Protokoll:
10068

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 68

  • date_rangeDatum: 13. April 1984

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:30 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. April 1984 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der Demokratischen Partei und von Abgeordneten der Nationalversammlung der Republik Uganda 4785 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Initiative des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europäischen Union — Drucksache 10/1247 — Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 4783 B Antretter SPD 4785A Ertl FDP 4786 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 4788 D Dr. Mertes, Staatsminister AA 4790 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Lage in Afghanistan — Drucksache 10/1277 — 4792 B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche aus Bundesmitteln — Drucksache 10/490 — a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/1268 — b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/1294 — Feilcke CDU/CSU 4792 C Urbaniak SPD 4794 D Eimer (Fürth) FDP 4796 C Dr. Jannsen GRÜNE 4798 A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 4799 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 10/964 — a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 10/1248 — b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/1295 — Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 4801 B Frau Odendahl SPD 4802 D Neuhausen FDP 4804 D Dr. Jannsen GRÜNE 4807 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 4809 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 4811 D Daweke CDU/CSU 4813 B Namentliche Abstimmung 4814 B Vogelsang SPD 4815 D Frau Männle CDU/CSU 4816 C Dr. Jannsen GRÜNE 4817 B Neuhausen FDP 4817 C Nächste Sitzung 4817 D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4819* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4819* C Anlage 3 Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Ausreisegenehmigungen aus der DDR und der Aussiedlung Deutscher aus der Sowjetunion in die DDR MdlAnfr 3 06.04.84 Drs 10/1253 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hennig BMB . . 4819* D Anlage 4 Erfassen von Daten über Mitgliedschaft und Funktion in einer Partei, insbesondere bei den GRÜNEN, durch das BKA MdlAnfr 39, 40 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Schoppe GRÜNE SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 4820* A Anlage 5 Steuerliche Benachteiligung getrenntlebender oder geschiedener Unterhaltsverpflichteter bei Unterhaltszahlungen über 9 000 DM im Jahr MdlAnfr 50 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Schwenk (Stade) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF . . . . 4820* B Anlage 6 Steuerausfall durch das Bauherrenmodell; Schwierigkeiten bei der Vermietung von durch Abschreibungsgesellschaften errichteten Wohnungen MdlAnfr 51, 52 06.04.84 Drs 10/1253 Weinhofer SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF . . . . 4820* D Anlage 7 Genehmigung des Baus eines Ausbildungslagers für britische Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Sennelager MdlAnfr 53 06.04.84 Drs 10/1253 Heistermann SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4821* B Anlage 8 Änderung der Verhaltensvorschriften für Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften MdlAnfr 54 06.04.84 Drs 10/1253 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF . . . . 4821* C Anlage 9 Lieferung von Chemikalien sowie chemischen Produktions- und Versuchsanlagen, die zur Herstellung chemischer Waffen dienen könnten, durch deutsche Unternehmen in den Irak MdlAnfr 55, 56 06.04.84 Drs 10/1253 Horacek GRÜNE SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4821* D Anlage 10 Strafmildernde Auswirkungen der vorgesehenen Änderung des Kriegswaffen-Kontrollgesetzes auf das Strafverfahren gegen Mitarbeiter der Firma Rheinmetall wegen Waffenlieferungen nach Argentinien MdlAnfr 57, 58 06.04.84 Drs 10/1253 Schily GRÜNE SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4822* A Anlage 11 Abbau der polnischen Verschuldung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 59 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4822* C Anlage 12 Rückrufaktionen von Wirtschaftsunternehmen seit 1972 sowie Höhe der vorher entstandenen Schäden MdlAnfr 60, 61 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4823* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 III Anlage 13 Entschädigung der Waldbesitzer in Frankenwald und Fichtelgebirge angesichts des Waldsterbens durch Immissionen MdlAnfr 62 06.04.84 Drs 10/1253 Lowack CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 4823* B Anlage 14 Auswirkungen der Spamaßnahmen des EG-Agrarkompromisses; Preisstopp bis 1989 MdlAnfr 63, 64 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Zutt SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 4823* C Anlage 15 Erhaltung der Schweinswale und Tümmler im Wattenmeer vor der deutschen Nordseeküste MdlAnfr 65 06.04.84 Drs 10/1253 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 4824* A Anlage 16 Übungsverbot für die Luftwaffe über den Seehundbänken an der Nordseeküste MdlAnfr 66 06.04.84 Drs 10/1253 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4824* B Anlage 17 Bereitstellung von zwei Fregatten der Bundesmarine für Geleitschutzaufgaben vor der französischen und der Benelux-Küste im Rahmen der NATO; Bemühungen des Bundesministers der Verteidigung um den Abbau des Leerlaufs im Dienstbetrieb MdlAnfr 67, 68 06.04.84 Drs 10/1253 Würtz SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4824* C Anlage 18 Mehreinnahmen durch Nebentätigkeiten von Bediensteten des Rodenwaldt-Instituts; Auflösung der Institutsabteilung „Klinische Chemie" MdLAnfr 69, 70 06.04.84 Drs 10/1253 Pauli SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4825* B Anlage 19 Abholzung von weiteren 11 Hektar Wald für die Anlage des Munitionsdepots am Bevergerner Damm in Saerbeck MdlAnfr 71 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4825* C Anlage 20 Stellungnahme des Landes Hessen in Sachen NATO-Versorgungslager in Wächtersbach/Brachttal; Verzicht auf den Ausbau des NATO-Munitionsdepots am Herzberg/Leisenwald MdlAnfr 72, 73 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Dr. Czempiel SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4825* D Anlage 21 Bevölkerungsproteste gegen die Stationierung amerikanischer Hubschrauber im Rhein-Main-Gebiet; Reaktivierung des militärischen Geländes in Wiesbaden-Erbenheim MdlAnfr 74, 75 06.04.84 Drs 10/1253 Schmitt (Wiesbaden) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 4826* A Anlage 22 Weitere Förderung des Modellprogramms „Psychiatrie"; Konsequenzen aus den Erfahrungen mit den neuen psychiatrischen Diensten und Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Leistungsrechts MdlAnfr 76, 77 06.04.84 Drs 10/1253 Reschke SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 4826* B Anlage 23 Auswirkungen des Aufdrucks von Warnhinweisen gem. Tabakverordnung auf den Packungen von Tabakerzeugnissen; gesundheitliche Folgen aus den Rauchgewohnheiten Jugendlicher IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 MdlAnfr 78, 79 06.04.84 Drs 10/1253 Rapp (Göppingen) SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 4826* C Anlage 24 Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan für eine von Berlin-Schönefeld aus geplante Flugreise der Jungen Union nach Moskau MdlAnfr 80 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Diederich (Berlin) SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 4827* D Anlage 25 Vorlage der Schadstoffverordnung über die Grenzwerte für Schwermetalle, PCB-Stoffe und andere Chemikalien in Lebensmitteln; Vermischung von HCH-verseuchter Milch mit unbelasteter Milch in Molkereien MdlAnfr 81, 82 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Weyel SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 4827* D Anlage 26 Konservierung von Lebensmitteln durch Bestrahlung; Einfuhr von bestrahlten Lebensmitteln MdlAnfr 83, 84 06.04.84 Drs 10/1253 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 4828* C Anlage 27 Transport gefährlicher Güter im Seeschiffsverkehr MdlAnfr 85 06.04.84 Drs 10/1253 Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4829* B Anlage 28 Konzept für die Verkehrsplanung in Bonn; Finanzierung der Projekte MdlAnfr 86, 87 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Ehmke (Bonn) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4829* C Anlage 29 Finanzierungszusage des Staatssekretärs von Geldern für die Ausbaggerung des Fahrwassers von Harlesiel nach Wangerooge MdlAnfr 88, 89 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Ehrenberg SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4830* B Anlage 30 Überprüfung der Staumauer des Edersees; Ausgleich der Fremdenverkehrsverluste der anliegenden Gemeinden MdlAnfr 90 06.04.84 Drs 10/1253 Pfuhl SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4830* C Anlage 31 Aussagen des Bundesbahnpräsidenten über die Sanierungsbedürftigkeit von Eisenbahnbrücken; Reparaturkosten MdlAnfr 91, 92 06.04.84 Drs 10/1253 Stockleben SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4830* D Anlage 32 Stillegung von Bundesbahn-Ausbesserungswerken MdlAnfr 93 06.04.84 Drs 10/1253 Brück SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4831* B Anlage 33 Neubewertung und Aufrechterhaltung der Bundesbahn-Ausbesserungswerke in Weiden und Fulda; Auftraggeber für neue Gutachten MdlAnfr 94, 95 06.04.84 Drs 10/1253 Hoffmann (Saarbrücken) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . 4831* B Anlage 34 Regulierung der beim Bau der Staustufe Krotzenburg/Main entstandenen Schäden an Privathäusern und Grundstücken MdlAnfr 96, 97 06.04.84 Drs 10/1253 Klein (Dieburg) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4831* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 V Anlage 35 Chemische Mittel zur Absenkung von aus Tankern in die Nordsee eingeleitetem Öl; Anpassung der Ermittlungsmethoden MdlAnfr 98, 99 06.04.84 Drs 10/1253 Frau Blunck SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4832* A Anlage 36 Beseitigung der Straßenschäden auf der Transitautobahn durch die DDR MdlAnfr 100 06.04.84 Drs 10/1253 Schulze (Berlin) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . 4832* C Anlage 37 Bundesbeteiligung an der Nachsubventionierung von Sozialwohnungen in Bayern MdlAnfr 101 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 4832* D Anlage 38 Investitionsbedarf sowie Bundeszuschüsse nach dem Städtebauförderungsgesetz bei der Stadtsanierung MdlAnfr 102, 103 06.04.84 Drs 10/1253 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 4833* A Anlage 39 Äußerung des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Günther Herion, über eine rückläufige Entwicklung im Wohnungsbau MdlAnfr 104 06.04.84 Drs 10/1253 Kirschner SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 4833* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4783 68. Sitzung Bonn, den 13. April 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 64. Sitzung, Seite 4519 C, Zeile 17: Statt „94 000 DM" ist zu lesen „490 000 DM". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 13. 4. Bamberg 13. 4. Dr. Blank 13. 4. Brandt 13. 4. Braun 13. 4. Broll 13. 4. Catenhusen 13. 4. Cronenberg (Arnsberg) 13. 4. Dr. Enders* 13. 4. Engelsberger 13. 4. Dr. Faltlhauser 13. 4. Frau Fuchs (Verl) 13. 4. Dr. Geißler 13. 4. Dr. George 13. 4. Frau Gottwald 13. 4. Grünbeck 13. 4. Haar 13. 4. Dr. Häfele 13. 4. Handlos 13. 4. Dr. Haussmann 13. 4. Heyenn 13. 4. Dr. Holtz* 13. 4. Dr. Hornhues 13. 4. Ibrügger 13. 4. Kittelmann* 13. 4. Klein (München) 13. 4. Frau Krone-Appuhn 13. 4. Kroll-Schlüter 13. 4. Frau Dr. Lepsius 13. 4. Lohmann (Witten) 13. 4. Frau Luuk 13. 4. Magin 13. 4. Möllemann 13. 4. Dr. Müller** 13. 4. Offergeld 13. 4. Oostergetelo 13. 4. Dr. Penner 13. 4. Pohlmann 13. 4. Polkehn 13. 4. Porzner 13. 4. Reents 13. 4. Reuschenbach 13. 4. Dr. Riesenhuber 13. 4. Rohde (Hannover) 13. 4. Frau Roitzsch (Quickborn) 13. 4. Dr. Rumpf* 13. 4. Schäfer (Mainz) 13. 4. Schmidt (Hamburg) 13. 4. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 13. 4. Dr. Sperling 13. 4. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 13. 4. Dr. Stark (Nürtingen) 13. 4. Dr. Steger 13. 4. Stobbe 13. 4. Dr. Struck 13. 4. Uldall 13. 4. Dr. Unland* 13. 4. Frau Verhülsdonk 13. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Voigt (Northeim) 13. 4. Voigt (Sonthofen) 13. 4. Frau Dr. Vollmer 13.4. Vosen 13. 4. Dr. Warnke 13. 4. Weiskirch (Olpe) 13. 4. Weisskirchen (Wiesloch) 13. 4. Dr. Wernitz 13. 4. Frau Will-Feld 13. 4. Würtz 13. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 5. April 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage absieht: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Zapfwellen und ihre Schutzvorrichtungen an land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern (Drucksache 10/201 Nr. 3, 10/433) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 5. April 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage absieht: Entwurf eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1982-1986) (Drucksache 10/358 Nr. 18) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 5. April 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 724/75 über die Errichtung eines Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Drucksache 10/931) Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mit Schreiben vom 28. März 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Empfehlung des Rates an die nationalen Eisenbahnunternehmen über die technischen Betriebsbedigungen und interne Hindernisse an den Grenzübergangsstellen im grenzüberschreitenden Güterverkehr (Drucksache 10/595 Nr. 12) Vorschlag für eine Empfehlung des Rates an die nationalen Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten über die Verstärkung der Zusammenarbeit bei der kaufmännischen Geschäftsführung im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Schiene (Drucksache 10/376 Nr. 78) Entwurf einer Empfehlung des Rates zur Tarifierung der Eisenbahnstrecke im grenzüberschreitenden Container- und Huckepackverkehr (Drucksache 10/376 Nr. 80) Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Frage des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 3): 4820* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Erhöhung von Ausreisegenehmigungen aus der DDR mit der Aussiedlung von Deutschen aus der Sowjetunion in die DDR zusammenhängt, und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang? Der Bundesregierung liegen gegenwärtig keine Erkenntnisse darüber vor, daß die Erhöhung von Ausreisegenehmigungen aus der DDR mit der Aussiedlung von Deutschen aus der Sowjetunion in die DDR zusammenhängt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen der Abgeordneten Frau Schoppe (GRÜNE) (Drucksache 10/1253 Fragen 39 und 40): Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob — wie beim Landeskriminalamt München — auch beim Bundeskriminalamt die Tatsache gespeichert ist, daß jemand Vorsitzender eines Kreisverbandes der GRÜNEN ist? Wenn dies so ist, kann die Bundesregierung Gründe nennen, die es rechtfertigen, daß die Tatsache der Mitgliedschaft oder Funktionsinhabe in einer demokratischen Partei bei den Polizeibehörden gespeichert wird? Die Bundesregierung hat auch nach entsprechenden Überprüfungen keine Anhaltspunkte dafür, daß in beim Bundeskriminalamt geführten Dateien die Tatsache gespeichert ist, daß jemand Vorsitzender eines Kreisverbandes der GRÜNEN ist. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schwenk (Stade) (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 50): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Steuerpflicht getrenntlebender und geschiedener Unterhaltsverpflichteter sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ansteigt, sobald ihre Unterhaltsverpflichtung pro Jahr 9 000 DM übersteigt und sie damit trotz vergleichbarer Unterhaltspflicht eines in Ehegemeinschaft Lebenden höher ist und Ungleichbehandlung signalisiert, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun? Ihre Frage bezieht sich auf einen Vergleich zwischen der steuerlichen Entlastungswirkung des sogenannten Realsplitting und des für in intakter Ehe lebende Ehegatten anwendbaren Splitting-Verfahrens. Der Gesetzgeber hat das sogenannte Realsplitting, das heißt Abzug der Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten bis zu 9 000 DM als Sonderausgaben beim zahlenden und entsprechende Versteuerung beim empfangenden Ehegatten, ab 1979 eingeführt, um die steuerliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen besser als nach dem früheren Recht zu berücksichtigen. Bis einschließlich 1978 waren derartige Unterhaltsleistungen nur als außergewöhnliche Belastungen bis zu 3 000 DM unter Anrechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsempfängers abziehbar. Das für zusammenlebende Ehegatten anwendbare Splitting-Verfahren berücksichtigt, daß die Ehegatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der jeder Ehegatte an den Einkünften und den Lasten wirtschaftlich zur Hälfte teilhat. Dabei wird zunächst der Steuerbetrag ermittelt, der sich aus der für Alleinstehende geltenden Einkommensteuertabelle für die Hälfte des gemeinsamen Einkommens der Ehegatten ergibt, und sodann verdoppelt. Die rechtlichen Grundlagen lassen einen Vergleich zwischen Realsplitting und Splitting-Verfahren — den Sie in Ihrer Frage unterstellen — nicht zu. Wie das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen festgestellt hat, führen nur zusammenlebende Ehegatten eine Lebensgemeinschaft, die die Anwendung des Splitting-Verfahrens rechtfertigt. Für die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten bietet das Splitting-Verfahren keine Grundlage. Es besteht — mangels rechtlicher Vergleichbarkeit — keine Ungleichbehandlung zwischen zusammenlebenden Ehegatten einerseits und dauernd getrenntlebenden Ehegatten oder Geschiedenen andererseits. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Weinhofer (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 51 und 52): Liegt der Bundesregierung entsprechend ihrer Ankündigung vom 29. April 1982 nunmehr „gutes tragfähiges Material über die Wirkungen des Bauherrenmodells" vor (Sitzungsprotokoll 9/97) bzw. welche Erkenntnisse bezüglich des jährlichen Steuerausfalls hat die Überprüfung des Zahlenmaterials des „Kapitalanlage-Informationszentrums GmbH" in Oberursel ergeben? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß vor allem Abschreibungsgesellschaften im Wege des Bauherrenmodells auf Kosten des Steuerzahlers und z. T. der Bauherren in großem Umfang Wohnraum erstellen ließen, der sich nunmehr wegen der überhöhten Quadratmeterpreise als kaum vermietbar erweist (vgl. Spiegel Nr. 49/83, S. 71 ff.)? Zu Frage 51: Eine Prüfung durch das Statistische Bundesamt und die Vertreter der Statistischen Landesämter hat ergeben, daß hinreichend vollständiges Material über die Wirkungen des Bauherrenmodells im Rahmen der Baustatistik nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Vom Bundesminister der Finanzen wurde veranlaßt, daß im Rahmen der Einkommen-/Körperschaftsteuerstatistik 1983 Steuerpflichtige mit Anteilen aus Bauherren- und Erwerbergemeinschaften in den Datenkatalog für die statistische Auswertung übernommen werden. Eine genaue Trennung zwischen den an sogenannten Bauherrenmodellen beteiligten Steuerpflichtigen und anderen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4821* Gemeinschaften, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, ist nicht möglich und kann deshalb nur geschätzt werden. Da mit Ergebnissen dieser Erhebung erst nach mehreren Jahren zu rechnen ist, ist eine Beurteilung der Qualität des Zahlenmaterials des „Kapitalanlage-Informationszentrums GmbH" in Oberursel zur Zeit nicht möglich. Zu Frage 52: Die Behauptung, daß die erstellten Wohnungen wegen überhöhter Quadratmeterpreise kaum vermietbar seien, kann die Bundesregierung nicht aus eigener Kenntnis bestätigen, weil eindeutiges Zahlenmaterial hierzu nicht vorliegt. Die Bundesregierung sähe aber auch keinen Anlaß, in derartigen Fällen einzugreifen. Sie begrüßt jedoch Veröffentlichungen über diesen Bereich, weil sie dazu beitragen können, das Bewußtsein für die Wirtschaftlichkeit von Geldanlagen zu schärfen. Im übrigen nimmt die Bundesregierung an, daß die Anziehungskraft der Beteiligungen an Bauherrenmodellen auch aus steuerlicher Sicht im Hinblick auf die bisher beschlossenen gesetzgeberischen Maßnahmen abnimmt, insbesondere weil zum 31. Dezember 1984 die Möglichkeit wegfällt, durch Umsatzsteuer-Option die mit der Erstellung des Bauobjekts verbundenen Vorsteuern abziehen zu können. Weiterhin wirkt sich die aufgrund der Politik der Bundesregierung stark gesunkene Inflationsrate nachteilig auf die Anziehungskraft dieser Modelle aus, denn hierdurch wird die Spekulation auf eine schnell erreichbare nominale Wertsteigerung verhindert. Ob über die verwirklichten Maßnahmen hinaus weitere gesetzgeberische Maßnahmen möglich sind, wird derzeit bei der Vorbereitung des dem Bundestag zum 1. Juli 1984 vorzulegenden Berichts geprüft. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Heistermann (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 53): Wann haben deutsche Stellen die Baumaßnahmen für dieses Ausbildungslager auf dem Truppenübungsplatz Sennelager genehmigt, und wurden diese mit der politischen Gemeinde Schlangen abgestimmt? Nach Studium bisher zugänglicher Akten wurden die erforderlichen Schritte 1972 eingeleitet und dann in den 70er Jahren gebaut. Inwieweit hier im Zuge der Errichtung des Übungsdorfes seinerzeit von der Oberfinanzdirektion Münster — Landesbauabteilung — der Regierungspräsident Detmold als bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zuständig eingeschaltet und von diesem die Gemeinde Schlangen angehört wurde, wird üblicherweise bei diesen delegierten Maßnahmen nicht mitgeteilt. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 54): Billigt die Bundesregierung vom US-Verteidigungsministerium herausgegebene Verhaltensvorschriften für Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften, in denen es heißt, „es wird von jedem deutschen Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften erwartet, daß er ... seine Loyalität zu seinem Arbeitgeber, den US-Streitkräften, über die Loyalität zu Einzelpersonen, Parteien oder Regierung (i) stellt" oder wird sie gegenüber der amerikanischen Regierung darauf drängen, daß diese Verhaltensvorschriften (DALO-TAR-PM/AR 600-50) abgeändert werden? Für die deutschen Arbeitnehmer bei den amerikanischen Streitkräften gilt nach meinen Informationen keine Verhaltensvorschrift mit dem von Ihnen zitierten Inhalt. Ich habe hingegen Kenntnis von einem Rundschreiben, das ein US-Hauptquartier am 23. März 1983 als Anweisung an die Zivilbeschäftigten der „Troup Support Agency" herausgegeben hat, worin zur Frage der Loyalität gesagt wird, daß von jedem Mitarbeiter Loyalität gegenüber den höchsten moralischen Prinzipien der Armee der Vereinigten Staaten sowie des Gastlandes erwartet wird. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Horacek (GRÜNE) (Drucksache 10/1253 Fragen 55 und 56): Gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Produktionsoder andere Vertriebsfirmen, die chemische Produktionsoder Versuchsanlagen an den Irak liefern, die entweder direkt oder nach technischen Veränderungen chemischen Waffen dienen könnten? Wie viele und welche Firmen in der Bundesrepublik Deutschland gibt es, die Chemikalien, chemische Produktions- bzw. Versuchsanlagen an den Irak geliefert haben oder liefern? Zu Frage 55: Die Bundesrepublik Deutschland hat auf die Herstellung und den Erwerb chemischer Waffen seit langem verzichtet. Sie hat sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Auch die Ausfuhr von Anlagen zur Herstellung von Giftkampfstoffen ist nach dem AWG genehmigungspflichtig. Genehmigungen für die Ausfuhr solcher Anlagen in den Irak sind nicht erteilt worden. Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß sonstige — ausfuhrgenehmigungsfreie — chemische Anlagen, die nach Irak geliefert worden sind, entgegen ihren Konstruktions- 4822* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 merkmalen und ihrer Vertragsbestimmung — etwa durch technische Veränderungen — zur Herstellung chemischer Waffen verwendet worden sind oder verwendet werden sollen. Zu Frage 56: Hierzu kann ich Ihnen keine Angaben machen, da einer Weitergabe derartiger Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gesetzliche Bestimmungen zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses (§§ 203 StGB, 30 VwVerfG) entgegenstehen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Schily (GRÜNE) (Drucksache 10/ 1253 Fragen 57 und 58): Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die von ihr im Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes (Bundesratsdrucksache 547/83) beantragte Änderung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (Herabsetzung der Mindeststrafe von einem Jahr auf sechs Monate) Auswirkungen hat auf das beim Landgericht Düsseldorf anhängige Strafverfahren gegen Mitarbeiter der Firma Rheinmetall, welche angeklagt sind, unter falschen Angaben Waffen u. a. nach Argentinien geliefert und damit gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben? Wenn ja, billigt die Bundesregierung diese möglicherweise strafmildernden Auswirkungen, die eine Teilamnestie bedeuten könnten? Zu Frage 57: Die Herabsetzung der Mindeststrafe für Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wird nach Auffassung der Bundesregierung praktisch keine Auswirkungen auf schwebende Strafverfahren haben. Denn geändert wird nur der untere, nicht der obere Strafrahmen. Die Gerichte können also nach wie vor innerhalb der jetzt bestehenden oberen Grenzen von fünf bzw. zehn Jahren (das letztere im besonders schweren Fall) eine für schuldangemessen erkannte Strafe verhängen. Sie wären darüber hinaus auch jetzt nicht gehindert, Strafen unter einem Jahr zu verhängen, wenn sie einen minder schweren Fall annehmen. Einzige unmittelbare Auswirkung der Herabsetzung der Mindeststrafe auf anhängige Verfahren wäre demnach, daß im Falle der Verurteilung nicht wegen eines Verbrechens, sondern wegen eines Vergehens zu verurteilen wäre (§ 2 Abs. 3 StGB). Allerdings eröffnet die mit der Herabsetzung der Mindeststrafe auf sechs Monate verbundene Einstufung der Grundtatbestände als Vergehen den Strafverfolgungsbehörden wieder, wie nach dem Rechtszustand vor 1978, die Möglichkeit, in Bagatellfällen Verfahren nach § 153 StPO einzustellen. Die Wiedereröffnung dieser Möglichkeit ist gerade das Ziel der angestrebten Gesetzesänderung. Dafür sprechen folgende Sachgründe: 1. Die Anhebung der Mindeststrafe für Verstöße gegen das KWKG im Jahre 1978 sollte der wirksameren Terroristenbekämpfung dienen. Sie hat sich jedoch für diesen Täterkreis als bedeutungslos erwiesen. Sie verhindert aber nach der Gesetzeslage in Bagatellfällen eine sachgerechte Erledigung durch Einstellung des Verfahrens nach § 153 bzw. 153 a StPO (Einstellung gegen Erfüllung von Auflagen). Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn ein Hersteller im Rahmen genehmigter Herstellung ungenehmigt zu einem räumlich getrennten Betrieb befördert. Ungenehmigte Exporte von Kriegswaffen sind dagegen keine Bagatellfälle, und es gibt auch keinen Anlaß für die Annahme, daß die Strafverfolgungsbehörden sie als solche werten würden. 2. Die Herabsetzung der Mindeststrafe im KWKG hängt aufs engste zusammen mit der Herabsetzung der Mindeststrafe für die entsprechenden Verstöße im Waffengesetz, die seinerzeit gleichzeitig in einem Artikelgesetz auf ein Jahr festgesetzt worden waren. Daraus erklärt sich auch der Standort der Änderung der KWKG-Regelungen. Auch diese Parallelität entzieht der Spekulation, es handele sich um eine lex Rheinmetall, den Boden. Zu Frage 58: Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, daß die Herabsetzung der Mindeststrafe keine Teilamnestie darstellt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 59): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für einen Abbau der hohen polnischen Verschuldung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland durch Entwicklung der polnischen Außenwirtschaft und Produktivität, ist insbesondere die Produktion in Polen dem Wettbewerb ausgesetzt und das Preisgefüge am Weltmarkt orientiert? Nach Einschätzung der Bundesregierung ist die polnische Regierung bemüht, die Auslandsverschuldung durch die Entwicklung der polnischen Außenwirtschaft und durch eine verbesserte Produktivität der polnischen Industrie abzubauen. Diese Anstrengungen haben nach polnischen Angaben im Jahr 1983 zu einem Handelsbilanzüberschuß von über 1 Milliarde Dollar geführt. Die Planung der polnischen Regierung sieht vor, auch 1984 und in den folgenden Jahren einen Handelsbilanzüberschuß mindestens in dieser Größenordnung zu erzielen. Der Umfang des polnischen Handelsbilanzüberschusses wird jedoch durch die Notwendigkeit begrenzt, dringend benötigte Zulieferungen von Industriegütern, insbesondere Ersatzteilen, für die polnische Exportindustrie aus dem Westen zu beziehen. Zur Wiederbelebung der Wirtschaft und insbesondere der Exportindustrie hat die polnische Regierung von 3 Jahren eine Wirtschaftsreform beschlossen. Elemente dieser Reform sind eine gewisse Verlagerung von zentralen Befugnissen auf untere Verwaltungsebenen und auf Unternehmen sowie die Erleichterung von Privatinitiativen. Insoweit enthält die Wirtschaftsreform begrüßenswerte Ansät- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4823* ze. Über die Wirksamkeit der eingeleiteten Wirtschaftsreform insgesamt liegen der Bundesregierung im übrigen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Im Rahmen der Wirtschaftsreform hat die polnische Regierung z. T. beträchtliche Preisanhebungen im Inland vorgenommen. Die polnische Exportwirtschaft ist im Hinblick auf die dringend benötigten Erlöse bemüht, sich am internationalen Preisgefüge zu orientieren. Sie stößt dabei derzeit auf verschärfte Wettbewerbsbedingungen im Welthandel. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 60 und 61): Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Rückrufaktionen es von Wirtschaftsunternehmen seit 1972 in den einzelnen Jahren gab? Wie hoch beziffern sich nach Kenntnis der Bundesregierung die entstandenen Schäden, die den Rückrufaktionen vorausgingen? Zu Frage 60: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele Rückrufaktionen von Wirtschaftsunternehmen es seit 1972 gegeben hat; eine amtliche Statistik über Rückrufaktionen wird nicht geführt. Auch beim Bundesverband der Deutschen Industrie oder bei den Spitzenverbänden der einzelnen Industriezweige, wie z. B. beim Verband der Deutschen Automobilindustrie werden Informationen über Rückrufaktionen nicht systematisch erfaßt. Zu Frage 61: Der Bundesregierung liegen dazu keine Informationen vor. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 62): Ist die Bundesregierung bereit, eine Entschädigung der Waldbesitzer im Frankenwald und Fichtelgebirge sicherzustellen, nachdem durch Immissionen aus anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland zwischenzeitlich ca. 72 v. H. des Kiefern-, ca. 80 v. H. des Fichten- und ca. 97 v. H. des Tannenbestandes beschädigt und teilweise im Absterben begriffen sind? Zivilrechtliche Ansprüche geschädigter Waldbesitzer gegen die Betreiber emittierender Anlagen lassen sich bekanntlich nur sehr schwierig durchsetzen. Dies gilt vor allem für die neuartigen Waldschäden, für welche weiträumig verfrachtete Luftschadstoffe verantwortlich gemacht werden. Trotz vorliegender Indizien für eine Beteiligung von Luftschadstoffen läßt sich der notwendige Nachweis nicht führen. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, also auch solche gegen den Bund, kommen nicht in Betracht. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Vorsorgepolitik die jeweils notwendigen und durchführbaren Maßnahmen der Luftreinhaltung ergriffen und wird diese Politik konsequent fortführen. Hinzufügen möchte ich noch, daß dieses Problem der Ersatzleistung an die Grenze einer Regelbarkeit im Rahmen des Haftungsrechts stößt. Die Bundesregierung ist in diese Rechtslage eingebunden. Der Bund hat erstmals im Jahre 1984 für waldbauliche Maßnahmen (Vor- und Unterbau, Düngung, Wiederaufforstung) zusätzliche Mittel in Höhe von 20 Millionen DM bereitgestellt. Für die Maßnahmen stehen somit 1984 zusammen mit den Länderanteilen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" rund 33 Millionen DM zu Verfügung. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung die weitere Schadensentwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und bei einer Verschärfung der Entwicklung eine erneute Prüfung veranlassen wird. Dies gilt auch für Gebiete wie den Frankenwald und das Fichtelgebirge, wo die Schäden besonders ausgeprägt sind. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen der Abgeordneten Frau Zutt (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 63 und 64): Warum wirken sich die Sparmaßnahmen der am letzten Wochenende im März in Brüssel beschlossenen EG-Agrarregelungen noch nicht im nächsten Jahr aus, sondern werden frühestens in zwei Jahren sichtbar? Ist bei dem EG-Agrarkompromiß und den daraus abgeleiteten Mehrkosten unterstellt, daß bis 1989 keine weiteren Preisänderungen vorgenommen werden? Zu Frage 63: Es trifft nicht zu, daß die im Agrarpreiskompromiß getroffenen Regelungen haushaltsmäßig frühestens in zwei Jahren sichtbar werden. Die jeweiligen Maßnahmen treten jedoch im wesentlichen mit dem Beginn der Wirtschaftsjahre für die einzelnen Marktordnungsprodukte in Kraft, so daß die Sparmaßnahmen in ihrer Gesamtheit erst im Laufe dieses Jahres wirken können. Die Garantiemengenregelung für den Milchmarkt — und damit der wichtigste Bereich der Agrarbeschlüsse — ist bereits zum 1. April 1984 in Kraft getreten. Die Begrenzung der Preisstützung und damit auch des Anstiegs der Agrarausgaben wirkt daher bereits. Zu Frage 64: Nein, die Agrarpreise wurden wie in jedem Jahr nur für das nächste Wirtschaftsjahr festgelegt. 4824* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 In den folgenden Jahren wird der Rat prüfen, ob und in welchem Umfang Preisanhebungen möglich sein werden. Dabei wird eine erhebliche Rolle spielen, ob es gelungen ist, die Markt- und Absatzsituation auf Grund der jetzt getroffenen Maßnahmen zur Begrenzung der Garantien, insbesondere bei Milch, zu verbessern. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 65): Kann die Bundesregierung angeben, wie viele Schweinswale und Tümmler es 1960 gab und heute im Wattenmeer vor der deutschen Nordseeküste gibt, und wie will die Bundesregierung verhindern, daß diese Tiere im Wattenmeer aussterben? Nach den Erkenntnissen der Bundesforschungsanstalt für Fischerei sind Schweinswale und Tümmler im Wattenmeer vor der deutschen Nordseeküste nicht heimisch. Nur sporadisch treten Einzelgänger auf. Diese Situation bestand auch im Jahre 1960. Eine nähere Zahlenangabe ist nicht möglich. Die Frage, wie die Bundesregierung das Aussterben dieser Tiere im Wattenmeer verhindern will, stellt sich daher nicht. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 66): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Luftwaffe — zum Teil im Tiefflug — an der Nordseeküste über den Seehundbänken übt, was dazu führen würde, daß als Folge des hierdurch gestörten Geburtsvorganges nicht nur viele Muttertiere, sondern vor allem auch die Jungtiere verenden, wenn ja, wird sie die Luftwaffe anweisen, künftig diese Schutzgebiete bei ihren Übungen auszusparen? Der Seebereich vor der Nordseeküste darf von den Luftstreitkräften für Ausbildungsflüge genutzt werden. Überflugbeschränkungen oder -verbote für „Seehundbänke" bestehen nicht. Zu den von Ihnen erwähnten Verhaltensstörungen der Seehunde liegen dem Bundesminister der Verteidigung keine Angaben vor. Mit wissenschaftlicher Begleitung jedoch werden seit einigen Jahren Caribous in Labrador beobachtet, die dort im Tiefstflug von unserer Luftwaffe während der Ausbildung überflogen werden. Nach der vorliegenden kanadischen Umweltstudie sind keine ökologischen negativen Auswirkungen festzustellen, so hat sich z. B. eine beobachtete Caribou-Herde in den letzten Jahren von ca. 100 auf ca. 700 Tiere vermehrt. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, daß Überflugverbote/ Beschränkungen im Seebereich in dem hier gewünschten Umfang notwendigerweise zu Verdichtungen des Flugverkehrs über Land führen. Damit wäre zwangsläufig eine höhere Fluglärmbelastung für die Bevölkerung verbunden. Dies würde jedoch den derzeit ergriffenen/eingeleiteten Maßnahmen zur Minderung der Fluglärmbelastung der Bevölkerung zuwider laufen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 10/ 1253 Fragen 67 und 68): Gibt es im Rahmen der NATO die Forderung an die Bundesmarine, für Geleitschutzaufgaben vor der französischen und Beneluxküste mindestens zwei Fregatten aus dem Bestand der deutschen Marinestreitkräfte zur Verfügung zu stellen? Welche konkreten Ergebnisse haben die Bemühungen des Bundesministers der Verteidigung erbracht, den Leerlauf im täglichen Dienstbetrieb (das „Gammeln") abzuschaffen? Zu Frage 67: Die von Ihnen genannte Forderung gibt es nicht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß im Spannungs- und Verteidigungsfall der militärische Schutz von Verstärkungs- und Versorgungstransporten nach Europa im Rahmen der NATO rechtzeitig vorbereitet wird. Lageabhängig wird sich die Marine in der Nordsee und in den angrenzenden Gewässern an durch die NATO koordinierten Operationen beteiligen. Zu Frage 68: Bei Truppenbesuchen werden auch Sie festgestellt haben, daß das von Ihnen angesprochene Thema längst nicht mehr im Vordergrund steht, ja, daß es ganz erheblich abgenommen hat. Berichte der Inspekteure und des Beauftragten des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung bestätigen diesen Eindruck. Auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat es in seinem kürzlich vorgelegten Bericht nicht mehr als vorrangiges Problem bewertet. Hierzu haben die von dieser Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen entscheidend beigetragen, von denen ich beispielhaft folgende nennen möchte: — Sensibilisierung der Vorgesetzten auf das Thema „Dienstgestaltung und Dienstaufsicht". — Besondere Tagung mit Wehrpflichtigen und deren direkten Vorgesetzten zu diesem Thema. — Verbesserung des Führungsverhaltens durch den Unteroffizierergänzungslehrgang sowie Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4825* durch praxisbezogene Ausbildung für die Erstverwendung von Vorgesetzten. — Einheitsweise Auffüllung bei Kampf- und Kampfunterstützungstruppen. — Verlagern von Entscheidungsbefugnissen möglichst weit nach unten, d. h. Praktizieren der Auftragstaktik. — Spürbare Verbesserungen der Führerdichte in den Einheiten durch Abbau des UnteroffizierFehls. — Kürzung des Lehrgangswesens der Streitkräfte. Ich will der Zeit willen die beispielhafte Anführung hier schließen. — Es sind weitere ähnliche Maßnahmen eingeleitet bzw. geplant. Besonders wichtige und vorsorgende Maßnahmen sehe ich aber in der Notwendigkeit, — das Ansehen und die Anerkennung der Streitkräfte, vor allem auch des wehrpflichtigen Soldaten zu stärken, — die Wehrgerechtigkeit zu verbessern und — die Informationen über diese Fragen in Schule, Uni, Kirche, Medien, Gewerkschaften u. a. zu verbessern. Hier sehe ich insbesondere uns Politiker und alle staatstragenden Parteien und Kräfte in der Pflicht. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Pauli (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 69 und 70): Wie viele Bedienstete des Ernst-Rodenwaldt-Institutes in Koblenz üben in welchem Umfang Nebentätigkeiten aus, bzw. wie groß sind die hieraus entstehenden Einnahmen für den Bund? Welche Gründe sind dafür maßgebend gewesen, daß die Abteilung „Klinische Chemie" des Ernst-Rodenwaldt-Institutes in Koblenz nahezu aufgelöst wurde, und auf wessen Anregung geht dies zurück? Zu Frage 69: Ein Sanitätsoffizier hat die Genehmigung zur Ausübung privatärztlicher Nebentätigkeit in Diensträumen. Zu Frage 70: Die Aufgaben der Abteilung Klinische Chemie werden künftig in der Abteilung Laboratoriumsmedizin des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz wahrgenommen. Hier bestehen nun besonders gute personelle, materielle und infrastrukturelle Voraussetzungen für die Aufgabenwahrnehmung. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 71): Ist der Bundesregierung bekannt, daß für die Anlage des Munitionsdepots am Bevergerner Damm in Saerbeck noch weitere elf Hektar Wald abgeholzt werden sollen, nachdem bereits sieben Hektar ohne die betreffenden Gemeinden zu beteiligen, gerodet worden sind, und wenn ja, was hat die Bundesregierung veranlaßt, um die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich zu halten? Über die Inanspruchnahme des Geländes hat bis 1970 ein Anhörungsverfahren stattgefunden. Hier wurden auch mit den betreffenden Gemeinden die forstlichen Erfordernisse erörtert. Der Umfang der notwendigen Rodungen ist schon damals festgelegt worden. Ihre Aussage „ohne Beteiligung" ist also nicht zutreffend. Es müssen noch die von Ihnen erfragten ha Wald geschlagen werden. Durch Aufforstungsmaßnahmen aber wird sichergestellt, daß nicht nur der ursprüngliche Bewuchs soweit wie möglich wieder hergestellt wird, sondern es ist vorgesehen, insgesamt ca. 35 ha der Depotfläche aufzuforsten. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Czempiel (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 72 und 73): Welche Stellungnahme hat das Land Hessen nach dem Anhörungsverfahren in Sachen NATO-Versorgungslager in Wächtersbach/Brachttal (Hessen) abgegeben, und ist die Bundesregierung bereit, diesem Votum der Landesregierung zu folgen? Kann die Bundesregierung verbindlich zusichern, daß der einst geplante Ausbau eines NATO-Munitionsdepots am Herzberg/Leisenwald nicht mehr erfolgen wird? Zu Frage 72: Die Hessische Landesregierung hat sich hierzu noch nicht abschließend geäußert. Sie hat im Hinblick auf bestehende Bedenken gegen den zuletzt erörterten Standort Leisenwald gebeten, weitere Alternativen zu untersuchen. Die Wehrbereichsverwaltung IV in Wiesbaden hat daraufhin die Hessische Landesregierung um konkrete Vorschläge gebeten. Diese liegen bisher noch nicht vor. 4826* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 Zu Frage 73: Seit 1979 sind mehrere Standorte, darunter auch das von Ihnen genannte Gelände geprüft worden. Eine Entscheidung kann erst getroffen werden, nachdem die Stellungnahme der Hessischen Landesregierung vorliegt. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Schmitt (Wiesbaden) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 74 und 75): Ist die Bundesregierung bereit, die Proteste und Bedenken aus Mainz, Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis gegen die Hubschrauberstationierung bei ihrer Stellungnahme gegenüber den US-Streitkräften zu berücksichtigen? Hat die Bundesregierung der Reaktivierung des militärischen Geländes in Wiesbaden-Erbenheim inzwischen zugestimmt, oder beabsichtigt sie eine solche Zustimmung? Zu Frage 74: Die mit der Stationierung von Hubschraubern auf dem Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim für die Region verbundenen möglichen Probleme waren und werden mit den amerikanischen Streitkräften eingehend erörtert. Es wurde inzwischen eine Überprüfung eingeleitet, ob auch auf andere Flugplätze ausgewichen werden kann. Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Zu Frage 75: Der Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim ist den Streitkräften der Vereinigten Staaten aufgrund völkerrechtlicher Verträge überlassen worden. Bis 1976 waren auf dem Flugplatz Transportflugzeuge stationiert; anschließend war dort eine Panzereinheit untergebracht. Obwohl der Flugbetrieb in den vergangenen Jahren stark eingeschränkt war, wurde die Funktion der Liegenschaft als Flugplatz zu keiner Zeit aufgegeben. Die jetzt wieder vorgesehene ursprüngliche Nutzung durch Luftfahrzeuge stellt eine vertragsgemäße Nutzung des Flugplatzes dar und daher muß keine nochmalige Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Reschke (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 76 und 77): Ist die Bundesregierung bereit, das 1981 eingeleitete Modellprogramm „Psychiatrie" der Bundesregierung 1985 und 1986 aus Bundesmitteln weiter zu fördern? Welche gesetzlichen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den vielfältigen Erfahrungen der seit Vorlage der Psychiatrie-Enquete entstandenen neuartigen psychiatrischen Dienste u. a. mit Hilfe des Modellverbundes ambulante psychiatrische und psychotherapeutische und psychosomatische Versorgung, und sind in Kürze gesetzliche Vorlagen zu erwarten zur Änderung des Leistungsrechts? Zu Frage 76: Das Modellprogramm Psychiatrie ist bis Ende 1985 befristet. Von der Bundesregierung ist vorgesehen, auch im Jahre 1985 solche Modelleinrichtungen aus Bundesmitteln weiter zu fördern, die bis dahin noch keine oder keine ausreichende Anschlußfinanzierung gefunden haben. Eine Verlängerung des Modellprogramms Psychiatrie ist von der Bundesregierung nicht beabsichtigt. Zu Frage 77: Bund und Länder haben nach einer Besprechung am 20. März 1984 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit gebildet, die prüfen soll, ob und ggf. welche gesetzlichen Regelungen für neue Einrichtungen in der Psychiatrie auf dem Hintergrund der bereits vorliegenden Erkenntnisse eingeleitet werden können. Die Arbeitsgruppe wird demnächst ihre Beratungen aufnehmen. Ihren Ergebnissen möchte ich nicht vorgreifen, zumal auch der Kosten- und Finanzierungsausschuß für das Modellprogramm noch keine Empfehlungen verabschiedet hat. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Rapp (Göppingen) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 78 und 79): Hat die Bundesregierung einen Überblick, ob und in welcher Weise die seit der Ersten Verordnung zur Änderung der Tabakverordnung vom 11. Oktober 1982 geltende Pflicht zur Anbringung von Warnhinweisen auf den Packungen und in der Werbung für gewisse Tabakerzeugnisse sich ausgewirkt hat auf den mengenmäßigen Verbrauch dieser Erzeugnisse, auf die Verbrauchergewohnheiten und auf die Herstellung und das Angebot der betreffenden Tabakwaren? Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß Jugendliche in immer jüngeren Jahren rauchen — andere Altersgruppen den Tabakkonsum eher einschränken —, und welche Folgen für die Gesundheit beziehungsweise welche Folgerungen für die Gesundheitspolitik würden sich daraus gegebenenfalls ergeben? Zu Frage 78: Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Aufklärungsmaßnahmen veranlaßt, um die Bevölkerung auf die mit dem Genuß von Tabakerzeugnissen verbundenen Gefahren hinzuweisen. Sie hat bereits im Jahre 1980 zur Verwendung eines Warnhinweises in der Werbung und auf Zigarettenpackungen eine Vereinbarung der Zigarettenindustrie initiiert, wonach seit November 1980 in Werbeanzeigen für Zigaretten, seit Februar 1981 auf Werbeplakaten und seit Oktober 1981 auf den Packungen ein Warnhinweis angebracht wird. Mit der am 26. Oktober 1982 erlassenen Verordnung zur Änderung der Tabakverordnung ist die Anbringung des Warnhinweises hinsichtlich aller zum Rauchen bestimmten Tabakerzeugnisse auf den zur Abgabe an Verbraucher bestimmten Packungen vorgeschrieben worden. Bei Zigaretten muß in Verbindung mit dem Warnhinweis der Niko- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4827* tin- und Kondensat-(Teer-) Gehalt angegeben werden. Hinzu kommen Einzelkampagnen mit dem Ziel der Aufklärung. Das Gesundheitsbewußtsein der Bevölkerung und auch das Konsumverhalten zeigen in gewisser Weise positive Tendenzen. So haben Verbraucherumfragen gezeigt, daß die überwiegende Mehrzahl der Raucher über das gesundheitliche Risiko ihres Konsums informiert ist. Bei den älteren Erwachsenen, aber auch bei jungen Menschen unter 25 Jahren, ist eine Tendenz zu beobachten, das Rauchen aufzugeben. Dieser Einstellungswandel hatte zur Folge, daß nach Angaben der Zigarettenindustrie über die gesamte Breite des Angebots an Zigaretten der gewogene durchschnittliche Nikotin- und Kondensatgehalt gesenkt wurde. Der deutsche Zigarettenmarkt gilt hiernach im internationalen Vergleich als der leichteste der Welt. Der Anteil der Filterzigaretten am Zigarettenkonsum liegt nach Auskunft des Zigarettenverbandes gegenwärtig bei 90 %. Der Trend zur leichten Zigarette dürfte auch auf die Vergleichsmöglichkeiten zurückzuführen sein, die sich aus den vorgeschriebenen Angaben der Nikotin- und Teerwerte ergeben. Im Hinblick auf die Vielfalt der Aufklärungsmaßnahmen läßt sich indessen nicht ermitteln, welchen Anteil der auf Grund der Tabakverordnung vorgeschriebene und auf Grund der Vereinbarungen der Zigarettenindustrie in der Werbung für Zigaretten verwendete Warnhinweis an diesen Entwicklungen hat. Auch der Einfluß des Warnhinweises auf den mengenmäßigen Verbrauch von Tabakerzeugnissen läßt sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln. Die versteuerten Mengen an Tabakerzeugnissen in den Jahren 1982 und 1983 sind — nach einem Anstieg im Jahre 1981 — unter der Menge von 1980 geblieben. Daraus kann auf einen gewissen Rückgang des Gesamtkonsums an Tabakerzeugnissen geschlossen werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß zum 1. Juni 1982 eine Erhöhung der Tabaksteuer erfolgt ist. Zu Frage 79: Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, daß Jugendliche angeblich in immer jüngeren Jahren rauchten. Im Gegenteil liegen ihr aus zwei neueren Untersuchungen empirische Angaben über einen Rückgang des Rauchens bei jungen Leuten im Verlauf des letzten Jahrzehnts vor: Es handelt sich um die Studien „Konsum und Mißbrauch von Alkohol, illegalen Drogen, Medikamenten und Tabakwaren durch junge Menschen", Bonn 1983, und „Trendanalyse zur Entwicklung der Drogenaffinität in der Bundesrepublik Deutschland", Köln 1983. Die erste Studie wurde im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit von Infratest Gesundheitsforschung, die zweite im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom Institut für Jugendforschung erarbeitet. Die für die Jahre 1973, 1976, 1979 und 1982 ermittelte Trendanalyse weist aus, daß in der befragten Zufallstichprobe der 12- bis 25jährigen Jugendlichen der Anteil der Nichtraucher seit 1973 beständig auf fast das Doppelte angestiegen ist (von 14 auf 26 %). Positiv ist auch der leichte Anstieg der Zahl derer zu werten, die das Rauchen aufgegeben haben, sowie die Abnahme der Gelegenheitsraucher. Innerhalb der Gruppe der Raucher jedoch — das muß einschränkend festgestellt werden — erhöhte sich seit 1976 der Anteil der Intensivraucher (von 39 % auf 48 %). Insgesamt rauchen 39 % aller jungen Leute in der Bundesrepublik zwischen 12 und 24 Jahren, und zwar 41 % der männlichen und 36 % der weiblichen Befragten. Bei den 12- bis 14jährigen rauchen 47 derer, die überhaupt rauchen — das sind 9 % -, nicht täglich; bei den 15- bis 17jährigen 20 %. Der Anteil der exzessiven Raucher — solcher, die vor ihrem 15. Lebensjahr mit dem Rauchen begonnen haben und zum Zeitpunkt der Befragung mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen — beträgt 5 %. Ungeachtet der geschilderten positiven Entwicklung im Rauchverhalten der jungen Leute betrachtet die Bundesregierung die absoluten Zahlen des Tabakkonsums in unserer Jugend als zu hoch. Sie wird auf das Verhalten der Bevölkerung weiterhin durch beharrliche gesundheitliche Aufklärung einwirken. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Frage des Abgeordneten Dr. Diederich (Berlin) (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 80): Trifft es zu, daß eine Reisegruppe aus 80 Mitgliedern der „Jungen Union" aus Münster und Hamburg Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan für eine Rußlandreise beantragt hat, und würden Zuschüsse auch gewährt, wenn es zutrifft, daß diese Gruppe das Flugzeug nach Moskau in Berlin-Schönefeld besteigen wird? Dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit liegen derzeit keine Anträge der „Jungen Union" aus Münster und Hamburg auf Förderung einer Reise in die Sowjetunion aus Bundesjugendplanmitteln vor. Bei Flugreisen in die Sowjetunion über Berlin-Schönefeld werden keine Zuwendungen aus dem Bundesjugendplan gewährt. Dies ist dem Bundesverband der Jungen Union und den anderen zentralen Trägern der Jugendarbeit bekannt. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen der Abgeordneten Frau Weyel (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 81 und 82): Wann wird die Bundesregierung die lange vorbereitete Schadstoffverordnung vorlegen, die Grenzwerte für Schwermetalle, PCB und andere Chemikalien in Lebensmitteln fest- 4828* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 legt, und wie können die Verbraucher in der Zwischenzeit vor schadstoffbelasteten Lebensmitteln und schadstoffbelasteter Milch geschützt werden? Welche Regelungen, Verordnungen oder Gesetze verbieten es den Molkereien, mit Schadstoffen wie HCH über der erlaubten Höchstmenge belastete Milch zu vermischen, wie Parlamentarischer Staatssekretär Frau Karwatzki in der Fragestunde am 28. März 1984 aussagte, und wie beurteilt es die Bundesregierung, wenn dessenungeachtet HCH-verseuchte Milch mit unbelasteter Milch in den Molkereien vermischt wird (vgl. „Schaumburger Nachrichten" vom 26. März 1984)? Zu Frage 81: Der Belastung von Lebensmitteln, insbesondere tierischer Herkunft, mit PCB's wird vorrangig Aufmerksamkeit gewidmet. Die notwendigen Vorarbeiten für den Erlaß einer rechtsverbindlichen Höchstmengenregelung sind so weit fortgeschritten, daß in Kürze mit der Vorlage eines ersten Referentenentwurfes gerechnet werden kann. Für eine weitergehende, allgemeine Regelung über Rückstände von Schwermetallen in oder auf Lebensmitteln liegt auch heute noch nicht das notwendige gesicherte Datenmaterial vor. Wegen der Einzelheiten verweise ich hierzu auf meine Antwort vom 3. Februar 1983 auf die Anfrage des Herrn Kollegen Müller (Schweinfurt) — Bundestags-Drucksache 9/2404. Ähnliche Probleme dürften auch in anderen Ländern bestehen. Eine Umfrage über die Botschaften hat ergeben, daß — soweit ersichtlich — in keinem anderen Industriestaat umfassende rechtsverbindliche Höchstmengenregelungen für Schwermetalle in oder auf Lebensmitteln bestehen. Eine Verbesserung der Datensituation wird von der Durchführung von sogenannten Monitoring-Programmen im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung erwartet. Ein erstes Gespräch über die Einführung derartiger Programme mit den Ländern hat stattgefunden. Hierbei handelt es sich allerdings um ein langfristig angelegtes Vorhaben. In einer Reihe von Einzelregelungen sind für verschiedene Schadstoffe in bestimmten Lebensmitteln rechtsverbindliche Höchstmengenfestsetzungen getroffen worden. Hier sind insbesondere die Trinkwasser-Verordnung, die Quecksilberverordnung Fische sowie die Weinverordnung zu nennen. Im übrigen gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 8 und 17 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, wonach Lebensmittel, die geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen, oder Lebensmittel, die nicht zum Verzehr geeignet sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Hinsichtlich der Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber geben die Richtwerte '79 des Bundesgesundheitsamtes den für die amtliche Lebensmittelüberwachung zuständigen Länderbehörden zur Ausfüllung der allgemeinen gesetzlichen Vorschriften einen Maßstab für die Beurteilung entsprechender Schwermetallgehalte in Lebensmitteln an die Hand. Zu Frage 82: Eine Vermischung mit dem Ziel einer Herabsetzung erheblich überhöhter Rückstandsmengen ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Lebensmittelrechts (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 LMBG) verboten. In diesem Sinne ist das von mir in der Fragestunde vom 28. März 1984 erwähnte Verbot zu verstehen. In der Pflanzenschutzmittel-Höchstmengenverordnung sind die zulässigen Höchstmengen an HCH allgemein im Jahre 1982 und an ß-HCH durch die am 16. März 1984 durch den Bundesrat beschlossene Änderung dieser Verordnung für Milch und Milcherzeugnisse erheblich herabgesetzt worden. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird stichprobenartig überprüft. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß bei der Gewinnung von Milch vom Melkvorgang an bis hin zur molkereimäßigen Bearbeitung eine Vermischung technisch unvermeidbar ist. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 83 und 84): Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der in der Zeitschrift „Fleischwirtschaft", 63. Jahrgang, November 1983, Heft 1, veröffentlichten positiven Stellungnahme des Professors Kampelmann vom Reichsinstitut für die Volksgesundheit der Niederlande, zum Problem der Lebensmittelbestrahlung als einer neuen Technologie zur Haltbarmachung und zur hygienischen Sicherung von Lebensmitteln? Wird die Bundesregierung und gegebenenfalls aus welchen Gründen die Einfuhr von „bestrahlten" Lebensmitteln gestatten und auch solche Verfahren im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zulassen oder welche Bedenken stehen dem entgegen? Zu Frage 83: Der Bundesregierung ist der Artikel in der Zeitschrift „Fleischwirtschaft" bekannt. Sie stützt aber ihre Überlegungen zu Fragen der Lebensmittelbestrahlung weiterhin auf das Votum des Bundesgesundheitsrates vom 12. Oktober 1983, bei dessen Vorbereitung in den zuständigen Fachausschüssen des Bundesgesundheitsrates Herr Prof. Kampelmacher als wissenschaftlicher Sachverständiger angehört worden ist. Das Votum ist im Bundesgesundheitsblatt vom Januar 1984 veröffentlicht. Zu Frage 84: Wie kürzlich in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Schoppe und der Fraktion DIE GRÜNEN betreffend „Radioaktive Bestrahlung von Gewürzen, Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen" erneut ausgeführt worden ist, strebt die Bundesregierung keine Änderung des gesetzlichen Verbots, Lebensmittel mit ionisierenden Strahlen zu behandeln, an. Ebensowenig werden Rechtsverordnungen vorbereitet, durch die eine Bestrahlung von Lebensmitteln allgemein oder von bestimmten Lebensmitteln zugelassen werden soll. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4829* Dies gilt auch für die Einfuhr von bestrahlten Lebensmitteln. Dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit liegen lediglich Anträge mehrerer Firmen vor, ihnen die Bestrahlung von Gewürzen im Einzelfall durch Ausnahmegenehmigungen nach § 37 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes zu gestatten. Die Anträge werden gegenwärtig geprüft, nachdem der Bundesgesundheitsrat in seinem Votum vom 12. Oktober 1983 keine Bedenken gegen eine Zulassung der Behandlung von Gewürzen mit ionisierenden Strahlen geäußert hat. Die Prüfung der Anträge erfolgt, da bei Gewürzen, die häufig stark mit Mikroorganismen belastet sind, eine Keimverminderung zum Teil erforderlich und die Verwendung von Ethylenoxid zur Keimreduzierung von Lebensmitteln nicht mehr zulässig ist. Falls Anträge gestellt werden, die Behandlung von weiteren bestimmten Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen zu gestatten, wird die Bundesregierung entsprechend dem Votum des Bundesgesundheitsrates verfahren und in jedem Einzelfall prüfen, ob die Notwendigkeit einer solchen Behandlung — besonders aus gesundheitlicher Sicht — erwiesen und die Bestrahlung unter diesem Gesichtspunkt dem bisher angewendeten Verfahren überlegen ist. Eine allgemeine Zulassung der Bestrahlung von Lebensmitteln kommt, wie bereits in der Antwort der Bundesregierung vom 16. Mai 1983 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN ausgeführt worden ist, nicht in Betracht. Für sie besteht keine Notwendigkeit, da die gegenwärtig angewendeten Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, wie die Erfahrung zeigt, im allgemeinen ausreichen. Die Bundesregierung wird hierin durch das Votum des Bundesgesundheitsrates bestätigt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Carstensen (Nordstrand) (CDU/ CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 85): Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit und die Notwendigkeit, international darauf hinzuwirken, daß gefährliche Güter (z. B. Giftfässer) im Schiffsverkehr in mit Signaleinrichtungen versehenen Containern an Oberdeck transportiert werden, um dadurch ein leichteres Auffinden der Fracht bei einem eventuellen Verlust in stürmischer See zu ermöglichen? In allen — während der letzten Jahre bekanntgewordenen — Fällen, bei denen Chemikalienfässer verlorengingen, ist es den zuständigen Stellen der Landes- bzw. Kommunalverwaltungen in enger Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie sowie mit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes gelungen, die Fässer zu bergen und ohne Schaden für die Umwelt zu beseitigen. Im April 1983 haben die Nordseeanliegerstaaten auf der Jahreskonferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Nordsee von 1969 (sog. Bonn-Abkommen) beschlossen, die in den einzelnen Staaten eingerichteten zentralen Meldeköpfe auch dann einzuschalten, wenn Fässer mit Chemikalien über Bord gegangen sind. Im Rahmen der internationalen Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter mit Seeschiffen werden bereits heute besondere Forderungen für die Stauung und Sicherung der Ladung auf Seeschiffen erhoben. Für deutsche Schiffe bestehen darüber hinaus Regelungen, die allgemein eine sichere Stauung und Beförderung der Ladung an Deck und in den Laderäumen vorschreiben, um während der Fahrt eine Gefährdung von Schiff und Besatzung auszuschließen. Die von der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation (IMO) eingeleiteten Arbeiten bezüglich international verbindlicher Vorschriften für das Stauen und Sichern der Ladung auf Seeschiffen werden von deutscher Seite unterstützt. Im Rahmen dieser Erörterungen wird die Delegation der Bundesrepublik Deutschland auch Ihren Vorschlag neben anderen zur Diskussion stellen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ehmke (Bonn) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 86 und 87): Welche Netzkonzeption legt die Bundesregierung der Verkehrsplanung für die Bundeshauptstadt Bonn zu Grunde, und welche Prioritäten setzt sie für den Ausbau der einzelnen Netzelemente? In welcher Höhe veranschlagt die Bundesregierung die erforderlichen Finanzmittel für die Projekte Ennerttunnel, Venusbergtunnel, Reutertunnel, Godesberger Tunnel, und welche finanzielle Beteiligung der Stadt Bonn für die einzelnen Projekte hält sie für erforderlich? Zu Frage 86: 1. Für die Verkehrsplanung in Bonn ist in erster Linie die Stadt Bonn zuständig. Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Bonn haben sich 1975 vertraglich zu einer engen Zusammenarbeit verpflichtet und den „Gemeinsamen Ausschuß Bundeshauptstadt Bonn" gebildet. 2. Der Gemeinsame Ausschuß hat in den Jahren 1976/1977 Empfehlungen zur Verkehrsplanung für den Raum Bonn verabschiedet, die im Straßenbereich vorsahen: — Eine zweistreifige Nord-Süd-Entlastungsstraße mit Reutertunnel, bahnparalleler Straße und Tunnel Bad Godesberg; — eine im wesentlichen zweistreifige Ost-West-Verbindung zwischen den Autobahnen A 565 und A 3 mit Venusbergtunnel und Ennerttunnel. 4830* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 Über die Finanzierung der Nord-Süd-Verbindung haben Bund und Stadt 1977 eine Vereinbarung geschlossen. Die Ost-West-Verbindung ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Stufe I) berücksichtigt. 3. Aufgrund neuer Erkenntnisse hat der Gemeinsame Ausschuß eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der linksrheinischen Planungen in Bonn eingesetzt. Die Arbeitsgruppe hat Alternativen untersucht und deren Kosten ermittelt. Auf der Grundlage der Ergebnisse hat der Gemeinsame Ausschuß festgestellt, daß anstelle zweistreifiger Tunnel nur vierstreifige Tunnel vertretbar sind und linksrheinisch anstelle zweier neuer Verbindungen nur eine Verbindung, jeweils mit Godesberger Tunnel, notwendig ist. Der Gemeinsame Ausschuß hat die Vertragspartner Bund und Stadt gebeten, unter Einbeziehung des Vertrages von 1977 abgestimmte Lösungen einschließlich deren Finanzierung zu erarbeiten. Die Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern sind noch nicht abgeschlossen. Der Bund hat es der Stadt überlassen, sich zwischen den verkehrlich nahezu gleichwertigen Lösungen zu entscheiden. Erst wenn über das Gesamtkonzept entschieden ist, können Prioritäten für den Ausbau der einzelnen Netzelemente gesetzt werden. Zu Frage 87: Für die Realisierung des Projekts Ennerttunnel (B 56 n zwischen A 59 und A 3) werden nach heutigem Planungsstand bis zu 160 Millionen DM erforderlich sein. Die Kosten für das Projekt Alternative Venusbergtunnel/Godesberger Tunnel werden auf 884 Millionen DM, für das Projekt Alternative Reutertunnel/Godesberger Tunnel auf 839 Millionen DM geschätzt. Davon entfallen allein auf den Venusbergtunnel 362 Millionen DM, den Reutertunnel 366 Millionen DM und auf den Godesberger Tunnel jeweils 285 Millionen DM. Die Bundesregierung hält eine angemessene Beteiligung der Stadt Bonn an den in ihrer Baulast liegenden Maßnahmen für erforderlich. Über die Höhe der Beteiligung können vor Abschluß der Vertragsverhandlungen mit der Stadt Bonn keine Angaben gemacht werden. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ehrenberg (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 88 und 89): Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob die nach einer Meldung der Nord-West-Zeitung vom 16. August 1983 von Staatssekretär Dr. von Geldern zugesagten 120 000 DM zur Ausbaggerung des Fahrwassers von Harlesiel nach Wangerooge inzwischen bereitgestellt sind? Wieweit ist die bei derselben Besuchsreise von Staatssekretär Dr. von Geldern in Aussicht gestellte Klärung der umstrittenen Kompetenzfragen beim Harle-Fahrwasser fortgeschritten? Zu Frage 88: Im Frühjahr 1983 entstanden Untiefen im Fahrwasser von Harlesiel nach Wangerooge infolge Sandeintrieb, die sich jedoch im Laufe des Jahres 1983 wieder abgebaut haben. Nach derzeitigem Stand ist daher eine Baggerung im Fahrwasser Harlesiel-Wangerooge und somit auch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln nicht mehr erforderlich. Zu Frage 89: Die Abgrenzung des Wittmunder Außentiefs von der Carolinensieler Balje, die beide von der Schiffahrt von Harlesiel nach Wangerooge benutzt werden, wird z. Zt. von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest und der Bezirksregierung Oldenburg erörtert. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Pfuhl (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 90): Ist der Bundesregierung bekannt, daß beabsichtigt ist, an der Staumauer des Edersees Prüfungsarbeiten durchzuführen, und wie gedenkt sie die durch das Ablassen des Wassers für die anliegenden Gemeinden entstehenden Schäden im Fremdenverkehr aufzufangen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Staumauer des Eder-Stausees einer statischen Überprüfung unterzogen wird. Nach erstem Ergebnis der nach neuen Normen durchgeführten Berechnungen wird die höchste Füllhöhe der Talsperre vorsorglich so zurückgenommen, daß eine Höhenlage von 2,80 m unter dem Stauziel bei Vollstau möglichst nicht überschritten wird. Eine solche Füllhöhe entspricht einer Höhe, die sich normalerweise im Sommer einstellt. Ferner wird untersucht, ob zur bisherigen Stauraumbewirtschaftung zurückgekehrt werden kann. In der Region ist offenbar der falsche Eindruck entstanden, die Talsperre würde völlig entleert; er wurde möglicherweise verstärkt durch den gegenwärtig niedrigen Wasserstand in der Talsperre infolge geringen Niederschlags. Den Sicherheitsaspekten für den Bestand der Talsperre kommt zweifelsohne besondere Bedeutung zu. Die Zurücknahme des Höchststaus um 2,80 m läßt nach Auffassung der Bundesregierung allerdings keine nennenswerten Nachteile für den Fremdenverkehr erwarten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Stockleben (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 91 und 92): Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4831* Treffen Aussagen des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn zu, wonach ca. 11 000 Bahnbrücken in der Bundesrepublik Deutschland sanierungsbedürftig sind? Welches Finanzvolumen müßte zur Sanierung dieser Brükken gegebenenfalls bereitgestellt werden, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zur Unterstützung der wieder erlahmenden Baukonjunktur derartige Vorhaben in Angriff zu nehmen? Zu Frage 91: Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn haben etwa 11 000 Eisenbahnbrücken bereits eine Nutzungszeit von 80 bis 150 Jahren erreicht; bei etwa 1 700 dieser Brücken muß, um deren Betriebssicherheit aufrechterhalten zu können, von einer relativ kurzfristigen Schadensbehebung ausgegangen werden. Zu Frage 92: Die Planungen der Deutschen Bundesbahn sehen zur Aufrechterhaltung leistungsfähiger Fachwege für die Erhaltung der Eisenbahnbrücken ein steigendes Finanzvolumen von 351 Millionen DM im Jahr 1984 auf 430 Millionen DM im Jahr 1988 vor. Der Bundesminister für Verkehr wird diese Anstrengungen der Deutschen Bundesbahn unterstützen, die sich im Hinblick auf das hohe Investitionsvolumen auch positiv auf die Baukonjunktur auswirken werden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Brück (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 93): Wie ist zur Zeit der Stand der Überlegungen zur Stillegung von Ausbesserungswerken der Deutschen Bundesbahn, und wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Bei den Ausbesserungswerken für die Güterwageninstandhaltung besteht weiterhin ein deutlicher Überhang an Werkstättenkapazität und Mitarbeitern. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat deshalb den zuständigen obersten Landesverkehrsbehörden am 12. Juli 1983 im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach dem Bundesbahngesetz mitgeteilt, daß es nach Abwägung aller Gesichtspunkte die Stillegung der Ausbesserungswerke Hamburg-Harburg, Fulda, Weiden und Saarbrücken-Burbach beabsichtigt. Der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn ist als zuständiges Beschlußorgan mit der Stillegung der genannten Werke noch nicht befaßt worden. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Hoffmann (Saarbrücken) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 94 und 95): Sind der Bundesregierung Meldungen bekannt, nach denen die Bundesbahnausbesserungswerke Weiden und Fulda aus der Stillegungsrangliste herausgenommen oder neu bewertet wurden? Ist der Bundesregierung bekannt, ob und gegebenenfalls von wem neue Gutachten über die Wirtschaftlichkeit von Bundesbahnausbesserungswerken in Auftrag gegeben worden sind? Entscheidungen über eine Stillegung oder den weiteren Fortbestand der Ausbesserungswerke Fulda und Weiden haben Vorstand und Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn bisher nicht getroffen. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn ist im Hinblick auf die Bestimmungen des Zonenrandförderungsgesetzes und angesichts der Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 3. Dezember 1982 beauftragt worden, untersuchen zu lassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der wirtschaftliche Gesamterfolg für die Deutsche Bundesbahn bei Beibehaltung der im Zonenrandgebiet liegenden Ausbesserungswerke Fulda und Weiden gewährleistet werden kann. Dem Bundesminister für Verkehr ist nicht bekannt, ob über die Untersuchungen der Fa. Kienbaum GmbH und der Universität Regensburg hinaus weitere Gutachten über die Wirtschaftlichkeit von Ausbesserungswerken der Deutschen Bundesbahn in Auftrag gegeben worden sind. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Klein (Dieburg) (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 96 und 97): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Schäden an Privathäusern und Grundstücken finanziell immer noch nicht ausgeglichen sind, die beim Bau der Staustufe Krotzenburg/ Main, entstanden sind, die mit einem Kostenaufwand von 82 Millionen DM errichtet wurde? Wird die Bundesregierung auf die beim Bau beteiligten Firmen einwirken mit dem Ziel, daß die Versicherungen dieser Unternehmen alsbald die noch offenen Fragen klären und die Anlieger, die Schäden an Häusern und Einfriedungen hatten, finanziell entschädigen? Die Main-Staustufe Krotzenburg wurde mit einem Kostenaufwand von rund 90 Millionen DM nach über 4jähriger Bauzeit im Dezember vergangenen Jahres in Betrieb genommen. — Nach den Bauverträgen haften die bauausführenden Firmen für Schäden, welche bei der Baudurchführung entstehen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß mehrere Schadenersatzansprüche infolge des Baues der Staustufe Krotzenburg zur Zeit noch von den bauausführenden Firmen und ihren Versicherungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden. Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes als Bauherr steht mit den Baufirmen wegen angemessener und zügiger Abwicklung der Schadenersatzforderungen in Verbindung. Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes ist angewiesen worden, erneut nachdrücklich 4832* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 auf eine beschleunigte Abwicklung der offenen Schadenersatzfragen hinzuwirken. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen der Abgeordneten Frau Blunck (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 98 und 99): Ist der Bundesregierung bekannt, daß Öltanker Spezialchemikalien mit sich führen, die dazu dienen, ausgelaufenes oder eingeleitetes Öl sofort auf den Meeresboden sinken zu lassen, so daß dieses von Flugzeugen oder anderen Überwachungsvorrichtungen nicht mehr festgestellt werden kann? Was gedenkt die Bundesregierung im Hinblick auf die zur Verhinderung von unzulässigen Öleinleitungen geplante Luftüberwachung der Nordsee zu tun, um Meeresverschmutzungen, die mit diesen Spezialchemikalien verheimlicht werden sollen, doch noch aufspüren und entsprechend ahnden zu können? Zu Frage 98: Es ist bekannt, daß Öltankschiffe frei im Handel erhältliche Reinigungschemikalien regelmäßig an Bord mitführen, die entweder eine schnellere Verteilung von 01 im Wasser (Dispersion) oder eine Verklumpung des Öls (Koagulation) bewirken können. Diese Chemikalien werden ihrer eigentlichen Bestimmung nach zur Tankreinigung, etwa als Kaltreiniger, verwendet. Der Zusatz derartiger Chemikalien zur Verschleierung verbotswidrigen Ablassens von Öl ins Meer ist nach dem am 2. Oktober 1983 in Kraft getretenen Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 73/78) verboten und wird als Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit geahndet. Durch die Beimischung dispergierender oder koagulierender Chemikalien können nur kleinere Einleitungen (ca. 100 1) verschleiert werden, da dann, abhängig von Wellengang, Wassertemperatur und Wasserdichte in ca. einer halben Stunde kein Ölfilm mehr erkennbar ist. Die Einleitung darüber hinausgehender Mengen kann trotz des Zusatzes der genannten Chemikalien auch noch nach einiger Zeit festgestellt werden. Zu Frage 99: Aus der Antwort zu Frage 98 folgt, daß Öleinleitungen im allgemeinen durch die Luftüberwachung trotz des Zusatzes von Chemikalien festgestellt werden können. Das Deutsche Hydrographische Institut ist aufgrund modernster Analysemethoden in der Lage, den Zusatz derartiger Chemikalien nachzuweisen und dadurch für die Ahndung unerlaubter Einleitungen und chemischer Beimengungen zu sorgen. Zur Probeentnahme stehen neben den Schiffen des Bundesgrenzschutzes, des Zolls, der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und der Wasserschutzpolizeien der Länder die mit speziellen Probeentnahmegeräten ausgerüsteten Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes und die Lotsenversetzhubschrauber bereit. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Schulze (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 10/1253 Frage 100): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die DDR trotz wiederholter parlamentarischer und öffentlicher Kritik an dem schlechten Fahrbahnzustand auf der SüdAutobahn — speziell vor Hof — bisher nichts unternommen hat, um diesen Mangel abzustellen, und gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls die DDR nachdrücklich daran zu erinnern, daß die DDR bei einer jährlichen Zahlung, einer Transitpauschale von 525 Millionen DM, eine Straßenunterhaltspflicht für die Transitstrecken hat? Die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der gemeinsamen Transitkommission hat den Unterhaltungszustand der Transitautobahn Berlin—Hof, insbesondere auf der unmittelbar vor dem Grenzübergang gelegenen Teilstrecke HirschbergTriptis, wiederholt angesprochen. Sie hat die Regierung der DDR mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Strecke nicht mehr verkehrsgerecht und es demzufolge dringend notwendig sei, alsbald die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit ein sicherer und zügiger Verlauf des Transitverkehrs gewährleistet werde. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang an die Verpflichtung der DDR nach dem Transitabkommen von 1971 erinnert, wonach ein schneller und ungehinderter Transitverkehr und die Instandhaltung der entsprechenden Wege zu gewährleisten ist. Auch hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß sie ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen sorgfältig nachkomme und finanzielle Leistungen von beträchtlicher Höhe erbringe. Die Bundesregierung könne daher erwarten, daß die Regierung der DDR ihren entsprechenden Verpflichtungen in gleicher Weise nachkomme. Die DDR hat inzwischen gewisse Ausbesserungsarbeiten an dieser Autobahn begonnen. Die Bundesregierung beobachtet aufmerksam, ob diese Ausbesserungsarbeiten ausreichen, um die Strecke wieder in einen verkehrsgerechten Zustand zu versetzen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/1253 Frage 101): Wird sich der Bund an den bereits laufenden Verhandlungen zwischen dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München über die Nachsubventionierung von Sozialwohnungen beteiligen und dabei entsprechend dem Vorschlag des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München (Schreiben vom 15. März 1984 an Bundesminister Dr. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. April 1984 4833* Schneider) seine Beteiligung an der Nachsubventionierung im Wege erhöhter Mittelzuweisungen an den Freistaat Bayern einbringen? Der Bund wird sich an den Verhandlungen über die Nachsubventionierung zwischen dem Freistaat Bayern und der Stadt München nicht beteiligen. Die finanzverfassungsrechtlichen Gegebenheiten schließen eine Beteiligung des Bundes an Nachsubventionierungsmaßnahmen der Länder aus. Ich habe Ihnen das bereits auf eine ganz ähnliche Frage von Ihnen in der Fragestunde am 14. März dieses Jahres mitgeteilt. Die Bundesregierung ist jedoch überzeugt, daß die bayerische Staatsregierung bei ihren Überlegungen zur Nachsubventionierung die Bedürfnisse in München angemessen berücksichtigen wird. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/1253 Fragen 102 und 103): Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Investitionsbedarf für Zwecke der Stadtsanierung in den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahren ein? Ist die Bundesregierung bereit, in den kommenden Jahren weiterhin Mittel für die Städtebauförderung im bisherigen Umfange zur Verfügung zu stellen? Zu Frage 102: Die Bundesregierung schätzt den Investitionsbedarf im Bereich der Stadtsanierung in den Städten und Gemeinden außerordentlich hoch ein; der Bedarf wird in den nächsten Jahren im Rahmen der bestandsorientierten Stadterneuerung noch zunehmen. Das bestätigen auch die jährlichen Anmeldungen der Länder zum Bundesprogramm der Städtebauförderung. Danach übersteigt der tatsächliche Bedarf der Gemeinden an Bundesfinanzhilfen allein für die laufenden Sanierungsmaßnahmen sowie für die dringendsten Neuaufnahmen die zur Verfügung stehenden Bundesmittel bei weitem. Auch nach einer Bedarfserhebung im Auftrag des Deutschen Städtetages ist die Stadterneuerung nach Selbsteinschätzung der Gemeinden die Zukunftsaufgabe mit dem höchsten Bedarfszuwachs. Eine aktuelle Bedarfserhebung wird gerade im Auftrag des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin, durchgeführt. Zu Frage 103: Die Bundesregierung hat die Verpflichtungsrahmen des Bundesprogramms der Städtebauförderung für 1983 und 1984 um je 60 Millionen DM auf 280 Millionen DM erhöht und diesen bisher höchsten Stand im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung verstetigt. Dabei wurden neben dem hohen Investitionsbedarf die beschäftigungspolitische Bedeutung der Städtebauförderung, ihre hohen gebietsbezogenen Anstoß- und Ausstrahlungseffekte sowie ihre breite regionale Streuung berücksichtigt. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 10/ 1253 Frage 104): Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Günther Herion, daß im Wohnungsbau, bei dem schon 1983 die Nachfrage wieder abflaute, ein neuerliches Tief in Sicht sei (dpa 5. April 1984)? Das Sofortprogramm der Bundesregierung zur Wiederbelebung des Wohnungsbaus hat zusammen mit günstigeren Kapitalmarktbedingungen im vergangenen Jahr eine kräftige Belebung der Wohnungsbaunachfrage ausgelöst. Insgesamt wurden 1983 rd. 420 000 Wohnungen neu zum Bau genehmigt; gegenüber 1982 beträgt die Steigerungsrate rd. 25 %. Die durch die wohnungspolitischen Sofortmaßnahmen ausgelösten Anstoßwirkungen werden aufgrund der unterschiedlichen Auslauffristen der Einzelmaßnahmen bis in das Jahr 1985 hineinreichen. Diese wohnungspolitischen Sofortmaßnahmen waren aus konjunktur- und arbeitsmarktpolitischen Gründen vor allem darauf gerichtet, kurzfristig wirksame Nachfrage im Wohnungsbau zu wecken. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, im Anschluß an das Sonderprogramm zu langfristig überschaubaren, verläßlichen Rahmenbedingungen für Wohnungsbauinvestitionen zu gelangen. Wesentlicher Träger der Entwicklung im Wohnungsbau wird künftig zunehmend der Eigenheimbau sein; die Konzeption für seine steuerliche Förderung wird sie demnächst bekanntgeben. Darüber hinaus werden Bauinvestitionen im Wohnungsbestand weiterhin an Bedeutung gewinnen. Insgesamt ist für die künftige Entwicklung der gesamten Baukonjunktur von Bedeutung, inwieweit über eine Verbesserung der öffentlichen Finanzen die öffentlichen Bauinvestitionen wieder an Kraft gewinnen und inwieweit durch eine Verbesserung der Unternehmenserträge die Investitionen im Wirtschaftsbau weiter gestärkt werden können.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN
Initiative des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europäischen Union
— Drucksache 10/1247 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Begründung wird nicht erbeten. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hellwig.

Dr. Renate Hellwig (CDU):
Rede ID: ID1006800100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den wir jetzt beraten, ist einer der ganz wenigen in diesem Parlament, die — insbesondere seit den Neuwahlen im letzten Jahr — tatsächlich von allen Fraktionen einschließlich der GRÜNEN einstimmig eingebracht werden.

(Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die AfghanistanResolution auch noch!)

— Sehr gut; ich sagte ja: Es ist einer der ganz wenigen Anträge. Wenn heute noch ein zweiter Antrag gemeinsam eingebracht wird, ist heute der Tag der großen Einigkeit.
Worum geht es in diesem Antrag? Das Straßburger Parlament, also das Parlament der Europäischen Gemeinschaft — es wurde, wie Sie alle wissen, 1979 zum erstenmal in direkter Wahl von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt und steht jetzt am 17. Juni zur Wiederwahl an —, hat erst vor sehr kurzer Zeit, nämlich am 14. Februar 1984, einen neuen Verfassungsentwurf — es nennt ihn ein wenig bescheidener einen Vertrag zur Gründung der Europäischen Union — mit großer Mehrheit verabschiedet und gleichzeitig mit der Verabschiedung dieses Entwurfs die Bitte an die nationalen
Parlamente ausgesprochen, sie mögen sich mit diesem Entwurf doch befassen und ihrerseits Stellung dazu nehmen.
In der letzten Woche hat sich die Europakommission des Bundestages — je zur Hälfte zusammengesetzt aus Bundestagsabgeordneten und Europaabgeordneten aller Parteien — bereits in einer ersten Sitzung mit diesem Entwurf befaßt. Sie ist dabei zu einer verfahrensmäßigen Empfehlung an den Bundestag gekommen, nämlich die Stellungnahme, die das Europäische Parlament erbeten hat, doch möglichst binnen eines Jahres abzugeben, d. h. sich nicht allzuviel Zeit damit zu lassen.
Die Europakommission macht dem Parlament gleichzeitig einen Vorschlag. Sie ist bereit, nach den Wahlen am 17. Juni einzuladen. Unsere Bitte geht an alle Ausschüsse — denn wir vermuten, daß sich alle Ausschüsse mit diesem Entwurf zu befassen haben —, doch möglichst bald Berichterstatter zu benennen. Wir möchten eine Informationssitzung durchführen, in der die deutschen Abgeordneten aller Parteien des Europäischen Parlaments diesen Verfassungsentwurf im einzelnen erläutern und gleichzeitig auch sein mühseliges Zustandekommen im Europäischen Parlament darstellen, um uns, den Bundestagsabgeordneten, die nötige Achtung vor der Leistung des Europäischen Parlaments abzuringen. Dies sage ich zu Recht.
Meine Damen und Herren, auch wenn die Präsenz im Plenum nicht darauf schließen läßt, so glaube ich doch, daß dies ein Markstein in der Geschichte der europäischen Einigung ist. Es wird sich in einem Jahr herausstellen, ob dies wirklich ein Markstein war, ob es ein Schritt nach vorn oder ein Schritt zurück in der Frage der politischen Einigung war. Obwohl wir als die Volksvertreter im Bundestag eigentlich gewöhnt sind, uns nur mit Bundesangelegenheiten zu befassen, und auch zu diesem Zweck gewählt sind, sollen und müssen wir hier einmal über uns hinausschauen. Wir sind seit Einbringung dieses Vertrages nicht mehr nur Zuschauer der europäischen Szene, die mehr oder weniger belustigt feststellen können, wie mühselig Einigungen auf europäischer Ebene sind, sondern wir haben jetzt eine große Verantwortung. Das deutsche Volk gilt zu Recht als eines der europafreund-



Frau Dr. Hellwig
lichsten. Dieses deutsche Volk ist aber genauso wie wahrscheinlich alle anderen Völker unmutig darüber, daß der Entscheidungsprozeß auf europäischer Ebene überhaupt nicht vorankommt.

(Krizsan [GRÜNE]: Mit Recht, Frau Hellwig!)

— Natürlich mit Recht. Aber den Schlüssel zu Verbesserungen haben wir ab heute in der Hand. Deswegen möchte ich nicht zuletzt Ihnen, aber auch den Zuhörern in unserem Volk sagen, warum es eigentlich gar kein Wunder ist, daß europäische Entscheidungen nicht vorankommen.

(Kriszan [GRÜNE]: Das liegt auch an der Bundesregierung, Frau Hellwig!)

Ich nehme eine Parallele aus unserem Bereich. Stellen Sie sich einmal vor, das Gesetzgebungsverfahren hier, auf Bundesebene, wäre so wie auf Europaebene organisiert. Was würde das bedeuten? Wir als Bundestag wären ein mehr oder weniger unbedeutendes Beratungsgremium, auf dessen Vorschläge man nicht hören muß. Das ist das traurige Schicksal, das das Europäische Parlament bis heute noch hat. Der Bundesrat wäre allein das Gesetzgebungsorgan, und Gesetze kämen überhaupt nur zustande, wenn sie der Bundesrat einstimmig beschließen würde. Ich denke an meine Schwaben, an das Land Baden-Württemberg, die sich sofort als Nettozahler empfinden und ihren Ministerpräsidenten Späth geradezu mit dem Auftrag in den Bundesrat schicken würden, j a nicht einem Gesetz zuzustimmen, das das Land Baden-Württemberg zu teuer kommt. Herr Kollege, ich glaube, die Bayern wären sehr oft in der gleichen Lage. Dann hätten wir genau diesen entsetzlichen Entscheidungsprozeß wie auf europäischer Ebene, daß die Ministerpräsidenten nach Bonn anreisen, hier große Presseerklärungen abgeben würden, warum sie leider, obwohl sie es doch gern getan hätten, diesem Bundesgesetz nicht zustimmen könnten, weil es unbedingt noch einer weiteren Abklärung der Finanzierungsfrage bedürfe. Wenn sie dann nach Hause gefahren sind, würden wir hier im Bundestag beklagen, daß es mit den Bundesgesetzen nicht vorangeht.
Das ist genau die Situation, in der sich Europa heute befindet. Die Kommission kann man in etwa mit der Bundesregierung vergleichen. Schon vor vielen Jahren, 1968, habe ich ein Jahr lang in dieser Kommission mitgearbeitet. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie frustrierend es ist, nur für den Papierkorb zu arbeiten. Wenn Sie Gesetzesvorlagen, Entscheidungsentwürfe machen, die dann jedesmal vom Ministerrat — das wäre in meinem Beispiel der Bundesrat — nicht gebilligt werden, dann landen sie früher oder später im Papierkorb.
Ich erlebe jetzt im Finanzausschuß des Bundestages Richtlinienvorschläge zu Finanzierungsfragen, die zehn Jahre alt sind, die seit sage und schreibe zehn Jahren über den Tisch hin- und hergeschoben werden, ohne daß darüber entschieden wird. Ich bin überzeugt davon, daß auch wir hier im Bundestag verzweifeln würden, wenn das hier so wäre.
Warum erzähle ich Ihnen das so ausführlich? Ich tue das, weil ich um das Mitgefühl unserer Bundestagsabgeordneten für unsere Kollegen im Europäischen Parlament werbe; denn nur wenn wir ein entsprechendes Mitgefühl aufbringen, werden wir in der Lage sein, diesen Verfassungsentwurf angemessen zu behandeln.
Die ersten Stellungnahmen, die ich dazu lese, lassen mich etwas unruhig werden. In diesen Stellungnahmen steht nämlich: Soweit in diesem Entwurf deutsches Recht nicht berücksichtigt ist, handelt es sich um Fremdkörper, die entfernt werden müssen. Wenn unsere Stellungnahme am Schluß so aussieht, daß wir zu allem ja sagen, was genau deutschem Recht entspricht, und zu allem nein sagen, was italienischem, französischem oder englischem Recht enspricht, müssen wir davon ausgehen, daß das auch die anderen Parlamente so machen werden, und dann bekommt das Europäische Parlament nach einem Jahr einen zerfetzten Entwurf zurück, und der heutige Tag war nicht ein Markstein pro europäische Einigung, sondern er war ein Markstein kontra europäische Einigung. Ich glaube, daß wir uns das nicht leisten können, nicht leisten sollten.
Deswegen geht unsere Empfehlung noch einen Schritt weiter. Wir empfehlen, daß konstruktive Stellungnahmen, bevor sie endgültig abgegeben werden, daraufhin abgeklopft werden, wie die anderen nationalen Parlamente darüber denken. Wir als Europakommission sind bereit, diese ständige Verbindung zu den anderen Parlamenten — zum englischen, zum französischen, zum italienischen Parlament, zu den Benelux-Parlamenten — aufrechtzuerhalten und in die Ausschüsse hinein die Nachricht zu geben, was diese von unseren Änderungsvorschlägen halten, damit konstruktive Vorschläge erarbeitet werden.
Ich möchte in einem weiteren wichtigen Punkt Ihren Ehrgeiz anstacheln, meine Damen und Herren. Die Regierungschefs haben vor, noch in diesem Jahr nach dem Beispiel der Konferenz von Messina, die damals die Römischen Verträge erarbeitet hat, eine Konferenz aus Sachverständigen, aus hohen Regierungsbeamten, zusammenzurufen, die einen neuen Verfassungsentwurf erarbeiten soll. Meine Damen und Herren, in dieser Konferenz werden sich vielleicht auch Abgeordnete, aber nur wenige, befinden. Dann werden wir nach einem Jahr von Sachverständigen gesagt bekommen, wofür wir noch zuständig sein sollen und wofür in Zukunft das Europäische Parlament zuständig sein soll. Bevor wir das anderen überlassen, müßte unser Stolz eigentlich darauf gerichtet sein, diese Abgrenzungsarbeit in diesem Bundestag selber zu leisten.
Ich weiß, meine Damen und Herren, was ich Ihnen damit zumute; denn ich weiß, die Alltagsarbeit belastet uns genug.
Ein Kollege sagte mir vor einiger Zeit hier in den Wandelgängen: Theoretisch bin ich für Europa, aber praktisch habe ich leider keine Zeit dazu. Ich hoffe nicht, daß dies das Prinzip bei den Beratungen dieses Verfassungsentwurfs sein wird. Ich hof-



Frau Dr. Hellwig
fe, daß wir nicht nur theoretisch für Europa sind, sondern auch praktisch erkennen, daß uns hier der Windhauch der Geschichte streift. Nur dann, wenn wir der Aufgabe, die uns hier gestellt wird, angemessen gerecht werden, werden wir auch vor unseren Nachfahren bestehen können. Sie werden uns nämlich für schreckliche Spießbürger halten, wenn wir sagen: Für Europa hatten wir keine Zeit, wir konnten uns nur mit unseren nationalen Problemen beschäftigen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006800200
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne haben mit einer Delegation der Demokratischen Partei Kollegen der Nationalversammlung der Republik Uganda Platz genommen. Wir begrüßen Sie sehr herzlich und wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt in unserem Land.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Antretter.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1006800300
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mancher wird sich heute fragen, ob denn die Debatte über einen Vertrag, der die Vereinigten Staaten von Europa vorsieht, in die gegenwärtige Landschaft paßt und ob nach dem jüngsten Brüsseler Debakel für Europa überhaupt noch etwas zu bewirken ist.
In der Tat bewegen sich die europäischen Nationen gegenwärtig leider nicht gerade aufeinander zu. Es wird gewiß schwer sein, jene Europabegeisterung wieder zu wecken, die in den zehn Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg spürbar wurde und die in jenem Ereignis Ausdruck gefunden hat, das Carlo Schmid in seinen Erinnerungen anläßlich der ersten Reise einer deutschen Delegation zum Europarat nach Straßburg beschreibt: Viele Jugendverbände der Europa-Union und auch sonstige politisch interessierte Gruppen aus Deutschland hatten sich auf den Weg nach Straßburg gemacht, um begeisterte Zeugen eines großen Augenblicks der Weltgeschichte zu werden. So Carlo Schmid.
Mit einer spektakulären Aktion wollten sie den Alten zeigen, wie man es anstellt, eine neue Zeit heraufzuführen. Junge Deutsche, Franzosen, Belgier und Holländer rissen an der deutsch-französischen Grenze Schlagbäume ein und verbrannten sie. Weder Polizei noch Gendarmerie oder Zöllner haben sie daran gehindert.
Wir wissen, meine Damen und Herren, wie es weitergegangen ist: Am nächsten Tag standen die Schlagbäume wieder an der alten Stelle.
Europa ist dennoch vorangekommen. Was ein vereinigtes Europa vor allem verhindern sollte, nämlich die weitere Selbstzerfleischung der Völker unseres Kontinents, ist gelungen.
Was die Gemeinschaft ökonomisch ereichen sollte, hat sie zu einem beträchtlichen Teil zuwege gebracht: einen großen Gemeinsamen Markt für über 250 Millionen Menschen, einen bis dahin ungekannten Austausch von Dienstleistungen, Waren, Kapitalien, der allen Völkern zugute gekommen ist.
Aber die politische Stärke, die sich aus dieser wirtschaftlichen Macht ergeben könnte, ist nach wie vor unterentwickelt. Heute brauchen wir deshalb dringender denn je als Ergänzung zur Wirtschaftsgemeinschaft auch die politische Gemeinschaft der Europäer. Die Selbstbehauptung Europas als Kulturgemeinschaft, als Kontinent der Freiheit und Demokratie und als Friedensmacht verlangt diese politische Einigung. Wir brauchen sie aber auch, weil die Bürger angesichts der jüngsten Gipfeltragödien allmählich lustlos werden und sich in den Ländern der Gemeinschaft Europamüdigkeit breitmacht.
Ich glaube, noch ist es nicht zu spät. Umfragen versichern, daß die Mehrheit der Europäer nach wie vor die politische Einigung will. Insoweit ist das europäische Bewußtsein des Bürgers dem Handeln der Politiker um einiges voraus. Ich füge hinzu: Die Politiker werden ihrer geschichtlichen Verantwortung nicht gerecht werden, wenn sie es nicht schaffen, aus dieser Bejahung der politischen Einigung Europas durch die Bürger auch politische Wirklichkeit werden zu lassen. Wir dürfen diesen Kredit nicht verspielen, zumal viele Hoffnungen auf den Alltagsfeldern der Politik enttäuscht wurden.
Nehmen wir z. B. das Kernstück, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Wie sieht denn der europäische Arbeitsmarkt aus? Über 12 Millionen arbeitslose Menschen im Januar 1984 und eine beängstigend ansteigende Jugendarbeitslosigkeit. In Italien liegt sie derzeit bereits über 50 %. Das Statistische Amt der EG schätzt, daß jeder dritte arbeitlose Mann und jede zweite arbeitslose Frau unter 25 Jahre alt sind.
Oder eine europäische Verkehrspolitik: Gibt es sie denn überhaupt? Man weiß doch, daß unsere Autobahnen für jedermann gebührenfrei sind, während umgekehrt deutsche Touristen von unseren Nachbarn durchaus zur Kasse gebeten werden.
Oder eine europäische Umweltschutzpolitik: Wer glaubt eigentlich noch an die oft genug versprochene Initiative gegen den sauren Regen, die unsere Wälder retten soll? Was sich die Kommission vorgestern geleistet hat, ist an Trostlosigkeit fast nicht mehr zu überbieten. Während das Europäische Parlament im vergangenen Jahr die Einführung des bleifreien Benzins ab 1. Januar 1986 und eine drastische Senkung der Abgasgrenzwerte beschlossen hat, konnte sich die Kommission auch in dieser wichtigen Frage vor dem Hintergrund eines katastrophalen Zustands unserer Wälder nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen.
Das zeigt, meine ich, sehr deutlich, daß weder Ministerrat noch Kommission zu vorwärtsweisenden Entscheidungen fähig sind und daß jetzt der Moment gekommen ist, die Gemeinschaft durch eine Demokratisierung, also durch mehr Kompe-



Antretter
tenzen für das Parlament, wieder entscheidungsfähig zu machen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Da es sich um einen gemeinsamen Antrag handelt, darf ich das, was ich kritisch in Richtung Bundesregierung zu sagen habe, mit sanfter Stimme sagen. Da reicht es auch nicht aus, in Sonntagsreden für die Erweiterung der Rechte des Parlaments einzutreten und am Montag beim politischen Handeln diese Postulate gleich selbst wieder der Lächerlichkeit preiszugeben, indem man in Brüssel eher für die Aushöhlung der Rechte stimmt, indem man sich z. B. an Beschlüssen beteiligt wie dem zur Haushaltsdisziplin, der eher zu einer Verschlechterung der Möglichkeiten des Parlaments als zu einer Verbesserung führt. Und dann hören wir aus Europa auch noch, hier sei die Bundesregierung eher Schrittmacher gewesen.
Der vorliegende Entwurf will die Rechte des Parlaments bei Gesetzgebung und Verwaltungskontrolle verstärken. Daß das notwendig ist, haben auch die zurückliegenden Gipfel deutlich gemacht. Sie sind ja nicht deswegen gescheitert, weil es am guten Willen der Staats- und Regierungschefs gefehlt hätte, sondern deshalb, weil sie einfach überfordert waren, gleichzeitig nationale und Gemeinschaftsinteressen zu vertreten. Dieser Widerspruch ist doch das Hauptelement für die Entscheidungsunfähigkeit des Rates. Man kann von den Ministern j a kaum verlangen, daß sie ihre nationale Bindung aufgeben und plötzlich ein internationales, ein gemeinschaftliches Gewand anlegen, zumal sie auch nicht international, sondern innerhalb ihrer nationalen Grenzen gewählt werden. Weil man das nicht verlangen kann, sind Verträge und Strukturen notwendig, die das gemeinschaftliche europäische Interesse auch institutionell verankern.
Meine Damen und Herren, der Vertragsentwurf macht auch deutlich, daß Europa einen Beitrag zu Frieden und Entspannung in der Welt zu leisten hat, und dies ist gut so. Denn die Bürger wollen wissen, wohin die Reise geht. Vor allem die jungen Menschen fasziniert nicht die Debatte darüber, welche Budgetregelung am zweckmäßigsten ist. Sie wollen vielmehr wissen, wie die europäischen Interessen hinsichtlich Sicherheit, Entspannung und Abrüstung beim atomaren Schach der Supermächte vertreten werden. Sie engagieren sich — wir registrieren dies dankbar — für Frieden, Umweltschutz und Gerechtigkeit — hier und in der Dritten Welt. Sie wollen mitbestimmen und begreifen von daher eben am ehesten, daß der politische Zusammenschluß überlebensnotwendig ist.
Wir Sozialdemokraten sagen zum Ziel der Europäischen Union ja. Wir sind für die Kompetenzerweiterung des Parlaments, damit es die Chance erhält, aus dem Europa der Ministerialbürokratie ein Europa der Bürger zu machen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Gewiß werden wir noch einige Positionen zu klären haben. Vieles von dem z. B., was in der Gemeinschaft heute krankt, hängt mit institutionellen
Mängeln zusammen. Dazu gehört das im Ministerrat praktizierte Einstimmigkeitsprinzip, das den Rat in den meisten Fragen handlungsunfähig macht und ihn als Bremsklotz der europäischen Einigung erscheinen läßt. Wir finden es deshalb nicht gut, daß das aus dem Luxemburger Kompromiß erwachsene Vetorecht der Mitgliedstaaten im Vertrag erstmals sozusagen fast Vertragsrang erhalten soll.
Aber, meine Damen und Herren, dies kann man alles ändern. Wichtig ist: Nach all den Jahren des Überdrusses an der Überflußdebatte über Milch, Butter, Wein und Oliven ist dieser Vertragsentwurf ein ermutigender Schritt in eine gute Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Denn wir alle, meine Damen und Herren, wollen doch Europa, wollen die Vereinigten Staaten von Europa. Ob wir sie bekommen, hängt allerdings auch davon ab, ob wir die politische Kraft und den Mut aufbringen, den diese historische Leistung von uns verlangt.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006800400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID1006800500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! — Guten Morgen, Herr Vorsitzender. Ich freue mich, Sie so glücklich zu sehen,

(Beifall bei der CDU/CSU — Heiterkeit)

einen Landsmann. Die Niederbayern werden sich freuen, ihn wiederzusehen — ihren Vogel.

(Heiterkeit — Dr. Vogel [SPD]: Ja. Im Rottal!)

— Das gehört zu Niederbayern.

(Dr. Vogel [SPD]: Ja, und dort ist der Rebell Mayer gewählt und die CSU geschlagen worden!)

— Da wird sich der Franz Josef recht freuen.

(Heiterkeit — Dr. Vogel [SPD]: Der Franz Josef war viel gescheiter! Der war eher für den Mayer und nicht für den Seitz! Der Fortschritt beginnt in Niederbayern! Von Niederbayern zu Europa!)

— Ja, Herr Vorsitzender, wir wollen jetzt über Niederbayern zu Europa kommen.

(Heiterkeit)

Das tut auch dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion ganz gut. —
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es soll keine kritische Bemerkung sein, wenn ich am Anfang sage: Der Entwurf — spät kam er, aber er kam noch nicht zu spät. Ich sage ganz freimütig: Ich hätte mir gewünscht, daß die vor vier Jahren direkt gewählten Vertreter unverzüglich an das Werk einer europäischen Verfassung herangegangen wären. Aber das soll keine Kritik sein. Im Leben ist es



Ertl
immer so: Das, was noch nicht erreicht ist, kann noch erreicht werden.
Mein Herr Vorredner hat einige Bemerkungen zur Bundesregierung gemacht. Nun, die Bundesregierung hat mit ihrer Deklaration zur Europäischen Union — ich habe sie extra mitgebracht —, veröffentlicht im Bulletin vom 21. Juni 1983, zumindest einen, wie ich meine, sehr konstruktiven und nützlichen Beitrag geleistet. Wenn sich das in der Verfassungswirklichkeit so ungefähr niederschlagen würde, wären wir einen Schritt weiter.
Mein verehrter Vorredner, Herr Antretter, hat die übliche Europa-Rede gehalten: das große Bekenntnis zu Europa. Und die Rede endete natürlich mit dem Fluch der Welt: des Milchsees, des Weinsees, der Butterberge. Ich sage ganz provozierend: Ich wünsche Ihnen immer, daß Sie mit Überschüssen leben und niemals mehr eine andere Situation Wiedererleben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Es war scheinheilig, sehr scheinheilig, wie hier gestern abend zu später Stunde in der Debatte über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland über dieses Problem diskutiert wurde.

(Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Der Überfluß bringt uns um!)

Es ist nicht nur scheinheilig, es ist sogar moralisch verwerflich. Lassen Sie mich etwas zu der Sache sagen. Sie werden sich nämlich täuschen, verehrter Freund. Es tut mir leid, ich muß noch etwas zu der Agrarsache sagen. Das wollte ich gar nicht. Sie werden in subtropischen Gebieten nicht dieselben Produkte landwirtschaftlicher Art produzieren können wie in gemäßigtem Klima. Aber selbst über solche, eigentlich normale Volksschulgeographiekenntnisse muß man offensichtlich im Deutschen Bundestag diskutieren.
Nun, meine Freunde, ich will ein Zweites hinzufügen. Vielleicht wäre das auch der Zeitpunkt einer Bestandsaufnahme: Was haben wir erreicht? Was wollen wir erreichen, wie können wir es erreichen? Das gilt für alle Bereiche, die die europäische Politik umfassen.
Ich habe mir die Geschichte noch einmal durchgeschaut und konnte dabei feststellen, das Motto der 50er Jahre war: Frieden, Sicherheit, Wohlstand. Ich stelle fest: Frieden, Sicherheit und Wohlstand sind durch diese Gemeinschaft gestärkt, verbessert worden. Der Frieden in Europa ist sicherer geworden.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Na, na!)

Eine Entspannungspolitik wäre in Europa ohne die Europäische Gemeinschaft nicht möglich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Sicherheit ist größer geworden, weil die Solidarität von 270 Millionen Menschen in einer demokratischen Gemeinschaft — wie wir hoffen, demnächst von 300 Millionen — erheblich zur Stabilität in Europa und darüber hinaus in der gesamten Welt beiträgt. Eine friedliche Lösung im Nahen Osten, eine
langfristige Lösung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Afrika ist ohne Aktivität der Europäischen Gemeinschaft nicht möglich. Der Wohlstand ist für alle größer geworden.
Es wurde zuvor mit Recht von Herrn Antretter beklagt: 12 Millionen Arbeitslose. Wir bezahlen das alles. Ich sage, ohne die Europäische Gemeinschaft wäre es ein Vielfaches. In unserem Land wären es 3 Millionen. Das sage ich auch im Hinblick darauf, daß unsere Diskussion hier in Deutschland vom Stichwort „Zahlmeisterrolle" beherrscht wird. Dabei vergessen wir, welches Geschäft wir seit Jahrzehnten machen und daß wir durch diese Europäische Gemeinschaft mindestens 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze gesichert haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr!)

— Ich bin ein vorsichtiger Mann. Ich sage: Ohne die Gemeinschaft hätten wir 3 Millionen Arbeitslose. Ich habe erst kürzlich im Ausschuß Herrn Voigt darauf aufmerksam gemacht, es könnte in dieser Europäischen Gemeinschaft ein Partnerland auf die Idee kommen und sagen: Wir wollen auch eine andere Industriepolitik. Dann würde es bei uns wirklich ernst, denn dann wären bei uns nicht nur Unternehmen, sondern mit den Unternehmen Hunderttausende, wenn nicht gar mehr, Arbeitsplätze gefährdet.
Ich glaube, dies alles sollten wir rückschauend sehen. Nichtsdestoweniger muß für die Gemeinschaft gelten: Leben und leben lassen. Für uns Bayern ist das sowieso eine Selbstverständlichkeit, für andere ist das immer ein Lernsatz, für Briten ein besonders notwendiger Lernsatz. Ich habe mir gestern noch einmal die Mühe gemacht — ich würde auch die Bundesregierung bitten, das zu tun —, die Römischen Verträge bezüglich der Vertragsnormen bei der Finanzierung durchzusehen. Die Briten sind beim Beitritt privilegiert behandelt worden und haben im Verhältnis zu Italien einen stark ermäßigten Schlüsselsatz. Ich glaube, auch das muß hier einmal gesagt werden. Ich kann im Moment nicht beurteilen, wie die Relation zum Bruttosozialprodukt ist. Da fehlen mir die Zahlen, aber es wäre gut, wenn wir das einmal im Ausschuß behandeln würden. Dieses Europa wird nur leben und zu einer politischen Union zusammenwachsen können, wenn jeder bereit ist, seinen Anteil entsprechend zu geben, und zum Geben gehört auch, daß er entsprechend etwas zurückbekommt. Dies muß für alle gelten.
Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes feststellen: Ich glaube, wir sollten ganz nüchtern Bilanz ziehen, im positiven wie im negativen. Wir sollten dabei eine Lösung finden, wie die zurückgebliebenen Gebiete Anschluß finden. Wir sollten vor allem eine Verfassungsform finden, in der es neben Ministerrat und Kommission ein voll funktionsfähiges und beschlußfähiges Parlament gibt, und zwar mit allen Konsequenzen, d. h. auch mit einem Souveränitätsverzicht von nationalen Regierungen und nationalen Parlamenten.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist die ganz klare Konsequenz!



Ertl
Dazu wiederum sage ich Ihnen aus unserer Sicht, aus der Sicht der Freien Demokraten: Unserer Meinung nach kann das nur ein demokratisch-liberales Europa sein.

(Voigt [Frankfurt] [SPD]: Sozialistisch wäre auch ganz schön!)

— Nein, ein sozialistisches kann es gar nicht sein, weil der Sozialismus nicht der Vielfalt der Menschheit gerecht wird, weil er nur ein ideologisch geprägtes Gesicht trägt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nein, es müssen alle Platz haben, es müssen Leute Platz haben, die als Sozialisten ihre Ideologie heiß verteidigen, aber ebenso auch Leute, die wissen, daß Ideologie immer ein Irrweg ist, schon deshalb, weil sie beinahe ein Glaubenssatz ist.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Aber der einzige Ideologe, den wir noch haben, ist doch Graf Lambsdorff!)

— Bitte? Was hast du mit meinem Freund Lambsdorff, Horst?

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Der einzige Ideologe, den wir noch haben, ist doch der Lambsdorff!)

— Ich muß schon sagen , im Sinne der Menschheit ist seine Ideologie ganz nützlich!

(Hört! Hört! und Lachen bei der SPD)

— Das ist anders als beim Sozialismus. Der Sozialismus ist nämlich eine Ideologie für Funktionäre, und die mag ich nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Horacek [GRÜNE]: Wie lange sind Sie schon Funktionär? — Weitere Zurufe)

— Ja, fahren Sie doch hinüber! Sie sind doch so gerne in Ost-Berlin. Schauen Sie sich doch da die Verhältnisse an, Volk und Führung!

(Dr. Vogel [SPD]: Da ist doch alleweil der Strauß, da können wir doch nicht mehr fahren! — Weitere Zurufe)

Aber das geht jetzt zu sehr von meiner Zeit ab.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006800600
Sie haben noch eine halbe Minute.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zugabe!)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID1006800700
Zwar bin ich jetzt unterbrochen worden, aber wegen des Zurufs Ihres kommenden stellvertretenden Parteivorsitzenden kann ich diese Bemerkung natürlich nicht auslassen: Ich bin sehr erfreut darüber, daß Franz Josef Strauß inzwischen seinen christlichen Segen auch Honecker erteilt hat; das ist natürlich ein hervorragender Bildungsprozeß gewesen, den wir alle nur begrüßen können.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ein liberaler vor allem!)

Da sehen Sie, was eine Wende alles möglich macht!

(Allgemeine Heiterkeit)

Verehrte Frau Präsidentin, drei Schlußbemerkungen: Ich sage noch einmal, es kann nur ein liberales und demokratisches Europa sein, das die Vielfalt und die Pluralität sowohl in der Kultur und der Sprache als auch in der Tradition erhält. Das heißt, es kann nur eine Föderation der Völker und Staaten, niemals kann es eine Staatenlösung oder eine Unionslösung sein, die diese Vielfalt von Sprache und Kultur hinwegfegt.
Die Verfassung muß natürlich auch neuen Politiken Rechnung tragen, von der Außen- über die Sicherheits- bis zur Technologiepolitik. Zur Erinnerung — weil das immer vergessen wird — sage ich: Obligatorisch sind bis jetzt nur Landwirtschaft und Soziales und die Entwicklungshilfe für assoziierte Gebiete. Alles andere ist freiwillige Politik; es bedarf sogar des einstimmigen Beschlusses. Das sage ich nur im Hinblick auf die Entwicklung.
Ich meine, es muß eine Verfassung sein, die diesem Europa entsprechend seiner kulturellen Vergangenheit, entsprechend der Geschichte seines geistigen Potentials die nötige Eigenständigkeit und Selbständigkeit in der Welt einräumt und die Europa zu einem starken Glied einer dynamischen demokratischen Völkergemeinschaft macht.
Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006800800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogt (Kaiserslautern).

Roland Vogt (GRÜNE):
Rede ID: ID1006800900
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind aufgerufen, zu einem Verfassungsentwurf im Gewande eines Staatsvertrages Stellung zu beziehen, der mit dem hohen Anspruch daherkommt, die von Krisen geschüttelte EG neu zu beleben und in einen vorgeblich besseren Zustand zu überführen.
Die GRÜNEN begrüßen diese Debatte, weil sie Gelegenheit gibt, öffentlich Alarm zu schlagen, denn der vorliegende Vertragsentwurf will die Parlamentarier und die Wähler in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft dazu verleiten, mit einem der wenigen Gestaltungsprinzipien zu brechen, die an der EG noch positiv zu bewerten sind, nämlich mit ihrer bisher zivilen, nichtmilitärischen Verfassung. Wenn wir dem Entwurf in der vom Europaparlament vorgelegten Version zustimmen würden, würden wir alle daran mitwirken, die bisher zivil-ökonomisch verfaßte EG in einen hochgerüsteten Militär-Leviathan zu verwandeln. Wir würden helfen, eine neue militärische Supermacht aus der Taufe zu heben, die möglicherweise ein Abklatsch der Vereinigten Staaten von Amerika wäre.

(Berger [CDU/CSU]: Bisher ist Europa doch zu schwach!)

Denn unter dem harmlos klingenden Titel „Erweiterung des Bereichs der Zusammenarbeit und Übergang von der Zusammenarbeit in die gemeinsame Aktion" bestimmt Art. 68 Ziffer 1 des Entwurfs:



Vogt (Kaiserslautern)

Der Europäische Rat kann den Bereich der Zusammenarbeit insbesondere auch auf Fragen der Rüstung, des Verkaufs von Waffen an Drittländer, der Verteidigungspolitik und der Abrüstung ausdehnen.

(Berger [CDU/CSU]: Das ist auch notwendig!)

Wer dem in Gänze zustimmt, hilft, die Weichen von der Zivilmacht EG in Richtung auf die Militärunion der „Vereinigten Staaten von Westeuropa" umzustellen. Die Anhäufung militärischer Gewalt in der zentralen Instanz der Europäischen Union würde den Übergang von der — noch — zivilen Gemeinschaft zu einem sich wesentlich auf Gewalt gründenden Staat im herkömmlichen Sinne markieren. Mit der Preisgabe der zivilen Identität der EG wird der friedenspolitische Impuls ihrer Gründung ins Gegenteil verkehrt.
Erinnern wir uns: Die „List" des Robert-Schuman-Plans, einen Pool für deutsche und französische Kohleförderung und Stahlproduktion zu schaffen, lag bekanntlich darin, von der für die Rüstung als wichtig erachteten Grundstoffindustrie der beiden Länder her einen weiteren deutsch-französischen Krieg unmöglich zu machen.
Anders als beispielsweise das Bismarck-Reich ist die EG ein wesensmäßig ziviler, kein militärisch erzwungener Zusammenschluß, wie Johan Galtung sagt: nach einer völlig neuen, nichtmilitärischen Reichsgründungsformel in Brüssel ausgebrütet. Wenn früher gesagt worden ist, der Krieg sei der Vater aller Dinge, so kann man, abgewandelt auf die „Gründerzeit" der europäischen Institutionen, feststellen, daß die Sehnsucht der ausgebluteten Völker Westeuropas nach einem stabilen Frieden zur „Mutter" der zivil-ökonomischen Integration wurde. Die Machtquellen der EG selbst in ihrer gegenwärtigen Gestalt sind ausschließlich ziviler Natur. Hierauf gründet sich die Hoffnung, die Europäische Gemeinschaft könnte zu einer echten Alternative zu herkömmlichen Staaten, nämlich zu einer Zivilmacht entwickelt werden.
Anders als kriegerisch begründete Staaten, die das Instrument ihrer Entstehung zu verherrlichen wußten — man denke etwa an die Militarisierung der deutschen Seele im nach der Reichsgründungsformel „Blut und Eisen" preußifizierten Deutschland —, anders also als das Bismarck-Reich hat die EG mit ihrer besonderen zivilen Identität und ihrer an den Begriff „Frieden" gebundenen Entstehung nicht viel anzufangen gewußt. So wie die USA als das Reich der Freiheit und die Sowjetunion als das Reich der Gleichheit konzipiert waren, hätte es nahegelegen, den Begriff des Friedens als Leitwert in Anspruch zu nehmen oder die EG als erste regionale Ausprägung des, wie Egbert Jahn sagt, Zivilismus, also der Militärfreiheit zu propagieren, zu füllen und auszugestalten.
Die Chance, aus ihrem tatsächlichen Zustand ein Konzept zu erarbeiten, bietet sich der Europäischen Gemeinschaft als einer den herkömmlichen Nationalstaat durchdringenden Kraft nur so lange, wie die strikte Arbeitsteilung zwischen EG und NATO weiterbesteht. Es handelt sich hierbei um eine historisch einzigartige Phase, in der versucht werden könnte, für die Zukunft die Abkoppelung der Politik von militärischer Gewalt zu organisieren. Diese Möglichkeit ist aber gegenwärtig nicht allein durch den vorliegenden Entwurf, sondern auch durch Pläne wie den der SPD zur militärischen Selbstbehauptung Europas über die sicherheitspolitische Verstärkung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit oder auch die Wiederbelebung der Westeuropäischen Union bedroht, Entwürfe, die sich an alte Konzepte von Strauß und Dregger anlehnen, die unter Mitterrand und Mauroy in Frankreich Konjunktur haben und die sich auf der Suche nach einem neuen Konsens in der Verteidigungsfrage als vordergründig populär, j a unter Umständen massenwirksam anbieten. Der Hinweis auf einen lukrativen europäischen Waffenmarkt, die industriepolitischen und technologischen Impulse, die angeblich „segensreichen" Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wird bei den ökonomisch bestimmenden Kreisen seine Wirkung nicht verfehlen. Mr. Prag, der Berichterstatter im Europaparlament, konnte sich den triumphierenden Zusatz nicht verkneifen, mit der Annahme des Abschnitts über die Sicherheitspolitik sei — ich zitiere wörtlich — „den lächerlichen Auseinandersetzungen im Europäischen Parlament, ob man Sicherheitsfragen erörtern könne oder nicht", ein Ende bereitet worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die langjährigen Skrupel vieler EG-Parlamentarier, das heiße Eisen einer sogenannten „Europäischen Sicherheitspolitik" anzufassen, waren alles andere als lächerlich. Es ist vielmehr bestürzend, wie schnell auch kritische Kräfte ihren einst so instinktsicheren Widerstand gegen eine Militarisierung der EG aufgegeben haben. Im Rückblick erscheint die These des Friedensforschers Johan Galtung aus dem Jahre 1972 wie eine Wahrsagung. In seinem Buch „The European Community — A Superpower in the Making", also: Die Europäische Gemeinschaft — Eine Supermacht in der Mache, sozusagen, hatte der Norweger ausgeführt, Krisen könnten dazu beitragen das Entstehen einer „wirklich separaten militärischen Gemeinschaft in Westeuropa zu begünstigen". Oder war es etwa ein Zufall, daß die Diskussion um eine EG-Rüstungsagentur 1974, beginnend mit dem Tindemans-Report, also nach der ersten Ölkrise 1973, entfesselt wurde, daß sie 1979, nach der zweiten Ölkrise, verstärkt wiederaufgenommen wurde? Ich behaupte: Im Windschatten der „Bedrohung aus dem Osten" und der „Emanzipation von den USA" schickt sich die Europäische Gemeinschaft an, eine eigenständige Interventionskapazität gegen Rohstofflieferländer vorzubereiten. Sie wird eine neue Rüstungsdynamik in der Welt schaffen, laufende Rüstungskontrollverhandlungen beeinträchtigen und eine weitere Bedrohung der rohstoffproduzierenden Länder darstellen.

(Rossmanith [CDU/CSU]: Sprechen Sie von der Sowjetunion? — Ertl [FDP]: Ja!)

Im Augenblick, meine Damen und Herren, gibt es im Europäischen Parlament keine starke in sich geschlossen argumentierende Opposition gegen die Pervertierung der zivilen Europäischen Gemein-



Vogt (Kaiserslautern)

schaft zu einer Militärunion. Die Kräfte, die Widerstand geleistet und konsistent argumentiert hätten, sind 1979 aus dem Europäischen Parlament herausgehalten worden, u. a. die GRÜNEN, ihre Schwesterparteien und autonome Wahllisten.

(Berger [CDU/CSU]: Mit Gewalt?)

5 Millionen Wähler sind so ohne parlamentarische Vertretung geblieben.
Aber auch im Parlament haben sich lediglich 202 von 434 Abgeordneten der Entschließung zu dieser sogenannten Verfassung angeschlossen. Das veranlaßte einen Kritiker, zu sagen, daß die Idee einer Verfassungsinitiative, die als Aufbruchzeichen des Europäischen Parlaments an sich selbst, als ein Akt der Selbstvergewisserung gemeint war, dann schließlich durch den Akt der Abstimmung zu einem Akt der Selbstdistanzierung geworden ist. Er sagte:
Machtvolle politische Schubkräfte sind so zur Verwirklichung des Verfassungsprojekts kaum zu mobilisieren.
Meine Damen und Herren, selbst wenn man diesen Entwurf einer teileuropäischen Verfassung als ein Meisterwerk späteuropäischer Integrationskunst betrachten sollte, muß man doch sagen, daß wir uns in die Verfassungsdiskussion erst einschalten werden, wenn die Zeit reif ist, das Gegenbild zu der jetzigen Europäischen Gemeinschaft einzubringen.
Wir streben nämlich an: ein ökologisches, soziales, basisdemokratisches, gewaltfreies, nichtnukleares und nichtausbeuterisches

(Berger [CDU/CSU]: Entindustrialisiertes!)

Europa, das als Zivilmacht und als eine Gemeinschaft der Regionen verfaßt ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006801000
Darf ich Sie bitten, Ihre Rede zu beenden.

Roland Vogt (GRÜNE):
Rede ID: ID1006801100
Ich komme zum Ende. — Im Sinn dieses Orientierungsrahmens sind wir bereit, in der Stellungnahme des Deutschen Bundestages zum Entwurf unser Minderheitsvotum abzugeben.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006801200
Das Wort hat der Herr Staatsminister Dr. Mertes.

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID1006801300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Tag ist offensichtlich gekennzeichnet durch eine Mischung von heiterer Gelassenheit, von europäischem Optimismus trotz allem und von dem Versuch der Fraktion der GRÜNEN, durch die dämonisierende Kritik des Kollegen Vogt (Kaiserslautern) an einem einzigen Punkt des Vertragsentwurfs dialektisch hervorzuheben,

(Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Ist Ihnen nichts anderes eingefallen?)

daß auch die GRÜNEN Kollegen die übrigen 86 Artikel des Entwurfs bejahen. Das ist ein gutes Omen für den Wahlkampf zum Europäischen Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei den GRÜNEN)

Zum ersten Mal befaßt sich der Deutsche Bundestag mit einem Vertragsentwurf, den ein anderes Parlament verfaßt und angenommen hat. Die Bundesregierung begrüßt diese Debatte. Sie begrüßt auch den vorliegenden Entschließungsentwurf der vier Fraktionen. Es ist gut, daß hier einmal nicht über die Tagesfragen der Europapolitik, sondern über ihre langfristigen Perspektiven gesprochen wird. Europapolitik braucht die geschichtliche Einsicht in die Notwendigkeiten der Jahrzehnte, die vor uns liegen, braucht die Schubkraft beharrlichen und unverdrossenen Willens, braucht den langen Atem, der in der Mühsal des europäischen Alltags nicht erstickt. Sie ist Politik über den Tag hinaus, und sie kann erfolgreich nur sein, wenn die Ziele klar sind.
Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben mit Präsident Dankert verabredet, daß er am 3. Mai nach Bonn kommen wird, um den Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments persönlich zu übergeben. Wir haben mit Präsident Dankert häufig gute Gespräche gehabt, und wir freuen uns auch auf diesen Besuch.
Die Bundesregierung hat die dreijährigen Arbeiten des Europäischen Parlaments an diesem Vertragsentwurf mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sie würdigt den am 14. Februar verabschiedeten Vorschlag als das größte einzelne Projekt des Europäischen Parlaments in seiner ersten Direktwahlperiode, die jetzt zu Ende geht. Das sollten wir alle, wo wir auch politisch stehen, im bevorstehenden Wahlkampf für das Europäische Parlament immer wieder würdigen. Auch in diesem Sinne verdient das Europaparlament die aktive Solidarität des nationalen deutschen Parlaments.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sagen Sie was Nettes über den Kollegen Spinelli, der das alles auf den Weg gebracht hat!)

— Über jeden, der ein nettes Wort verdient hat, sage ich grundsätzlich ein nettes Wort. Aber ich möchte das hier jetzt nicht spezifizieren, weil ich dadurch die Verdienste der übrigen Kollegen des Europäischen Parlaments mindern würde.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Der Bundesregierung kommt auch die Entschließung, die das Europäische Parlament seinem Vertragsentwurf beigefügt hat, sehr gelegen. Es heißt dort, daß das aus den Wahlen vom 17. Juni hervorgehende Parlament aufgefordert wird — ich zitiere —, „alle geeigneten Kontakte und Treffen mit den nationalen Parlamenten zu organisieren und jede andere dienliche Initiative zu ergreifen, um es ihm zu ermöglichen, die Haltungen und Standpunkte der nationalen Parlamente zu berücksichtigen".
Das bedeutet zweierlei. Zum einen, daß das Europäische Parlament selber zuerst den Dialog mit den



Staatsminister Dr. Mertes
nationalen Parlamenten sucht, bevor sich die Regierungen damit befassen. Zum anderen, daß es seinem Entwurf noch keinen endgültigen, sondern einen entwicklungsfähigen Charakter gegeben hat, um für die Reaktionen der nationalen Parlamente noch offen zu bleiben. Eine solche offene Diskussion ist für die Meinungsbildung wertvoll. Sie läßt die Verteilung der Vertragsschlußkompetenz nach dem Grundgesetz unberührt.
Ich will einer späteren genaueren Stellungnahme der Bundesregierung im einzelnen nicht vorgreifen. Heute kann ich jedoch schon feststellen, daß ich in dem Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments einige wichtige Grundsätze unserer Europapolitik wiederfinde. Erstens. Das Ziel der deutschen Europapolitik ist die Europäische Union. Anders gesagt: Die Verträge von Rom und Paris und die Europäische Politische Zusammenarbeit sind nie das Endziel unserer Europapolitik gewesen. Sie sind aber ein Bestand, der keineswegs verwässert werden darf. Hier stimme ich dem zu, was die Kollegen der verschiedenen Fraktionen soeben gesagt haben. Denn die Gemeinschaftsverträge bleiben die größte Leistung, vor allem die konkreteste Leistung der Europapolitik in der Nachkriegszeit. Wir könnten heute in Europa weiter sein, wenn sie in allen Teilen stets voll angewendet worden wären. Andererseits haben diese in den 50er Jahren geschlossenen Verträge und die Europäische Politische Zusammenarbeit bisher nicht zu einer Europäischen Union geführt und werden für sich allein genommen auch nicht die ausreichende Basis sein, weder in den von ihnen erfaßten Materien noch in ihrem institutionellen Teil.
Zweitens. Es ist notwendig geworden, die Entscheidungsstrukturen der Europäischen Gemeinschaft zu verbessern. Dies zeigt sich unabweislich auf fast jeder Ratstagung. Die Gemeinschaft muß schneller reagieren können, und sie muß zu mehr gemeinsamem Handeln kommen. Sie wissen, daß sich die Bundesregierung seit langem für die volle Anwendung der vertraglich festgelegten Mehrheitsregeln eingesetzt hat, in grundsätzlicher Form zuletzt in ihrer Initiative, die in Stuttgart zur Annahme der Feierlichen Deklaration führte. Ich muß aber daran erinnern, daß sich auch in den Römischen Verträgen große Bereiche finden, die nur mit Einstimmigkeit entschieden werden können. Dies betrifft auch und gerade die sogenannten neuen Politiken, die uns so am Herzen liegen, wie Forschung, Technologie oder Umweltschutz, der ja nur einstimmig vereinheitlicht werden kann, während der Entwurf des Europäischen Parlaments hierfür die qualifizierte Mehrheit vorsieht.
Drittens. Die parlamentarische Komponente der Gemeinschaft muß verstärkt werden. Das sage ich als Vertreter der Bundesregierung, das sage ich vor allen Dingen aber auch als Parlamentarier.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Auch diese Forderung gehört zur unstreitigen Tradition deutscher Europapolitik. Auch dies finden Sie in der Genscher-Colombo-Initiative wieder. Wir sind damit bis an den Rand dessen gegangen, was
im Rahmen der Verträge möglich war. Dieser Rahmen ist bekanntlich eng gesteckt. Das Europäische Parlament schlägt hierfür eine Gesetzgebung im Zweikammersystem von Europäischem Parlament und Europäischem Rat vor. Das scheint mir vom Ansatz her interessant. Doch denke niemand, daß ein solches System in der Gemeinschaft einfach zu verwirklichen wäre.
Viertens. Es ist das politische Ziel der Bundesregierung, daß alle Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften auch Mitglieder der Europäischen Union werden. Sie begrüßt es daher ausdrücklich, daß auch das Europäische Parlament in seiner Schlußresolution „wünscht, daß der Vertrag zur Gründung der Europäischen Union schließlich die Zustimmung aller Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften auf sich vereinigt". Der Verfassungsentwurf selbst enthält aber in Art. 82 die Möglichkeit, ihn auch bereits unter einem Teil der Mitgliedstaaten in Kraft zu setzen, deren Bevölkerung zwei Drittel der Einwohner der Europäischen Gemeinschaft ausmacht. Ich verhehle nicht, daß ich z. B. dies für eine problematische Bestimmung halte. Denn die Römischen Verträge sind auf unbestimmte Zeit von allen Mitgliedstaaten geschlossen. Dies ist ein fester Besitzstand, der nicht in späteren Verhandlungen wieder zur Disposition gestellt werden kann.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung begrüßt den vorliegenden Entschließungsantrag. Durch die Befassung im Deutschen Bundestag und seinen zuständigen Ausschüssen wird auch bewirkt werden, daß wieder eine breite öffentliche Diskussion über die eigentlichen Grundfragen der europäischen Einigung in Gang kommt, die bei der heutigen Fixierung auf Haushalt und Agrarpolitik bedenklich zu kurz kommt. Zu kurz kommt übrigens auch die Tatsache, daß unsere nationale Deutschlandfrage und die Europafrage unlöslich miteinander verbunden sind, wie dies im Deutschlandvertrag, im Protokoll über den innerdeutschen Handel zu den Römischen Verträgen und in anderen verbindlichen Texten zum Ausdruck kommt. Auch der Brief zur Deutschen Einheit mit seiner Einbettung unserer nationalen Frage in einen dauerhaften Friedenszustand in Europa gehört dazu; die Einigung Westeuropas hat eine Schrittmacherfunktion für eine solche Friedensordnung „in der das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt".

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir können in der Europapolitik mit ihren hohen Anforderungen an die Solidarität der Mitgliedsländer nur erfolgreich sein, wenn sie von unserer Öffentlichkeit, insbesondere von der jungen Generation, wirklich verstanden und aus Überzeugung aktiv mitgetragen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Hierin liegt jenseits institutioneller Gesichtspunkte auch der politische Sinn der europäischen Wahlen. Aus diesem Grund war das Europäische Parlament meines Erachtens gut beraten, als es seinen Ver-



Staatsminister Dr. Mertes
tragsentwurf in der Vorphase der zweiten Direktwahl verabschiedete und so zum Gegenstand einer öffentlichen Meinungsbildung im Wahlkampf machte. Sie wissen, daß die Regierungen zur Zeit noch voll mit den Verhandlungen über das sogenannte Stuttgarter Paket ausgelastet sind. Sie wissen aber auch, daß der Bundeskanzler sich bereits jetzt dafür ausgesprochen hat, in der zweiten Jahreshälfte eine breit angelegte Diskussion über die politische Zukunft Europas in Gang zu bringen. Es wird dabei weitgehend auch um Fragestellungen gehen, wie sie in dem Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments schon enthalten sind.
Ich bin gewiß, meine Damen und Herren, daß auch künftig gelten wird, was bisher immer gegolten hat, daß nämlich über die Grundlagen unserer Europapolitik zwischen Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag volle Übereinstimmung in allen substantiellen Fragen besteht.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006801400
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 10/1247 an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Bei diesem Überweisungsvorschlag gehe ich davon aus, daß sich auch die Europa-Kommission im Rahmen ihres Einsetzungsbeschlusses mit der Vorlage befaßt und darüber berichtet. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN
Lage in Afghanistan
— Drucksache 10/1277 —
Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß
Das Wort dazu wird nicht erbeten.
Der Ältestenrat schlägt vor, den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 10/1277 an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche aus Bundesmitteln
— Drucksache 10/490 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß)

— Drucksache 10/1268 — Berichterstatter: Abgeordneter Feilcke
b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/1294 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sieler Dr. Friedmann
Frau Seiler-Albring

(Erste Beratung 33. Sitzung)

Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu 10 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Auch hiergegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wünscht ein Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Feilcke.

Jochen Feilcke (CDU):
Rede ID: ID1006801500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir im November 1983 die Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Änderung des Bildungsbeihilfengesetzes beraten haben, äußerten wir die Hoffnung, daß wir Ende des Jahres 1983 nicht mehr als 30 000 unversorgte Bewerber um Ausbildungsplätze registriert haben werden. Die damalige Reaktion der SPD und insbesondere ihres damaligen Sprechers, Herrn Schreiner, war im Grunde genommen Hohn und Spott sowie ein Bombardement von Vorwürfen und düsteren Zukunftsvisionen. Er ging davon aus — das hat sich in späteren Ausführungen immer wiederholt —, daß wir Ende 1983 mehr als 100 000 unversorgte Ausbildungsplatzbewerber haben werden. Er hat im Grunde genommen mit diesen Zahlen die Realität nicht nur nicht getroffen, sondern er hat sie völlig verzerrt.

(von der Wiesche [SPD]: Herr Franke hat 150 000 noch unversorgte Lehrstellenbewerber genannt!)

— Wenn Sie wüßten, wovon Sie reden, Herr Kollege, dann wüßten Sie, daß wir im Jahre 1984 zur Zeit noch 150 000 Ausbildungsplätze brauchen. Ich habe im Moment von der Bilanz 1983 geredet. Es empfiehlt sich, erst einmal zuzuhören und dann zu kommentieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Tatsächlich waren es Ende 1983 noch 31 500 und, Herr Kollege Lutz, Ende Februar noch 22 700 unversorgte Bewerber. Was ist das für ein Vergleich zu dieser Schreckenszahl von 100 000?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006801600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lutz?

Jochen Feilcke (CDU):
Rede ID: ID1006801700
Mit Vergnügen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006801800
Bitte, Herr Abgeordneter Lutz.

Egon Lutz (SPD):
Rede ID: ID1006801900
Herr Kollege, unterstellt, es sind nur noch 21 000 übriggeblieben: Ist es nicht Zynismus



Lutz
zu sagen und sich zu freuen, daß noch 21 000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz haben?

(Weiß [CDU/CSU]: Dumme Frage! Werden Sie einmal gescheiter!)


Jochen Feilcke (CDU):
Rede ID: ID1006802000
Herr Kollege Lutz, ich habe gesagt: Wir haben noch 22 700 unversorgte Bewerber; was ist das für ein Mißverhältnis zu den von Ihnen in die Öffentlichkeit getragenen Zahlen von 100 000 und mehr! Insofern ist das ein relativer Erfolg. Ich stimme Ihnen ohne weiteres darin zu, daß 22 700 unversorgte Bewerber genau 22 700 zuviel sind. Darin stimmen wir vollkommen überein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nur meine ich, gemessen an den Erwartungen, die wir alle, alle Fraktionen hier im Hause, hatten, ist das ein relativ großer Erfolg, und ich finde, wir sollten mit diesem Ergebnis sehr zufrieden sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Krizsan [GRÜNE])

Herr Kollege Lutz, ich habe auch manchmal den Eindruck, daß Sie solche positiven Entwicklungen einfach nicht wahrhaben wollen, nicht zur Kenntnis nehmen wollen, weil Ihr Geschäft ganz offensichtlich sehr häufig die Schwarzmalerei ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage ausdrücklich: Ich bin der Auffassung, daß die Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt noch nicht für alle Beteiligten voll zufriedenstellend ist. Hier ist noch viel zu tun. Aber unsere Erwartungen sind übertroffen worden.
Ich sage in diesem Zusammenhang auch etwas zu den aktuellen Zahlen der Jugendarbeitslosigkeit. Auch hier gilt, damit es gar kein Mißverständnis gibt: 175 000 arbeitslose Jugendliche sind genau 175 000 zuviel. Aber die Entwicklung ist auch hier erfreulich. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen ist von Februar 1984 bis März 1984 um fast 15 000 und gegenüber dem Vorjahresmonat um fast 30 000 zurückgegangen. Unter der Gesamtzahl der Arbeitslosen machen die Jugendlichen heute eben nur noch — in Anführungszeichen — einen Anteil von 7,3 % aus. Ich sage: Auch das ist eine durchaus begrüßenswerte Entwicklung; denn Arbeitslosigkeit, Ausbildungsplatzmangel bei jungen Leuten ist schlimmer als Arbeitslosigkeit für jemanden, der bereits beruflich gefestigt ist.
Einen Beitrag zu diesen Erfolgen leisten die Sonderprogramme von Bund und Ländern, so auch das Bildungsbeihilfenprogramm, über das wir heute zu sprechen haben. Durch dieses Programm sind bisher schon 14 400 Teilnehmer gefördert worden. Ihr Bildungsniveau konnte verbessert werden; ihre Vermittlungschancen wurden vergrößert. Etwa 30 dieser fast 15 000 Teilnehmer haben an Maßnahmen zur nachträglichen Erlangung des Hauptschulabschlusses teilgenommen, etwa ein Viertel — 24% — an berufsvorbereitenden Maßnahmen. Das Bildungsbeihilfenprogramm ist also unbedingt notwendig, es ist wirksam, und es hat sich bereits bewährt.

(Lutz [SPD]: Und es ist von der SPD beschlossen worden!)

— Jawohl, Herr Kollege Lutz, auch das sei gesagt: Es ist in der Regierungszeit der SPD/FDP-Koalition auf den Weg gebracht worden, aber es ist in seinem Volumen erheblich ausgeweitet worden.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben nicht nur gepfiffen, wir haben auch gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Bildungsbeihilfenprogramm gehört zu einer Reihe von aufeinander abgestimmten, sich ergänzenden Maßnahmen.
Wenn auch die Bilanz für 1983 erfreulich ist, so dürfen unsere Anstrengungen nicht geringer werden. Etwa zwei Drittel der arbeitslosen Jugendlichen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung; fast 30% haben keine Berufsausbildung und noch nicht einmal einen Schulabschluß.

(Krizsan [GRÜNE]: Woran liegt das wohl, Herr Feilcke?)

— Wir können das gerne mal im einzelnen erörtern. Ich bin bereit, Ihnen das zu erläutern.

(Krizsan [GRÜNE]: Machen Sie es doch öffentlich!)

Ich glaube nur, daß wir jetzt im Moment nach Maßnahmen suchen müssen, um die Probleme zu lösen. Wir sind sicherlich auch in der Lage, die Probleme zu analysieren; wir müssen aber sehen, daß ein großer Teil derjenigen, die heute von Arbeitslosigkeit betroffen sind, ohne eine entsprechende schulische Qualifikation in das Arbeitsleben eingetreten sind. Sie bedürfen unserer besonderen Hilfe.

(Krizsan [GRÜNE]: „Besondere Hilfe": Was ist denn das, Herr Feilcke?)

Wir wollen, daß niemand beim Eintritt in das Berufsleben vor verschlossener Tür steht. Wir wollen natürlich auch nicht, daß jemand gegen verschlossene Türen anrennen muß. Die Verbesserung der Bildungsvoraussetzungen ist der beste Türöffner.
Es ist jetzt nicht unsere Aufgabe, die Situation zu beklagen und Schuldzuweisungen vorzunehmen, sondern es ist unsere Aufgabe, möglichst viele Jugendliche über ihre Möglichkeiten zu informieren und ihnen Mut zu machen, auch dann nicht aufzugeben, wenn sie nicht auf Anhieb Erfolg haben. Horrorzahlen, Kassandrarufe sind nicht angebracht, sie helfen überhaupt niemandem. Im Gegenteil, sie sind geeignet, Jugendliche zu verschrecken und Resignation auszulösen, so nach dem Motto: Du hast keine Chance, nutze sie!
Meine Damen und Herren, die Realität ist viel positiver, sie gibt zu viel mehr Optimismus Anlaß, als es Oppositionspolitiker, insbesondere aus den



Feilcke
Reihen der SPD, uns in der Öffentlichkeit häufig glauben machen lassen wollen.

(Krizsan [GRÜNE]: Mit Optimismus kann man alles lösen!)

— Aber mit Optimismus kann man sehr viel mehr erreichen als mit Pessimismus, Herr Kollege,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

und ich finde, wir haben allen Anlaß zu einer optimistischen Betrachtungsweise. Denn entgegen den öffentlichen Schreckensmeldungen der Opposition waren — das finde ich jetzt außerordentlich erfreulich; Sie haben daran leider nicht teilnehmen können, aber dennoch merke ich, daß Sie außerordentlich sachkundig sind, Herr Kollege —

(Krizsan [GRÜNE]: Eben, eben!)

die Beratungen in den Ausschüssen von wohltuender Sachlichkeit und weitgehender Übereinstimmung geprägt.

(Lutz [SPD]: Wir sind immer sachlich!)

— Herr Kollege Lutz, darauf komme ich später gern zurück.
Zustimmung fand schließlich ein Antrag von CDU/CSU und FDP, der die Zugangsvoraussetzungen zu den nach diesem Gesetz geförderten Programmen erheblich vereinfacht. Es ist eine Ausweitung des förderungsberechtigten Personenkreises auf Jugendliche vorgesehen, die bisher noch nicht vier Monate beitragspflichtig beschäftigt waren. Sie müssen nur noch drei Monate beschäftigt gewesen sein. Aber auch davon kann abgesehen werden, wenn bis zum Zeitpunkt der Erfüllung dieser Voraussetzung eine Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit nicht zu erwarten ist. Die frühere weitere Voraussetzung, daß zusätzlich eine dreimonatige Arbeitslosigkeit vorliegen muß, soll künftig ersatzlos entfallen.
Die Förderung der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen im Teilzeitunterricht soll neu aufgenommen werden, wenn sie begleitend zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt werden. Damit wird eine Verbindung von Theorie und Praxis — wenn Sie so wollen, von Arbeit und Leben —angestrebt.
Der wohl wichtigste Änderungspunkt ist die Verlängerung der Gültigkeitsdauer dieses Gesetzes von Ende 1985 auf das Jahresende 1987. Wir sagen, es ist das schönste überhaupt, daß die Bundesregierung bereits 205 Millionen DM für die Jahre 1985 bis 1987 eingeplant hat. Das gibt Planungssicherheit. Wir haben zügig beraten, die entsprechenden Programme können entwickelt und aufgelegt werden, und die Anschlußprogramme der Arbeitsämter können rechtzeitig genehmigt werden, so daß die Gelder auch tatsächlich abfließen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine kurze Schlußbemerkung machen. Ich sehe, die Zeit ist schon sehr weit fortgeschritten. Es ist leider in Mode gekommen, solche Maßnahmen zu disqualifizieren. Man spricht von „latent Arbeitslosen", vom „staatlichen Verschiebebahnhof", von „Wartesälen". Ich glaube, solche Formulierungen sind vollkommen unpassend. Sie werden dem Personenkreis, für den wir hier Maßnahmen zu beschließen haben, überhaupt nicht gerecht; denn es handelt sich überwiegend um jugendliche Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter — ein großer Teil sind ausländische Jugendliche —, die aus verschiedenen, sehr häufig persönlichen, häufig sozialen Gründen daran gehindert werden, eine volle berufliche Ausbildung zu beginnen. Sie wollen möglichst schnell Geld verdienen, und sie sind an weiteren beruflichen Bildungsmaßnahmen nicht in erster Linie interessiert.

(Zurufe von der SPD)

Wenn sie auf diese Weise eine zweite Chance bekommen, ihre Qualifikation doch noch im zweiten Anlauf zu verbessern, dann verdient das unsere volle Unterstützung und — ich sage das ausdrücklich — auch volle Anerkennung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich danke allen an der Diskussion in den Ausschüssen Beteiligten für die wirklich sachliche und einvernehmliche Beratung. Der Personenkreis, für den wir uns hier stark machen, verdient unsere besondere Unterstützung. Ich sage es noch einmal: Jugendliche Arbeitslose, insbesondere auch Ausbildungsplatzsuchende, zumal ausländische Ausbildungsplatzsuchende, haben es verdient, daß wir ihnen den Eintritt in die Arbeitswelt erleichtern. Ich bitte Sie um Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006802100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1006802200
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, die SPD begrüßt keine Arbeitslosenmeldungen mit dem Attribut Horrormeldung; das muß nicht mit diesem Wort dramatisiert werden. Wir haben immer darauf aufmerksam gemacht, daß Arbeitslosen in diesem Lande entscheidend geholfen werden muß, vor allen Dingen jungen Menschen, die in die Arbeitswelt eintreten wollen, die an die Werkbank wollen und nicht auf die Parkbank.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Tatbestand haben wir herausgestellt, und darum kam damals die Initiative von Heinz Westphal.

(Feilcke [CDU/CSU]: Wir haben sie ausgefüllt!)

Wenn wir eine derartig große Zahl von arbeitslosen jugendlichen Menschen haben, muß dies das ganze Haus beunruhigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Hornung [CDU/CSU]: Aber schon lange!)

— Aber Sie haben doch kräftig weiter Arbeitslose produziert. Kollege Blüm, Sie müssen dem Kollegen einmal verdeutlichen, um was es eigentlich geht. Er kommt nicht dahinter.

(Zuruf des Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU])




Urbaniak
Ich bitte Sie sehr, Ihre Maßnahmen daran zu messen, wann Sie denn eigentlich die Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen beenden wollen. Oder wollen Sie sie über das ganze 80er Jahrzehnt vorhalten? Sie werden doch mit dem Problem der Arbeitslosigkeit überhaupt nicht fertig.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Besser als Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Darum ist das, was wir heute betreiben, eine Maßnahme für junge Menschen ohne Hauptschulabschluß. Es ist doch ein Tatbestand, daß die Eingliederung junger Menschen ohne Berufsausbildung sehr schwierig ist. Jeder Abgeordnete kennt doch die Klagen der Eltern, die ihre Tochter oder ihren Sohn nicht unterbringen können. Es bleibt uns nur die Möglichkeit, bei den Unternehmungen, in den Betrieben zu betteln, zusätzliche Jugendliche aufzunehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Diese Westphal-Maßnahme, durch die Initiative des Landes Hessen im Bundesrat vorangebracht, durch diese Bundesregierung flankiert und weiter ausgebaut, was selbstverständlich anerkannt wird, soll gerade diesem Personenkreis helfen. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch ganz gute Erfahrungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil sehr viele schon während der Maßnahmen in Arbeit kommen. Dies ist tatsächlich eine zweite Chance; das ist gar keine Frage.
Darum sage ich hier noch einmal ganz ausdrücklich und klar: Wir begrüßen es nicht, daß wir eine hohe Zahl von Arbeitslosen haben. Ein Arbeitsloser ist uns schon zuviel. Wir wollen herunter von der Arbeitslosigkeit bei den jungen Menschen, und vor allen Dingen schnell.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, hier bestehen für die Demokratie und dieses Haus ganz besondere Verpflichtungen gegenüber der jungen Generation.

(Hornung [CDU/CSU]: Diese jungen Menschen waren 1975 schon alle da!)

Meine Damen und Herren, wenn man den Saldo bildet und sich das Ergebnis 1983 näher ansieht, kann man davon ausgehen, daß wir rund 100 000 Jugendliche nicht in einen Ausbildungsplatz gebracht haben. Diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, haben sich ja in die schulischen Warteschlangen eingereiht. Das ist doch gar keine Frage. Die haben Sie alle nicht unterbringen können. Sie haben Ihr Versprechen in dieser Beziehung nicht erfüllt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr als erfüllt! — Zuruf des Abg. Feilcke [CDU/CSU])

Wir können das nur anprangern und immer wieder
sagen: Realisieren Sie das, was Sie da politisch in
die Welt gesetzt haben! Wir werden es dann begrüßen. Sie regieren; verhalten Sie sich richtig!

(Beifall bei der SPD)

Die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber steigt. Der ehemalige Kollege Franke, der jetzige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, hat gestern darauf aufmerksam gemacht, daß nach dem Stand vom 31. März 1984 150 000 Ausbildungsplätze zu wenig vorhanden sind. Ich kann nur sagen: Strengen Sie sich kräftig an, damit wir 1984 von dieser schlimmen Ausbildungslücke wegkommen! Unsere Vorschläge, das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit anzunehmen und durchzuführen, haben Sie j a abgelehnt. Jetzt verlangen wir Ihre Alternative, von der wir leider nichts sehen.

(Zuruf von der SPD: Die haben doch keine! — Zuruf von der CDU/CSU: Neue Brille kaufen!)

Das ist eine schlimme Sache. Das ist ein Vorgang, der die junge Generation treffen wird. Sie haben statt dessen die Vermögensteuer gesenkt und den Leuten und Unternehmen die Pfennige nachgeworfen, die es in der Tat nicht nötig haben.

(Beifall bei der SPD — Feilcke [CDU/CSU]: Sind Sie nun für das Gesetz oder nicht?)

Im übrigen — daran muß ich heute wieder erinnern — leistet die Rechtskoalition keinen nennenswerten Beitrag zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Der ehemalige Kollege Franke, jetziger Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, hat das ja selber gesagt. Sie verweisen auf den Aufschwung. Wenn er kräftig wird, würden wir das begrüßen. Wenn dadurch Arbeitslosigkeit abgebaut wird, um so besser. Aber es ginge alles systematischer, schneller und besser, wenn Sie auch unseren Beschäftigungshaushalt angenommen hätten. Dann hätten wir die Arbeitslosenzahlen schon kräftig nach unten gefahren.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006802300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1006802400
Ja, bitte.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID1006802500
Herr Kollege, können Sie dem Hohen Hause einmal darstellen, wie viele Firmenpleiten während der 70er Jahre Ursache u. a. für den Wegfall von Ausbildungsplätzen gewesen sind?

(Zurufe von der SPD)


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1006802600
Ich rate Ihnen, sich einmal die Zahlen anzusehen, die Herr Franke und Frau Wilms genannt haben: wie wenige Ausbildungsplätze jetzt zusätzlich geschaffen werden, gemessen an der Zahl derer, die notwendig sind.

(Hornung [CDU/CSU]: Die höchste Anzahl in der Geschichte der Bundesrepublik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Urbaniak
— Sie brauchen sich darüber nicht aufzuregen. Die Wirtschaft kommt ihrer Verpflichtung nicht nach.

(Lattmann [CDU/CSU]: Das ist schwach!)

Sie lehnen aber auch eine Arbeitszeitverkürzung ab. Auch mit dieser Frage werden Sie nicht fertig. Wir haben leider eine hohe Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen.

(Lattmann [CDU/CSU]: Durch Sie verursacht!)

Das Instrument Bildungsbeihilfe wird nun ausgebaut. Das ist gut so. Ich hoffe, daß wir damit auch den Eifer bei den jungen Menschen wecken, die so enttäuscht sind auf Grund dessen, was sie in der Schulausbildung und in ihrer beruflichen Erfahrung haben mitmachen müssen. Hoffentlich nutzen sie diese Chance, die wir ihnen geben.
Man muß allerdings auch noch sagen, Kollege Blüm: Es kommen ja weitere Dinge auf die jungen Leute zu. Der Abbau der Schutzvorschriften im Jugendarbeitsschutzgesetz kann ja auch kein Beitrag gegen die Jugendarbeitslosigkeit sein. Wir werden uns auf jeden Fall — das sage ich Ihnen hier — jedem weiteren Sozialabbau — und Sie planen Schlimmes — entschieden widersetzen und überall klarmachen, was Sie auch an sozialen Leistungen für die jungen Leute demontieren.

(Lattmann [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Sie werden auch weitere Schwierigkeiten bei den Gewerkschaften erwarten müssen.
Wir aber begrüßen die Initiative des Bundesrates. Wir stimmen dem heute zu verabschiedenden Gesetz zu. Schließlich war es die Initiative des Arbeitsministers Westphal, dem wir in diesem Zusammenhang dafür noch einmal danken.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe, daß wir insgesamt als Parlament den jungen Menschen mit diesen Maßnahmen einen ganz, ganz großen Gefallen tun, daß ihnen hiermit geholfen wird, in den Beruf, in die Ausbildung, in die Beschäftigung zu kommen. Das ist eine ganz besondere Verpflichtung dieses Parlaments. Insofern sagen wir auch ein positives Wort dazu, Kollege Blüm, daß Sie das finanzielle Volumen erweitern wollen.
Die Grundgedanken stammen von uns. Sie füllen etwas auf, Sie ergänzen das, was bitter notwendig ist, um der jungen Generation zu helfen und sie ins Arbeitsleben zu bringen. Hoffen wir, daß wir über den Bericht hinaus mit dieser Maßnahme mehr Erfolg haben.
Aber insgesamt sage ich Ihnen: Gegen die Arbeitslosigkeit tut die Rechtskoalition zuwenig. Bemühen Sie sich einmal kräftig, damit wir von dieser Geißel befreit werden!

(Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Das haben uns die Linken eingebrockt!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006802700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1006802800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Faustformel „Bessere Bildung — bessere Ausbildung — verbesserte Beschäftigungschancen" gilt — wenn auch mit Abstrichen und Einschränkungen — auch heute noch. Wer den Jugendlichen, die Arbeitsplätze suchen, helfen will, muß deutlich machen, daß es keine raschen, schnell wirksamen Patentrezepte gibt. An Stelle überdimensionierter Beschäftigungsprogramme muß eine Politik kleiner, zielgerichteter Schritte stehen. Alles andere weckt nur Illusionen, denen dann, wenn die öffentlichen Kassen leer sind, ein böses Erwachen folgen muß.
Das hier zur Beratung anstehende Änderungsgesetz ist ein derartig notwendiger, wenn auch kleiner Schritt. Das Bildungsbeihilfengesetz wendet sich an eine der Personengruppen, die bei der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt besondere Schwierigkeiten haben. Vorrangig soll es — darum wird es auch nach der Änderung, Verlängerung des Gesetzes gehen — arbeitslos gewordenen Jungarbeiterinnen und Jungarbeitern ohne Berufsausbildung die Möglichkeit bieten, zusätzliche Qualifikationen — sei es im beruflichen Alltag, sei es durch besondere schulische Maßnahmen — zu erreichen. Ohne eine derartig gezielte Hilfe hätten diese Jugendlichen praktisch keine Chance.
Durch die jetzt vorgesehene Änderung wird eine Weiterführung dieses sinnvollen Instrumentariums in den nächsten Jahren ermöglicht; weiterhin wird der Adressatenkreis erweitert. Es ist zu begrüßen, daß auch arbeitslose Schulabgänger im Rahmen dieser Maßnahmen nunmehr grundsätzlich gefördert werden können. Der Bericht der Bundesregierung macht deutlich, daß den Jugendlichen im Rahmen dieser Maßnahmen ein breites Spektrum von Möglichkeiten angeboten wird: von Vorbereitungslehrgängen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses, berufsvorbereitenden Maßnahmen über Maßnahmen zur Vermittlung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse bis hin zur Teilnahme an allgemeinbildenden Kursen oder an Kursen zur Ergänzung von Kenntnissen, insbesondere in den Fächern Deutsch und Mathematik. Das breite Bündel dieser möglichen Bildungsmaßnahmen zeigt anschaulich, daß zu Recht versucht wurde, den unterschiedlichen Bedürfnissen und Bildungsinteressen der jungen Arbeitslosen Rechnung zu tragen.
Ganz besonders zu begrüßen ist die Möglichkeit einer Kombination von Teilzeitbeschäftigung mit Teilzeitbildungsangeboten.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dies trägt einerseits dem Wunsch vieler Jugendlicher nach Beschäftigung, nach beruflicher Praxis Rechnung, schafft andererseits aber auch die Chance, noch nicht vorhandene Kenntnisse zu erwerben bzw. bestehende zu verbessern oder zu vertiefen.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: So ist es!)

Dabei ist es wichtig, daß — ich hoffe, dies wird intensiv fortgesetzt — zur Betreuung dieser Jugendlichen verstärkt auch Fachkräfte eingesetzt werden, die wesentlich mit dazu beitragen, daß bestehende Schwierigkeiten und unzureichende Moti-



Eimer (Fürth)

vationen abgebaut werden. Mir scheint es richtig zu sein, daß im Mittelpunkt dieser gesamten Projektarbeit Lernen durch praktisches Tun und nicht die graue Theorie steht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Erfahrung eigener praktischer Arbeit motiviert gerade junge Leute sehr viel stärker. Nur so können wir das Null-Bock-Syndrom sinnvoll überwinden. Wie notwendig eine entsprechende Betreuung ist, zeigen auch die hohen Abbrecherzahlen, selbst wenn man berücksichtigt, daß ein Teil der Jugendlichen aufgibt, weil sie eine ihnen zusagende Arbeitsoder Ausbildungsstelle gefunden haben.
Meine Fraktion hätte es sicherlich begrüßt, wenn die vorgesehene Bedürftigkeitsprüfung, z. B. bei arbeitslosen Schulabgängern, entbehrlich gewesen wäre. Wir haben uns allerdings überzeugen lassen müssen, daß der begrenzte finanzielle Rahmen die Gefahr von Mitnehmereffekten begründet. Dadurch würde sicherlich gleichzeitig auch die Finanzierung anderer notwendiger Ausbildungsmaßnahmen, z. B. des Benachteiligtenprogramms, beeinträchtigten. Wichtiger erschien uns, daß dieses Programm erweitert, verbessert, fortgeführt werden kann, damit gerade denjenigen, die unserer Hilfe besonders bedürfen, diese auch schnell und sinnvoll zuteil werden kann.
Frau Dr. Hamm-Brücher hat gestern in der Debatte zum 6. Jugendbericht gesprochen. In dieser Debatte ging es ja auch um einen Bevölkerungsteil, der benachteiligt ist und unter Arbeitslosigkeit leidet: die Mädchen. Aus Zeitgründen konnte sie einen Punkt nicht mehr ansprechen. Daher hat sie mich ausdrücklich gebeten, dies hier zu erwähnen. Sie spricht sich nachdrücklich und ausdrücklich gegen die vorgeschlagenen Quotierungen aus, weil diese die Probleme, die vor uns liegen, nicht lösen können. Die Probleme werden allenfalls verschleiert, und neue Probleme werden kommen.
Die Faustformel „Bessere Bildung — bessere Ausbildung — verbesserte Beschäftigungschancen", von der ich anfangs gesprochen habe, gilt nicht nur, wenn ich den einzelnen Arbeitnehmer individuell anspreche und betrachte, sondern diese Faustformel gilt natürlich auch für die gesamte Volkswirtschaft. Die Konkurrenzfähigkeit unserer Produkte im Ausland, aber auch im Inland — gegenüber Importen — hängt nicht nur von Maschinen, nicht nur von Rationalisierungsmaßnahmen und Kapitaleinsatz ab, sondern auch von der Qualifikation der Arbeitnehmer, die diese Maschinen bedienen. Die Konkurrenzfähigkeit gegenüber Importen und damit unserer Exporte auf den Märkten im Ausland sichert Arbeitsplätze bei uns und holt verlorene oder, besser gesagt, exportierte Arbeitsplätze, zurück.
Demgegenüber sehe ich kaum Vorschläge bei der Opposition. Im Gegenteil. Ich habe den Eindruck, daß die Opposition kaum ein Rezept ausläßt, das unsere Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten noch weiter beschneidet.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: So, wie Sie es die ganze Zeit gemacht haben!)

Ich darf hier nur zwei dicke Brocken ansprechen. Das sind die 35-Stunden-Woche und die sogenannte Maschinensteuer. Wenn Sie mehr Maßnahmen wissen wollen, dann schauen Sie auf die Maßnahmen, die Sie vorhin selbst angesprochen haben, dann schauen Sie auf Ihr Programm. Alle diese Maßnahmen bedeuten, daß wir nicht konkurrenzfähiger werden und mehr Arbeitsplätze zurückholen. Wir werden nicht nur keine Arbeitsplätze erhalten, sondern noch mehr Arbeitsplätze exportieren, und das hauptsächlich nach Fernost.
Ich frage mich manchmal wirklich, wieso Sie jungen Leuten einreden können, man könne mit weniger Arbeit mehr Wohlstand und mehr Sicherheit erreichen. Ich meine, wir sollten die jungen Leute ermutigen, an den vorgeschlagenen Maßnahmen teilzunehmen. Ermutigen wir sie, durch praktisches Tun kennenzulernen, daß die Technik nicht Feind der Menschen, sondern ein notwendiges Hilfsmittel in unserer Gesellschaft ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006802900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klejdzinski?

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1006803000
Bitte schön.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006803100
Herr Kollege, Sie haben vorhin die sogenannte Maschinensteuer oder Wertschöpfungsabgabe als ein Hindernis genannt. Darf ich Sie fragen, wie Sie letztlich die Rentenversicherung überhaupt bezahlen wollen, wenn die Zahl der Arbeitnehmer immer mehr zurückgeht?

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1006803200
Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage. Sie gehen davon aus, daß man das dann durch eine Abschöpfung, mit einer Maschinensteuer bezahlen könnte. Aber Sie vergessen, daß die Ursache nicht darin liegt, daß die Arbeitsplätze abnehmen, sondern darin, daß das Verhältnis derjenigen, die noch nicht oder nicht mehr arbeiten, zu denen, die im Arbeitsleben stehen, immer ungünstiger wird. Die Ursache dafür liegt aber in der Bevölkerungsentwicklung. Durch eine Maschinensteuer können Sie die Bevölkerungsstruktur nicht im geringsten beeinflussen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich fahre fort. — Verbesserte Rahmenbedingungen, gezielte Maßnahmen auf bestimmte Problemgruppen hin können mit dazu beitragen, gerade die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen. Der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit ist und bleibt eine Aufgabe erster Priorität. Denn wer nach Beendigung der Schule erfahren muß, daß er in unserer Gesellschaft nicht gebraucht wird, wird dies nur sehr schwer verkraften können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006803300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jannsen.

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006803400
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn hier heute über Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche geredet wird, dann wird über Jugendliche geredet, die zwischen der Schule und dem Alter von 22 Jahren sind. Ich glaube, Herr Feilcke, Ihre Zahl von 175 000 arbeitslosen Jugendlichen stimmt nicht ganz. Es sind etwa 450 000, und zwar nach den Angaben des Arbeitsamtes in Nürnberg vom September 1983.

(Feilcke [CDU/CSU]: Keineswegs!)

— Es tut mir leid, ich habe die Angaben telefonisch erfragt.
Es handelt sich hierbei um Jugendliche, die entweder — in diesem Fall des Gesetzes — keinen Schulabschluß erreichen konnten oder auch keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können. Es handelt sich also nicht um alle Jugendlichen und auch nicht um alle arbeitslosen Jugendlichen.

(Abg. Feilcke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Diese Aussage weist auf drei Probleme hin, über die ich kurz einige Aussagen machen werde.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006803500
Darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. — Bitte, Herr Feilcke.

Jochen Feilcke (CDU):
Rede ID: ID1006803600
Herr Kollege Professor Jannsen, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesanstalt für Arbeit überhaupt nicht ermittelt und auch nicht ermitteln kann, wie viele Arbeitslose unter 22 Jahren vorhanden sind? Es ist insofern völlig ausgeschlossen, daß die Zahl, die Sie hier genannt haben, stimmt.

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006803700
Herr Feilcke, ich darf Ihnen antworten, daß wir ein ausführliches Telefongespräch mit der Bundesanstalt für Arbeit geführt haben und daß in diesem Telefongespräch für jeden einzelnen Jahrgang von 15 bis 22 Angaben darüber möglich waren, übrigens auch Angaben darüber, wie viele junge Männer und wie viele junge Frauen darunter waren. Ich habe die Zettel bei mir; Sie können sie nachher gerne einsehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN — Feilcke [CDU/CSU]: Zettel nützen nichts! — Zuruf von der CDU/CSU: Das muß eine Zettelwirtschaft sein!)

Folgt man dem Bericht der Bundesregierung zur Wirkung dieses Gesetzes über die Bildungsbeihilfen, so handelt es sich bei diesen Jugendlichen um einen besonders schwierigen Personenkreis aus der Gruppe jüngerer Arbeitsloser, der ohne entsprechende Bildungsmaßnahmen kaum eine Chance einer dauerhaften beruflichen Eingliederung hätte. Es handelt sich also um junge Menschen, die aus ihrer Schulzeit keinen Gewinn für ihr weiteres Leben mitnehmen konnten. Immerhin sind es in den letzten Jahren pro Jahr etwa 100 000 junge Menschen, an denen die Hauptschule und auch alle anderen Schultypen versagt haben. Das zwingt doch meines Erachtens zum Nachdenken auch über die Schulen, über die Formen, in denen heute von jungen Menschen Lernen verlangt wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wohlgemerkt, es geht nicht um die 90% der jungen Menschen, die unser Schulsystem überstehen, sondern es geht um die 10%, die am Rande bleiben, die draußen bleiben und denen auch die Faustformel des Herrn Eimer nicht allzu viele Chancen geben wird. Denn da stehen ja — ich habe die Zahlen eben genannt — noch viele andere an, die den Hauptschulabschluß längst gemacht haben, die ihre Berufsausbildung gemacht haben, die auch einen Arbeitsplatz haben wollen, die aber auch keine Arbeit finden. Ob die jungen Leute ohne Abschluß in dieser Konkurrenz wirklich eine Chance haben, sollte doch noch einmal sehr genau überprüft werden. Ich halte es für sehr fraglich.

(Beifall bei den GRÜNEN — Jagoda [CDU/ CSU]: Wie sehen die Zahlen aus, wenn Ihre Meinung Politik wird? Millionen!)

Wenn das, was in der Schule nicht möglich war, jetzt — das ist dem Bericht zu entnehmen — durch Bildungsmaßnahmen, die über die Bundesanstalt für Arbeit gesteuert werden, korrigiert werden soll, wird diesem Programm sicherlich nicht besonders großer Erfolg beschieden sein, auch wenn sich sehr viele junge Leute inzwischen darum bemühen, im Rahmen dieses Programms gefördert zu werden. Aber Herr Eimer hat zu Recht schon auf die sehr hohe Abbrecherquote hingewiesen, die meines Erachtens etwas damit zu tun hat, daß diese jungen Menschen über Jahre ihres Lebens zum Lernen gezwungen worden sind, zum Lernen an Dingen und mit Dingen, die sie nicht verstanden haben und nicht verstehen wollten, für die sie kein Interesse hatten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mengenlehre!)

Vielleicht hilft ihnen dann das Lernen in der Praxis, aber vielleicht hätte es ihnen mehr geholfen, wenn sie das schon früher hätten erfahren können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich habe die Zahlen bereits genannt: Im September 1983 gab es an arbeitslosen Jugendlichen unter 22 Jahren 242 000 junge Frauen und 227 000 junge Männer. Von diesen haben einige den Berufsschulabschluß nicht erreichen können. Ich habe leider nur Zahlen für das Jahr 1982, die uns aber die Größenordnung angeben. Bei den unter 20jährigen waren 1982, was den Hauptschulabschluß angeht, knapp 60 000 ohne Erfolg. Ohne beruflichen Abschluß waren 1982 — wiederum bei den bis 20jährigen — 127 000. 1983 und 1984 dürften die Zahlen nicht wesentlich anders aussehen.
Neben der Schule, der Schulausbildung und der Berufsausbildung gibt es aber, wie ein Blick auf die Geschichte dieses Gesetzes und auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit allgemein und besonders der Jugendarbeitslosigkeit zeigt, eine zweite Ursache der Jugendarbeitslosigkeit und der Notwendigkeit dieses Gesetzes, bei dem die Geltung über län-



Dr. Jannsen
Bere Zeit ja nun nicht gerade das Schönste ist, was man sich denken kann, sondern etwas, was leider eintritt, weil es notwendig ist, in diesem Zusammenhang noch für weitere Jahre etwas zu tun. Etwa seit 1978/79 steigt die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen im Alter von unter 20 Jahren — für andere Altersgruppen liegen mir keine Zahlen vor — sprunghaft an. Ab 1982 gilt dieses Gesetz. Ein enger Zusammenhang ist damals auch vom Gesetzgeber gesehen worden. Er ist auch heute noch unübersehbar. Die hohe Arbeitslosigkeit ist ebenfalls ursächlich für diese Situation, nicht etwa nur die schlechte Ausbildung und die mangelnde Schulbildung, denn die Zahl der Hauptschulabgänger ohne Abschluß ist in dieser Zeit nicht gestiegen.
Um dieses Problem wirklich in den Griff zu bekommen, muß also Arbeitslosigkeit beseitigt werden. Ob Sie dies mit Wachstum oder mit Sondermaßnahmen schaffen, weiß ich nicht. Ich selber bin nicht in der Lage und zur Zeit auch nicht bereit, darüber Aussagen zu machen, wie denn Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik im allgemeinen und insbesondere bei jungen Leuten abzubauen sei. Das System, in dem hier Arbeit verteilt wird, ist nicht geeignet, dieses Problem zu lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Feilcke [CDU/ CSU]: Welches System schlagen Sie vor, Herr Professor?)

Das Gesetz soll und wird dieses Problem auch nicht lösen. Es soll aber eine Hilfe für diejenigen sein, die aus dem vielgepriesenen Ausbildungssystem und der Arbeitswelt in der Bundesrepublik herausgefallen sind.

(Feilcke [CDU/CSU]: Herr Professor, wären Sie bereit, ein Gutachten zu erstellen?)

Es soll — so der Bericht der Bundesregierung — bildungsmüde Jugendliche anstoßen, damit sie sich in den tagtäglichen Kampf der über 600 000 jungen Menschen um die wenigen angebotenen Arbeitsplätze mit ein wenig mehr Chancen einmischen können.
Es werden aber nur wenige tatsächlich gefördert. Noch weniger erreichen das gesteckte Ziel. Wie so oft — dies wurde gestern in der Debatte über die Frauenarbeitslosigkeit deutlich gemacht — trifft die Maßnahme Frauen wiederum weniger als Männer. Nach den bisher im Bericht vorliegenden Zahlen sind knapp 40 % Frauen und rund 60 % Männer gefördert worden, obwohl die Zahl der arbeitslosen Frauen unter 22 Jahren — ich habe diese Zahl vorhin genannt — höher ist als die Zahl der arbeitslosen Männer dieser Altersgruppe.

(Zuruf von CDU/CSU: Die Diskussion war doch gestern!)

Die Diskussion wird gestern hoffentlich nicht von allen beendet worden sein. Bei uns ist sie jedenfalls gestern abend nicht abgeschlossen worden.

(Feilcke [CDU/CSU]: Gestern durfte er nicht reden, weil er keine Frau ist!)

Obwohl wir wissen, daß kein einziges der Probleme — mangelhafte Ausbildung, hohe Arbeitslosigkeit der Jugendlichen, Benachteiligung von weiblichen Jugendlichen — durch dieses Gesetz gelöst wird und auch nicht gelöst werden kann, werden wir zustimmen, denn immerhin erhalten einige Jugendliche die Möglichkeit, wenigstens für eine geringe Summe Geldes ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern, was in dieser Gesellschaft heute auch keine Selbstverständlichkeit ist.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006803800
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Vogt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006803900
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Urbaniak, Sie haben vorhin in Ihrem Debattenbeitrag

(Feilcke [CDU/CSU]: Das Thema verwechselt!)

einem Mitglied der CDU/CSU-Fraktion mangelnde Sachkenntnis vorgeworfen. Ich würde empfehlen, daß Sie sich nach dem Sprichwort verhalten: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich muß Ihnen sagen: Sie müßten eigentlich wissen, daß der Arbeitsmarkt ein konjunktureller Spätindikator ist. Wenn es wirtschaftlich abwärts-geht, so ist das auf dem Arbeitsmarkt sehr spät bemerkbar. Auch wenn es aufwärtsgeht, zieht der Arbeitsmarkt erst spät nach. Sie versagen sich ja aber gerade vor der Aufgabe: Wie kann eine wirtschaftliche Erholung schneller in einen höheren Beschäftigungsstand umgesetzt werden? Ihnen fällt nur der Vorwurf des Sozialabbaus ein. Herr Kollege, das ist sehr schwach.

(Beifall bei der CDU/CSU — Urbaniak [SPD]: Sie sind ein sozialer Demonteur!)

— Herr Kollege Urbaniak, wenn wir die Ausbildungsstellenbilanz für das Ausbildungsjahr 1981/82 mit der Bilanz für das Jahr 1982/83 vergleichen, können wir feststellen, daß die Bilanzen gleich ausfallen: Etwa 22 000 Jugendliche konnten nicht versorgt werden. Das sind 22 000 zuviel. Auf der anderen Seite haben wir im Ausbildungsjahr 1982/83 aber ein Rekordergebnis erzielt. Wegen dieses Rekordergebnisses, meine Damen und Herren, brauchen wir uns und braucht sich die ausbildende Wirtschaft nicht zu schämen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im übrigen bitte ich Sie, wenn Sie immer mit der Senkung der ertragsunabhängigen Steuern operieren, zu überprüfen, was denn wohl auf die Dauer Arbeitsplätze schafft. Wenn es nicht gelingt — aber wir sind auf dem besten Wege dorthin —, dazu zu kommen, daß das Sachkapital wieder mehr Rendite abwirft als das Finanzkapital, werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Auch Sie werden mit Ihren Beschäftigungsprogrammen, von denen Sie ständig reden, keine schaffen.



Parl. Staatssekretär Vogt
Die Praxis hat gezeigt, daß dieses Programm der Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche wirksam war. Es hat sich bewährt. Über 15 000 Jugendliche sind gefördert worden, vor allem Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter. Deshalb wird vorgeschlagen — und heute beschlossen werden —, das Programm bis 1987 fortzuführen und 205 Millionen DM zusätzlich dafür zur Verfügung zu stellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006804000
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lutz?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006804100
Aber selbstverständlich.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006804200
Herr Abgeordneter Lutz.

Egon Lutz (SPD):
Rede ID: ID1006804300
Herr Staatssekretär, da wir heute interfraktionell gemeinsam ein Gesetz beschließen werden: Können wir dann nicht einmal von dem politischen Ritual der gegenseitigen Beschimpfung ablassen?

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Wer hat denn angefangen?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006804400
Herr Kollege Lutz, ich nehme an, daß Sie während des Debattenbeitrages Ihres Kollegen Urbaniak nicht im Saal gewesen sind; denn ich kann mich daran erinnern, daß er in seiner zehnminütigen Rede acht Minuten über ganz etwas anderes als den Gesetzentwurf, der hier heute beraten und beschlossen werden soll, gesprochen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, dieses Programm schafft ein zusätzliches berufliches Bildungsangebot, und es erreicht eine sozialpolitisch besonders wichtige Zielgruppe, nämlich Jugendliche, die keine Ausbildung gehabt haben. Wir behaupten nicht, daß wir mit diesem Gesetzentwurf ein Antibiotikum gegen die Jugendarbeitslosigkeit hätten. Aber das Bildungsbeihilfengesetz ist eine der vielfältigen Strategien im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Und die Erfolge im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit können doch nicht übersehen werden. Herr Kollege Jannsen, ich will nur auf die amtliche Statistik der Bundesanstalt für Arbeit verweisen: Bei Jugendlichen unter 20 Jahren ist die Jugendarbeitslosigkeit im Durchschnitt geringer.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: So ist es!)

Und die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen ist rückläufig. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren bei den Jugendlichen unter 20 Jahren 14 % weniger arbeitslos. Dieser Fortschritt ist ein Erfolg der vielen kleinen Schritte. Wir behaupten gar nicht, das große Rezept zu haben. Aber die Politik der tausend Schritte wird uns helfen, auch die Jugendarbeitslosigkeit weiter wirksam zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, eine gründliche berufsqualifizierende Ausbildung ist eben nach wie vor die beste Startrampe für das Berufsleben und der wirksamste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. 17% der Arbeitnehmer ohne einen berufsqualifizierenden Abschluß sind arbeitslos, dagegen nur 6% derer, die eine berufliche Qualifikation haben. Auch dies weist noch einmal aus, wie wichtig berufliche Qualifikation ist, um die Beschäftigungschancen zu verbessern.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, nicht alle Jugendlichen schaffen auf Anhieb die Hürden des Weges zu einem qualifizierten Beruf.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!)

Das Bildungsbeihilfenprogramm für Arbeitslose setzt genau bei dieser Gruppe von Jugendlichen an. Es gibt diesen Jugendlichen eine zweite Chance.
Über die verschiedenen Maßnahmen, die jetzt in dem Gesetzentwurf neu enthalten sind, haben meine Vorredner, die zur Sache gesprochen haben, schon Ausführungen gemacht.

(Frau Steinhauer [SPD]: Was soll diese Zäsur?)

Ich brauche dies hier nicht zu wiederholen. Ich will nur noch einmal aufzählen: Möglichkeit, den Hauptschulabschluß nachzuholen, Ausweitung des Kreises förderungsberechtigter Personen, Kombination von Lernen und Arbeiten. Dies ist besonders für diese Gruppe von Jugendlichen wichtig, die oftmals von einer gewissen Schulmüdigkeit gekennzeichnet sind. Grade für sie bieten Lernen und Arbeiten in Kombination eine Perspektive für die Zukunft.
Mit der Entscheidung heute ist die Voraussetzung geschaffen, daß die Programme weitergeführt werden können. Die Bildungsträger haben jetzt den Spielraum, ihre organisatorischen und personellen Entscheidungen im Interesse der Jugendlichen zu treffen. Ich bedanke mich für die zügige Beratung dieses Gesetzentwurfs.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006804500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig in der zweiten Lesung angenommen.
Wir treten in die dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in der dritten Lesung einstimmig angenommen.



Vizepräsident Frau Renger
Im übrigen hat der Deutsche Bundestag den Bericht der Bundesregierung über die Gewährung von Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche aus Bundesmitteln auf Drucksache 10/857 zur Kenntnis genommen.
Ich rufe den Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (8. BAföGÄndG)

— Drucksache 10/964 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft (19. Ausschuß)

— Drucksache 10/1248 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Frau Schmidt (Nürnberg)

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/1295 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Riedl (München) Zander
Verheyen (Bielefeld)


(Erste Beratung 56. Sitzung)

Im Ältestenrat ist für die Aussprache in der zweiten Beratung eine Runde vereinbart worden. Für die dritte Beratung ist die Abgabe von Erklärungen bis zu zehn Minuten für jede Fraktion verabredet worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.
Wünscht ein Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil.

Graf Alois von Waldburg-Zeil (CDU):
Rede ID: ID1006804600
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anlaß dieser Beratung ist erfreulich: Das BAfföG für Studenten konnte erhöht werden. Dies ist der schlichte Kern der heutigen Beratungen in zweiter und dritter Lesung.
Ganz so selbstverständlich ist das nicht. Zur Zeit der sozialliberalen Koalition war die Gesamtsumme der Ausbildungsförderung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung eingefroren worden. Das bedeutete: Bei steigenden Schüler- und Studentenzahlen mit Ansprüchen auf Ausbildungsförderung und bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten mußten in Zukunft die auszahlbaren Beiträge kleiner und die Einkommensgrenzen geringer werden. Daß es dazu nicht kam, dazu, Frau Minister Wilms, kann man Ihnen an diesem Tag ruhig gratulieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Möglich geworden sind diese Erhöhungen — und auch künftige, an die man ja denken muß — nicht durch neue Schulden, sondern durch eine ausgewogene Umstrukturierung der Ausbildungsförderung, die den sozialen Kern langfristig sichert, nämlich daß jeder, der dazu befähigt ist und es wünscht, auch dann studieren kann, wenn seine Eltern es nicht finanzieren können. Begreiflicherweise wird die Opposition die Debatte wohl von dem genannten Kern wegzulenken versuchen und auf diese Umstrukturierung zu sprechen kommen, für die inzwischen ein forstwirtschaftlicher Begriff weit über die Opposition hinaus Eingang in die bildungspolitische Umgangssprache gefunden hat

(Zuruf von der SPD: Bis hin zum Bundeskanzler!)

— bis hin zum Bundeskanzler —: der Kahlschlag.
Da ich mit der Forstwirtschaft vertraut bin, kenne ich den Begriff. Einen Kahlschlag einer bestimmten Fläche nimmt man nur vor, wenn das zu schlagende Holz hiebsreif ist und im Idealfall die Naturverjüngung schon nachwächst.
Wenn in der heutigen Debatte die Frage im Vordergrund steht, ob im Bereich der Schülerförderung der Kahlschlag zu hart gewesen sei, so stellt sich — um im forstwirtschaftlichen Bild zu bleiben — für die Endnutzung, wie der Kahlschlag in der Fachsprache heißt, die Frage, ob die Hiebmenge zu groß war, ob der Einschlag zu früh erfolgte, und schließlich, ob rechtzeitig für Jungwuchs gesorgt wurde.
Zunächst die Einschlagmenge. Es sind ja Altholzreste geblieben. Geblieben ist die Förderung für den, der auswärts untergebracht werden muß, z. B. im Internat. Geblieben ist die Weiterförderung für den zweiten Bildungsweg. Bei letzterem ist zuzugeben: es wäre sicher befriedigender gewesen, wenn wir Fachoberschüler und Schüler von Berufsaufbauschulen weiterhin hätten fördern können. Allein die Haushaltslage, die wir 1982 vorfanden, ließ uns keine Wahl.
Um dieses und andere Probleme zu bereinigen, genügt es allerdings nicht — wie im SPD-Antrag geschehen —, für Besucher der Abendrealschule und des Abendgymnasiums deutliche Verschlechterungen durch Inanspruchnahme der Eltern vorzusehen. Der soziale Kernbereich der Ausbildungsförderung würde getroffen, wollte man die Eltern von in der Regel erwachsenen Kindern erneut heranziehen.
Im Grunde genommen — dies ist meine persönliche Meinung; aber wo kämen wir hin, wenn ein Abgeordneter seine persönliche Meinung nur noch im Ausschuß und nicht mehr im Plenum sagen dürfte? — sollte man überlegen, ob die schulische Weiterbildung von Volljährigen, die sich nach einer beruflichen Tätigkeit weiterzubilden wünschen, nicht mit der beruflichen Weiterbildung in einem umfassenden Förderkanon nach Darlehensmuster zusammengefaßt werden sollte. Beide Bereiche der Erwachsenenbildung — also die im schulischen Bereich für Volljährige und die im beruflichen Bereich
— gehören ja ganz eng zusammen. Ich habe schon in einer früheren Rede auf die Bedeutung hingewiesen, die die Weiterbildung in der Zukunft haben



Graf von Waldburg-Zeil
wird. Wir sollten ruhig schon jetzt darangehen zu überlegen, die Förderung für die schulische und die berufliche Weiterbildung Erwachsener als wesentlichen Teil des Bildungsbereiches zusammenzuführen.
Zurück zu unserem waldbaulichen Vergleich. Auch über den Zeitpunkt der Nutzung läßt sich streiten. Ich will gar nicht leugnen, daß es günstiger gewesen wäre, eine grundlegende Schülerförderungsänderung erst dann vorzunehmen, wenn die geburtenschwachen Jahrgänge das Abitur erreicht haben würden. Nur: 1982 hatten wir nicht nettoneuverschuldungsfrei übernommen wie die sozialliberale Koalition 1969.

(Bindig [SPD]: Die Vermögensteuer haben Sie gesenkt zugunsten von Leuten, die wie Sie viel verdienen!)

— Daran darf man, lieber Kollege, zum Geburtstag des Altbundeskanzlers Kiesinger ruhig einmal erinnern.
Was nun die Länderregelungen betrifft, ist hier sicher weder Zeit noch Ort, eine Föderalismusdebatte zu führen. Man kann der begründeten Ansicht sein — der ich als überzeugter Föderalist anhänge —, daß die ortsnahen Länder die Förderung der zu Hause lebenden Schüler übernehmen sollten, allerdings unter Wahrung der einheitlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet.
Ich würde es sehr gut verstehen, wenn die Opposition — um im Waldbild zu bleiben — mürrisch auf Baumstümpfe weist, neben denen wachstumsfreudige und gleichwertige Ersatzregelungen hochgewachsen sind, und andere, bei denen Buchgeschenke an Leistungsbeste als Kümmerbäumchen stehen.
Aber wenn Länder, dann Länder. Ich hoffe, daß allzu Verschiedenes rasch auch dem Scharfsinn der Ministerpräsidenten und Kultusminister auffallen wird und einer entsprechenden Angleichung zugeführt werden kann. Allerdings fürchte ich, daß wir hier in Kürze keine Föderalismus-, sondern eine Partikularismusdebatte haben werden. Denn es ist beachtenswert, wenn heute maßgebliche Wirtschaftsverbände bereits vor der Gefahr eines Kulturpartikularismus und der eines allmählichen Rückzugs des Bundes aus der Bildungspolitik warnen.
Nun hat der Bundeskanzler die zweite Möglichkeit ebenso klar angesprochen, etwa verbleibende Unstimmigkeiten durch den Familienlastenausgleich zu lösen. Ich meine, daß es von Anfang an richtiger gewesen wäre, Ausbildungskosten für Kinder, die über die normalen Lebenshaltungskosten hinausgehen, im Rahmen des Familienlastenausgleichs abzudecken durch direkte Transferleistungen bei Einkommensschwachen und durch Freibeträge bei den progressiv Steuerbelasteten. Vieles vom schlechten Ruf des Schüler-BAföG ging ja auf die Tatsache zurück, daß die Beträge den Konten der volljährigen Schüler gutgeschrieben wurden und von diesen oft nicht als familienergänzendes Einkommen, sondern als privates Einkommen verwendet wurden. Korrekturen in diesem Bereich sollten deshalb nun wirklich in den Familienlastenausgleich eingebracht werden. Dies ist eine Chance nicht nur zum Ausgleich von Härtefällen, sondern zur Berichtigung eines von vornherein falschen Ansatzes.
Nun haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD — jedenfalls im Ausschuß —, weder die Ergänzung der Studentenförderung abgelehnt noch grundsätzlich Kritik an der Familienlastenausgleichslösung geübt, noch an solchen Länderregelungen, die gut gelungen sind. Sie haben sich darauf beschränkt, einige Teilprobleme aufzugreifen und zum Einbau in die BAföG-Novelle zu empfehlen. Ich übe keinerlei Kritik an diesen Vorschlägen, einige scheinen mir sogar ausgesprochen vernünftig.

(Kuhlwein [SPD]: Dann stimmen Sie doch zu!)

— Sicher. — Ihr Problem ist nur, daß hier 50 Millionen DM, dort 60 DM anfallen. Genauso kann man mit vernünftigen Vorschlägen und zig Milliönchen hier und dort jedes Sparkonzept im Grunde genommen zunichte machen. Die Anträge summieren sich auch in anderen Bereichen; wir müssen nur die Debatte der letzten Woche zurückverfolgen. Besser ist aber eine neue Sohle als ständige Flickschusterei, mit der man die Füße auf Dauer nicht trocken kriegt.

(Beifall des Abg. Feilcke [CDU/CSU])

Deshalb muß ich empfehlen, daß wir Ihre Anträge — trotzdem ich gesagt habe, daß sie vernünftig sind —, hier ablehnen.
Lassen Sie mich schließlich mit dem nochmaligen Hinweis, daß wir ein Gesetz zu Ende beraten, nach dem die geförderten Studenten, Internatsschüler sowie Schüler des zweiten Bildungsweges mehr statt weniger bekommen. Dies sollte man trotz aller Kritikpflicht der Opposition nicht ganz vergessen. Ich bitte Sie deshalb, der achten BAföG-Novelle zuzustimmen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD]: Und Sie unseren Anträgen!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006804700
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1006804800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlaß unserer heutigen Debatte ist die Überprüfung bzw. Neufestsetzung der Bedarfssätze und Freibeträge nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, zu der die Bundesregierung alle zwei Jahre verpflichtet ist.
Graf Waldburg, Sie haben das als einen freudigen Anlaß bezeichnet. Ich konstatiere das im Grundsatz auch. Diese Neufestsetzung wird von meiner Fraktion grundsätzlich begrüßt. Allerdings sind die jetzt angesetzten Erhöhungen völlig unzureichend,

(Beifall bei der SPD)

wenigstens die inzwischen eingetretenen Preissteigerungen bei der Lebenshaltung aufzufangen. Mit
einer solchen Reparaturnovelle läßt sich nun ein-



Frau Odendahl
mal nicht zukleistern, was Sie seit der Wende mit Ihrem BAföG-Kahlschlag an Chancengleichheit bei der Bildung für alle jungen Menschen zerstört haben.
Und wenn vor kurzem der Bundeskanzler Helmut Kohl eingestehen mußte, daß beim Schüler- und Studenten-BAföG der Kahlschlag möglicherweise zu hart war, so hätten Sie jetzt die Möglichkeit, einige der verheerendsten Auswirkungen dieses Kahlschlags zurückzunehmen. Denn dieses Eingeständnis erfordert Konsequenzen, auch wenn einige Regierungsmitglieder noch immer weniger einsichtig als der Bundeskanzler von „ordnungspolitisch notwendigen BAföG-Umstellungen" sprechen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1006804900
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein?

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1006805000
Ja, bitte.

(Daweke [CDU/CSU]: Ist aber nicht vorgesehen!)


Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1006805100
Frau Kollegin Odendahl, teilen Sie meine Auffassung, daß der Herr Bundeskanzler gut daran täte, sein in der „Bild"-Zeitung veröffentlichtes Eingeständnis, daß der BAföG-Kahlschlag möglicherweise zu hart gewesen sei, im Hohen Haus persönlich zu vertreten?

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1006805200
Ich würde das ebenfalls sehr begrüßen, aber wir waren schon von der Diskussion der Lehrstellengarantie her nicht sehr verwöhnt, was die Präsenz betraf.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Feilcke [CDU/CSU]: Für eine bestellte Frage war das aber eine schlechte Antwort!)

Lassen Sie uns hier noch einmal offenlegen, was Sie mit Ihren sogenannten ordnungspolitischen Umstellungsmaßnahmen, sprich: Kahlschlag, alles angerichtet haben. Als das Bundesausbildungsförderungsgesetz am 23. Juli 1971 im Deutschen Bundestag einstimmig verabschiedet wurde, lautete die Begründung: Der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, ist verpflichtet, durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit der jungen Menschen hinzuwirken. — Diese Verpflichtung haben Sie inzwischen aufgegeben. Von der damaligen Gemeinsamkeit ist nichts übriggeblieben. Diese Gemeinsamkeit haben Sie aufgegeben, als Sie eine Diskussion über einzelne Mißbräuche bereitwillig übernahmen, anstatt diese — dabei hätten Sie unsere Unterstützung gehabt — gemeinsam auszuräumen. Sie haben das diffamierende Wort vom „Schülertaschengeld" in Ihrem Sprachgebrauch übernommen, und die Bildungsministerin Frau Wilms hat schließlich ausgeführt, das Schüler-BAföG habe die Kinder aus den Elternhäusern getrieben.

(Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört!)

1969 haben alle Fraktionen gemeinsam eine bundeseinheitliche Regelung für die Herstellung einer Chancengleichheit im Bildungswesen für erforderlich gehalten.

(Hornung [CDU/CSU]: Da war auch noch Geld da!)

Nachdem mit der Wende das Förderungsgesetz des Bundes zu Fall gebracht war, versprach die Bundesregierung, der ausdrücklichen Forderung des Deutschen Bundestages, sich um eine einheitliche Länderförderung zu bemühen, nachzukommen. Diese Bemühungen sind ganz kläglich gescheitert. Das Chaos von Passau bis Flensburg ist perfekt.

(Vorsitz: Präsident Dr. Barzel)

Herr Daweke, als bildungspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion haben Sie das gewertet. Sie haben gesagt:
Das Ergebnis der Rückübertragung ist deprimierend. Einige Länder haben überhaupt keine Schülerförderung eingeführt,

(Daweke [CDU/CSU]: Bremen vor allen Dingen! Nordrhein-Westfalen! Ungeheuerlich!)

und in anderen Ländern bestehen die unterschiedlichsten Systeme, Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen. Die Chancengleichheit ist auf der Strecke geblieben.

(Daweke [CDU/CSU]: In Bremen und in NRW gibt es null! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: In den SPD-geführten Ländern!)

Weil wir gerade bei den Ländern sind: Auch hier gibt es inzwischen ganz interessante Erkenntnisse. Ich spreche hier von der NAföG-Regelung. Diesbezüglich hat Ministerpräsident Albrecht vor kurzem im Landtag Antwort gegeben. Die Bilanz der NAfög-Regelung sieht nämlich so aus: Über 40% der Geförderten sind Kinder von Freiberuflern, die also deshalb an dieser Förderung partizipieren, weil sie mit allen möglichen Tricks ihr steuerpflichtiges Einkommen auf Minimalbeträge reduzieren können.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006805300
Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Milz?

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1006805400
Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen, weil ich knapp in der Zeit bin.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Für die Familien mit viel kleineren Einkommen, dafür aber mit Lohnsteuerkarte, bleibt meist nur die Null-Lösung. Das bedeutet: Pech für Arbeitnehmer; ihre Kinder gehen leer aus. Nicht leer gehen aber Leute aus, die es sich leisten können, ihre Kinder auf exklusive Internate zu schicken. Da sie leicht nachweisen können, daß eine Schule mit einem vergleichbaren, meist sehr spezifischen Bildungsangebot von ihrem Wohnort aus nicht zu erreichen ist, erhalten sie die volle Förderung und können dann diese geförderten Internatskosten auch noch von der Steuer absetzen.



Frau Odendahl
Die vorher angesprochenen Familien mit kleineren Einkommen, dafür aber mit Lohnsteuerkarte, vertrösten Sie nun damit, daß bei der Neuordnung und Verbesserung des Familienlastenausgleichs die Ausbildungskosten für die Familien durch steuerliche Entlastungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Meine Damen und Herren, wenn die Ausbildungskosten aber lediglich steuerlich angerechnet werden, führt das nicht zu einem Lastenausgleich, sondern nur dazu, daß die wirklich Bedürftigen nichts bekommen, im Abseits gelassen werden, während die Vermögenden wieder die Nutznießer sind.
In verschiedenen Regierungsankündigungen jongliert man mit diesem Familienlastenausgleich in einem Zeitraum zwischen 1986 und 1988. Die Regierung bleibt denen die Antwort schuldig, die als Betroffenen des BAföG-Kahlschlags fragen, wo denn ihre Chancengleicheit bleibt, wer ihnen denn die Tür offenhält — Sie verwenden diesen Begriff hier oft — für eine Ausbildung nach ihrer Eignung und ihrer Neigung.

(Zustimmung bei der SPD — Hornung [CDU/CSU]: Es geht doch nicht nur ums Geld!)

Die Frage ist berechtigt; denn vielen wurde die Tür inzwischen versperrt. Das zeigt die rückläufige Zahl der BAföG-Anträge trotz steigender Studentenzahlen. Man kann hier schon von einem Abschrekkungseffekt durch das Volldarlehen sprechen. So sind z. B. laut Angabe des Deutschen Studentenwerks in Aachen die Studentenzahlen dort um 6% gestiegen, während die Erstanträge aber um 33 % zurückgingen. Dafür gibt es noch viele Beispiele.
Bei der Verabschiedung des Berufsbildungsberichts führte Frau Wilms aus, daß die Bedarfsprognose für Ausbildungsplätze auch deshalb nach oben verlagert werden mußte, weil das Ausbildungsverhalten junger Menschen zur Zeit großen Veränderungen unterliege. Dabei führe ein geändertes Bildungsverhalten, etwa von Abiturienten, die dem Studium zunehmend eine betriebliche Ausbildung vorziehen oder vorschalten, zu der weiter steigenden Nachfrage. Daß die Abschreckung auf Mädchen in weit stärkerem Maße gewirkt hat, wurde gestern bei der Diskussion über den Sechsten Jugendbericht von der Kollegin Frau Dr. Hamm-Brücher mit exakten Zahlen belegt.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Frau Wilms, Sie können das nicht nur auf die schlechteren Berufschancen für Lehrer und als Folge davon auf den deutlichen Rückgang der Lehramtsstudenten zurückführen. Die Entscheidung fällt insbesondere bei Familien mit mehreren Kindern in der Familie, der Sie durch Ihren BAföG-Kahlschlag diese Entscheidung aufgezwungen haben,

(Feilcke [CDU/CSU]: Was ist das für ein böses Wort! — Gegenruf der Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Es kommt vom Bundeskanzler!)

und die in der Regel, wenn sie zwischen Jungen und Mädchen, zwischen Männern und Frauen gefällt werden muß, zuungunsten der Mädchen ausfällt.
Damit, meine Kolleginnen und Kollegen, schließt sich auf sehr bedrückende Weise der Kreis zu unserer gestrigen Debatte über Frauenarbeitslosigkeit und über die Konsequenzen aus dem Sechsten Jugendbildungsbericht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da hätten Sie etwas tun können!)

Positiv ist zu bewerten, daß aus allen Untersuchungen hervorgeht, daß sich gerade junge Frauen, gestützt auf die Erfahrungen ihrer Mütter, auflehnen. Sie nehmen diesen Staat in die Pflicht, wo er die Antwort auf gleiche Chancen für die junge Generation schuldig bleibt, und sie tun das mit Recht; denn an diesem Ausbildungsförderungsgesetz werden wir gemessen, und hier stehen wir gemeinsam im Wort.

(Zustimmung des Abg. Kuhlwein [SPD])

Wir haben heute die Chance, wenigstens die gravierendsten Ungerechtigkeiten in Ordnung zu bringen. Die SPD-Fraktion hat Anträge zu dieser Novelle eingebracht, die meine Kollegin Renate Schmidt im einzelnen erläutern wird. Folgen Sie bei der Abstimmung darüber der Einsicht des Bundeskanzlers, daß dieser BAföG-Kahlschlag revidiert werden muß!

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006805500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuhausen.

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1006805600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft war vereinbart worden, im Interesse der Begünstigten — ich sage nicht: Betroffenen — durch die Verbesserungen der Achten Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz eine grundsätzliche Aussprache, die u. a. auch noch wegen des Berichts der Bundesregierung zum Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 1982 notwendig ist, zurückzustellen. So begrüßenswert diese Vereinbarung war und auch weiterhin bleiben wird, hindert nichts daran — die bisherigen Debattenbeiträge haben es schon gezeigt —, die Verbesserungen, die wir heute zu beschließen haben, im Zusammenhang der nun schon lange andauernden Auseinandersetzungen über das Gesamtproblem der Ausbildungsförderung zu diskutieren, zu beurteilen und zu betrachten.
Aber zunächst möchte ich zu den Verbesserungen kommen. Wir begrüßen ausdrücklich die Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge im Herbst 1984 um rund 4 % und die für 1985 vorgesehene Zwischenanpassung der Freibeträge um 2 %. Wir schließen uns dem Dank an, den Graf von Waldburg-Zeil an Frau Bildungsminister Dr. Wilms schon erstattet hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich — daran kann es gar keinen Zweifel geben — kann man darüber, ob solche Anpassungen ausreichend



Neuhausen
sind, immer verschiedener Meinung sein. Das kenne ich schon aus der alten Koalition. Aber angesichts der in vielen Politikbereichen notwendigen Konsolidierungsbeiträge — ich versage es mir, hier die Beispiele zu nennen — kann und muß die Tatsache, daß hier eine doch spürbare Verbesserung vorgenommen wird, als ein wichtiger und richtiger Schritt der Bundesregierung gewürdigt werden.
Gerade weil die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf feststellt, daß der Finanzrahmen nicht ausreiche, um bei Bedarfssätzen und Freibeträgen den zwischenzeitlich eingetretenen Preisanstieg voll auszugleichen, sollte dieser Schritt vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzsituation auch bei den Begünstigten eine realistische — ich wiederhole: eine realistische — Würdigung finden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nun hat die SPD — es wurde gerade begründet — im Ausschuß und auch heute zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs einige Änderungsvorschläge eingebracht. Ebensowenig wie Graf von Waldburg-Zeil stehe ich nicht an, zu erklären, daß damit tatsächlich der Finger auf einige Schwachpunkte der jetzigen Regelung gelegt wird. Aber wenn sich die SPD in ihrer Begründung auf eine Interviewäußerung des Bundeskanzlers beruft, die Gesetzgebung zum BAföG im Rahmen der Haushaltsbegleitgesetze 1983 sei mit heißer Nadel genäht — eine Anmerkung, die ich durchaus teile; da stimme ich mit dem Herrn Bundeskanzler überein —, dann muß man allerdings sagen, daß die Nadel, mit der die Vorschläge der SPD, insbesondere die im Ausschuß vorgelegten Deckungsvorschläge, genäht wurden, noch viel heißer glüht.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

Wo auf der einen Seite Schwachstellen und Härten beseitigt bzw. ausgeglichen werden sollen, werden auf der anderen Seite neue geschaffen. Ich frage mich, wenn im Ausschußbericht als einem Teil der Begründung der SPD-Vorschläge davon die Rede ist, durch ihre Anträge werde erheblich zur Akzeptanz des Gesetzes beigetragen, wie es denn um die Akzeptanz der vorgeschlagenen Einschränkung der elternunabhängigen Förderung für Schüler von Abendgymnasien und Kollegs bei den davon Betroffenen bestellt ist, so unstimmig es ist, daß in der jetzigen Regelung der allgemeine zweite Bildungsweg deutlich gegenüber dem berufsschulischen bevorzugt wird.
Was die Akzeptanz einer zweiten Deckungslösung anlangt, nämlich den Einkommensbegriff nach § 21 so zu verändern, daß Verluste und/oder Abschreibungen aus einer Einkommensart für die Ermittlung des Einkommens prozentual begrenzt werden, so sehe ich ebenfalls das Echo auf diesen mit der heißen Nadel genähten Einschnitt als sehr düster an.
Meine Damen und Herren, überhaupt hat sich der Begriff der Akzeptanz meines Erachtens in der politischen Diskussion — da schließe ich mich natürlich selbstkritisch mit ein — allzu breitgemacht.
Im Ausschußbericht kommt er gleich zweimal vor: einmal in dem bereits zitierten Sinn der Akzeptanz bei den Betroffenen, zum anderen von seiten der Regierungsfraktionen im Hinblick auf den sogenannten Mangel an Akzeptanz des früheren Förderungsrechts bei der Bevölkerung im allgemeinen. Schlicht gesagt: Diejenigen, die etwas bekommen, akzeptieren das meist gern, auch wenn es ihnen zuwenig erscheint. Aber bei denen, die sich vorstellen, daß sie mit ihren Steuern dazu beitragen, herrscht oft — wir haben es erfahren — ein anderer Eindruck vor.
Aber darauf sollte es — ich habe mir ein Stück Naivität bewahrt — eigentlich, wenn man das Schielen nach politischer Opportunität einen Augenblick unterdrückt, nicht ankommen — ich sage das durchaus selbstkritisch —, sondern es sollte darauf ankommen, ob eine Lösung sachgerecht, notwendig und im Rahmen der Gesamtmöglichkeiten finanzierbar ist. Da hat man immer noch genügend Stoff zur Auseinandersetzung; denn darüber, was sachgerecht, notwendig und finanzierbar ist, kann man von den verschiedensten Vorgaben und Voraussetzungen her durchaus zu unterschiedlichen Vorstellungen kommen.
Dabei sollte sich allerdings die sogenannte Akzeptanz mit einer — wenn auch in Wahlzeiten notwendigerweise aufgeputzten — Nebenrolle begnügen.
Meine Damen und Herren, so betrachtet muß allerdings die jetzige Regelung der Ausbildungsförderung, die j a bei aller Würdigung der Verbesserungen durch die achte Novelle strukturell nicht verändert wird, immer noch kritisch angesehen werden. Sie ist unbefriedigend. Das ist bei früheren Debatten mehrfach ausgeführt worden und kann hier nicht wiederholt werden. Von daher habe ich für vernünftige Änderungsvorschläge nicht nur Sympathie, sondern ich könnte sie zwanglos um eine Reihe weiterer ergänzen.
Aber ich habe doch viel Skepsis — nicht nur wegen der Erfahrungen seit der sogenannten Wende, sondern auch wegen der Erfahrungen aus der Zeit vorher — gegen isolierte Maßnahmen. Man sollte sich — um im Forstwirtschaftlichen zu bleiben — mit solchen isolierten Maßnahmen nicht auf Holzwege verirren, obwohl ich weiß, daß man auf den Holzwegen das Holz wieder dahin bringt, wo es gebraucht wird. Da könnte ich mich der Kahlschlagtheorie anschließen, Graf von Waldburg-Zeil.
Das Herumoperieren an der Ausbildungsförderung — mit welcher Zielsetzung auch immer — hat ja eine Tradition, die in die Zeit vor dem Herbst 1982 zurückreicht. Das dürfte nicht einfach vergessen werden.
Wenn heute manchmal viel von Verdrängungseffekten hinsichtlich der Ausbildungsplatzsituation gesprochen wird, so mache ich z. B. darauf aufmerksam, daß das damals bestätigte Auslaufen der Förderung für Schüler im 10. Jahr der berufsbildenden Schulen vor dem Hintergrund der aktuellen Situation nicht ganz außer Betracht bleiben sollte. Da



Neuhausen
kann man dann Schuldzuschreibungen hin- und herschieben.
Aber die Entwicklung der Verlagerung des größten Teils der Schülerförderung in die Länder ist ein zweites schlechtes Operationsbeispiel. Die daran geknüpften Erwartungen haben sich meines Erachtens weithin nicht erfüllt. Nicht nur wegen des Mangels an Bundeseinheitlichkeit, den nun niemand mehr übersehen kann, nicht nur weil die Länder ihre Regelungen ganz unterschiedlich ausrichten — einmal mehr auf die Begabtenförderung, in anderen Ländern mehr auf den sozialen Aspekt — und dabei dem Drang nach Unterschiedlichkeit freien Lauf lassen, sondern auch angesichts der Tatsache, daß die meisten Länder nicht einmal die Mittel dafür eingesetzt haben, die durch die Einschränkungen der Bundesausbildungsförderung für Schüler für eigene Lösungen frei wurden und ihnen zur Verfügung gestellt wurden. Das geht dann allerdings quer durch den politischen Garten.
Zwei Beispiele: Wenn die Zahlen stimmen, so gibt Nordrhein-Westfalen von einer Einsparung von 86 Millionen DM 10 Millionen DM für eine Landesausbildungsförderung weiter, Niedersachsen von 59 Millionen DM 25 Millionen DM.

(Hört! Hört! bei der FDP)

Wenn heute — Graf von Waldburg-Zeil hat davon gesprochen — in allen Parteien eine neue Föderalismus- oder Partikularismusdebatte geführt wird, sollte diese Entwicklung nicht übersehen werden. Das Verhältnis von Länder- und Bundeskompetenz kann auch in der Bildungspolitik nicht nur vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen oder hehrer Vorsätze, es muß vielmehr angesichts der Wirklichkeit konkreter Beispiele und Entwicklungen diskutiert werden. Die Notwendigkeit der Erhaltung bundesstaatlicher Verantwortung zeigt sich an diesem Beispiel besonders deutlich.
Das alles macht klar, daß die Beratung der achten Novelle eben nicht die richtige Gelegenheit ist — wenn die Vereinbarung, die ich zu Anfang erwähnt habe, irgendeinen Sinn haben sollte —, strukturelle Probleme der Ausbildungsförderung zu lösen. Es geht jetzt vielmehr darum, die heute zu beschließenden Anpassungen rechtzeitig in Kraft zu setzen und im übrigen die Anregungen weiterzuverfolgen, die schon in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 1982, die von der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen und Parteien im Hinblick auf den Zusammenhang der Ausbildungsförderung mit einer Neukonzeption des Familienlastenausgleichs immer wieder gegeben wurden.
Irgend jemand — ich weiß im Augenblick nicht, wer es war — hat einmal geschrieben, daß zwar hinsichtlich der Ausbildungsförderung die Bildungspolitiker den Ton angäben, dieses Thema aber in Wirklichkeit zu dem großen Komplex des sozialpolitischen Familienlastenausgleichs gehöre, da ja die Leistungen an die Einkommensverhältnisse der Eltern gebunden seien. Tatsächlich war und ist das System der Ausbildungsförderung ein Zwitter und muß es auch sein; denn einerseits bezieht sich die Förderung auf den Ausbildungsweg des einzelnen Schülers oder Studenten; andererseits ist die Höhe der Förderung von der Einkommenssituation der Eltern abhängig. Einerseits wird das System von dem bildungspolitischen Gedanken der breiten Förderung, der Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit für den einzelnen getragen, andererseits soll die Förderung die sozialpolitischen Voraussetzungen dafür schaffen, daß eine Familie in die Lage versetzt wird, ihren Kindern eine Ausbildung nach Neigung, Leistung und Begabung zu ermöglichen.
Das System der Ausbildungsförderung braucht nicht isoliert den Schüler zu sehen, muß aber mindestens vom Einkommen her die Lage der ganzen Familie im Blick haben. Allerdings ist es andererseits keine allgemeine Familienförderung, sondern bezieht sich auf den speziellen Bildungsweg des einzelnen Schülers. Diese gegenseitige Ergänzung, die ja kein Gegensatz zu sein braucht und auch keiner ist, ist nicht immer deutlich genug bewußt gewesen. Daraus haben sich sowohl Mißbräuche als auch Vorbehalte ergeben.
Wenn es jetzt um neue Konzepte des Familienlastenausgleichs geht, sollten beide Aspekte sowohl von Bildungs- und Sozialpolitikern als auch von Finanz und Steuerpolitikern auch künftig als miteinander verbundene Ergänzungen gesehen werden. Werden sie so gesehen, so können z. B. auch die Fragen der elternunabhängigen Förderung im Rahmen eines — von Graf von Waldburg-Zeil schon angedeuteten — Konzepts, insbesondere was den zweiten Bildungsweg angeht, beantwortet werden, weil ja nicht nur hier differenzierte Lösungen notwendig sein werden.
Meine Damen und Herren, es wird auch an uns Bildungspolitikern liegen, ob und daß die Kollegen der anderen Bereiche bei Familienlastenausgleich nicht immer nur an Familien im allgemeinen und insbesondere an solche mit kleinen Kinder denken, sondern in einer differenzierten Betrachtungsweise die besonderen Aufwendungen für Kindern und Jugendliche in der Ausbildung, vor allem in ihren späteren Phasen, sehen. Ich bin mir dessen bewußt, daß solche Aussichten auf ein mögliches neues Gesamtkonzept, in dem sich Familien- und Ausbildungsförderung ergänzen, für aktuelle Härten und Unstimmigkeiten keine unmittelbare Hilfe bieten. Aber es ist — ich wiederhole meine Ausführungen aus der letzten Debatte —, außer an die hier dargestellten Gesichtspunkte auch an die Grenzen des Möglichen und Machbaren zu denken. Konsolidierung der Finanzen setzt eben die Beachtung dieser Grenzen voraus, und sie ist ihrerseits die Voraussetzung dafür, daß überhaupt noch Mittel für die Bildungspolitik, für das Offenhalten aller Bildungswege zur Verfügung stehen und daß es verantwortbar ist, die Neukonzeption der Ausbildungsförderung in der Diskussion, auf der Tagesordnung zu halten.
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, werden wir dem Änderungsantrag der SPD nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006805700
Das Wort hat der Abgeordnete Jannsen.

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006805800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Gesetzentwurf — und ein Antrag dazu — vorgelegt worden, ein Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Man sollte erwarten, daß wesentliche Fehler, Probleme, die man inzwischen erkannt hat, in einem solchen Gesetzentwurf auch berücksichtigt werden. Man sollte also erwarten, daß die Diskussion über die Rücknahme der VolldarlehensRegelung und den Teilerlaß von Darlehen berücksichtigt worden wäre. Man sollte erwarten, daß die Korrektur unbilliger Härten, etwa die, daß Kollegiaten und Schüler des zweiten Bildungsweges vom August dieses Jahres an keine BAföG-Zahlungen mehr erhalten werden, erfolgen würde. Man sollte erwarten, daß Lücken, die das Gesetz vom Dezember 1982 gerissen hat, geschlossen werden, etwa die, daß für Menschen, die im Entwicklungsdienst, im Sozialen Jahr, im Zivildienst oder im Wehrdienst tätig waren, Probleme bei der BAföG-Zahlung auftreten, wenn sie Schüler sind.
Keine Rede davon! Es liegt eine Sammlung von Zahlen vor, die von der Bundesregierung auftragsgemäß vorgelegt worden ist. Im Ergebnis gibt es eine Anhebung von Bedarfssätzen und Freibeträgen, die nicht einmal der faktischen Geldentwertung gerecht wird. Diese Bundesregierung befindet sich, wie der Bericht sagt, in einer guten Tradition. Ich zitiere hier eine Stelle aus dem Bericht:
Die Bundesregierung erklärt in der Begründung des Gesetzentwurfs, sie habe sich — wie ihre Vorgängerin 1981 — vor dem Problem gesehen, daß die für die Ausbildungsförderung insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel für einen vollen Ausgleich des seit der letzten Leistungsanpassung eingetretenen Preisanstiegs nicht ausreichten.
Geht es also darum, weniger zu leisten, den Leuten etwas wegzunehmen, befindet man sich wohl in der Tradition. Befindet man sich allerdings im Streit mit der SPD, dann ist es Erblast. Es ist schon spannend, was hier an manchen Stellen geschieht.

(Zurufe von CDU/CSU und der SPD)

— Das sind Sachen, die in solchen Situationen und in vielen dieser Debatten auch für das Protokoll gesagt werden. Das wissen auch Sie, Herr Carstensen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Dann sollten Sie Ihre Ansicht einmal zu Protokoll geben!)

Dies geschieht in einer Situation, wo während der Ausbildung kaum noch jemand Arbeit finden kann, weil die Arbeitslosigkeit so hoch ist, daß Studenten oder Schüler kaum dazuverdienen können.
Ich will zu den einzelnen Punkten, die ich genannt habe, ein paar Beispiele nennen, die die Problematik etwa der Darlehensförderung verdeutlichen können.
Mir ist ein Brief von einem zu 100 % Schwerbehinderten zugegangen — ich nehme an, den anderen ist er auch zugegangen —, der seine Situation schildert und dabei zu folgendem Schluß kommt. Wenn er auf Grund seiner Behinderung ein längeres Studium in Anspruch nimmt und auf Grund seiner Berechtigung Darlehen — sogenanntes BAföG, Bundesausbildungsförderung — bekommt, so wird sich das Darlehen, das dieser junge Mensch im Laufe seines Lebens für seine Ausbildung erhält, gegenüber demjenigen erhöhen, der unter den gleichen Bedingungen BAföG erhält, weil er auf Grund seiner Behinderung länger studieren muß. Der junge Mann hat sich auch an das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gewandt. Da gab es eine Antwort. Auf das Argument, daß hier wohl eine ungerechte Behandlung, eine soziale Benachteiligung vorliege, die nicht hinzunehmen sei, antwortet das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft — ich zitiere aus dem Brief —:
BAföG ist als ein Massenleistungsgesetz stärker auf den Regelfall konzentriert. Nach allgemeinem Haushaltsrecht — § 59 Bundeshaushaltsordnung — hat jedoch die Verwaltung unter anderem die Möglichkeit, Ansprüche zu stunden oder zu erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles mit erheblichen Härten
— erheblichen Härten! —
für den zahlungspflichtigen Bürger verbunden wäre.
Dann kommt der Nachsatz:
Ich bin sicher, daß auf diesem Wege im Bedarfsfall eine befriedigende Lösung gefunden werden kann.
Ich bin allerdings nicht so sicher, daß diese befriedigende Lösung gefunden werden kann, weil erstens eine Antragstellung verlangt wird, zweitens in dieser Antragstellung sicherlich ein Nachweis erbracht werden muß, ob es sich um erhebliche Härten handelt, und drittens die ganze Entscheidung davon abhängt, ob die Behörde ihr Ermessen großzügig oder kleinkariert ausübt. Das jemandem anzulasten, der neben seiner Behinderung, die er sowieso schon zu ertragen hat, höhere finanzielle Aufwendungen für sein Studium hat leisten müssen und jetzt eventuell sogar noch gerichtliche Schritte für die Durchsetzung seiner Ansprüche vornehmen muß, finde ich doch schon sehr makaber.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich werde im Zusammenhang mit dem Darlehen noch einen zweiten Punkt wieder aufgreifen; ich habe auf ihn schon einmal hingewiesen. Es geht um den Teilerlaß von Darlehensschulden. Dieser wird als Leistungsprämie verkauft. Eine Leistungsprämie kann er aber nicht sein, weil erstens zu Beginn nicht klar ist, bei welcher konkreten Leistung denn ein Teil des Darlehens erlassen wird. Das geschieht deswegen, weil erst nach Absolvierung des Examens — nicht nur des einzelnen Examens, sondern vieler Examina eines ganzen Jahrgangs — festgestellt wird, wer denn überhaupt diesen leistungsbezogenen Darlehensnachlaß bekommt. Hier liegen also eine Ungerechtigkeit und eine falsche Behaup-



Dr. Jannsen
tung vor. Zweitens ist ein Einfluß der Kandidaten auf diese Leistung nicht gegeben.

(Daweke [CDU/CSU]: Doch! Durch Leistung!)

— Herr Daweke, das sachliche Ergebnis des einen Jahres kann dazu führen, daß kein Darlehensnachlaß erreicht wird. Das gleiche sachliche Ergebnis des anderen Jahres kann dazu führen, daß ein Darlehensnachlaß erreicht wird. Dazu kann der Kandidat nichts tun! Es können Arbeiten abgegeben werden, die im Inhalt und im Gehalt identisch sind. Das haben Sie wohl nicht bedacht.

(Daweke [CDU/CSU]: Doch!)

Herr Daweke, der zweite Punkt, den zu behandeln ich beabsichtige, ist der Bereich derjenigen, die besonders hart betroffen sind, derjenigen, die sich im zweiten Bildungsweg befinden. Laut einer Meldung der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 4. November 1982 versprach Herr Daweke, auf das Kabinett einzuwirken, das wohl in Unkenntnis der realen Situation beschlossen hatte. Er versprach das auf einer Versammlung, die zum BAföG-Kabinettsbeschluß im November 1982 stattfand. Dieser Kabinettsbeschluß enthielt bereits die Ankündigung der Streichung der August-Förderung ab 1984 und Angaben zu weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit dieser neuen Regelung.
Was Herrn Daweke offensichtlich verblüfft hat —

(Abg. Daweke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

das alles geht aus der Zeitungsmeldung hervor — —

(Daweke [CDU/CSU]: Sie müssen einmal zu Ende lesen!)

— Ich habe die Zeitung zu Ende gelesen, Herr Daweke!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006805900
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006806000
Nein, ich erlaube jetzt keine.

(Daweke [CDU/CSU]: Dann zitieren Sie mich aber nicht laufend falsch! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Mein Gott!)

— Herr Daweke, ich habe nicht Sie zitiert, sondern habe die Zeitung zitiert.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Ich gehe auf ein Zahlenbeispiel ein, das für viele im zweiten Bildungsweg gilt. Dabei handelt es sich in der Regel um erwachsene Menschen, die nach den Bedingungen für die Aufnahme in Förderungsmaßnahmen an Schulen des zweiten Bildungsweges auch schon einige Jahre beruflich tätig gewesen sind. Das Ergebnis sieht folgendermaßen aus. Der finanzielle Aufwand dieser Menschen beläuft sich für Miete auf etwa 300 DM, für Ernährung auf 200 DM, für die Krankenkasse auf 50 DM, für Fahrtkosten zur Schule auf 45 DM, für Versicherung und andere Dinge auf 40 DM. Von den 685 DM, die sie maximal — einschließlich der Mietzuschüsse — zur Verfügung haben können, bleiben damit etwa 50 DM für Kleidung, Schuhe, Lehrmaterial, Bücher, Körperpflege und andere Fahrten als die zur Schule übrig, 50 DM monatlich für all das!
Um deutlich zu machen, wen das trifft und was diese Menschen davon halten, zitiere ich aus einem Brief, den ich erhalten habe:
Viele der Studierenden des ZBW haben jahrelang gearbeitet, Steuern bezahlt und Sozialabgaben geleistet. Im Rahmen der Chancengleichheit entschlossen sie sich zur Weiterbildung und gaben ihren sicheren Arbeitsplatz auf. Jetzt werden sie dafür bestraft.
Weiter geht aus diesem Brief hervor: In Zukunft kann es sich kein Arbeiter, kein Arbeitsloser, niemand, der nicht Geld von zu Hause hat, mehr leisten, den zweiten Bildungsweg zu beschreiten.
Es kommt hinzu, daß es ein Arbeitsverbot für Teilnehmer an Studienkollegs gibt, ein Arbeitsverbot und auch kaum eine Arbeitsmöglichkeit, denn schließlich kann nur im August gearbeitet werden, nicht in anderen Monaten. Aber die Kosten laufen ja weiter, und wie bei diesem Aufwand in den anderen elf Monaten das Geld zurückgelegt werden kann, das im August gebraucht wird, soll mir mal einer verraten. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Man wird nur staunen können, wenn diese Menschen überhaupt noch zahlen können.
Ein letzter Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang betrifft das Versprechen, mit der Zauberformel „Familienlastenausgleich" all diese Probleme lösen zu können. Die hier von mir aufgeführten Probleme lassen sich mit dem Familienlastenausgleich sowieso nicht lösen. Außerdem wird der Familienlastenausgleich jungen Menschen, die selbständig zu werden beginnen,. ohnehin in keiner Form gerecht, weil diese jungen Menschen ja nicht die Möglichkeit haben, direkt, unmittelbar als Betroffene, an diese Förderung heranzukommen. Vielmehr müssen sie gegenüber ihren Eltern einklagen, daß sie die Förderung bekommen, wenn die Eltern Schwierigkeiten haben oder es nicht wollen, etwa wenn sie bei denjenigen, die einen zweiten Ausbildungsweg beschreiten wollen, dies nicht für notwendig halten, weil ja eine Ausbildung da ist. Diese jungen Menschen können also deswegen nicht in ihre Ausbildung gehen, weil die Familienförderung das nicht ohne weiteres zuläßt.
Im übrigen möchte ich hinzufügen, daß wir die Familienförderung, den Familienlastenausgleich nicht für ein geeignetes Mittel halten, um jungen Menschen den Eintritt in ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Wir halten es für notwendig, daß alle jungen Menschen eine Grundlage für ihr Leben bekommen, die von der Gesellschaft finanziert wird. Die Finanzierung sollte also nicht nur über die Eltern erfolgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)




Dr. Jannsen
Ich möchte nun noch die Situation im Bereich der BAföG-Anträge ansprechen. Mir sind vom Studentenwerk Angaben über die Zahl der Erstanträge auf BAföG-Gewährung im Wintersemester 1983/84 mitgeteilt worden. Ich nenne als Beispiel ein paar positive und negative Zahlen. In Aachen ist die Zahl der Anträge um 33 %, in Göttingen um 24 % und in Regensburg um 22 % gesunken, obwohl die Studentenzahlen dort um zwischen 2 und 6 % gestiegen sind. In Clausthal und in Dortmund ist die Zahl der Anträge um 8% gestiegen; die Studentenzahlen sind dort ebenfalls um 8 oder 9% gestiegen.

(Daweke [CDU/CSU]: Wovon leben denn diese Studenten zur Zeit wohl?)

— Herr Daweke, ich kann Ihnen leider nicht sagen, wovon diese Studenten leben. Sie können mir das wahrscheinlich auch nicht sagen.
Ich möchte einen letzten Punkt kurz erwähnen und dabei aus dem Bericht zitieren. In einem Zusammenhang, in dem auch die GRÜNEN erwähnt werden, wird dort folgendes gesagt:
Auf diese Weise könnten die gröbsten Ungerechtigkeiten des geltenden Förderungsrechts beseitigt und erheblich zur Akzeptanz des Gesetzes bei den Betroffenen beigetragen werden.
Im Bericht ist es so dargestellt, als wenn wir der Meinung wären, daß diese Akzeptanz wünschenswert wäre. Dieses drückt nicht unsere Meinung aus, denn es geht nicht um die Akzeptanz dieses Förderungsrechts, sondern weiterhin um umfassende weitreichende, lebendige Kritik an diesem Förderungsrecht. Dennoch halten wir es für notwendig, zu versuchen, einzelne Verbesserungen zu erreichen, die mit den Punkten übereinstimmen, die ich hier genannt habe. Wir werden deswegen dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006806100
Das Wort hat Frau Wilms, Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID1006806200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine verehrten Kollegen von der Opposition, manchmal muß ich mich doch sehr wundern, wenn ich Sie hier so reden höre, vor allen Dingen, wenn ich Sie über soziale Leistungen reden höre. Haben Sie denn eigentlich folgendes vergessen — wenn es so sein sollte, möchte ich es Ihnen noch einmal sagen —: Hätten wir Ende 1982 nach Ihrer Regierungszeit volle Kassen vorgefunden, dann hätten wir diese Diskussion hier heute nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

Sie tun in allen Sozialdebatten jetzt so, als ob wir volle Kassen vorgefunden hätten und das Geld unter das Volk gestreut oder es verjubelt hätten. Meine Damen und Herren, ich möchte vor aller Öffentlichkeit noch einmal sagen, daß Ihre Politik die Ursache für eine Reihe von zugegebenermaßen gravierenden sozialen Einschnitten ist, die vorgenommen werden mußten. Dies wollen wir doch einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch die einschneidenden Maßnahmen beim BAföG, insbesondere beim Schüler-BAföG waren auf Grund der von Ihnen verschuldeten desolaten Finanzsituation Ende 1982 notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kuhlwein [SPD]: Sie haben das doch ordnungspolitisch begründet und beabsichtigt!)

Ich weise alles zurück, was Sie uns hier in die Schuhe schieben wollen. Ich möchte hier für das Protokoll und für die Öffentlichkeit festhalten, wer für die Ursachen der notwendigen Maßnahmen verantwortlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Berger [CDU/CSU]: Die Leute wissen das!)

Wir nehmen mit der vorliegenden achten BAföG-Novelle eine Anpassung der BAföG-Leistungen an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem Frühjahr 1982 vor. Ich möchte hier einmal sagen — auch dieses wird von Ihnen ja nicht vorgebracht —, daß 1985 allein vom Bund ein Mehr von 175 Millionen DM für BAföG aufgebracht wird. Im Jahre 1986 wird es ein Mehr von 250 Millionen DM sein. Durch diese Anpassung, meine Damen und Herren, wird garantiert, daß der reale Wert der BAföG-Leistungen erhalten bleibt. Und diese Anpassung ist — auch dies ist neu, war bei Ihnen nicht mehr vorhanden — in der mittelfristigen Finanzplanung abgesichert und damit solide finanziert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage hier, daß sich Eltern und Jugendliche wieder auf die Kontinuität der Leistungen der Ausbildungsförderung verlassen können.

(Lachen bei der SPD)

Auf diese Kontinuität konnten sich die Eltern im Jahre 1982/83 nicht mehr verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kuhlwein [SPD]: Kontinuierlich null!)

Der jetzt zur Beschlußfassung vorliegende Gesetzentwurf enthält eine Anhebung der BAföG-Sätze um durchschnittlich 4 %. Dies entspricht der allgemein sehr niedrigen Preisentwicklungsrate im letzten Jahr. Ich möchte auch dies erwähnen. Es ist ein Erfolg der Bundesregierung, daß es uns gelungen ist, die Preisentwicklung 1983 sehr niedrig zu halten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist sicherlich Ihr gutes Recht — das gebe ich Ihnen zu —, daß Sie höhere Anpassungen fordern. Aber ich sage Ihnen genauso: Diese höhere Anpassung ist nicht zu finanzieren,

(Kuhlwein [SPD]: Aus der Vermögensteuer zum Beispiel!)

insbesondere wenn ich Ihre Forderungen in den
Kontext der Forderungen stelle, die Sie auf anderen



Bundesminister Frau Dr. Wilms
Gebieten allenthalben vortragen. Ich denke, Sie müssen sich entscheiden — ich sage das auch zu den Haushältern Ihrer Fraktion, die hier sitzen —: Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie mit uns eine Sanierung der öffentlichen Haushalte? Oder wollen Sie weiter aus dem Vollen wirtschaften und in eine noch höhere Verschuldung hineinkommen?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zu irgendeiner Politik müssen Sie sich jetzt entschließen.

(Berger [CDU/CSU]: Die wollen erst die Kuh schlachten und dann melken!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006806300
Frau Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID1006806400
Nein. Ich möchte jetzt weitermachen.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006806500
Keine Zwischenfragen.

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID1006806600
Die Steigerung der Bedarfssätze, die wir jetzt vorsehen, ist vernünftig. Der Bedarfssatz für einen auswärts untergebrachten Studenten wird von etwa 660 DM auf 690 DM angehoben. Ein voll geförderter Student wird also künftig, je nach Höhe seiner Mietkosten, bis zu 788 DM Förderung im Monat erhalten. Damit liegt das BAföG für Studenten etwa in derselben Größenordnung wie der von der Zehnten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks mit 800 DM ermittelte Bedarfssatz, der dann noch Sonderleistungen für Kino, Hobby usw. zusätzlich enthält.
Meine Damen und Herren, ich erlaube mir, an dieser Stelle auch daran zu erinnern, daß fast die Hälfte aller Studenten mit Einnahmen von weniger als 700 DM auskommen muß. Mancher Student, der kein BAföG erhalten kann, wäre glücklich, wenn er wie ein BAföG-Empfänger gestellt wäre, weil es sich dabei um ein zinsloses Darlehen mit großzügigen Rückzahlungsmodalitäten handelt. Wir stehen mit unserer Studentenförderung in Europa immer noch an der Spitze.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich noch eines mit allem Nachdruck sagen, gerade weil wir uns jetzt so sehr um die Situation von Lehrlingen bemühen: Mancher Facharbeiter wäre froh, wenn er seine Meisterausbildung zu so günstigen Bedingungen finanzieren könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun noch zu den vom Deutschen Studentenwerk in diesen Tagen gemeldeten und interpretierten Angaben über Rückgänge der Zahl von Erstanträgen von Studenten für BAföG. Ich muß hier leider feststellen — und ich weiß, was ich sage —, daß das Deutsche Studentenwerk diese Zahlen nicht korrekt interpretiert hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Folgendes ist dazu zu bemerken.

Erstens. Ein Vergleich zeigt, daß die Zahl der Erstanträge immer in den Jahren nach Anhebung der Beitragssätze zurückgegangen ist, also letztmals nach 1982.
Zweitens. Erstantragstelle sind nicht mit Studienanfängern gleichzusetzen. Dies ist eine falsche Interpretation.
Drittens. Rückgängen bei einigen Hochschulen und bei einigen Studienbereichen wie z. B. bei den Lehramtsstudien stehen Steigerungsraten bei den Erstanträgen etwa bei Fachhochschulen gegenüber.

(Berger [CDU/CSU]: Das ist eine vernünftige Entwicklung!)

Zu Aachen, weil das die Kollegin Odendahl vorhin angeführt hat: Wir bzw. das Land Nordrhein-Westfalen stehen bereits mit Aachen in Verbindung. Dort ist nämlich nicht korrekt verfahren worden. Die Zahl ist in Aachen fälschlich dadurch zustande gekommen, daß in der Zahl der Anträge für das Wintersemester 1982/83 auch unerledigte Altanträge aus dem Vorjahr enthalten waren, während das bei den Neuanträgen für das Wintersemester 1983/84 nicht der Fall war. Wir werden dem nachgehen. Hier ist also ein unsolider, unkorrekter Vergleich gestartet worden. Ich muß das leider sagen.
Der Gesetzentwurf wird durch die Anträge gleich noch einmal zum Anlaß genommen, die von der Bundesregierung und der Koalition getroffene Grundsatzentscheidung vom Dezember 1982 über das Schüler-BAföG korrigieren zu wollen. Diese Anträge, die Sie, Frau Kollegin Schmidt, gleich begründen werden,

(Kuhlwein [SPD]: Sehr gute Anträge!)

würden selbst dann zu erheblichen Mehrkosten führen, wenn alle Ihre Deckungsvorschläge im federführenden Ausschuß aufgegriffen würden. Aber die decken eben nicht alles. Auch dies muß hier klar gesagt werden. Außerdem — das möchte ich auch den Kollegen sagen, die vielleicht von Frau Kollegin Schmidt nicht darüber informiert werden —: Sie schlagen bei Ihren Deckungsvorschlägen Eingriffe in den Einkommensbegriff vor, die besonders zu einer erneuten Belastung von Landwirten oder Häuschenbesitzern führen würden. Das sind Gruppen, die von uns sowieso schon gerade in diesen Zeiten ungeheuer belastet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Außerdem wollen wir — das sage ich mit Blick auf die Abendgymnasien — nicht generell die elternunabhängige Förderung der Abendgymnasiasten abschaffen.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Wir auch nicht!)

Zur Begründung der neuen Forderungen wird auf ein berühmtes Interview des Bundeskanzlers Bezug genommen. Ehrlich gesagt: Die Aufregung, die darüber entstanden ist, verstehe ich nun auch nicht ganz.

(Berger [CDU/CSU]: Die mögen den wohl sehr!)




Bundesminister Frau Dr. Wilms
Denn ich habe in den Debatten über die Umstellung des BAföG von Anfang an auf die nicht vermeidbaren Härten hingewiesen. Aber ich sage noch einmal: Nicht diese Bundesregierung hat das allgemeine Finanzdesaster herbeigeführt, sondern das waren Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kuhlwein [SPD]: Sagen Sie doch was zum Kahlschlag!)

Wir wollen jetzt versuchen, durch Neustrukturierung in der Bildungsförderung die Weichen neu zu stellen, immer vor dem Hintergrund des finanzpolitisch Möglichen. Lassen Sie mich dazu noch drei Anmerkungen machen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom Mai 1983 auf die Zielrichtung der Ausbildungsförderung hingewiesen. Schülerförderung ist nach Auffassung der Bundesregierung im Schwerpunkt Ländersache, wie ja auch die Lehr- und Lernmittelfreiheit von den Ländern geregelt wird. Fast alle Länder haben bei der Schülerförderung inzwischen entsprechende Gesetze verabschiedet und Mittel bereitgestellt.

(Allgemeine Unruhe)

Aus der Sicht der Bundesregierung ist es wünschenswert, daß die Schülerförderung seitens der Länder weiter ausgebaut wird.
Zweitens. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, daß im Rahmen eines neu geordneten Familienlastenausgleichs die Lasten der Familien für die Ausbildung ihrer Kinder Berücksichtigung finden. Herr Kollege Jannsen von den GRÜNEN, wir sehen durchaus eine enge Verbindung zwischen der Familie und der Sorge der Familie für ihre Kinder. Da unterscheiden wir uns vielleicht wirklich grundsätzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zu der Neuregelung im Familienlastenausgleich gehören Entlastungen im steuerlichen Bereich. Wir werden beim Familienlastenausgleich die Belange der Familien mit heranwachsenden Kindern ebenso wie die der jungen Familien berücksichtigen. Über die konkreten Formen ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Wir werden sie in ein Gesamtkonzept einbinden müssen, das die immer noch höchst prekäre Finanzsituation beim Bund und bei den Ländern berücksichtigt. Wichtig ist für uns, daß die Dispositionsfreiheit der Familien erweitert und gestärkt wird.

(Anhaltende allgemeine Unruhe)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006806700
Meine Damen und Herren, wir hatten gestern eine Debatte mit vielen guten Worten. Die Bundesministerin könnte in Erinnerung an diese Debatte um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID1006806800
Drittens. An der Umstellung des Studenten-BAföG auf Darlehen wird nichts geändert.
Sie ist ordnungspolitisch im Sinne der Gerechtigkeit zwischen Studierenden und jungen Berufstätigen geboten. Die Berücksichtigung von Leistungskriterien beim teilweisen Darlehenserlaß halten wir nach wie vor für gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren, zum Schluß darf ich mich noch bedanken, daß das Parlament und seine Ausschüsse eine so zügige Beratung des Gesetzentwurfs ermöglicht haben. Die Länder und die Förderungsämter erhalten damit den notwendigen zeitlichen Spielraum, um bei den Förderungsanträgen für das nächste Jahr bereits die erhöhten Sätze zugrunde legen zu können.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006806900
Meine Damen und Herren, die allgemeine Aussprache ist beendet.
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung. Es liegt auf Drucksache 10/1285 ein sozialdemokratischer Antrag vor. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt und mündliche Begründung gewünscht. Hierzu erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Schmidt (Nürnberg).

(Unruhe)

— Meine Damen und Herren, es ist im Augenblick sehr schwierig, von dem Rederecht geziemenden Gebrauch zu machen. Ich bitte um die Liebenswürdigkeit, Platz zu nehmen und der Rednerin Aufmerksamkeit zu widmen. Wir werden sonst sicherlich nicht nach dem vorgesehenen Zeitplan fertig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1006807000
Danke schön. — Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister Wilms, Sie wissen, es würde mich jetzt ungeheuer jucken, auf das einzugehen, was Sie gesagt haben. Ich kann das nicht, weil ich nur die Anträge begründen darf.
Der Antrag, der von uns gestellt worden ist, macht unsere grundsätzliche Kritik und unsere grundsätzliche Forderung nach Wiederherstellen des BAföG nicht gegenstandslos. Der Bundeskanzler hat in einem Interview in einer von mir sonst nicht besonders geschätzten Zeitung gesagt — darüber sind wir überhaupt nicht aufgeregt, sondern wir begrüßen das —: Der BAföG-Kahlschlag war möglicherweise zu hart. Daran ist nur ein einziges Wörtchen falsch, nämlich das Wörtchen „möglicherweise".

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es handelt sich hier eben nicht um Altholz und Holzwirtschaft, sondern um ganz lebendige junge Menschen. Es handelt sich bei unserem Antrag auch nicht um das Wiederherstellen oder das Verändern der Struktur des jetzigen BAföG, sondern es handelt sich um das, was auch wiederum der Bundeskanzler gesagt hat, nämlich darum, daß diese Gesetzesänderungen mit der heißen Nadel genäht worden sind.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)




Frau Schmidt (Nürnberg)

Mit diesen Äußerungen wurden Fehler bekannt und bei Betroffenen Hoffnungen geweckt.

(Unruhe)

— Ich höre doch auf.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006807100
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1006807200
Je lauter Sie sind, desto später kommen Sie in die Osterpause. Ich kann hier auch zwanzig Minuten oder eine halbe Stunde stehenbleiben. Hören Sie mir bitte zu.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006807300
Das ging uns allerdings alle miteinander an, Frau Kollegin.

(Austermann [CDU/CSU]: Eine schreckliche Drohung!)


Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1006807400
Mit diesem Antrag werden die gröbsten Fehler, die schlimmsten Ungerechtigkeiten, die unverständlichsten Dinge beseitigt und Chancengleichheit in einem ganz kleinen Umfang wiederhergestellt.
Zu unserem ersten Punkt. Das Parlament hat hier häufig über Wehrgerechtigkeit debattiert. Dieses selbe Parlament hat vor wenigen Wochen ein Sondergesetz einstimmig angenommen, womit Lehrer nicht mehr benachteiligt werden sollen, die Wehr- oder Zivildienst geleistet haben. Sie waren es, die Wehrdienste und Wehrgerechtigkeit immer haben wollten. Dieses Parlament hat mit der jetzigen BAföG-Regelung dafür gesorgt, daß Studenten durch ihren Wehr- oder Zivildienst nicht benachteiligt werden sollen. Dieses selbe Parlament hat die Schüler in dem selben Gesetz schlicht und einfach und ohne weitere Umstände vergessen — vergessen! —; ich sage noch einmal: mit heißer Nadel genäht. Lehrer werden nicht benachteiligt, Studenten werden nicht benachteiligt, aber der Schlosserlehrling, der seinen Wehr- oder Zivildienst geleistet hat und anschließend auf die Berufsaufbauschule gehen will, bekommt überhaupt nichts mehr. Seinem Kollegen Student geben wir wenigstens noch das Darlehen und teilweise einen Zuschuß. Wir schaffen mit diesem Gesetz eine Zwei-KlassenWehrgerechtigkeit. Ich kann Sie nur herzlich bitten: Machen Sie das rückgängig!

(Beifall bei der SPD)

Nun zu unserem zweiten Antrag. Ich habe hier schon häufig an Beispielen zu erläutern versucht, was wir gerade für die im Antrag genannte Personengruppe angerichtet haben. Das sind samt und sonders Schüler und vor allem Schülerinnen des beruflichen zweiten Bildungswegs.

(Anhaltende Unruhe — Glocke des Präsidenten)

Es geht um junge Menschen, über die wir hier oft daherschwafeln. — Ich bitte Sie jetzt einmal ganz herzlich, zuzuhören und dafür zu sorgen, daß sie wenigstens den Eindruck haben, daß hier ernsthaft über ihre Anliegen geredet wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten bei der FDP — Dr. Geißler [CDU/CSU]: Das müssen Sie der anderen Seite sagen, nicht uns!)

— Auch dorthin.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006807500
Meine Damen und Herren, das Wort hat die Rednerin.
Ich bitte Sie, fortzufahren.

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1006807600
Das sind junge Leute, die einen Beruf haben, den sie auch jahrelang ausgeübt haben und nun versuchen, sich weiter zu qualifizieren, junge Frauen vor allen Dingen — von denen war gestern hier auch sehr viel die Rede —, die verwitwet oder geschieden sind und Kinder haben und die versuchen, wieder eine berufliche Basis zu finden. Diese haben längst einen eigenen Hausstand, wohnen vielleicht Hunderte von Kilometern von ihren Eltern entfernt; die Eltern sind häufig bereits Rentner und haben ihren jetzt erwachsenen Kindern vor Jahren auch die erste Berufsausbildung bezahlt. Diesen Menschen mutet das jetzige Bundesausbildungsförderungsgesetz — ich glaube, weil wir schludrig gearbeitet haben — wieder zu, zu ihren Eltern zu ziehen, und den Eltern mutet es zu, die gesamte zweite Ausbildung zu bezahlen, aber nur dann — da wird es dann widersinnig —, wenn diese Eltern in einer Stadt wohnen, in der zufälligerweise eine Schule ist, die diese jungen Leute besuchen könnten. Wenn dieselben Eltern auf dem Land wohnen, dann ist alles wieder in Ordnung und sie bekommen BAföG, obwohl der Ausbildungsort mehrere Hundert Kilometer entfernt ist.
Der Bundesrat und vor allen Dingen die unionsgeführten Länder haben gesagt: Dies ist nicht zumutbar; Bund, fördere das weiter! — Wir fordern Sie mit unserem Antrag nur auf, dieser Gesetzesinterpretation des Bundesrates auch zu folgen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Geißler [CDU/ CSU]: Die Länder haben Entlastung bekommen!)

Nun zum Dritten. Wir wollen, daß für den Monat August auch die Schüler wieder gefördert werden. Studenten erhalten selbstverständlich BAföG für 12 Monate im Jahr, Schüler nur für 11 Monate. Das mag für die Schüler hingenommen werden, die unter Einbeziehung des Einkommens der Eltern gefördert werden. Das ist nicht hinzunehmen für diejenigen, die unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern, weil sie vielleicht gar keine mehr haben, gefördert werden.
Ich darf Sie auf einen Brief der Caritas aus Nordrhein-Westfalen an Frau Bundesminister Wilms verweisen, in dem davon gesprochen wird, daß einige Bildungseinrichtungen für Spätaussiedler wegen dieses 12. Monats, weil sie nicht in der Lage sind, auch noch kostenlos Unterhalt zu gewähren, sehr gefährdet sind.
Meine verehrten Kollegen, ich glaube, wir schaden dem Ansehen des Parlaments insgesamt, wenn erkannte Fehler nicht beseitigt werden.

(Beifall bei der SPD)




Frau Schmidt (Nürnberg)

Dieses Parlament war bisher auch fähig, Fehler, die es gemacht hat, zu korrigieren. Ich erinnere nur an das Taschengeld für Altenheimbewohner. Was wir gemeinsam angerichtet hatten, haben wir dann auch wieder gemeinsam in Ordnung gebracht.
Der Bundeskanzler hat Hoffnungen geweckt, daß das auch hier getan wird. Jetzt werden diese jungen Leute auf den Familienlastenausgleich vertröstet. Ich frage Sie: Was macht der wehrpflichtige junge Mann, der im Jahre 1983 Wehrdienst geleistet hat, damit, daß 1986/87 oder 1988, wenn seine Ausbildung längst abgebrochen ist, im Familienlastenausgleich etwas korrigiert wird?
Die jungen Leute im Jugendprotest bemängeln vor allen Dingen, daß das Reden und Handeln von Politikern nicht übereinstimmt. Zeigen wir doch endlich, daß wir dazu fähig sind, daß es nicht bei Redereien in der „Bild"-Zeitung bleibt, sondern daß wir endlich auch danach handeln.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundeskanzler — er ist immer noch nicht da — müßte dabei eigentlich den Anfang machen. Er müßte zeigen, daß er den Worten auch Taten folgen läßt.
Wir beantragen für diesen Antrag, der nur wieder vernünftiges Recht herstellen soll, namentliche Abstimmung. Stimmen Sie unseren Anträgen zu,

(Feilcke [CDU/CSU]: Bestimmt nicht!)

wenn Sie nicht wollen, daß Kanzler Kohl Kahlschlagkanzler gegen Wehrgerechtigkeit, gegen Frauen mit Kindern und gegen den zweiten Bildungsweg genannt werden wird.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist abenteuerlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006807700
Das Wort zur Aussprache hat der Abgeordnete Daweke. — Danach kommen wir zur Abstimmung.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1006807800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schmidt hat über die Ungerechtigkeiten des existierenden BAföG geredet. Ich zeige Ihnen die rote Karte, denn unsolide und ungerecht gegenüber der jungen Generation war eine Politik, die dieser Generation so viel Schulden hinterlassen hat, daß sie Jahre brauchen wird, um das abzutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Frau Schmidt, wo sind Sie denn eigentlich gewesen? Sie sind doch 1980 in den Bundestag gekommen. Haben Sie denn alles vergessen, was Voraussetzung dieser Politik war? Es tut uns auch weh, wenn wir in soziale Besitzstände einschneiden müssen. Wo sind Sie denn in den letzten 13 Jahren gewesen, als Sie das Geld mit dem Füllhorn hinausgeschmissen haben, und als Sie dafür gesorgt haben, daß die nächste Generation Jahr für Jahr das Zigfache von dem, was Sie hier jetzt verteilen wollen, alleine an Banken, an Scheichs — ich weiß nicht, an wen sonst noch — bezahlen muß, um die Schulden abzutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006807900
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1006808000
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege Westphal, nein.

(Zurufe von der SPD)

Wir lehnen den von Ihnen gestellten Antrag ab, weil er unsolide ist, weil er nicht finanzierbar ist und weil er neue Ungerechtigkeiten schafft.
Noch im Ausschuß hat die SPD verlangt, daß wir zusätzlich 180 Millionen DM für eine höhere Anpassung bereitstellen. Offensichtlich haben Sie diesen Antrag nach Rücksprache mit Ihren eigenen Finanzern jetzt nicht mehr neu eingebracht. Das spricht wenigstens für diese Gruppe in Ihrer Fraktion.
Unsolide ist, daß Sie den Eindruck erwecken, als könnten Sie denjenigen, die den zweiten Bildungsweg beschreiten, insbesondere den Fachoberschülern, durch Ihren Antrag helfen. Das wird nicht gemacht. Ich halte es für unsolide, wie Sie vorgehen.
Sie haben im Ausschuß 300 Millionen DM mehr gefordert. Das ist nicht finanzierbar. Wenn Sie 300 Millionen DM mehr fordern, dann müssen Sie bei der Lage unseres Bildungshaushalts auf die Erhöhung des BAföG verzichten. Das können Sie doch ernsthaft nicht wollen. Sie stellen hier im Grunde genommen doch nur Schauanträge.
Letzte Bemerkung: Wenn Sie den Familien, die ihren Kindern eine Ausbildung finanziert haben, jetzt zumuten, daß sie ihnen auch noch die zweite Ausbildung finanzieren sollen — so würde es nämlich kommen, wenn die von Ihnen vorgeschlagene elternabhängige Förderung wieder eingeführt würde; damit begründen Sie j a Ihren Finanzierungsvorschlag —, dann schaffen Sie neue Ungerechtigkeiten.
Meine Damen und Herren, weil das unsolide ist, müssen wir Ihre Anträge ablehnen. Ich bitte Sie, meine Kollegen von der Koalition auch so zu stimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006808100
Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Erhebt sich Widerspruch dagegen, daß vor Aufruf der Einzelvorschriften über diesen Änderungsantrag im ganzen abgestimmt wird? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf der Drucksache 10/1285 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmt oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechenden Abstimmungskarten in die hier vorn aufgestellten Urnen einzuwerfen.



Präsident Dr. Barzel
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Ich darf zum erstenmal fragen, ob alle Kolleginnen und Kollegen Gelegenheit hatten, sich an der Abstimmung zu beteiligen. — Das ist nicht der Fall.
Ich darf erneut fragen, ob alle Gelegenheit hatten, sich an der namentlichen Abstimmung zu beteiligen. — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Mitglieder des Deutschen Bundestages Gelegenheit zur Abstimmung gehabt? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Gelegenheit gehabt, sich an der Abstimmung zu beteiligen? — Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich möchte gerne das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben. — Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Deutschen Bundestages haben 405 ihre Stimme abgegeben. Ungültig keine. Mit Ja haben gestimmt 178, mit Nein 227; Enthaltungen keine.
19 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Davon ungültig keine; mit Ja 8, mit Nein 11.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 405 und 19 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 178 und 8 Berliner Abgeordnete
nein: 227 und 11 Berliner Abgeordnete
Ja
SPD
Amling Antretter
Dr. Apel Bachmaier
Bahr Bamberg
Becker (Nienberge) Berschkeit
Bindig
Frau Blunck
Brück Buckpesch
Büchler (Hof)

Dr. von Bülow Buschfort
Collet Conradi
Curdt
Frau Dr. Czempiel Daubertshäuser Delorme
Dreßler
Duve
Dr. Ehmke (Bonn) Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Gobrecht Grunenberg
Dr. Haack Haase (Fürth)

Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herterich Hettling
Hiller (Lübeck) Hoffmann (Saarbrücken) Horn
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann
Kastning Kirschner Kisslinger Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow
Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Lutz
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop) Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel
Frau Odendahl
Paterna Pauli
Peter (Kassel)

Pfuhl
Poß
Purps
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger
Reschke Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Schlaga Schlatter
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Dr. Soell Dr. Spöri Stahl (Kempen)

Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stockleben
Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak Vahlberg Verheugen Vogelsang
Voigt (Frankfurt) Waltemathe Walther
Weinhofer Westphal
Frau Weyel Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With Wolfram

(Recklinghausen) Zander

Zeitler
Frau Zutt
Berliner Abgeordnete
Dr. Diederich (Berlin) Egert
Heimann Löffler
Dr. Mitzscherling
Dr. Vogel Wartenberg (Berlin)

DIE GRÜNEN
Frau Dr. Bard
Frau Beck-Oberdorf Burgmann
Drabiniok
Dr. Ehmke (Ettlingen) Fischer (Frankfurt) Frau Dr. Hickel Horacek
Dr. Jannsen
Frau Kelly
Kleinert (Marburg) Krizsan
Frau Nickels
Frau Potthast
Frau Reetz
Schily
Frau Schoppe Stratmann
Verheyen (Bielefeld) Vogt (Kaiserslautern) Frau Dr. Vollmer
Berliner Abgeordneter Schneider (Berlin)

Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. Althammer
Frau Augustin Austermann Dr. Barzel Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Biehle
Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen
Borchert Breuer
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl
Carstens (Emstek)




Präsident Dr. Barzel
Carstensen

(Nordstrand)

Clemens
Conrad (Riegelsberg) Dr. Czaja
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar Eigen
Erhard

(Bad Schwalbach) Frau Fischer

Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Günther von Hammerstein
Hanz (Dahlen) Hartmann Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Dr. Köhler (Duisburg) Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden) Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Marschewski Dr. Marx
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat
Dr. Miltner Milz
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Repnik
Rode (Wietzen) Frau Rönsch Dr. Rose
Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart)

Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen)
Dr. Schäuble Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Dr. Stoltenberg Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner
Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Frau Berger (Berlin) Boroffka
Buschbom
Dolata
Feilcke
Dr. Hackel Kalisch
Dr. h. c. Lorenz Schulze (Berlin) Straßmeir
FDP
Baum
Beckmann Bredehorn Eimer (Fürth) Engelhard Ertl
Gallus
Gattermann Grüner
Dr. Hirsch Hoff ie
Kleinert (Hannover) Kohn
Mischnick Neuhausen Paintner
Ronneburger
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms Dr. Weng
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Berliner Abgeordneter Hoppe
Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wir kommen zur Abgabe von Erklärungen. Zuerst hat das Wort der Abgeordnete Vogelsang.
Vogelsang [SPD]: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Erklärung mit zwei Zitaten beginnen. Das erste Zitat ist aus einer CDU-Wahlanzeige und heißt: „Für jeden ist eine Lehrstelle da." Das zweite Zitat ist aus einem Interview mit dem Herrn Bundeskanzler: „Beim Schüler- und Studenten-BAföG war möglicherweise der Kahlschlag zu hart."
Es ist nicht der Sinn einer Erklärung, diese Zitate zu kommentieren.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Auch nicht vorzulesen!)

Ich will mir das auch verkneifen. Darüber ist eben schon genug gesprochen worden. Wir wollten mit unseren Anträgen, die Sie eben mit Mehrheit abgelehnt haben, lediglich die Möglichkeit geben, Politik nicht nur in der „Bild"-Zeitung zu machen, sondern in diesem Saal, wo sie auch zu machen ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




Vogelsang
Ich habe mich auch nicht um die Glaubwürdigkeit von Kanzleräußerungen zu sorgen. Das ist seine eigene Sache. Worüber ich mir aber Sorgen mache, ist, ob wir nicht bei diesem Verhalten — Ankündigungen in der Öffentlichkeit, aber keine Politik in diesem Saal — den Kredit bei der Jugend verspielen. Das ist meine Sorge.

(Beifall bei der SPD — Werner [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal etwas zur Abstimmung! Sie wollen doch eine Erklärung zur Abstimmung geben!)

Es ist auch zuwenig, wenn der Herr Bundskanzler sagt: Ich bejahe die Frage rundherum mit Ja.

(Feilcke [CDU/CSU]: Ist das eine Erklärung?)

Frau Dr. Wilms, Sie haben in der Debatte das Wort „verlassen" gebraucht. Sie wissen, um die Doppeldeutigkeit dieses Wortes. Ich freue mich darüber, daß Sie in einem Interview auf die Frage, ob Ihnen das Amt Spaß mache, erklärt haben: Ja, es macht mir Spaß. Ich bin durchaus der Auffassung: Wer schaffen will, muß fröhlich sein. Es wird aber auch darauf ankommen, daß das Ergebnis dieses Schaffens denen Freude bereitet, die davon betroffen sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen nun vor der dritten Lesung, und da stehen nur noch die Anpassungen der Förder- und Freibeträge zur Abstimmung. Wir werden, wie in der zweiten Lesung

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist „wir"?)

— wir Sozialdemokraten —, dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zustimmen. Nur, es wäre falsch, wenn Sie daraus den Schluß ziehen wollten, damit würden wir Ihrer Politik, soweit es das BAföG angeht, insgesamt unsere Zustimmung geben.

(Beifall des Abg. Kuhlwein [SPD])

Wir vertreten nach wie vor den Standpunkt, daß Sie mit Ihren Maßnahmen hier viel zu weit gegangen sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen mit unserer Zustimmung erreichen, daß die Härten in diesem Gesetz nicht noch größer werden, als sie heute schon sind.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie hier heute finanzielle Argumente eingeführt haben: Ich glaube nicht, daß das überzeugend ist — insbesondere nicht für uns —, wenn von Ihnen in der Öffentlichkeit im gleichen Atemzug darüber diskutiert wird, daß Sie in Zukunft die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden durch eine Steuerreform um 25 Milliarden DM schmälern wollen. Da scheint mir das Argument, wir könnten diese Härten aus finanziellen Gründen nicht beseitigen, nicht besonders überzeugend zu sein.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006808200
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Männle.

Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID1006808300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Wir haben soeben ein seltenes Schauspiel erlebt, so meine ich; ich würde es fast eine Komödie nennen. Die Wiederholung von Zitaten bringt ja nun nichts Neues mehr; es ist j a hier heute auch dagegen argumentiert worden.
Die Anträge der SPD waren auf eine recht billige Effekthascherei ausgerichtet.

(Kuhlwein [SPD]: Wir verstehen, daß Sie das nicht gerne hören!)

Es ist billig, zu versprechen, es ist billig, zu verteilen und die Rechnung dann dem Wirt zu überlassen. Meine Damen und Herren, wo blieben denn Ihre Deckungsvorschläge? Sie wissen ja auch, daß Sie die Kostenerhöhung beim BAföG während Ihrer Regierungszeit keineswegs durchgehalten hätten. Sie haben sich j a auch über die Einfrierung von BAföG-Sätzen zerstritten. Wo hätten Sie denn da angesetzt? Ich meine, Sie stehlen sich mit Ihren Äußerungen aus der Verantwortung.
Wir haben im Ausschuß Einigkeit darüber erzielt, daß wir die Strukturprobleme, die es beim BAföG gibt — und die gibt es j a —, später, in einer späteren Diskussion, in einer neuen Auseinandersetzung genau unter die Lupe nehmen und eine Neuregelung schaffen. Wir wissen, daß es in Einzelfällen Schwierigkeiten gibt. Aber was haben Sie davon, wenn man da noch etwas hinsetzt, dort noch etwas abschnippelt, so daß das, was dann dabei herauskommt, eine echte Flickschusterei ist? So etwas, ein derartiges Flickwerk können wir doch nicht wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen den gesamten Bereich der Ausbildungsförderung neu überdenken. Diese Chance sollten wir jetzt in der Tat endlich ergreifen. Eltern haben große Ausbildungsbelastungen. Diese sollten auch in der Steuerreform berücksichtigt werden, es sollte ihnen Rechnung getragen werden.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Heute!)

Wenn Sie, Frau Schmidt, dann sagen werden, daß die Reichen da wieder etwas bekommen, die anderen aber nicht, dann wissen Sie, daß dies konkret gelogen ist.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Wie bitte? — Anhaltender Widerspruch bei der SPD)

Sie wissen, daß wir im Steuerbereich ansetzen werden und natürlich auch für diejenigen etwas tun werden, die nicht in den Genuß von Steuererleichterungen kommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD]: Da bin ich aber sehr gespannt!)

Ich weiß, daß Sie dies in der Öffentlichkeit keineswegs in den Mittelpunkt setzen wollen.

(Kuhlwein [SPD]: Herr Stoltenberg darf das aber nicht hören! Der will das nicht, der Finanzminister will das nicht!)




Frau Männle
Meine sehr geehrten Damen und Herren aus der SPD, Sie versuchen jetzt, das alte BAföG hochzustilisieren.

(Kuhlwein [SPD]: Das war auch wirklich gut!)

Dabei verschleiern Sie all die Strukturprobleme, all die Ungerechtigkeiten, die wir mit diesem BAföG haben.
Es geht uns jetzt tatsächlich um eine Neukonzeption, die in den Familienlastenausgleich eingebunden werden soll. Wir wollen alle diejenigen unterstützen, die tatsächlich Belastungen mit der Ausbildung haben. Wir wollen natürlich nicht, daß es aus sozialen Gründen nicht möglich ist, begabten Kindern die weitere Ausbildung zu gewährleisten.

(Kuhlwein [SPD]: Das ist doch heute so!)

Um was geht es uns jetzt in dieser Abstimmung? Darüber besteht Einigkeit, das hat Herr Vogelsang gerade auch gesagt. Es geht um die Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung, d. h. es geht um die Erhöhung der Freibeträge, es geht um die Erhöhung der Bedarfssätze, und hier haben wir auch einigermaßen rechtzeitig und zügig beraten. Der reale Wert der Förderungsbeiträge darf nicht absinken — das haben wir betont —, und deshalb erhöhen wir um 4 % und haben ab Herbst 1985 eine Zwischenanpassung der Freibeträge von 2 %. Wir sind uns da einig. Sie haben gesagt, Sie werden zustimmen.

(Kuhlwein [SPD]: Besser als gar nichts!)

Wir sollten hier jetzt abstimmen und dann insgesamt die Diskussion beginnen, um die gegenwärtige mißliebige Situation im BAföG zu überwinden. Wir wollen die Strukturveränderungen in Gang setzen und damit endlich eine gerechte Lösung für alle Familien finden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006808400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jannsen.

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006808500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Gesetz, wie es jetzt da ist, liegt nur mehr ein Torso vor. Es wird eine Anpassung von Freibeträgen und Bedarfssätzen vorgelegt, die nicht den Notwendigkeiten entspricht. Gleichwohl befinden wir uns natürlich in einer Zwickmühle, weil die BAföG-Empfänger auf diese leichte Erhöhung angewiesen sind.
Unser Abstimmungsverhalten wird sich entsprechend dieser Zwickmühle äußern. Wir werden nicht bereit sein, einem solchen Gesetz, das sich Änderungsgesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz nennt, zuzustimmen. Wir werden allerdings
dieses Gesetz auch nicht ablehnen, sondern wir werden uns in diesem Falle bewußt und ganz gezielt unter diesen Vorstellungen — dieses Gesetz bietet einigen weniges, aber anderen nichts — der Stimme enthalten.
Ich danke Ihnen.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006808600
Das Wort hat der Abgeordnete Neuhausen.

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1006808700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz kurz: Wie bereits in der zweiten Lesung zum Ausdruck gebracht, stimmt die Fraktion der FDP dem vorgelegten Gesetzentwurf zu. Die Verbesserungen der Bedarfssätze und Freibeträge im Herbst 1984 um 4 % und die vorgesehene Zwischenanpassung der Freibeträge um 2 % im Herbst 1985 sind nicht nur allgemein zu begrüßen, sie sind eine richtige Maßnahme, sie sind unter anderem eine Klarstellung, daß auch in finanzpolitisch schwierigen Zeiten der soziale Aspekt der Bildungspolitik, wenn auch in beschränktem Rahmen, seinen hohen Stellenwert behält.
Da wir uns den Ostertagen nähern, ist es angebracht, sich österlich zu verhalten. Ich tue es, indem ich so kurz zu Ihnen spreche.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1006808800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Das Gesetz ist damit angenommen.
Erlauben Sie mir ein kurzes Wort, meine Damen und Herren. Vor den Weihnachtsferien hatte ich angeregt, daß wir uns um kürzere, lebendigere, freiere Reden und Debatten bemühen. Ich glaube, wir haben gestern einen guten Weg beschritten. Wir sollten herzhaft diesen Weg fortzusetzen uns bemühen und auch die anderen Fragen, die auf dem Tisch liegen, nicht zögerlich behandeln.
Ihnen allen, meine Damen und Herren, und vor allen Dingen denen, die wir hier vertreten, also unserem Volk, und dort vor allen Dingen denen, die einsam und krank sind, wünsche ich von Herzen gnadenreiche Ostern.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 3. Mai 1984, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.