Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Wir treten ein in die
Fragestunde
— Drucksache 10/1253 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die junge DDR-Zuwanderer bei einem Studienwunsch in einem der medizinischen Studienfächer seit Einführung des besonderen Auswahlverfahrens haben, weil die besonderen Umstände insbesondere des Bildungsweges derjenigen, die dem DDR-System kritisch gegenüberstanden, nicht mehr berücksichtigt werden können, und gedenkt die Bundesregierung, hier Abhilfe zu schaffen?
Bitte sehr.
Herr Präsident! Herr Kollege Kuhlwein, zuständig für die Durchführung des Verfahrens zur Zulassung zum Studium sind die Länder, die die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen unter anderem mit der Studienplatzvergabe in den medizinischen Studienfächern beauftragt haben. Nach hier vorliegenden Informationen aus einzelnen Ländern und der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen trifft es nicht zu, daß seit Einführung des sogenannten Übergangsverfahrens zum besonderen Auswahlverfahren für die Studienplatzvergabe in den medizinischen Studienfächern bei Studienbewerbern, die aus der DDR kommen, etwaige besondere Umstände, die z. B. wegen einer kritischen Einstellung gegenüber dem DDR-System zu einer negativen Beeinflussung des Bildungsweges führten, nicht mehr berücksichtigt werden. Mit einem Härtefallantrag können solche Umstände nach wie vor geltend gemacht werden.
Im einzelnen gilt folgendes: Studienbewerber, die bereits in der DDR in einem medizinischen Studiengang zugelassen waren, werden für diesen Studiengang unmittelbar zugelassen. Studienbewerber, die nachweisen können, daß sie auf Grund der Auswahlkriterien des Vergabeverfahrens einen Studienplatz an einer Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland zu einem früheren Zeitpunkt erhalten hätten, wenn sie bereits früher in die Bundesrepublik hätten kommen können, können auf Grund eines Härtefallantrages prinzipiell direkt zum Studium in einem der medizinischen Studienfächer zugelassen werden. Im übrigen können Studienbewerber aus der DDR in einem Härtefallantrag Umstände geltend machen, die sie daran gehindert haben, einen besseren Notendurchschnitt zu erreichen. Bei Anerkennung eines solchen Härtefallantrages wird unter Berücksichtigung der besonderen Umstände eine entsprechende Verbesserung des Notendurchschnitts vorgenommen. Diese Durchschnittsnote wird dann im weiteren Zulassungsverfahren zugrunde gelegt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn die angesprochenen Fälle alle so im Sinne der Bewerber zu regeln sind, wie Sie das hier darstellen, wie können Sie dann erklären, daß Zuwanderer aus der DDR vor etwa 14 Tagen in einem Gespräch des Bundespresseamtes, veranstaltet von der Otto-Benecke-Stiftung, Abgeordneten dieses Hauses gegenüber erklärt haben, es gebe Probleme insbesondere bei der Zulassung zu Numerus-clausus-Fächern?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, die Auskunft, die ich Ihnen hier gegeben habe, beruht auf einer Information, die im wesentlichen aus den Ländern und aus der Zentralstelle an uns herangetragen worden ist. Richtig ist, daß Probleme entstehen können, wenn die Verbesserung des Notendurchschnitts, die im Rahmen einer Härtefallregelung erfolgt, dann doch nicht ausreicht, um eine Zulassung für das Studium zu erreichen. Dies ist aber ein Vorgang, der für jeden Studienbewerber, auch für die Studienbewerber aus der Bundesrepublik, die Situation wiedergibt.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, aus ihrer deutschlandpolitischen Verantwortung und in Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Kompetenzen für die Bildungspoli-
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Kuhlweintik etwa noch vorhandene Probleme zu prüfen und im Gespräch mit den Ländern einer Lösung zuzuführen, die diese noch vorhandenen Problemfälle ausreichend berücksichtigt?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung ist dazu bereit. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Kultusminister der Länder ohnehin beabsichtigen, das geltende Zulassungsverfahren für die medizinischen Studiengänge durch ein neues Zulassungsverfahren abzulösen. Die Bundesregierung begrüßt eine solche Initiative der Länder. Die endgültige Entscheidung über die Ausgestaltung des neuen Zulassungsverfahrens hat ja ohnehin der Bundesgesetzgeber im Rahmen einer Novellierung des Hochschulrahmengesetzes zu treffen. Da sich der Gesetzgeber in allernächster Zeit mit dieser Novellierung des Hochschulrahmengesetzes zu befassen hat — davon gehe ich aus —, wird auch dies eine Gelegenheit sein, den von Ihnen angesprochenen Komplex nochmals im einzelnen zu erörtern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm .
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung bei den angekündigten Gesprächen mit den Bundesländern darauf hinwirken wird, daß Studenten und Abiturienten oder solchen Zuwanderern, die in der DDR keine Möglichkeit zum Studium oder zum Abitur erhalten haben, in der Bundesrepublik Deutschland auf keinen Fall noch Schwierigkeiten auf Grund der Tatsache haben, daß sie drüben als Systemkritiker des dortigen Systems bestimmte Studiengänge nicht aufnehmen konnten?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Böhm, das entspricht genau der Ansicht der Bundesregierung, nach der wir auch in den Gesprächen mit den Ländern vorgehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Odendahl.
Ist der Bundesregierung die Tatsache bekannt, daß in der DDR in der Regel nur eine bedingungslos positive Einstellung zum System der DDR neben guten Noten die Chance eröffnet, Medizin zu studieren, und gerade diese Gruppe von Studenten bei einer Übersiedlung in die Bundesrepublik nach Härtefallregelungen hier wieder einen Studienplatz erhält, während andere keine Chance haben, eines der medizinischen Fächer zu studieren?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, diese Praxis der DDR ist der Bundesregierung bekannt. Nicht zuletzt deswegen möchte ich noch einmal sagen, daß wir bei der bevorstehenden Novellierung des Hochschulrahmengesetzes Gelegenheit haben, die von Herrn Kollegen Kuhlwein hier zwar nicht im einzelnen, aber im Generellen genannten Probleme und Fälle nochmals im einzelnen zu erörtern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, anzuerkennen, daß es eine Reihe von Problemen für solche Zuwanderer aus der DDR gibt, die zum Teil auch in naturwissenschaftlichen Fächern nur deswegen schlechtere Noten bekommen haben, weil sie dort wegen ihrer systemoppositionellen Haltung in Schwierigkeiten waren, und, wenn das zutrifft, in welcher Art und Weise ist die Bundesregierung bereit, das beim Durchschnitt der Noten zu berücksichtigen und, etwa beim zweiten Bildungsweg oder wie auch immer, in die Numerus-clausus-Regelung mit einzubeziehen?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weisskirchen, dafür besteht heute im Rahmen der Härtefallregelung bereits dadurch eine breite Möglichkeit, daß die Notendurchschnitte in solchen Fällen auf den Standard angehoben werden, den die Abiturienten erreicht hätten, wenn die von ihnen geschilderten Umstände nicht zu einer Absenkung des Notendurchschnitts geführt hätten. Dann gilt der bessere Notendurchschnitt als Grundlage für die Hochschulzulassung.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die jungen DDR-Zuwanderern bei der Förderung nach BAföG — abgesehen von der Barriere der hohen Darlehensbelastung — entstehen, wenn sie hier ein Studium ihrer Wahl aufnehmen, in der DDR aber durch ein „Umlenkungsgespräch" gezwungen ein anderes Studium begonnen hatten oder wegen der ideologischen Einfärbung in der DDR ihr Wunschfach nicht studiert hatten, weil diese Studenten dann mit der Förderungshöchstdauer in Konflikt geraten, und denkt die Bundesregierung daran, für diesen Personenkreis besondere Regelungen einzuführen?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Bei den in der Fragestellung bezeichneten Fällen geht es nicht um Probleme im Zusammenhang mit der Förderungshöchstdauer, sondern um die Frage der Feststellung eines wichtigen Grundes bei einem Fachrichtungswechsel, also um die Förderung dem Grunde nach.Nach geltendem Recht ist eine Förderung nach einem Fachrichtungswechsel nur möglich, wenn für den Wechsel ein wichtiger Grund maßgebend gewesen ist. Dies wird an Hand der Lebensumstände des Einzelfalles geprüft und entschieden. Bei Zuwanderern aus der DDR ist darüber hinaus die besondere Lage auf Grund der dortigen politischen und ideologischen Umstände zu berücksichtigen. War jemand aus politischen Gründen, z. B. wegen der gesellschaftlichen Stellung der Eltern oder der ideologischen Ausrichtung des Studiums, gehindert, das Studium seiner Wahl in der DDR aufzunehmen, so wird dies in besonderem Maße in die Beurteilung einbezogen. War der Auszubildende dagegen auf Grund von Regelungen gehindert, die der Lenkung der Berufsbildung dienen und den Auszubildenden deshalb in der Wahl seiner Fachrichtung be-
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Parl. Staatssekretär Pfeiferschränkten, so kann dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ohne weiteres als wichtiger Grund anerkannt werden. Denn auch im Geltungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes können der Aufnahme des Wunschstudiums auf Grund von Zulassungsbeschränkungen in einer Vielzahl von Studienfächern unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen, die den Auszubildenden dazu zwingen, ein anderes als das seiner Neigung entsprechende Studium aufzunehmen. Die in der Fragestellung beschriebenen Schwierigkeiten mit der Förderungshöchstdauer sind nicht gegeben. Die aufgezeigten Problemfälle können mit den geltenden Regelungen im Gesetz und in der Verwaltungsvorschrift gelöst werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die hohe Darlehensbelastung nach dem BAföG speziell für aus der DDR kommende Studenten und Studentinnen angesichts des Umstandes, daß die Zuwanderer ihr Leben hier j a auch materiell völlig neu aufbauen müssen?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, diese Frage haben wir im Zusammenhang mit der BAföG-Umstellung j a auch bereits mit Bezug auf andere Fälle ausführlich diskutiert. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß es sich bei diesen Darlehen um andere Darlehen als beispielsweise Bankdarlehen handelt und daß die Rückzahlungsverpflichtung nur besteht, wenn der berufliche Einstieg gelungen ist und ein ausreichendes Einkommen für die Rückzahlung des Darlehens zur Verfügung steht, so daß man in meinen Augen hier nicht die gleichen Maßstäbe anwenden kann, die wir sonst bei Darlehen anwenden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sicherzustellen, daß alle BAföG-Ämter bei denjenigen Studenten und Studentinnen aus der DDR, deren Eltern noch in der DDR leben, elternunabhängig fördern und die Förderung nicht von der fiktiven Möglichkeit des Geldtransfers aus der DDR abhängig machen, wie das z. B. beim Ausbildungsförderungsamt in Köln konstatiert worden ist?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich bin durchaus bereit, die im Augenblick von den Ausbildungsämtern praktizierte Verfahrensweise im einzelnen zu überprüfen, und ich bin auch gern bereit, auf diese Frage dann gegebenenfalls nochmals zurückzukommen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Odendahl.
Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung an besondere Hilfen für Studenten aus der DDR angesichts der besonderen Schwierigkeiten der Einstellung auf neue und ungewohnte Lebensumstände und auch angesichts der Notwendigkeit, bestimmte Lernleistungen nachzuholen, und könnte hier beispielsweise die Otto-Benecke-Stiftung helfen, oder könnte eine Verlängerung der BAföG-Förderung eine Hilfe sein?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich habe u. a. hierüber heute morgen ein Gespräch mit der Otto-Benecke-Stiftung geführt. Was die Verlängerung der Förderungshöchstdauer im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angeht, so darf ich nochmals darauf hinweisen, daß diese besonderen Umstände, auf die Sie hinweisen, nach Ansicht der Bundesregierung durchaus einen Grund darstellen können, um auch auf der derzeitigen gesetzlichen Grundlage eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer durchzuführen. Wenn es in der Praxis der Ausbildungsförderungsämter in dieser Hinsicht Schwierigkeiten oder Probleme geben sollte, so wäre ich für entsprechende Hinweise dankbar. Dies würden wir gerne aufgreifen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weisskirchen.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben feststellen zu müssen geglaubt haben, daß es für DDR-Bürger kein allzugroßes Problem sei, Darlehen in Höhe von etwa 40 000 DM auf sich zu nehmen: Würden Sie denn nicht anerkennen, daß solche Darlehenshöhen geradezu einen Abschreckungseffekt haben und eine sehr hohe Barriere für die DDR-Bürger darstellen können, die hierherkommen, hier in der Bundesrepublik ohne irgendeinen finanziellen Rückhalt neu beginnen und hier studieren oder weiterstudieren wollen?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Es entstehen natürlich schon Abschreckungseffekte, und zwar dann, wenn man diese Darlehen so darstellt, als ob es normale Bankdarlehen wären, oder wenn man prinzipiell davon ausgeht, daß am Ende des Studiums ein Darlehen in der Größenordnung von 40 000 DM zu verzeichnen sein wird. Herr Kollege Weisskirchen, so sind die Dinge aber nicht. Die Darlehensbeträge sind in den meisten Fällen wesentlich niedriger. Im Gesetz ist die Möglichkeit vorgesehen, das Darlehen zu einem erheblichen Teil zu erlassen. Außerdem möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß die Rückzahlung des Darlehens — in meinen Augen in tragbaren monatlichen Raten — nur erfolgt, wenn der berufliche Einstieg gelungen ist und das Einkommen ausreichend ist, um den Betrag, der für die Darlehensrückzahlung vorgesehen ist, auch tatsächlich bezahlen zu können, so daß fünf Jahre nach dem beruflichen Einstieg solche Befürchtungen, wie Sie sie hegen, mit Sicherheit nicht mehr am Platze sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, nun ist es ja für diese jungen Menschen, wenn sie in die Bundesrepublik kommen, nicht ganz einfach, sich von heute auf morgen einzugewöhnen; da gibt es Schwierigkeiten. Meine Frage an Sie: Ist es nicht zweckmäßig, für die Otto-Benecke-Stiftung zusätzliche Mittel bereitzustellen, damit sie in eige-
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Stahl
ner Verantwortung hier derartige Probleme vollkommen unbürokratisch lösen kann, um den jungen Menschen, die hierherkommen, dann ein Studium unter vernünftigsten Voraussetzungen ermöglichen zu können? Denn das, was Sie eben angesprochen haben, ist ja insgesamt eine furchtbare Bürokratisierung, die der Lösung der Probleme eigentlich nicht dient. Das ist doch einfacher zu gestalten!Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß wir das Gespräch mit der OttoBenecke-Stiftung führen. Ich bin auch durchaus bereit, Ihre Anregung nochmals zu prüfen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Böhm .
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Ansicht, daß gerade die Studenten, die aus der DDR zu uns kommen, besondere Schwierigkeiten haben, die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten des Darlehenserlasses oder des Darlehensteilerlasses in Anspruch zu nehmen, und daß aus diesem Grunde Überlegungen angestellt werden müssen, wie für diese Studenten auf anderem Wege die Möglichkeit eröffnet werden kann, Darlehenserlaß oder Darlehensteilerlaß zu erhalten,
nämlich unter Anerkennung der besonderen politisch bedingten Schwierigkeiten bei der Eingliederung hier in der Bundesrepublik Deutschland?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Daß die Studenten generell solche Schwierigkeiten hätten, kann in meinen Augen zumindest für den Teilerlaß, der sich auf besondere Leistungen während des Studiums bezieht, nicht gesagt werden, denn man muß zwei Dinge sehen: Zum ersten sind diese Studenten in aller Regel hochmotiviert, und zum zweiten sind wir bereit, im Rahmen der Förderungshöchstdauer besondere Umstände anzuerkennen, um auf diese Art und Weise auch ein oder zwei zusätzliche Semester zu ermöglichen, damit der entsprechende qualifizierte Studienabschluß auch für die Studenten, die aus der DDR zugewandert sind, möglich wird.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf.
Die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Sauer soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Jäger wird vom Fragesteller zurückgezogen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung. Der
Herr Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger steht uns nach seiner Berufung zum Parlamentarischen Staatssekretär zum erstenmal in einer Fragestunde zur Verfügung. Ich begrüße ihn sehr herzlich.
Ich rufe Frage 5 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Wie hoch setzt die Bundesregierung den Beschäftigungseffekt an, der durch die Einführung sogenannter flexibler Arbeitszeiten entstehen könnte, und teilt sie die Auffassung des Leiters des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Dieter Mertens, daß individuelle Arbeitszeitverkürzungen die Arbeitslosenzahl lediglich um 80 000 bis 100 000 verringern könnten?
Zunächst, Herr Präsident, bedanke ich mich sehr herzlich für die Begrüßung.
Auf die Frage des Abgeordneten Kirschner darf ich folgendes antworten: Herr Kollege, bei den von Ihnen angesprochenen Berechnungen zu flexibleren Formen der Arbeitszeit unterstellt Professor Mertens insbesondere individuelle Reduzierungen der Wochenarbeitszeit auf unter 40 Stunden und Arbeitsunterbrechungen zwischen 1 und 3 Monate. Dabei geht er von den Annahmen aus, daß nur Großbetriebe und große Mittelbetriebe — 100 und mehr Beschäftigte — als potentielle Anbieter flexibler Arbeitszeiten auftreten und daß etwa jeder fünfte von diesen Betrieben in einem Jahr zum Angebot flexibler Arbeitszeit übergeht. Hierdurch würde nach Professor Mertens in einem Jahr die Zahl der Arbeitslosen um 80 000 bis 100 000 verringert, in fünf Jahren um 400 000, wenn alle oben genannten Betriebe flexible Arbeitszeiten anbieten würden.
Entgegen der Annahme von Professor Mertens dürften, wie Presseverlautbarungen der letzten Zeit zu entnehmen war, auch Betriebe, die weniger als 100 Beschäftigte zählen, teilweise bereit sein, den Mitarbeitern flexiblere Arbeitszeiten anzubieten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie hoch setzt die Bundesregierung — denn es werden in diesem Bereich ja auch von der Bundesregierung gewisse Zahlen genannt — die Wiedereinstellungsquote bei flexibleren Arbeitszeiten insgesamt an?Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, die Bundesregierung bereitet einen Gesetzentwurf zur Förderung der Beschäftigung vor; Sie kennen die Vorlage. Sie ist hier im Hause zwar noch nicht in der Beratung, aber sie wird auf das Haus alsbald zukommen. In diesem Entwurf werden Probleme im Zusammenhang mit befristeten Arbeitsverträgen, mit Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf sowie im Zusammenhang mit Job-sharing und Teilzeitbeschäftigung behandelt. Es ist jetzt noch nicht möglich, zu quantifizieren, was dies bei Durchführung all dieser Maßnahmen für die Wiederbeschäftigung bedeuten kann.
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Weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, flexiblere Arbeitszeit oder auch das, was Sie im Zusammenhang mit dem geplanten Gesetzentwurf der Bundesregierung genannt haben, ist j a doch wohl nichts anderes als eine Form von Arbeitszeitverkürzung. Sind Sie nicht auch der Auffassung, daß eine flexiblere Handhabung von seiten der Arbeitgeber in puncto tariflicher Wochenarbeitszeit, wie die Gewerkschaften, insbesondere die IG Metall, sie fordern, vielleicht einen größeren Arbeitsmarkteffekt bewirken würde als jede Art von flexibler Arbeitszeit?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, die Bundesregierung ist davon ausgegangen, daß die Verkürzung der Lebensarbeitszeit hier wesentlich mehr erbringt. Deshalb auch ging unser Bemühen dahin, daß die Vorruhestandsregelung hier im Hohen Hause beschlossen wurde.
Hinsichtlich der 35-Stunden-Woche, Herr Kollege Kirschner, die Sie ansprechen, ist die Auffassung der Bundesregierung die, daß die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich die derzeitige Wirtschaftssituation erschweren, die Aufwärtsentwicklung hemmen und die Arbeitslosigkeit möglicherweise erhöhen würde, sie also noch größer machen würde, als sie schon ist.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie Erfahrungen, wonach bei Einführung von neuen Teilzeitarbeitsplätzen das Arbeitsvolumen von Vollzeitarbeitsplätzen in die Teilzeitarbeit hineingepreßt und damit der Leistungsdruck, insbesondere bei Frauen, unerträglich intensiviert worden ist, Vollzeitarbeitsplätze — zumindest indirekt — zerstört worden sind und die Massenarbeitslosigkeit dadurch erhöht worden ist, und wie beurteilen Sie weiter die Tatsache, daß ca. 40 % der bundesdeutschen Arbeitnehmer, deren Reallohneinkommen hart an der Grenze des Existenzminimums liegt, bei Einführung der 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich unter das Existenzminimum rutschen würden und damit Sozialhilfe in Anspruch nehmen müßten?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf auf Ihre Zusatzfrage ganz einfach antworten: Wir sind der Auffassung, daß eine Reihe von Maßnahmen untersucht werden müssen, um Arbeitslosigkeit abzubauen. Negative Dinge, die Sie jetzt ansprechen, liegen in Ihrer Vermutung begründet. Wir glauben, daß durch positive Ansätze und durch das Suchen nach neuen Möglichkeiten wesentlich bessere Chancen gegeben sind, die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Keller.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Meinung, die in der Öffentlichkeit oft vertreten wird, daß flexible Arbeitszeitregelungen nur — einseitig — den Arbeitgebern nützen würden?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Diese Frage kann ich nicht bejahen, Herr Kollege Keller, im Gegenteil: Ich bin der Meinung, daß Teilzeitregelungen, die klar abgesprochen sind und auch ihren tariflichen Niederschlag gefunden haben, sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer Nutzen bringen, vor allem den Arbeitnehmern, die draußen stehen und wieder einen Arbeitsplatz suchen und auch finden sollen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß die Bundesregierung Untersuchungen anstellen werde und derzeitig eine ganze Menge anderer Maßnahmen überlege und auch sonst alles unternehmen werde, um diesen Problemen beizukommen. Wann wird der Deutsche Bundestag damit rechnen können, daß die Bundesregierung ein schlüssiges Konzept für diesen ganzen Bereich vorlegt?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Der von mir angesprochene Gesetzentwurf wird, wenn der Zeitablauf so bleiben wird, wie er jetzt vorgesehen ist, noch vor der Sommerpause in das Hohe Haus kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Frau Reetz auf:
Wie hoch sind die bisher für die Digitalisierung des Fernsprechnetzes vergebenen Auftragsvolumina an die Firmen Siemens und Standard Elektrik Lorenz (System 12), und wie hoch sind die Kosten pro Fernsprechleitung (Fernsprechanschluß) getrennt für jedes System?
Frau Kollegin Reetz, nach den Ergebnissen der beiden ersten Wettbewerbe jeweils für die digitale Fernvermittlungstechnik und die digitale Ortsvermittlungstechnik wurden bzw. werden in Kürze an die Firmen Siemens, Standard Elektrik Lorenz sowie an die Firmen Deutsche Telefonwerke und Kabelindustrie und Telefonbau und Normalzeit, die an der Entwicklung des Systems EWSD der Firma Siemens beteiligt werden, Warenaufträge in folgender Höhe — einschließlich Mehrwertsteuer — erteilt: für Fernvermittlungsstellen 190 Millionen DM, für Ortsvermittlungsstellen 148 Millionen DM.Außerdem wurden bereits 1980 für den Präsentationsbetrieb Aufträge in folgender Höhe erteilt: für Fernvermittlungsstellen 53 Millionen DM, für Ortsvermittlungsstellen 25 Millionen DM.Die Preise für die Anschaltemöglichkeit eines Fernleitungseingangs bzw. eines Fernleitungsaus-
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Parl. Staatssekretär Rawegangs betragen ohne Leitungen und Endeinrichtungen zwischen 2 000 und 2 500 DM, für die Anschaltemöglichkeit eines Fernsprechhauptanschlusses zwischen rund 800 bis 1 000 DM. Die Preisschwankungen hängen mit den örtlichen Gegebenheiten bzw. mit der Verkehrslast zusammen.
Zusatzfrage, bitte.
Haben Sie Kenntnis auch davon, daß die Firmen Siemens und SEL aus diesen Aufträgen unterschiedliche Gewinnbeträge erzielen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Verehrte Frau Kollegin, ich bitte um Nachsicht, aber es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, dies zu untersuchen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Weil ich dem nachgehen will, frage ich: Kommen denn aus den Schränken der beiden Firmen unterschiedlich viele Leitungen, die einen Preisunterschied erklären würden?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, daß man das nicht so sehen kann. Ich darf noch einmal auf das zurückkommen, was ich eingangs gesagt habe: Wir werden nicht in der Lage sein, die Kalkulationen der Firmen nachzuprüfen. Uns sind im Wettbewerb Angebote gemacht worden. Nach diesen Angeboten sind die Zuschläge erfolgt. Das ist Vertragsgrundlage. Danach haben wir uns zu richten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 7 der Abgeordneten Frau Reetz auf:
Nach welchen politischen Kriterien genehmigt die Deutsche Bundespost Stempelaufdrucke neben den Briefmarken z. B.
„Traditions-Verband
290. Inf. Div.
12. Mai 1984
11. Bundestreffen
POSTFACH 1701
2870 Delmenhorst",
und beabsichtigt die DBP neben der Briefmarke „30 Jahre Bundeswehr" auch das Thema Kriegsdienstverweigerung im Rahmen der Grundideen der Demokratie zu behandeln?
Bitte sehr.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Reetz, in Werbestempeln, die durch die Vermittlung der Deutschen Postreklame GmbH eingesetzt werden, läßt die Deutsche Bundespost aus Neutralitätsgründen politische Aussagen generell nicht zu. Ebenfalls werden in Werbestempeln der Deutschen Bundespost die Bezeichnung und Symbole von politischen Parteien, deren Organisationen und anderen an der politischen Auseinandersetzung beteiligten Gruppen nicht zugelassen. Bei dem von Ihnen angeführten Beispiel handelt es sich nicht um eine politische Aussage.
Ihre Anregung, eine Sondermarke mit dem Thema „Kriegsdienstverweigerung" herauszuge ben, hat uns bislang nicht vorgelegen. Sie wird deshalb für die Diskussion über das Postwertzeichenausgabeprogramm 1986 von uns vorgemerkt werden.
Zusatzfrage, bitte.
Ich verstehe zwar nicht ganz, weshalb das keine politische Aussage ist, wenn eine Division mit Schwerteindruck usw. zu einem Jahrestreffen einlädt; ich möchte aber fragen, nach welchen politischen Kriterien dann z. B. ein Stempelaufdruck des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen verboten wurde, der in seinem Entwurf nur die Adresse und die Margerite hatte, die ein traditionelles Zeichen der elsässischen Umweltschützer ist?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann Ihnen dazu nur sagen: Obwohl wir zwischen Sonderstempel und Werbestempel unterscheiden, behandeln wir alle Anträge gleichmäßig. In den dazu geltenden Vorschriften unserer Postordnung — § 13 Abs. 1 Nr. 3 — ist dem Rechnung getragen: Sendungen, die auf der Aufschriftseite Vermerke politischen Inhalts tragen, sind von der Postförderung ausgeschlossen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sehen Sie diesen Aufdruck des Traditionsverbandes der 219. Infanteriedivision als einen Sonderstempel oder als einen Werbestempel an?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, dies ist sicherlich ein Werbestempel. Nur, wenn ich das so interpretieren darf — das ist gar nicht meine Zuständigkeit —: Hier geht es doch nicht darum, daß eine politische Aussage gemacht wird zu dem, was dieser Verband will oder nicht, sondern hier geht es um das, was man mit einem Werbestempel tut, nämlich den Hinweis auf eine Veranstaltung geben, die stattfindet. Das ist ein Unterschied.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß, wenn die Frau Kollegin Reetz an die Deutsche Bundespost den Antrag stellt „GRÜNE — Fraktion im Deutschen Bundestag" mit einigen Blümchen darauf, ein Stempelaufdruck in dieser Form genehmigt wird und dies dann nicht als politische Aussage in irgendeiner Form gewertet wird?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben mich nicht dahin gehend verstehen können. Denn zu einer solchen Frage der Frau Kollegin Reetz habe ich gar nicht Stellung genommen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.,
Herr Staatssekretär, können Sie uns denn den Unterschied erklären, der auf der einen Seite dazu geführt hat, daß bei einem Tradi-
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Catenhusentionsverband, der einen Schwertaufdruck verwendet, eine Genehmigung erteilt worden ist, daß auf der anderen Seite die Verwendung einer Margerite durch den BBU offensichtlich nicht dazu ausgereicht hat, politische Bedenken zu entkräften?Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich kenne diesen Fall nicht, Herr Kollege. Wenn der nur so gesehen worden ist, wie Sie ihn gerade vorgetragen haben, dann bin ich gerne bereit, ihn zu überprüfen. Aber ich vermute, daß da ein weiterer Zusatz gemacht worden ist. Ich darf noch einmal deutlich machen, wo der Unterschied zu sehen ist: ob man für eine politische Richtung, für eine politische Aussage wirbt oder ob man den Hinweis auf eine Veranstaltung irgendwelcher Art gibt. Sie und unsere Partei haben in den Stempelaufdrucken mit Freistemplern zum Beispiel Ihr bzw. unser Firmenschild im Aufdruck. Das wird von niemandem beanstandet. Und wenn die GRÜNEN das genauso hätten, würde das wahrscheinlich auch nicht beanstandet werden. Ich glaube, damit wird deutlich, wo eigentlich die Schwerpunkte liegen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß für den Fall, daß eine Vereinigung von Kriegsdienstverweigerern auf ein Treffen hinweisen will, dies über einen Stempel der Bundespost möglich sein müßte, da die Kriegsdienstverweigerer ja nicht aus politischen Gründen, sondern im Regelfall aus Gewissensgründen verweigern?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sie haben mich richtig verstanden: wenn es sich um einen Werbestempel auf der Aufschriftseite des Briefes mit dem Hinweis auf eine bestimmte Veranstaltung ohne den Zusatz einer politischen Aussage handelt.
Weitere Zusatzfragen? — Damit ist der Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Carstensen auf:
Bei welchen Instituten und in welcher Höhe werden von der Bundesregierung Forschungsaktivitäten auf dem medizinischen Gebiet der Akupunktur gefördert?
Herr Kollege Carstensen, Ihre Frage beantworte ich wie folgt. Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Akupunktur wurden bisher nicht gefördert. Im Programm der Bundesregierung „Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit" gibt es Voraussetzungen für eine Förderung auf dem Gebiet der Akupunktur, zum Beispiel Therapiestudien, Therapievergleiche auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheumakrankheiten, psychische Krankheiten und Krebskrankheiten. Auch
Möglichkeiten technischer Entwicklungen im Rahmen von Forschungsvorhaben, die eine wissenschaftliche Überprüfung hypothetischer Wirkungsmechanismen zum Ziele haben, sind im Rahmen des Gesundheitsprogramms, das von BMFT, BMA und dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit vertreten wird, denkbar.
Eine Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, wenn Sie davon ausgehen, daß 1981 rund 44 Millionen Rezepte für Tranquilizer ausgestellt wurden und somit ungefähr eine Milliarde D-Mark für solche zweifelhaften Beruhigungsmittel ausgegeben wurden, und wenn Sie davon ausgehen, daß Kinder bis elf Jahre allein schon 580 000 Pakkungen Psychopharmaka in diesem Zeitraum verbrauchten, stellen sich dann die von Ihnen aufgezeigten Aktivitäten für die Akupunktur nicht als etwas dürftig dar?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der Bundesminister für Forschung und Technologie ist im Schwerpunkt zunächst einmal ein Technologieminister. Er kann auch nicht den Auftrag an irgendwelche wissenschaftliche Einrichtungen geben, bestimmte Themen zu bearbeiten. Akupunktur wird in Universitäten bearbeitet. In dem von mir genannten Umfange gibt es auch eine Förderungsmöglichkeit in unserem Haus.
Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, Sie haben sicherlich völlig recht, wenn Sie sagen, daß Ihr Minister ein Minister für Forschung und Technologie ist. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß diese Frage vielleicht besser vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hätte beantwortet werden sollen?
Und würden Sie dann bitte so freundlich sein, diese Frage an dieses Haus weiterzureichen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich kann diese Frage gerne an dieses Haus weiterleiten. Nur habe ich den Auftrag namens der Bundesregierung hierzu Stellung zu nehmen, und das habe ich getan. Auch der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit wird hier nur den Teilbereich, der in seine Zuständigkeit fällt, herausnehmen können. Im wesentlichen hängt es davon ab, ob Forschungseinrichtungen, insbesondere Universitäten, entsprechende Forschungen betreiben wollen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zander.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich einmal beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit darüber zu informieren, wie viele deutsche Ärzte in der Vergangenheit, mit Mitteln des Bundes gefördert, die Anwendung der Akupunktur in China studiert haben, und gelegent-
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Zanderlieh das Haus einmal über die dabei gemachten Erfahrungen zu informieren?Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf:
Welche Vorstellungen und Pläne hat die Bundesregierung für ein Nachfolgeprojekt zum SNR 300, und wie wird dieses weiterverfolgt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Steger, Ihre Frage 9 beantworte ich wie folgt: Planung und Bau eines großen Brüterkernkraftwerks in der Bundesrepublik Deutschland, für das sich die Bezeichnung SNR 2 eingebürgert hat, sind in erster Linie Angelegenheit der künftigen Betreiber und Hersteller. Bereits 1973 haben drei große europäische Elektrizitätsversorgungsunternehmen eine Konvention über den gemeinsamen Bau und Betrieb von zwei Kraftwerken der Schnellbrüterbaulinie mit Natriumkühlung beschlossen. Die für Bau und Betrieb des SNR 2 gegründete Europäische Schnellbrüter-Kernkraftwerksgesellschaft — ESK — wertet zur Zeit Konzeptstudien aus und bereitet die Vergabe eines Planungsauftrags vor.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, es gibt aber doch verschiedene Äußerungen aus Ihrem Hause — wir kommen bei der nächsten Frage noch einmal darauf —, daß Sie ein solches Projekt sehr positiv sehen würden. Haben Sie denn schon konkretere Informationen oder auch eigene Ergebnisse über Zeitplan und Wirtschaftlichkeit eines solchen Projektes?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Sowohl über den Zeitplan als auch über die Wirtschaftlichkeit gibt es derzeit Überlegungen, sozusagen als Vorbereitung für eine Entscheidung.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen sich also strikt dafür aus, daß ein SNR 2 ausschließlich Angelegenheit der Wirtschaft ist?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ein SNR 2 und die Entscheidung über den Bau einschließlich der Planung — nicht der Vorarbeiten der Planung — muß Aufgabe der künftigen Betreiber und Hersteller sein.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, daß von seiten der Wirtschaft Planungsaufträge und Konzeptstudien vorbereitet werden. Meine Frage an Sie: Wie beurteilt der Forschungsminister diese Tätigkeiten der Wirtschaft, bezogen auf künftige Realisierung, und wann, glaubt er, wird es sinnvoll sein, auch von seiten des
Forschungsministers hier tätige Hilfe in Finanzmitteln für diesen Bereich bereitzustellen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Einen Zeitplan kann der Bundesminister für Forschung und Technologie, wie ich eben schon sagte, auch deshalb nicht angeben, weil die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Errichtung eines derartigen Kraftwerks Aufgabe der Wirtschaft ist. Es wird Aufgabe der Wirtschaft sein, auch den Zeithorizont abzustecken. Daß es Komponentenentwicklungen und Entscheidungshilfen für die Planung gibt und hierfür der Bund finanziert, ist Ihnen auch bekannt.
Für 1985 sind 60 bis 70 Millionen DM veranschlagt. Damit ist nicht inbegriffen, was institutionell bei der KfK in Karlsruhe geschieht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben den Bau eines Nachfolgereaktors, der von der Wirtschaft selbst getragen werden müßte, von den Vorarbeiten abgegrenzt, die vom BMFT finanziert oder bezuschußt werden. Was zählt denn nach Auffassung der Bundesregierung neben der Komponentenentwicklung und den Konzeptstudien zu den Vorarbeiten?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Diese beiden im wesentlichen; Sicherheit natürlich auch.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf:
Welche Mittel werden nach der derzeit gültigen Finanzplanung im Bundeshaushalt für die Entwicklung eines Nachfolgeprojektes zum SNR 300 bereitgestellt, und mit welchen Mitteln beteiligt sich die Industrie daran?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steger, Ihre Frage 10 beantworte ich wie folgt. Die gültige Finanzplanung des BMFT weist für die Förderung der Weiterentwicklung der Brutreaktorlinie für 1984 einen Ansatz von 39,6 Millionen DM bei Kap. 30 05 Tit. 892 11 aus. Die Industrie beteiligt sich an diesen Kosten mit 15%. Mit dieser Bundesförderung werden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von grundsätzlicher Bedeutung für große Brüterkraftwerke ermöglicht, z. B. für die Beurteilung der Sicherheit und generell der Genehmigungsfähigkeit.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir erklären, welche grundsätzlichen Studien denn noch anzufertigen sind, nachdem die Bundesregierung seit über 20 Jahren diese Technologie fördert, ein Demonstrationskraftwerk ja demnächst in Betrieb gehen soll — darauf kommen wir noch — und in Frankreich kommerzielle Anlagen gebaut sind? Was ist denn auf diesem Gebiet noch an grundsätzlichen Forschungen so zu fördern, daß nicht auch jede andere Industrie bei der Weiterent-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984 4627
Dr. Stegerwicklung einer Technologie Förderanträge beim BMFT stellen könnte?Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es sind Komponenten, die insbesondere mit der Sicherheit zusammenhängen. Ich kann Ihnen gern eine Auflistung dessen, was hier geschieht, zukommen lassen. Ich bitte, mir nachzusehen, daß ich nicht in der Lage bin, die Einzelheiten aus dem Stand zu sagen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Darum würde ich bitten.
Sie haben den Wert für 1984 genannt. Welche Anforderungen sind denn im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre vorgesehen? Ist immer nur eine Beteiligung der Wirtschaft von 15% geplant?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Diese 15% beziehen sich auf die genannten Vorarbeiten. Das Gesamtvolumen ist für 1985 mit 60 bis 70 Millionen DM veranschlagt. Ich gehe davon aus, daß etwa diese Größenordnung auch für die folgenden Jahre gilt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, nun ist ja unbestritten — das haben Sie in Ihrer Antwort gesagt —, daß diese Mittel, die Sie hier eben aufgezeigt haben, doch für ein Nachfolgeprojekt bereitgestellt werden. Besteht unter diesem Gesichtspunkt nicht eine Differenz zwischen dem von Ihnen hier Gesagten, bezogen auf die angesprochene Finanzierung eines Nachfolgeprojekts durch die Wirtschaft und der Tatsache, daß für dieses Nachfolgeprojekt von seiten der Wirtschaft nur ein Eigenbeitrag von 15 % eingebracht wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ja.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Herr Staatssekretär, welche Mittel sind bisher, dieses Jahr eingeschlossen, aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie für die Komponentenentwicklung und Vorstudien für einen SNR 2 aufgewandt worden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich habe diese Zahl jetzt nicht greifbar. Ich habe Ihnen den Ansatz von 39,6 Millionen DM genannt. Dazu kommen aber natürlich noch einzelne Arbeiten, die von der institutionellen Forschung betrieben werden, insbesondere von unseren Forschungszentren. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen jetzt die Aufschlüsselung zu geben. Aber das kann ich Ihnen nachreichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fischer.
Herr Staatssekretär, im Haushaltsplan, und zwar in Kap. 30 05 Tit. 892 11, ist für 1984 die Größenordnung von 39,6 Millionen DM ausgewiesen — die Sie hier eben genannt haben —, für 1985 59,4 Millionen DM, für 1986 67,1 Millionen DM und für 1987 83,6 Millionen DM. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die Zuschüsse mit wachsendem Voranschreiten immer größer werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Mit der Tatsache, daß sich die Arbeiten an einem neuen Reaktor, soweit es die Komponenten und meine Eingrenzung anlagt, vermehren und in diesem Umfang notwendige Geldmittel zur Verfügung gestellt werden sollen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vahlberg.
Herr Staatssekretär, die KfK bekommt Forschungsmittel in Höhe von 140 Millionen DM zu Forschungszwecken in bezug auf dieses Projekt. Können Sie uns sagen, was die KfK im einzelnen forscht?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es sind dort Komponentenfragen, aber auch der Betrieb der kompakten natriumgekühlten Kernreaktoranlage.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Herr Staatssekretär, gerade in der letzten Woche hat es verschiedene Nachrichten über das neue gemeinsame europäische Forschungszentrum für Kernfusion gegeben. Da werden wahrscheinlich sehr viele Gelder hineingesteckt. Ist es in Anbetracht dessen überhaupt gerechtfertigt, daß Sie die Schneller-Brüter-Technologie mit derartigen Mitteln weiterverfolgen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ja.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Catenhusen auf:
In welcher Form wurde von belgischer und niederländischer Seite die Beteiligung an den Mehrkosten des SNR 300 in Höhe von 137 Millionen DM bisher zugesagt, und sind die Verhandlungen hierüber abgeschlossen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Regierungen Belgiens und der Niederlande haben ihre Beteiligung an den Mehrkosten des SNR 300 in Höhe von jeweils 137 Millionen DM in Verhandlungen zwischen den zuständigen Ministern zugesagt und dies durch Zuwendungsbescheide an die Schnellbrüter-Kernkraftwerksgesellschaft bestätigt. Die Verhandlungen sind somit abgeschlossen.
Zusatzfrage, bitte.
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4628 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984
Liegen Informationen darüber vor, daß diese Haltung der zuständigen Minister in Belgien und in den Niederlanden auch von den Parlamenten dieser Länder getragen wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Davon gehe ich aus. Wir müssen uns naturgemäß an die Regierungen halten; denn zwischen Regierungen wird j a verhandelt, und zwischen ihnen werden die Verträge und Abmachungen geschlossen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, daß die beiden Länder Belgien und Niederlande die Mittel Ihrem Hause fest zugesagt haben, darf ich die Frage stellen — nach den Erfahrungen, die wir haben, ist der Ablauf immer sehr schwierig —: In welchen Jahren rechnet die Bundesregierung fest mit der Überweisung dieser Mittel? Denn das müßte j a eigentlich Bestandteil der ministeriellen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik, den Niederlanden und Belgien gewesen sein.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir kommen bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Zander noch darauf zu sprechen. Dann werde ich die Aufgliederung der Fälligkeiten darstellen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie hoch die bislang durch den Bundeshaushalt vereinnahmte Gesamtsumme der Beiträge aus Belgien und den Niederlanden für den SNR 300 ist?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich werde das tun, wenn ich die Frage von Herrn Kollegen Zander beantworte.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Catenhusen auf:
Welche Konseqenzen hat die Bundesregierung aus der Empfehlung der OECD-Studie „Biotechnology. International trends and perspectives", „Biotechnologie wird das Ökosystem in vielfacher Weise beeinflussen, wie es die Hydrocarbon-Technologien getan haben und noch tun. Eine Abschätzung der ökologischen Konsequenzen sollte großtechnischen Biotechnologie-Entwicklungen vorausgehen" (S. 14) in ihrer Forschungspolitik gezogen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Bundesregierung verfolgt aufmerksam die gegenwärtige Diskussion um mögliche Sicherheitsfragen bei herkömmlichen biotechnischen Verfahren in großtechnischem Maßstab ebenso wie bei den mittelfristig zu erwartenden Verfahren unter Einsatz gentechnologisch veränderter Mikroorganismen. Sie hat unter der Federführung der zentralen Kommission für die biologische Sicherheit eine Expertengruppe eingesetzt, die in den nächsten Monaten Kriterien für eine Risikoabschätzung erarbeiten und Vorschläge für Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung entwikkeln soll.
In diesem Zusammenhang wird auch die Frage geprüft, ob, und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen, gentechnologisch veränderte Mikroorganismen in die Umwelt freigesetzt werden können. Die Bundesregierung begrüßt eine Initiative der OECD, Sicherheitsfragen von biotechnischen Verfahren mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen und eventuelle ökologische Konsequenzen im internationalen Rahmen zu überprüfen, und arbeitet in einer hierfür eingesetzten Expertengruppe mit.
Sie wird sich darüber hinaus dafür einsetzen, daß die im Forschungsprogramm „molekularbiologische Technik der Europäischen Gemeinschaften" bisher berücksichtigte Sicherheitsforschung in dem für das erste Halbjahr 1984 angekündigten Programmvorschlag „Biotechnologie in der Gemeinschaft" thematisch auf die Gebiete der Risikoabschätzung bei industriellen Verfahren und bei biotechnologischen Verfahren in der Landwirtschaft ausgeweitet wird.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort darauf hingewiesen, daß mittelfristig mit einem großtechnischen Einsatz gentechnologisch manipulierter Bakterien in industrieller Produktion zu rechnen sei. Müssen Sie diese Aussage nicht korrigieren angesichts der Tatsache, daß beispielsweise in der Firma Hoechst damit gerechnet wird, daß innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre gentechnologisch manipulierte Bakterien Insulin herstellen werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Das ist eine Frage des großtechnologischen Einsatzes und seiner Bewertung. Ob Sie das nunmehr mittelfristig oder nahe mittelfristig oder kurzfristig betrachten, ist eine Definitionsfrage. Jedenfalls ist die Bundesregierung fest entschlossen, diese Problematik zu verfolgen und die entscheidenden und erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, falls das nötig ist.
Weitere Zusatzfrage.
Können Sie also bestätigen, daß in der Bundesrepublik bisher noch keinerlei Sicherheitsforschung in diesem Bereich betrieben wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Das kann ich nicht bestätigen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Stahl auf:Welche Rolle spielt das Nachfolgeprojekt zum SNR 300 in der internationalen Vereinbarung über die Brütertechnologie vom 10. Januar 1984, und wie ist die Arbeit an dem bzw. den Nachfolgeprojekten international aufgeteilt?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984 4629
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich gerne die Fragen 13 und 14 im Zusammenhang beantworten, weil sie j a zusammenhängen.
In diesem Fall kommt es nicht auf mich, sondern auf den Fragesteller an. Er nickt zustimmend.
Ich rufe dann die Frage 14 des Abgeordneten Stahl auf:
Gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß das in der Bundesrepublik Deutschland vorhandene Know-how in der Brütertechnologie erhalten wird, und für welche Projekte soll es eingesetzt werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, in der Regierungsvereinbarung über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der natriumgekühlten Brutreaktoren vom 10. Januar 1984 haben die Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien und Großbritannien eine umfassende Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung im Brüterbereich vereinbart und darüber hinaus beschlossen, die industrielle Zusammenarbeit sowie die Zusammenarbeit der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu fördern. Dazu werden eine Reihe von Vereinbarungen der F + E-Einrichtungen, Hersteller und EVU empfohlen.
In der am 2. März 1984 geschlossenen Rahmenvereinbarung der F + E-Einrichtungen und der Reaktorhersteller ist der Bau von drei großen Brüterkernkraftwerken vorgesehen, von denen der sogenannte SNR 2, über den wir uns schon unterhalten haben, als Nachfolgeprojekt des SNR 300 eines ist. Die Modalitäten dieser internationalen Zusammenarbeit sind Gegenstand weiterer noch zu treffender Vereinbarungen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß sich die von Ihnen aufgezählten Länder verbindlich an der Finanzierung von derartigen Nachfolgeprojekten beteiligen werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Nein, diese Verbindlichkeit ist nicht eingegangen worden. In diesem Vertrag erklären die Regierungen ihre Absicht, die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Forschung zu unterstützen. Diese Unterstützung muß nicht finanzieller Natur sein; eine Regierung hat auch im außerfinanziellen Bereich Möglichkeiten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nun nützt uns j a die Forschung und Entwicklung in der Zukunft überhaupt nichts, wenn nicht tatsächlich vereinbart wird, derartige Nachfolgeprojekte zu erstellen. Deshalb richte ich nochmals die Frage an Sie: Ist von seiten der Industrie, die Sie j a auch angesprochen haben, verbindlich in Aussicht gestellt worden, ein derartiges Projekt — ich meine hier SNR 2 — mit internationaler Beteiligung eventuell in der Bundesrepublik Deutschland zu finanzieren?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Hinsichtlich SNR 2 haben die EVU eine Vereinbarung getroffen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, dann würde ich Sie bitten, hier im Hohen Hause doch einmal etwas zur Verbindlichkeit dieser Vereinbarung zu sagen, denn nach den Kenntnissen, die dem Deutschen Bundestag insgesamt vorliegen und die auch im Ausschuß dargestellt wurden, kann von einer Verbindlichkeit des Baues eines derartigen zweiten Reaktors in der Bundesrepublik doch noch nicht gesprochen werden, oder sehe ich das anders als Sie?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Diese getroffene Vereinbarung ist unter den EVU verbindlich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist das meine zweite oder dritte Zusatzfrage, Herr Präsident?
Das ist schon die vierte, Herr Stahl; ich habe hier genau Buch geführt.
Herr Staatssekretär, dann darf ich noch einmal die Frage, die sich auf das technische Know-how und die künftige Entwicklung bezieht, nachschieben: Gibt es verbindliche Zusagen für ein zweites SNR-Projekt, was Sie ja soeben bestätigt haben, und wann soll nach diesen verbindlichen Zusagen ein derartiges Projekt in der Bundesrepublik gestartet werden und nicht nur, wie Sie vorhin sagten, Komponentenbegleitforschung oder -planung betrieben werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, ich wundere mich ein bißchen über Ihre Konsistenz in der Fragerichtung. Da die Bundesregierung davon ausgeht, daß die Errichtung des SNR 2 eine Angelegenheit der Wirtschaft ist, kann es eine verbindliche Zusage der Bundesregierung hierzu nicht geben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Steger.
Herr Präsident, ich habe eine Zusatzfrage zu Frage 13 und eine zu Frage 14.Zunächst zu Frage 13, Herr Staatssekretär. Ich möchte Sie fragen, welche völkerrechtliche Qualität diese Vereinbarungen haben, und ob es insbesondere in einem der beteiligten Länder einen Parlamentsvorbehalt gibt.Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steger, ich weiß nicht, auf welchen Vertrag Sie sich jetzt beziehen. Wenn die EVU untereinander einen Vertrag abschließen, dann ist das ein privatrechtli-
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4630 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984
Parl. Staatssekretär Dr. Probstcher Vertrag, auf dem sie aufbauen. Daneben aber gibt es eine Absichtserklärung der Regierungen,
diese Zusammenarbeit im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche zu unterstützen und zu fördern. Das ist eine Aufforderung, diese Zusammenarbeit auch zu suchen.
Sie haben noch eine Zusatzf rage.
Herr Präsident, das beantwortet weder meine Frage nach der — —
Darauf kommt es nicht so sehr an — für den Präsidenten.
Bitte sehr.
Dann möchte ich Sie noch einmal fragen, Herr Staatssekretär: Sind Sie bereit, die völkerrechtliche Qualität dieser Regierungsvereinbarungen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen und auch möglichen Präjudizierungen für das Parlament darzulegen und uns mitzuteilen, ob es in anderen Ländern einen Parlamentsvorbehalt hinsichtlich der Realisierung der Zusammenarbeit gibt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die Frage ist jetzt klar. Sie bezieht sich auf die Haltung Hollands, nehme ich an. In Holland ist die Diskussion über den Beitritt zum Vertrag nicht abgeschlossen, aber wenn Holland beitreten möchte, kann es dem Vertrag durch eine einfache Beitrittserklärung beitreten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Herr Staatssekretär, welche zeitliche Erwartung, was die mögliche wirtschaftliche, industrielle Nutzung der Brütertechnologie angeht, liegt eigentlich diesen Regierungsvereinbarungen zugrunde?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die Regierungsvereinbarungen haben sich mit Zeithorizonten nicht befaßt.
Es ist nicht die Aufgabe, in dieser Vereinbarung Zeithorizonte aufzustellen. Ich komme wieder auf unser Grundanliegen zurück, daß es sich hier um Entwicklungen handelt, die sich freiwirtschaftlich und auch innerhalb der Wissenschaft zu vollziehen haben, wofür eine Regierung nicht Zielpunkte setzt, sondern die sie dem freien Spiel der Wirtschaft und ihren Aktivitäten überlassen möchte.
Vizepräsident Stücklen: Weitere Zusatzfrage.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Wir gehen davon aus, daß das flott vorangeht.
Wenn der Herr Staatssekretär auf Zwischenrufe eingeht, wird es hier oben schwierig.
Bitte, die letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn es zwar flott zugeht, aber wenn weder verbindliche Regelungen zwischen den Regierungen bestehen noch das flotte Tempo näher definiert werden kann, stimmen Sie mir dann nicht zu, daß die von Ihnen genannten hohen Aufwendungen für Vorarbeiten für ein Nachfolgeprojekt zum SNR 300 vielleicht am ehesten als Sozialplan für die Beschäftigten bei Interatom bezeichnet werden könnten, die im Grunde genommen nach Fertigstellung des SNR 300 vor großen Problemen stehen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ihre Vermutung ist nicht zutreffend.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte den künftigen Standort des SNR 2 sagen, der von den EVUs beschlossen wird, und können Sie mir auch sagen, ob die staatlich vorgeschriebenen Genehmigungsverfahren bereits eingeleitet wurden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich kann es Ihnen nicht sagen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zander.
Herr Staatssekretär, wenn Sie ausführen, daß es keine Verbindlichkeit für das Projekt SNR 2 gebe, dann frage ich Sie: Worauf stützt denn eigentlich die Bundesregierung ihre Bereitschaft, die genannten 39,6 Millionen DM bereitzustellen, wenn sie überhaupt nicht weiß, ob etwas aus dem Projekt wird oder nicht?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht gesagt, daß es hier keine Verbindlichkeit gibt. Die Verbindlichkeit ist unter den EVUs gegeben. Da es sich hier aber um privatwirtschaftliche Unternehmen handelt, kann nicht seitens der Regierung irgendeine Verbindlichkeit erklärt werden. In anderen geschäftlichen Vorgängen ist es ähnlich, daß privatwirtschaftliche Vorgänge selbstverständlich auch von der Regierung, soweit es möglich ist, gefördert werden, insbesondere im internationalen Bereich. Das ist nichts Ungewöhnliches.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vahlberg.
Herr Staatssekretär, angesichts dessen, was Sie eben gesagt haben, möchte ich Sie fragen: Warum gibt es dann überhaupt Vereinbarungen auf Regierungsebene?Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Deshalb, damit ausdrücklich dokumentiert ist, daß die Regierungen
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984 4631
Parl. Staatssekretär Dr. Probstder genannten Länder die Zusammenarbeit im wissenschaftlichen und im wirtschaftlichen Bereich als etwas. Positives, Vernünftiges im Sinne einer europäischen Arbeitsteilung sehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben von privatrechtlichen Verträgen zwischen den in privater Rechtsform organisierten EVUs. Können Sie mir sagen, inwieweit die öffentliche Hand als Gesellschafter bei diesen EVUs überall beteiligt ist, insbesondere mit welchen Prozentsätzen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Das ist zu ersehen, weil diese Daten zugänglich sind. Ich kann sie Ihnen jetzt nur nicht aus dem Stand sagen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Fischer auf:
Welche Mittel fließen in die internationale Entwicklung für ein Nachfolgeprojekt zum SNR 300, und welche finanziellen Verpflichtungen hat die Bundesregierung auf Grund internationaler Vereinbarungen übernommen?
Bitte, denken Sie daran, daß wir noch eine ganze Reihe von Fragen haben, aber nur noch eine Fragestunde am Donnerstag. Es findet dann über Ostern, also 14 Tage lang, keine Fragestunde statt.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fischer, die für die Brutreaktorweiterentwicklung eingesetzten BMFT-Mittel können nicht aufgeteilt werden in Beträge für eine nationale und eine internationale Entwicklung. Vielmehr werden die F- undE-Programme der an der Kooperation beteiligten Länder im Ganzen in möglichst großem Umfange aufeinander abgestimmt, um die europäische Schnellbrutreaktortechnik weitestgehend zu harmonisieren. Die Bundesregierung hat keine über die in den sogenannten Nizza-Verträgen von 1975 über die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland unter Einschluß von Italien, Belgien und den Niederlanden vorgesehenen generellen Regelungen hinausgehenden finanziellen Verpflichtungen übernommen. Gemäß diesen Verträgen sollen die F-und-E-Aufwendungen vergleichbar sein.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie sieht denn die Finanzplanung für dieses Projekt bei den anderen interessierten Ländern aus, oder ist überhaupt eine erstellt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die Finanzplanung bei den anderen Ländern ist so, wie vorgesehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Und wie ist sie vorgesehen? Meine Frage war noch nicht beantwortet.
Das ist nun Ihre zweite Frage. Es ist eine sehr präzise Frage.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich habe die Frage nicht verstanden.
Die Frage ist eine Ergänzung zur Antwort auf die erste Frage: Wie sind sie vorgesehen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: So wie die Länder planen. Uns ist nicht bekannt, welche Zahlen andere Länder in die Planung zum Schnellen Brüter eingesetzt haben. Wir könnten versuchen, diese Zahlen zu bekommen, wenn sie von Ihnen ausdrücklich gewünscht werden. Nur ist es ein nicht übliches Verfahren, die mittelfristigen Finanzplanungen der anderen Länder im deutschen Parlament zu verhandeln.
Herr Abgeordneter Fischer, Sie können Ihre Zusatzfrage sicherlich noch nach der Beantwortung Ihrer zweiten Frage unterbringen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, da die Bundesrepublik Deutschland von 1984, wie Sie soeben darstellten, bis 1987 rund 250 Millionen DM, wenn ich die Zahlen richtig addiert habe, für die weitere Entwicklung dieser Technologie bereitstellt, frage ich Sie, ob es von seiten der Bundesregierung nicht leichtfertig ist, Verträge abzuschließen, ohne auch von den Partnerländern zumindest zu fordern, für diese Mitentwicklung in den hier dargestellten Zeiträumen auch eine finanziell fest zugesagte Summe zu erhalten, auch bezogen auf den 15 %igen Anteil der Wirtschaft. Bezieht er sich durchgehend auf die fünf Jahre oder nur auf das erste Jahr 1984, wie Sie hier dargestellt haben?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, über die von Ihnen genannte Zahl kann man streiten; aber in der Größenordnung wird sie stimmen. Die Wirklichkeit ist umgekehrt wie Ihre Problemstellung. Zum Beispiel hat unser Hauptpartner Frankreich insbesondere in den Vorarbeiten für die Schnellbrütertechnologie erheblich mehr als die Bundesrepublik Deutschland aufgewendet, und die Franzosen mahnen uns, mit unserem Schnellbrüterprogramm Vergleichbares, vor allen Dingen in der Realität Vergleichbares, zu bewerkstelligen. Es gibt Anzeichen, daß es Folgerungen in der Zusammenarbeit mit den Franzosen geben könnte, wenn wir unseren beabsichtigten Anteil nicht halten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, wenn Sie sagen, die Leistung müsse gleichgewichtig und vergleichbar sein, dann müssen Sie dem Hohen Hause doch auch darlegen können, welche anderen Leistungen mit welcher Abstimmung und mit welcher
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4632 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984
Dr. StegerVerbindlichkeit erbracht werden; denn nur daraus kann man beurteilen, ob die Leistungen gleichgewichtig und vergleichbar sind.Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Steger, ich kann Ihnen zusagen, daß wir versuchen, Ihnen diese Zahlen mitzuteilen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung schon klare Aussagen darüber treffen, ob der Bau eines SNR 2 in der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzung dafür ist, daß die begonnene Kooperation in der Brütertechnologie auf Grund des Vertrages vom 10. Januar 1984 mit Leben erfüllt werden kann, oder ist es vorstellbar, daß dieser international erwogene Nachfolgereaktor dann auch ein deutsches Nachfolgeprojekt zum SNR 300 überflüssig machen wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Nein, dieses Projekt SNR 2 ist in gewisser Weise ein Nachfolgeprojekt des SNR 300, nur eben auch im internationalen Rahmen, in einer internationalen Aufgabenteilung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
— Herr Vahlberg, ich genehmige Ihnen die Zusatzfrage noch. Gehen Sie aber bitte immer rechtzeitig an das Mikrofon! Dann übersieht man die Wortmeldung nicht. Bitte schön!
Ich bedanke mich ausdrücklich.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie der Know-how-Transfer zwischen den Ländern sichergestellt ist und wie Sie ihn organisiert haben?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der Know-howTransfer läuft natürlich über die reale Zusammenarbeit. Wir haben Einblick dadurch, daß verschiedene nationale Teams in den verschiedenen Einrichtungen tätig sind. Dadurch ist der Transfer besser gesichert als durch jeden Vertrag.
Jetzt nicht mehr.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Fischer auf:
Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen den Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Forschung und Technologie im Ausschuß für Forschung und Technologie am 8. Februar 1984, die Industrie müsse einerseits ein Nachfolgeprojekt zum SNR 300 „planen und auch bezahlen", andererseits „die Bundesregierung fördere ... die Weiterentwicklung dieser Technologie", um zu gewährleisten, „daß die Ingenieurmannschaften bei diesen Projekten weiterbeschäftigt werden können"?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fischer, der Widerspruch der beiden zitierten Äußerungen ist nur scheinbar, denn bereits der auf die Zitate folgende Satz des Protokolls lautet, diese Weiterentwicklung der Forschungsarbeiten erstrecke sich jedoch nicht auf die Planung und den Bau eines Folgekraftwerks; dieses müsse nach Lage der Dinge jetzt in voller Eigenverantwortlichkeit der Elektrizitätswirtschaft geschehen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir nicht zustimmen, wenn ich behaupten würde, daß die erste Ihrer Aussagen, die Industrie solle planen und auch bezahlen, im klaren Widerspruch zu der Aussage steht, daß die Bundesregierung die Weiterentwicklung dieser Technologie fördere, um Ingenieurmannschaften weiterhin beschäftigen zu können?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich würde Ihnen nicht folgen, denn das eine schließt das andere nicht aus.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Die nächste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, ist Ihre Aussage, daß die EVUs die Planung bezahlen, so zu interpretieren, daß auch hier ein Widerspruch besteht, weil nämlich in der Tat nicht die EVUs die Planung bezahlen, sondern der BMFT dies tut, und wären Sie bereit, sich dafür einzusetzen, den Stahl- und Werftarbeitern und den Bergleuten einen ähnlich komfortablen Sozialplan wie diesen Interatom-Ingenieuren zu gewährleisten?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Darstellung ist nicht zutreffend. Der Planungsauftrag wird ein Volumen von etwa 300 Millionen DM haben, und für diesen Planungsauftrag ist die zuständige Wirtschaft verantwortlich.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, nachdem es ja wohl unbestritten ist und auch von Ihnen nicht bestritten wird, daß die 249,7 Millionen DM in den Jahren 1984 bis 1987 im Haushalt des Forschungsministers bereitstehen, möchte ich noch einmal nachfragen, wann denn die Planungs- und Konzeptstudie, die Sie ja vorhin bestätigt haben, in einen Planungsauftrag mündet und ob angesichts dieser riesenhaften Summe,
über die wir hier reden, eine Beteiligung der Wirtschaft von nur 15% als gerecht und vertretbar angesehen werden kann, da es doch wohl unbestritten ist, daß man eine genaue Abgrenzung zwischen Planungsphase und Konzeptphase sowie künftigem Planungsauftrag und Komponentenentwicklung nicht vornehmen kann.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984 4633
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, ich habe Ihnen eben die Summe genannt, die der Planungsauftrag umfaßt. Dies schließt nicht aus, daß Vorarbeiten hierzu erledigt werden müssen. Ich möchte auch die von Ihnen genannte Summe nicht ausdrücklich bestätigen.
Ich habe gesagt: In den Größenordnungen mag das stimmen. Es sind die Vorarbeiten für diesen Planungsauftrag gemeint, an denen die Industrie mit 15 % beteiligt ist, nicht der Planungsauftrag. Für diesen ist die Industrie allein zuständig.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, vielleicht wird Ihnen der Widerspruch ein bißchen deutlicher, wenn ich etwas allgemeiner frage: Wie vereinbart sich denn das marktwirtschaftliche Bekenntnis der Bundesregierung mit der doch sehr speziellen Investitionslenkung, die Sie in diesem Falle betreiben, und gibt es ähnliche Investitionsvorhaben,
bei denen die Bundesregierung die Vorarbeiten für eine Investitionsentscheidung der Industrie finanziert?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es ist das erklärte Ziel aller bisherigen Bundesregierungen, die Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln und auszubauen, und zwar auch in bezug auf die fortgeschrittenen Reaktorlinien. Die Absicht, dafür staatliche Mittel einzusetzen, ist für die Regierung ein ganz klarer Zielpunkt, damit auf diesem Wissen und Können eine Wirtschaft aufgebaut werden kann. Wenn Sie das „Wirtschaftslenkung" nennen, haben alle Regierungen seit den 50er Jahren Wirtschaftslenkung betrieben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Da der Vorwurf an die letzte Regierung nicht neu war, höchstens an Ihre neu ist, frage ich Sie noch: Für welches Jahr, Herr Staatssekretär, erwartet die Bundesregierung eigentlich die Vergabe dieses 300-Millionen-DM-Planungsauftrages durch die Industrie?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, es ist schwer, hier einen endgültigen Zeitplan zu nennen, aber vielleicht übersehen wir Ende des nächsten Jahres die Landschaft besser. Ich glaube, daß zu diesem Zeitpunkt eine klare Aussage gemacht werden kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Zander auf:
Wie verteilen sich die Mittel für die Förderung des SNR 300 nach dem derzeitigen Finanzierungsmodell ab 1984 auf die kommenden Jahre und die einzelnen Kostenträger?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zander, die Finanzierung verteilt sich wie folgt: Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat bisher — bis zum 31. Dezember 1983 — 2,132 Milliarden DM ausgegeben. Ab Anfang 1984 noch zu zahlen ist rund 1 Milliarde DM.
Für die weiteren Beteiligten nenne ich jetzt auch immer die schon geleisteten und die ab 1984 noch fälligen Beträge: Belgien: gezahlt 332,6 Millionen, noch zu zahlen 137,6 Millionen; Niederlande: schon geleistet 412,8 Millionen, noch zu leisten 57,4 Millionen; Investitionszulage: schon geleistet 264,8 Millionen, noch zu leisten 307,3 Millionen; Eigenkapital SBK: geleistet 221,2 Millionen, noch zu leisten 44,3 Millionen; Herstellerbeiträge: geleistet 45,0 Millionen, noch zu leisten 255,5 Millionen; der Lieferantenkredit von 100 Millionen ist noch zu leisten; die Elektrizitätswirtschaft hat 317 Millionen geleistet und hat ca. 872 Millionen noch zu leisten.
Die Zahlungen in den einzelnen Jahren ab 1984 richten sich nach dem tatsächlichen Projektfortschritt im Rahmen der Budgetplanung einzelner Finanziers.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, ist denn für die von Ihnen hier genannten verschiedenen Beteiligungen nun inzwischen eine vertragliche Sicherung erfolgt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ja.
Eine weitere Zusatzfrage.
Welche Regelungen sieht denn diese vertragliche Sicherung für den Fall weiterer Kostensteigerungen vor?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die vertraglichen Regelungen sind so, daß weitere Kostensteigerungen der Verursacher, d. h. die Wirtschaft selber, mitbezahlen muß.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion zur Finanzierung des SNR 300 — Drucksache 10/496 — ist ausgeführt worden, daß es noch keine vertraglichen Vereinbarungen gibt, sondern daß die Verhandlungen laufen und daß dieses Parlament über das Ergebnis dieser Verhandlungen informiert werden soll.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steger, ich kann Sie heute informieren. Es ist alles fertig.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, diese Information ein bißchen mehr zu detaillieren?
Metadaten/Kopzeile:
4634 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die vertraglichen Regelungen sind abgeschlossen.
Frau Kollegin Hürland, ich verstehe durchaus Ihre Ungeduld, aber diese Zusatzfrage ist zur Verdeutlichung der Antwort durch den Staatssekretär doch im Interesse aller, die diese Antwort dann lesen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, in der Aufzählung der Gesamtfinanzierung stehe ein Lieferantenkredit in Höhe von 100 Millionen DM. Wer ist derjenige, der diese Mittel bereitstellt, und zu welchem Zeitpunkt, aufgeteilt nach einzelnen Firmen bzw. Lieferanten, sollen diese 100 Millionen DM bereitgestellt sein?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Diese 100 Millionen DM wird die KWU aufbringen.
— Falls notwendig — —
Es darf nicht zur Gewohnheit werden, daß man durch einen Zwischenruf eine weitere Frage anhängt. Das sieht die Geschäftsordnung nicht vor.
Herr Catenhusen, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann ist diese vertragliche Vereinbarung, von der Sie in der Beantwortung der vorletzten Frage gesprochen haben, geschlossen worden, und wann wird diese Vereinbarung veröffentlicht?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, auf den ersten Teil Ihrer Frage antworte ich: Ende vorigen Jahres.
Den zweiten Teil Ihrer Frage habe nicht nicht verstanden.
Ich habe gefragt, wann diese Vereinbarung veröffentlicht wird.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es ist nicht üblich, solche Vereinbarungen zu veröffentlichen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Zander auf:
Wie hoch ist nach Auffassung der Bundesregierung das Betriebskostenrisiko des SNR 300, und wurde inzwischen ein neuer Risikobeteiligungsvertrag abgeschlossen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zander, ein neuer Risikobeteiligungsvertrag ist noch nicht abgeschlossen. Voraussetzung hierfür ist eine genauere Ermittlung der einzelnen Bestandteile der Betriebsrisiken des SNR 300. Gespräche hierzu sind aufgenommen worden. Vor Abschluß der Gespräche über diese Kosten und ihre voraussichtliche Entwicklung in der Betriebszeit einerseits sowie der Verhandlungen über die einzusetzenden Preise für den von SNR 300 erzeugten Strom können Aussagen über Betriebskostenrisiken nicht gemacht werden.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon über den Umfang des Risikos hier nichts sagen können, können Sie mir dann bitte sagen: Mit welchem Anteil wird sich der Bund an diesem nicht quantifizierbaren Betriebskostenrisiko beteiligen, und welche Anteile davon sollen über die Stromtarife abgewälzt werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Da dies alles nicht ausgehandelt ist, kann ich Ihnen auf Ihre Frage heute noch keine Antwort geben.
Weitere Zusatzfrage? — Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie verstehen, daß mir nach den Antworten, die Sie zu diesem Komplex hier gegeben haben, große Zweifel gekommen sind, ob die Bundesregierung die finanziellen Dimensionen dieses Projektes im Griff hat, wie sie das nach außen gern dokumentieren möchte?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich kann Sie nicht daran hindern, Zweifel zu hegen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzt die Bundesregierung das Risiko dieses Reaktors — denn bei Abschluß eines derartigen Risikovertrages, der für den Betrieb einer derartigen Anlage ja notwendig ist, müßten darüber doch klare Vorstellungen bestehen — insgesamt ein, und wie hoch ist die Einschätzung des Risikos der Wirtschaft? Wo gibt es hier Differenzen bei den Vertragsverhandlungen, die j a, wenn ich Sie richtig verstanden habe, derzeitig stattfinden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es ist sehr schwierig, ein Risiko, das noch nicht definiert ist, zu quantifizieren. Es ist zunächst von der SBK eine Aufstockung des 1972 festgelegten Fonds von 150 Millionen DM auf 500 Millionen DM beantragt. Eine Entscheidung hierüber wird nach Abschluß der vorgenannten Verhandlungen gefällt werden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, können Sie dementieren, daß das geschätzte Betriebskostenrisiko des Brüters oberhalb von 200 Millionen DM pro Jahr liegt, und sind Sie ganz sicher, daß nicht auch aus anderen Titeln des BMFT noch Betriebskostenzuschüsse für den Betrieb des SNR 300 gezahlt werden?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984 4635
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich möchte mich an Spekulationen im Augenblick nicht beteiligen, Herr Kollege Steger.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin das fortgeschrittene französische Knowhow sehr anerkannt. Meine Frage: Geht die Bundesregierung angesichts der risikoreichen Kostenbeteiligung von denselben Beweggründen aus wie die französische Regierung, nämlich Plutonium aus den Schnellen Brütern vorrangig für militärische Zwecke zu gewinnen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Erstens ist mir nicht bekannt, daß die Franzosen das Plutonium für militärische Zwecke verwenden wollen. Zweitens ist es absurd, der Bundesregierung ähnliches unterstellen zu wollen; bei der Bundesregierung ist das selbstverständlich nicht der Fall.
Die Schnellbrütertechnologie hat den Vorteil, das auch in Leichtwasserreaktoren erzeugte Plutonium verwerten und verbrauchen und dadurch auf die beste Weise unschädlich machen zu können. Deshalb sind wir ja auch darauf bedacht, den Brennstoffkreislauf zu schließen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Herr Staatssekretär, können Sie hier definitiv erklären, daß die Brüterfinanzierung zur Zeit aus keinem anderen als aus den offen ausgewiesenen Haushaltstiteln erfolgt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: In dem Umfang, wie ich Aussagen über die Finanzierung des Schnellen Brüters gemacht habe — d. h. Finanzierung auch über Institutionen, z. B. über die KFK —, kann ich Ihnen erklären, daß die Finanzierung auf Grund der genannten Titel erfolgt.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich abgehandelt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten Vosen sowie 37 und 38 des Abgeordneten Austermann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Sielaff auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die schweizerische Vereinigung „Nationale Basis Schweiz" seit Jahren ständigen Kontakt zu Neo-Nazi-Organisationen in ganz Europa, z. B. auch zur „Deutschen Freiheitsbewegung" des Manfred Roeder und anderen rechtsradikalen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland, unterhält?
Herr Kollege Sielaff, die 1974 gegründete, politisch unbedeutende Kleinstgruppe „Nationale Basis Schweiz" ist seit Jahren nicht mehr aktiv. Vor 1981 bestanden Beziehungen zu Gesinnungsgenossen in der Bundesrepublik Deutschland, u. a. zum Personenkreis um den NeoNazi Manfred Roeder.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, was hat denn die Bundesregierung bisher unternommen, um diese sicherlich nicht so ganz harmlosen Verbindungen rechtsradikaler Gruppen der Schweiz zu rechtsradikalen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß die von Ihnen genannte Gruppe seit 1981 nicht mehr besteht. Insofern besteht für die Bundesregierung auch kein Anlaß, irgend etwas zu unternehmen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Sielaff auf:
Schließt die Bundesregierung aus, daß der ständige Kontakt schweizerischer rechtsradikaler Gruppen, wie die „Europäische Verbindungsstelle der Nationalen Kräfte", zu deutschen Gruppen Ursache dafür sein kann, daß Michael Kühnen sich in die Schweiz abgesetzt hat, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, die ständigen Kontakte zwischen Neo-Nazi-Organisationen vom Ausland in die Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sielaff, eine „Europäische Verbindungsstelle der Nationalen Kräfte" ist der Bundesregierung nicht bekannt. Deutsche Neo-Nazis, auch Kühnen, unterhielten und unterhalten Kontakte zu Schweizer Gesinnungsgenossen. Ich darf Sie insofern auf den jüngsten Verfassungsschutzbericht hinweisen. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten — ich nenne hier beispielsweise das Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote aus dem Jahre 1961 — ist die Bundesregierung im engen Zusammenwirken mit den zuständigen Landesbehörden bestrebt, diese Kontakte zu erschweren.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung denn die Organisation „Europäische Neuordnung" in der Schweiz bekannt, die aus der genannten Gruppierung hervorgegangen ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe hier eine Stellungnahme zu der „Europäischen Verbindungsstelle" der Nationalen Kräfte abzugeben. Diese ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Meinung, daß es unter den gegebenen Umständen ausreichend war, Michael Kühnen lediglich den Reisepaß abzunehmen und ihm Mel-
Metadaten/Kopzeile:
4636 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 66. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1984
Sielaffdeauflagen und das Verbot des Umgangs mit Gesinnungsfreunden mit auf den Weg zu geben?Spranger, Parl. Staatssekretär: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß den Ermittlungsbehörden irgendwelche Versäumnisse anzulasten wären.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Peter auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, daß in einem Leserbrief ein Bediensteter des Bundes unter Angabe der Dienstbezeichnung mitteilt, er würde einen Bundestagsabgeordneten wegen einer Meinungsäußerung in einer öffentlichen Veranstaltung „in den Hintern treten wollen"?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, ob dieses außerdienstliche Verhalten ein Dienstvergehen des Beamten darstellt, hängt nach § 77 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes davon ab, ob es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Beurteilung und gegebenenfalls die Verpflichtung zu disziplinarrechtlichem Einschreiten obliegen nach der Bundesdisziplinarordnung dem zuständigen Dienstvorgesetzten.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, würde es den Inhalt Ihrer Aussage konkretisieren, wenn ich Ihnen aus dem Brief zitiere: „Wenn mich nicht mein persönliches Rechtsbewußtsein und der Respekt vor der Würde und den Rechten des Mitmenschen hinderte, würde ich wahnsinnig gern dem Herrn Abgeordneten X öffentlich in den Hintern treten. Natürlich würde sich solches Tun nicht gegen seine Person richten, es wäre nur ein symbolischer Akt, Zeichen des Protestes gegen die amerikanische Raketenhochrüstung"?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, mir sind weder Konkretisierungen in bezug auf den angesprochenen Beamten noch Konkretisierungen im Hinblick auf eventuell unmittelbar oder potentiell Betroffene zugegangen. Deswegen muß ich erneut darauf hinweisen, daß für die disziplinarrechtliche Beurteilung des gesamten Vorganges eben die dienstvorgesetzte Behörde zuständig ist.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, auch wenn die Unterschrift lautet: „Rüdiger von S., Oberstleutnant", gilt dann die gleiche Aussage, oder gilt da das Soldatengesetz?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur sagen, dann ist der Bundesinnenminister erst recht nicht zuständig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Carstensen.
Herr Staatssekretär, kann man dem angesprochenen Abgeordneten vielleicht auch mal erlauben, dem Beamten in den Hintern zu treten?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darauf brauchen Sie keine Antwort zu geben.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müntefering.
Herr Staatssekretär, wenn der in der Frage angesprochene Bedienstete des Bundes ein Oberstleutnant ist und der angesprochene Abgeordnete sein Minister, würde auch dann für Sie gelten, daß es unter die Regel der Meinungsfreiheit fällt, oder würden Sie meinen, daß man da einzugreifen hätte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich würde mich bei der Beurteilung des Falles wirklich an die Rechtslage halten und nicht spekulieren wollen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zur Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Ehmke . Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird nach der Geschäftsordnung verfahren.
Das gleiche gilt natürlich jetzt auch für die Frage 33.
Wir sind leider am Ende der Fragestunde angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag vormittag, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.