendig ist, ist die Rückkehr zum Recht. Da geht es vor allem zunächst nicht um neue Gesetze — darüber können wir uns auch unterhalten —, sondern wichtiger ist, daß die Bereitschaft überhaupt nur andeutungsweise erkennbar wird, daß die traditionellen Parteien bereit sind, sich an die bereits bestehenden Gesetze zu halten.
Denn wenn Sie schon sagen und das immerhin eingestehen — das begrüße ich —, daß Sie in der Vergangenheit die Rechenschaftslegung nicht erfüllt haben, dann tun Sie es bitte doch heute. Diese Verpflichtung zur Rechenschaftslegung, zur Namensnennung der Großspender verjährt nicht. Warum erfahren wir denn nicht wenigstens heute von Ihnen, wie viele Millionen in Ihre Kasse von Herrn Flick gespendet worden sind, wieviel von der Deutschen Bank, von Herrn Oetker, von Herrn Henkel und von wem immer?
Bitte, legen Sie doch mal die Karten auf den Tisch! Das wäre der Beginn einer Selbstreinigungsaktion, aber nichts anderes.Wir möchten bitte auch nicht eine Anonymisierung dieser Spenden. Auch heute lesen wir in den Rechenschaftsberichten nur irgendwelche Vereinigungen, hinter denen sich ganz andere Leute verbergen:
Staatsbürgerliche Vereinigung und ähnliches. Sicherlich auch Nau, da haben Sie völlig recht. Der Tadel gilt auch der Sozialdemokratie.
Da stimme ich Ihnen zu. Wir brauchen aber keine Anonymisierung, sondern eine Offenlegung. Alle Fakten müssen auf den Tisch. Sie haben heute auch Gelegenheit, Ihre Bereitschaft zur Selbstreinigung dadurch glaubwürdig zu machen, daß Sie unserem Vorschlag zustimmen, den wir bereits im vergangenen Jahr hier vorgebracht haben, daß der Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses auf alle Großspendenverbindungen der traditionellen Parteien erweitert wird.
Wenn Sie wirklich nichts unter den Teppich kehren wollen — wie es in der Rede des Herrn Bundestagspräsidenten, Herrn Jenninger, zu hören war —, dann holen Sie bitte auch das unter dem Teppich hervor, was bisher unter den Teppich gekehrt worden ist. Es wird ein Prüfstein auch für die sozialdemokratische Fraktion sein, wie Sie sich hierzu verhält, wie die schönen Worte und wie die Taten aussehen, ob Sie bereit sind, uns zu folgen, den Untersuchungsauftrag auszuweiten, und ob Sie bereit sind, unserem Antrag zu folgen, daß dem Untersuchungsausschuß sämtliche Akten zur Verfügung gestellt werden.
Weil wir immerhin — mit der Horten-Spende — einen reuigen Sünder bei der FDP haben, sollte die CDU die Anonymität der 18 Großspenden, die in ihrem Rechenschaftsbericht von 1973 mit Beträgen zwischen 200 000 und 600 000 DM erscheinen, endlich einmal lüften.
Ich denke, es gibt einen Gesetzgebungsbedarf, gewiß. Es gibt einen Gesetzgebungsbedarf nicht zuletzt auf Grund einer Entscheidung — die lange zurückliegt — des Bundesverfassungsgerichts vom
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7462 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
SchilyNovember 1975, in der das Bundesverfassungsgericht folgendes erklärt hat:Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG verlangt gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sogenannten Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisationen vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen.Diese Entscheidung hat wirklich aktuelle Bedeutung. Ich denke, wir sollten sie im Gedächtnis behalten.Der Achtung vor der Verfassung, meine Damen und Herren, und dem Recht hat der Bundeskanzler durch zahlreiche Äußerungen in der letzten Zeit schweren Schaden zugefügt, nicht zuletzt durch seine unverantwortliche und hemmungslose Kritik an Staatsanwaltschaft und Justiz. Es gibt gewiß keine Staatskrise; aber dazu hat der Bundeskanzler kaum etwas beigetragen. Wenn es unter den Bürgern noch Vertrauen in die staatlichen Institutionen gibt, dann verdanken wir das nicht zuletzt einem Mann, der sich als Finanzbeamter nicht einschüchtern ließ, sondern gewissenhaft seine Beamtenpflichten erfüllt hat, Klaus Förster.
Er ist ein Mann des aufrechten Ganges, der sich vorbildlich verhalten hat.In einer Hinsicht hat der Bundeskanzler kürzlich die Wahrheit gesagt: Es hat ihn niemand gezwungen, Bundeskanzler zu werden. Das sollte ihm den Weg zu der Erkenntnis ebnen, daß ihn auch niemand zwingt, Bundeskanzler zu bleiben.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt in der Diskussion über die Finanzierung der Parteien in der Bevölkerung begründete Empörung und verständliche Verunsicherung. Aber es gibt auch so viel unbegründetes Pharisäertum, daß es schon fast unerträglich ist.
Herr Vogel, Sie haben sich heute morgen darüber beklagt, daß die Unruhe hier im Saal entstanden ist. Aber, Herr Vogel, Sie selbst haben sie dadurch provoziert, daß Sie zwar einige Dinge aufgezählt haben, daß aber bei dieser ganzen Tatsachenaufzählung die Sozialdemokraten überhaupt nicht vorgekommen sind.
— Ich war die ganze Zeit im Saal, habe die ganze Zeit zugehört. Beim Nachlesen Ihrer Rede wird es sehr deutlich werden, daß Sie zwar irgendwo ganz pauschal gesagt haben: „Auch bei den Sozialdemokraten ist da ja einmal etwas vorgekommen!", aber die Tatsachen verschwiegen haben. Und das provoziert verständliche Unruhe hier im Hohen Haus.
Herr Schily, ich glaube, in den nächsten Monaten werden Sie feststellen, daß die FDP quicklebendig ist. Mit Ihnen nehmen wir es mit Sicherheit auf.
Meine Damen und Herren, begründete Empörung herrscht in der Bevölkerung über die Versuche von seiten Industrieller, auf politische Entscheidungen Einfluß nehmen zu wollen durch Geldzahlungen. Die Vermerke aus dem Hause Flick, die im Untersuchungsausschuß beleuchtet werden, sind von unglaublicher Arroganz und Wichtigtuerei. Dieses Verhalten, meine Damen und Herren, schadet allen Spendern aus der Industrie, die ohne den Willen und ohne den Versuch einer unzulässigen Einflußnahme politische Parteien unterstützt haben und in der Zukunft auch unterstützen werden. Es herrscht verständliche Verunsicherung bei vielen Bürgern darüber, ob nicht vielleicht doch etwas an der Behauptung sei, daß Politik käuflich sei. Meine Damen und Herren, ich schließe das aus.
Ich schließe in diese Aussage ausdrücklich nicht nur meine eigene Partei ein, sondern auch die anderen Parteien dieses Hauses.Um das vielleicht einmal nachzuprüfen, lade ich jeden zu unseren Parteitagen ein. Sie können sich auch durch die Fernsehberichterstattung in der Regel darüber informieren. Wer immer einen solchen Parteitag erlebt hat mit seinen kontroversen Abstimmungen und Diskussionen, dem muß es gänzlich abwegig erscheinen, daß die Meinungsbildung in meiner Partei programmierbar sei.Herr Schröder, zu Ihren Anmerkungen. Wir haben uns 1969 nicht abhalten lassen, die sozialliberale Koalition einzugehen. Wir haben uns 1982 nicht davon abhalten lassen, die Koalition mit der CDU/ CSU einzugehen. Denn wir hielten es beide Male für richtig. Im nachhinein hat sich jeweils herausgestellt, daß es richtig war.
Ob und was an den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für die Transaktionen des Hauses Flick dran ist, wird der Untersuchungsausschuß klären. Meine Damen und Herren, wir werden mit aller Energie in diesem Untersu-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7463
Frau Dr. Adam-Schwaetzerchungsausschuß mitarbeiten, damit die Vergangenheit geklärt wird.
— Von uns werden Sie alle Informationen bekommen können und erhalten, die wir zu geben in der Lage sind. Auch ich werde dazu beitragen.Meine Damen und Herren, es ist nur zu leicht verständlich, daß der Eindruck entstehen kann, alle hätten so gehandelt wie Flick, weil dieser Eindruck von den GRÜNEN und einem Teil der SPD mit großem Eifer geschürt wird. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, wieviel Ungerechtigkeit auch gegenüber Ihren eignen Spendern aus der Industrie in dieser pauschalen Diffamierung liegt,
auch der Spender, der sich völlig im Rahmen des Grundgesetzes und des geltenden Rechts bewegt hat? Wer immer nicht nach geltenden Gesetzen gehandelt hat, darf und wird nicht ungestraft davonkommen.
Ob allerdings Gesetzesverstöße überhaupt — Herr Schmude, von einem Rechtsstaatspolitiker Ihrer Qualifikation hätte ich eine solche Vorverurteilung wirklich nicht erwartet —
und, wenn ja, in dem jetzt unterstellten Umfang vorliegen, dies sollte schnell durch rechtskräftige Urteile geklärt werden.Ich empfinde es als völlig unverständlich, daß in den Spendenverfahren Strafgerichte Urteile fällen, bevor ein Finanzgericht geklärt hat, ob Steuerhinterziehung überhaupt vorliegt.
Da dies aber offensichtlich — bedauerlicherweise — immer so war — mir ist nicht verständlich, daß wir dieses Thema vorher nicht diskutiert haben; denn es erscheint mir ungerecht —, muß es wohl so sein, daß es jetzt nicht geändert werden kann.
Aber mußten denn die Spender nicht auch glauben, daß sie sich auf rechtlich einwandfreiem Boden befinden, weil die Finanzämter, Herr Schily, die Praxis ja tatsächlich so lange nicht beanstandet haben?
Gilt denn der Grundsatz des guten Glaubens in unserem Recht bei dieser Gruppe von Steuerzahlern nicht, während er doch sonst überall angewandt wird?
Die pauschalierte Vorverurteilung von Spenden aus der Industrie mit ihrer Ungerechtigkeit wird besonders von seiten derer gepflegt, die für sich immer in Anspruch nehmen, Gerechtigkeit herstellen zu wollen.
— Herr Schily, ich kann wegen der Kürze der Zeit leider keine Zwischenfragen zulassen.Dies ist schwer zu ertragen. Denn hier spricht die Arroganz der Selbstgerechtigkeit. Aber, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wer sagt Ihnen denn, daß Sie in dieser Frage jetzt nicht nur deshalb mit einer weißen Weste dastehen, weil es Sie in den 70er Jahren noch gar nicht gab? Wie schnell Sie die Unschuld verlieren, haben Sie ja gerade in den letzten Monaten deutlich gemacht; den Sie haben Ihre Unschuld verloren.
Sie sind hier im Bundestag die einzige Partei, die sich nicht an das Gebot des Verfassungsgerichts hält, daß sich eine Partei nicht überwiegend aus Staatsmitteln finanzieren darf.
In Ihrem Rechenschaftsbericht für 1983 weisen Sie einen Anteil von mehr als 70% der Gesamtfinanzierung aus der Wahlkampfkostenerstattung aus.
Da gibt es jetzt — jetzt! — einzelne Äußerungen aus Ihren Reihen, daß man das ja durch Rückzahlung bereinigen könne. Aber Sie tun ja in dieser Frage genau das, was Sie anderen vorwerfen. Sie handeln nämlich — hoffentlich handeln Sie überhaupt — erst dann, wenn Sie durch die öffentliche Meinung dazu gezwungen werden.
Aber es gibt da bei den GRÜNEN noch einen weiteren Punkt: Ihr Bundesgeschäftsführer Walde begründet den Einsatz von Mitteln aus der Wahlkampfkostenerstattung für die Finanzierung von Gärtnereien damit, daß die Finanzierung von Vorfeldorganisationen schon Wahlkampf sei. Dies entspricht aber nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung der Wahlkampfkostenerstattung vom 3. Dezember 1968.
In der Begründung hat sich das Verfassungsgericht ausrücklich nur auf die Erstattung der den Parteien direkt entstehenden Kosten bezogen. Dies, so denke ich, ist auch ein Gebot der Transparenz, die hier ja von allen Seiten des Hauses völlig zu Recht gefor-
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7464 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau Dr. Adam-Schwaetzerdert wird. Also, bitte auch Transparenz bei den GRÜNEN!
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie versuchen, das Recht immer dort zu beugen, wo es Ihnen in den Kram paßt. Woher nehmen Sie eigentlich die Selbstgerechtigkeit, uns Vorwürfe zu machen?
Pharisäertum und Nicht-Wissen-Wollen bestimmen die Auseinandersetzung über die Frage, wie sich Parteien denn überhaupt finanzieren sollen.
Wir haben sicher den Fehler gemacht, daß wir die öffentliche Diskussion darüber viel zu lange vermieden haben. Alle haben das Geld genommen, das die Schatzmeister zur Verfügung stellen konnten. Aber niemand hat sich darum gekümmert, wieviel es war und woher es kam. Sonst hätte die Neuordnung der Parteienfinanzierung nicht immer wieder von selbsternannten Tugendwächtern und Saubermännern verhindert werden können.
Seit 1970 versuchen die Freien Demokraten — an ihrer Spitze Wolfgang Mischnick —, hier zu einer besseren und klareren Regelung zu kommen.
Herr Vogel, entlarvend war ja Ihre spontane Äußerung heute morgen. Auf einen Zwischenruf haben Sie gesagt, Sie hätten dem neuen Parteiengesetz deshalb zugestimmt, weil es in einigen Punkten Klarstellungen gebracht habe.
— „Klarstellungen", haben Sie gesagt. Lesen Sie doch im Protokoll nach.
— Sie haben „Klarstellungen" gesagt. —
Genau in diesem Punkt widersprechen Sie der eigenen Argumentation, die aufzubauen Sie heute morgen versucht haben.
In keiner Partei reichen die Mitgliedsbeiträge aus, um den notwendigen Eigenanteil an der Finanzierung zu sichern; Spenden sind nötig. Sie sind aber nicht nur nötig, sondern wir wollen sie, und sie sind auch verfassungspolitisch geboten; dazu ist heute morgen viel gesagt worden. Selbstverständlich soll jeder Bürger die Partei finanziell unterstützen, die seinen politischen Willen am besten verwirklicht, auch wenn er nicht Mitglied werden will.Bei der Unterstützung aus diesen selbstverständlichen Motiven ist kein Unterschied danach zu machen, ob ein Gewerkschaftler oder ein Industrieller der von ihm bevorzugten Partei etwas spendet, soweit er dies ohne die Erwartung eines bestimmten Vorteils tut. Deshalb sind wir gegen die Diffamierung von Spenden nur von einer Seite.
Im übrigen ist die Spende von Herrn Horten doch gerade der beste Ausdruck dafür, daß der zunächst geäußerte Wunsch nach Anonymität ganz klar ausdrückt, daß es hier eben keine Vorteile irgendwelcher Art geben sollte.
Meine Damen und Herren, diese Einstellung ist die Regel.
Pharisäertum bestimmt die Diskussion heute morgen vor allen Dingen von seiten der Sozialdemokraten. Sie zeigen auf andere, aber Sie übersehen, daß Sie in der Vergangenheit eben auch entscheidende Fehler gemacht haben.Ich hatte darauf gehofft, daß Sie Ihre Strategie heute anders aufbauen würden, und ich wollte diesen "Teil meiner Rede nicht unbedingt bringen.Aber Sie übersehen z. B. den Brief von Karl Klasen, in dem er ganz eindeutig darauf hinweist, daß Sie in der Vergangenheit ebenfalls viel Geld von der Industrie bekommen haben.
Herr Schmude, Sie übersehen, daß auch in der SPD Einzelpersonen unterstützt worden sind. Ich muß Ihnen dazu eine Aussage von Herrn Halstenberg, Ihrem früheren Schatzmeister, zitieren. Er schreibt nämlich in einer Erklärung vom 21. Mai 1984:Warum unsere Spender Diskretion wünschten,— da ging es um Anonymität —liegt doch auf der Hand. Die an der Sammlung Alfred Naus beteiligten Spender wollten die politische Arbeit von Einzelpersönlichkeiten der SPD fördern, und nicht einmal dies sollte an die große Glocke. Als Schatzmeister konnte ich auch ein gewisses an der Kassenlage orientiertes Verständnis dafür nicht verweigern.
— Ich habe leider keine Zeit mehr, Herr Schmude.Meine Damen und Herren von der SPD, Sie übersehen auch, daß die Herkunft der über 7,5 Millionen DM, die dem Nachlaß des verstorbenen Schatzmeisters Nau zugeordnet worden sind, verschleiert wird. Dabei reden Sie über Transparenz! Herr Brandt, Sie haben uns das vorgeworfen! Wann reichen Sie endlich den Nachtrag zum Bundesgesetz-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7465
Frau Dr. Adam-Schwaetzerblatt ein, den Nachtrag zu Ihrem Rechenschaftsbericht, in dem all das offengelegt wird?
Ich überlasse es im übrigen der Öffentlichkeit, darüber zu befinden, was ehrlicher ist,
nämlich die Vergangenheit mit dem Namen eines Verstorbenen zudecken zu wollen oder tatsächlich offen zu sagen, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde.
Die SPD übersieht auch, daß die Rolle der Gewerkschaften und der gewerkschaftseigenen Firmen bei der Finanzierung der Sozialdemokraten bisher noch nicht transparent gemacht worden ist.
In Aufzeichnungen des früheren Schatzmeisters Halstenberg von 1980 werden etwa 2 Millionen DM aus dem Bereich der Gewerkschaften und der gewerkschaftseigenen Firmen aufgeführt. Im Rechenschaftsbericht für 1980, der im Bundesanzeiger veröffentlicht ist, findet sich leider kein Hinweis auf all diese Beiträge, die weit über 100 000 DM gelegen haben.
Meine Damen und Herren von der SPD, schämen Sie sich eigentlich nicht Ihres Pharisäertums?
Ich frage mich immer, wo denn eigentlich die aufrechten Sozialdemokraten geblieben sind, mit denen wir einmal koaliert haben.
Meine Damen und Herren, die Berufsverbände sind ins Kreuzfeuer der öffentlichen Diskussion geraten, weil sie Parteien unterstützt haben.
Dabei ist der Öffentlichkeit bisher noch nicht aufgefallen, daß auch ein Teil der Mitgliedsbeiträge der Gewerkschaften den gleichen Regelungen wie die Beiträge an Berufsverbände unterliegt: Sie können zur Unterstützung von Parteien verwendet werden.
Bisher haben die Gewerkschaften die Öffentlichkeit noch nicht darüber informiert, in welchem Umfang und zu wessen Gunsten sie von dieser Regelung Gebrauch gemacht haben. Ich weiß nur, daß bei uns nichts angekommen ist.
Ich kann mir aber auch vorstellen, daß sich ein Gewerkschafter, der Mitglied der CDU ist, brennend dafür interessiert, wieviel Geld die SPD bekommen hat.
Ein Gewerkschafter, der Mitglied der SPD ist, wird sich sicherlich auch sehr dafür interessieren, wieviel die Sozialausschüsse der CDU bekommen haben.
Die SPD hat die Chance dieser Diskussion heute morgen verpaßt. Wir — ich sage das ausdrücklich im Namen der Freien Demokraten — stehen zu dem, was in der Vergangenheit passiert ist.
Wir stehen zu dem, was in der Vergangenheit falsch gemacht worden ist. Wir haben mit der Neuordnung des Parteiengesetzes die Grundlage dafür geschaffen, daß in diesem Bereich in der Zukunft Klarheit herrscht, die wir schon lange gewollt haben.
Wir wollen klare Regelungen, Regelungen auch für Bundestagsabgeordnete: mit einer angemessenen Überprüfung.Es ist schade, daß Sie heute morgen in dieser Debatte daran offensichtlich nicht interessiert gewesen sind. Ich denke, Sie hätten der Demokratie einen guten Dienst erweisen können — auch wegen der Vertrauenskrise, von der Sie genauso betrofffen sind wir wir —,
wenn Sie heute morgen mitgemacht hätten, sich zu der Vergangenheit zu bekennen,
zu dem, was auch Sie falsch gemacht haben, um dann aber für die Zukunft neue Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Glotz.
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7466 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir haben heute viel über die noch junge Demokratie Bundesrepublik gehört. Herr Kollege Geißler hat Aristoteles, Max Weber und Karl Popper zitiert. Mehrfach war sogar positiv von Herbert Wehner und Rudolf Breitscheid die Rede. Manchmal würde ich mich freuen, Herr Kollege Geißler, wenn von Sozialdemokraten, die sich noch nicht aus der aktiven Politik zurückgezogen haben oder die noch nicht tot sind, auch so positiv von Ihnen geredet würde.
Ich liebe an sich Grundsatzdebatten. Ich liebe Debatten, in denen Max Weber und Aristoteles vorkommen. Bloß, heute hatte ich häufig das Gefühl
— ich komme gleich zu allen Einzelpunkten —, daß die Bürger draußen, die uns zuhören, weniger etwas von Aristoteles und von Karl Popper hören wollen, sondern
mehr Konkretes zum Thema.
— Das will ich gleich versuchen.
Die Vertrauenskrise ist da. Das haben alle gesagt. Ich stimme Herrn Stoltenberg ausdrücklich zu: Wir werden nicht aus ihr herauskommen, indem eine Partei der anderen Fehler und Versäumnisse vorhält.
— Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie mir die Chance, einen Moment von dem Ton der Frau Adam-Schwaetzer abzurücken
und den Versuch zu machen — wie es Herr Geißler und auch Herr Stoltenberg getan haben —, auf die Sache einzugehen.
Aber auch die schnelle Erklärung, wir wollten keine Schlammschlacht,
kann den Keim der Unglaubwürdigkeit in sich tragen. Wissen Sie, wir alle kennen j a das Argument,das häufig benutzt worden ist. Es lautet — es ist mirimmer wieder einmal von vielen Kollegen gesagt worden —: Sozialdemokraten sollten aufhören, von Flick und Spendenpraxis zu reden; das nützt nur den GRÜNEN. Das mag j a so sein. Aber ich fürchte, etwas anderes ist ebenso klar. Wenn wir versuchen würden, uns über die Befürchtungen von Hunderttausenden von Menschen — und zwar den Befürchtungen, die sich in der Tat gegen alle Parteien richten —, daß sich diejenigen, die Spenden vergeben können, viel leichter als andere schwache soziale Gruppen durchsetzen können, hinwegzusetzen, würden wir ein Stück Handlungsfähigkeit dieses Parlaments preisgeben, was wir nicht tun dürfen.
Wir wissen doch, wie das Problem Flick häufig über das Sherryglas hinweg diskutiert wird. Da wird aufstöhnend gesagt: Wie kann ein so tüchtiger Mann wie der Brauchitsch so viel aufschreiben!Wissen Sie, damit, daß unsere Industriekapitäne beschließen, künftig weniger Aktennotizen zu schreiben, ist das Problem moralisch nicht aufzuarbeiten,
auch nicht, wie gesagt, damit, daß wir es der öffentlichen Meinung zuschieben. Dazu ist ja genügend gesagt worden.Ich will nur noch auf folgende Punkte hinweisen. Die einzige Frage, die zählt — da gebe ich Herrn Geißler völlig recht —, ist die Frage, ob das, was an Angriffen kommt, richtig oder falsch ist.
Das ist die Frage, die zählt. Eine Regierung, die Angriffe, deren Richtigkeit sie nicht bestreiten kann, dadurch unschädlich zu machen versucht, daß sie über die Motive der Angreifenden spekuliert, hat, so fürchte ich, den Mechanismus von Demokratie nicht vollständig begriffen.
Ich darf scherzhaft folgendes hinzufügen. Nur im Preußen des vorigen Jahrhunderts gab es das Delikt der „Aufreizung zur Unzufriedenheit und des unehrerbietigen Tadelns der Regierung". Es ist mir klar: Der „Spiegel" hätte sich dieses Delikts längst schuldig gemacht. Aber Sie müssen sich damit abfinden, daß dieses Delikt nicht mehr in unserem Strafgesetzbuch steht.Friedrich Wilhelm IV, von Preußen hat einmal, als die Opposition Anfang der 40er Jahre immer größer wurde, den demokratischen Dichter Georg Herwegh empfangen. Das war eine große Sache. Das war so, als wenn Herr Kohl jetzt Herrn Augstein empfinge.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7467
Dr. GlotzEr hat einen Satz gesagt, der auch von Helmut Kohl stammen könnte, nämlich: „Ich liebe eine gesinnungsvolle Opposition." Das sagte Friedrich Wilhelm IV.Wissen Sie, der Bundeskanzler einer demokratischen Republik wird halt auch mit einer Opposition leben müssen, die er nicht für gesinnungsvoll halten sollte, falls er sie nicht für gesinnungsvoll hält.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vahlberg?
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Glotz, Sie sprechen von richtigen und falschen Angriffen. Ihr Geschäftsführerkollege Geißler hat in seinem Redebeitrag von großen Geldsummen gesprochen, mit denen die Gewerkschaften die SPD finanzieren. Könnten Sie das Haus einmal darüber aufklären, um welche Geldbeträge es sich im einzelnen handelt und wann sie geflossen sind?
Könnten Sie uns darüber hinaus vielleicht sagen, wie das Abstimmungsverhalten der CDU-Mitglieder in diesen Gewerkschaftsvorständen ist, die über die Finanzierung der SPD befinden?
Herr Kollege Vahlberg, ich glaube, Sie kommen mit dieser Frage dem dringenden Bedürfnis verschiedener Kollegen aus der CDU entgegen, die mich schon immer dazu bringen wollten, gerade dazu zu sprechen. Also tue ich das jetzt.
Herr Kollege Geißler hat an einer Fernsehsendung teilgenommen, in der ich schon dargestellt habe: In der Amtszeit des Schatzmeisters Halstenberg und in der Amtszeit des SPD-Geschäftsführers Glotz hat es Zuwendungen aus Gewerkschaften in der Größenordnung von etwa 500 000 DM im Jahr gegeben, weitgehend Zuwendungen aus dem Bereich von Gewerkschaftsmitgliedern, beispielsweise Arbeitsdirektoren des Bergbaus und auch anderen, die der SPD aus ihrem Einkommen hohe Spenden gegeben haben, damit in einem Jahr eine solche Summe zusammenkommen kann.
Die Feststellung von Herrn Geißler wird Herr Breit sicher im einzelnen hinterfragen. Sie haben ja wörtlich vom DGB gesprochen. Lieber Herr Kollege Geißler, es gibt solche Zuwendungen „des" DGB nicht. Ich füge hinzu: Das, was mich jenseits von allem Hickhack am meisten empört, ist der Versuch, das, was aus dem Bereich der Gewerkschaften passiert, wenn Gewerkschaften beispielsweise die SPD unterstützen — nicht die Gewerkschaftsvorstände; denn das ist meistens durch die Satzungen verboten, sondern einzelne Gewerkschaftler oder wenn die IG Metall einen IG Metaller unterstützt, der für den Bundestag kandidiert; da gibt es auch ein paar in der CDU —, mit dem ganzen Thema Flick in einen Topf zu werfen.
Nennen Sie einen einzigen Fall von Steuerverkürzung oder des Versuchs eine Einzelgewerkschaft, in unzulässiger Weise wie Flick auf irgendwelche Steuerfälle Einfluß zu nehmen.
Dies gibt es nicht. Deswegen ist es unerhört,
das Thema Gewerkschaften in einem Atemzug mit dem Thema Flick zu nennen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer?
Bitte, Frau Kollegin, weil Sie es sind, sehr gerne. Aber ich wäre dankbar, wenn ich dann weitermachen dürfte. Bitte schön.
Herr Kollege Glotz, wie erklären Sie sich im Licht dieser Ausführungen die Aussage von Karl Klasen in seinem Brief vom Mai 1984, daß die Sozialdemokraten sich doch hier nicht falsch verhalten sollten, weil sie ja auch durch Zuwendungen aus Gewerkschaftskreisen betroffen sein könnten, und wie erklären Sie sich darüber hinaus die Notizen von Herrn Halstenberg aus dem Jahr 1980, wo durchaus auch von Umwegfinanzierung die Rede gewesen sein könnte? Denn in diesen Vermerken heißt es:
IG-Metall Eugen Loderer, N. Fischer, über Union-Druck Schlichte 1 500 000 DM; IG-Chemie 40 000 über Friedrich-Ebert-Stiftung;
IG Bau, Steine, Erden Herr Sperner, Max, Gebhart, Hesselbach; IG Bergbau und Energie Adolf Schmidt 300 000 DM;
IG Post Ernst Breit, Erich Huber 100 000 DM. Und außerdem — —
Frau Abgeordnete, Sie müssen Ihre Zwischenfrage kurzfassen.
Gewiß.
Meine Damen und Herren, die Abgeordnete hatte eben Gelegenheit, hier fünfzehn Minuten lang zu sprechen. Ich darf wohl
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7468 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Vizepräsident Westphaldarauf aufmerksam machen, daß es eine allgemeine Regel ist, daß Zwischenfragen kurz zu stellen sind.
Herr Präsident, ich war mit der Zwischenfrage fertig.
Ich habe Sie nicht unterbrochen, ich bitte Sie, in Ihrer Zwischenfrage fortzufahren, aber bald zu einem Schluß zu kommen.
Frau Adam-Schwaetzer, erstens: In allem schuldigen Respekt vor dem alten Sozialdemokraten Karl Klasen sage ich folgendes. Zum einen: Wenn er sagt „aus Gewerkschaftskreisen", stimmt das vollkommen mit dem überein, was ich hier gerade gesagt habe.
Zum anderen: Auch nicht alles, was in dem Brief von Karl Klasen steht, ist so, wie es dort steht, richtig.Zweitens. Zuwendungen der Gewerkschaften, die an die Friedrich-Ebert-Stiftung gegangen sind: Bitte prüfen Sie das nach. Das ist auch nachprüfbar. Der Bundesrechnungshof überprüft die Stiftungen. Selbstverständlich tun es auch die Finanzämter. In den Berichten könnten Sie sehen, daß solche Spenden, die es an die Friedrich-Ebert-Stiftung gegeben hat, selbstverständlich satzungsgemäß von der Stiftung verwendet worden sind. Ich sage noch mal das, was ich schon an anderer Stelle gesagt habe. Intellektuell, geistig, indirekt nützt das, was die Adenauer-Stiftung tut, der CDU, und das, was die FriedrichEbert-Stiftung tut, der SPD. Aber dies in einem Atemzug mit dem zu nennen, was zum Thema Flick auf dem Tisch liegt, ist absolut unzureichend und unzulänglich, und dafür gibt es keinen Grund.
Ich war und bin der Auffassung, daß wir in der heutigen Debatte nicht nur über die persönliche Moral von Politikern reden dürfen. Anstand und Bescheidenheit
und Unbestechlichkeit sind wichtige Tugenden. Aber ich sage mit Nachdruck: Wichtiger noch sind Strukturen, die den handelnden Personen, den Politikern, wo immer sie herkommen, nicht mehr Anstand und Unbestechlichkeit und Bescheidenheit abverlangen, als realistischerweise vorausgesetzt werden kann. Damit bestreite ich selbstverständlich nicht, daß persönliche Glaubwürdigkeit sehr wichtig ist. Damit wende ich mich nicht dagegen, daß Politiker ihre Nebeneinkünfte noch sehr viel mehr offenlegen, als es heute der Fall ist.
Ich sage das jetzt, ohne daß es Beschlüsse in der SPD-Fraktion gibt. Denn die Tendenz aller Sprecher der Koalition heute hat mich etwas gewundert, die ja sonst für amerikanische Regelungen sehr eintritt, beim Punkt Nebeneinkünfte von Abgeordneten aber sehr weit von Regelungen in den Vereinigten Staaten abrückt. Es gibt auch bei uns dazu unterschiedliche Meinungen, und ich teile mit Ihnen allen die Absicht, daß wir nicht ein Parlament bekommen, in dem nur noch Oberstudiendirektoren sitzen. Anscheinend gelingt es den Amerikanern aber auf irgendeine geheimnisvolle Weise doch, sehr deutliche Bestimmungen über die Offenlegung von Nebeneinkünften und trotzdem viele Unternehmer, viele Leute aus der Wirtschaft in ihren Parlamenten zu haben. Überlegen Sie mal, worauf das wohl beruht!
Also, ich habe Nebeneinkünfte. Ich wäre einverstanden mit einer Regelung, die die Nebeneinkünfte von Abgeordneten weitgehend offenlegt. Und ich bin — wenn ich jetzt auf Herrn Stoltenberg eingehen darf — absolut damit einverstanden, daß wir das Problem, das wir heute diskutieren, jetzt nicht auf ein paar verstorbene oder auch noch lebende Schatzmeister abschieben. Unser Problem in den 60er und 70er Jahren war nicht, daß wir Leute zu Schatzmeistern gewählt hätten, die weniger moralisch gewesen wären als andere Politiker. Selbstverständlich räume ich ein: Die Spendensammelaktion, die Alfred Nau gemacht hat und die hier mehrfach diskutiert worden ist — ich will gar nicht darum herumreden —, war insofern inkorrekt, als nicht angegeben worden ist — und nachträglich auch nicht angegeben werden kann —, von welchen Firmen die Spenden kamen.
Insofern ist sicherlich eine inkorrekte Haltung einzuräumen.Ich möchte eingehend auf den sachlichen Teil der Rede von Herrn Stoltenberg, also sagen: Unser Problem, Herr Stoltenberg, war, daß wir den zuweilen laxen Umgang mit gesetzlichen Bestimmungen — in allen Parteien — als Realismus kostümiert haben. Nicht alle von uns, aber allzu viele, haben nach der Maxime gelebt oder sie doch zumindest für richtig gehalten, die das „Handelsblatt", eine unserer großen Wirtschaftszeitungen, 1970 formuliert hat. Dort heißt es — ich habe das in einem sehr interessanten Papier von Herrn Matthöfer gelesen, auf das ich gleich noch kommen will —:Die Korruption gehört zu jenen wenig schönen Phänomenen des Lebens, die kaum ausrottbar sind.
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Diejenigen — das sage ich jetzt ganz deutlich — sind unbetroffen, die gegen eine solche Haltung immer angerannt sind. Und es gab sie in allen demokratischen Parteien. Wir anderen aber tragen auch dann ein Stück Mitschuld, wenn wir mit Spenden und mit Spendenein-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7469
Dr. Glotzwerben nichts zu tun hatten, und wir sollten unsdeswegen in der Tat vor Selbstgerechtigkeit hüten.
Wir sollten uns aber auch vor individualistischen Mißverständnissen und moralischer Demagogie bewahren. Wissen Sie, meine Damen und Herren, wenn ich heute einige Kollegen von der Union, aber auch einige Kollegen von den GRÜNEN sprechen hörte, hatte ich so den Eindruck, der Abgeordnete mit seinem freien Mandat wäre ein nur mit seinem Gewissen und seinem Gott kommunizierender Mensch, der weltabgewandt, im Ringen um das sittlich Richtige, die Bestimmungen der Abgabenordnung ändert oder neue Steuergesetze erläßt. Aber wir alle wissen doch, daß das so nicht ist.Der Herr Kollege Geißler reist durch die Lande — ich habe ihn schon das zweite Mal mit dieser Nummer erlebt; sie ist gar nicht schlecht — und sagt: Große Parteien — und er sagt freundlicherweise immer: auch die SPD —, große Volksparteien haben doch 800 Delegierte, und deswegen ist es ganz unmöglich, daß man auf diese Parteien mit Geld Einfluß nehmen könnte.
Auch wenn Sie uns Sozialdemokraten da so freundlich einbeziehen, lieber Herr Kollege Geißler: Selbstverständlich ist das richtig, was große Parteitage betrifft. Aber daß es da, wo ein Gesetz gemacht wird, wo eine Einzelentscheidung getroffen wird, auch denkbar ist, gleichgültig welche Partei betroffen ist, daß Einfluß genommen wird, nicht immer mit Geld, sondern auch mit guten Worten, kann niemand bestreiten. Und ich bin auch dagegen, daß es die Bundestagsparteien bestreiten, meine Damen und Herren.
Deswegen sage ich: Wir müssen das Problem als moralisches Problem behandeln.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann?
Nein, ich bitte um Entschuldigung; ich habe sonst keine Zeit mehr.Wir müssen das Problem aber auch als ein kollektives politisches Problem und nicht nur als moralisches sehen. Es geht doch nicht nur um Menschen, die bestechen oder sich bestechen lassen, und es geht auch nicht nur darum, daß irgendwo Einfluß geübt wird, sondern es geht auch um die Verhältnisse, in denen bestochen und beeinflußt wird. Wie sichern wir eigentlich den Einfluß derer, die nicht nur nicht bestechen können, sondern die auch noch aus Gruppen kommen, die einen Lobbyisten in Bonn nicht haben? Das ist doch die Grundfrage dieser Debatte. Und ich bedaure, daß dazu fast nichts oder zuwenig gesagt worden ist.
Ich weiß, viele von Ihnen hören das nicht gern. Ich will damit auch gar keine Unterstellung an die gesamte Union verbinden, selbstverständlich nicht. Aber bei der Affäre Flick und bei der Spendendebatte geht es auch um das Thema, wie der Einfluß des Finanzkapitals, also wirtschaftlicher Kreise mit großer Stärke, auf die Politik begrenzt werden kann.
— Sehen Sie, meine Damen und Herren, sie können doch überhaupt nicht leugnen, — immer wenn Sie vorbringen: auch ihr habt Spenden genommen, und was alles zugedeckt wird mit dem Begriff: wir haben alle Fehler gemacht —, daß es in zahllosen Fällen so war, daß einer hingegangen ist und der Union oder auch der FDP Millionen gebracht hat, und dann, damit auch die SPD in den Büchern steht, hat auch die SPD 10 000 DM bekommen. Das ist doch die Wahrheit!
Vergleichen Sie die kühlen Fakten! Der Kollege Schröder hat in aller Deutlichkeit gesagt, wie hoch der Spendenanteil der SPD ist und wie es sich mit dem der Union und erst recht mit dem der kleineren FDP verhält. Das muß bitte in den Hinterköpfen bleiben.
Ich sage deshalb: Das Thema, das heute zur Debatte steht, ist auch das Thema der engen, geradezu selbstverständlichen Verschmelzung der Eliten aus Banken und Großindustrie mit der politischen Führung der konservativen Pateien.
— Ich mache mir das gar nicht so leicht, Herr Kollege Geißler. Ich bin weit davon entfernt, die Union in irgendeiner Weise mit den deutschnationalen Parteien und den Steigbügelhaltern Hitlers aus der Weimarer Republik in einen Topf zu werfen. Ich bin weit davon entfernt.
Aber es geht auch um die Frage, wie verhindert werden kann, daß die Geldelite dieses Landes sozusagen ganz ohne Bestechung, manchmal auf dem Weg der Osmose, über Ihre Partei, über Ihre Koalition einen Einfluß auf Politik nimmt, den andere Gruppen nicht nehmen können. Das ist auch das Thema.
Ich will das an Hand von vier Beispielen erläutern.Ich glaube, wir müssen nicht nur über die moralischen Probleme des einzelnen Abgeordneten reden
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7470 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Dr. Glotz— darüber müssen wir auch reden —, sondern es interessiert mich — —
— Herr Geißler, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muß in meiner Redezeit noch das sagen, was ich mir vorgenommen hatte.
— So wie Sie Glück gehabt haben, daß, als Sie Wehner zitierten, Wehner nicht mehr im Saal war. Da haben Sie Glück gehabt, Herr Kollege.
Mich interessiert: Warum gibt es in der Bundesrepublik keine vernünftige Vermögensstatistik? In den Vereinigten Staaten und selbstverständlich in Schweden ist das sehr viel besser geregelt.Ich nenne einen anderen Punkt: Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern, von Bestechungszahlungen als Betriebsausgaben. Ich empfehle Ihnen ein umfangreiches Papier von Hans Matthöfer, der seinen Kampf dagegen seit 1970 dargestellt hat. Wir reden jetzt mit hohem Ton über Aristoteles und gegen Bestechung, aber zur Zeit ist es noch möglich, Bestechungszahlungen nicht im Inland, aber im Ausland als Betriebsausgaben abzuschreiben. Da müssen wir doch einmal fragen, ob das so weitergehen soll, meine Damen und Herren.
Ich füge genauso das Thema Mitbestimmung hinzu. In einem mitbestimmten Betrieb gehen die Ausgaben an alle Seiten und nicht nur an eine, die spendet.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen, denn Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich schließe ab, Herr Präsident.
Wenn die gegenwärtige Vertrauenskrise der Parteien nicht zu einer Krise der Demokratie werden soll, dann dürfen wir uns, glaube ich, nicht darauf beschränken, Sündenböcke zu opfern. Das Problem ist nicht lösbar durch die politische Verbrennung von Rainer Barzel oder noch ein paar anderen Barzels.
Was eine wachsende Minderheit der Menschen denkt oder undeutlich fühlt, will ich in einem letzten Zitat, einem einzigen Satz — wenn der Herr Präsident das genehmigt — sagen. Ein junger
Münchner Philosoph, Peter Sloterdijk — weit weg von der SPD — hat formuliert:
Die Zeit ist zynisch und weiß: Neue Werte haben kurze Beine. Betroffenheit, Bürgernähe, Friedenssicherung, Lebensqualität, Verantwortungsbewußtsein, das läuft nicht richtig, man kann es abwarten. Der Zynismus steht im Hintergrund bereit, bis das Palaver vorbei ist und die Dinge ihren Gang nehmen.
So sieht dieser Philosoph, wie das abläuft.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Ich sage nur: Wenn wir dieses Zeitgefühl wuchern lassen, dann wachsen daraus neue Radikalismen. Mein Fazit lautet deshalb: Wir dürfen in der Flick-Affäre und in den Spendenaffären nicht einfach nur Schlußstriche ziehen, sondern wir müssen die Verhältnisse auch so ändern, daß so etwas möglichst nicht mehr vorkommen kann.
Dabei werden die Sozialdemokraten ohne Selbstgerechtigkeit mitwirken.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fischer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Glotz, ich muß schon sagen: Diese Hektik und diese Aufregung lassen auf nichts Gutes schließen.
Ich denke schon, daß wir einige Punkte noch einmal ein ganz klein wenig unter die Lupe nehmen sollten. Das habe ich mir eigentlich vorgenommen.Zunächst aber dies: Herr Schröder, Sie haben eben so larmoyant aus dem Brief der armen Jugendlichen zitiert, die sich über den Zustand dieser Demokratie beklagen. Es mag wohl sein, daß sie sich beklagen. Ich halte aber etwas von ausführlichen und richtigen Zitaten. Ich denke, es hätte Ihnen gut angestanden, wenn Sie gleich hinzugefügt hätten, daß dieses Zitat aus einem Brief stammt, den Ihnen der Schöneberger Besetzerrat geschrieben hat.
Das gibt mir natürlich die Gelegenheit — insofern bin ich Ihnen für dieses Zitat sehr dankbar —, unserer Berliner CDU auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich zu danken, daß es ihr gelungen ist, die Zahl der besetzten Häuser in Berlin auf Null zu reduzieren.
Das war durch die hervorragende Politik möglich.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7471
Frau FischerIch denke schon, daß wir auch in weiteren Punkten noch viele gute Dinge von der Berliner CDU erfahren werden.Jetzt zu Ihnen, Herr Glotz. Wir haben heute morgen hier eine Debatte mit so viel Beschuldigungen und Anklagen, mit so viel Selbstgerechtigkeit geführt, daß es einem — entschuldigen Sie — schlechtwerden konnte. Es gab in dieser Debatte auch wahnsinnig viel Heuchelei. Was soll denn dieses Gejammere über das Finanzgebaren anderer Parteien, wenn Sie uns in Ihrer Rede überhaupt keine Auskünfte darüber geben, wie es denn mit dem Ausspionieren der SPD durch Herrn Markscheffel — fangen wir bei ihm an — war. Er war Ihr Fraktionsangestellter und bezog gleichzeitig jeden Monat 3 000 DM von Flick. Kein Wort von Ihnen dazu!
Sie fordern Offenheit. Okay! Wir wollten hier einen gemeinsamen neuen Anfang machen. Dazu müssen wir von Ihnen aber auch noch ein paar Auskünfte haben.
Bitte, verstecken Sie sich nicht hinter Ihren Toten. Offengeblieben ist die Erklärung, woher Herr Nau die 7,6 Millionen DM hatte.
Diese Frage werden wir immer stellen, genauso wie wir weiterhin die Frage stellen werden, woher Herr Ehmke damals die 50 Mille hatte.
— Ich kann leider keine Zwischenfragen zulassen. Ich habe noch einige weitere Punkte, zu denen ich die SPD fragen möchte.Herr Glotz, ich möchte mich auch sehr für Ihre Auskunftsbereitschaft bedanken. Ich möchte sie auf die Frage ausgeweitet wissen, wie es mit Spenden der Neuen Heimat, der Bank für Gemeinwirtschaft und der früheren Volksfürsorge aussieht. Wenn wir schon dabei sind aufzurechnen: Ich finde es schlimm, daß Sie die Debatte in der Art geführt haben, daß uns am Ende dieser Debatte überhaupt kaum anderes möglich ist, als Ihnen einmal vorzurechnen, wie selbstgerecht Sie sich hier in diesem Deutschen Bundestag vorgestellt haben.
Wie sieht denn die Spendenaufstellung aus? Die Form, die CDU immer als die Partei des großen Geldes darzustellen, ist an Selbstgerechtigkeit wirklich nicht mehr zu übertreffen.
Wie sah es also aus? Ich beziehe mich auf ein Schreiben von Heribert Blaschke, Mitglied der Geschäftsführung der Friedrich Flick GmbH, vom 3. September 1984 an den Untersuchungsausschuß: Gezahlt an den Parlamentarisch-Politischen Pressedienst der SPD von 1969 bis 1977: 222 880 DM;Arbeitskreis für kommunalpolitische Bildung e. V. für den Zeitraum vom 8. April 1967 bis 5. August 1969 insgesamt 110 000 DM; Friedrich-Ebert-Stiftung 1975, 1976, 1977, 1978, 1979, 1980 — Sie können das z. B. auch in unserem UID hervorragend nachlesen — 2 760 000 DM; Neuer Vorwärts-Verlag, Bonn/ Bad Godesberg, 642 680 DM. — Wollen Sie, daß ich weitermache? Ich habe auch noch die Namen der Politiker alle hier: Egon Bahr 40 000 DM, Willy Brandt 100 000 DM in 1975, 40 000 DM — 1975 —, 50 000 DM — 1980 —, der Herr Ehrenberg 40 000 DM, der Herr Eppler — „wegen" oder „gegen" ist egal —
40 000 DM, der Herr Ehmke 40 000 DM. — Ich kann noch weitermachen.
— Wir können auch in die Länderebene einsteigen. Nordrhein-Westfalen hat da ja so seine Erfahrungen gemacht.Aber ich will Ihnen folgendes sagen. Sie haben es in der heutigen Debatte wirklich versäumt, mit uns gemeinsam zu sagen: Wir haben den Fehler gemacht; laßt uns das in Ordnung bringen! Einen Teil der Dinge haben wir ja in Ordnung gebracht. Nur der jetzigen Bundesregierung ist es doch zu verdanken, daß eine rechtlich unterschiedlich gewertete Situation im Bereich des Spendenwesens jetzt eindeutig geklärt ist. Früheren Regierungen hat doch die Kraft dazu gefehlt. Und jetzt wollen Sie das auf uns abschieben. Ich finde das einfach schändlich.
Das Schlimme daran ist, daß die Frage der Parteienfinanzierung unseren Staat nun wirklich zu Recht erregt und die Menschen verunsichert. Es geht dabei letztlich um das Funktionieren der Demokratie. Jeder von uns weiß doch, daß in der pluralistischen Gesellschaft politische Willensbildung und Willensäußerung verfassungsgemäß auch durch die politischen Parteien stattfinden. Jede ernsthafte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit politischer Parteien kann das gesamte System gefährden.Eine sachlich geführte Diskussion um Parteienfinanzierung ist voll berechtigt, und unsere Bürger haben einen Anspruch darauf. Nur, die Art, in der Sie heute morgen die Diskussion zu führen versucht haben, ist doch wirklich schädlich und schändlich.
Durch Verdächtigungen, durch Unterstellungen, durch Beschuldigungen wurden doch die Spender und die Empfänger von Spenden geradezu kriminalisiert. Und das alles — das finde ich zum Teil widerlich — mit dem Anspruch auf Säuberung und Staatsrettung! In Wirklichkeit haben manche von
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7472 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau FischerIhnen doch nur im Sinn, das gesamte System in Frage zu stellen.
Saubermachen will auch gelernt sein. Man kann nicht erst kübelweise Dreck ausschütten, dann den Eimer hinterherwerfen, die ganze Treppe hinunter, und glauben, man könne dann noch rutschsicher laufen.
Jede pauschale Verdächtigung, Spenden seien ein Mittel zu politischer Manipulation und Spenden korrumpierten ganze Gruppen von Politikern und Mandatsträgern, ist doch falsch, ungerecht und vor allen Dingen unverantwortlich. Die Manipulation einer ganzen Partei ist schon durch das Wesen einer Partei und durch die Funktionsweise von Parteien einfach ausgeschlossen. Aber das können Leute, die sich innerhalb einer Bewegung tummeln, vielleicht gar nicht nachempfinden, wie es ist, in einer Volkspartei Auseinandersetzungen zu führen über die Grundfragen der Zeit.
Aber Sie tun eines nicht: Sie wirken nicht der Polarisierung und der Radikalisierung entgegen. Das, was wir in unserem Volk brauchen: einen möglichst breiten Konsens der Demokraten, genau das machen Sie mit Ihrer Art der Diskussion kaputt.
Eines stimmt: Volkspartei und Volksfront schließen einander aus. Darüber sind wir uns mit Sicherheit einig. Und Intoleranz und Klassenkampfparolen, wie sie in der letzten Zeit immer wieder auftauchen, sind doch einfach Irrtümer der Vergangenheit.
Das wissen wir doch. Die Meinungen, die Bedürfnisse dieser Gruppen müssen artikuliert werden, und man muß versuchen, sie zu vertreten und durchzusetzen. Innerhalb der Parteien kommt es dann doch schon zu einem Interessenausgleich, der sich im Parteiprogramm niederschlägt.Deswegen ist es in einer so großen Volkspartei wie der CDU überhaupt nicht möglich, eine Partei in ihrer Gesamtheit einseitig zu bestimmen.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Nickels?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.Man denkt doch an Parteitage — das ist hier angeklungen — mit Hunderten von stimmberechtigten Delegierten und die notwendige Bildung von Mehrheitswillen durch Diskussion, durch Abstimmung. Viele Ergebnisse der Parteien beruhen auf Kompromissen, die die Mehrheit für tragfähig hält.Die technische, sachliche und fachliche Organisation dieser Mehrheitsbildungen und Mehrheitsmeinungen, deren Verbreitung und deren Durchsetzung kosten natürlich Geld, und dabei ist die Parteienfinanzierung angesprochen. Wir müssen feststellen, daß die Finanzierung sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft nicht allein von den Mitgliedern getragen werden kann. Dies geht schon daraus hervor, daß Beiträge ein gewisses Maß nicht überschreiten dürfen, da ansonsten entgegen der Zielsetzung sozial Schwächere in unerwünschter Weise belastet und eben von der politischen Willensbildung ausgeschlossen würden. Das gilt in unserer Partei in besonderem Maße für junge Menschen, für Hausfrauen, für Jugendliche in der Ausbildung und für Rentner. Wir lehnen auch eine reine Staatsfinanzierung ab, ob Sie das nun Staatsknete oder sonstwie nennen wollen, weil ansonsten unerwünschte und vielleicht auch undemokratische Abhängigkeiten der Parteien vom Staat und den jeweiligen Mehrheiten zu befürchten sein könnten.
Von daher bietet sich nur eine Kombination an für die Finanzierung: Wahlkampfkostenerstattung, Mitgliedsbeiträge und Spenden.Wir hätten heute morgen hier auch die Gelegenheit nehmen sollen und müssen — deswegen ist es für Sie eine Debatte der verpaßten Chancen —, alle miteinander zu überlegen, daß wir wirklich unsere Parteien, jeder die Seinige, ständig fragen müssen, ob wir unsere Apparate mit äußerster Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit betreiben.
Es trifft uns doch alle zu fragen, ob Wahlkämpfe nicht auch mit weniger Aufwand geführt werden könnten.
— Richtig. Es ist doch auch unbestritten, daß wir Organisationsstrukturen brauchen, und es ist, glaube ich, für alle Parteien auch unbestritten, daß wir moderne Kommunikationsmittel brauchen, die für eine moderne, schlagkräftige, reaktionsschnelle Volkspartei notwendig sind, und das kostet eben Geld.Ein Spender, der der CDU oder CSU eine Zuwendung macht, dokumentiert damit doch keineswegs politischen Eigennutz, sondern für mich in erster
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7473
Frau FischerLinie Vertrauen in diese Partei und der von dieser Partei verfolgten politischen Grundrichtung.
Spenden der Wirtschaft an die CDU/CSU belegen doch in weiten Fällen auch das Einverständnis der Spender mit dem effizienten und volkswirtschaftlich richtigen Kurs der Partei, und dann kann das nie Manipulation sein. Denn eine Manipulation findet nur statt, wenn man auf unlautere Weise beeinflussen möchte. Wenn Spender und Empfänger völlig gleicher Meinung sind, kann man überhaupt niemanden manipulieren.
Erst wenn der Spender den Empfänger dazu veranlassen wollte, gegen sein Gewissen Entscheidungen zum alleinigen Nutzen des Spenders zu fällen, dann liegt Manipulation oder, anders ausgedrückt, eine raffinierte Form der Bestechung vor.Kein Mensch hat hier heute ausgeschlossen, daß Spender z. B. durchaus versuchen könnten, die Spenden mit Auflagen an Amtsträger zu verbinden.
In einer Volkspartei kann der Versuch keine Chance haben. In aller Deutlichkeit: Mit Parteispenden werden nicht Regierungen gekauft, werden nicht Politiker gekauft,
wird nicht einmal ideologische Gesinnung gekauft, sondern es werden die Aufgaben der Parteien mitfinanziert.
— Dein, die Aufgaben der Parteien werden eben nicht honoriert! Genau da liegt Ihr Fehler.
Zu den Aufgaben der Parteien gehört auch die politische Bildung. Da verstehe ich einen Teil der grünen Frauen nicht; wir müssen doch wissen, daß eine ganze Frauengeneration einen wirklichen Nachholbedarf an politischer Bildung hat. Ein Exkurs nach Nordrhein-Westfalen sei erlaubt: Wenn das mit der Schulpolitik dort so weitergeht, haben wir demnächst ganze Schülergenerationen, die diesen Nachholbedarf haben.
Aus meiner eigenen Erfahrung — ich bin jetzt seit über zehn Jahren Landesvorsitzende des zweitgrößten Verbandes der Frauenvereinigung — kann ich Ihnen nur sagen, daß die CDU und die Frauen allen Spendern versichern können, auch den nicht parteilich organisierten Bürgern, daß Tausende von Frauen mit wirklich sparsamster Verwendung der Mittel, in aufopfernder Weise, mit großem zeitlichem Engagement, häufig genug auch unter Einsatz ihres persönlichen Taschengeldes in den Orts- und Kreisverbänden und in den Vereinigungen die notwendige ehrenamtliche Tätigkeit leisten. Diese Frauen verdienen unseren Dank. Sie haben kein Mißtrauen verdient.Sie sind nur ein Beispiel für viele. Die Jugendlichen in den Organisationen leisten aus idealistischen Motiven gleiche Arbeit. Jedes Mitglied, das im Wahlkampf Plakate klebt,
Zeitungen austrägt, in Versammlungen diskutiert, übt unentgeltlich eine Tätigkeit aus, die, wollte man sie in Mark und Pfennig umrechnen — —
— Sie sagen jetzt: Um die geht es nicht. Das sind genau die Wählergruppen, die sich durch die Kampagnen, die Sie hier führen, verunsichert fühlen müssen.
Entweder Sie wissen nichts von der Arbeit in den Parteien, oder Sie wollen etwas anderes erreichen, als Sie hier jetzt vorgeben. Das ist doch der ganze Punkt.Wir müssen in den Parteien zusammenarbeiten. Ich bin sehr dankbar für den Brief, der von der Deutschen Bank veröffentlicht worden ist. Wer Geld zur Festigung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung, zur Förderung der politischen Bildung und Information zur Verfügung stellt, leistet damit einen Dienst an der Gemeinschaft.
Wir haben zur Frage dessen, was wir gemeinsam tun können und müssen, schon geredet. Ich kann nur eines sagen. Die Bürger können sich auf die Integrität, die Unbestechlichkeit und die Unabhängigkeit der politischen Institutionen und der Mandatsträger verlassen.
Wir haben unsere Maßnahmen getroffen. Wir haben unseren Antrag vorgelegt.Für meine Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Conradi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich bedrückt der Vorwurf, den wir in die-
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7474 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Conradisen Tagen von vielen Leuten hören, das Parlament, die Abgeordneten, die Parteien seien käuflich, mit Geld könne man in Bonn alles erledigen. Mich bedrückt er. Ich glaube, daß die Art, in der hier einige von Ihnen geredet haben, diesem Vertrauensverlust nicht gerecht wird;
weder diese hohlen staatsmännischen Töne vom Herrn Stoltenberg noch das, was meine Vorrednerin hier an Dreck um sich geworfen hat.
Denn nichts anderes ist es, wenn hier Listen aus Ausschußsitzungen vorgelesen werden, die längst erläutert und geklärt worden sind. Wir bekommen den Vertrauensverlust des Parlaments weder mit staatsmännischen Reden noch mit wechselseitigen Beschuldigungen weg, sondern wir müssen uns dem Problem widmen.Das erste Problem ist in diesem Zusammenhang das Strukturelle, nämlich: Was hat Geld, was hat wirtschaftliche Macht an politischer Macht in dieser Bundesrepublik? Dazu will ich hier einfach einige Zahlen nennen. Die Union und die FDP haben im Bundestagswahljahr 1983 zusammen 70,8 Millionen DM an Spenden bei 77 Millionen DM an eigenen Beiträgen bekommen.
Meine Partei hat 11,7 Millionen DM an Spenden bei ebenfalls 70 Millionen DM an Beiträgen bekommen. Allein aus diesem Zahlenverhältnis wird deutlich, wo hier die Parteien des großen Geldes sitzen.
Wenn man sich ansieht, wie nach dieser Bundestagswahl umverteilt worden ist, wie hier Politik zu Lasten der kleinen Leute gemacht worden ist und wie hier den großen Leuten Vorteile zugeschanzt worden sind, so kann man wohl sagen: Die Wende-Spenden haben sich gelohnt.
Nun haben Sie heute hier mehrfach von der Neuregelung geredet und die Neuregelung vom 1. Dezember letzten Jahres gelobt. Ich hoffe, daß das Bundesverfassungsgericht bei seinen früher festgelegten Grundsätzen bleibt, nach dem es dem gleichen Recht aller Bürger auf Teilhabe am politischen Meinungsbildungsprozeß widerspricht, wenn einzelne Bürger durch Spenden und vor allem durch steuerbegünstigte Spenden einen höheren Einfluß gewinnen. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt.Er wird auch durch die Art und Weise verletzt, wie in dieser Republik das Eigentum politische Macht gewinnen kann. Denn der Art. 14 sagt ja schließlich, daß der Gebrauch des Eigentums „dem Wohle der Allgemeinheit dienen" soll. Wo hat das Eigentum der Familie Flick dem Wohle der Allgemeinheit gedient? Sie verfolgen als Staatsfeinde, als Verfassungsfeinde kleine Briefträger, weil sie für eine Partei bei Wahlen kandidieren. Aber was tun Sie gegen den verfassungswidrigen Gebrauch des Eigentums von Flick, Horten und anderen?
Herr Geißler hat uns hier versprochen — ich habe es gern gehört, Herr Geißler —, künftig würde uneingeschränkt offengelegt, was bei der Union an Spenden hereinkommt. Ich habe gestutzt, Herr Geißler, weil ich in Ihrer Beitragsordnung vom 9. Mai dieses Jahres gelesen habe, daß die Union nach oben unbeschränkt hohe Beiträge erlaubt. Da Beiträge nicht der Veröffentlichkeitspflicht des Gesetzes unterliegen, wüßte ich gerne von Ihnen, Herr Geißler: Ist das der Weg zur Umgehung des neuen Gesetzes, daß also das, was bisher Spende war, künftig als Millionenbeitrag unveröffentlicht gegeben werden kann.
Wir Sozialdemokraten werden in Zukunft deutlicher über den Einfluß von Geld auf das, was hier politisch geschieht, reden.Nun will ich etwas zu einem Komplex sagen, der subjektiv ist, nämlich: Wie ist das mit der Moral des einzelnen? Da kann man leicht sagen: Die da reden, sind die Saubermänner oder Moralisten.
— Oder „Pharisäer" wird dann gesagt. Ich habe es gehört. Ich will es gerne aufnehmen. — Aber bei so etwas übersehen Sie, die Sie so etwas sagen, daß wir in dieser Republik starke Kräfte und Bewegungen haben, für die die persönliche, die private Moral eine wichtige Sache ist. Das sind nicht nur die Religionsgemeinschaften. Das sind auch die Katholische Arbeiterbewegung oder das protestantische konservative Beamtentum und natürlich die Arbeiterbewegung. Dort ist und bleibt persönliches anständiges Verhalten ein Grundprinzip.
Das sind auch die neuen sozialen Bewegungen. Es sollte uns doch nachdenklich machen, wenn Millionen von jungen Menschen den Anspruch auf Glaubwürdigkeit wieder erheben und sagen unser Denken und Reden müsse mit unserem Handeln übereinstimmen.Auf der andere Seite haben wir die augenzwinkernde Kumpanei der Leute vom schnellen Geld, der Aufsteiger, der Steuerbetrüger. Wissen Sie, ich finde an der Spende für die FDP nicht nur das Hin und Her, bis dann herauskam, woher sie kam, so schrecklich, sondern schrecklich finde ich, daß sie von einem Herrn kommt, der der deutschen Steuer, dem deutschen Staat Millionen Mark durch seine Flucht ins Ausland entzogen hat.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7475
ConradiIch würde mich schämen, von solchen Leuten Geld zu nehmen.Nein, das wirtschaftliche, das finanzielle und das moralische Rückgrat dieser Republik liegt nicht bei den Flicks, bei den Hortens und bei den anderen Millionären, sondern es liegt bei den Millionen kleiner Leute, die anständig arbeiten und ihre Steuern zahlen.
Die Gefahr, in die diese Republik kommt, kommt nicht nur von der Politik für das große Geld, von der Politik, die den sozialen Frieden zerstören will, sondern die Gefahr könnte auch darin liegen, daß die Mehrheit der anständigen Leute, von der Willy Brandt hier einmal gesprochen hat, das Vertrauen in die Demokratie, in Parlament und Parteien verlieren könnte.Wir kommen deshalb aus dieser Vertrauenskrise nur heraus, wenn wir uns auch mit unserer Rolle als Abgeordnete beschäftigen, wenn wir uns und unseren Wählern nichts vormachen. Natürlich vertreten wir unterschiedliche Interessen. Natürlich unterliegen wir Abhängigkeiten. Aber das muß doch deutlich gemacht werden. Das kann nicht unter den Tisch gekehrt oder im Abgeordnetenhandbuch hinter zweideutigen Angaben versteckt werden.Ich halte es nicht für eine Zumutung, wenn die Wähler erfahren, wer uns finanziert und wer hier in welchen Abhängigkeiten steht. Er lasse sich, so ein Abgeordneter der FDP — Thomas Dehler würde sich bei einem solchen Verfassungs- und Mandatsverständnis wohl im Grabe umdrehen —, sein Grundrecht auf Steuergeheimnis nicht nehmen. Das finde ich ein eigenartiges Mandatsverständnis. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gesagt: Dies ist ein öffentliches Amt, und für ein öffentliches Amt gelten andere Grundsätze als für den Anwalt, den Unternehmer oder wen immer. Wir als Volksvertretung werden also der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachkommen müssen, gesetzliche Vorkehrungen dagegen zu schaffen, daß Abgeordnete Bezüge ohne entsprechende Arbeit erhalten, nur deshalb, weil sie die Interessen von Arbeitgebern oder anderen Interessenten vertreten.Wir in der SPD sind mit unserer Diskussion über die Offenlegung noch nicht am Ende. Aber eines will ich Ihnen sagen: Wenn wir gegenüber dem Präsidium oder einem anderen Gremium dieses Hauses eine breite Offenlegung schaffen, die sich an amerikanischen Beispielen orientiert, dann werden wir über das hinaus auch ein gewisses Maß an Öffentlichkeit brauchen. So wie die FDP das vorschlägt, ganz vertrauliche Offenlegung, wird das nicht reichen. Wir werden auch ein größeres Maß an Öffentlichkeit brauchen, damit dieses Parlament verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnt.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es gibt niemanden hier unter uns, der dem Ende dieser Debatte nicht mit einem gewissen Unbehagen entgegensieht.
Deshalb möchte ich mich doch noch einmal zum Sprecher all der Kollegen machen, die es außerordentlich bedauern, daß wir nach einer zwangsläufig sehr harten und kontroversen Debatte nicht zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag der Parteien, die hier betroffen sind, gekommen sind.
Ich habe diese beiden Anträge hier mitgenommen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, und möchte einmal versuchen, kurz zu begründen, weshalb wir alle, glaube ich, dies bedauern müssen und es auch bedauern. Ich muß hier zunächst einmal sagen, Herr Kollege Vogel und Herr Kollege Schmude, daß die Übersendung eines Entwurfes ohne Verhandlungsbereitschaft natürlich nicht die Voraussetzung für eine gemeinsame Entschließung sein kann.
Ich finde das auch deshalb bedauerlich, meine Damen und Herren, weil nun die Gefahr besteht, daß von dieser Debatte nicht deutlich genug in die Öffentlichkeit übergeht, wie aus dieser Krise eine Chance und eine Bewährung für unsere Demokratie werden kann. Ich möchte das kurz begründen. Es ist ja oft genug gesagt worden, daß es in jeder Demokratie Skandale gibt und daß es die Stärke der Demokratie ist, daß sie offengelegt werden. Aber, meine Damen und Herren, in unserer jungen, nicht erkämpften Demokratie kann aus solcher Krise ein entscheidender Kampf um Sein oder Nichtsein der Demokratie entstehen. Die Hypothek des Scheiterns der Weimarer Demokratie — das muß ich noch einmal betonen — muß von uns allen, von allen Parteien mitgetragen werden. Das Alarmsymptom des Scheiterns der Weimarer Demokratie ist doch das Symptom Parteiverdrossenheit, ist gar das Symptom einer strikten Ablehnung, und von daher entsteht ja der Krisencharakter der Parteispendenaffäre.Das Bemühen, mit dieser Krise fertig zu werden, erfordert einen Quantensprung über die Parteigrenzen hinaus;
das möchte ich am Schluß betonen. Wir sollten uns davor hüten, meine Damen und Herren, in dieser Auseinandersetzung Parteiinteressen über Demokratieinteressen zu stellen.
Wir sollten uns auch davor hüten, zu versuchen, daraus parteipolitisches Kapital zu schlagen.
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7476 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Frau Dr. Hamm-BrücherDie Wahlergebnisse zeigen doch, daß diese Rechnung nicht aufgeht. Auch sollten wir uns davor hüten, zu glauben, die Sache nach der Devise „Augen zu und durch" erledigen zu können. Nein, wir müssen die Kraft aufbringen, zwei sehr schmerzhafte Einsichten wirklich aufzuarbeiten, und die möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen.Die erste Einsicht für die Parteien, die dies betrifft, ist die Einsicht, daß der Art. 21 unseres Grundgesetzes in seinem ersten Satz, nämlich bezüglich der Mitwirkung der Parteien, wahrscheinlich viel zu weit ausgelegt worden ist und daß der vierte Satz, der die Offenlegung der Art, auf die wir uns — auch durch Parteispenden — finanzieren, vorschreibt, zu sehr ignoriert worden ist und daß dagegen verstoßen worden ist. Wenn wir dies gemeinsam mitnehmen können, müssen alle — ich inklusive — doch so etwas wie eine — so hat Heuss es einmal genannt — Kollektivscham empfinden.Nehmen wir also beide genannten Sätze dieses Art. 21 in Zukunft so ernst, wie unsere Verfassungsväter sie gemeint haben! Hier möchte ich mich meiner verehrten Kollegin Leni Fischer voll anschließen: Wir sollten nicht nur Kostendämpfung im Gesundheitswesen fordern, sondern auch selber eine Kostendämpfung im Parteienfinanzierungswesen vorführen.Meine Damen und Herren, die zweite Einsicht betrifft uns unmittelbar. Wie halten wir es in Zukunft mit unserem Verhaltenskodex, und wie halten wir es mit dem Art. 38 des Grundgesetzes, der hier heute auch schon wiederholt zitiert worden ist? Ich freue mich darüber, daß 82 Kollegen aus allen Fraktionen noch vor dem bedauerlichen Rücktritt des früheren Bundestagspräsidenten einen gemeinsamen Antrag eingereicht haben, um eben diesen Verhaltenskodex so präzise und so lückenlos zu fassen, daß wir in der Öffentlichkeit deutlich machen: Hier beginnen tatsächlich Konsequenzen und ein Selbstreinigungsprozeß.Noch etwas geht uns alle an, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir alle sprechen mit jungen Menschen, und wir müssen wissen, wie wichtig die Vorbildfunktion der führenden Parteien und Politiker für das Ansehen unserer Demokratie ist. Wie wir es mit unserer Verfassung halten, wie wir mit Gesetzen umgehen, wie wir miteinander umgehen, das ist die entscheidende Vorbildfunktion, an der wir gemessen werden und die wir gemeinsam sehr ernst nehmen wollen. Meine Damen und Herren, dieses Schlagwort vom „gläsernen Abgeordneten" heißt doch nichts anderes, als diese Vorbildfunktion und diese Maßstäbe zu setzen, die dann akzeptiert werden können.
Mein letzter Satz, Herr Präsident: Gerade weil dieser Art. 38 Abs. 1 nun doch wiederentdeckt wird, sollten wir in dieser Stunde daran erinnern, daß wir Vertreter des ganzen Volkes sind und daß wir die Gemeinsamkeit der Demokraten nicht nur bei Festreden strapazieren, sondern in einem solchen Augenblick auch praktizieren sollten. Beide Anträge haben so viel Übereinstimmung, daß ich für einigeKollegen abschließend ankündigen möchte, daß wir unserem Antrag zustimmen und uns beim Antrag der SPD, um wenigstens eine kleine Brücke zu bauen, der Stimme enthalten werden.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die in den Zusatztagesordnungspunkten 8 bis 10 aufgeführten Vorlagen. Ich erbitte Ihre Aufmerksamkeit; ich will Ihnen zunächst sagen, wie ich zu verfahren beabsichtige.
Die Fraktion der SPD hat gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung über ihren Antrag verlangt. Das gleiche gilt für die Fraktion der CDU/CSU für ihren Antrag. Dies gilt nicht für den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN. Das heißt, wir stimmen zunächst — entsprechend der Reihenfolge des Eingangs dieser Anträge — über den Antrag der SPD-Fraktion ab.
Wenn die Abstimmung geschlossen ist und die Auszählung beginnt, wird sofort die zweite namentliche Abstimmung, die über den Antrag der CDU/ CSU, aufgerufen. Wenn diese Abstimmung geschlossen ist und die Auszählung darüber beginnt, werde ich den Antrag der GRÜNEN zur Abstimmung stellen. Die Ergebnisse der Auszählung werden danach bekanntgegeben.
Ich rufe also den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2380 auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmen will, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Nein, und wer sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechende Stimmkarte in die vorne aufgestellten Urnen zu legen.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Darf ich fragen, ob alle Stimmkarten abgegeben worden sind? — Noch nicht. Dann warten wir noch einen Moment.
Meine Damen und Herren, sind alle Karten abgegeben worden? — Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, die Schriftführer waren so schnell, daß ich das Ergebnis bekanntgeben kann und dann sofort zur nächsten Abstimmung komme.Das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis in der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD — Flick- und Spendenaffäre — auf Drucksache 10/2380 lautet: Abgegebene Stimmen 469; davon ungültig keine. Mit Ja haben 170 Abgeordnete, mit Nein haben 272 Abgeordnete gestimmt; Enthaltungen hat es 27 gegeben.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7477
Vizepräsident WestphalEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 449; davonj a: 170nein: 252enthalten: 27NeinCDU/CSUDr. AlthammerFrau Augustin Austermann BayhaDr. Becker BergerDr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm
Dr. Bötsch BohlBohlsenBorchertBroffkaBraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. BuglBuschborn Carstens
Carstensen ClemensConrad Dr. CzajaDr. Daniels DawekeFrau DempwolfDeresDörflinger DolataDr. DollingerDossDr. Dregger Echternach EhrbarEigenEngelsbergerErhard
Eylmann
Dr. FaltlhauserFellnerFrau FischerFischer
Dr. FriedmannGanz
Frau Geiger Dr. GeißlerDr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster
GlosDr. Göhner Dr. GötzGötzerGüntherDr. Hackel Dr. Häfele von HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld)HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. Hennig Herkenrath Hinrichs HinskenHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
KalischFrau KarwatzkiKellerKiechleKittelmannKlein
Dr. Köhler Dr. KohlKolbKrausDr. Kreile KreyKroll-SchlüterDr. KronenbergLamersDr. LammertLandréLattmann Dr. Laufs LenzerLink
Link Linsmeier LintnerDr. Lippold LöherLohmann Dr. h. c. LorenzLouvenLowackMaaßFrau MännleMaginMarschewskiDr. Marx MetzDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. Möller Dr. MüllerMüller Müller (Wadern)Müller
NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog PeschPetersen Pfeffermann PfeiferDr. Pinger Pohlmann Dr. PohlmeierDr. Probst Reddemann RegenspurgerRepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberRode
Frau RönschFrau Roitzsch
Dr. RoseRossmanith Roth
RüheRufSauer
Sauer
SaurinSauter Sauter (Ichenhausen)Dr. SchäubleSchartz Schemken ScheuSchlottmann SchmidbauerSchmitz
von SchmudeSchneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffSchulze
SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. SchwörerSeesingSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerSprangerGraf StauffenbergDr. StavenhagenDr. SterckenStockhausenDr. StoltenbergStrubeStutzerSussetDr. TodenhöferUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffWeirichWernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer
WindelenFrau Dr. WisniewskiDr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Dr. ZimmermannZinkJaSPDAmlingBachmaier BahrBambergBecker
Bernrath Berschkeit Frau BlunckBrandtBrückBuckpeschDr. von BülowBuschfort CatenhusenColletConradi CurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelormeDr. Diederich DreßlerDuveEgertDr. Ehmke
Dr. EhrenbergDr. EmmerlichDr. Enders EstersEwenFiebigFischer
Fischer
Franke
Frau Fuchs
Gerstl
GilgesGlombig Dr. Glotz GrunenbergDr. Haack HaarHaase
HaehserHansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckHeimann HeistermannHerterich Hettling Heyenn Hiller
Hoffmann
Dr. Holtz Frau HuberHuonkerImmer
Jahn
JansenJaunich Dr. Jens Jung
JunghansKastning
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7478 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Vizepräsident Westphal KiehmKirschner Kißlinger Klein
Dr. KlejdzinskiKlose.Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLöfflerLutzFrau LuukFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Schweinfurt) MünteferingNehmNeumann Dr. NöbelFrau Odendahl OostergeteloPaterna PauliDr. Penner Peter
PfuhlPoßPurpsRappe ReimannFrau RengerReschke ReuterRohde SanderSchäfer SchanzDr. Scheer Schlaga SchlatterFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)Dr. SchmudeDr. Schöfberger SchreinerSchröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSielerFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStiegler StobbeStocklebenDr. Struck Frau TerborgTietjenFrau Dr. Timm ToetemeyerFrau TraupeUrbaniak Vahlberg VerheugenDr. Vogel Vogelsang Waltemathe WaltherWartenberg WeinhoferWeisskirchen Dr. WernitzWestphal Frau Weyel Dr. WieczorekWieczorek Wielfelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiWitekDr. de With Wolfram
Würtz
ZanderZeitlerFrau ZuttNeinFDPFrau Dr. AdamSchwaetzerBeckmann Bredehorn Eimer Engelhard ErtlGallusGattermann Grünbeck GrünerDr. HaussmannHoff ieHoppeKleinert KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemann Neuhausen PaintnerSchäfer
Dr. Solms Dr. WengWolfgramm WurbsEnthaltenFDPBaumDr. FeldmannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HirschFrau Seiler-AlbringDIE GRÜNENFrau Dr. Bard Burgmann DrabiniokFischer Frau GottwaldHoracekHossDr. Jannsen Frau KellyKleinert KrizsanFrau Nickels Frau Potthast Frau Reetz Sauermilch SchilyFrau Schoppe StratmannVerheyen Vogt (Kaiserslautern) Frau Dr. Vollmerfraktionslos BastianDer Antrag ist damit abgelehnt.Ich rufe den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP auf Drucksache 10/2386 auf. Die Fraktion der CDU/CSU hat gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt.Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/2386 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegenstimmen oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechende Abstimmungskarte in eine der hier vorn aufgestellten Urnen zu legen.Bevor ich eröffne, teile ich mit: Nach Abschluß dieses Gangs findet eine weitere Abstimmung statt, aber keine namentliche Abstimmung. Ich bitte also, im Saal zu bleiben.Ich eröffne die namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP. —Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte bisher nicht abgegeben hat und abstimmen möchte? Ich hörte, daß ein gehbehinderter Abgeordneter noch nicht abgestimmt haben soll. — Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.Wegen der noch anstehenden Abstimmungen bitte ich, Platz zu nehmen. —Meine Damen und Herren, wir stimmen über den Antrag unter Zusatzpunkt 10 der Tagesordnung ab. Wer dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/2388 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei einer Enthaltung ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.Meine Damen und Herren, wir sind noch nicht am Schluß der Sitzung, sondern ich muß erst noch das Abstimmungsergebnis bekanntgeben. Weitere Abstimmungen finden aber nicht mehr statt. —Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/ CSU auf der Drucksache 10/2386 bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 448, davon keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 255 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 193 Abgeordnete; es hat keine Enthaltungen gegeben.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984 7479
Vizepräsident WestphalEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 448; davonja: 255nein: 193JaCDU/CSUDr. AlthammerFrau Augustin AustermannBayhaDr. Becker BergerDr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm
Dr. BötschBohlBohlsen Borchert Boroffka BraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. Bugl BuschbomCarstens Carstensen (Nordstrand) ClemensConrad Dr. CzajaDr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDörflingerDolataDr. DollingerDossDr. DreggerEchternachEhrbar EigenEngelsbergerErhard
Eylmann
Dr. FaltlhauserFellnerFrau FischerFischer
Dr. FriedmannGanz
Frau GeigerDr. GeißlerDr. von GeldernDr. GeorgeGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GötzerGünther Dr. HackelDr. Häfelevon HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. HüschDr. HupkaGraf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
KalischFrau KarwatzkiKeller Kiechle KittelmannKlein
Dr. Köhler Dr. KohlKolbKrausDr. KreileKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergLamersDr. LammertLandré LattmannDr. Laufs LenzerLink
Link LinsmeierLintnerDr. LippoldLöherLohmann Dr. h. c. LorenzLouven Lowack MaaßFrau MännleMaginMarschewskiDr. Marx MetzDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MikatDr. MiltnerMilzDr. MöllerDr. MüllerMüller Müller (Wadern)Müller
NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog PeschPetersenPfeffermann PfeiferDr. PingerPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. Riesenhuber Rode Frau Rönsch Frau Roitzsch
Dr. Rose
Rossmanith Roth RüheRufSauer
Sauer SaurinSauter Sauter (Ichenhausen) Dr. SchäubleSchartz SchemkenScheuSchlottmann SchmidbauerSchmitz von Schmude Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffSchulze SchwarzDr. Schwarz-Schilling Dr. SchwörerSeesingSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerSprangerGraf StauffenbergDr. Stavenhagen Dr. Stercken StockhausenDr. Stoltenberg StrubeStutzerSussetUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. Warrikoff WeirichWernerFrau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski Dr. WörnerWürzbachDr. WulffDr. Zimmermann ZinkFDPFrau Dr. Adam-SchwaetzerBaumBeckmann Bredehorn Eimer
Engelhard ErtlDr. FeldmannGallusGattermann Grünbeck GrünerFrau Dr. Hamm-BrücherDr. HaussmannDr. Hirsch HoffieHoppeKleinert
KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemann Neuhausen PaintnerSchäfer
Frau Seiler-AlbringDr. Solms Dr. Weng Wolfgramm
NeinCDU/CSUDr. TodenhöferSPDAmlingBachmaierBahrBambergBecker
BernrathBerschkeitFrau Blunck BrandtBrückBuckpeschDr. von Bülow BuschfortCatenhusenColletConradiCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelormeDr. Diederich
DreßlerDuveEgertDr. Ehmke
Dr. Ehrenberg Dr. Emmerlich
Metadaten/Kopzeile:
7480 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1984
Vizepräsident Westphal Dr. EndersEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)Frau Fuchs
Gerstl
GilgesGlombig Dr. Glotz GrunenbergDr. Haack HaarHaase
HaehserHansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckHeimann HeistermannHerterich Hettling HeyennHiller Hoffmann (Saarbrücken) Dr. HoltzFrau HuberHuonkerImmer Jahn (Marburg)JansenJaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschner Kißlinger Klein
Dr. KlejdzinskiKloseKretkowskiDr. Kübler KühbacherKuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLöfflerLutzFrau LuukFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Schweinfurt) MünteferingNehmNeumann Dr. NöbelFrau Odendahl OostergeteloPaternaPauliDr. PennerPeter
PfuhlPoßPurpsRappe ReimannFrau RengerReschkeReuterRohde SanderSchäfer SchanzDr. ScheerSchlagaSchlatterFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden) Dr. SchmudeDr. Schöfberger SchreinerSchröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSielerFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SperlingStahl
SteinerFrau Steinhauer StieglerStobbeStockleben Dr. Struck Frau Terborg TietjenFrau Dr. TimmFrau Traupe UrbaniakVahlbergVerheugen Dr. VogelVogelsang Waltemathe WaltherWartenberg Weinhofer Weisskirchen (Wiesloch Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiWitekDr. de With Wolfram
Würtz
ZanderZeitlerFrau ZuttDIE GRÜNENFrau Dr. Bard BurgmannDrabiniokFischer Frau Gottwald HoracekHossDr. Jannsen Frau KellyKleinert KrizsanFrau Nickels Frau Potthast Frau Reetz SauermilchSchilyFrau Schoppe Schwenninger StratmannVerheyen Vogt (Kaiserslautern) Frau Dr. Vollmerfraktionslos BastianDamit ist der Antrag angenommen.Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 27. November 1984, 9 Uhr ein.Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.Die Sitzung ist geschlossen.