Protokoll:
10057

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 57

  • date_rangeDatum: 24. Februar 1984

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:34 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/57 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 57. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Inhalt: Aktuelle Stunde betr. Einführung der neuen Filmförderungsrichtlinien durch den Bundesminister des Innern zum 1. März 1984 Schäfer (Offenburg) SPD 4039 B Weirich CDU/CSU 4040 B Hoss GRÜNE 4041C, 4050 B Baum FDP 4042 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 4043 C Duve SPD 4045 B Daweke CDU/CSU 4046 A Dr. Hirsch FDP 4047 A Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 4047 D Weiß CDU/CSU 4048 D Dr. Nöbel SPD 4049 D Broll CDU/CSU 4050 D Wahl der Mitglieder des Gremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/996 — Collet SPD (Erklärung nach § 32 GO) 4052A Ergebnis der Wahl 4060 C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — § 303 StGB — Drucksache 10/308 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes — § 125 StGB — Drucksache 10/901 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz — Drucksache 10/902 — Engelhard, Bundesminister BMJ 4052 C Dr. Vogel SPD 4054 A Dr. Wittmann CDU/CSU 4060 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 4063 B Kleinert (Hannover) FDP 4067 B Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 4069 D Dr. Olderog CDU/CSU 4073 D Dr. de With SPD 4078 D Dr. Hirsch FDP 4081 B Zur Geschäftsordnung Porzner SPD 4082 D Dr. Bötsch CDU/CSU 4083 A Nächste Sitzung 4083 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4085* A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4085* B Anlage 3 Durchführung des Bundesbahnkonzepts MdlAnfr 3 17.02.84 Drs 10/1017 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau 4085* C Anlage 4 Befristung von Arbeitsverträgen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie Zulassung einer Befristung abweichend von dieser Rechtsprechung MdlAnfr 16, 17 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4085* D Anlage 5 Umgehung des Kündigungsschutzes durch Ausweitung befristeter Arbeitsverträge, insbesondere in Kleinbetrieben MdlAnfr 18, 19 17.02.84 Drs 10/1017 Dreßler SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4086* C Anlage 6 Abbau der arbeits- und sozialrechtlichen Benachteiligungen bei Teilzeitbeschäftigung; Umfang und Praktizierung der Arbeit auf Abruf MdlAnfr 26, 27 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Fuchs (Köln) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4087*A Anlage 7 Gestaltung der Arbeit auf Abruf; Verlagerung des Beschäftigungsrisikos auf den Arbeitnehmer MdlAnfr 28, 29 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4087* C Anlage 8 Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze bei der Gestaltung der Arbeit auf Abruf; Gewährleistung der sozialen Sicherheit MdlAnfr 30, 31 17.02.84 Drs 10/1017 Weinhofer SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* A Anlage 9 Modellarten, Teilnehmerzahl und Risiken beim derzeitigen Job-Sharing; Neugestaltungsvorschläge des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung MdlAnfr 32, 33 17.02.84 Drs 10/1017 Glombig SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* B Anlage 10 Umfang der Teilzeitbeschäftigung und Anteil der Frauen; Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in sogenannte Kapovaz-Arbeitsplätze MdlAnfr 38, 39 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Odendahl SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* C Anlage 11 Entwicklung der Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der 390-DM-Grenze; Zusammensetzung und soziale Sicherung des Personenkreises mit solchen Verträgen MdlAnfr 40, 41 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4089* A Anlage 12 Aufstockung der Mittel für nach § 44 Abs. 2 a AFG geförderte Maßnahmen, insbesondere für Meisterkurse MdlAnfr 42, 43 17.02.84 Drs 10/1017 Keller CDU/CSU SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4089* B Anlage 13 Unterbrechung der Arbeit für ein Jahr auf Kosten der Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte zwischen dem 50. und 58. Lebensjahr MdlAnfr 44, 45 17.02.84 Drs 10/1017 Pohlmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 III Anlage 14 Nichtweiterbeschäftigung nach Ablauf der Berufsausbildung MdlAnfr 46 17.02.84 Drs 10/1017 Grünbeck FDP SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* B Anlage 15 Konsequenzen aus dem Gutachten über die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsverwaltung MdlAnfr 47 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* C Anlage 16 Erhaltung von Ausbildungsplätzen beim Ausbesserungswerk und Bahnbetriebswerk in Weiden MdlAnfr 77 17.02.84 Drs 10/1017 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 4091* A Anlage 17 Kostenlose Zusatzleistungen der Bundesbahn beim Reiseangebot „Die Klasse(n)- Tour per Bahn" MdlAnfr 78, 79 17.02.84 Drs 10/1017 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 4091* B Anlage 18 Stationierung deutscher Direkt-Satelliten und Verteil-Satelliten im Weltraum; Möglichkeiten für den Empfang der damit ausgestrahlten Programme MdlAnfr 80, 81 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Hirsch FDP SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4091* C Anlage 19 Umfang der Arbeit auf Abruf bei der Bundespost; Werbung der Bundespost in Mannheim mit der Sozialversicherungsfreiheit solcher Tätigkeiten MdlAnfr 82, 83 17.02.84 Drs 10/1017 Lutz SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4092* A Anlage 20 Schaltung von Fernsprechanschlüssen auf einen automatischen Drucker und Auswertung der Daten durch das Rechenzentrum des Fernmeldetechnischen Zentralamts; Rechtsgrundlage für diese Datenerhebungen MdlAnfr 84 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Reetz GRÜNE SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4092* C Anlage 21 Umfang der nicht durch Bundesmittel abgedeckten Kosten für Ausbildungsmaßnahmen nach dem Sonderprogramm der Bundesregierung zur Gewinnung über- oder außerbetrieblich organisierter Ausbildungsplätze MdlAnfr 87, 88 17.02.84 Drs 10/1017 Kastning SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4092* D Anlage 22 Inanspruchnahme des Sonderprogramms der Bundesregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen; finanzielle und tarifrechtliche Hemmnisse bei der Übernahme einer Trägerschaft MdlAnfr 89, 90 17.02,84 Drs 10/1017 Weisskirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4093* B Anlage 23 Fortbestand des ITZ über den 31.3. 1984 hinaus MdlAnfr 91 17.02.84 Drs 10/1017 Marschewski CDU/CSU SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4093* D Anlage 24 Austritt der USA aus der UNESCO MdlAnfr 92 17.02.84 Drs 10/1017 Würtz SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Anlage 25 Militärische Aktionen der SWAPO, angolanischer und kubanischer Militärkräfte gegen Namibia MdlAnfr 93, 94 17.02.84 Drs 10/1017 Graf Stauffenberg CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* C Anlage 26 Verstoß gegen die KSZE-Vereinbarungen von Helsinki und Madrid durch die Nichtzulassung von Radio Free Europe zu den Olympischen Winterspielen in Sarajewo; Intervention der Bundesregierung zugunsten inhaftierter Franziskanerpatres und anderer politischer Häftlinge in Jugoslawien MdlAnfr 97, 98 17.02.84 Drs 10/1017 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* D Anlage 27 Erschießung des Asylbewerbers David Aboagye in Ghana im Dezember 1983 nach dessen Abschiebung MdlAnfr 99 17.02.84 Drs 10/1017 Curdt SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4095* B Anlage 28 Schicksal der ungandischen Oppositionspolitiker Luke Kazinja und Onemos Katalikawe MdlAnfr 100, 101 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Hüsch CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4095* C Anlage 29 Behandlung der Ausreisefrage und der Gewährleistung kultureller und nationaler Eigenart für Deutsche in der von Polen geforderten „gemischten Kommission" MdlAnfr 102 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* A Anlage 30 Technische oder logistische Unterstützung westlicher Militäreinheiten im Nahen Osten durch die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 103 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Zutt SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* B Anlage 31 Erörterung der Problematik einer Rüstungskooperation mit Ägypten beim Staatsbesuch von Bundeskanzler Kohl in Israel MdlAnfr 104 17.02.84 Drs 10/1017 Hiller (Lübeck) SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* C Anlage 32 Reaktion Saudi-Arabiens auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 9. Februar 1984 und die Bedingungen für Waffenkäufe MdlAnfr 105, 106 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Simonis SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* C Anlage 33 Umweltschäden durch das Verbrennen kunststoffausgekleideter Särge in Krematorien MdlAnfr 107 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Weyel SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* A Anlage 34 Stellungnahme der Bundesregierung im Asylverfahren des ghanaesischen Staatsbürgers David Aboagye MdlAnfr 108 17.02.84 Drs 10/1017 Curdt SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* A Anlage 35 Einnahmen durch die Kostenerstattung für den Hochwassereinsatz des Technischen Hilfswerkes im April/Mai 1983 MdlAnfr 109 17.02.84 Drs 10/1017 Pauli SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* B Anlage 36 Äußerungen des Kommandeurs des Bundesgrenzschutzkommandos West, Ulrich Wegener, über den Afrikanischen National- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 V kongreß und die EKD; Vereinbarkeit dieser Äußerungen mit der Antwort auf die Große Anfrage zur „Politik der Bundesregierung im Südlichen Afrika" MdlAnfr 110, 111 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Hauchler SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* C Anlage 37 Zahl der länger als eine Amtsdauer der Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission angehörenden Mitglieder; Auffassung des Bundesinnenministers über den Adressaten der Stellungnahmen dieser Gremien MdlAnfr 112, 113 17.02.84 Drs 10/1017 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4098* A Anlage 38 Beteiligung der Bundesregierung am Kauf des Evangeliars Heinrich des Löwen; widersprüchliche Aussagen der Bundesregierung über die Intentionen der TA Luft in bezug auf den Sauren Regen und das Waldsterben MdlAnfr 114, 115 17.02.84 Drs 10/1017 Krizsan GRÜNE SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4098* C Anlage 39 Menge der an die DDR gelieferten Abfälle, insbesondere Sonderabfälle, aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Ländern; Beseitigungskosten MdlAnfr 116, 117 17.02.84 Drs 10/1017 von Schmude CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* A Anlage 40 Aufforderung des polnischen Generalkonsulats an polnische. Ehefrauen deutscher Aussiedler zur Rückgabe des Bundespersonal- und Vertriebenenausweises; Zahl der Asylgewährungen an Mitglieder der Gewerkschaft „Solidarität" sowie Anteil der Asylanten mit deutscher Staatsangehörigkeit MdlAnfr 118, 119 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* C Anlage 41 Organisatorische Änderungen im Bereich des Bundesverbandes für den Selbstschutz und des THW; Konsequenzen für die Mitarbeiter MdlAnfr 120 17.02.84 Drs 10/1017 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* D Anlage 42 Stand der Vorbereitungen für die internationale Umweltkonferenz im Sommer 1984 in München MdlAnfr 121 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4100* B Anlage 43 Benachteiligung der Sparkassen durch steuerliche und vermögenspolitische Maßnahmen sowie durch die Nichteinführung eines Haftungszuschlags auf das Eigenkapital in der vorgelegten Novelle zum Kreditwesengesetz MdlAnfr 122, 123 17.02.84 Drs 10/1017 Stockleben SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4100* D Anlage 44 Benachteiligung der von staatlichen Sparmaßnahmen betroffenen Einkommenschwachen angesichts der Steuervergünstigungen für Großverdiener MdlAnfr 124 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4101* B Anlage 45 Sonderverkauf von bundeseigenen VEBA-Aktien MdlAnfr 125, 126 17.02.84 Drs 10/1017 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4101* D Anlage 46 Unterschiedliche Definition des haftenden Eigenkapitals bei Sparkassen und Genos- VI Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 senschaftsbanken; Einräumung gleicher Wettbewerbschancen MdlAnfr 127, 128 17.02.84 Drs 10/1017 Eylmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4102* B Anlage 47 Information des Aufsichtsrats der VEBA-Glas über Produktions- und Preisabsprachen MdlAnfr 129 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4102* D Anlage 48 Schädigung des Gaststättengewerbes durch nicht gewerbsmäßig betriebene Veranstaltungen MdlAnfr 130, 131 17.02.84 Drs 10/1017 Rapp (Göppingen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4103* A Anlage 49 Staatliche Garantien für Arbed Saarstahl als Voraussetzung für eine zügige Abwicklung des Restrukturierungsprogramms der saarländischen Stahlindustrie MdlAnfr 132, 133 17.02.84 Drs 10/1017 Schreiner SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4103* C Anlage 50 Erlaubnis für den Export kugelsicherer Schutzwesten nach Syrien; Reaktion der Bundesregierung auf den Druck der USA gegen den Export von Dieselmotoren nach Rumänien MdlAnfr 134, 135 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* A Anlage 51 Auswahl der Gebiete gem. EG-Verordnung zur Beseitigung von Entwicklungshemmnissen in von der Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie betroffenen Gebieten; Einbeziehung der Standorte Maxhütte Sulzbach-Rosenberg und Haidhof MdlAnfr 136, 137 17.02.84 Drs 10/1017 Sieler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* B Anlage 52 Fortsetzung der 1979 unterbrochenen Bauarbeiten am iranischen Atomkraftwerk Bushir angesichts der Möglichkeit zur Herstellung von Atomwaffen über das anfallende Plutonium MdlAnfr 138, 139 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* D Anlage 53 Produktions- und Preisabsprachen 1979 zwischen den Hohlglasherstellern MdlAnfr 140 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* A Anlage 54 Amerikanisches Ausfuhrverbot für Rohstoffe zur Herstellung kugelsicherer Westen in der Bundesrepublik Deutschland für den Export nach Syrien MdlAnfr 141 17.02.84 Drs 10/1017 Schlaga SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* B Anlage 55 Anstieg der Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen einerseits und aus Arbeitnehmertätigkeit andererseits MdlAnfr 142 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* C Anlage 56 Studie über den Schuldenabbau der DDR MdlAnfr 143 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4106* A Anlage 57 Stand der Vorbereitungen für die Industrieausstellung der deutschen Wirtschaft 1984 in Japan; Kritik am offiziellen Stand Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 VII der Bundesrepublik Deutschland auf der internationalen Touristikfachmesse 1984 in Madrid MdlAnfr 144, 145 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Kübler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4106* B Anlage 58 Beteiligung von Daimler-Benz und Thyssen-Henschel an der Produktion von Panzerfahrzeugen in Ägypten; Anforderung einer Stellungnahme von Krauss-Maffei zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen über die Zusammenarbeit mit Ägypten beim Bau eines Kampfpanzers MdlAnfr 146, 147 17.02.84 Drs 10/1017 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* B Anlage 59 Export von 33 000 kugelsicheren Körperwesten nach Syrien und deren dortige Verwendung MdlAnfr 148, 149 17.02.84 Drs 10/1017 Antretter SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* C Anlage 60 Regelung des Endverbleibs der unter deutscher Beteiligung in Ägypten produzierten Panzerfahrzeuge MdlAnfr 150 17.02.84 Drs 10/1017 Hiller (Lübeck) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* D Anlage 61 Widerruf von Genehmigungen zur Produktion von Kriegswaffen bei Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, insbesondere durch Rheinmetall MdlAnfr 151, 152 17.02.84 Drs 10/1017 Klose SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4108* A Anlage 62 Widersprüchliche Aussagen über die Entwicklung eines Kampfpanzers für Ägypten durch die Firma Krauss-Maffei vor dem Hintergrund der Waffenexport- und Nahostpolitik der Bundesregierung MdlAnfr 153, 154 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4108* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4039 57. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4085* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24.2. Frau Blunck 24.2. Böhm (Melsungen) 24.2. Brosi 24.2. Dr. Enders 24.2. Ertl 24.2. Dr. Faltlhauser 24.2. Dr. Glotz 24.2. Dr. Götz 24.2. Hartmann 24.2. Heyenn 24.2. Jäger (Wangen) * 24.2. Dr. Kreile 24.2. Kroll-Schlüter 24.2. Lemmrich 24.2. Dr. Lippold 24.2. Löher 24.2. Dr. h. c. Lorenz 24.2. Louven 24.2. Michels 24.2. Möllemann 24.2. Offergeld 24.2. Reschke 24.2. Reuschenbach 24.2. Frau Roitzsch (Quickborn) 24.2. Schanz 24.2. Frau Schmedt (Lengerich) 24.2. Schmidt (Hamburg) 24.2. Spilker 24.2. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 24.2. Dr. Stark (Nürtingen) 24.2. Dr. Todenhöfer 24.2. Frau Dr. Wex 24.2. Weiskirch (Olpe) 24.2. Wischnewski 24.2. Dr. Wörner 24.2. Wurbs 24.2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht über die Frage, welche Verhandlungen mit ausländischen Staaten geführt worden sind, um die Gegenseitigkeit bei der Kostenübernahme für Dolmetscher und Übersetzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit sicherzustellen — Drucksache 10/966 — zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Nichtaufhebbare Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Drucksache 10/976 — zuständig: Ausschuß für Wirtschaft 6. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Berichtszeitraum 1982/83 — Drucksache 10/987 — zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 3): Wie wird der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sicherstellen, daß das neue Bundesbahnkonzept, in dem nach Äußerungen des Parlamentarischen Staatsseketärs im Bundesministerium für Verkehr, Dr. Schulte, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 8. Februar 1984 (Plenarprotokoll 10/52) die Entscheidungen über Streckenstillegungen und die Konzentration von Dienststellen bei der Deutschen Bundesbahn (DB) der Unternehmensleitung zugewiesen sind, nicht zu Lasten der Verkehrsbedienung sowie der Bediensteten der DB (und damit gleichzeitig der Berufschancen) in ländlichen und periphären Räumen und vor allem auch des Zonenrandgebietes durchgeführt wird, und widerspricht dieses Konzept nicht den Grundsätzen des Bundesraumordnungsgesetzes und des Bundesraumordnungsprogrammes? Über Anpassungsmaßnahmen im Streckennetz beschließen die Organe der Deutschen Bundesbahn. Die Entscheidung unterliegt jedoch nach § 14 des Bundesbahngesetzes der Genehmigung durch den Bundesminister für Verkehr. Soweit das Zonenrandgebiet betroffen ist, erarbeitet ein Interministerieller Arbeitskreis (IAK), in dem der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vertreten ist, ein Votum, das der Bundesregierung zur Beschlußfassung vorgelegt wird. Außerhalb des Zonenrandgebietes werden Anpassungsmaßnahmen im Streckennetz der Deutschen Bundesbahn mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gemäß § 4 Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes abgestimmt. Soweit die Konzentrationen von Dienststellen gemäß Bundesbahngesetz genehmigungsbedürftig sind, werden sie ebenfalls mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gemäß § 4 Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes abgestimmt. Durch diese Verfahren ist sichergestellt, daß die Belange der Raumordnung berücksichtigt werden. Im übrigen werden von der Deutschen Bundesbahn die obersten Landesverkehrs- und Landesplanungsbehörden frühzeitig eingeschaltet. Entsprechendes gilt für andere genehmigungspflichtige Maßnahmen, bei denen die obersten Landesverkehrsbehörden nach § 44 des Bundesbahngesetzes zu beteiligen sind, sowie für alle sonstigen raumbedeutsamen Maßnahmen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 16 und 17): 4086* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Unter welchen Voraussetzungen und für welche typischen Fälle ist die Befristung von Arbeitsverträgen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig, und für welche Fälle sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, abweichend von dieser Rechtsprechung eine Befristung zuzulassen? Welche Höchstdauer der Befristung eines Arbeitsvertrages darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht überschritten werden, und hat die Bundesregierung die Absicht, abweichend von dieser Rechtsprechung die Höchstdauer der Befristung festzulegen'? Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Befristung eines Arbeitsvertrages, die den gesetzlichen Kündigungsschutz berührt, zulässig, wenn für die Befristung und ihre Dauer ein sachlicher Grund vorliegt. Da ein gesetzlicher Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses nicht besteht, ist die Befristung eines Arbeitsvertrages bis zur Dauer von 6 Monaten ohne weitere Voraussetzung zulässig. Im übrigen läßt das Bundesarbeitsgericht die Befristung von Arbeitsverträgen zu, wenn dies der Üblichkeit im Arbeitsleben und der Auffassung verantwortungsbewußter Vertragsparteien entspricht und die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht entgegenstehen. Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht in einer Vielzahl von Einzelentscheidungen die Befristung von Arbeitsverträgen als zulässig anerkannt, z. B. zur Erledigung des Anfalls einer zeitlich begrenzten Arbeit, bei vorübergehendem Mehrbedarf an Arbeitskraft, bei Beschäftigung zur vorübergehenden Aushilfe oder Vertretung, zur Überwindung sozialer Übergangsschwierigkeiten. Die Bundesregierung hat noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob und ggf. in welchen Fällen von dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch gesetzliche Maßnahmen abgewichen werden soll. Im Interesse der arbeitslosen Arbeitnehmer wird jedoch im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung überlegt, ob für eine Übergangszeit der Abschluß befristeter Arbeitsverträge erleichtert werden soll, um eine beschäftigungspolitische Schubwirkung zu erreichen und zusätzliche Beschäftigungschancen zu eröffnen. So könnte daran gedacht werden, die erstmalige Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einem Jahr zuzulassen, wenn ein arbeitslos gemeldeter Arbeitnehmer eingestellt wird. Auf diese Weise könnten Arbeitgeber zum Angebot befristeter Arbeitsverträge an Arbeitslose auch in solchen Fällen veranlaßt werden, in denen sie heute eine Stabilisierung der Auftragslage abwarten und in Überstunden ausweichen oder sonstige Maßnahmen treffen, die keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen. Auch würden erfahrungsgemäß befristete Arbeitsverträge häufig in unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt. Der Bundesregierung ist keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bekannt, die allgemein festlegt, daß eine bestimmte Höchstdauer bei befristeten Arbeitsverträgen nicht überschritten werden darf. Das Bundesarbeitsgericht stellt in dieser Frage vielmehr ganz auf die Umstände des Einzelfalles ab. Die Bundesregierung kann somit bei ihren Überlegungen zur Regelung des befristeten Arbeitsvertrages nicht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Dreßler (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 18 und 19): Wie bewertet die Bundesregierung die insbesondere von Gewerkschaften geäußerte Einschätzung, daß eine Ausweitung der Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, zu einer Umgehung des ohnehin sehr schwachen Kündigungsschutzes führen wird? Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen auch dort ausweiten will, wo das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, wie in Kleinbetrieben mit fünf oder weniger Arbeitnehmern? Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wird überlegt, im Interesse der arbeitslosen Arbeitnehmer für eine Übergangszeit den Abschluß befristeter Arbeitsverträge zu erleichtern, um eine beschäftigungspolitische Schubwirkung zu erreichen. In der Phase der konjunkturellen Wiederbelebung könnten damit die Arbeitgeber veranlaßt werden, eine Verbesserung der Auftragslage durch befristete Arbeitsverträge direkt Arbeitslosen zugute kommen zu lassen und nicht im Warten auf eine Stabilisierung der Auftragslage zunächst in Überstunden oder sonstige Maßnahmen auszuweichen, die keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen. Für den Arbeitslosen, der vielfach nur die Alternative hat, befristet eingestellt zu werden oder gar keine Beschäftigung zu finden, kann in dem erleichterten Abschluß befristeter Verträge keine Umgehung des Kündigungsschutzes liegen. Zudem werden erfahrungsgemäß zunächst befristete Arbeitsverträge häufig in unbefristete Arbeitsverhältnisse münden, für die dann der gesetzliche Kündigungsschutz gilt. Ich kann die von Ihnen erwähnte Einschätzung der Gewerkschaften deshalb nicht teilen. Im übrigen weise ich darauf hin, daß bereits nach geltendem Recht Arbeitsverträge bis zu 6 Monaten ohne weitere sachliche Voraussetzungen abgeschlossen werden können, sofern der Arbeitgeber nicht einer bestimmten, besonders geschützten Arbeitnehmergruppe, wie z. B. schwangeren Arbeitnehmerinnen, angehört. Die von Ihnen der Bundesregierung unterstellte Absicht zur Ausweitung der Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen kann schon deshalb nicht zutreffen, weil in Kleinbetrieben bis zu 5 Arbeitnehmern der Kündigungsschutz nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes bereits heute nicht gilt. Schon jetzt können in solchen Betrieben befristete Arbeitsverträge ohne weitere sachliche Voraussetzungen hinsichtlich der Befristung und ihrer Dauer abgeschlossen werden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4087* Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Fuchs (Köln) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 26 und 27): Welche arbeits- und sozialrechtlichen Benachteiligungen bestehen nach den Erkenntnissen der Bundesregierung bei Teilzeitbeschäftigungen gegenüber entsprechenden Vollzeitbeschäftigungen, und mit welchen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung diese Benachteiligungen abzubauen? Welche praktizierten Formen der Arbeit auf Abruf sind der Bundesregierung bekannt, und in welchem Umfang werden diese Arbeitsformen praktiziert? Zu Frage 26: In der Fragestunde am 18. Januar 1984 habe ich eine ähnliche Frage des Kollegen Reimann unter Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage Frauenarbeitslosigkeit (Bundestags-Drucksache 10/871) beantwortet. Das geltende Arbeitsrecht benachteiligt Teilzeitarbeitnehmer grundsätzlich nicht; es gilt für sie fast ausnahmslos in gleicher Weise wie für Vollzeitarbeitnehmer. Soweit in der betrieblichen Praxis Benachteiligungen von Teilzeitarbeitnehmern gegenüber Vollzeitarbeitnehmern vorkommen, beruhen diese in der Regel nicht auf arbeitsrechtlichen Vorschriften. Eine Ausnahme bildet die Vorschrift des Lohnfortzahlungsgesetzes, wonach für Teilzeitarbeiter kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besteht, wenn die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich 10 Stunden nicht übersteigt. Diese 1969 eingeführte Vorschrift soll nicht geändert werden, weil bei so geringer Arbeitsleistung es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, das Lohnfortzahlungsrisiko zu tragen. Zum Schutz vor sonstigen Benachteiligungen von Teilzeitarbeitnehmern strebt die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vor. Die Überlegungen über deren Inhalt sind noch nicht abgeschlossen. Erwogen wird beispielsweise, durch eine ausdrückliche Vorschrift eine Benachteiligung der Teilzeitarbeitnehmer gegenüber den Vollzeitarbeitnehmern im Arbeitsverhältnis grundsätzlich auszuschließen. In der Rentenversicherung steigert grundsätzlich jeder Beitrag entsprechend seiner Höhe die spätere Rente, auch ein Beitrag auf Grund von Teilzeitarbeit. Dementsprechend gibt es auch grundsätzlich keine Benachteiligung von Teilzeitarbeitskräften in der Rentenversicherung. Soweit ausnahmsweise bei späterer Anrechnung einer Zurechnungszeit eine Rentenanwartschaft durch niedrige Beiträge noch gesenkt werden kann, weist die Bundesregierung auf ihre wiederholt bekundete Absicht hin, die Anrechnung und Bewertung von beitragsgeminderten und beitragslosen Zeiten neu regeln zu wollen. Zu Frage 27: Neben der herkömmlichen Form der Rufbereitschaft, bei der ein Arbeitnehmer — beispielsweise ein Betriebsschlosser im Mehrschichtenbetrieb — neben einer Vollzeitbeschäftigung zusätzlich noch zur Arbeitsleistung in Notfällen erreichbar sein muß, hat sich im Rahmen der sogenannten kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit auch eine Arbeit auf Abruf entwickelt, bei der der Arbeitnehmer keine im voraus festgelegte Arbeitszeit hat, sondern sich zu Hause bereithält, um jeweils auf Abruf des Arbeitgebers seine Arbeit aufzunehmen. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, in welchem Umfang derartige Arbeit auf Abruf praktiziert wird. Auch frühere Bundesregierungen haben darüber keine Erhebungen angestellt, obwohl die Diskussion über diese Arbeitsform schon viele Jahre dauert. Diese Arbeitsform scheint allerdings wesentlich weniger häufig zu sein als andere Formen variabler Arbeitszeit, bei denen der Arbeitnehmer sich nicht auf Abruf bereithalten muß, sondern eine erhebliche Zeitspanne vorher erfährt, wann er arbeiten soll. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 28 und 29): Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Arbeit auf Abruf „sozialverträglicher" — wie vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 30. Januar 1984 angekündigt — zu gestalten'? Wie bewertet die Bundesregierung die insbesondere von Gewerkschaften geäußerte Einschätzung, dad die sogenannte Arbeit auf Abruf das Beschäftigungsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagere? In der Antwort auf eine ähnliche Frage des Kollegen Reimann habe ich in der Fragestunde am 18. Januar 1984 ausgeführt, daß 'die Überlegungen der Bundesregierung über Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf noch nicht abgeschlossen sind. Erwogen wird beispielsweise, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine gewisse Vergütung der Zeit zu geben, in der sich der Arbeitnehmer bereithalten muß, um auf Abruf des Arbeitgebers Arbeit zu leisten. Durch eine solche Regelung würde dem Arbeitnehmer auch für den Fall, daß er nicht oder nur in geringfügigem Maße innerhalb der zur Arbeitsleistung freigehaltenen Zeit tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird, ein Mindesteinkommen gesichert. Die von der Bundesregierung erwogenen Maßnahmen zielen auf eine Gestaltung der Arbeit auf Abruf, die einen gerechten Ausgleich zwischen den Erfordernissen betrieblicher Flexibilität und dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer schafft. Den Tarifvertragsparteien müßte jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, in Tarifverträgen abweichende Bestimmungen zu treffen und damit den unterschiedlichen wirtschaftlichen Notwendigkeiten der einzelnen Wirtschaftszweige Rechnung zu tragen. 4088* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Weinhofer (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 30 und 31): Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der angekündigten „sozialverträglicheren" Gestaltung der Arbeit auf Abruf Änderungen bei der Geringfügigkeitsgrenze, insbesondere deren Aufhebung? Durch welche zusätzlichen Maßnahmen soll die soziale Sicherheit der „Arbeitnehmer auf Abruf" sichergestellt werden? In der Fragestunde am 18. Januar 1984 habe ich dem Kollegen Reimann auf eine entsprechende Frage geantwortet, daß die Bundesregierung keine Änderungen bei der Geringfügigkeitsgrenze beabsichtigt. Die Regelung ist in den letzten Jahren mehrfach mit dem Ziel eingeschränkt worden, der Zunahme versicherungsfreier Beschäftigungen entgegenzuwirken. Die seit Beginn 1983 geltende Regelung ist im Sommer 1982 im Vermittlungsausschuß gefunden worden. Sie ist das Ergebnis einer sehr eingehenden Erörterung der verschiedenen Probleme der Versicherungsgrenze. Nach den zahlreichen Gesetzesänderungen sollte daher nach Auffassung der Bundesregierung jetzt die Einhaltung und Kontrolle der bestehenden gesetzlichen Regelungen im Vordergrund stehen. Auch die innerhalb der Bundesregierung angestellten Erwägungen über besondere arbeitsrechtliche Schutzvorschriften für die Arbeit auf Abruf geben keine Veranlassung, diese Frage nunmehr anders zu beurteilen. Zu Ihrer zweiten Frage teile ich Ihnen mit, daß die Überlegungen der Bundesregierung über Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf noch nicht abgeschlossen sind. Erwogen wird beispielsweise, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine gewisse Vergütung der Zeit zu geben, in der sich der Arbeitnehmer bereithalten muß, um auf Abruf des Arbeitgebers Arbeit zu leisten. Durch eine solche Regelung würde dem Arbeitnehmer auch für den Fall, daß er nicht oder nur in geringem Maße innerhalb der zur Arbeitsleistung freigehaltenen Zeit tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird, ein Mindesteinkommen gesichert. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Glombig (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 32 und 33): Welche Modelle des sogenannten Jobsharing werden nach den Erkenntnissen der Bundesregierung im Arbeitsleben derzeit praktiziert, und wie viele Arbeitnehmer nehmen an solchen Modellen teil? Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um das Jobsharing angeblich „sozialverträglicher" zu gestalten — wie vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 30. Januar 1984 angekündigt —, und hält die Bundesregierung die von ihr geplanten Maßnahmen für geeignet, die Verlagerung des Ausfallrisikos vom Arbeitgeber auf einen der am Jobsharing beteiligten Arbeitnehmer bei Krankheit, Urlaub und Ausscheiden des anderen am Jobsharing beteiligten Arbeitnehmers auszuschließen? Zu Frage 32: Unter „Job-sharing" wird allgemein eine Ausgestaltung der Teilzeitarbeit verstanden, bei der auf Grund des Arbeitsvertrages zwei oder mehrere Arbeitnehmer die an einem Arbeitsplatz anfallende Arbeitszeit in eigener Verantwortung untereinander aufteilen. Vielfach ist hiermit die vertragliche Verpflichtung dieser Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zur gegenseitigen Vertretung verbunden. Eine solche Verpflichtung wird teils unbeschränkt vereinbart, teils beschränkt auf bestimmte Arten von Vertretungsfällen. Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die Zahl der nach dem System des Jobsharing beschäftigten Arbeitnehmer vor. Zu Frage 33: Die Überlegungen der Bundesregierung über Maßnahmen zum Schutze der am Jobsharing beteiligten Arbeitnehmer sind noch nicht abgeschlossen. Erwogen wird beispielsweise, die Verpflichtung der Arbeitnehmer zur gegenseitigen Vertretung zu beschränken und die Kündigung durch den Arbeitgeber wegen des Ausscheidens des anderen Arbeitnehmers auszuschließen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Odendahl (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 38 und 39): Sind der Bundesregierung Schätzungen über das Ausmaß der ungeschützten Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse (unter 20 Stunden) bekannt, und wenn ja, wie hoch ist der Anteil der Frauen? Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchem Umfang Teilzeitarbeitsplätze mit 20 oder mehr Stunden in sogenannten Kapovaz (Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit)-Arbeitsplätze umgewandelt worden sind? Zu Frage 38: Nach den Ergebnissen der amtlichen Statistik (Mikrozensus 1982) gab es 1,62 Millionen abhängig Beschäftigte (davon 1,52 Millionen Arbeitnehmerinnen = 93,5%, darunter ca. 50 000 Beamtinnen) mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von unter 20 Stunden je Woche. Von diesen Teilzeitbeschäftigten sind diejenigen sozialversicherungspflichtig, die wöchentlich 15 Stunden und mehr arbeiten und/oder monatlich mehr als 390 DM (Geringfügigkeitsgrenze) verdienen. Dieser Personenkreis ist in der Kranken- und Rentenversicherung grundsätzlich versichert. Die Zahl der sozialversicherungsrechtlich nicht geschützten Beschäftigten kann aufgrund dieser Daten nur grob geschätzt werden. Sie dürfte bei etwa 500 000 bis 750 000, der Anteil der Frauen bei etwa 95% liegen. Im übrigen möchte ich auf die Antwort verweisen, die ich eben der Frau Kollegin Dr. Däubler-Gmelin gegeben habe und noch auf folgendes hinweisen: Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4089* Da der Mikrozensus auf den Selbstangaben der Befragten an einem bestimmten Stichtag beruht, müssen methodische und systematische Schwierigkeiten der Erhebung bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Zu Frage 39: Erkenntnisse über die Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in Arbeitsplätze mit Rufbereitschaft (Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit — „Kapovaz") liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 40 und 41): Wie hoch ist die Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 390 DM, und in welchem Ausmaß hat die Anzahl derartiger Arbeitsverträge in den letzten Jahren zugenommen? Welcher Personenkreis ist überwiegend in solchen „390-DM-Arbeitsverträgen" beschäftigt, und welche soziale Sicherung besteht für diesen Personenkreis? Die Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 390 DM/Monat läßt sich mangels statistischer Unterlagen nicht genau feststellen. Im übrigen verweise ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Antwort, die ich dazu vorhin der Kollegin Dr. Däubler-Gmelin gegeben habe. Die genannten Beschäftigungen sind überwiegend im Dienstleistungsbereich und im gewerblichen Bereich angesiedelt. Sie werden in erster Linie von verheirateten Frauen eingenommen. Dieser Personenkreis ist wegen des geringen Umfangs der Beschäftigungen grundsätzlich in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungsfrei. Werden mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, sind die betreffenden Personen allerdings wegen der Zusammenrechnung solcher Beschäftigungen in der Kranken- und Rentenversicherung grundsätzlich versicherungspflichtig. Überwiegend dürfte in Fällen der Versicherungsfreiheit die soziale Absicherung für den Fall der Krankheit durch die Familienkrankenhilfe gegeben sein; die Sicherung im Alter ist für die hier besonders angesprochene Gruppe der verheirateten Frauen, die keine eigenen oder nicht ausreichende Anwartschaften haben, in der Regel durch Unterhaltsansprüche gegen den Ehegatten und nach dessen Tod durch Hinterbliebenenleistungen aus der Altersversorgung des Ehemannes gegeben. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Keller (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 42 und 43): Ist der Bundesregierung bekannt, ob die bereitgestellten finanziellen Mittel für die berufliche Fortbildung — insbesondere Meisterkurse — soweit aufgebraucht sind, daß keine ausreichenden Mittel mehr für Neubewilligungen in 1984 vorhanden sind, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegebenenfalls die Mittel für nach § 44 Abs. 2 a Arbeitsförderungsgesetz geförderte Maßnahmen aufzustokken? Schließt sich die Bundesregierung der Auffassung an, daß die Aufwendungen für darlehensweise gezahltes Unterhaltsgeld, insbesondere bei Meisterkursen, teilweise auch zu Einsparungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe führen, wenn die durch die Teilnehmer an den Weiterbildungsmaßnahmen frei gewordenen Stellen wieder besetzt werden? Die Änderung des § 44 Abs. 2 a Arbeitsförderungsgesetz war mit einer Einsparungserwartung in Höhe von 100 Millionen DM verbunden. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, die weiterhin als Zuschuß gewährt werden, hat die Bundesanstalt für Arbeit den Haushaltsansatz für Unterhaltsgeld-Darlehen auf 156,9 Millionen DM für 1984 verringert. Im Jahre 1983 erreichten die Ausgaben 228,7 Millionen DM. Die Entwicklung im vergangenen Jahr weist einen erheblichen Anstieg der Empfängerzahlen in der zweiten Jahreshälfte auf. Von rund 12 500 im August stieg die Empfängerzahl auf 21 873 im Dezember 1983. Dieser starke Anstieg, der nicht zuletzt auf das Bekanntwerden der beabsichtigten Gesetzesänderungen zurückzuführen sein dürfte, hat dazu beigetragen, daß von den für 1984 zur Verfügung stehenden Mitteln 138,4 Millionen DM durch Bewilligungen bereits gebunden sind und für Neubewilligungen im Jahre 1984 nur noch rund 18,5 Mio DM zur Verfügung stehen. Es ist Aufgabe der Selbstverwaltung der Bundesanstalt, geeignete Kriterien für die Ermessensentscheidung über die Gewährung von UnterhaltsgeldDarlehen im Rahmen der Anordnung Fortbildung und Umschulung festzulegen. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschriften hat der Präsident der Bundesanstalt mit Erlaß vom 25. Januar 1984 angeordnet, daß Neubewilligungen zunächst nur für die Antragsteller ausgesprochen werden dürfen, die bereits an einer Maßnahme teilnehmen. Die Bundesregierung wird die Entwicklung weiterhin genau beobachten und, falls es sich als notwendig erweist, Vorschläge vorlegen, die sowohl den arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten als auch den finanzpolitischen Möglichkeiten der Bundesanstalt für Arbeit Rechnung tragen. In Einzelfällen führt das durch die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen bedingte Ausscheiden von Arbeitnehmern zu Einstellungen von Arbeitslosen. Die dadurch eintretenden Ersparnisse an Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe kompensieren aber nicht die Ausgaben für das Unterhaltsgeld. Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Entscheidung, das Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 a Arbeitsförderungsgesetz nur noch in eingeschränktem Umfang zu zahlen, von der Überlegung leiten lassen, daß die notwendige Konsolidierung der Finanzen der Bundesanstalt für Arbeit nicht nur den Arbeitslosen Leistungseinschränkungen auferlegen 4090* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 kann, sondern daß auch insbesondere von den Teilnehmern an Aufstiegsfortbildungsmaßnahmen wegen der damit verbundenen persönlichen Vorteile eine größere Eigenbeteiligung an den Kosten der Bildungsmaßnahme gefordert werden kann. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Pohlmann (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 44 und 45): Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach einer Meldung der Zeitschrift "Stern" eine größere Firma mit dem Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung getroffen hat, wonach Arbeitnehmer im Alter zwischen 50 und 58 Jahren für ein Jahr mit Wiedereinstellungsgarantie ausscheiden können und während dieser Zeit 85 v.H. ihres Nettoeinkommens beziehen, wobei sich dieses Einkommen aus dem Arbeitslosengeld und einem Zuschuß der Firma zusammensetzt? Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmervertretung dieser Firma, soweit eine Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld beabsichtigt ist? Das von Ihnen angesprochene Modell, nach dem langjährig beschäftigte ältere Arbeitnehmer für die Dauer eines Jahres mit Wiedereinstellungsgarantie aus dem Betrieb ausscheiden können, ist der Bundesregierung bekannt. Das Modell geht davon aus, daß den vorübergehend ausgeschiedenen Arbeitnehmern während ihrer einjährigen Freisetzung Arbeitslosengeld zusteht. Einen solchen Leistungsanspruch hat jedoch nur, wer bereit ist, jede ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Eine derartige Erklärung zur Arbeitsbereitschaft können die nach dem Modell ausgeschiedenen Arbeitnehmer im Grunde nur wahrheitswidrig abgeben, da sie in der Regel nicht an einer Arbeitsaufnahme interessiert sein dürften. Die Bundesregierung kann deshalb die Arbeitnehmer der in Betracht kommenden Firma nur warnen, von dem Angebot ihres Arbeitgebers Gebrauch zu machen. Im übrigen geht die Bundesregierung davon aus, daß die Firma ihr Modell wegen der geschilderten Rechtslage nicht weiterverfolgen wird. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Grünbeck (FDP) (Drucksache 10/ 1017 Frage 46): Sind der Bundesregierung die Zahlen derjenigen Auszubildenden bekannt, die vor Ablauf der Ausbildungsvertragsfrist durch einen erfolgreichen Abschluß ihre Ausbildung beenden, im Ausbildungsbetrieb aber nicht weiterbeschäftigt und dann — mangels anderer Berufsmöglichkeiten — arbeitslos werden? Die Zahl der Jugendlichen, die vor Ablauf der Ausbildungszeit ihre Abschlußprüfung ablegen, wird statistisch nicht erfaßt. Es ist der Bundesregierung daher auch nicht bekannt, wie viele dieser Jugendlichen nach Ablegung der Abschlußprüfung arbeitslos werden. Aus einer Sondererhebung der Bundesanstalt für Arbeit über jugendliche Arbeitslose zum 30. September 1983 geht lediglich hervor, daß rund 65 000 Jugendliche nach der abgeschlossenen Ausbildung nicht vom Betrieb übernommen wurden. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 47): Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem Gutachten über die Wirtschaftlichkeit und Effektivität der Arbeitsverwaltung vom 29. April 1983, erstellt von der Arbeitsgemeinschaft Horn usw., gezogen, und welche Anregungen werden gegenwärtig noch geprüft? Die auf Anregung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1982 in Auftrag gegebenen Gutachten über die Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Arbeitsverwaltung sind von den Gutachtern Anfang April 1983 vorgelegt worden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages mit Bericht vom 27. September 1983 über die Ergebnisse der Gutachten unterrichtet und dabei darauf hingewiesen, daß die Gutachten eine ganze Zahl interessanter Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsverwaltung enthalten. Er hat deshalb die Gutachten zur Prüfung und Umsetzung der Verbesserungsvorschläge an die Bundesanstalt für Arbeit weitergeleitet und durch seine Vertreter in den Selbstverwaltungsorganen der Bundesanstalt darauf geachtet, daß die Gutachten intensiv ausgewertet und inzwischen in einer Reihe von Punkten auch umgesetzt worden sind. Zum Stand der Umsetzung durch die Bundesanstalt im einzelnen möchte ich auf folgende Punkte hinweisen: Zum Gutachten der Arbeitsgemeinschaft HORN & PARTNER und ADV/ORGA, das Vorschläge zur Verbesserung der Büroorganisation und Ablauforganisation (insbesondere des Einsatzes der EDV und anderer moderner Bürotechniken) erbracht hat, hat der Vorstand der Bundesanstalt bereits am 29. Juni 1983 einen grundlegenden Umsetzungsbeschluß gefaßt und durch seinen Beschluß vom 14. Dezember 1983 über die „Grundsätze für die Weiterentwicklung der Datenverarbeitung in der Bundesanstalt für Arbeit" ergänzt. In Ausfüllung der Vorstandsbeschlüsse hat der EDV-Ausschuß der Selbstverwaltung der Bundesanstalt die Einrichtung von Organisationsreferaten (einschließlich EDV-Zuständigkeit) in den Fachabteilungen beschlossen. In der Abteilung Berufsberatung ist modellhaft ein Referat für Organisation und EDV eingerichtet worden, dessen vorrangige Aufgabe es ist, die Entwicklungsarbeiten für das System COMPAS Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4091* (Computerunterstützte Ausbildungsstellenvermittlung) und das System ZEBID (Zentrales EDV-unterstütztes berufs- und bildungskundliches Informations- und Dokumentationssystem) in Verbindung mit dem EDV-gestützten Gesamtdokumentationssystem für alle Aufgaben der Bundesanstalt voranzutreiben. Zu dem Gutachten der TREUARBEIT AG, das vor allem Verbesserungsvorschläge im Bereich der Fortbildung und Umschulung enthält, hat der Vorstand der Bundesanstalt den grundlegenden Beschluß zur Umsetzung am 21. September 1983 gefaßt. Die Umsetzungsarbeiten zu beiden Gutachten sind damit noch nicht abgeschlossen, sondern werden von der Bundesanstalt mit Nachdruck weiterverfolgt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 77): Wird die Bundesregierung die vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn (DB) für den Eigenbedarf nicht beanspruchten und der Bundesregierung für ein Sonderprogramm angebotenen Ausbildungsplätze bei der DB auch im Ausbildungsjahr 1984/85 übernehmen und finanzieren, und dabei insbesondere auch alle im Bereich von Weiden in der Oberpfalz angebotenen Ausbildungsplätze der DB beim Ausbesserungswerk und beim Bahnbetriebswerk erhalten? Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Möglichkeit, auch 1984 — wie in den vergangenen Jahren — die bei der Deutschen Bundesbahn für den Eigenbedarf nicht benötigten Ausbildungsplätze für Ausbildungen nach dem Berufsbildungsgesetz zur Verfügung zu stellen. Diese Überlegungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß auch im Jahre 1984 eine Regelung getroffen wird, die den Belangen der Deutschen Bundesbahn und den bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung gleichermaßen gerecht wird. Hiervon werden auch die Ausbildungsplätze im Bereich Weiden betroffen sein. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 78 und 79): Inwieweit liegt den in dem Angebot der Deutschen Bundesbahn unter dem Motto „Die Klasse(n)-Tour per Bahn" enthaltenen kostenlosen Zusatzleistungen eine reelle und reale Kalkulation zugrunde? Sind diese Zusatzleistungen, z. B. die kostenlosen Bustransfers, unter kartellrechtlichem Gesichtspunkt geprüft worden, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Dem in der Zeit vom 1. September 1983 bis 15. Juni 1984 zur Belebung der Nachfrage bei Schülergruppenreisen laufenden Sonderangebot „Die Klasse(n)-Tour per Bahn" liegt nach Angaben der Deutschen Bundesbahn eine reelle Kalkulation zugrunde. Dies gilt auch für den nicht besonders in Rechnung gestellten, unter bestimmten Voraussetzungen von der Bahn übernommenen Bustransfer zwischen Schulort und Bahnhof und gegebenenfalls zwischen Bahnhof und Schulort. Das Sonderangebot hat dem Bundesminister für Verkehr nicht zur Genehmigung vorgelegen. Eine Prüfung, insbesondere der nicht besonders in Rechnung gestellten Zusatzleistung „Bustransfer zum Bahnhof", unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten hat deshalb nicht stattgefunden. Der Bustransfer dient der Verbesserung des Angebotes im Rahmen einer Gesamtleistung und ist nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn somit unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig. Der Bustransfer ist bei fehlendem Bahnanschluß zur Erbringung des Schienentransportes als Hauptleistung wesensnotwendig und nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn keine Zugabe im Sinne der Zugabeverordnung. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hirsch (FDP) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 80 und 81): In welcher zeitlichen Reihenfolge werden mit Unterstützung der Bundesregierung oder unter Beteiligung von Einrichtungen oder öffentlich-rechtlicher Körperschaften des Bundes oder der Länder zu Zwecken der Massenkommunikation Direkt-Satelliten, geeignet zum Empfang durch jeden Teilnehmer über Einzelantennen und Verteil-Satelliten, geeignet zum Empfang nur durch die Kopfstationen von Kabelanlagen, im Weltraum stationiert? Ist beabsichtigt, die Rundfunk- und Fernsehprogramme der Verteil-Satelliten, die wegen ihrer schwachen Sendeleistung nur durch besondere Spezialantennen aufgefangen werden können, auf der Erde so umzusetzen, daß sie auch außerhalb der Kabelnetze mit normalen Einzelantennen empfangen werden können'? Zu Frage 80: Die Bundesregierung bzw. die Deutsche Bundespost beteiligt sich an unterschiedlichen Satellitenprojekten zur Übermittlung von Ton- und Fernsehprogrammen. Der Direktversorgung dient hiervon nur das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt eines Rundfunksatelliten TV-SAT. Voraussichtlicher Start des präoperationellen Satelliten ist Ende 1985. Zur Heranführung von Programmen an Kabelanlagen werden Teilkapazitäten von folgenden Fernmeldesatelliten benutzt: — ECS (European Communications Satellite) Der Satellit ist seit Oktober 1983 betriebsbereit. 4092* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 — INTELSAT V Der Satellit ist Ende 1984 betriebsbereit. — DFS Kopernikus Als Starttermin ist Mitte 1987 geplant. Zu Frage 81: Es ist nicht beabsichtigt, Hör- und Fernsehprogramme, die über Fernmelde-Satelliten übertragen werden, nach dem Empfang bei Erdefunkstellen über terrestrische Sender weiterzuverarbeiten. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Lutz (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 82 und 83): In welchem Umfang wird die Arbeit auf Abruf bei der Deutschen Bundespost praktiziert? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß mit der Sozialversicherungsfreiheit solcher Tätigkeiten vom Arbeitgeber geworben werden sollte, wie von der Deutschen Bundespost in Mannheim mit einer Briefwurfaktion in der ersten Dezemberwoche geschehen? Zu Frage 82: Für die Anpassung an regelmäßige Schwankungen der Arbeitsmenge im Postbetriebsdienst der Deutschen Bundespost — z. B. Verkehrsspitzen zur Monatswende, regelmäßige Sondereinlieferungen von Großkunden — werden durchweg ständige Arbeitskräfte eingesetzt. Für die Anpassung an unregelmäßige und unvorhersehbare Verkehrsspitzen ist das nicht sinnvoll. Hier ist es vielmehr erforderlich, kurzfristig und kurzzeitig auf zusätzliche Arbeitskräfte für eine vorübergehende Beschäftigung zurückzugreifen. Arbeitskräfte, die sich für solche Beschäftigungsverhältnisse auf Abruf kurzfristig zur Verfügung stellen, werden im Postbetrieb als „Abrufkräfte" bezeichnet. Sie werden bei einer Reihe von Ämtern — vorwiegend des Postdienstes — insbesondere im Brief-, Paket- und Päckchenverteildienst eingesetzt. Zu Frage 83: Es trifft zu, daß „Abrufkräfte" wegen ihres geringen Beschäftigungsumfangs aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sozialversicherungsfrei sind. Viele dieser als „Abrufkraft" beschäftigten Personen wünschen lediglich nur eine jeweils geringe Beschäftigung in diesem Sinne und sind auch an einer weitergehenden Bindung zur Deutschen Bundespost nicht interessiert. Denn überwiegend handelt es sich bei „Abrufkräften" um Hausfrauen, die über den Ehemann Sozialversicherungsschutz genießen und die deshalb an einer möglichst abzugsfreien Lohnauszahlung interessiert sind. Diesem Sachverhalt entsprach der Text der in Mannheim verteilten Handzettel. Gleichwohl habe ich sichergestellt, daß die Oberpostdirektion Karlsruhe bei künftigen Werbemaßnahmen für „Abrufkräfte" nicht mit dem Hinweis auf die Sozialversicherungsfreiheit wirbt. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Frage der Abgeordneten Frau Reetz (GRÜNE) (Drucksache 10/1017 Frage 84): Ist es richtig, daß im Mai und Dezember 1983 in der gesamten Bundesrepublik Deutschland die Fernsprechanschlüsse einer repräsentativen Anzahl von Privat-, Geschäfts-, Behörden- und Unternehmensanschlüsse jeweils (für den Fernsprechteilnehmer unbemerkt) an einen automatischen Drukker (Zählvergleichseinrichtung) geschaltet und damit Daten erhoben, auf Disketten gespeichert und zur Auswertung an das Rechenzentrum des Fernmeldetechnischen Zentralamtes übermittelt wurden, und wenn ja, was ist die Rechtsgrundlage für diese Datenerhebungen, -speicherungen und -weitergaben gewesen? Es trifft nicht zu, daß die Deutsche Bundespost Fernsprechanschlüsse für den Teilnehmer unbemerkt an eine Zählvergleichseinrichtung angeschaltet hat. Richtig ist, daß im Dezember 1983 eine Umfrage in Verbindung mit einer Verkehrsregistrierung bei etwa 500 geschäftlichen und 1 000 privaten Teilnehmern durchgeführt wurde. Bei den nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmern wurde die Verkehrsregistrierung mit deren vorherigem Einverständnis durchgeführt. Nach § 2 Postverwaltungsgesetz ist die Deutsche Bundespost verpflichtet, ihre Anlagen in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen. Aufgrund dieser Verpflichtung und der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (§§ 3, 9, 10) ist die Deutsche Bundespost zur Durchführung dieser Maßnahme ermächtigt. Anlage 21 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Fragen des Abgeordneten Kastning (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 87 und 88): Welche Kostenarten und in welcher Höhe werden bei Ausbildungsmaßnahmen nach dem Sonderprogramm der Bundesregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen nicht durch Bundesmittel nach den Richtlinien vom 27. Oktober 1983 abgedeckt? Sind der Bundesregierung Koordinierungsprobleme, das heißt, gegenseitige Beeinträchtigungen von Bundesprogramm und Ländersonderprogrammen bekannt? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4093* Zu Frage 87: Beim Sonderprogramm zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen werden mit Ausnahme der Investitionskosten alle Ausbildungskosten abgedeckt. Nach § 5 der Richtlinien der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft sowie für Arbeit und Sozialordnung vom 27. Oktober 1983 setzt sich die Zuwendung aus folgenden Teilbeträgen pro Auszubildenden und Monat zusammen: 1. einem Betrag für die Ausbildungsvergütung bis zur Höhe des Bedarfssatzes im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes für einen Auszubildenden, der das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und im Haushalt der Eltern untergebracht ist, zuzüglich 5% jährlich ab dem 2. Ausbildungsjahr. Dazu kommt die Übernahme der vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung und Bundesanstalt für Arbeit; 2. einem Betrag für sonstige ausbildungsbedingte Kosten, also für Kosten für das Ausbildungspersonal, Kosten für die Ausbildungsstätte, sonstige laufenden Ausbildungskosten und Prüfungsgebühren in Höhe von a) 400 DM für die in der Anlage zu den Richtlinien aufgeführten überwiegend kaufmännisch-verwaltenden Ausbildungsberufe, b) 600 DM für die übrigen Ausbildungsberufe. Mit diesem pauschalierten Zuwendungsverfahren sind alle ausbildungsbedingten Kosten erfaßt. Zu Frage 88: Der Bundesregierung sind keine Koordinationsprobleme von Bundesprogramm und Länderprogrammen bekannt. In dem Fall einer ähnlichen Programmgestaltung, wie er in Niedersachsen vorliegt, sind bereits bei der Richtliniengestaltung die Intentionen des Landes voll berücksichtigt und bei der örtlichen Durchsetzung keine Schwierigkeiten bekanntgeworden. Anlage 22 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Fragen des Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 89 und 90): In welchem Umfang wurde das Sonderprogramm der Bundesregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen am 31. Januar 1984 in Anspruch genommen? Gibt es denkbare Träger von Maßnahmen im Rahmen des Sonderprogramms der Bundesregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen vom Herbst 1983, die wegen der erforderlichen Höhe der finanziellen Eigenbeteiligung und eines befürchteten Verstoßes gegen tarifrechtliche Bestimmungen bei Übernahme einer Trägerschaft solche Maßnahmen nicht durchführen konnten? Zu Frage 89: Nach dem aktuellen Stand der Durchführung des Einmaligen Sonderprogramms befinden sich rd. 3 350 Jugendliche in Maßnahmen, die nach dem Sonderprogramm gefördert werden und weitere rd. 3 350 Jugendliche in Maßnahmen, deren Bewilligungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Mit den noch verfügbaren Restmitteln können jetzt auch Maßnahmen in den Arbeitsamtsbezirken gefördert werden, die bisher wegen der Bevorzugung ausgewählter Vorrang-Regionen nicht zum Zuge kommen konnten. Zu Frage 90: Der Bundesregierung sind vereinzelte Maßnahmen bekannt geworden, bei denen die potentiellen Träger Bedenken gegen die Höhe des Zuschusses zur Ausbildungsvergütung geäußert haben; der Zuschuß beträgt in Anlehnung an § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes bis zu 395 DM zuzüglich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialabgaben. Die Gesamtzahl der bereits bewilligten oder im Bewilligungsverfahren befindlichen Maßnahmen macht deutlich, daß die auf sparsame Mittelverwendung ausgerichteten Förderbedingungen des Sonderprogramms kein Hinderungsgrund für den Erfolg des Programms sind. Anlage 23 Antwort des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage des Abgeordnerten Marschewski (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Frage 91): Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, das ITZ (Innovationsförderungs- und Technologietransfer-Zentrum der Hochschulen des Ruhrgebietes) über den 31. März 1984 hinaus bestehen zu lassen, da gerade in der momentanen Strukturkrise des Reviers die Erfahrungen dieser Modelleinrichtung dringend benötigt werden? Das Innovationsförderungs- und Technologietransfer-Zentrum der Hochschulen des Ruhrgebiets ist bis zum 31. März 1984 über vier Jahre als Modellversuch der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung finanziert worden. Damit ist nach Ansicht der Bundesregierung in der Dauer der Förderung und in der Sache ein Stand erreicht, der dem Land Nordrhein-Westfalen die Entscheidung darüber ermöglicht, wie es die gewonnenen Erfahrungen nutzen will, sowie ob bzw. in welcher Form die im Förderungszeitraum geleistete Arbeit gegebenfalls im Zusammenwirken mit den beteiligten Hochschulen weitergeführt werden soll. Der Bundesregierung liegen Informationen vor, daß beabsichtigt ist, an den beteiligten Hochschulen auf Grund der Erfahrungen des Modellversuchs eigene Transferstellen zu errichten. Diese Transferstellen sollen im Rahmen einer noch zu vereinbarenden Kooperation zusammenwirken. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß mit einer solchen dezentralen Lösung die Erfahrungen 4094* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 dieses Modellversuchs für die Lösung wichtiger Strukturprobleme des Ruhrgebiets genutzt werden können. Anlage 24 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 92): Hat die Bundesregierung offiziell davon Kenntnis erhalten, aus welchen Gründen die amerikanische Regierung aus der UNESCO ausgetreten ist, und welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu diesen Gründen? Die Bundesregierung war sowohl vor wie nach der Ankündigung des Austritts der USA aus der UNESCO durch Briefwechsel zwischen BM Genscher und AM Shultz über die Begründung des amerikanischen Schritts unterrichtet. In den offiziellen Erklärungen des State Department wurden nachstehende Kündigungsgründe genannt: — Politisierung jedes besonderen Gegenstandes, — Feindseligkeit gegenüber den Einrichtungen einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung (freie Marktwirtschaft, freie Presse), — unmäßiges Budgetwachstum. Die Bundesregierung hat hierzu am 28. Dezember 1983 erklärt, daß sie die amerikanischen Besorgnisse zwar in einem erheblichen Maß teile, jedoch gemeinsam mit ihren europäischen Partnern der Meinung sei, daß durchaus die Chance bestehe, durch intensive Mitwirkung an der Arbeit der Organisation eine Änderung der Politik der UNESCO zu erreichen. — Auch wir treten für den Abbau der ideologisch motivierten Politisierung ein. UNESCO ist im letzten Jahrzehnt allzu häufig als propagandistisches Forum mißbraucht worden. Es wird also darum gehen zu erreichen, daß weltpolitische Krisen künftig wieder bei den VN selbst behandelt werden. — In den Medienfragen werden wir erreichen müssen, daß die ideologische Debatte endgültig eingestellt wird und praktische Aufgaben verstärkt wahrgenommen werden. — Ferner müssen wir erreichen, daß Kürzungen im Verwaltungshaushalt einschließlich des Personals vorgenommen werden und solche Programme gestrichen werden, die umstritten oder aus unserer Sicht weniger wichtig sind. Im übrigen sind wir der Auffassung, daß die UNESCO in ihren Arbeitsbereichen (Erziehung, Wissenschaft, Kultur, Medien) überwiegend wertvolle Arbeit leistet, die weitgehend auf die Bedürfnisse der Dritten Welt ausgerichtet ist. Anlage 25 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Graf Stauffenberg (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 93 und 94): Wie beurteilt die Bundesregierung militärische Aktionen von SWAPO, angolanischen und kubanischen Militärkräften, die von angolanischem Boden aus auf das Gebiet von Namibia gerichtet sind? Hält die Bundesregierung diese militärischen Aktivitäten für vereinbar mit den Regeln des Völkerrechts? Zu Frage 93: Über militärische Aktionen angolanischer oder kubanischer Streitkräfte gegen namibisches Gebiet liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Militärische Aktionen der SWAPO, vor allem solche, die sich auf die Zerstörung von Menschenleben oder von Sachen in Namibia richten, werden von der Bundesregierung verurteilt. In ihrer Antwort vom 20. 12. 1983 auf die Große Anfrage der SPD hat die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung gegenüber jeder Gewaltanwendung klar dargelegt. Zu Frage 94: Eine von den meisten afrikanischen Staaten und darüber hinaus von der Mehrheit der VN-Generalversammlung vertretene Auffassung betrachtet den Einsatz militärischer Gewalt durch Befreiungsbewegungen zur Durchsetzung der Unabhängigkeit kolonialer Gebiete als gerechtfertigt. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Konflikte können nur mit friedlichen Mitteln gelöst werden. Anlage 26 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 97 und 98): Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Nicht-Zulassung des Senders „Freies Europa", München, zu den Olympischen Winterspielen in Sarajewo, die auf Druck der jugoslawischen Regierung erfolgt ist, mit den Vereinbarungen in der KSZE-Schlußakte von Helsinki und in der KSZE-Schlußerklärung von Madrid, denen auch Jugoslawien beigetreten ist, in Einklang zu bringen, und was hat die Bundesregierung unternommen, um den Prinzipien des freien Informationsaustausches auch in Jugoslawien Geltung zu verschaffen? Treffen kna-Meldungen (Schwäbische Zeitung vom 8. Februar 1984) zu, wonach in Jugoslawien unweit von Sarajewo in den Haftanstalten Foca und Zenica politische Häftlinge eingekerkert gehalten werden, von denen kürzlich ein Hilferuf in den Westen drang, und in denen auch mehrere Franziskanerpatres gefangen gehalten werden, von denen ein erst 23jähriger zu sechs Jahren Haft verurteilt worden ist, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4095* weil er in einem Gedicht die Ermordung seines Vaters und seines Großvaters durch die jugoslawische Polizei geschildert hat, und was gedenkt die Bundesregierung bejahendenfalls zugunsten dieser Inhaftierten zu unternehmen? Zu Frage 97: Die Nicht-Akkreditierung der Journalisten des Senders „Radio Free Europe/Radio Liberty" bei den Olympischen Winterspielen in Sarajevo war eine Entscheidung des dafür zuständigen Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die Antwort ob diese Entscheidung mit den Erklärungen der KSZE in Helsinki und Madrid in Einklang zu bringen ist, lautet „Nein". Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Zielsetzungen der KSZE-Schlußakte, zu denen insbesondere die Erleichterung einer freieren und umfassenderen Verbreitung von Informationen in Europa über die Grenzen hinweg gehört, auch bei Veranstaltungen wie den Olympischen Winterspielen in Sarajevo berücksichtigt werden sollte. Zu Frage 98: Der Bundesregierung gehen gelegentlich Informationen über Fälle zu, in denen jugoslawische Staatsbürger, auch Angehörige kirchlicher Orden, zu Haftstrafen verurteilt werden. Die Möglichkeiten der Bundesregierung, zugunsten Inhaftierter, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, zu intervenieren, sind bekanntlich begrenzt. Dennoch bemüht sich die Bundesregierung, sich in ihren Kontakten mit der jugoslawischen Regierung aus humanitären Gründen auch für diese Personen zu verwenden, soweit dies je nach Lage des Einzelfalles angezeigt erscheint, um den Betroffenen zu helfen. Dies ist auch während des Staatsbesuches von Bundespräsident Carstens im September 1983 geschehen. Aus naheliegenden Gründen muß dabei äußerste Diskretion gewahrt werden. Anlage 27 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Abgeordneten Curdt (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 99): Ist der Bundesregierung der Fall des ghanaesischen Staatsbürgers David Aboagye bekannt, der deutschen Pressemeldungen zufolge nach Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland in sein Heimatland Ghana Anfang Dezember 1983 in Accra auf offener Straße erschossen worden sein soll, und hat sie Erkenntnisse über die näheren Umstände seines Todes? Unmittelbar nach Presseveröffentlichungen über das Schicksal des ghanaischen Staatsangehörigen David Akwasi Aboagye hat das Auswärtige Amt die Botschaft Accra mit Nachforschungen zur Klärung des Sachverhalts beauftragt. Von dort wurde am 8. Februar 1984 fernschriftlich mitgeteilt, daß über einen Vertrauensanwalt durchgeführte Ermittlungen ergeben haben, daß 1) weder auf der Hauptstraße von Accra nach Kumasi noch auf einer der in Frage kommenden Nebenstrecken ein solcher oder ähnlicher Vorfall innerhalb der letzten drei Monate vorgekommen ist, 2) ein unnatürlicher Sterbefall des Aboagye alias Aboegye nicht registriert ist. In den Monaten November/Dezember 1983 sind insgesamt drei Fälle vorgefallen, bei denen Militärangehörige auf Zivilisten geschossen hatten. In allen Fällen gab es ein großes Presseecho. Die Täter wurden in zwei Fällen mit Todesfolge zum Tode verurteilt, ein Urteil ist bereits vollstreckt. Bei einem der Täter handelt es sich um Flotillen-Leutnant Kojo Lee, der als Freund von JJ Rawlings gilt und trotz dieser Tatsache ebenfalls zum Tode verurteilt wurde. Sämtliche Vorfälle mit Militärangehörigen sind stets auf Kurzschlußreaktionen der Soldaten zurückzuführen gewesen. Es ist undenkbar, daß ein politisches Opfer kurzerhand erschossen wird, ohne daß eine zu Propagandazwecken zu verwertende Gerichtsverhandlung erfolgen würde. Anlage 28 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 100 und 101): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das Schicksal des ugandischen Oppositionsabgeordneten Luke Kazinja vor, dessen Haus durchsucht, dessen Ehefrau verletzt und gefoltert und seitdem in Haft sei und dessen zwei Verwandte ebenfalls verletzt worden sein sollen durch Maßnahmen des ugandischen Militärs und der selbst seit Ende Januar 1984 verschwunden ist? Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das Schicksal des ugandischen Oppositionsabgeordneten Onesmos Katalikawe vor, der verhaftet und gefoltert sein und sich jetzt in Gewahrsam der ugandischen Geheimpolizei im sogenannten „Parkhotel" in Kampala befinden soll? Zu Frage 100: Der Parlamentsabgeordnete Kazinja, Mitglied der oppositionellen Democratic Party, ist seit dem Abend des 27. Januar verschwunden. Wie der Oppositionsführer, der Vorsitzende der DP, in einer Pressekonferenz am 3. Februar1984 mitteilte, wurde das Haus des Abgeordneten Kazin-ja am 27. Januar 1984 von Angehörigen des Militärs durchsucht; einige im Hause des Abgeordneten befindliche Angehörige, u. a. seine Ehefrau und sein Schwiegervater, seien mit Schlägen mißhandelt worden, die eine anschließende Krankenhausbehandlung erforderlich machten. Die Aktion erfolgte im Zusammenhang mit der Ermordung von vier Europäern am 22. Januar 1984, in die lt. Anschuldigung der ugandischen Regierung der Abgeordnete Kazinja verwickelt sein soll. Über den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Abgeordneten Kazinja ist nichts bekannt. 4096* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Zu Frage 101: Der Abgeordnete Katalikawe, ebenfalls Mitglied der DP, wurde am 7. Februar 1984 durch Angehörige des Militärpersonals einer Kaserne nördlich von Kampala festgenommen. Ob er in ein dem ugandischen Geheimdienst unterstehendes ehemaliges Hotel namens „Parkhotel" überführt wurde, ist nicht bekannt. Die ugandische Regierung hat zum Verbleib des Abgeordneten Katalikawe keine Stellungnahme abgegeben. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Frage 102): Wird die Bundesregierung in Verfolgung der von Verfassungs wegen bestehenden Schutzpflicht für Deutsche und der gebotenen Einforderung menschenrechtlicher Verpflichtung des Politischen Menschenrechtspaktes die Forderung erheben, daß in der von der Volksrepublik Polen geforderten „gemischten Kommission" (Nachrichtenspiegel 14. Februar 1984, S. 2) die Fragen der Ausreisefreiheit und der Gewährleistung kultureller und nationaler Eigenart für Deutsche ebenfalls behandelt werden? Bei der im Nachrichtenspiegel vom 14. Februar 1984 erwähnten „Gemischten Kommission" handelt es sich um die auf Grund des deutsch-polnischen Vertrages über Wirtschaftskooperation vom 1. November 1974 eingesetzte Gemischte Regierungskommission. Der Zeitpunkt ihres Zusammentretens ist noch offen. Die von Ihnen angesprochenen Fragen werden von der Bundesregierung selbstverständlich in ihren Kontakten mit der polnischen Regierung in dem für das Thema jeweilig adäquaten Rahmen angemessen behandelt werden. 'Ganz besonders die mit der Ausreise verbundenen Fragen werden in den laufenden Kontakten mit der polnischen Regierung mit Nachdruck verfolgt. Entsprechendes gilt für die anderen von Ihnen berührten Themen. Anlage 30 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage der Abgeordneten Frau Zutt (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Frage 103): Gibt es von bundesdeutschem Boden technische und/oder logistische Unterstützung für westliche Militäreinheiten (UNO-Kontingent und andere) im Nahen-Osten? Die technische und/oder logistische Versorgung westlicher Militäreinheiten im Nahen Osten ist Angelegenheit der jeweiligen Regierung. Wenn dabei Maßnahmen vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland ausgehen oder dieses berühren, ist die ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung erforderlich. Die Bundesregierung entscheidet über etwaige Anträge ausländischer Regierungen unter Berücksichtigung nationaler, insbesondere auch unserer Bündnisinteressen. Anlage 31 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Abgeordneten Hiller (Lübeck) (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 104): Hat der Bundeskanzler bei seinem Besuch in Israel mit der israelischen Regierung über die Problematik einer Rüstungskooperation mit Ägypten gesprochen, und wenn nein, warum nicht? Die Problematik einer Rüstungskooperation mit Ägypten ist bei dem Besuch des Bundeskanzlers in Israel mit der israelischen Regierung nicht angesprochen worden. Da mit der ägyptischen Regierung keine Vereinbarungen dieser Art in Vorbereitung sind, bestand für die deutsche wie die israelische Seite keine Veranlassung, das Thema anzusprechen. Anlage 32 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen der Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 105 und 106): Wie wird die Bundesregierung auf die Stellungnahme des saudi-arabischen Regierungsvertreters vom 9. Februar 1984 zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom selben Tag reagieren, daß Saudi Arabien befürchte, daß diese Erklärung spürbare Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auf allen Gebieten in einer Form haben werde, die den gemeinsamen Interessen nicht dienen werde? Wie beabsichtigt die Bundesregierung, zu der Stellungnahme des saudi-arabischen Regierungsvertreters zu Waffenkäufen in der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Februar 1984 zu reagieren, Saudi Arabien werde jede Bedingung zurückweisen, die ihm bei der Verfolgung seiner legitimen Rechte zur Verteidigung seiner selbst und seines Gebietes diktiert würden? Der saudische Außenminister, Prinz Saud al-Faisal, hat in der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bundeskanzler am 11. Oktober 1983 in Djidda geäußert: „Die Politik Saudi-Arabiens ist eine Friedenspolitik. Saudi-Arabien ist nicht darauf bedacht, gegenüber anderen Staaten Aggression zu betreiben". Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung vor diesem Hohen Haus ausgeführt, daß es für uns Deutsche „... wichtig ist, eine realistische und ausgewogene Politik gegenüber allen Staaten der Region zu verfolgen". Damit ist selbstverständlich auch Saudi-Arabien gemeint. Es heißt dort weiter: „Ich bin überzeugt, daß keines der Waffensysteme jemals bei einem Angriff gegen Israel zum Einsatz kommt." Offensichtlich hat es hier Mißverständnisse gegeben, die möglicherweise auf Fehlern bei der Über- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4097* mittlung der Rede des Bundeskanzlers beruhen. Die Bundesregierung hat den genauen Text der saudischen Seite in Übersetzung zugänglich gemacht. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage der Abgeordneten Frau Weyel (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 107): Sind der Bundesregierung Untersuchungen bekannt, nach denen in der näheren Umgebung von Krematorien Umweltschäden festgestellt wurden, die offenbar durch die Verbrennung von Kunststoffauskleidung der Särge verursacht werden, und sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf zur Vermeidung solcher Schäden? Der Bundesregierung sind keine Untersuchungen bekannt, die einen Hinweis auf mögliche Umweltschäden als Folge des Betriebs von Krematorien geben. Ein Handlungsbedarf wird daher nicht gesehen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Curdt (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Frage 108): Hat in dem Asylverfahren des David Aboagye die Bundesregierung dem Verwaltungsgericht Braunschweig gegenüber eine Stellungnahme dahin gehend abgegeben, daß die Ablehnung des Asylantrages und die daraus folgende Abschiebung für den Antragsteller mit einer Gefahr für Leib und Leben nicht verbunden sei? Eine derartige Stellungnahme ist weder vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten abgegeben worden. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Pauli (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 109): Wie hoch sind die Einnahmen durch die Erstattung der Kosten für den Einsatz des Technischen Hilfswerks anläßlich der Hochwasser im April und Mai 1983, nachdem der Bundesfinanzminister seine Zustimmung auf den Erstattungsverzicht versagt hat? Anläßlich der Hochwasser im April und Mai 1983 haben hiervon betroffene Gemeinden und Kreise die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk im Wege der Amtshilfe zur Schadensbekämpfung angefordert. Durch diesen Einsatz entstanden der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Kosten in Höhe von über 400 000 DM. Da nach dem Grundgesetz allein die Länder für den friedensmäßigen Katastrophenschutz zuständig und damit kostenpflichtig sind (Art. 104 a Grundgesetz), war die Bundesanstalt verpflichtet, ihre Aufwendungen den anfordernden Stellen der Länder in Rechnung zu stellen. Aus diesem Grund sah sich- auch der Bundesminister der Finanzen nicht in der Lage, Kostenverzichtsanträgen der Gemeinden und Kreise zuzustimmen, zumal diese die Möglichkeit haben, finanzielle Unterstützung aus Katastrophenfonds der Länder zu erhalten. Unbeschadet dessen hat das Bundesamt für Zivilschutz im Rahmen seiner Zuständigkeit und unter Ausschöpfung der für diesen Zweck zur Verfügung stehenden planmäßigen Haushaltsmittel auf Einsatzkosten in Höhe von ca. 50 000 DM verzichtet. Von den danach noch zu erstattenden 366 766 DM Einsatzkosten sind bis zum 15. Februar 1984 6 819,11 DM bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk eingegangen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hauchler (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 110 und 111): Billigt die Bundesregierung Äußerungen des Kommandeurs des Bundesgrenzschutzkommandos West, Ulrich Wegener, der Pressemeldungen vom 3. Februar 1984 zufolge den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) als Terroristenorganisation bezeichnet, ein Treffen von Mitgliedern des Rates der EKD mit dem ANC als „instinktlos" qualifiziert und ein gespanntes Verhältnis zwischen den Sicherheitsorganen der Bundesrepublik Deutschland und der Evangelischen Kirche wegen der Zusammenarbeit der EKD mit dem ANC behauptet hat? Hält die Bundesregierung diese Äußerungen des Bundesgrenzschutzkommandeurs West für vereinbar mit ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD zur „Politik der Bundesregierung im Südlichen Afrika", insbesondere mit dem zur Frage B. I. 8. Ausgeführten, und welche Konsequenzen wird sie aus möglichen Unvereinbarkeiten ziehen? Zu Frage 110: Ihre Frage bezieht sich auf ein Telefoninterview, das der Kommandeur des Grenzschutzkommandos West dem „Informationsdienst der evangelischen Allianz" gegeben hat und das in der Ausgabe des Informationsdienstes 11/84 vom 2. Februar 1984 abgedruckt ist. Vereinzelt hat die Presse darüber berichtet, so auch die Tageszeitung „Die Welt" vom 3. Februar 1984. Der Kommandeur des Grenzschutzkommandos West hat in einer von mir angeforderten dienstlichen Erklärung angegeben, die Äußerungen gegenüber dem Informationsdienst, die in der Presse zutreffend wiedergegeben sind, unabhängig von seiner dienstlichen Tätigkeit im BGS gemacht zu haben. 4098* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Es ist grundsätzlich nicht Sache der Bundesregierung, zu privaten Äußerungen von Beamten Stellung zu nehmen. Zu Frage 111: Die Bundesregierung vertritt nach wie vor die in ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur „Politik der Bundesregierung im Südlichen Afrika" — Bundestagsdrucksache 10/833 — niedergelegte Auffassung. Die Bundesregierung ist ebenso der Auffassung, daß private Äußerungen von Beamten für die Auffassung der Bundesregierung nicht maßgeblich sind. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 112 und 113): Welche Mitglieder in der Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission sind bereits länger als eine Amtsdauer in diesen Gremien, und besteht nicht durch Überschreitung einer Amtsdauer als Regelfall die Gefahr, daß sich ein etablierter Kreis bildet, der neuen Problemen gegenüber zu wenig aufgeschlossen ist? Bleibt der Bundesminister des Innern bei seiner in einem Brief vom 30. September 1983 dargelegten Haltung, wonach die Stellungnahmen und Empfehlungen der Reaktorsicherheitskommission und anderer Beratungsgremien sich ausschließlich an den Bundesminister des Innern richten und als Expertenmeinung nicht auf dem Prüfstand der politischen Diskussion stehen sollten? Zu Frage 112: Alle 19 Mitglieder gehören der Reaktor-Sicherheitskommission länger als eine Berufungsdauer an. Von den 16 Angehörigen der Strahlenschutzkommission sind 13 länger als eine Berufungsperiode Mitglieder der Kommission. Die von Ihnen skizzierte Gefahr mangelnder Aufgeschlossenheit für neue Probleme sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die fachliche Beratung für den Bundesminister des Innern setzt profunde Kenntnisse und Sensibilität für die Probleme voraus. Die Mitglieder von Reaktor-Sicherheitskommission und Strahlenschutzkommission haben in den langen Jahren des Bestehens dieser Beratungsgremien immer wieder ihren Sachverstand und ihre fachliche Kompetenz unter Beweis gestellt. Dies gilt im besonderen Maße bei der Beschäftigung mit neuen und neuartigen Fragestellungen, zu denen ReaktorSicherheitskommission und Strahlenschutzkommission den Bundesminister des Innern satzungsgemäß als unabhängige Expertengremien beraten. Zu Frage 113: Ja, der Bundesminister des Innern trägt für die Umsetzung von Beratungsergebnissen — die er nach eigener Prüfung vornimmt — die politische Verantwortung. Er macht alle Empfehlungen der Reaktor-Sicherheitskommission und der Strahlenschutzkommission durch ihre Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Diskussion zugänglich. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Krizsan (GRÜNE) (Drucksache 10/1017 Fragen 114 und 115): Wie begründet die Bundesregierung die Beteiligung mit 6 Millionen DM am Kauf des Evangeliars Heinrich des Löwen, und wie beurteilt sie die Art der Durchführung des Kaufs? Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der Aussage vom 8. Dezember 1982 (Pressemitteilung Bundesminister des Innern) „Die neue TA Luft ist nicht als Instrument im Kampf gegen das Phänomen des sogenannten sauren Regens gedacht" und ihren Erklärungen, energisch gegen das Waldsterben vorgehen zu wollen? Zu Frage 114: Das Evangeliar Heinrichs des Löwen ist am 6. Dezember 1983 in einer gemeinsamen Aktion der Länder Niedersachsen und Bayern, des Bundes, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und mit den Mitteln vieler privater Spender erworben worden. Die Initiative lag bei Niedersachsen; die beiden beteiligten Länder tragen die Hauptlast der Finanzierung. Der Bund hat sich am Erwerb des Evangeliars mit 6 Millionen DM wegen dessen herausragender historischer und kulturhistorischer Bedeutung beteiligt. Das Evangeliar gehört nach Reichtum der Ausstattung und künstlerischer Qualität zu den kostbarsten Kunstschätzen des deutschen Mittelalters; seine Wiedergewinnung für die deutsche Öffentlichkeit war eine nationale Aufgabe ersten Ranges. Zur Durchführung des Erwerbs hat die Bundesregierung dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages einen ausführlichen Bericht vorgelegt, den sie in der Sitzung des Ausschusses am 18. Januar 1984 mündlich ergänzt hat. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat auf dieser Sitzung den Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis genommen und der Bundesbeteiligung zugestimmt. Zu Frage 115: Die Bundesregierung sieht zwischen den genannten Erklärungen keinen Widerspruch. Die am 1. Februar 1983 bereits in Kraft getretene Novelle zur TA Luft behandelt primär Fragen des Immissionsschutzes, und zwar Fragen, die mit dem Schutz der Nachbarschaft in der Umgebung von Industrieanlagen zusammenhängen. Der saure Regen mit den damit zusammenhängenden Baumschäden wirkt sich aber insbesondere in industriefernen Regionen aus. Maßnahmen gegen das Waldsterben müssen an der Quelle der Emissionen ansetzen. Dies erfolgt durch Emissionsbeschränkungen nach dem Stand der Technik in der Großfeuerungsanlagen-Verord- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4099* nung, die am 1. Juli 1983 in Kraft getreten ist, und die derzeit in Bearbeitung befindliche Novelle zu Teil 3 der TA Luft. Die Großfeuerungsanlagen-Verordnung erfüllt alle in sie gesetzten Erwartungen der Bundesregierung. So wird sich nach einer Mitteilung der Elektrizitätswirtschaft der Jahresausstoß an Schwefeldioxid allein im Bereich der öffentlichen Kraftwirtschaft schon bis 1988 um eine Million Tonnen verringern. Das Umweltbundesamt schätzt die Verminderung bis 1983 auf ca. 1,6 Millionen Jahrestonnen. Für die übrige Industrie, die mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung nicht erfaßt wird, sollen strenge Emissionsbeschränkungen in Teil 3 der TA Luft festgelegt werden. Der Entwurf ist bereits mit den Ländern besprochen worden. Er wird zügig weiter beraten. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten von Schmude (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 116 und 117): Wieviel Tonnen Abfälle werden jährlich aus der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Transit durch die Bundesrepublik Deutschland an die einzelnen Deponien in die DDR geliefert, und wie hoch ist der Anteil der Sonderabfälle? Welcher Betrag mußte im abgelaufenen Kalenderjahr von der Bundesrepublik Deutschland an die DDR für die Beseitigung der Abfälle gezahlt werden? Zu Frage 116: Im Jahre 1983 wurden in der DDR rd. 1,4 Millionen Tonnen Abfälle aus der Bundesrepublik Deutschland beseitigt. Davon entfallen rund 950 000 Tonnen auf die Entsorgung von Berliner Abfällen. Zur Deponie Schönberg in der Nähe von Lübeck wurden 1983 rund 450 000 Tonnen Abfälle aus der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Davon waren ca. 100 000 Tonnen Sonderabfälle. Für die Abfälle, die aus Berlin in die DDR verbracht werden, liegt keine genaue Aufteilung nach Hausmüll und Sonderabfällen vor. Im Transit wurden 1983 rund 50 000 Tonnen Abfälle, meist Sonderabfälle, aus dem benachbarten Ausland, im wesentlichen aus den Niederlanden, in die DDR verbracht und dort beseitigt. Zu Frage 117: Die Bundesrepublik Deutschland zahlt als Staat keine Beseitigungsgebühren an die DDR. Entsprechende Aufwendungen für die Beseitigung sind von den Abfallerzeugern oder Beseitigungspflichtigen zu tragen. Geht man von den spezifischen Beseitigungskosten für die einzelnen Abfallarten aus, so ergibt eine erste Abschätzung, daß 1983 ein Gesamtbetrag von zwischen 40-43 Millionen DM an die DDR zu entrichten war. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 118 und 119): Ist der Bundesregierung bekannt, daß polnische Ehefrauen deutscher Aussiedler vom polnischen Generalkonsulat schriftlich aufgefordert worden sind, die ihnen deutscherseits ausgehändigten Ausreisepapiere (Vertriebenenausweis, Bundespersonalausweis) zurückzugeben, und muß bejahendenfalls dieses Verhalten nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen werden? Wie vielen Polen wurde nach der Berufung auf die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft „Solidarität" und die politische Verfolgung infolge dieser Mitgliedschaft Asyl in der Bundesrepublik Deutschland gewährt, und wie viele Mitglieder konnten sich auf die eigene deutsche Staatsangehörigkeit oder auf die eines Ehegatten berufen? Zu Frage 118: Der Bundesregierung sind schriftliche Aufforderungen der polnischen konsularischen Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland an polnische Ehefrauen deutscher Aussiedler, die ihnen deutscherseits ausgehändigten Ausweispapiere wie Vertriebenenausweis oder Bundespersonalausweis zurückzugeben, nicht bekannt. Zu Frage 119: Unter Berufung auf die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Solidarität und politische Verfolgung wegen dieser Mitgliedschaft sind seit Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 157 polnische Staatsangehörige mit insgesamt 444 Familienangehörigen nach § 22 des Ausländergesetzes in die Bundesrepublik Deutschland übernommen worden. Wie viele Personen davon Asyl erhalten haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Im gleichen Zeitraum haben 8 579 polnische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland politisches Asyl beantragt. 1 519 Personen sind als Asylberechtigte anerkannt worden. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen die Asylanerkennung auf die frühere Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Solidarität und damit verbundene politische Verfolgung zurückzuführen ist. Ferner sind in der gleichen Zeit 144 Personen, die selbst oder deren Ehegatten deutscher Nationalität sind und die sich auf politische Verfolgung wegen Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Solidarität berufen haben, mit insgesamt 489 Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland übernommen worden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Frage 120): Welche organisatorischen Änderungen plant die Bundesregierung im Bereich des Bundesverbandes für den Selbstschutz — THW —, und welche Konsequenzen werden sich daraus für die Mitarbeiter beider Einrichtungen ergeben? 4100* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Im Zusammenhang mit dem neuen Zivilschutzgesetz wird u. a. auch geprüft, ob der Bundesverband für den Selbstschutz als Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine unselbständige Bundesanstalt umgewandelt werden soll. Bei einer solchen Änderung der Rechtsform bestünde die Auswirkung auf die Bediensteten lediglich in einer Überführung aus dem mittelbaren in den unmittelbaren Bundesdienst. Ob über eine Änderung der Rechtsform hinaus auch organisatorische Konsequenzen zu ziehen sein werden, ist zu gegebener Zeit zu prüfen. Die Leitung der unselbständigen Bundesanstalt Technisches Hilfswerk ist im Jahre 1960 als Abteilung in das Bundesamt für Zivilschutz mit dem Ziel eingegliedert worden, die Hilfsorganisationen mit ihren zahlreichen freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern (z. Zt. ca. 55 000) verwaltungsmäßig zu unterstützen. Das Technische Hilfswerk hat sich insbesondere nach Erlaß des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes vom 7. Juli 1968 zu einem gleichwertigen Partner der anderen großen Katastrophenschutzorganisation entwickelt. Die Erfahrungen zeigen, daß eine so große Organisation eine Führungsspitze erfordert, die die volle Verantwortung sowohl gegenüber der Helferschaft als auch nach außen hin trägt. Eine Klärung der insgesamt noch offenen Fragen wid im Zusammenhang mit der Erstellung eines Referentenentwurfes zum Zivilschutzgesetz im Laufe dieses Jahres erfolgen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 121): Wie ist der Stand der organisatorischen und thematischen Vorbereitung zu der internationalen Umweltkonferenz im Sommer 1984 in München, die von der Bundesregierung mehrfach angekündigt wurde, und welche Länder haben bislang definitiv ihre Teilnahme zugesagt? Die organisatorische und inhaltlich-thematische Vorbereitung der Multilateralen Umweltkonferenz München 1984 verläuft planmäßig. Die förmliche Einladung des Bundesministers des Innern ist den Teilnehmerstaaten einschließlich Konferenzprogramm und Entwurf einer Tagesordnung Ende Januar dieses Jahrs auf diplomatischem Wege übergeben worden. Bereits am 17. November 1983 hat die Bundesregierung den Teilnehmerstaaten ein Memorandum übermittelt, das über Inhalt und Zielsetzung der Konferenz Auskunft gibt. Zu den Themenschwerpunkten — Wald-, Gewässer- und Bautenschäden durch Luftverunreinigungen und andere Faktoren — Verfahren, Technologien, Maßnahmen und Kosten der Schadensbekämpfung — Nationale und internationale Konzeptionen und Strategien zur Luftreinhaltung ist zwischenzeitlich ein nationaler Bericht (Stand: 20. Februar 1984) erarbeitet worden, der bis zu Konferenzbeginn fortgeschrieben und um Anschauungsmaterial angereichert wird. Darüber hinaus erarbeitet die Bundesregierung zu den genannten Sachkomplexen Resolutionsvorschläge, die den Teilnehmerstaaten — zusammen mit dem nationalen Bericht — in der ersten Märzhälfte des Jahres zugeleitet werden. Der Bericht der Bundesregierung ist als Hintergrund- und Informationsmaterial gedacht. Zentrale Konferenzdokumente werden die Resolutionsvorschläge sein. Sie bedürfen sorgfältiger bilateraler und multilateraler Abstimmungen. Der Vorbereitung der Konferenz dient eine Vorkonferenz auf Abteilungsleiterebene, die vom 2. bis 4. Mai 1984 in München stattfinden wird. Das Echo auf die von der Bundesregierung initiierte Konferenz gestaltet sich positiv. Eine Reihe von Staaten hat die Initiative der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt und schon jetzt ihre Teilnahme in Aussicht gestellt. Nach den im diplomatischen Verkehr üblichen Gepflogenheiten und zeitlichen Erfordernissen kann im übrigen nicht erwartet werden, daß definitive Teilnahmezusagen nur wenige Wochen nach Übermittlung der förmlichen Einladung bereits vorliegen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Stockleben (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 122 und 123): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sparkassen durch steuerliche (Körperschaftsteuerreform) und vermögenspolitische Maßnahmen (4. Vermögensbeteiligungsgesetz) und durch die Ablehnung der Einführung eines Haftungszuschlags in ihrer betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüber anderen Mitbewerbern benachteiligt sind und dadurch letztendlich mittel- und langfristig die kreditwirtschaftliche Versorgung der mittelständischen Unternehmen und Arbeitnehmer zu optimalen Marktbedingungen gefährdet wird? Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, in der nun vorgelegten Novelle zum Kreditwesengesetz von der Einführung eines Haftungszuschlags auf das Eigenkapital abzusehen, wie es noch im Referentenentwurf des sozialdemokratischen Bundesfinanzministers vorgesehen war? Durch die Körperschaftsteuerreform 1977 wurde der Körperschaftsteuersatz für die Sparkassen auf 44 Prozent und für die Kreditgenossenschaften auf 46 Prozent festgesetzt. Dadurch ist für die Sparkassen keine wettbewerbsmäßige Benachteiligung eingetreten. Vielmehr wurden Sonderregelungen zugunsten der Sparkassen — wie auch der Kreditgenossenschaften — beibehalten. Durch das Subventionsabbaugesetz vom 26. Juni 1981 wurden diese Sonderregelungen aufgehoben. Der Körperschaftsteuersatz der Sparkassen wurde von 44 Prozent auf 50 Prozent angehoben, der der Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4101* Kreditgenossenschaften von 46 Prozent auf 56 Prozent. Beide Institutsgruppen unterliegen seither den für vergleichbare Körperschaften geltenden allgemeinen steuerlichen Regelungen. Durch den ermäßigten Satz von 50 Prozent erhalten die Sparkassen einen Ausgleich dafür, daß sie am körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren nicht teilnehmen können. Sie werden daher nicht benachteiligt. Durch das Vermögensbeteiligungsgesetz vom 22. Dezember 1983 wurden u. a. Aufwendungen des Arbeitgebers zur Begründung eines Geschäftsguthabens bei Genossenschaften und einer Beteiligung als stiller Gesellschafter im Sinne des § 335 des Handelsgesetzbuches in den Katalog der nach dem Vierten Vermögensbildungsgesetz geförderten Anlagen aufgenommen. Die Begründung eines Geschäftsguthabens bei Kreditgenossenschaften führt gleichzeitig zu einer entsprechenden Verstärkung des haftenden Eigenkapitals. Die Sparkassen können dasselbe Ergebnis erzielen, indem sie unmittelbar oder mittelbar Einlagen stiller Gesellschafter entgegennehmen. Es mag sein, daß dieser Weg zur Stärkung des haftenden Eigenkapitals weniger praktikabel ist als die Werbung um neue Genossen oder um die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile. Dieser mögliche Nachteil der Sparkassen beruht aber auf ihrer Rechtsform, die den Sparkassen auch Vorteile bringt. Die Bundesregierung sieht im Verzicht auf die Einführung eines Haftungszuschlags für die Sparkassen auch keine Benachteiligung dieser Institute. Die Sparkassen haben sich in den letzten Jahren im Wettbewerb gut behauptet und ihre Ertragskraft trotz erhöhter Steuerbelastung gesteigert. Die betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Sparkassen ist nicht beeinträchtigt und daher die kreditwirtschaftliche Versorgung der mittelständischen Unternehmen und Arbeitnehmer nicht gefährdet. Durch die Novellierung des Kreditwesengesetzes soll in erster Linie die Bedeutung des haftenden Eigenkapitals als Träger des unternehmerischen Risikos gestärkt werden. Aus diesem Grund soll die nach geltendem Recht mögliche Mehrfachbelegung des haftenden Eigenkapitals im Konzern durch die Einführung des bankaufsichtlichen Konsolidierungsverfahrens in Zukunft ausgeschlossen werden. Aus demselben Grund werden die Anforderungen an die Anerkennung von Einlagen stiller Gesellschafter als haftendes Eigenkapital verschärft. Mit diesem Ziel wäre die Einführung eines Haftungszuschlags bei den Sparkassen nicht zu vereinbaren. Dies ist auch die mehrfach geäußerte Auffassung der Deutschen Bundesbank. Die Sparkassen sind von der bankaufsichtlichen Konsolidierung, welche die betroffenen Institute vor erhebliche Anpassungsprobleme stellt, nicht berührt. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 124): Entspricht es den erklärten gesellschafts-, verteilungs-, steuer- und sozialpolitischen Grundsätzen der Bundesregierung, wenn die Bezieher von Jahreseinkommen über einer halben Million DM infolge multipler Inanspruchnahme von Bauherrenmodellen und Verlustzuweisungen keinen Pfennig Einkommensteuer zu zahlen brauchen, während einkommensschwache Bürger (Arbeitslose, Rentner, Behinderte und Wohngeld- sowie Sozialhilfeempfänger) infolge der Sparmaßnahmen erhebliche finanzielle Einbußen erleiden müssen? Sowohl aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 4. Mai 1983 als auch aus den Grundsatzbeschlüssen der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1984 und zu den Begleitgesetzen vom 18. Mai 1983 ergibt sich, daß es das Ziel der Bundesregierung ist, zu einer gerechteren Besteuerung zu kommen. Ein anderes Ziel ist die Festigung der finanziellen Fundamente unseres sozialen Netzes, hierzu müssen wir unseren Mitbürgern Opfer zumuten. Daß die Bundesregierung die Verfolgung insbesondere auch des erstgenannten Zieles ernst nimmt, ist durch die im Steuerentlastungsgesetz 1984 getroffenen Maßnahmen belegt, die auf Initiativen der Bundesregierung zurückgehen. Generell ist zu Verlustzuweisungsgesellschaften und Bauherrengemeinschaften zu sagen, daß beide Steuersparmodelle grundsätzlich nicht zu einer endgültigen Ersparnis der Einkommensteuer führen, sondern lediglich einen Stundungseffekt bewirken. Die hohen Anfangsverluste führen nämlich zu einer Verringerung der späteren Kosten. Die negativen Einkünfte bei diesen Modellen werden zu einem großen Teil über die durch die hohe Fremdfinanzierung bedingte Zinsbelastung erreicht. Die Tilgung der Verbindlichkeiten erfolgt aus versteuertem Einkommen. Dies setzt der möglichen Verschuldung eine natürliche Grenze. Die Presse hat bereits mehrfach über Fälle berichtet, in denen Zeichner von „Steuersparmodellen" wegen der Nichtberücksichtigung dieses Grundsatzes in erhebliche Liquditätsschwierigkeiten geraten sind. Versuche, die Liquidität durch eine Veräußerung der Objekte zu verbessern, scheiterten daran, daß sich die oft überteuert erworbenen Objekte nicht oder nur unter Hinnahme erheblicher Verluste veräußern ließen. Fallgestaltungen, wie Sie sie ansprechen, sind deshalb zwar denkbar, dürften jedoch eine Ausnahme bleiben. Im übrigen ist noch auf die Einschränkung der Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Vorauszahlungsverfahren durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 sowie auf das Auslaufen der Möglichkeit zur Umsatzsteueroption zum 31. Dezember 1984 hinzuweisen. Die Auswirkungen lassen sich noch nicht übersehen. Anbieterinformationen zufolge ist der Markt rückläufig. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 125 und 126): 4102* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Trifft es zu, daß beim Sonderverkauf von bundeseigenen VEBA-Aktien nur ein geringer Teil der angebotenen Aktien verkauft wurden, und wenn ja, wie viele? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Ergebnis, und plant sie weitere derartige Aktionen? Die Bundesregierung hat ihre Beteiligung an der VEBA von 43,75 Prozent auf 30 Prozent verringert. Veräußert wurden Aktien im Nennwert von 232 Millionen DM. Davon hat die VEBA für Belegschaftsaktien 200 000 Stück im Nennwert von 10 Millionen DM übernommen. Die restlichen Aktien im Nennwert von 222 Millionen DM sind zu einem festen Übernahmepreis an ein Bankenkonsortium verkauft worden. Dadurch konnte die Transaktion mit Rücksicht auf den Kapitalmarkt, das Unternehmen VEBA und seine 650 000 Aktionäre kapitalmarkt- und kursschonend abgewickelt werden. Es sind somit — wie geplant — alle Aktien veräußert worden. Die Plazierung der vom Bankenkonsortium übernommenen Aktien war nach zwei Tagen weitgehend abgeschlossen. Das Vermögensbeteiligungsgesetz ist am 1. Januar 1984 in Kraft getreten. Dem Bankenkonsortium wurde deshalb aufgegeben, Interessenten im Rahmen dieses Gesetzes vorrangig zu bedienen. Unmittelbar haben 20 000 Anleger Aktien gezeichnet. Die von der VEBA übernommenen Aktien reichen für mindestens 33 000 Belegschaftsangehörige aus. Darüber hinaus haben Investmentfonds, deren Zertifikate bei Kleinanlegern breit gestreut sind, VEBA-Aktien erworben. Die Auswertung der bei der Veräußerung der VEBA-Aktien gemachten Erfahrungen ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung hält an dem Ziel fest, Bundesbeteiligungen in solchen Fällen zu verringern, wo dies ohne Beeinträchtigung staatlicher Belange möglich ist. Die Durchführung einer solchen Transaktion wird sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles richten. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Eylmann (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 127 und 128): Wie beurteilt die Bundesregierung die unterschiedliche Bestimmung des haftenden Eigenkapitals bei Sparkassen (ohne Haftungszuschlag für die Gewährträgerhaftung) und Genossenschaftsbanken (50prozentiger Haftsummenzuschlag) unter dem Gesichtspunkt des in Artikel 3 Grundgesetz statuierten Gleichheitsgrundsatzes? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich die unterschiedliche Definition des haftenden Eigenkapitals in der Praxis in steigendem Maße als ein reines Marktverteilungsinstrument auswirkt, und hält sie es deshalb nicht für geboten, endlich Sparkassen und Genossenschaftsbanken gleiche Wettbewerbschancen zu eröffnen? Das geltende Recht sieht für die Kreditgenossenschaften die Anerkennung eines Zuschlags zum haftenden Eigenkapital wegen der Haftsummenverpflichtungen der Genossen vor; es erkennt für die Sparkassen einen Haftungszuschlag wegen der Gewährträgerhaftung nicht an. Diese Entscheidung des Gesetzgebers verstößt nicht gegen den Gleichheitsgundsatz des Artikels 3 Grundgesetz. Der Haftsummenzuschlag beruht auf dem von den Mitgliedern mit ihrem Eintritt in eine Genossenschaft freiwillig anerkannten genossenschaftlichen Solidaritätsgrundsatz, während sich ein Haftungszuschlag auf die gesetzlich angeordnete Haftung des Gewährträgers einer Sparkasse stützen würde. Aus Gründen der Gleichbehandlung ist daher eine Änderung der geltenden Eigenkapitalvorschriften nicht geboten. Die Frage der weiteren Anerkennung des Haftsummenzuschlags als Eigenkapital muß vor allem unter wettbewerbs- und ordnungspolitischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Falls in dieser Frage politischer Handlungsbedarf gesehen wird, ist eher ein langfristig angelegter Abbau — teilweise oder ganz — des Haftsummenzuschlags zu erwägen als die Einführung eines Haftungszuschlags für die Sparkassen zu befürworten. Für die Entwicklung der Marktanteile der einzelnen Kreditinstitute ist in erster Linie ihre Leistung im Wettbewerb maßgebend. Die Bestimmung des haftenden Eigenkapitals hat nur dann eine Bedeutung im Wettbewerb, wenn ein Kreditinstitut an die bankaufsichtlich vorgeschriebenen Grenzen für sein Kreditgeschäft stößt. Die Sparkassen haben jedoch noch erhebliche Spielräume zur Kreditgewährung, so daß auch aus diesem Grund die Einführung eines Haftungszuschlags nicht notwendig ist. Die maßgebliche Kennzahl für das zulässige Gesamtkreditvolumen der Sparkassen nach Grundsatz I hat sich vom 13,9fachen in 1981 auf das 13,0fache in 1983 verbessert. Zulässig sind Kredite bis zum 18fachen des haftenden Eigenkapitals, wobei Kredite an die öffentliche Hand nicht mitgerechnet werden. Die Sparkassen stehen in der Auslastung des Grundsatzes I ähnlich da wie die Kreditgenossenschaften (1981: 13,2fach; 1983: 12,9fach), aber erheblich besser als die Kreditbanken (1981: 15,1fach; 1983: 14,7fach). Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 129): Wann und inwieweit wurde der Aufsichtsrat der VEBA-Glas über die Produktions- und Preisabsprachen der VEBA-Unternehmensleitung mit den vier anderen Hohlglasherstellern informiert? Der Bund ist im Aufsichtsrat der VEBA-Glas AG nicht vertreten. Nach Auskunft der VEBA AG wurde der Aufsichtsrat der VEBA-Glas im November 1980 über die Untersuchungen des Kartellamtes und die gegen eine Reihe von Hohlglasherstellern, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4103* darunter VEBA-Glas, erhobenen Vorwürfe unterrichtet. Im Zusammenhang mit dem im Februar 1982 ergangenen Bußgeldbescheid wurde der Aufsichtsrat abermals, und zwar umgehend schriftlich sowie in seiner folgenden Sitzung mündlich informiert. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Rapp (Göppingen) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 130 und 131): Hält die Bundesregierung Klagen aus dem Gaststättengewerbe und seinen Verbänden für berechtigt, daß als „Schwarzgastronomie" bezeichnete Tatbestände und Veranstaltungen in einem die Existenz vieler gewerbsmäßig geführten Betriebe gefährdenden Ausmaß zunehmen? Hält die Bundesregierung insoweit das Gaststättengesetz und die einschlägigen Rechtsverordnungen für ausreichend, oder plant sie Änderungen? Zu Frage 130: Das Problem der sogenannten „Schwarzgastronomie" war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand parlamentarischer Anfragen. Insbesondere in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage zum Fremdenverkehr vom 5. November 1982 (BT-Drucksache 9/2082 Nr. 5.4) und in Beantwortung einer mündlichen Anfrage des Abgeordneten Würtz vom 24. Januar 1984 hat die Bundesregierung hierzu Stellung genommen. Als „Schwarzgastronomie" im eigentlichen Sinn sind nur gastgewerbliche Tätigkeiten anzusehen, die ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 2 Gaststättengesetz oder ohne die Gestattung nach § 12 Gaststättengesetz erfolgen. Zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Wirtschaftsressorts der Länder ist dieses Problem mehrfach erörtert worden mit dem Ziel, durch intensivere Kontrollen der örtlichen Behörden die „Schwarzgastronomie" einzudämmen und die vorübergehenden Gestattungen aus besonderem Anlaß einzuschränken. Dies hat in der Praxis auch schon Wirkungen gezeigt. Die vom Gastgewerbe und seinen Verbänden beklagte unerlaubte Vereins- und Veranstaltungsgastronomie dürfte deshalb künftig eher zurückgehen, als in existenzgefährdendem Maße zunehmen. Die Bundesregierung vermag diese Befürchtungen aus dem Gaststättenbereich insoweit nicht zu teilen. Ihre Auffassung wird durch die Umsatz- und Beschäftigungsstatistik bestätigt. Danach stieg im Zeitraum Januar-November 1983 der Umsatz im Gastgewerbe nominal um 1,7 %, die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 1,2 %. Zu Frage 131: Die Bundesregierung hält die bestehenden Eingriffsmöglichkeiten nach dem Gaststättengesetz für eine Verhinderung der sogenannten „Schwarzgastronomie" grundsätzlich für ausreichend. Wie ich bereits ausgeführt habe, ist hier entscheidend ein wirksamer Vollzug. Darüber hinaus wird z. Zt. gemeinsam mit dem DEHOGA geprüft, ob die von den Gastwirten vielfach kritisierte Regelung der vorübergehenden Gestattung aus besonderem Anlaß in § 12 Gaststättengesetz präziser formuliert werden kann, um die Durchsetzung dieser Vorschrift zu verbessern. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls überlegt, ob auf § 23 Abs. 2 Gaststättengesetz, der die nichtgewerbsmäßige Gastronomie in Vereinsräumen betrifft, verzichtet werden soll. Wegen des beschränkten Anwendungsbereiches dieser Vorschrift würde aber auch eine Streichung keine größeren Auswirkungen zugunsten der Gastwirte haben. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 132 und 133): Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß in einer Region mit über 15 Prozent Arbeitslosigkeit mehrere hundert Arbeitsplätze bei der auch im Hochofenbau erfahrenen „DSD Dillinger Stahlbau GmbH" auf Grund mangelhafter Auftragsauflage deshalb akut gefährdet sind, weil angesichts des stockenden Restrukturierungsprogrammes der saarländischen Stahlindustrie der in diesem Programm u. a. vorgesehene neue Hochofen mit einem Auftragsvolumen von ca. 500 Millionen DM bislang nicht in Auftrag gegeben werden konnte? Gedenkt die Bundesregierung, auch angesichts der äußerst prekären regionalen Arbeitsmarktsituation unverzüglich die politischen Voraussetzungen für eine zügige Abwicklung des Restrukturierungsprogrammes dahin gehend zu schaffen, daß die an der Restrukturierung maßgeblich beteiligte „Dillinger Hütte" endlich politische Garantien dafür erhält, daß der Restrukturierungs-Partner Arbed Saarstahl seinen finanziellen Programmanteil auch zuverlässig tragen und damit die entscheidende Investitionsbremse auch für den Bau eines neuen Hochofens beseitigt wird? Zu Frage 132: Angesichts der in der Region herrschenden hohen Arbeitslosigkeit und möglicher Gefährdung weiterer Arbeitsplätze ist die Bundesregierung an einer planmäßigen Realisierung des von Ihnen angesprochenen Hochofenprojekts interessiert. Nach Kenntnis der Bundesregierung halten die beiden Unternehmen unverändert an dem Gemeinschaftsvorhaben fest. Zu Frage 133: Die Bundesregierung und die saarländische Regierung haben es unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel Arbed Saarstahl ermöglicht, sich als gleichberechtigter Partner am ROGESA-Projekt zu beteiligen. Zwei Drittel der zugesagten Hilfen sind bereits ausgezahlt worden. Das restliche Drittel ist verbindlich zugesagt. Über die Möglichkeit einer Vorsorge für den Eventualfall, daß Saarstahl an dem ROGESA-Konzept nicht mehr mitwirken kann, finden zur Zeit Gespräche zwischen Bundes- und Landesregierung sowie den beteiligten Unternehmen statt. 4104* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 134 und 135): Welche in- oder ausländischen Stellen haben sich um die Erteilung der Exporterlaubnis für kugelsichere Schutzwesten nach Syrien (Plenarprotokoll 10/49) bemüht, und welche in- oder ausländischen Stellen haben nach Erteilung der Erlaubnis den Export zu verhindern versucht? Wird die Bundesregierung dem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika nachgeben oder ihn zurückweisen, der sich gegen den Export von Dieselmotoren nach Rumänien (Plenarprotokoll 10/49) richtet? Zu Frage 134: Um die Erteilung einer Exportgenehmigung für die Lieferung von Schutzwesten nach Syrien hat sich eine deutsche Herstellerfirma bemüht. Die entsprechende Ausfuhrgenehmigung wurde dem Unternehmen durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft erteilt. In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 25. Januar 1984 hatte ich bereits ausgeführt, daß die amerikanischen Behörden die Re-Exportlizenz für das aus den USA bezogene Vormaterial suspendiert haben und die Bundesregierung gebeten wurde, die Frage der Ausfuhr der Schutzwesten zu überprüfen. Die Bundesregierung überprüft diese Angelegenheit. Die Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Zu Frage 135: Wie ich bereits in der Fragestunde am 25. Januar 1984 ausgeführt habe, werden zivile Motoren, die nicht für den Antrieb von Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen besonders konstruiert oder in wesentlichen Merkmalen für militärische Anwendung abgeändert sind, nicht von Position 0006 (1) der Ausfuhrliste erfaßt. Auch an anderer Stelle der Ausfuhrliste ist eine Erfassung ziviler Motoren nicht vorgesehen. Der Export ziviler Dieselmotoren nach Rumänien unterliegt daher keinerlei Beschränkungen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Sieler (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 136 und 137): Welche Gebiete der Bundesrepublik Deutschland hat die Bundesregierung „zur Veränderung der Verordnung (EWG) Nr. 2616/80 zur Einführung einer spezifischen Gemeinschaftsmaßnahme zur regionalen Entwicklung im Hinblick auf die Beseitigung von Entwicklungshemmnissen für neue Wirtschaftszweige in bestimmten von Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie betroffenen Gebieten" dem Rat der Europäischen Gemeinschaft vorgeschlagen, und welche Begründung lag dem Vorschlag zugrunde? Warum wurde das Gebiet der bayerischen Stahlindustrie (Standorte Maxhütte Sulzbach-Rosenberg und Haidhof) nicht in die Verordnung (EWG) Nr. 216/84 des Rates vom 18. Januar 1984 aufgenommen, und hat die bayerische Staatsregierung einen entsprechenden Antrag an die Bundesregierung gestellt? 1. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat Mitte Januar auf Vorschlag der EG-Kommission neben anderern Fördermaßnahmen aus der quotenfreien Abteilung des Europäischen Regionalfonds auch die von Ihnen angesprochene Verordnung für Stahlregionen verabschiedet. Gegen den Widerstand der Bundesregierung hat die EG-Kommission hierbei ihren Vorschlag aufrechterhalten, die Aufnahme der verschiedenen Stahlregionen in zwei zeitlich getrennte Phasen aufzuspalten. Für die 1. Phase hatte die Kommission zunächst keine deutsche Stahlregion mit der Begründung vorgesehen, daß die Umstrukturierungskonzepte der deutschen Stahlindustrie noch nicht vorlägen. In der letzten Ratssitzung Ende Dezember 1983 hat die Kommission dann jedoch diese Bedingung für das Gebiet Saarland-Westpfalz als erfüllt angesehen und die sofortige Einbeziehung dieser Region in die Verordnung vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat ihrerseits ihre Forderung nach möglichst gleichzeitiger Berücksichtigung aller in Betracht kommender deutscher Stahlregionen aufrechterhalten; sie hat dem Vorschlag der EG-Kommission erst zugestimmt, nachdem durch die Verordnung selbst die kurzfristige Einbeziehung weiterer deutscher Stahlregionen noch im Frühjahr 1984 bei Erfüllung bestimmter konkreter Kriterien sichergestellt war. Nur durch diesen Kompromiß war die Verabschiedung der Verordnungen überhaupt möglich. 2. Wie bereits ausgeführt, hat sich die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den betreffenden Bundesländern für die gleichzeitige Aufnahme der deutschen Stahlregionen auf der Basis diskriminierungsfreier Kriterien eingesetzt. Nach der Ende Januar 1984 erfolgten Vorlage sämtlicher Umstrukturierungskonzepte der deutschen Stahlindustrie sind nunmehr die sachlichen Voraussetzungen für die Entscheidung der EG-Kommission über die Einbeziehung weiterer deutscher Stahlregionen aufgrund der vorgesehenen Kriterien der 2. Phase gegeben. Nach Abstimmung mit den Bundesländern wird die Bundesregierung in diesen Tagen die EG-Kommission um eine kurzfristige Prüfung und Entscheidung bitten und hierbei auch entsprechend der Bitte der bayerischen Landesregierung die „Mittlere Oberpfalz" berücksichtigen. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ehmke (Ettlingen) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 10/1017 Fragen 138 und 139): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vertragsabschluß vom 1. September 1983 zwischen der Atomic Energy Organization of Iran (AEOI) und der Kraftwerk Union AG (KWU), wonach die im Jahre 1979 unterbrochenen Bauarbeiten am Atomkraftwerk Bushir (2 x 1 300 Megawatt) fortgesetzt werden sollen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts des Energiereichtums des Iran (Erdöl, Sonnenenergie) die geplanten Atomkraftwerke neben der Stromerzeugung wohl in erster Linie der Plutoniumerzeugung zur Herstellung von Atomwaffen dienen sollen? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4105* Zu Frage 138: Die Bundesregierung ist von KWU dahingehend unterrichtet worden, daß die Fortsetzung der Bauarbeiten nicht Inhalt des Vertrages ist. Vereinbart ist vielmehr eine ingenieurtechnische Bestandsaufnahme zur Klärung der technischen Machbarkeit, der Kosten und des Zeitrahmens einer Fertigstellung. Durch diese Untersuchung wird nach Mitteilung der KWU die Frage einer eventuellen Wiederaufnahme der Bauarbeiten nicht präjudiziert. Zu Frage 139: Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Iran ist Partei des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und hat damit in völkerrechtlicher Form auf die Herstellung von Kernsprengsätzen verzichtet. Darüber hinaus hat Iran mit der Internationalen Atomenergie Organisation ein umfassendes Kontrollabkommen abgeschlossen. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Frage 140): Wie beurteilt die Bundesregierung das Kartell der Hohlglashersteller aus dem Jahre 1979 unter wettbewerbsrechtlichen und -politischen Gesichtspunkten, nachdem die Bußgeldbescheide jetzt rechtskräftig geworden sind? Die Bundesregierung sieht in dem mittlerweile bestandskräftig gewordenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes gegen Vertreter der am Kartell beteiligten Hohlglashersteller sowie gegen diese Unternehmen selbst eine konsequente Anwendung des geltenden Kartellrechts. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Frage 141): Wie beurteilt die Bundesregierung in politischer und rechtlicher Hinsicht die Suspendierung der Re-Exportlizenz durch die amerikanische Regierung für die Rohstoffe von 33 000 kugelsicheren Körperwesten, die in der Bundesrepublik Deutschland von einem inländischen Privatunternehmen hergestellt und mit Genehmigung der Bundesregierung nach Syrien ausgeführt werden sollen? Die amerikanischen Behörden haben im Zusammenhang mit der Suspendierung ihrer zuvor erteilten Re-Exportlizenz die Bundesregierung gebeten, die Frage der Ausfuhr von Schutzwesten nach Syrien zu überprüfen. Die Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Bei Nichterfüllung des gültigen Liefervertrages droht der deutschen Herstellerfirma wirtschaftlicher Schaden. Den amerikanischen Stellen sind die Folgen eines rückwirkenden Eingriffs in einen bestehenden Vertrag deutlich gemacht worden. Eine abschließende Beurteilung durch die amerikanische Seite liegt noch nicht vor. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatsserkretär Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 142): Entspricht es den erklärten verteilungspolitischen und sonstigen Zielen der Bundesregierung, daß im Jahr 1983 entgegen der Jahresprojektion 1983 die Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 11,9 v. H. und die Bruttoeinkommen aus Arbeitnehmertätigkeit bei einem gleichzeitigen Preisanstieg von 3 v. H. nur um 1,5 v. H. gestiegen sind (vergleiche Jahreswirtschaftsbericht, Drucksache 10/952, S. 34)? Hinter der Größe „Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen", die in der Volkseinkommensberechnung als Recht ermittelt wird, verbirgt sich eine Fülle recht heterogener Einkunftsarten. Sie umfaßt nicht nur die Einkommen der Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit — dazu gehört z. B. auch die Deutsche Bundesbank — sowie Einkünfte aus selbständiger und freiberuflicher Tätigkeit, sondern z. B. auch die Arbeitnehmer- und Rentnerhaushalten zufließenden Vermögenseinkommen. Die Entwicklung der unterschiedlichen Bestandteile, aber auch innerhalb der einzelnen Einkunftsarten, weist i. d. R. eine große Streuung auf. Statistische Ergebnisse über die Entwicklung dieser einzelnen Einkunftsarten liegen zum jetzigen Zeitpunkt für 1983 noch nicht vor. Wie in der Anlage des Jahreswirtschaftsberichts 1984 dargelegt, blieb 1983 nach den ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes der Anstieg der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit mit 1,5 % an der Untergrenze der im Jahreswirtschaftsbericht 1983 genannten Spanne von 11/2 bis 21/2 % das gesamte Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit ging mit einer Zunahme von 11,9 % deutlich über die vor Jahresfrist erwartete Marge von 5 bis 6 % hinaus. Der im Vergleich zur Vorausschätzung eingetretene höhere nominale Sozialproduktsanstieg ( + 41/2 % statt + 31/2 %) schlug sich damit ausschließlich bei dieser Einkommenskategorie nieder. Gleichzeitig war die Realeinkommensentwicklung der Arbeitnehmer günstiger als erwartet, da die Verbraucherpreise nur um 3 % und nicht, wie unterstellt, um 4 % zunahmen. Die verteilungspolitischen und sonstigen gesamtwirtschaftlichen Vorstellungen der Bundesregierung lassen sich nicht an den Ergebnissen eines Jahres messen, sie müssen vielmehr in einem mehrjährigen Zusammenhang gesehen werden. Die überproportionale Zunahme der Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen war notwendig, um den Einbruch in den Jahren 1980 und 1981 wieder wettzumachen. Betrachtet man die letzten vier Jahre, so zeigen die Unternehmens- und 4106* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 Vermögenseinkommen einen Anstieg von 16,3 %, die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit von 17,8 %. Die Verbesserung der Ertragsverhältnisse der Unternehmen schafft nach Auffassung der Bundesregierung mit gewisser zeitlicher Verzögerung die Voraussetzungen für mehr Investitionen, ein höheres Wirtschaftswachstum, günstigere Beschäftigungsbedingungen und damit für einen allmählichen Abbau der Arbeitslosigkeit, wie die Entwicklung seit dem 2. Halbjahr 1983 bereits zeigt. Gleichzeitig erhöhen sich damit die Chancen für künftig wieder stärker wachsende Verteilungsspielräume auch zugunsten der Arbeitnehmer. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Frage 143): Trifft es zu, daß es eine Studie bei der Bundesregierung über den Schuldenabbau der DDR gibt (FAZ 14. Februar 1984), und wenn ja, wie haben sich das Schuldenkonto in Verrechnungseinheiten sowie die Bundesbürgschaft für die DDR verringert, und ergeben sich aus der Studie die Folgen der vermehrten Lieferungen für unsere und die Volkswirtschaft der DDR? Es gibt keine Studie der Bundesregierung über den Schuldenabbau der DDR gegenüber den internationalen Gläubigern. Die Entwicklung der Devisenverschuldung der DDR wird allerdings laufend an Hand der veröffentlichten Daten der Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beobachtet. Die von der Devisenverschuldung unabhängige innerdeutsche Verschuldung der DDR in Verrechnungseinheiten (VE) — der innerdeutsche Handel wird im Wege des Clearing abgewickelt — betrug Ende 1983 netto etwa 4,0 bis 4,1 Mrd. VE. Ende 1982 lag die Verschuldung bei ca. 3,8 Mrd. VE. Zur Förderung von langfristigen Investitionsgüterlieferungen in die DDR steht ein Plafond von 3,75 Mrd. DM zur Verfügung. Die Ausnutzung hat sich im Laufe des Jahres 1983 verringert, so daß anstehende Liefergeschäfte ohne Begrenzung garantiert werden können. Die genauen Zahlen sind vertraulich. Die Bundesregierung ist bereit, sie im zuständigen Bundestagsausschuß darzulegen oder den einzelnen Abgeordneten persönlich mitzuteilen. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 144 und 145): Wie ist der Stand der Vorbereitungen zur ersten großen Industrieausstellung der deutschen Wirtschaft in Japan 1984, und ist gewährleistet, daß die Ausstellung so vorbereitet wird, daß sie eine erstklassige auch auf japanische Verhältnisse angepaßte Visitenkarte der deutschen Wirtschaft ist? Wie steht die Bundesregierung zu der öffentlichen Kritik am offiziellen Stand der Bundesrepublik Deutschland auf der internationalen Touristenfachmesse 1984 in Madrid, der in Qualität und Präsentation von allen Entwicklungsländern weit übertroffen worden sein soll, und wie wird sie dafür Sorge tragen. daß in Zukunft die Bundesrepublik Deutschland bei internationalen und anderen ausländischen Touristenfachmessen entsprechend ihrer Bedeutung und des Stellenwertes des Fremdenverkehrs für die Bundesrepublik Deutschland vertreten wird, um Schaden vom deutschen Fremdenverkehr abzuwenden? Zu Frage 144: Die Vorbereitungen für die am 23. April 1984 beginnende Deutsche Leistungsschau in Japan laufen planmäßig und termingerecht. Dies gilt sowohl für die im Rahmen dieses Ausstellungsprojektes erforderlichen Baumaßnahmen als auch für die übrigen organisatorisch-technischen und akquisitorischen Vorbereitungen. Der größte Teil der von unserer Industrie in Tokio gezeigten Exponate wird in diesen Tagen auf den Weg gebracht. Eine zuvor durchgeführte Ausstellerumfrage hat bestätigt, daß die deutsche Wirtschaft die außergewöhnliche Chance der Leistungsschau nutzen und mit einer ausgewählten Produktpalette ihre Fähigkeit zu technischen Spitzenleistungen dokumentiert wird. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind auch den offiziellen Stellen in Japan mitgeteilt worden, um deren Bereitschaft zur Akquisition ausgewählter Fachbesucher zu unterstützen. Die anspruchsvolle Präsentation unserer Industrie im Rahmen der Leistungsschau wird durch ein von der größten japanischen Werbeagentur (Dentsu) entwickeltes Werbekonzept vorbereitet, das eine stetige Intensivierung der werblichen Maßnahmen bis zum Ausstellungsbeginn vorsieht. Mehrere Gruppen japanischer Journalisten bereisen parallel dazu die Bundesrepublik und haben Gelegenheit, sich in den beteiligten Bundesressorts, bei den Spitzenverbänden der Wirtschaft und insbesondere vor Ort bei den bedeutenden Ausstellerfirmen über die Ziele des Ausstellungsvorhabens und den Stand der Vorbereitungen zu informieren. Das bisherige Echo auf diese Besuche in der japanischen Presse war außerordentlich stark und positiv. Es ist davon auszugehen, daß auch die nächsten Journalistenbesuche im Vorfeld der Deutschen Leistungsschau ähnlich große Beachtung in den japanischen Medien finden werden. Permanente Kontakte zu offiziellen japanischen Stellen, zur Deutschen Botschaft in Tokio und zur Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan ergänzen die hiesigen Vorbereitungsarbeiten. Auf dem Hintergrund dieser Maßnahmen gehen Bundesregierung und deutsche Industrie davon aus, daß mit der deutschen Leistungsschau in Japan 1984 eine herausragende und auf die Verhältnisse des Gastlandes abgestimmte Präsentation gelingen wird. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß sich dieses Projekt für unsere Wirt- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4107* schaftsinteressen in der gesamten fernöstlichen Region als ein besonderer Erfolg erweisen wird. Zu Frage 145: Die Bundesregierung teilt die — offenbar nur von einem Journalisten verbreitete — Kritik an der Präsentation der Bundesrepublik Deutschland durch die Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. nicht. Die Zielgruppe der angesprochenen Masse waren in erster Linie Fachleute aus der Tourismusbranche. Die Öffentlichkeit hatte nur zeitweise Zutritt. Ausstattung und Repräsentanz waren auf diesen Zweck ausgerichtet. Wegen des Bekanntheitsgrades der Bundesrepublik als Reiseland ist ein Vergleich mit dem Auftreten relativ „neuer" Anbieter nicht angebracht. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Madrid äußerte sich positiv über die funktionale und angemessene Ausstattung des Ausstellungsstandes. Die DZT wird auch künftig im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in bewährter Form für die Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) werben, wobei der Aufwand auch am jeweiligen Interesse deutscher Anbieter gemessen werden muß. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 146 und 147): Welche Genehmigung hat die Bundesregierung für die Beteiligung der Unternehmen Daimler-Benz und Thyssen-Henschel an der Produktion von Panzerfahrzeugen an Ägypten erteilt, und wie werden diese Genehmigungen begründet? Warum hat die Bundesregierung vor der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Dr. Klejdzinski und Gansel in der Fragestunde vom 9. Februar 1984 (Plenarprotokoll 10/53), die sich auf eine Zusammenarbeit zwischen der Firma Krauss-Maffai und der ägyptischen Regierung zur Produktion eines Kampfpanzers bezogen, bei der Firma Krauss-Maffai keine Stellungnahme erbeten? Zu Frage 146: Die Bundesregierung hat für die zum Bau eines Mannschaftstransportfahrzeuges in Ägypten zugelieferten Teile keine Ausfuhrgenehmigungen erteilt, da es sich ausschließlich um genehmigungsfreie Waren gehandelt hat. Zu Frage 147: Wie die Firma selbst lt. Presseberichten bestätigt hat, ist es bisher zu keinen konkreten Plänen oder Vereinbarungen mit ägyptischen Stellen gekommen. Daß das Unternehmen Kontakte hat und Gespräche zur Vorbereitung von Geschäftsanbahnungen führt, ist üblich und unterliegt nicht einer Vorabkontrolle durch die Bundesregierung. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Antretter (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 148 und 149): Wie erklärt die Bundesregierung, daß in der Fragestunde vom 25. Januar 1984 (Plenarprotokoll 10/49) der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung als Grund für die Genehmigung des Exports von 33 000 kugelsicheren Körperwesten nach Syrien angegeben hat, ihre Verwendung für Polizeistreitkräfte sei denkbar, während nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden des Exportunternehmens der Liefervertrag mit dem syrischen Verteidigungsministerium geschlossen worden ist? Wie erklärt die Bundesregierung, daß nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Sprung in der Fragestunde vom 25. Januar 1984 (Plenarprotokoll 10/49) die Bundesregierung die bereits erteilte Genehmigung des Exports von 33 000 kugelsicheren Körperwesten für ein deutsches Unternehmen nach Syrien überprüft, während nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens vom 6. Februar 1984 das Unternehmen von der Überprüfung der gültigen Exportgenehmigung durch die Bundesregierung noch nicht informiert worden ist? Zu Frage 148: Der Umstand, daß nach Angaben der deutschen Herstellerfirma das syrische Verteidigungsministerium als Vertragspartner auftritt, schließt nicht aus, daß Schutzwesten auch von „Polizeistreitkräften" verwendet werden. Lt. einer Mitteilung des Unternehmens auf dpa-Anfrage sind die Schutzwesten „für Polizisten und Soldaten" bestimmt. Zu Frage 149: Wie ich schon bei meinen vorhergehenden Antworten zu diesem Thema gesagt habe, ist die von den amerikanischen Behörden erbetene Überprüfung noch nicht abgeschlossen. Die deutsche Ausfuhrgenehmigung ist bisher nicht widerrufen worden. Die weiteren Schritte hängen u. a. von der abschließenden Meinungsbildung der amerikanischen Stellen ab, insbesondere hinsichtlich der Folgen eines etwaigen Eingriffs in einen bestehenden Liefervertrag. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Hiller (Lübeck) (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 150): Welche Endverbleibsregelungen hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Beteiligung der Unternehmen Daimler-Benz und Thyssen-Henschel an der Produktion eines Panzerfahrzeuges in Ägypten getroffen? Da es sich, wie ich bereits auf die Frage des Abgeordneten Gansel ausgeführt habe, bei dieser Beteiligung nicht um genehmigungspflichtige Ausfuhren 4108* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 gehandelt hat, entfällt auch die Frage einer evtl. Endverbleibsregelung. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Klose (SPD) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 151 und 152): Wann wird die Bundesregierung gemäß § 7 Kriegswaffenkontrollgesetz den Unternehmen gegenüber die Genehmigung zur Produktion von Kriegswaffen widerrufen, bei denen auf Grund von Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz Grund zu der Annahme besteht, daß sie die vom Gesetz verlangte „erforderliche Zuverlässigkeit" nicht besitzen? Wie beurteilt die Bundesregierung die nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz „erforderliche Zuverlässigkeit" der Verantwortlichen der Firma Rheinmetall, wenn gegen die Verantwortlichen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind? Zu Frage 151: Die Bundesregierung wird gemäß § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz eine erteilte Genehmigung zur Produktion von Kriegswaffen widerrufen, sobald aufgrund festgestellter Tatsachen Grund zu der Annahmne besteht, daß eine der in § 6 Abs. 2 Nr. 2 Kriegswaffenkontrollgesetz genannten Personen die für die Herstellung der Kriegswaffen erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt und der Widerrufsgrund nicht in einer zu bestimmenden Frist beseitigt wird. Zu Frage 152: Die Genehmigungsbehörde prüft alle für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgeblichen Gesichtspunkte. Dabei bezieht sie auch Erkenntnisse aus laufenden Ermittlungsverfahren ein. Aus den zur Zeit von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf geführten einschlägigen Ermittlungsverfahren liegen der Genehmigungsbehörde bisher keine Erkenntnisse vor, die im Rahmen der personen- und handlungsbezogenen Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz Grund zu der Annahme bieten, daß die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 153 und 154): Wie erklärt die Bundesregierung die Äußerung des Sprechers der Firma Krauss-Maffei vom 13. Februar 1984, Krauss-Maffei prüfe zur Zeit die technischen Möglichkeiten, auf Wunsch Kairos einen Kampfpanzer für Ägypten zu entwickeln oder an dessen Entwicklung mitzuarbeiten und die Bundesregierung sei über diese Pläne informiert, nachdem Staatssekretär Dr. Sprung in der Fragestunde am 9. Februar 1984 (Plenarprotokoll 10/53) mitgeteilt hat, der Bundesregierung sei über derartige Pläne nichts bekannt? Wie steht die Bundesregierung zu diesem Vorhaben im Zusammenhang mit ihrer Waffenexport- und Nahostpolitik? Zu Frage 153: In der Fragestunde am 9. Februar 1984 hatten Sie gefragt, wie die Bundesregierung die Meldungen des „Wehrdienst" vom 9. und 23. Januar 1984, daß das Unternehmen Krauss-Maffei beabsichtigt, zusammen mit einem Rüstungsunternehmen aus einem NATO-Land, an die ägyptische Regierung Prototypen, Bausätze, Konstruktionsunterlagen und Fertigungsunterlagen für die Produktion einer Version des Kampfpanzers Leo 2 zu liefern, beurteilt. Darauf habe ich Ihnen geantwortet, daß der Bundesregierung keine Pläne der Fa. Krauss-Maffei bekannt seien, zusammen mit einem anderen NATO-Land Leo-2-Fertigungsunterlagen oder Teile nach Ägypten zu liefern. Die Firma selbst hat laut Presseberichten bestätigt, daß es bisher zu keinen konkreten Plänen oder Vereinbarungen mit ägyptischen Stellen gekommen ist. Daß das Unternehmen Kontakte hat und Gespräche zur Vorbereitung von Geschäftsanbahnungen führt, ist üblich und unterliegt nicht einer Vorabkontrolle durch die Bundesregierung. Zu Frage 154: Angesichts dieser Sachlage sieht die Bundesregierung gegenwärtig keine Veranlassung zu weiteren Stellungnahmen.
Gesamtes Protokol
Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt auf:
Aktuelle Stunde
Einführung der neuen Filmförderungsrichtlinien durch den Bundesminister des Innern zum 1. März 1984
Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. lc der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema Einführung der neuen Filmförderungsrichtlinien durch den Bundesminister des Innern zum 1. März 1984 verlangt.
Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich noch einmal darauf hin, daß die Geschäftsordnung hier strenge Einhaltung der Redezeit vorsieht.
Als erster hat der Herr Abgeordnete Schäfer (Offenburg) das Wort.

Harald B. Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1005700100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher, formal betrachtet, nicht üblich, daß sich der Bundestag mit einer Richtlinie im Plenum befaßt, zu der weder die Zustimmung des Bundesrates noch die des Bundestages erforderlich ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

In diesem Fall ist es indessen dringend geboten. Die Entscheidung, über die wir heute diskutieren, hat nämlich, wie Sie wissen, weitgehende Auswirkungen auf das politische, auf das geistige und damit auf das kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus. Die Entscheidung, Herr Bundesinnenminister, ist zum Testfall dafür geworden,

(Schwenninger [GRÜNE]: Er hört gar nicht zu!)

wie Sie es mit der grundgesetzlich garantierten kulturellen und künstlerischen Freiheit in diesem Lande halten.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es notwendig, daß der Deutsche Bundestag hier in aller Öffentlichkeit seine Auffassung zu den von Ihnen vorgesehenen schwerwiegenden Eingriffen in das grundgesetzlich garantierte Recht
der Meinungsfreiheit und der künstlerischen Freiheit deutlich macht.
Herr Bundesinnenminister, Sie haben sich sonst im Bereich der Umweltpolitik nur durch Ankündigungen ausgezeichnet. Sie haben noch kein einziges Gesetz durch das Plenum des Deutschen Bundestages gebracht.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Hier, wo es um eine Richtlinie geht, wollen Sie handstreichartig ohne ausreichende Debatte die bewährten Filmförderungsrichtlinien ändern.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Die Aktuelle Stunde heute morgen soll deutlich machen, daß Sie in dieser wichtigen Frage in diesem Hause keine Mehrheit haben, Herr Bundesinnenminister. Weder die Fraktion der FDP noch die Fraktion der GRÜNEN, noch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei unterstützen diese Wende in der Filmförderungspolitik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dieses Hohe Haus wird heute morgen deutlich machen, daß Sie mit Ihrer Änderung alleinstehen. Dies ist übrigens auch für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland wichtig.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben, meine Damen und Herren, diese Aktuelle Stunde auch beantragt, um Ihnen, Herr Bundesinnenminister, noch einmal die Chance zu geben, angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus Ihre vorgesehene Entscheidung zu überdenken. Daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Kultur gering achten, wird schon darin deutlich, daß Sie sich hartnäckig weigern, einer entsprechenden Arbeitsgruppe Kunst und Kultur im Innenausschuß zuzustimmen,

(Beifall bei der SPD)

die in der letzten Legislaturperiode gut gearbeitet hat.
Es sollte Ihnen zu denken geben, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wie sich beispielsweise das 13. Internationale Filmfestival in Rotterdam zu der von Ihnen praktizierten Filmförderpolitik und den vorgesehenen Änderungen stellt. Auf



Schäfer (Offenburg)

diesem Internationalen Filmfestival war alles von Rang und Namen vertreten, von den Festivals von Cannes bis New York, von Venedig bis Sidney.

(Weiß [CDU/CSU]: Sie haben dort gefehlt!)

Ich lese Ihnen einmal vor, was dort an Herrn Bundesinnenminister Zimmermann geschrieben worden ist:

(Zuruf von der CDU/CSU: Von wem denn?)

Mit Sorge betrachten die Unterzeichner dieses Briefes die Entwicklung des neuen deutschen Filmes, der in den vergangenen Jahren entscheidende Impulse auch für den internationalen Film gegeben hat. In der Tat, die bisherige Praxis hat sich bewährt.
Dann wird auf Ihre neue Praxis hingewiesen, und dann heißt es:
Dies ist eine gefährliche Entwicklung. Die Tradition des neuen deutschen Filmes, Herr Bundesinnenminister, sollte auch von Ihnen pfleglich behandelt werden, so wie von den Vorgängern in Ihrem Amt.
Dem stimmen wir zu. — Schließlich, Herr Bundesinnenminister, meine Damen und Herren von der CDU/CSU:
Die Mißachtung der künstlerischen Freiheit kann leicht der erste Schritt zur Beschneidung von jeglicher Freiheit und Liberalität werden.
So weit über hundert Teilnehmer am Internationalen Filmfestival in Rotterdam.
Meine Damen und Herren, wir teilen die Sorgen. Deswegen fordern wir Sie auf, Herr Bundesinnenminister, die Mehrheitsmeinung in diesem Hause in dieser Frage zu beachten und zumindest die Neueinführung der Richtlinien bis zum 31. Dezember 1984 zurückzustellen, damit eine intensive öffentliche Debatte über das geführt werden kann, was Sie jetzt mit der Neufassung der Filmförderungsrichtlinien vorhaben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005700200
Das Wort hat der Abgeordnete Weirich.

Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID1005700300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, der Kurzfilm, mit dem Sie bei dem Filmfestival des Hohen Hauses heute morgen den Bundesinnenminister zu filmen versuchen, könnte den Titel: „Horror im Morgengrauen" tragen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Er gehört absolut in die Kategorie der Abenteuerfilme und ist auf keinen Fall förderungswürdig.

(Fortgesetzte Heiterkeit bei der CDU/ CSU)

Meine Damen und Herren, ein Erfolgsfilm auf der Berlinale heißt „Zeit für Zärtlichkeit". Niemand kann von Ihnen, von der Opposition, erwarten, daß
Sie Zeit für Zärtlichkeit für den Bundesinnenminister aufbringen. Er würde an Ihrer Geschmacksverirrung auch verzweifeln.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Aber mit einer vernünftigen und sachgerechten Bewertung wären Sie eigentlich nicht überfordert. Es ist geradezu grotesk, daß Sie von der SPD nun plötzlich die Anwälte der Filmschaffenden spielen wollen. Herr Duve, lassen Sie mich in allem Freimut sagen:

(Heiterkeit)

Die Vorreiter bei der Filmförderung in der Bundesrepublik Deutschland sind die unionsregierten Länder, nämlich Bayern, ganz vorne, und Berlin.
Sie mögen Frühaufsteher bei der Dauereinrichtung von Aktuellen Stunden sein, in praktischer Förderungspolitik sind Sie Spätstarter.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Wie ist die Lage, meine Damen und Herren? Der Marktanteil des deutschen Films ist dramatisch gesunken. In den Nachbarländern Europas trägt der deutsche Film die rote Laterne. Ein völlig unverdächtiges Magazin, der „stern", schrieb kürzlich:
Selten schlief man beim deutschen Film so leicht ein wie in diesem Jahr.

(Schwenninger [GRÜNE]: Und jetzt wird es besser?)

Die simpelsten Regeln des Handwerkes würden mißachtet. Das Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die „Welt der Arbeit", schrieb:
Die deutschen Filmemacher verzetteln sich in zahllose Einzelprojekte, die finanziell schwach auf der Brust sind und oft nur die Regisseure interessieren.
Zwar sind wir auf der Berlinale sehr stark vertreten, meine Damen und Herren, aber Masse heißt noch nicht Klasse. Deshalb hat gestern auch die „FAZ" Zweifel an der künstlerischen Potenz geäußert und gesagt: „Der deutsche Film steht alles andere als glänzend da."

(Zuruf des Abg. Duve [SPD])

Wundert es Sie, wenn der Innenminister bei dieser
Lage bei seinen Förderungsrichtlinien den Aspekt
der Wiedergewinnung des Publikums im Auge hat,

(Kühbacher [SPD]: „Heidi"!)

wenn er die Filmemacher zu mehr Risikobereitschaft ermuntert, was zu erhöhter Kreativität führen dürfte, wenn er auch, aber nicht alleine Experimentalfilme fördert und wenn er im Rahmen der Möglichkeiten das Geld der Steuerzahler für einen Beitrag zur Attraktivierung des deutschen Films verwenden will.
Wir wollen den künstlerisch hochstehenden Film fördern,

(Duve [SPD]: Und ihn zensieren!)

suchen aber dafür das Bündnis mit dem Zuschauer.
— Sie, Herr Duve, scheinen sich in Ihrem konserva-



Weirich
tiven Zelluloidschneckenhaus längst vom Zuschauer abgewandt zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer Förderungsnaturschutzparks für eine kleine Zahl von Etablierten zu errichten versucht, der öffnet sich zuwenig gegenüber einem breiten Spektrum von Künstlern, er blockiert geradezu kreatives Potential.

(Duve [SPD]: Sagen Sie das mal den jungen Künstlern! Was ist das für ein Kulturverständnis, was Sie hier bringen?)

Sie betreiben doch nur Besitzstandsdenken.
Kraft-Wetzel hat kürzlich in der „TAZ" geschrieben — und ich finde, das ist bezeichnend —:
Den finanziellen Spielraum, den sich der neue deutsche Film während der sozialliberalen Ära durch geduldige Lobbyarbeit erobert hat, müssen wir als einen unserer sozialen Besitzstände mit Zähnen und Klauen verteidigen.
So etwas, meine Damen und Herren, findet nicht die Zustimmung der Union.
Und nun ein Wort zu dem, was Sie am Innenminister als „Oberzensor" usw. kritisieren:

(Schwenninger [GRÜNE]: Stimmt doch!)

Alexander Kluge hat jüngst sinngemäß gesagt: Jede Förderung ist im Grunde Zensur. Er wollte damit ausdrücken: Es wird immer Auswahlausschüsse, es wird immer Menschen geben, die Entscheidungen über Kunst treffen, wenn das Geld der Steuerzahler ausgegeben wird.

(Duve [SPD]: Auswahlausschüsse von Fachleuten sind keine Beamten des Ministeriums!)

Manche sagen — hören Sie mit Blick auf Hamburg gut zu, Herr Duve —, Selbstverwaltungsmodelle förderten in besonderer Weise den sogenannten Filz unter den Etablierten und seien deswegen besonders parteiisch. Ich sage für die Zukunft der Filmförderung: Die Auswahlausschüsse behalten auch zukünftig ihr Gewicht. Kann sich aber der politisch und rechtlich verantwortliche Minister aus seiner Verantwortung davonstehlen? Freiheit ist nur denkbar, wenn sie gleichzeitig auch mit der Verantwortung für die Werteordnung unserer Verfassung verbunden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Ach dafür! — Zurufe von der SPD)

Natürlich gibt es zwischen diesen beiden Zielen einen deutlich wahrnehmbaren Konflikt. Aber diese werden — dafür steht dieser Bundesinnenminister — im Gedankenaustausch, offen und frei ausgetragen.
Es gibt in diesen Richtlinien weitere positive Punkte wie Straffung und Entbürokratisierung.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Satz an die SPD sagen.

(Schwenninger [GRÜNE]: Da muß mehr Demokratie in den Film hinein!)

Einer der deutschen Erfolgsfilme heißt „Supernase".

(Duve [SPD]: Sie sind ein Supernaseweis!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005700400
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bin gehalten, die Redezeit — —

Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID1005700500
Ich komme zum Schluß.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005700600
Nein. Es ist Schluß, Herr Kollege.

Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID1005700700
Danke sehr, Herr Präsident.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005700800
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005700900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit 5 Millionen DM hat das Bundesinnenministerium bisher jährlich kulturelle Filmförderung betrieben. 5 Millionen DM kosten ein Kampfpanzer Leopard II oder drei Feldhaubitzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU])

In der Rüstung sind Sie fix, für Kultur tun Sie nix! Trotzdem: Dieses Geld des Innenministeriums war wichtig, damit der neue deutsche Film zwar mit kleinem Budget, aber mit richtungsweisenden Filmen und einer zunehmenden Vielfalt an Dokumentarfilmen entstehen konnte. Kurz: Eine Filmkultur entstand, die dem neuen deutschen Film ein hohes Ansehen hierzulande und vor allem im Ausland verschaffte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber keine Zuschauer!)

Mit den neuen Richtlinien soll dem neuen deutschen Film der Garaus gemacht werden. Filmarbeiten wie die von Kluge, Schlöndorff und von Trotta,

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Alles Bewunderer von Zimmermann!)

Dokumentarfilme über die Zustände nicht nur in diesem Lande, sollen verschwinden, Drehbücher nicht mehr geschrieben werden, Filmkultur soll nicht mehr gefördert werden.
Seit Übernahme des Ministeriums durch die CSU hat eine kulturfeindliche Kurswende eingesetzt, die beispiellos ist.

(Beifall des Abg. Schwenninger [GRÜNE] — Zuruf von der CDU/CSU: Glauben Sie das wirklich, was Sie da sagen?)

Die Filmemacher sprechen von Reichsfilmkammer. Noch während die alten Richtlinien gelten, häufen sich Zensurmaßnahmen und Repressalien gegen geförderte oder zu fördernde Filme. Aus den neuen Richtlinien spricht der Ungeist einer Antikulturpolitik, die sich dem sogenannten gesunden Volksempfinden verpflichtet fühlt und dem abgewirtschafteten Kommerzkino wieder auf die Sprünge helfen soll.

(Hört! Hört! bei der SPD — Duve [SPD]: Sie bringen nicht mal das fertig!)




Hoss
Zimmermann beteuert zwar, ihm liege der gute deutsche Film am Herzen, und er wolle ihm zu mehr Qualität und größerer Publikumsresonanz verhelfen. Gleichzeitig aber sagt er: „Ich bin einfach nicht bereit, pseudokünstlerische Experimente, die nur der Selbstbefriedigung und Selbstverwirklichung einzelner dienen, zu unterstützen."

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Er schwingt sich zum bundesweiten Geschmacksdiktator auf und entmündigt die Bürger, selbst zu entscheiden.

(Lachen bei der CDU/CSU— Duve [SPD]: Auf eine geschmacklose Art!)

Er will bestimmen, welche Filme mit Förderungsmitteln entstehen dürfen.
Mit seinen Richtlinien ist die Bundesrepublik das einzige europäische Land, das auf dem Gebiet des Films Qualität nicht fördert, sondern durch Förderung wegzuräumen versucht. Gefällt der fertige Film dem Ministerium nicht, können die Förderungsgelder zurückverlangt werden, womit man jeden Filmemacher ruinieren kann. Ein bezeichnender Hinweis dazu ist die skandalöse Verweigerung der letzten Finanzierungsrate für den Film „Meridian" von Rüdiger Neumann, aus dem dieser einen Satz herausstreichen soll, in dem es um ein Zitat von Reagan zum vorstellbaren begrenzten Atomkrieg geht.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aha!)

Filme zwischen 20 und 78 Minuten fallen total aus der Förderung heraus, was insbesondere dokumentarische innovatorische Filme betrifft. Der dokumentarische Film dürfte mit diesen Richtlinien ohnehin der wirtschaftlichen und politischen Gesinnung des Innenministeriums zum Opfer fallen.
Mit diesen Richtlinien hat sich Zimmermann ein Ermächtigungsgesetz geschaffen, das die Filmkultur nicht fördert, sondern verhindert und eine politische Kontrolle einführt.

(Dr. Laufs [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Mit diesen Richtlinien wird die Kontinuität von 20 Jahren kultureller Filmförderung des Bundes abgewürgt. Die Verbände des neuen deutschen Films wurden zwar um Stellungnahme gebeten, sie benannten auch ihre Bedenken und machten Gegenvorschläge. Dies blieb aber nahezu folgenlos und hatte lediglich Alibifunktion. Die Mehrheit der Verbände des neuen deutschen Films, die in der Bundesvereinigung des Deutschen Films organisiert sind, der Autoren-Film, die Dokumentarfilmer, die Filmarbeiterinnen, die Verleiher und Kinomacher, die regionalen Filmbüros und Videogruppen, verweigert angesichts dieser Richtlinien jede Kooperation mit dem Innenministerium, benennt keine Mitglieder für die Gremien, macht keine Vorschläge für Bundesfilmpreise; sie verweigert sich.
Diese Art von Kulturpolitik hat allerdings nicht nur mit der sichtbaren Inkompetenz und dem spießigen Geschmack im Innenministerium zu tun,

(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)

sondern diese wirtschaftlich orientierte Förderung ist ganz klar auf Filme angelegt, die den deutschen und amerikanischen Filmkommerz mit Produktionsgeldern versorgen sollen,

(Daweke [CDU/CSU]: Unmöglich, was Sie da sagen!)

auch um billige Unterhaltungsware für die Kabelkanäle des zukünftigen Privatfernsehens zu haben, Seichtes für die Medienflut.

(Schwenninger [GRÜNE]: So ist es!)

Die GRÜNEN fordern deshalb: Zurücknahme des Richtlinienentwurfs und Beteiligung der Verbände des neuen deutschen Films an qualifizierten Richtlinien; Erhöhung der Haushaltsmittel; ein unabhängiges Auswahlgremium, das nur nach künstlerischen Kriterien entscheidet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005701000
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

(Schwenninger [GRÜNE]: Der ist in der Zwickmühle!)


Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID1005701100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Sachen Filmförderung bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesinnenminister und den Liberalen. Das ist übrigens, wie Sie aus früherer Zeit bestätigen können, in einer Koalition unabhängiger und selbständiger Parteien nichts Ungewöhnliches. Allerdings setze ich mich in Form und Inhalt der Kritik von dem ab, Herr Kollege Hoss, was Sie hier gesagt haben.
Wir wenden uns gegen einige Bestimmungen in den neuen Richtlinien und stellen gleichzeitig fest, daß der Bundesinnenminister in seiner bisherigen Amtszeit die bisherigen Richtlinien anders interpretiert und anders handhabt, als alle seine Vorgänger dies getan haben.

(Zuruf von der SPD: Leider wahr!)

Dies betrifft vor allen Dingen die stärkere Einschaltung des Staates, d. h. des Ministeriums und des Ministers, in den Entscheidungsprozeß.
Wir sind der Meinung, daß sich die Vergabe von Filmpreisen an der bewährten Praxis der Staatsferne zu orientieren hat. In der Abwägung, ob der Staat selbst enscheidet oder ob er diese Aufgabe einem unabhängigen Auswahlgremium überträgt, sind wir unbedingt der Meinung, daß dem Auswahlausschuß der Vorrang gebührt. Diese Auswahlausschüsse haben sich bewährt. Es war, Herr Kollege Zimmermann, in der Vergangenheit immer möglich, die parlamentarische Verantwortung, die Sie ungeschmälert haben, für diese Entscheidungen zu tragen.
Vom zuständigen Minister erwartet niemand, daß er sich mit den Entscheidungen inhaltlich identifiziert. Der Staat fördert, er ist nicht Sinngeber und nicht Kontrolleur.

(Beifall bei der FDP — Zustimmung bei der SPD)




Baum
Er muß die kulturelle Vielfalt respektieren, wie sie sich frei entwickelt. Zur Toleranz des demokratischen und liberalen Rechtsstaats gehört, daß er auch Fundamentalkritik zuläßt. Diese Freiheit darf von Staats wegen nur dann und insoweit begrenzt werden, als ihr Mißbrauch den unsere Verfassung tragenden ethischen Grundkonsens ernsthaft gefährden würde. Das ist in all den Jahren nie der Fall gewesen;

(Duve [SPD]: Sehr richtig, sehr wahr!)

mir ist keine Entscheidung des Auswahlgremiums dieser Art bekannt.
Unser zweiter Einwand richtet sich gegen die Einführung von Elementen der Wirtschaftsförderung anstatt der bisher ausschließlich an der kulturellen Qualität orientierten Förderung. Es ist ja nur ein sehr kleiner Betrag, 5 Millionen DM. Wir schätzen, daß für Filmförderung in der Bundesrepublik etwa 80 Millionen, 90 Millionen DM und eine Milliarde DM für die Theaterförderung zur Verfügung gestellt werden. Es bleiben also 5 Millionen DM für die Förderung kultureller Spitzenleistung. So wünschenswert es ist, dem Film ein größeres Publikum zu erschließen, müßte man aber unserer Meinung nach an der Verleihstruktur ansetzen, man müßte fragen: Was machen die Amerikaner mit ihrer großen Finanzmacht hier in unseren Kinos? Wir sind der Meinung, daß es wichtig ist, nach wie vor den Mut zu haben, mit diesem bescheidenen Betrag von 5 Millionen DM die kulturelle Kreativität und das Experiment zu fördern, auch dann, wenn nicht sicher ist, ob der Film beim Publikum ankommt. Dieser Grundhaltung verdanken wir den Aufstieg des neuen deutschen Films und seine internationale Anerkennung.
Die Berliner Filmfestspiele haben sich bewährt. Dort hat sich auch der deutsche Film bewährt, in diesem Jahr in einer bemerkenswerten Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen. Im übrigen ist der Anteil des deutschen Films am Verleihumsatz keineswegs so zurückgegangen, wie hier gesagt wird.

(Duve [SPD]: Hören Sie gut zu!)

Wir wollen die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in der Bundesrepublik Deutschland verbessern. Aus diesem Grunde haben wir gemeinsam mit der CDU/CSU eine umfangreiche Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die zu einer umfassenden kulturpolitischen Debatte und zu wichtigen Entscheidungen auf diesem Gebiet führen wird.
Von dritter, neutraler Seite, nämlich von der „Privatinitiative Kunst", ist diese Anfrage so beurteilt worden:
Der Fragenkatalog selbst ist ungewöhnlich umfassend, professionell, präzise formuliert und umgeht keines der schwierigen Themen. Als unbestreitbares Verdienst dieser Großen Anfrage kann schon jetzt festgehalten werden, daß sie die Bundesregierung zu einer exakten Stellungnahme in den relevanten Entscheidungsbereichen herausfordert. Einen besseren Einstieg in die erste kulturpolitische Debatte des Deutschen Bundestages
— so wird hier von neutraler Seite gesagt — hätte man sich kaum wünschen können.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden sich also — auch darüber darf die heutige Debatte nicht hinwegtäuschen — auf wichtige Gemeinsamkeiten in der Kulturpolitik zwischen den Koalitionsparteien einrichten müssen.
Danke.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005701200
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.

(Roth [SPD]: Zimmermann aus dem Silberwald!)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1005701300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schön, daß morgens um acht schon eine so gute Stimmung im Plenum herrscht.

(Schwenninger [GRÜNE]: Dafür haben Sie gesorgt!)

— Na eben, das ist doch auch was, wenn ich dafür gesorgt habe. Seien Sie doch dankbar dafür.
Meine Damen und Herren, der Referentenentwurf über Filmförderungsrichtlinien ist als Diskussionsgrundlage schon im letzten Jahr einem ungewöhnlich breiten Kreis zugeleitet und schriftlich und mündlich diskutiert worden,

(Duve [SPD]: In den letzten Dezembertagen!)

zuletzt direkt mit den Filmschaffenden anläßlich des Filmgesprächs in München,

(Dr. Nöbel [SPD]: Die sind alle sauer!)

wo etwa 700 Leute zugegen waren; 300 konnten den Saal nicht mehr betreten. So groß war das Interesse. Dieser Kreis war größer, als ihn die SPD bei einem Filmgespräch jemals zusammen hatte.

(Duve [SPD]: Das war Ihr Unterhaltungswert, Herr Minister!)

— Ja, ich habe den deutschen Film eben wieder interessant gemacht. Deswegen waren so viele da. Das habe ich dort schon gesagt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben im Innenausschuß zweimal diskutiert.

(Duve [SPD]: Einmal ohne Sie!)

Diese ausführliche Diskussion hat keiner meiner Vorgänger, gleich welcher Partei, auf sich genommen.

(Duve [SPD]: Sie boten nicht den Anlaß! Die wollen doch nicht l'art pour l'art machen!)

Ich kann Ihnen nicht verschweigen, daß ich enttäuscht darüber bin, daß wenig konstruktive Beiträge gekommen sind. Wo sind denn eigentlich die Vorschläge geblieben, wie man in der Bundesrepublik Deutschland mehr Filme von Qualität be-



Bundesminister Dr. Zimmermann
kommt, Filme, die die Leute auch sehen wollen, die sie wieder ins Kino bringen?

(Schwenninger [GRÜNE]: Ins Kino? Wenn Sie das Kabelfernsehen einführen!)

Ich sehe immer nur, daß über den Spielraum von Ausschüssen und über die Verantwortung von Ministern gestritten wird, während es doch allein darum geht, dem deutschen Film vielleicht auf einem neuen Weg wieder bessere Chancen zu verschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Auf einem Holzweg! — Duve [SPD]: Sie können ja Selbstdarsteller werden!)

Diesem Anspruch, der allein die Bereitstellung von Haushaltsmitteln rechtfertigt, sollte doch die Diskussion über die neuen Richtlinien dienen. Und da muß man zuerst einmal unvoreingenommen eine Analyse der Situation vornehmen.

(Duve [SPD]: Vor allem mit richtigen Zahlen!)

Ich lasse mich hier doch weder von der Magie der Zahlen noch von der Magie der Namen blenden. Die Zahlen, die ich genannt habe, nennt die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, nicht irgendein Produzent. Nach diesen Zahlen haben wir uns zu richten. Sie richten sich j a bei statistischen Angaben auch nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes und nicht nach Zahlen irgendeines Statistikers. Das wäre ja noch schöner! Mit 3% jedenfalls steht der deutsche Film an der allerletzten Stelle der Skala; weit vorne liegen die Italiener, die Franzosen und alle anderen. Das kann doch niemand bestreiten.
In dieser Lage

(Schwenninger [GRÜNE]: Muß man handeln!)

unternimmt der Innenminister den Versuch, mit ganz geringen Mitteln mehr Resonanz zu schaffen. Diese Richtlinien entwickeln sich im übrigen aus der Förderungssystematik der letzten Jahre. Sie streben in keiner Weise eine reine Wirtschaftsförderung an, erkennen aber eine Wechselwirkung von Kultur und wirtschaftlichen Entstehungsbedingungen. Denn der Film ist ja wohl ein Medium, und Medien pflegen ja zwischen denen, die sie machen, und denen, die sie sehen wollen, vermitteln zu wollen. Aber ich bin doch nicht dazu da, zu ermöglichen, daß Streifen gedreht werden, die außer dem Produzenten überhaupt niemand sehen will. Das kann doch nicht der Sinn sein.

(Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Ein konkretes Beispiel! Haben Sie eines?)

— Ich habe Beispiele. Würde ich sie nennen, würde mir der Präsident das Wort entziehen, weil das gegen die Strafgesetze verstoßen würde.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Beispiel! Beispiel! — Zurufe der Abg. Duve [SPD], Fischer [Frankfurt] [GRÜNE] und weiterer Abgeordneter der SPD und der GRÜNEN)

— Sie können j a einmal privat Einblick in ein solches Drehbuch im Bundesinnenministerium bekommen.
Die wichtigsten neuen Akzente sind: Betonung der Förderung von wirklichen Spitzenleistungen, Straffung beim Deutschen Filmpreis, neue Kurzfilmlänge bis zu 15 Minuten als Animations- und Beiprogrammfilm, bei Filmpreis- und Produktionsprämien eine 30 %-Klausel, also ein Eigenrisiko des Herstellers, Bemühen um Publikumsresonanz, möglichst keine Vollfinanzierung aus öffentlichen Mitteln.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Ich habe gesagt, warum. Ein bißchen Risiko soll schon noch dabei sein, damit die Leute die Filme nicht nur für sich selber drehen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Weitere wichtige Akzente sind bei der Produktionsförderung die Koordinierung, z. B. mit der Filmförderungsanstalt, aber keine Vorschaltung, wie ich ausdrücklich zugesagt habe, bei Konfliktfällen eine Rückverweisungskonstruktion und die Nachwuchsförderung, produktbezogen, verstärkt im Drehbuch- und Kurzfilmbereich.

(Duve [SPD]: Praxis der letzten Monate!)

Mit einigen Wünschen aus der Diskussion war ich einverstanden, und zwar mit der Verschiebung des Termins vom 1. Februar auf den 1. März, mit der Verdeutlichung der kulturellen Akzente und dem Verzicht auf eine Vorschaltung der FFA.

(Duve [SPD]: Aber natürlich! Das mit dem Vorschalten ist doch ein verschleierndes Argument, Herr Minister!)

Wenn ich mich verpflichte, Qualität, ja Spitzenleistungen im Rahmen der Gesetze zu fördern, dann trage ich dafür letztendlich die rechtliche und auch die politisch-parlamentarische Verantwortung. Dem kann man sich auch nicht durch Tricks entziehen, auch nicht vollständig durch Ausschußverantwortung und Selbstverwaltungssysteme.

(Duve [SPD]: Übertragen Sie das einmal aufs Theater, und überlegen Sie, was das bedeutet!)

Denn letzten Endes müssen die Systeme immer so sein, daß sie unparteiisch und sachgerecht sind; eine formale Distanzierung, daß man zwar Geld gibt, aber mit dem Produkt nun gar nichts zu tun haben will, halte ich nicht für real.

(Reents [GRÜNE]: Diese Kriterien müssen Sie einmal auf die Bundesregierung anwenden!)

Wenn es so ist, dann muß ich mich auch über die eingereichten Filme informieren dürfen. Hier einen Eingriff in die Kunstfreiheit zu sehen, ist absurd, denn in diesem Land kann man drehen, was man will, nur nicht alles mit staatlicher Förderung. Das muß auch nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)




Bundesminister Dr. Zimmermann
Jemand hat den Film „Meridian" genannt. Das Drehbuch ist wortwörtlich einem Auswahlausschuß vorgelegt worden, aber es ist nicht so realisiert worden, wie es dem Ausschuß vorgelegen hat, sondern der Film erhielt einen Vorspann und einen Nachspann. Meine Damen und Herren, wir können nicht zulassen, daß in Zukunft abgenommene Filme nachher durch Vor- und Nachspanne ergänzt werden. Das können wir nicht tun, das ist eine Grundsatzentscheidung.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Ein Nachspann gehört auch zum Kunstwerk!)

Es ist keine Zensur, denn abgenommen wird durch den Ausschuß, und dem Ausschuß hat ein anderer Streifen vorgelegen, als dann gesendet worden ist.

(Zurufe von der SPD)

Im Interesse der Filmschaffenden meine ich daher, daß die Richtlinien nun ihrer ersten praktischen Erprobung zugeführt werden müssen. Auch der Termindruck bezüglich der Verleihung des Deutschen Filmpreises erfordert das.
Im übrigen bin ich auch nach Erlaß der Richtlinien jederzeit bereit, über ihren Sinn und über ihren Wert weiter zu diskutieren. Diese Richtlinien sind kein Jahrhundertwerk. Wenn sie sich nach einem Jahr nicht bewährt haben sollten, dann sind sie auch jederzeit wieder änderungsfähig.
Der erste Redner in dieser Debatte hat mit Recht gesagt, daß der Bundesinnenminister diese Richtlinien allein erlassen kann und daß weder Bundestag noch Bundesrat beteiligt werden müssen. Nun, Sie haben sich in einer außerordentlich intensiven Weise beteiligt. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie groß die Zustimmung in diesem Hause ist und wie allein ich hier stehe; ich weiß nur eines: In der deutschen Bevölkerung habe ich eine beträchtliche Mehrheit für meine Auffassungen hinter mir.

(Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Woher wissen Sie das?)

— Das spüre ich.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005701400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Duve.

(Zuruf von der SPD: Geh mal mit der Schere ran!)


Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1005701500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Zitat, Herr Minister:
Irrtum kommt von selbst, und der Mensch ist zum irren gemacht. Einige Wahrheiten entdeckt er nur durch unendliche Mühe.
Ich wünsche Ihnen, daß Sie in Ihrer Amtszeit diese Wahrheiten entdecken. Dieses Zitat ist vom großen Friedrich, Herr Minister Zimmermann. Was Sie hier soeben ausgebreitet haben, nämlich daß der Minister die letzte Verantwortung für kulturelle Entscheidungen hat, ist doch genau das zentrale Kernstück, auf das sich die gesamte Kritik der Filmer, der Presse konzentriert. Hier wird nach meiner Kenntnis zum erstenmal die Zensur der Filmkultur, Kulturpolitik damit begründet, daß der Minister gegenüber der Bevölkerung die Verantwortung trägt. Wenn man das auf Theaterförderung, auf Malereiförderung oder was auch immer überträgt, dann sind wir mitten im Bereich der Zensur. Herr Minister, die sechs Fälle, die wir und alle deutschen Filmer Ihnen vorhalten, haben dazu geführt, daß Ihnen alle wichtigen Gremien ihre Mitarbeit in den künftigen Entscheidungsgremien versagen. Die Fälle zeigen, daß Sie bereits in der bisherigen Praxis Zensur geübt haben. Beim Spielfilm von Herbert Achternbusch haben Sie im nachhinein entschieden. Bei dem Dokumentarfilmprojekt von Karin Braun haben Sie, hat Ihr Mitarbeiter eingewirkt. Bei dem Spielfilm „Die Verführung" von Elfie Mikesch haben Sie in unzulässiger Weise versucht, auf die Form dieses Films Einfluß zu nehmen. Bei dem Spielfilm von Herbert Achternbusch „Der Wanderkrebs" haben Sie ebenfalls eingewirkt.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Da wollte er mitspielen!)

Das heißt, schon bei den bisherigen Richtlinien — Herr Baum hat es Ihnen ja vorgeworfen — haben Sie gezeigt, daß Sie nicht gewillt sind, das sensible Verhältnis von staatlichen Geldern auf der einen Seite und der Freiheit der Kunst, die in unserer Verfassung festgelegt ist, auf der anderen Seite zu beachten. Sie sind mit diesem wirklich schwierigen Gebiet sehr grob umgegangen. Sie haben die Gremien der Fachleute, die ja genannt werden, brüskiert. Sie haben vielen von ihnen — und so empfinden sie das auch — einen Fußtritt gegeben. Sie stehen heute vor dem Bankrott

(Lachen bei der CDU/CSU) eines halben Jahres Filmförderungspolitik.


(Feilcke [CDU/CSU]: Machen Sie es mal ein bißchen kleiner!)

Der Minister steht vor dem Bankrott

(Feilcke [CDU/CSU]: Und Sie stehen dahinter!)

einer Filmförderungspolitik, die sich in 20 Jahren bewährt hat, Herr Kollege. Er bekommt Kritik

(Dr. Miltner [CDU/CSU]: Von internationaler Seite?)

von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er bekommt Kritik aus der internationalen Filmwelt. Es gibt praktisch niemanden mehr in der Branche, der dieser Änderung zustimmt. Was ich für dramatisch und auch traurig halte, ist, daß nun die Gremien nicht besetzt werden. Ich möchte sehen, wie in der nächsten Woche, Herr Minister, die Besetzung der Gremien erfolgen soll.

(Feilcke [CDU/CSU]: Mit denen, die Publikumsfilme machen!)

Denn all die Gruppen, die Sie aufgefordert haben, haben erklärt, sie werden nicht mitarbeiten.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das juckt ihn nicht!)

Die eine Änderung — darauf will ich noch kurz zu sprechen kommen — ist keine. Sie überlassen der Filmförderungsanstalt, einer Wirtschaftsförde-



Duve
rungs-Institution, die Vorauswahl. Sie haben doch nur zum Schein wieder übernommen, daß die Filmer ihre Filmprojekte wieder in Koblenz einsenden.
Ich wiederhole: Bankrott einer früheren guten Praxis. Wir sehen schlechte, sehr schlechte Zeiten für die Filmkultur in diesem Land auf uns zukommen.
Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005701600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daweke.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1005701700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Duve hat eben gesagt, hier solle eine Filmförderungspolitik geändert werden, die sich in 20 Jahren bewährt hat. Ich will nicht bestreiten, daß wir in den 60er Jahren mit verschiedenen Instrumenten, auch mit den Richtlinien zur kulturellen Filmförderungspolitik, aber dann auch später, allerdings erst in den 70er Jahren, mit den Filmförderungsgesetzen Erfolg gehabt haben. Aber die Zahlen, die jetzt vorliegen, Herr Duve, sprechen doch eigentlich dagegen,

(Schwenninger [GRÜNE]: Das ist eine ganz andere Dimension!)

daß wir heute noch so erfolgreich sind, wie wir es uns wünschen. Der Bundesinnenminister hat auf die Quote des deutschen Films im Kino hingewiesen. Wenn Sie die Koproduktionen mitrechnen — das ist ja immer ein Streitpunkt zwischen den Filmemachern und den Statisten —

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Schäfer [Offenburg] [SPD])

— Entschuldigung: den Statistikern; ich kam aus der Branche —, dann wird man feststellen, daß es allenfalls noch 11 % sein können. Ernst zu nehmende Kritiker sagen, das Handwerkliche beim deutschen Film stimmt nicht mehr. Das war übrigens ein wesentlicher Impuls in den 60er Jahren,

(Zuruf des Abg. Duve [SPD])

als eine große Zahl von Filmschaffenden nach Frankreich gegangen war und sich dort orientiert hatte. Viele sagen, daß die Qualität dessen, was dann herauskommt, sich auf internationalen Festivals nicht mehr durchsetzt. Das ist einer der Indikatoren: die Preise, die man auf A-Festspielen erringt; daß man dort also nicht nur beguckt wird, sondern daß man dort mit Qualität bemerkt wird. Ich meine, es muß doch auch Sie aufregen, wenn es Filme gibt, die niemals einen Zuschauer erreichen oder Zuschauerzahlen haben, die geradezu lächerlich sind.

(Duve [SPD]: Das sind doch gerade die Filme, die als Publikumsfilme gewollt sind!)

— Nein, die sind nicht als Publikumsfilme gemeint.
Ich will Ihnen aus dem „Spiegel", der nicht gerade von Herrn Zimmermann herausgegeben wird, vorlesen: Die aussichtslose Lage des deutschen Films wird auch dadurch gekennzeichnet, daß ein Drittel
der einheimischen Filme so gut wie überhaupt kein Publikum mehr findet: „Comeback" von Christel Buschmann 15 419 zahlende Besucher bis Ende 1982, „Dabbel Trabbel" von Dorothea Neukirchen mit 6 131, „Logik des Gefühls" von Ingo Kratisch mit 423 zahlenden Besuchern bis Ende 1982.
Es muß einen doch irgendwie aufregen, daß eine solche Situation eingetreten ist und daß wir dieses nun als Weisheit letzter Schluß verkaufen.
Übrigens: Sie erreichen damit zum Schluß, daß man sich über den Film noch lächerlich macht. Letzte Woche hieß es in einer großen deutschen Sonntagszeitung:
Dienstag abend ein echter Achternbusch im ZDF: „Herz aus Glas", bei dem die Schauspieler angeblich nur unter Hypnose ihren Pflichten nachzukommen imstande waren: 22.05 bis 23.35 Uhr. Wer sich das antut, wird fortan nur noch die Partei von Bundesinnenminister Zimmermann wählen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das war doch kein Achternbusch, das war ein Herzog-Film!)

Meine Damen und Herren, ich finde es nicht richtig, daß Sie hier so tun, als wolle man in die Gestaltungsmöglichkeit der Filmemacher eingreifen.

(Schwenninger [GRÜNE]: Ja, sicher!)

Das ist doch eine völlig schiefe Betrachtungsweise. Hier kann jeder jeden Film machen.

(Feilcke [CDU/CSU]: Richtig!)

Die Frage ist doch nur: Wie verteilen wir die wenigen und knappen Mittel? Als einer, der seit vielen Jahren in der Filmförderungsanstalt bei der wirtschaftlichen Förderung des Films tätig ist, stehe ich vor dem Problem: Welcher Film wird gefördert, und welcher Film wird nicht gefördert? Es ist doch eigentlich schon die subtilste Form des Eingreifens in die freie Gestaltung des Künstlers, wenn er genau weiß: In einer bestimmten Bewertungs- und Auswahlkommission sitzen immer die gleichen Leute, die sich teilweise nach dem Prinzip „Wie du mir, so ich dir" gegenseitig helfen.

(Duve [SPD]: Die wahren Cliquen im Film bestimmt das bayerische Wirtschaftsministerium!)

Zum Schluß ist dann beispielsweise festzustellen, daß das so verfestigt ist, daß Neue praktisch keine Chance haben. Ein Filmemacher aus dem Ruhrgebiet hat dies kürzlich so formuliert — ich rede von Adolf Winkelmann —:
Die Förderung hat eigentlich schon immer die Gefahr gehabt, daß sie tendenziell den Filmemacher von seinem Publikum entfernt. Weil eben nicht das Publikum, also die Kinokasse, für den Produktionsetat eines Films zuständig ist, sondern eine staatliche Stelle.
Das hat er doch richtig erkannt.
Nun bewegen wir uns in diesem Spannungsfeld. Ich kann nur sagen: Eine der Änderungen, Herr Bundesinnenminister, von denen ich glaube, daß sie



Daweke
in der nächsten Zeit ganz wichtig wären, wäre, daß wir das Rotationsprinzip bei den Auswahlgremien einführen, so daß man nie weiß, wer denn in der Kommission sitzt, wenn man ein Projekt einreicht. Denn dann orientiert man sich möglicherweise nicht mehr so stark an bestimmten Personen, sondern macht Filme unter dem Aspekt: Kann ich sie denn auch jemanden zum Zuschauen zumuten?
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005701800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1005701900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag als Filmkritiker! Es ist ja ganz interessant, welche Wertmaßstäbe da angelegt werden. Ich will das nicht weiter ausführen. Aber nach dem Geld alleine kann man wohl nicht alles ausrichten.
Übrigens, Herr Kollege Daweke: Der Grundsatz der Rotation ist natürlich ein alter Hut. Das wird schon dauernd gemacht und ist auch sehr vernünftig.

(Daweke [CDU/CSU]: Aber es soll nicht mehr gemacht werden!)

Ich habe bei der ganzen Diskussion bisher nicht verstanden, warum die politische Ordnung der Bundesrepublik auf eine harte Probe gestellt wird, wenn das Inkrafttreten dieser Richtlinien nicht am 1. März erfolgt, sondern in einem Zusammenhang mit der Diskussion über die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zur Kulturförderung.

(Beifall bei der FDP und der SPD) Das könnte man ja machen.

Es ist richtig: Über die Richtlinien entscheidet der Bundesminister des Innern. Er braucht dazu nicht die Zustimmung des Bundestages. Aber sie wäre ja nicht unerfreulich, muß man sagen. Er entscheidet über Auszeichnung, Produktionsförderung, Verleihprämien. Es geht nicht um große Beträge. Das ist gesagt worden. Kulturelle Filmförderung ist ja in der Tat der Gegenwert von ein paar hundert Metern Autobahn oder zweieinhalb Polizeihubschraubern; mehr ist es nicht. Auch das könnte Gegenstand einer Erörterung sein.
Worum geht hier der Streit? Er geht einmal um die Sorge, daß auch bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes die Möglichkeiten des staatlichen Einflusses vergrößert werden könnten. Wir beabsichtigen eine solche Novellierung nicht.
Zweitens. Vor allem geht es um die Grundfrage, wo die Grenze verläuft zwischen einer Kunstförderung des Staates und seiner Versuchung, bei dieser Gelegenheit zwischen genehmer und unangenehmer Kunst zu unterscheiden, sich eine Definitionsmacht anzueignen,

(Beifall bei der SPD)

die Kunst in die Richtung zu lenken, die ihm gut und angemessen und für den Bürger förderlich zu sein scheint. Ich stelle mir den Kämmerer einer Stadt vor, der die Subventionierung des kommunalen Theaters davon abhängig machen will, daß ihm der Spielplan gefällt. Wir würden ihn zumindest für ungeschickt und seine Vorstellungen für überholt halten.
Wenn Kunstförderung die staatliche Erziehung des Künstlers sein sollte, dann müßte man sie in einem freien Staat besser unterlassen.

(Duve [SPD]: Wahrscheinlich verbieten!)

Viele Menschen in unserem Land beklagen das Gefühl der Einengung, der Gängelung, der schwindenden Toleranz. Das ist es ja, was uns so sensibel macht: wenn man die Befürchtung haben muß, daß der Bereich der kulturellen Freiheit in der Filmförderung, die Toleranz in diesem Bereich eingeengt werden könnten.
Unsere vier Grundpositionen hat Gerhart Baum genannt: Die Vergabe von Filmpreisen sollte staatsfern entschieden werden. Es sollte bei den Entscheidungen eines Auswahlgremiums bleiben, dabei, daß es frei und autonom entscheiden kann. Die kulturelle Filmförderung des Bundes sollte frei bleiben von Elementen der Wirtschaftsförderung. Große Filme sollten nicht besser behandelt werden als Filme, die nur auf einem kleinen Etat beruhen und deren Regisseure häufig bereit sind, neue Wege zu gehen und kulturelle Anreize zu schaffen.
Eigentlich sollte es nicht schwer sein, sich auf diese vier Selbstverständlichkeiten zu einigen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005702000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Martiny-Glotz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005702100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zimmermann ist ein taktisch kluger Politiker, kein Zweifel. Warum macht er sich diesen Ärger beim Film?

(Feilcke [CDU/CSU]: Und bei Ihnen!)

Was hat er gegen den deutschen Film, daß er so flott eine Entwicklung in Gang setzt, bei der am Ende nur noch der amerikanische Einheitsfilm fürs Einheitspublikum übrigbleibt, den sich nur die schwächer werdenden Jahrgänge von 14 bis 29 im Kino, alle anderen aber im Fernsehen oder über Video angucken?

(Feilcke [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich gegen das Publikum?)

Daß der deutsche Film sein Publikum nicht erreicht, liegt nicht nur an der Produktion, Herr Zimmermann, sondern das liegt auch an der Infrastruktur des Verleihs und der Kinos. Von denen sollte man bei der Filmförderung vor allen Dingen einmal genauer sprechen.

(Beifall bei der SPD) Dazu ist heute aber nicht die Zeit.

Wenn Sie, Herr Zimmermann, die Filmförderungsanstalt nicht vorschalten wollen, dann streichen Sie doch bitte diese Kann-Bestimmung; denn vielleicht will sich die FFA möglicherweise gar nicht vorschalten lassen — jedenfalls war das am vergangenen Dienstag sogar die Meinung Ihres Be-



Frau Dr. Martiny-Glotz
raters, Herrn Casparys. Zweitens hat auch die wirtschaftliche Filmförderung bei der Filmförderungsanstalt nicht verhindert, daß viele Flops gefördert worden sind,

(Duve [SPD]: Hört, hört, Herr Dawecke!)

und zwar aus den eben bereits angedeuteten Gründen.
Was will der Innenminister also wirklich? Strebt er eine Bavarisierung der Filmpolitik an,

(Lachen bei der CDU/CSU)

so eine Art „Bayern gegen den Rest der Welt", damit's ein Prachtfilm wird, der dem „Bayernkurier" und der „Passauer Neuen Presse" gefällt?

(Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

Na, dann „Gott mit dir, du Land der Bayern". Über die diesjährigen bayerischen Filmpreise — eine geballte Ladung von Belanglosigkeiten — schwieg des Sängers Höflichkeit bereits weitgehend.
Will der Innenminister „Schweinkram" verhindern? Dafür gibt es bereits im Filmförderungsgesetz einen einschlägigen Paragraphen. Dazu bestünde kein Anlaß.
Will er die unabhängigen Gremien zähmen? Dafür muß man Verständnis haben; denn diese Feministinnen von Katrin Seybold über Dagmar Hirtz, von Elke Kummer bis zu Gabriele Wohmann — von mir einmal ganz zu schweigen — sind wirklich schwer erträglich für ein gestandenes konservatives Mannsbild.

(Beifall bei der SPD)

Und die Gremien-Herren von Herrn Schobert bis zu Herrn Patalas könnten womöglich bei den GRÜNEN sein. In jedem Fall müßten sie sich erst einmal die Haare schneiden lassen, bevor sie zu einer Sitzung des Innenminister kommen. Oder sehen Sie das anders?
Nur, Herr Zimmermann, es ist doch ein Irrtum zu glauben., daß sich diese Damen und Herren in den Gremien zähmen lassen. Das bißchen Positiv-Image, das Sie sich beim Umweltschutz durch Flexibilität zu erkaufen suchen, wird von denen schnell kaputtgemacht; denn die können nicht nur denken, sie schreiben auch noch darüber, und es gibt Medien, die das drucken, so daß es andere lesen können.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Da liest man dann: Zimmermann, der Mann für das verschärfte Demonstrationsstrafrecht; . Zimmermann, der Mann gegen die liberale Handhabung beim § 218; Zimmermann, der Mann gegen die Ausländerkinder; Zimmermann, der Mann, der den deutschen Film zensiert.
Und dieser Innenminister wollte seinen schillernden Ruf doch gerade loswerden.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine schlechte Vorführung!)

Letztes Argument: Dieser Innenminister ist geradezu inbrünstig proamerikanisch. Daß Reagan für Raketen in Deutschland ist, soll man im Vorspann eines im übrigen textlosen Films — es handelt sich
um einen Dokumentarfilm; was in dem Drehbuch gestanden hat, weiß ich nicht, aber ich habe den Film gesehen, und da wurde kein Wort gesprochen — nicht sagen, obgleich es stimmt — denn das könnte als Antiamerikanismus verstanden werden. Filme über vietnamesische Kinder oder über die Friedensbewegung sind gleichfalls unerwünscht. Die Amerikaner sind halt sehr empfindlich.
Vielleicht möchte also der Innenminister bayerischen Freunden behilflich sein, die am amerikanischen Film verdienen.

(Duve [SPD]: Hört! Hört! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Duve, Duve!)

Auf diese Weise sind allerdings der englische Film und das englische Kino schon kaputtgemacht worden, da dort auch noch dieselbe Sprache mit den Amerikanern hinzukommt. Wollen wir das in Deutschland genauso? Deutsch nur noch als Synchronsprache? Deutsche Filmhelden bloß noch als böse Soldaten bei amerikanischen Kriegsfilmen?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das brauchen wir auf keinen Fall, denn Europa braucht nationale Kulturen: deutsche, französische, italienische, schweizerische und andere. Die müssen wir stärken, und zwar sowohl finanziell als auch ideell. Weder „Kramer against Kramer" noch „the day after", weder Woody Allen noch E.T. spiegeln deutsche Wirklichkeit wider oder sind auch nur europäisch. Müssen wir nicht achtgeben, daß wir den europäischen und den deutschen Film gegen die Marktmacht der Amerikaner verteidigen?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordnenten der GRÜNEN)

Wir verteidigen schließlich auch italienischen Tafelwein, deutsches Bauernbrot und französischen Käse und wollen dagegen nicht die Fast-food-Hamburger eintauschen. Die CSU war mit dem Wort vom Ausverkauf deutscher Interessen immer schnell bei der Hand. Bei den Filmrichtlinien könnte das ein Bumerang werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/ CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005702200
Das Wort hat der Abgeordnete Weiß.

Werner Weiß (CDU):
Rede ID: ID1005702300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach dieser etwas hektischen Aufgeregtheit sollten wir, glaube ich, wieder in etwas ruhigere Bahnen kommen und etwas gründlicher über das Problem nachdenken. Sie wissen, Herr Schäfer und Herr Duve, ich schätze Sie sehr. Wir kennen uns aus der gemeinsamen Ausschußarbeit. Aber ich muß Ihnen folgendes sagen. Bei allem Eifer ist es mehr blinder Eifer, der bei Ihnen mitspricht, und Sie wissen: Blinder Eifer schadet oft der Sache. Das nicht zu beseitigende Mißtrauen bei Herrn Duve ist auch keine günstige Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arbeit und für eine Abwägung dieser Problematik.

(Dr. Laufs [CDU/CSU]: Sehr gut!)




Weiß
Ich möchte einige Aussagen machen zu Ihrer Bemerkung, Herr Duve, bezüglich der Beurteilung der Filme durch den Auswahlausschuß und durch den Innenminister. Im zweiten Halbjahr 1983 sind 252 Vorschläge eingereicht worden. 30 hat der Auswahlausschuß ausgewählt. Davon sind 27 positiv entschieden. Ein Fall ist noch in der Diskussion, ein Projekt wurde zurückgezogen, und ein Projekt ist jetzt entschieden worden, und zwar positiv.
Da können Sie doch nicht unterstellen, daß hier üble Oberzensoren an der Macht seien und ihr Handwerk ausübten.

(Dr. Laufs [CDU/CSU]: So ist es! — Zuruf des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

Herr Kollege Hirsch, Sie haben hier einige grundsätzliche Ausführungen gemacht. Ich möchte, wenn Sie mir erlauben, dazu auch noch einige Anmerkungen machen. Ich glaube, daß jeder Fachmann und jeder, der sich um Kunst bemüht, weiß, daß die staatliche Kunstförderung nicht unproblematisch ist. Da stimmen Sie mit mir hoffentlich überein. Für den Staat, für die Exekutive, geht es aber zuallererst um zwei Grundsatzfragen, die geklärt werden müssen: Erstens. Was ist unter „Kunst" zu verstehen?

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das sagen Sie mal!)

Zweitens. Was kann aus dem als Kunst erkannten oder anerkannten Bereich gefördert werden?

(Zuruf des Abg. Duve [SPD])

Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich behaupte, daß die Entscheidung darüber, was Kunst ist, besonders problematisch ist. Alle Versuche

(Zurufe von der SPD)

— jetzt müssen Sie einmal zuhören —, Kunst zu definieren, müssen scheitern, weil es in unserer pluralistischen Gesellschaft einen objektiven, allgemeinen Begriff der Kunst nicht gibt und auch nicht geben kann.

(Schwenninger [GRÜNE]: Wer die Macht hat entscheidet also, was Kunst ist!)

Eine inhaltlich fixierte Definition gibt das Bundesverfassungsgericht. Es umschreibt Kunst als — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
das Ergebnis freier, schöpferischer Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.
Trotz einer solchen Definition der Kunst stellt sich im Einzelfall immer wieder die Frage, ob man es mit einem Kunstwerk zu tun hat oder nicht. Die Definition des Bundesverfassungsgerichtes und auch die sonstigen Umschreibungen von Kunst, beispielsweise in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sind einerseits von dem Bemühen getragen, Kunst von Nichtkunst inhaltlich zu scheiden, andererseits wird der Begriff der Kunst so weit gefaßt — da bitte ich, gut zuzuhören —, daß alle denkbaren künstlerischen Äußerungen Anteil an der Kunstfreiheitsgarantie haben.
Ich sage dies, weil dies Folgen für die konkreten Förderungsrichtlinien und -praxis hat. Weil aber die Mittel für die Förderung nur begrenzt zur Verfügung stehen, kann staatliche Förderung nur auswählende Förderung sein, wobei für uns das wichtigste Kriterium der Gesichtspunkt der Qualität ist. Herr Duve, da stimmen wir mit Sicherheit überein.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: So sehen Sie gerade aus!)

Nach dem uns vorliegenden Richtlinienentwurf ist dafür ein Auswahlausschuß, der aus Experten besteht, eingerichtet. Zwar üben der Auswahlausschuß und die verschiedenen Kommissionen rechtlich nur eine beratende Funktion aus, sie bestimmen jedoch, da der Staat äußerst selten von ihrem Urteil abweicht, weitgehend die staatliche Entscheidung. Es muß aber auch klar herausgestellt werden, daß dieses Expertengremium dem Innenminister das Wagnis der Entscheidung und auch das Risiko einer Fehlentscheidung nicht abnehmen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die uns vorliegenden Richtlinien stimmen mit unseren Vorstellungen von Filmförderung überein.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005702400
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Werner Weiß (CDU):
Rede ID: ID1005702500
Sie sichern den Künstlern die notwendige Freiheit vom Staat und die erwünschte Hilfe durch den Staat. Dies ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005702600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nöbel.

Dr. Wilhelm Nöbel (SPD):
Rede ID: ID1005702700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation bei den Filmherstellern ist durch eine starke Unrentabilität und durch hohe Subventionierung gekennzeichnet. Filmhersteller, filmtechnische Betriebe, Filmverleiher, Filmhändler und Filmtheater sind die eigentlich filmwirtschaftlichen Bereiche, zu denen weitere Personengruppen kommen, die einen Teil ihrer Einkünfte aus der Filmproduktion beziehen. Hier geht es also nicht um einen ganz kleinen Bereich, sondern es geht schon um etwas: Unterhaltungsmusiker, Foto- und Bildjournalisten, Designer, Regisseure, künstlerisch-technische Mitarbeiter, Komponisten, Schauspieler, um nur einige zu nennen.
Hinzu kommt die gefährliche Konkurrenz für die Filmverleiher und Filmtheater durch die neuen Medien. Es ist keineswegs auszuschließen, daß sich die Wettbewerbsposition der deutschen Produzenten gegenüber den ausländischen Herstellern von Unterhaltungsfilmen und Unterhaltungsserien — insbesondere aus USA und Fernost — trotz absoluter Steigerungen verschlechtert. Die zunehmende Nachfrage nach Video und Bildplatte kommt hinzu. Die Besucherzahlen werden bestenfalls gehalten. Der Trend zu kleineren Kinos verstärkt sich. Das ist, meine Damen und Herren, unbestritten die künftige Situation, um die es hier geht.
In diesem breiten Risikorahmen soll nun der Produzent, der finanziell ohnehin nicht zurecht kommt,



Dr. Nöbel
70% von diesem Risiko selber tragen. Meine Damen und Herren, das heißt: Der künstlerische Film ist tot.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun genehmigt sich der Innenminister die Ausnahme, die Vollförderung. Er bestimmt die Ausnahme, bestimmt, was ganz gefördert wird. Er gibt sich Richtlinienkompetenz, indem er Richtlinien für andere erläßt, und er bestimmt auf einem Gebiet, nämlich auf dem der Kultur, das für meine Begriffe in der freiheitlichen Demokratie den größten Freiraum beanspruchen darf und muß,

(Beifall bei der SPD)

falls wir unter Kultur und Filmschaffen noch das gleiche verstehen.
Eine Regierung, deren Chef ansonsten alles auszusitzen pflegt, eine Tu-nix-Regierung, erweist sich gerade hier als ungeheuerlich aktiv. Der Bundesminister des Innern nimmt sich den Vorsitz, statt sich herauszuhalten. Bisher hat die Regierung nicht mitgestimmt. Warum wohl nicht? Meine Damen und Herren, weil Kunst und Kultur so etwas wie ein unantastbares Gut waren!

(Beifall bei der SPD)

Wenn Freiheitssymbole gefragt sind, dann doch zuallererst hier!
Nun bestimmt ein Minister — das ist noch nicht gesagt worden —, ausgerechnet der, der auch für Polizei

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

und Verfassungsschutz zuständig ist, darüber, was förderungswürdige Kunst und Kultur ist. Er macht sich zum Richter, statt sich herauszuhalten.

(Zustimmung bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Das Parlament ist machtlos, kann das nicht verhindern. Meine Damen und Herren, es geht sozusagen ums Ganze. Dieser Bundesminister des Innern erläßt Richtlinien über das, was das Ganze ist. Er verfügt auf dem Erlaßwege, was Werte sind, und das ist das Schlimme und Furchtbare.

(Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber Herr Nöbel!)

Dabei redet hier einer meiner Vorredner von der CDU von blindem Eifer. Wir sind — das habe ich heute morgen hier feststellen müssen — weit auseinander. Der große Unterschied ist der, daß wir auf seiten der freiheitlichen Kultur stehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005702800
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005702900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einige Worte zu Minister Zimmermann sagen, der zu Eingang seiner Rede mit der spaßigen Bemerkung, daß er nicht daran interessiert ist, Filme zu unterstützen und zu fördern, die außer dem Produzenten niemand sieht, von dem wesentlichen Punkt ablenkt, nämlich davon, daß es darum geht, daß er politisch-kulturelle Zensur ausüben will.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das ist doch nicht zutreffend!)

Er spricht davon, daß es um Filme geht, die nur der Produzent selbst sieht. Wir bringen aber den Fall einer politischen Zensur über einen Film, „Meridian" von Neumann, wo ein Zitat von Reagan über den vorstellbaren begrenzten Krieg in Europa herausgestrichen wird.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Unglaublich!)

Es handelt sich hier um eine Zensur, die sich dagegen richtet, daß doch immerhin Millionen Menschen, die der Friedensbewegung angehören, solche Filme sehen wollen. Damit wird ganz deutlich, daß Minister Zimmermann mit seiner Art, wie er die Richtlinien gegenüber dem neuen deutschen Film vorgibt, eine politische Zensur ausübt.
Es geht im Grunde darum, daß wir Gefahr laufen, daß nach 20 Jahren einer liberalen Kulturpolitik jetzt die Kulturpolitik unter das Regime eines Mannes kommt, der sich, ausgestattet mit der Arroganz der Macht, anmaßt, unsere Künstler zu reglementieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, wir alle in diesem Hause sollten erkennen, daß es darum geht, daß für den neuen deutschen Film mit diesen 5 Millionen, die sage und schreibe der Gegenwert von drei Feldhaubitzen sind,

(Zuruf von den GRÜNEN: Ein Panzer!)

die Chance erhalten bleibt, sich in der Konkurrenz, in der Auseinandersetzung mit dem Kommerzfilm der Amerikaner und der Italiener, zu behaupten und durchzusetzen.
Wir können bei dem, was unsere Künstler mit den neuen deutschen Filmen hervorgebracht haben, davon ausgehen, daß trotz dieser Ränke, die im Innenministerium geschmiedet werden, der neue deutsche Film immer noch besser ist als der derzeit amtierende Innenminister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005703000
Das Wort hat der Abgeordnete Broll.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005703100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor mir steht ein faszinierendes heroisches Bild: Im tiefen Forst reitet ein schon angegrauter Recke, das Visier heruntergezogen, die Augenschlitze verstopft, mit gesenkter Lanze, hinter jedem Baum ein Filmemacher, der den mutigen Angriff mit Pfiffen begleitet.

(Schwenninger [GRÜNE]: Den brauchen Sie nicht zu karikieren, der ist eine Karikatur!)




Broll
Was sucht der Uwe Beyer, der Jung-Siegfried des deutschen Films, was sucht Herr Freimut Duve auf dem Schlachtfeld? Nicht einen feuerspeienden Lindwurm namens Zimmermann, nein, eine Milchkuh, die mit jährlich 5 Millionen DM zu melken ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht nicht einmal darum, daß sie nicht mehr bereit wäre, Milch zu geben. Wie gemolken wird und wer melken soll, das ist die Frage.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wenn im letzten Jahr 252 Filme eingereicht worden sind und 222 davon von der Kommission nicht angenommen worden sind, dann ist das Freiheit. Wird ein weiterer vielleicht nicht zugelassen, weil sich der Minister in bestimmten Augenblicken ein letztes Votum, da er doch den Preis verleiht, vorbehalten will, dann ist das Zensur, dann geht die deutsche Freiheit unter.
Herr Duve und meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, daß Sie mit diesem Dampf den deutschen Film lächerlich machen?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Winston Churchill war sein Leben lang glücklich darüber, daß er in der Schule ein Versager gewesen war. Doch was war aus ihm geworden! Wenn einmal ein junger deutscher Film käme, der den Filmpreis nicht erhalten hätte und dennoch am Markt reüssierte, was für ein Stolz für den Regisseur, der bestätigt wäre in seinen Anschauungen, in seinen Bildern, in seiner Deutung der Wirklichkeit! Wie sehr hätte sich das Risiko des Produzenten bestätigt! Was ist das, was wäre das, frage ich, Herr Duve, denn Sie kennen den deutschen Film nur unzulänglich, scheint mir, für ein deutscher Film, der sich in spießbürgerlicher Subventionsmentalität um Verteilungsprozeduren kümmerte und glaubte, allein davon seine Existenz abhängig machen zu können! Machen Sie doch endlich einmal dem deutschen Film Mut, machen Sie aus dem Pudding einen Stahl, der Funken schlägt! Wann ist es endlich so weit, daß es der deutsche Film einmal nicht mehr nötig hat, vorher Prämien zu bekommen, damit er überhaupt Kredit bekommt, sondern nach gelungenem Erfolg einen Preis des Ministers erhält? Das wäre doch die Zukunft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ein Beamter oder der Minister selbst als einer von 25 in Zukunft Stimmrecht in der Kommission hat, ist denn das ein solcher Zusammenbruch der Freiheit der deutschen Kunst? Ist vielleicht ein solcher Beamter, wenn er auch wahrscheinlich für die dort Tätigen zu korrekt aussieht, nicht vielleicht genauso wie manche andere, die sich Profis nennen, in der Lage, zu beurteilen, wann ein Film gut ist?
Wann wird es der deutsche Film endlich schaffen, zu der handwerklichen Kunst, die er wohl noch beherrscht, auch jene Themen zu finden, die das deutsche Publikum interessieren, die unsere Lage spiegeln, nicht in Beschönigung, aber auch nicht, indem man Themen heraussucht und Deutungen bringt, die nur eine ganz kleine Minderheit, die mit ihren
eigenen Problemen nicht fertig wird, interessieren. Das wäre die Zukunft des Films.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Machen Sie ihn endlich frei von dem ewigen Genörgele, dem Suchen nach Subventionen! Sie schaden dem deutschen Film, Sie schaden dem Ansehen der Filmemacher selbst — bedenken Sie das — mit Ihren Kampagnen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Duve [SPD]: Auch dem Ansehen der Kulturpolitik!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005703200
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.

(Unruhe)

— Ich bitte um Aufmerksamkeit, weil hier technische Dinge zu beachten sind.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Wahl der Mitglieder des Gremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste
— Drucksache 10/996 —
Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP schlagen Ihnen auf Drucksache 10/996 die Abgeordneten Carstens (Emstek), Dr. Riedl (München) und Hoppe vor. Die Fraktion der SPD benennt auf Drucksache 10/1045 die Abgeordneten Walther und Kühbacher. Von der Fraktion DIE GRÜNEN wird auf Drucksache 10/1038 der Abgeordnete Kleinert (Marburg) vorgeschlagen.
Ich bitte Sie nun um Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Nach, dem gestrigen Beschluß des Deutschen Bundestages ist ein Gremium einzusetzen, das aus bis zu fünf Mitgliedern besteht. Die Mitglieder müssen dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages angehören. Ich stelle fest, die vorgeschlagenen Abgeordneten gehören dem Haushaltsausschuß an.
Nach § 4 Abs. 9 des Haushaltsgesetzes 1984 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, d. h. mindestens 261 Stimmen erhält.
Auf Ihren Pulten befinden sich ein Wahlausweis und ein Stimmzettel mit den Namen der vorgeschlagenen Abgeordneten. Sie können — und darauf weise ich besonders hin — auf dem Stimmzettel höchstens fünf Namensvorschläge ankreuzen. Ungültig sind Stimmzettel, die mehr als fünf Kreuze, andere Namen oder Zusätze enthalten. Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf dem Stimmzettel. Da eine geheime Wahl nicht vorgeschrieben ist, können Sie die Stimmzettel auf den Pulten ankreuzen.
Bevor Sie die Stimmzettel in eine der aufgestellten Wahlurnen geben, müssen Sie den Wahlausweis dem Schriftführer an der Wahlurne übergeben. — Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.



Präsident Dr. Barzel
Bevor wir in die Wahlhandlung eintreten, erteile ich das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 32 der Geschäftsordnung dem Abgeordneten Collet.

Hugo Collet (SPD):
Rede ID: ID1005703300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will hier nur zum Ausdruck bringen, daß ich mich an dieser sogenannten Wahl nur unter Vorbehalt der rechtlichen Nachprüfung und unter Protest beteilige.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn ich mich beteilige, so aus Loyalität gegenüber meiner Fraktion und aus Solidarität mit den von meiner Fraktion vorgeschlagenen Kollegen.
Warum der Protest? Es ist das erstemal, seit ich nach 1945 in unserem Land das Recht habe, zu wählen, daß vor einer Wahl nicht feststeht, wie viele Kandidaten gewählt werden. Durch die Formulierung „bis zu fünf" behält sich die Mehrheit vor, mit der Wahl zu entscheiden, wie groß das Gremium sein wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)

Das ist ein Novum. Das gibt es nicht bei Wahlen zu Betriebsräten, zu Kommunalparlamenten, zu Ausschüssen innerhalb von Parlamenten und Betriebsräten, zu Kommissionen, daß man im voraus nicht weiß, sondern erst aus dem Ergebnis sieht, wie viele gewählt werden. Deshalb mein Protest.
Ich habe gesagt, warum ich mich trotzdem beteiligen werde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei den GRÜNEN)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005703400
Meine Damen und Herren, Sie haben die persönliche Erklärung gehört.
Die Schriftführer haben ihre Plätze eingenommen. Ich eröffne die Wahl und bitte, die Stimmzettel anzukreuzen und sie anschließend, nach Übergabe des Wahlausweises an die Schriftführer, in eine der aufgestellten Wahlurnen zu geben.
Meine Damen und Herren, haben Sie jetzt alle Gelegenheit gehabt, sich an der Wahl zu beteiligen? — Ich sehe keinen Widerspruch. Ich schließe diese Wahl und bitte, mit der Auszählung der abgegebenen Stimmen zu beginnen.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Mitteilung. Die Auszählung wird ungefähr 45 Minuten dauern. Wenn Sie wollen, können wir mit der Abwicklung der Tagesordnung fortfahren, so daß wir nicht zu unterbrechen brauchen. — Ich stelle fest, Sie sind damit einverstanden.
Ich rufe daher die Tagesordnungspunkte 12 bis 14 auf:
12. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — § 303 StGB — (...StrÄndG) — Drucksache 10/308 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß (federführend) Innenausschuß
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — § 125 StGB —(...StrÄndG)

— Drucksache 10/901 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz
— Drucksache 10/902 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte und eine Aussprache von drei Stunden vorgeschlagen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID1005703500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 4. Mai 1983 heißt es:
Die Zunahme der Gewalt ist auch in der Bundesrepublik besorgniserregend. Wir werden Gewalt, unter welchem Namen und mit welcher Begründung sie auch auftreten mag, in unserem Rechtsstaat nicht dulden.

(Beifall der Abg. Dr. Weng [FDP] und Dr. Wittmann [CDU/CSU])

Die Bundesregierung ist entschlossen, ihr Handeln an dieser Leitlinie zu orientieren. Die Bürger neigen heute immer stärker dazu, ihre Anliegen und Wünsche auch durch die Wahrnehmung des verfassungsrechtlich verbrieften Demonstrationsrechts zum Ausdruck zu bringen. So haben 1983 rund sechsmal so viele Demonstrationen stattgefunden, wie dies im Jahre 1971 der Fall war. Dabei weisen die Zahlen sehr deutlich aus, daß sich die Demonstranten in ihrer überwältigenden Mehrheit an Recht und Gesetz halten.
Die politisch Verantwortlichen können und dürfen aber andererseits nicht die Augen davor verschließen, daß nahezu alljährlich mehrere hundert Demonstrationen unfriedlich verlaufen. Hier ist inden letzten Jahren eine zunehmende Intensität und Brutalität der Gewaltausübung festzustellen. Meist ist es nur eine relativ kleine, von vornherein zur Gewaltausübung entschlossene Gruppe von teilweise eigens zu diesem Zweck angereisten Chaoten, die dem Demonstationsgeschehen ihren negativen Stempel aufdrücken.

(Zuruf des Abg. Horacek [GRÜNE])

Durch die Berichterstattung der Medien werden
dann der Bevölkerung Eindrücke vermittelt, die es
vielen in der Bevölkerung geraten erscheinen las-



Bundesminister Engelhard
sen, sich von öffentlichen Kundgebungen überhaupt fernzuhalten, und die geeignet sind, Demonstrationen und den Teilnehmer an Demonstrationen schlechthin in Mißkredit zu bringen.
Bei unfriedlichen Demonstrationen werden immer wieder friedliche Bürger und eine Vielzahl von Polizisten — teilweise schwer — verletzt und beträchtliche Sachschäden verursacht. Obwohl oft mehrere Hundertschaften von Polizeibeamten im Einsatz sind, kommt es nur zu wenigen Festnahmen. Es kommt zu ganz wenigen Anklagen, und es kommt selten zu Verurteilungen. Der Grund dafür ist, daß die Polizei keine ausreichende rechtliche Handhabe hat, rechtzeitig an die Gewalttäter heranzukommen, weil diese von einem breiten schützenden Gürtel friedlicher Demonstranten und Neugieriger umgeben sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, daß polizeitaktische Maßnahmen nicht ausgereicht haben, die Probleme zu bewältigen.
Niemand wird bestreiten können, daß unter diesen Umständen auch der Gesetzgeber zum Nachdenken aufgerufen ist. Die Bundesregierung schlägt deshalb heute vor, den Straftatbestand des Landfriedensbruchs den veränderten Erfordernissen anzupassen.
Wer ehedem seine Lektion gelernt hat, der wird eine Rückkehr zum alten Landfriedensbruch von vor 1970 von vornherein ablehnen. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, den derzeit geltenden Absatz 1 des § 125 StGB unverändert zu lassen und ihn lediglich durch einen neuen Abs. 2 mit einer niedrigeren Strafdrohung zu ergänzen. Künftig sollen danach auch diejenigen, die beim Ausbruch von Gewalttätigkeiten oder Bedrohung in einer Menschenmenge eine polizeiliche Aufforderung zum Auseinandergehen nicht befolgen und durch ihre bloße Anwesenheit den polizeilichen Einsatz behindern, bestraft werden. Gerechtfertigt und damit nicht strafbar sollen Personen sein, die ausschließlich dienstliche oder berufliche Pflichten ausüben. Ein Strafausschließungsgrund soll für Personen gelten, die sich als sogenannte Abwiegler erweislich darum bemühen, Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen zu verhindern. Und schließlich soll das Gericht die Möglichkeit haben, bei geringer Schuld des Täters von Strafe abzusehen.
Bekanntermaßen, meine Damen und Herren, hat die Voraussetzung der Erweislichkeit für die Abwieglereigenschaft in der öffentlichen Diskussion zu großen Mißverständnissen geführt. Bei aller Problematik, die ganz unbestritten sei: Recht betrachtet hat die Figur des Abwieglers mit dem Grundsatz in dubio pro reo nichts zu tun. Wer trotz der Aufforderung der Polizei am Tatort verbleibt, handelt tatbestandsmäßig, er handelt rechtswidrig, und er handelt schuldhaft. All dies muß ihm Punkt für Punkt nachgewiesen werden. Dem auf diese Weise bereits Überführten bietet der Entwurf mit der Abwieglerregelung eine Rechtswohltat, wie sie unser Strafgesetzbuch sonst kaum kennt.

(Lachen und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Die Rechtsstellung des Beschuldigten wird also in Wahrheit nicht eingeschränkt, sondern sie wird gestärkt. Diese Rechtswohltat soll natürlich nur dem zugutekommen, dessen Verbleiben am Platz im ursprünglichen Sinne notwendig ist, nämlich um die Not zu wenden.
Ich habe besonderen Wert darauf gelegt, daß bereits im Tatbestand verdeutlicht wird, daß bei einer unfriedlich gewordenen Demonstration nicht unbedingt die ganze Menschenmenge, sondern — wie dies nach den örtlichen Gegebenenheiten möglich ist — auch ein bestimmter, räumlich abgrenzbarer Teil der Menge zum Auseinandergehen aufgefordert werden kann.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Der Minister will die Mengenlehre im Strafrecht einführen!)

Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies ermöglicht den rationellen und konzentrierten Einsatz der Polizeikräfte und läßt den Betroffenen diesen Einsatz auch einsichtig werden.
Meine Damen und Herren, wie bereits erwähnt, entsteht gerade bei unfriedlichen Demonstrationen, aber auch durch Akte des Vandalismus bei Massenveranstaltungen vielfältiger Art oft hoher Sachschaden.

(Zuruf von der SPD: Schlimme Argumente!)

Vor allem bei solchen Krawallschäden kann ein Interesse an der Strafverfolgung bestehen, das über das Interesse des Verletzten an der Unversehrtheit seines Eigentums hinausgeht. Deshalb spricht viel für den Vorschlag des Bundesrates, ein Einschreiten bei Sachbeschädigungen von Amts wegen zu ermöglichen, wenn die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Der Rechtsstaat kann und muß Gesetze dort korrigieren, wo Erfahrungen oder bessere Erkenntnisse zeigen, daß Verbesserungen notwendig sind. Dies gilt nicht nur auf dem Gebiete der Strafverfolgung, sondern es gilt ebenso, wenn es darum geht, die Rechtsgarantien für mutmaßliche Straftäter sicherzustellen.
Schon bei der Beratung des Kontaktsperregesetzes wurde seinerzeit intensiv, wenn auch zeitlich gedrängt, darüber nachgedacht, wie dem von allen Kontakten zur Außenwelt einschließlich seines Verteidigers abgeschnittenen Gefangenen ein Ansprechpartner außerhalb der Haftanstalt zur Verfügung gestellt werden könnte. In den folgenden Jahren ist dieser Plan weiterverfolgt worden, aber er war nie durchsetzbar.
Es erfüllt mich deshalb mit besonderer Befriedigung, daß diese Bundesregierung auch hier zu einer Korrektur bereit ist. Mit dem Entwurf, der Ihnen vorliegt, soll die Möglichkeit eröffnet werden, dem Gefangenen auf seinen Wunsch einen Rechtsanwalt als Kontaktperson beizuordnen, der den Gefangenen während der Kontaktsperre in allen rechtlichen Angelegenheiten betreut, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Sicherheitsbelange werden durch die Beiordnung der Kontaktperson nicht be-



Bundesminister Engelhard
einträchtigt. Dafür bürgt, daß die Kontaktperson von dem zuständigen Landgerichtspräsidenten ohne Rücksicht auf den etwaigen Wunsch des Gefangenen, ihm eine bestimmte Person beizuordnen, ausgewählt wird und daß diese Kontaktperson ihre Aufgabe unter strikter Wahrung der besonderen Zwecke der Kontaktsperre zu erfüllen hat.
Wir alle wünschen ganz dringend und hoffen, uns nie mehr durch eine schreckliche Situation wie im Herbst 1977 nach der Entführung von Hanns Martin Schleyer zur Anwendung des Kontaktsperregesetzes gezwungen zu sehen. Trotzdem ist es richtig und notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß der Rechtsstaat auch in Zeiten größter Herausforderung ohne Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit gewährleistet.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie können doch nicht einfach aufhören, Herr Minister!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005703600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1005703700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Tag wird in die rechtspolitische Geschichte der Bundesrepublik eingehen.

(Broll [CDU/CSU]: Richtig!)

nicht als strahlender allerdings, sondern als ein schwarzer Tag, als ein Tag, an dem ein Justizminister, der sich liberal nennt, einen zutiefst illiberalen Gesetzentwurf vorlegt, einen Gesetzentwurf, der auch handwerklich einen Verfall unserer Rechtskultur markiert,

(Zuruf von der SPD)

einen Entwurf, dessen sich das Bundesjustizministerium, dessen Arbeit Gustav Radbruch einmal mit dem Blick auf seine Tätigkeit als Reichsjustizminister als die einer Bauhütte des Rechts bezeichnet hat, schämen müßte, wenn er ihm nicht von der politischen Spitze des Hauses oktroyiert worden wäre.

(Beifall bei der SPD)

Denn, Herr Kollege Engelhard, was immer Sie vorbringen mögen: Dieser Entwurf, der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 125 StGB, ist Ihr Entwurf. Sie haben ihn politisch zu vertreten.
Sie haben vorhin von einer Rechtswohltat gesprochen. Sie, Herr Kollege, sind mit diesem Entwurf kein Rechtswohltäter. Im Gegenteil. Sie beschädigen das Recht.

(Beifall bei der SPD)

Worum geht es? Das geltende Strafrecht unterscheidet sorgfältig zwischen friedlichen Demonstranten und Personen, die im Zusammenhang mit einer Demonstration Gewalt anwenden. Der Gewalttäter macht sich strafbar. Ihm droht Freiheitsentzug bis zu drei Jahren, in besonders schweren
Fällen bis zu zehn Jahren. Nach seiner Verurteilung ist er vorbestraft. Der friedliche Demonstrant, der sich trotz Aufforderung vom Ort der Demonstration nicht entfernt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Er kann von der Verwaltungsbehörde mit einem Bußgeld belegt werden. Strafbar macht er sich nicht. Er bleibt unbescholten.
Diesen Unterschied will die Bundesregierung, wollen Sie, Herr Kollege Engelhard, beseitigen. Sie wollen den friedlichen Demonstranten ebenso behandeln wie den Gewalttäter.

(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch nicht!)

Sie wollen das Verbleiben am Ort der Demonstration ebenso kriminalisieren wie die Gewaltanwendung gegen Personen oder Sachen. Sie wollen eine Strafdrohung, die sich heute gegen einige wenige potentielle Gewalttäter richtet und für diese auch erforderlich ist, auf Zehntausende, nein, auf Hunderttausende von friedlichen Demonstranten erstrecken, die einer behördlichen Aufforderung nicht sogleich Folge leisten. Das ist der Inhalt Ihrer Vorlage.

(Zurufe von der SPD: Leider!)

Ich sage: der Inhalt. Denn der Zweck, die eigentliche Absicht, die Sie mit dieser Vorlage verfolgen, reicht viel weiter. Sie zielt auf das politisch-geistige Klima unseres Landes. Darauf komme ich noch zurück.
Ihre Vorlage, Herr Kollege Engelhard, ist unzweckmäßig. Sie isoliert den Gewalttäter nicht, sondern führt zur Solidarisierung friedlicher Demonstranten mit Gewalttätern.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Vorlage stellt die Polizei vor unlösbare Aufgaben. Sie überlastet die jetzt schon überlastete Justiz mit einer Flut zusätzlicher schwieriger Verfahren.
Ihre Vorlage ist aber nicht nur unzweckmäßig. Sie verstößt darüber hinaus massiv gegen Grundprinzipien unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung. Sie erschwert die Wahrnehmung der Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit. Sie beeinträchtigt das Legalitätsprinzip. Und sie mißachtet den Grundsatz, daß niemand verurteilt werden kann, dessen Schuld nicht zur Überzeugung des Gerichts erwiesen ist. Und das ist die Magna Charta unserer Strafprozeßordnung.

(Beifall bei der SPD) Ich komme zu den Einzelheiten.

Zunächst: Der Entwurf ist auch handwerklich schludrig. In der Neufassung des Abs. 2 heißt es:
Werden Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen im Sinne des Absatzes 1 begangen ...
Herr Bundesjustizminister, welchen Charakter hat diese Norm? Ist das ein Tatbestandsmerkmal oder eine objektive Bedingung der Strafbarkeit? Soll auch der bestraft werden, der nicht wußte und auch nicht wissen mußte, daß Gewalttätigkeiten oder Be-



Dr. Vogel
drohungen begangen werden? Ist das auch eine Rechtswohltat?
In Abs. 3 wollen Sie diejenigen straflos lassen, die ausschließlich dienstliche oder berufliche Pflichten ausüben oder die auf die Menschenmenge oder einzelne Personen erweislich einwirken, um sie von Taten im Sinne des Abs. 1 abzuhalten.
Die erste Alternative konstruieren Sie als Rechtfertigungsgrund, die zweite als Strafausschließungsgrund. Welche strafrechtsdogmatische Konfusion! Und welche Fülle von Unklarheiten für die Praxis! Handelt der Abwiegler nun nach Ihrer Vorstellung rechtmäßig oder rechtswidrig? Sind gegen den Abwiegler polizeirechtliche Maßnahmen, etwa ein Platzverweis, zulässig?
Das alles hat doch nicht nur theoretische Bedeutung. Viele Versicherungen — Sie wissen das — kennen beispielsweise Leistungseinschränkungen oder Leistungsausschlüsse für Schäden, die im Zusammenhang mit inneren Unruhen eingetreten sind. Versicherungsrechtlich fällt unter den Begriff der inneren Unruhe auch der Landfriedensbruch, und zwar reicht es für den Verlust des Versicherungsschutzes schon aus, daß der Geschädigte tatbestandsmäßig und rechtswidrig gehandelt hat. Nach Ihrer Konstruktion ist der Abwiegler objektiv ein Landfriedensbrecher. Er handelt auch rechtswidrig. Ist er jetzt nach Ihrer Auffassung ohne Versicherungsschutz? Soll selbst der nicht gewalttätige Abwiegler nach Ihrer Auffassung wirklich nicht mehr unfallversichert sein? Soll er seine Arzt- und Kostenrechnungen aus eigener Tasche bezahlen?
Lauter offene Fragen! Noch einmal: Mein Vorwurf gilt dabei nicht den Beamten des Bundesjustizministeriums. Er gilt denen, die durch ihre politischen Vorgaben, durch das, was in wenigen Minuten in Koalitionsverhandlungen auf Papier geschrieben wird, derart verquälte Formulierungen erzwungen haben, Formulierungen, aus denen auch das schlechte Gewissen der Beteiligten spricht.

(Beifall bei der SPD)

Dann zur Zweckmäßigkeit, Herr Bundesjustizminister. Sie behaupten, in der letzten Zeit habe die Gewalt bei Demonstrationen zugenommen, es habe eine Eskalation der Gewalt gegeben. Und Sie behaupten, Ihr Entwurf werde die Zahl der Gewaltakte vermindern. Wenn das so wäre, könnte man mit uns durchaus reden. Wir bejahen das staatliche Gewaltmonopol schon auf Grund unserer eigenen leidvollen geschichtlichen Erfahrung. Gewaltanwendung fördert den Prozeß der Meinungsbildung nicht, sondern stört, ja blockiert ihn. Gewaltanwendung schwächt auch die Botschaften, die von großen Demonstrationen ausgehen. Gewaltanwendung hilft in der Regel denen, die sich gar nicht mit den Botschaften auseinandersetzen wollen, sondern viel lieber über die Verwerflichkeit von Gewaltakten reden als sich inhaltlich mit dem Anliegen der Menschen beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Herr Bundesjustizminister, Ihre Behauptungen sind falsch. Sie haben doch selbst die Zahlen
verfügbar. Nach der amtlichen Statistik des Bundesinnenministers ist der Anteil der unfriedlich verlaufenden Demonstrationen nicht gestiegen, sondern gesunken. Er betrug 1981 6,2 %, 1982 hingegen 4,3 %. Und der Anteil der Gewalttäter an der Gesamtzahl der Demonstranten ist so gering, daß er sich noch nicht einmal in Promillesätzen, geschweige in Prozentsätzen ausdrücken läßt. Außerdem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Herbst 1983, für den die neuen Strafdrohungen doch vor allem gedacht waren, hat sie doch zusätzlich widerlegt. Es war doch gar kein heißer Herbst, obwohl Mitglieder der Bundesregierung ihn in unverantwortlicher Weise ständig an die Wand gemalt

(Beifall bei der SPD)

und dabei denen erst Aufmerksamkeit verschafft haben, die aus ganz anderen Gründen Gewalttätigkeiten befürworteten. Nein, die größten Demonstrationen in der Geschichte unserer Republik waren zugleich die friedlichsten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die jüngste Statistik aus dem Bundesinnenministerium belegt dies eindeutig.
Von den 9 237 Demonstrationen des Jahres 1983 waren ganze 274 unfriedlich. Das sind 2,96%. Polizei und Demonstranten haben ihre Reife, ihre demokratische Verantwortung, ihren Respekt vor unserem Grundgesetz in überzeugender Weise unter Beweis gestellt; überzeugender, als es dieser Entwurf tut.

(Beifall bei der SPD)

Aber davon ganz abgesehen: Ihre Behauptung, der Entwurf werde die Strafverfolgung von Gewalttätern erleichtern und so die Gewaltanwendung eindämmen, ist doch schlicht abwegig. Das Gegenteil ist der Fall. Glauben Sie denn wirklich, daß sich alle friedlichen Demonstranten nach einer Auflösungsanordnung unverzüglich entfernen? Gibt es dafür irgendeinen praktischen Anhalt? Ja, glauben Sie, daß sie sich in vielen Fällen überhaupt entfernen können, selbst wenn sie sich entfernen wollten, um der Aufforderung nachzukommen? Das widerspricht doch jeder Lebenserfahrung.
Die Folge ist, daß die Polizei nicht nur gegen die Gewalttäter, sondern nach dem Legalitätsprinzip gegen Tausende, wenn nicht Zehntausende Demonstranten einschreiten muß, d. h. ihre Personalien feststellen und sie gegebenenfalls in Gewahrsam nehmen muß. Wie soll die Polizei das denn eigentlich leisten, Herr Kollege? Das zersplittert doch die Kräfte der Polizei. Das führt doch zwangsläufig zu einer Solidarisierung derer, gegen die die Polizei dann in gleicher Weise vorgehen muß, also zur Solidarisierung friedlicher Demonstranten mit gewalttätigen Demonstrationsteilnehmern.
Wenn Sie mir das nicht glauben, dann hören Sie doch wenigstens auf den Verstand der Gewerk-



Dr. Vogel
Schaft der Polizei und deren Vorsitzenden, Herrn Schröder.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausgerechnet! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das ist doch eine Filiale Ihrer Partei!)

— Entschuldigung, aber diesem Vorstand gehört doch — das wissen Sie ganz genau — eine Anzahl von CDU-Mitgliedern an. Die denken in dieser Frage doch genauso.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein großer Irrtum!)

Das ist doch nicht die Privatmeinung von Herrn Schröder.

(Beifall bei der SPD — Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

Außerdem: Ich empfinde es ja fast als eine — wenn auch verkappte — Anerkennung, wenn Sie sagen, die gewerkschaftliche Vertretung von Hunderttausenden von Polizeibeamten in dieser Republik stehe uns in besonderer Weise nahe. Das ist ja eine Äußerung, die man durchaus akzeptieren kann.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Herr Schröder hat gesagt:
Jeder Polizeipraktiker sagt uns, daß das
— was Sie jetzt vorhaben —
Unsinn ist. Man denke nur an Demonstrationen in Großstädten. Manche Politiker haben sich von unseren Argumenten überzeugen lassen. Andere
— damit hat er Sie gemeint —
schwadronieren unverdrossen weiter. Wenn es nach ihnen geht, dann muß die Polizei unter Umständen 10 000 Leute verhaften, nur weil sie an 100 Randalierer herankommen will. Man zündelt am politischen Feuer, die Polizei soll dann löschen.
Aber vielleicht — das haben Sie schon bewiesen — wollen Sie auch auf Herrn Schröder nicht hören, weil er Sozialdemokrat ist.
Deshalb bringe ich Ihnen jetzt eine Stimme, mit der Sie es vielleicht ein bißchen schwerer haben, nämlich die Stimme des bisherigen Innenministers des Landes Baden-Württemberg, Professor für Staatslehre und Politik, angesehener Kommentator des Grundgesetzes und über jeden Verdacht, in einem nahen Verhältnis zu uns zu stehen, völlig erhaben, Herrn Roman Herzog, jetzt Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, und das wohl nicht gegen Ihren Willen. Herr Herzog sagte, als es 1970 um die Umwandlung des Straftatbestandes der Nichtentfernung trotz Aufforderung in eine Ordnungswidrigkeit ging — wörtlich —:
Sie
— die Polizei —
wäre zwar nach wie vor berechtigt einzugreifen, es bestände für sie aber nicht mehr die
Schwierigkeit bezüglich des Legalitätsprinzips bei der Strafverfolgung ...

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wann war das?) Für die Polizei

— so sagte Herr Herzog —
würde sich die Schwierigkeit entkrampfen, nach dem Polizeirecht eingreifen zu können, aus polizeitaktischen Erwägungen oder aus Großzügigkeit nicht eingreifen zu wollen, nach dem Strafverfolgungsrecht aber eingreifen zu müssen.
Dann fuhr Herr Herzog fort:
Ich würde es aber vom Gesetzgeber für unredlich halten, einen mittleren Polizeiführer mit dem Legalitätsprinzip, dem Übermaßverbot und all diesen Dingen in einer Situation, in der er Demonstranten gegenübersteht, die Molotowcocktails werfen, in Verlegenheit zu bringen. Der Gesetzgeber hätte dann seine Aufgabe nicht erfüllt.
Nämlich dann, wenn er den Polizeiführer in diese Situation bringt. Und genau das wollen Sie tun.

(Beifall bei der SPD)

Herr Herzog hat doch recht. Es hat doch im Herbst nicht eine einzige Situation gegeben — nicht eine einzige —, die von der Polizei besser bewältigt worden wäre, wenn Ihr Entwurf schon gegolten hätte. Nicht eine einzige! Treten Sie hier an das Rednerpult und schildern Sie hier die Situation des Herbstes, die mit diesem Entwurf besser hätte bewältigt werden können, friedlicher und ohne Eskalation. Im Gegenteil: Der Herbst, der die größte Belastungsprobe für dieses Rechtsgebiet war, lief deshalb friedlich ab, weil die Polizei so handeln konnte, wie Herr Herzog — und er ist nicht irgendwer — das beschreibt. Genau das, wovor Herr Herzog warnt, was er ablehnt, wollen Sie heute tun.
Warum denn eigentlich? Bringen Sie doch einen sachlichen Grund für diese Machtdemonstration, die Sie vorhaben!

(Beifall bei der SPD)

Meine Herren, Sie bewirken aber nicht nur das Gegenteil von dem, was Sie zu erreichen behaupten, Sie zahlen dafür auch noch einen hohen Preis. Sie verstopfen die Staatsanwaltschaften und die Strafgerichte mit einer Unzahl zusätzlicher Verfahren. Natürlich wird die Polizei bei einer aufgelösten Großdemonstration nur einen Bruchteil derer identifizieren können, die sich nicht entfernt haben, aber einige Hunderte werden es dann jeweils schon sein. Für die ganze Republik sind es Tausende, wenn nicht Zehntausende von Verfahren, darunter nicht wenige mit Beweisschwierigkeiten. In Berlin läuft ein Prozeß — Sie haben das in der Zeitung verfolgt — wegen dieser Beweisschwierigkeiten, ohne daß ich das im übrigen billigen will, jetzt seit 20 Monaten mit den Gegenüberstellungen, den Schwierigkeiten der Wiedererkennung, mit Alibiüberprüfungen.



Dr. Vogel
Warum muten Sie das einer Justiz zu, die schon jetzt unter ihrer Arbeitslast stöhnt? Wenn Sie wirklich meinen, die Justiz habe freie Kapazitäten, warum setzen Sie diese Kapazitäten nicht bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ein,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

bei der Verfolgung von Subventions- und Steuerbetrügern oder bei Preisabsprachen?

(Lattmann [CDU/CSU]: Warum haben Sie das nicht getan? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Apropos Preisabsprachen in der Bauwirtschaft: Das sind heute nur Ordnungswidrigkeiten. Wir haben immer wieder vorgeschlagen, sie als Straftaten zu ahnden, als kriminellen Betrug. Da machen Sie nicht mit. Daran erkennt man Ihre Prioritäten. Für uns sind Bauunternehmer, die ihre Auftraggeber um Millionenbeträge schädigen, strafwürdiger als ein friedlicher Demonstrant, der einer Aufforderung nicht Folge leistet. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie nehmen noch mehr in Kauf. Sie nehmen in Kauf, daß das Legalitätsprinzip Schaden leidet; denn Sie wissen doch ganz genau, daß Ihre Strafdrohung nur gegen einen Bruchteil derer durchgeführt werden kann, die den neuen Tatbestand erfüllen. Damit entscheidet nicht das Gesetz, sondern der Zufall darüber, wer mit einer Strafsanktion belegt wird. Das ist gegen die Intention des Grundgesetzes, und das schwächt das Vertrauen in die gesamte Rechtsordnung.
Sie rühren ferner — ich erwähnte das schon — an ein Grundprinzip, das die Magna Charta des Strafprozesses darstellt, nämlich an den Satz „in dubio pro reo", zu deutsch: im Zweifel für den Angeklagten. Dieser Satz besagt, daß niemand verurteilt werden darf, dem nicht seine Schuld zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen worden ist.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz erst vor wenigen Wochen erneut dick unterstrichen. Er hat in seinem Urteil vom 27. Januar 1984 zur zivilrechtlichen Haftung von Demonstrationsteilnehmern festgestellt: Für Schäden bei einer Demonstration haftet nur der, der sie nachweislich angerichtet hat, und nicht jeder beliebig herausgegriffene friedliche Teilnehmer. Sie werden das absurde Ergebnis herbeiführen, daß ein Teilnehmer bestraft wird, aber nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden kann, weil diese vernünftige Regelung des Bundesgerichtshofs dem entgegensteht. Sie wollen auch dann strafen, wenn dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden kann, daß er nicht abgewiegelt hat, daß er nicht um Mäßigung bemüht war, wenn dies zweifelhaft bleibt.
Herr Bundesjustizminister, Leute, die so etwas behaupten, sie hätten abgewiegelt, sind Ihnen eben verdächtig. Wahrscheinlich sind Ihnen Leute allein schon deshalb verdächtig, weil sie überhaupt an Demonstrationen teilnehmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb greifen Sie — dies ist in der Rechtsgeschichte ein Novum — zum Instrument der Verdachtsstrafe.

(Lattmann [CDU/CSU]: So eine billige Polemik! — Schwarz [CDU/CSU]: So habt ihr in Berlin Häuser besetzen lassen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

In Fest- und Gedenkreden wird Anselm von Feuerbach doch auch von Ihnen deshalb gefeiert, weil er die Verdachtsstrafen abgeschafft hat. Sind Sie sich dieses Widerspruchs denn wenigstens bewußt mit dem, was Sie hier vorlegen und beschlossen haben wollen?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Schließlich erschweren Sie die Ausübung zweier Grundrechte, die für unsere Staatsordnung konstitutiv sind, nämlich das Grundrecht der Meinungsfreiheit und das der Versammlungsfreiheit, in einem Maße, das ernste verfassungsrechtliche Bedenken rechtfertigt. Wieder kann ich mich auf den Christdemokraten Roman Herzog berufen.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wann war das?)

— Entschuldigung, Herr Roman Herzog ändert seine Meinungen doch nicht nach Ihren politischen Zweckmäßigkeiten.

(Beifall bei der SPD — Schwarz [CDU/ CSU]: Aber lernfähig ist er! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Haben Sie schon einmal etwas von Lernfähigkeit gehört?)

— Er sagt doch seine Meinung als Mann des Rechtes. Im übrigen: Setzen Sie sich doch mit Roman Herzog auseinander. Er ist doch ein Mann, der Ihnen sicherlich zum Gespräch zur Verfügung steht. Wenn er die Auffassung nicht mehr teilt, wird er das morgen in Ihrem Pressedient bekanntgeben. Meine Herren, ich lade Sie ein, den Test zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Roman Herzog sagt — übrigens in der jüngsten Auflage seines Kommentars, es ist also noch gar nicht lange her —:
Als friedlicher Teilnehmer an einer Versammlung genieße ich den Schutz des Art. 9 des Grundgesetzes grundsätzlich auch, wenn andere zu randalieren beginnen ... Man kann also nicht einfach sagen, daß die friedlichen Teilnehmer an einer Versammlung, bei der einige unfriedlich sind, nicht den Schutz des Grundgesetzes genießen.
Das ist eine klare und präzise Aussage.
Das geltende Recht gewährt diesen Schutz. Es gibt der Polizei die Befugnis, eine Demonstration aufzulösen, wenn sie einen unfriedlichen Verlauf nimmt. Aber das geltende Recht erlaubt nicht, friedliche Demonstranten zu bestrafen. Das war der große Fortschritt der Reform des Jahres 1970.



Dr. Vogel
Diesen Schutz vor Strafe nehmen Sie dem friedlichen Demonstranten. Sie stellen ihn strafrechtlich mit dem Gewalttäter auf eine Stufe.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

Sie wollen das Risiko für Demonstranten erhöhen.
Sie wollen erreichen, daß mehr Menschen auf die Ausübung ihres Grundrechts verzichten,

(Beifall bei der SPD)

daß der Widerspruch gegen die Politik — ich sage nicht nur: gegen Ihre Politik —, gegen Politik schlechthin, gegen politische Entscheidungen überhaupt leiser wird, daß mehr Menschen ruhig zu Hause bleiben und sich nicht mehr in die Politik einmischen. Das sind Ihre wirklichen Motive. Darum nehmen Sie alle Mängel, Ungereimtheiten und Prinzipienverstöße in Kauf. Das ist Ihnen die Sache wert.

(Beifall bei der SPD)

Aus all dem spricht tiefes Mißtrauen, Mißtrauen gegen Bürgerinnen und Bürger, die eine der Ihren entgegengesetzte Meinung haben, die diese zusammen mit anderen unüberhörbar und unübersehbar äußern und dafür sogar auf die Straße gehen.

(Dr. Götz [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1005703800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1005703900
Aber gerne.

Dr. Eicke Götz (CSU):
Rede ID: ID1005704000
Gestatten Sie mir eine Frage: Halten Sie einen Demonstranten der sich bemüht, einen kriminellen Demonstranten vor dem Zugriff der Polizei zu schützen, auch für einen friedliebenden Demonstranten?

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1005704100
Ich habe die Frage nicht erörtert und beantworte sie, indem ich sage, daß er sich unter Umständen der Beihilfe oder Begünstigung nach dem geltenden Recht strafbar macht und daß für diesen Fall eine Gesetzesänderung überhaupt nicht nötig ist.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Frage zeigt erneut, daß Sie keinen vernünftigen Grund für diese Gesetzesänderung haben.

(Dr. Kübler [SPD]: Armer Götz!)

Ich wiederhole: Sie finden es beschwerlich, meine Damen und Herren, sich mit diesen Bürgern auseinanderzusetzen, mit ihnen argumentativ zu ringen. Sie finden es leichter, sie auszugrenzen aus der Staatsloyalität, aus dem demokratischen Konsens, aus der Loyalität zum eigenen Staat. Und der Entwurf, den Sie zum Gesetz erheben wollen, setzt die Ausgrenzung fort, und zwar mit dem Mittel der Androhung von Kriminalstrafen.
Konservative — das ist ja nicht neu — haben zu allen Zeiten gewußt, wie man mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln störender Kritik begegnet.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie sind unfähig, der Gewalt den Riegel vorzuschieben!)

In den Tagen der bürgerlichen Revolution von 1848 hieß die Parole: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten". Heinrich Heine, auf den wir uns alle miteinander gerne bei feierlicher Gelegenheit berufen,

(Lattmann [CDU/CSU]: Auf solche alten Klamotten müssen Sie zurückgreifen!)

beschrieb wenig später diese konservativen Maximen an Hand des Beispiels von Krähwindel so:
Vertrauet Eurem Magistrat,
der fromm und liebend schützt den Staat durch huldreich hochwohlweises Walten; Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

— Einen Moment Geduld, er hat noch etwas viel passenderes für diesen Fall. Er fährt nämlich fort:
Wo ihrer drei beisammenstehen, da soll man auseinandergehen.
— Soweit gehen Sie noch nicht. Drei reichen noch nicht. Weiter also:
Wo ihrer drei beisammenstehen da soll man auseinandergehen. Wer auf der Straße räsoniert,
wird unverzüglich füsiliert;
das Räsonieren durch Gebärden
soll gleichfalls hart gestrafet werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gewiß, meine Herren von der Koalition, genauso wird es sich heute nicht mehr machen lassen, genauso nicht mehr, aber, Herr Kollege Mertes und meine Damen und Herren, daß kritische Meinungen „hart gestrafet" werden, das hätten Sie schon ganz gerne, und manchmal sagen Sie das j a auch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit! — Bohl [CDU/CSU]: Da müssen Sie aber selbst lachen, Herr Vogel!)

Manchmal sagen Sie das ja auch!
Offenbar haben Sie in Ihrem Eifer ganz vergessen, daß ein Teil Ihrer eigenen politischen Vorfahren, nämlich das Zentrum unter Windthorst,

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Frechheit!)

in der Zeit des Kulturkampfes, in der Zeit des Kampfes gegen die Bismarckschen Maigesetze des Jahres 1873, zu denen gehörte, die diffamiert und mit Strafdrohungen aus der damaligen Gesellschaft ausgegrenzt wurden.
Sie haben offenbar auch vergessen, daß die Demokratie ihre Stärke aus der Freiheit der Meinungen, aus der Offenheit der Kritik,

(Zuruf von der CDU/CSU: Aus Gewalt gegen Personen!)




Dr. Vogel
aus der Möglichkeit friedlicher Veränderungen

(Bohl [CDU/CSU]: Friedlicher! Sehr richtig!)

politischer Zielsetzungen und politischer Machtverhältnisse herleitet, nicht aus der Vielzahl und der Höhe der Strafdrohungen, die im Gesetzbuch stehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eine Demokratie wird schwächer, wenn die Politik beginnt, Probleme, die sie zu lösen, Lasten, die sie zu tragen hat, der Polizei und den Gerichten aufzubürden, statt daß die Politik mit politischen Mitteln nach diesen Lösungen sucht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Wie in Berlin! — Bohl [CDU/CSU]: Ein Haus nach dem anderen besetzen!)

Meine Damen und Herren, bei dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten — —

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Der Bundeskanzler würde an dieser Stelle sagen: Wie Sie mit Ihrem Geschrei zeigen, welch schlechtes Gewissen Sie haben und wie Sie es nicht ertragen können, andere Meinungen zu hören!

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich bin da wesentlich unempfindlicher und möchte Sie bei der Darbietung Ihrer akustischen Argumente — sachliche haben Sie nämlich nicht — gar nicht stören, weil dies auch einen Beitrag zur Meinungsbildung in unserem Volk darstellt.

(Beifall bei der SPD — Dr. Miltner [CDU/ CSU]: Wir sind doch ganz ruhig und gelassen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Bei dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, handelt es sich nicht um rechtspolitische Routine; ich hätte dann auch nicht das Wort in einer ersten Lesung genommen. Es handelt sich um einen gefährlichen Anschlag auf die Rechtskultur, nein, mehr noch,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

es handelt sich um einen Anschlag auf die politische Kultur

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

unserer Republik,

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

die Sie, meine Damen und Herren, im Zeichen der „geistig-politischen Erneuerung" in den letzten Wochen und Monaten durch eine Vielzahl unverständlicher Entscheidungen ohnehin auf das schwerste beschädigt haben.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist nicht mal eine Sonntagsrede!)

Dabei ist bemerkenswert, daß dieser Anschlag nicht von Herrn Zimmermann verantwortet wird;
das würde niemanden überraschen. Nein, die Vorlage verantwortet ein Freier Demokrat, verantwortet der Justizminister einer Partei, die sich auf Theodor Heuss — jedenfalls in Feierstunden —, auf Thomas Dehler, auf Karl-Hermann Flach beruft,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Es war einmal!)

der Justizminister einer Partei, die ihren Wählern vor der letzten Bundestagswahl in ihrem Wahlprogramm folgendes ausdrücklich versprochen hat:
Die Forderungen des Wahlprogramms von 1980 zur Innen- und Rechtspolitik bleiben für die FDP unverzichtbar.

(Zurufe von der SPD: Ha! — Hört! Hört!)

Wir werden die Grundrechte wahren. Eine Einschränkung des Demonstrationsrechts z. B. über eine Verschärfung des Versammlungsrechts lehnen wir ab.
Der Justizminister dieser Partei, die dieses Versprechen gegeben hat, legt hier diese Vorlage vor!

(Schily [GRÜNE]: Das war Wählerbetrug!)

Herr Kollege Engelhard, gestatten Sie mir dazu eine persönliche Bemerkung. Einer Ihrer Vorgänger aus dem Bereich der Freien Demokraten ist als Justizminister zurückgetreten, weil er in einer Grundfrage glaubte, nicht mit der Mehrheit seiner Partei stimmen und votieren zu können. Das war der Kollege Bucher, als es um die Verlängerung der Verjährungsfrist ging. Ich teile seine Meinung inhaltlich nicht, aber ich respektiere, wie er sich in einer solchen Konfliktlage verhalten hat.

(Beifall bei der SPD)

Denken Sie einmal nach, ob das nicht auch für Sie Orientierung geben könnte.

(Zuruf von der SPD: Es kann j a keiner mehr zurücktreten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, lieber Kollege Engelhard, es ist schlimm genug, daß Sie dieses Versprechen brechen.

(Vo r s i t z: Vizepräsident Westphal)

Schlimmer aber ist, daß Sie liberalen Traditionen in einem zentralen Punkt abschwören — um nicht eine stärkere Vokabel zu wählen —, daß Sie sich Herrn Zimmermann beugen, daß Sie sich — ich muß das sagen — in dieser Frage geradezu demütigen lassen. Wohin ist die Partei gekommen, die einmal stolz darauf war, daß Walter Scheel und Willy Brandt gemeinsam gerade die Paragraphen des Strafgesetzbuchs liberalisiert haben, denen Sie jetzt mit Herrn Zimmermann zusammen wieder die Fassung des Jahres 1871,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

nein, die Fassung des Preußischen Strafgesetzbuchs von 1851, drei Jahre nach der liberalen und bürgerlichen Revolution, geben wollen!
Wenn Sie nicht noch in letzter Minute innehalten, meine Damen und Herren von den Freien Demokraten, wenn Sie diesem Entwurf dann schließlich auch zustimmen, dann werden Sie endgültig eine



Dr. Vogel
andere Partei geworden sein, eine Partei, die im Kernbereich liberale Identität verloren hat,

(Beifall bei der SPD)

eine Partei, die vielleicht deshalb gewählt wird, weil bestimmte Kreise unseres Volkes ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen dort besser aufgehoben fühlen, oder die gewählt wird, weil Spitzenkandidaten einer anderen Partei zu ihrer Wahl auffordern — Herr Kollege Dregger weiß, wovon ich rede —, aber nicht mehr deshalb gewählt wird, weil sie für Liberalität und für Meinungsfreiheit unerschütterlich und unbedingt auch da eintritt, wo es seinen Preis kostet.

(Beifall bei der SPD)

Das könnte vom Parteistandpunkt aus betrachtet, für uns sogar ein Vorteil sein. Für unseren Staat, für seine freiheitlich liberale Substanz wäre es ein Verlust. Deshalb apelliere ich an Sie, meine Damen und Herren von der FDP: Widersetzen Sie sich dem, was vielen, wahrscheinlich den meisten von Ihnen — wenn ich an manches Gespräch in den vergangenen Jahren, Kollege Detlef Kleinert, denke, wohl auch Ihnen — gegen Ihre Überzeugung zugemutet wird! Sonst hätten Sie auch nicht dem Wahlprogramm in dieser Phase und in diesem Punkt zugestimmt. Machen Sie aus liberalen Kernpositionen nicht koalitionspolitische Handelsware! Darunter leidet nicht nur Ihre Partei, darunter leidet unser Staat.

(Beifall bei der SPD)

Die Kolleginnen und Kollegen von der Union frage ich: Warum lassen Sie sich eigentlich die Chance entgehen, nach dem friedlichen Verlauf des Meinungskampfes im Herbst 1983 durch den Verzicht auf diesen Entwurf ein Zeichen der inneren Versöhnung zu geben?

(Beifall bei der SPD)

Wäre das nicht ein Gebot der Vernunft, oder ist Ihnen wirklich das justament, die Demonstration Ihrer Macht, Ihrer Gesetzgebungsmacht, die Demonstration Ihres Triumphes über den liberalen Partner in der Koalition wichtiger als diese Chance der Versöhnung und der erneuten Festigung des Konsenses?

(Beifall bei der SPD)

Wir reden soviel von Lernfähigkeit. Wir bestreiten nicht, daß wir zu lernen haben. Können Sie nicht den jungen Menschen in dieser Situation auch einen Beweis Ihrer Lernfähigkeit geben?

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten stehen ein für Liberalität und Meinungsfreiheit, wir stehen ein für die Gewaltfreiheit der Meinungsbildung und für die Festigung des inneren Friedens über alle Meinungsgegensätze hinweg. Wir halten an der rechtspolitischen Linie fest, die Adolf Arndt und Gustav Heinemann vorgezeichnet haben. Deshalb werden wir diesen Entwurf, diese Lex Engelhard — diesen Namen verdient sie —, ablehnen und diesem Entwurf auch in der Diskussion außerhalb des Parlaments mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Ich bin
sicher, es wird uns an wohlmeinenden und aktiven Bundesgenossen nicht fehlen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: An Genossen nicht!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005704200
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, will ich das Ergebnis der Wahl der Mitglieder des Gremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste bekanntgeben. Von der Mitgliederzahl von 520 Abgeordneten sind 452 Stimmen abgegeben worden. Davon waren 452 gültig. Es hat eine Enthaltung gegeben. Also keine ungültigen Stimmen. Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Carstens (Emstek) 365 Stimmen, den Abgeordneten Dr. Riedl (München) 352 Stimmen, den Abgeordneten Hoppe 356 Stimmen, den Abgeordneten Walther 410 Stimmen, den Abgeordneten Kühbacher 409 Stimmen, den Abgeordneten Kleinert (Marburg) 95 Stimmen. Damit sind die Abgeordneten Walther, Kühbacher, Carstens (Emstek), Hoppe und Dr. Riedl gewählt. Sie haben die nach § 4 Abs. 9 des Haushaltsgesetzes 1984 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes erforderliche Mehrheit von 261 Stimmen erreicht. Sie sind damit als Mitglieder des Gremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste gewählt.
Meine Damen und Herren, wir fahren nunmehr in der Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wittmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005704300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Vogel — er ist jetzt gerade abgehalten zuzuhören; ich werde es dann später einfügen —, wenn wir uns nicht so gut aus unserer Münchener Zeit kennen würden, würde ich Ihre Rede wirklich ernst nehmen. Aber ich kann sie angesichts der Art, wie Sie das vorgetragen haben, leider nicht ernstnehmen. Sie haben sich hier künstlich aufgeregt und meines Erachtens die Tatbestände in diesem Gesetzentwurf vielleicht nicht oder nur oberflächlich studieren und prüfen können. Ich will nur ein Beispiel nennen. Sie sagten, der Demonstrant, der sich trotz Aufforderung der Polizei nicht aus der Menge entferne, würde genauso bestraft wie der Gewalttäter. Sie haben übersehen, daß es einen Abs. 1 der Bestimmung gibt, der unangetastet bleibt, und einen neuen Abs. 2, der sich deutlich von der Strafbestimmung des Abs. 1 absetzt und noch weitere Einschränkungen enthält.

(Schily [GRÜNE]: Das ist doch kein Widerspruch! Strafmaß!)

— Ich komme schon darauf. Herr Schily, mit Ihnen über diese Frage zu diskutieren ist sinnlos, weil Sie von Axiomen ausgehen, die Sie sich nicht widerlegen lassen. Also braucht man mit Ihnen darüber nicht zu diskutieren.

(Schily [GRÜNE]: Das habe ich nicht verstanden! Können Sie mir das noch einmal erklären?)

— Das verstehen Sie nicht. Das weiß ich.



Dr. Wittmann
Herr Vogel, Sie sprachen heute von einem schwarzen Tag der Justiz- und der Rechtspolitik.

(Dr. de With [SPD]: Kohlschwarz ist der!)

Ich werde Ihnen eines sagen: Wir hatten oft den Eindruck, daß die Zeit, als Sie Justizminister waren, eine dunkle Zeit der Rechtspolitik war, weil Sie aus ideologischen Vorgaben heraus Rechtspolitik betrieben haben. Das erleben wir jetzt doch laufend, z. B. im Ehescheidungsfolgenrecht, wo eine Bestimmung nach der anderen vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Passen Sie mal mit Ihrem Parteienfinanzierungsgesetz auf, was da noch alles aufgehoben wird!)

Sie sprachen von Rechtskultur, Herr Vogel. Gehört es nicht auch zur Rechtskultur, daß der friedliche Demonstrant, daß der Polizeibeamte, der seine Pflicht tut, daß der Passant vor Straftaten und vor Gewalttätigkeiten geschützt werden? Das möchte ich Sie einmal fragen.

(Dr. de With [SPD]: Unstreitig!)

Der Rechtsstaat bewährt sich eben darin, daß er den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit wahrt. Zum Rechtsstaat — Sie haben es selber gesagt — gehört auch das Gewaltmonopol. Dieses Gewaltmonopol muß eben dafür eingesetzt werden, daß die Freiheiten, zu denen auch die Freiheit der Demonstration gehört, für den Bürger gewahrt und nicht von einigen wenigen — und nur darum kann es sich handeln — Gewalttätern mißbraucht werden.

(Schily [GRÜNE]: Deshalb müssen die Bürger bestraft werden?)

Meine Damen und Herren, die CDU und die CSU halten seit langem eine Verbesserung des Tatbestandes des Landfriedensbruchs für erforderlich. Wir haben in den 70er Jahren entsprechende Gesetzesvorschläge eingebracht. Ich gebe zu, daß der jetzige Vorschlag nicht dem entspricht, was sich CDU und CSU ursprünglich vorgestellt hatten. Er ist ein Kompromiß in der Koalition der Mitte, und wir tragen diesen Kompromiß mit.
Natürlich müssen wir auch prüfen, ob es etwa in den Bereichen, zu denen wir noch keine Gesetzesvorlage haben, Regelungen bedarf, etwa eines gesetzlichen Vermummungsverbots. Das werden wir noch sorgfältig prüfen; denn wir mußten leider feststellen, daß die meisten Gewalttätigkeiten dann verübt wurden, wenn sich die Gewalttäter unkenntlich gemacht hatten, also nicht identifiziert werden konnten.
Wir diskutieren heute einen Tatbestand, der es ermöglichen soll, Gewalttaten bei Demonstrationen zu verhindern bzw. wenigstens zu begrenzen. Das ist keine Rückkehr — Herr Vogel, Sie haben diese Behauptung wider besseres Wissen aufgestellt — zu dem alten Straftatbestand, der bis 1970, bis zum sogenannten 3. Strafrechtsreformgesetz, galt. Allein die Lektüre des Gesetzentwurfes oder ein Vergleich, den Sie wahrscheinlich nicht angestellt haben — dieser Satz wurde Ihnen wahrscheinlich aufgeschrieben —, würde Ihnen das zeigen.
Eine zunehmende Zahl von Demonstrationen verläuft unfriedlich.

(Schily [GRÜNE]: Das ist die Unwahrheit!)

Sie, Herr Vogel, haben nur Prozentsätze genannt.

(Schily [GRÜNE]: Gucken Sie sich die Statistik an! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Die Abwiegler gab es damals noch nicht! Da haben Sie recht!)

— Herr Fischer, daß Sie ein Abwiegler sind, hat noch niemand behauptet. Ich habe Sie immer nur als Aufwiegler erlebt.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ich auch nicht!)

— Eben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie sind aber ein Abturner!)

— Schreien Sie nicht dauernd! Sie können es woanders besser.
Die Demonstrationen haben im vergangenen Jahr zugenommen. Sie haben sich fast verdoppelt. Die unfriedlichen Demonstrationen haben ebenfalls zugenommen.

(Dr. Jannsen [GRÜNE]: Das ist kein Wunder bei Ihrer Regierung!)

Da haben Sie, Herr Vogel, damit es nicht auffällt, mit Prozentzahlen gearbeitet. Die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen ist von 229 auf 274 gestiegen.

(Dr. de With [SPD]: Stellen Sie doch einmal einen Vergleich an! — Dr. Hirsch [FDP]: Vor allem in Baden-Württemberg und Hessen!)

Auch etwas anderes hat zugenommen. Das haben Sie ebenfalls verschwiegen, Herr Vogel. Die eingesetzten Mittel wurden nämlich immer brutaler. Auch die menschliche Brutalität, die bei diesen Demonstrationen von den Gewalttätern an den Tag gelegt wurde, wurde immer schlimmer, so daß man Polizeibeamte, friedliche Demonstranten und friedliche Passanten wie Freiwild jagte. Nur ein Beispiel: Im September 1981 wurden in Berlin aus Anlaß des Besuchs des Außenministers Haig 151 Polizeibeamte verletzt. Bei der Räumung des Startbahngeländes West im Oktober 1981 wurden 350 Polizeibeamte zum Teil schwer verletzt.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Und wie viele Demonstranten?)

Es entstand ein Sachschaden von 2 Millionen DM.

(Schily [GRÜNE]: Wie viele Demonstranten sind denn verletzt worden? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Sie waren j a nicht dabei, also sind Sie nicht verletzt.
Als US-Präsident Reagan 1982 in Berlin war, wurden 180 Polizeibeamte schwer verletzt, 100 Polizeifahrzeuge schwer beschädigt oder zerstört. Bei den Krefelder Krawallen gab es 43 verletzte Polizeibeamte. Eine unbeteiligte Passantin starb infolge ei-



Dr. Wittmann
nes Steinwurfs aus der gewalttätigen Menge heraus.

(Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

In den meisten Fällen wurden die Gewalttaten, deren Aufzählung sich noch fortführen ließe, in einer Weise begangen, daß die Taten aus der Menge heraus verübt wurden und nur ein geringer Prozentsatz der Straftäter überhaupt ermittelt und überführt werden konnte, weil sie durch eine umgebende Menge geschützt oder getarnt waren. Dabei hat die um die Gewalttäter herumstehende Menge die Gewalttaten nicht nur erkannt, sondern zum Teil gebilligt oder billigend in Kauf genommen. Ein solches Verhalten, das zugegebenermaßen vom geltenden Strafrecht nicht erfaßt ist

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: So ein Schmarren!)

— es handelt sich weder um Begünstigung noch um Strafvereitelung —, kann aber ein Rechtsstaat meines Erachtens nicht billigen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Vielleicht sind wir ein Unrechtsstaat!)

Die Organe des Rechtsstaates dürfen nicht passiv daran gehindert werden, Gewalttaten zu verhindern oder Gewalttäter zu überführen.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Gewalt wird nicht dadurch weniger, daß man vor ihr die Augen verschließt, sich ihr beugt

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!) oder sie ungeahndet läßt.


(Dr. de With [SPD]: Wer tut denn das?)

— Das tut man dann, wenn man Gewalttäter durch eine diese Gewalt billigend in Kauf nehmende Menge weiterhin schützen läßt.

(Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Kommt alles von der Engelhard-Höhe!)

Meine Damen und Herren, man kann nicht übersehen, daß die Gewalttäter es bei den unfriedlichen Demonstrationen und Auseinandersetzungen der letzten Jahre immer wieder verstanden haben, friedliche Demonstrationen für ihre Zwecke zu mißbrauchen, daß sie sich — in genauer Kenntnis der Tatbestandsvoraussetzungen des Landfriedensbruchs — so verhalten haben, daß eine Täterüberführung, eine Beweissicherung oder gar eine Festnahme nicht möglich war; eine geänderte Polizeitaktik nützt hier auch nichts.

(Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Sie müssen es j a wissen!)

Mit der Neuregelung wollen wir erreichen, daß rechtstreue Bürger erkennen, in welcher Lage sie sich befinden, nämlich in der Lage eines Schutzschildes für Gewalttäter, wenn sie an solchen Demonstrationen teilnehmen. Sie stehen noch diesseits der Gehilfentätigkeit, der Begünstigung oder der Strafvereitelung. Trotzdem liefern sie einen Tatbeitrag. Diese Lücke muß nach unserer Auffassung geschlossen werden. Wer bösgläubig am Ort des Geschehens bleibt, muß mit den Folgen seines
Tuns rechnen, nämlich sich strafbar zu machen, aber nicht strafbar wie der Gewalttäter selbst, wie Herr Vogel irrtümlich behauptet, sondern weit darunter. Es ist keine Kriminalisierung der Demonstranten im allgemeinen. Es geht nur darum, denjenigen ihr Tun vor Augen zu halten, die das Geschehen, die die Gewalttat in ihrer Kenntnis decken, sie billigend in Kauf nehmen.
Herr Vogel, Sie sprechen in diesem Zusammenhang von Zehntausenden von Verhaftungen, die da vorgenommen werden müßten, und davon, daß da nur wenige herausgegriffen werden. Wenn ich Ihrer Logik weiter folge, dann müßten wir dazu übergehen, keinen Dieb mehr dingfest zu machen, weil die Aufklärungsquote beim Diebstahl unter 50 % liegt. Das wäre die Konsequenz Ihrer Auffassung.

(Dr. Kübler [SPD]: Ist das schwach, ist das schwach! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nicht nur bei Gewaltdemonstrationen, sondern auch bei anderen Gelegenheiten werden in letzter Zeit immer mehr Schäden angerichtet, und zwar nicht nur Schäden an Leben und Gesundheit, sondern auch Schäden an Eigentum, die in die Millionen gehen. Meine Damen und Herren, diese Schäden werden zum Teil bei Menschen verursacht, die sich nicht mehr trauen, z. B. einen Strafantrag zu stellen. Wir begrüßen daher den Vorschlag des Bundesrates, die Strafverfolgung nach § 303 des Strafgesetzbuches nicht in allen Fällen von einem Strafantrag abhängig zu machen, sondern auch die Möglichkeit dafür zu schaffen, daß bestimmte Fälle von Sachbeschädigung, bei denen dies im öffentlichen Interesse liegt, als Offizialdelikt, ohne Strafantrag verfolgt werden. Meine Damen und Herren, allein bei Gewaltdemonstrationen in Berlin ist im Jahre 1982 ein Schaden von 40 Millionen DM entstanden, und zwar nicht nur an öffentlichem Eigentum, sondern auch an Privateigentum. Diese Art der Sachbeschädigung, die immer wieder erfolgt, und zwar nicht nur bei Gewaltdemonstrationen, sondern auch mutwillig durch Rockerbanden, ist auch eine Art von Wirtschaftskriminalität, die wir verfolgen müssen. Denn hier wird wertvollstes Vermögen unserer Bürger sinnlos und mutwillig vernichtet.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das macht Herr Flick doch mit links!)

Meine Damen und Herren, die geplanten Neuregelungen werden maßgeblich zur inneren Befriedung, zu mehr Demokratie und zur Stärkung unseres Rechtsbewußtseins führen.

(Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das ist doch zynisch! — Widerspruch bei den GRÜNEN)

Friedliche Demonstranten werden ihre Meinung künftig eher ohne Bedrohung und ohne Erpressung durch gewalttätige Störer kundtun können.

(Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Sie haben ein seltsames Demokratieverständnis!)

Die Neuregelung ist ein Kompromiß.

(Dr. de With [SPD]: Eine Mißgeburt!)




Dr. Wittmann
Wichtige Vorschläge der Union konnten nicht verwirklicht werden. Die Union bietet allen Gutwilligen, die diesen Gesetzentwurf beraten, an, daß wir uns im Rechtsausschuß über die eine oder andere Frage, auch über den einen oder anderen Vorschlag, der im Bundesrat zur Präzisierung der Bestimmungen gemacht wurde, noch unterhalten und das eine oder andere vielleicht noch verbessern. Noch nie wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, der so gut war, daß man ihn nicht noch besser machen könnte; wir bieten unsere Hand dazu an. Aber eines werden wir nicht zulassen: daß weiterhin auf unseren Straßen die Demonstrationen durch Gewalttäter mißbraucht werden und der friedliche Demonstrant überhaupt nicht mehr zum Zuge kommt, seine Meinung zu äußern.

(Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Friedhofsruhe!)

Allé diejenigen, die jetzt jegliche Neuregelung ablehnen, sollten sich bewußt sein, daß sie für den Fall des Scheiterns Verantwortung auf sich nehmen. Es ist nicht auszuschließen, daß wir dann, wie es Krefeld gezeigt hat, den Zuständen auf unseren Straßen mehr oder weniger wehrlos zusehen müssen.
Meine Damen und Herren, parteitaktische Spielereien zum Nachteil des inneren Friedens und der Rechtsordnung wird die Union nicht mittragen. Wir werden eines tun: Regelungen schaffen, die die Demonstrationsfreiheit der friedliebenden Bürger, derjenigen, die zu einer politischen Entwicklung oder zu was auch immer ihre Meinung sagen wollen durch eine Demonstration, schützen, damit diese Demonstrationen nicht mißbraucht werden können von Krawallmachern, Gewalttätern und Leuten, denen es nur um die Anwendung ihrer brutalen Energie geht.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Eine ZombieRede!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005704400
Das Wort hat der Abgeordnete Fischer (Frankfurt).

Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1005704500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu den eigentlichen Tagesordnungspunkten hier spreche, auf eine Gerichtsentscheidung zurückkommen, welche zwar nicht unmittelbar mit der Sache hier zu tun hat, wohl aber mit den dafür zuständigen Ministern, den Herren Engelhard und Zimmermann.
Letzte Woche entschied die 19. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichtes abschließend mit einer Kostenentscheidung den Fall Kemal Altun. Die Kammer kam dabei zu dem Schluß, daß — ich zitiere —
unbeschadet des Umstandes, daß noch viele Punkte aufklärungsbedürftig waren, die Kammer sich bereits bei der Beweislage zum Zeitpunkt des Todes für die Bestätigung der Asylgewährung ausgesprochen hätte.
Das Verwaltungsgericht weist darauf hin, daß wegen des Altun gemachten Vorwurfs bereits jemand anders in der Türkei verurteilt worden war. Es bestätigt Manipulationen seitens der türkischen Strafverfolgungsbehörden bei der Datierung des Haftbefehls und mittels Nachbesserungen des Tatvorwurfs und kommt insgesamt zu der Überzeugung, daß der türkische Staat strafrechtliche Motive vorgeschoben habe, um eines politischen Gegners habhaft zu werden.
Diese Tatsachen waren bereits bekannt, als das Kammergericht Berlin die Rechtmäßigkeit des türkischen Auslieferungsbegehrens zustimmend entschied. Diese Tatsachen waren ebenso den Herren Zimmermann und Engelhard bekannt, als sie ihre verhängnisvollen Briefe abfaßten, um die sofortige Auslieferung Altuns zu betreiben. Weitaus schlimmer noch: Gerade wegen der vom Berliner Verwaltungsgericht nunmehr bestätigten Asylgründe wollten diese beiden Minister, verantwortlich für die Verfassung und das Recht, die sofortige Auslieferung Kemal Altuns an das türkische Militärregime bewerkstelligen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

Kemal Altun ist tot. Herr Engelhard und Herr Zimmermann sind weiter Minister.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/ CSU])

Wo das Recht in diesem Falle bleibt, wagt man kaum noch zu fragen. Von Gerechtigkeit, Herr Engelhard, redet hier eh niemand mehr.
In der Verantwortlichkeit dieser beiden Minister — jenes Duo infernale der Regierung Kohl — liegt nun auch ein sorgsam geschnürtes Gesetzespaket zur sogenannten inneren Sicherheit, angereichert noch mit einem Gesetzentwurf zur Verfeinerung der Kontaktsperre. Man hat von seiten der SPD dazu wenig gehört. Handelte es sich bei dem bisherigen Gesetz zur Kontaktsperre von Gefangenen bereits um ein schlimmes Sondergesetz, welches entscheidenden rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn spricht, um ein rechtsstaatliches Monstrum also, welches man mit Fug und Recht ein Notstandsgesetz nennen darf, so ist der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung der untaugliche Versuch, dieses Notstandsgesetz rechtsstaatlich aufzumotzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da soll also in Zukunft auf Antrag des kontaktgesperrten, d. h. völlig isolierten und jeder freien Verteidigung beraubten Gefangenen der Präsident des jeweils zuständigen Landgerichts einen Anwalt seines und nicht etwa des Gefangenen Vertrauens benennen. Dieser Vertrauensanwalt des Landgerichtspräsidenten darf sich dann anwaltlich um den Gefangenen kümmern, allerdings unter peinlicher Beachtung der bei Terrorismusverdächtigen üblichen Sicherheitskautelen wie Trennscheibe und ähnliche Monstrositäten des herrschenden Sicherheitswahns. Art. 1 (§ 34 a Abs. 5) des Gesetzentwurfs weist ausdrücklich darauf hin.



Fischer (Frankfurt)

Ebenso verbleibt dem Landgerichtspräsidenten die jederzeitige Abberufung seines Vertrauensanwaltes wegen — so wörtlich — Schlecht- oder Nichterfüllung seines Auftrags. — Im Klartext heißt dies: „Funktioniert" die Kontaktperson nicht im Sinne der Justiz und der Verfolgungsbehörden, so ist sie jederzeit zu entfernen.
Liest man die vorliegende Drucksache, vor allem die Stellungnahme des Bundesrates, so scheint man dort bei dem Gedanken, daß selbst ein zum bloßen Werkzeug des Staates degradierter Anwalt sich mit einem kontaktgesperrten Gefangenen unterhalten kann, nachgerade in Panik zu verfallen. Fürwahr, die bundesdeutsche Anwaltschaft kann einem bei so viel staatlichem Mißtrauen und bei so vielen Ängsten leid tun. Mit rechtsstaatlichen Verfahren hat dies allerdings nichts mehr zu tun.

(Zuruf von der CDU/CSU: Absoluter Quatsch!)

Wir GRÜNEN halten es für dringend notwendig, die damals mit exekutiv-legislativen Kurzschlüssen fabrizierten Antiterrorgesetze insgesamt einer gründlichen Revision zu unterziehen, d. h. zu streichen. Denn sie sind nicht Ausdruck demokratischer Rechtsstaatlichkeit, sondern Ergebnis staatlicher Panik und Brutalität.
Daß diese neudeutsche Liberalisierung eines Sondergesetzes mit der Wiedereinführung des altwilhelminischen Landfriedensbruchs sowie mit der Erhebung der Sachbeschädigung in den Stand eines Offizialdelikts, sofern nur Demonstranten daran beteiligt sind, einhergeht, zeigt nicht nur die politische Absicht, Terrorismus und Demonstrationen psychologisch zu verknüpfen, sondern dies weist auch auf die Qualität des gewendeten Liberalismus der FDP hin. Man erkennt hier den sinistren Kuhhandel einer Koalitionsabsprache, welcher die liberalen Grundsätze von gestern in den Orkus wirft, sofern dies der Machterhalt von heute erforderlich macht. Zudem, welch ein Handel! Das verdorrte Feigenblatt namens Kontaktperson gegen den obrigkeitsstaatlichen Kahlschlag namens Landfriedensbruch.
Der CDU/CSU war die teilweise Abschaffung des Landfriedensbruchstatbestandes von Anfang an ein Dorn im Auge.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Seit dessen teilweiser Streichung im Jahre 1970 versuchten die Unionschristen insgesamt sechsmal, den § 125 des Strafgesetzbuches wieder in die alte Fassung zu bringen. Für diese obrigkeitsseligen Stammtischpolitiker — Herr Miltner, Sie sind ein herausragendes Beispiel — hatte die Beseitigung des einfachen Landfriedensbruchs offensichtlich allerhöchsten ideologischen Stellenwert. Was immer es da an politischen Auseinandersetzungen und sozialer Unruhe geben mochte: Die Christenunion forderte monoton die Verschärfung des § 125 StGB. Vor nicht allzu langer Zeit hat es Ihr Parteifreund Friedrich Zimmermann, der Polizeiminister, in brutaler Plattheit wie folgt formuliert — ich zitiere —:
Wenn der örtliche Polizeieinsatzleiter sagt: Bitte entfernen Sie sich, und er entfernt sich nicht, dann ist er schon kein normaler Bürger.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Hört! Hört!)

Der Mann ist zugleich unser Verfassungsminister, und was Wunder, wenn der nunmehr regierende Stammtisch in Bonn dieses autoritäre Herzensanliegen in die Tat umsetzen will! Die Beihilfe eines bis zur Unkenntlichkeit gebrochenen Liberalismus ist ihm dabei gewiß. Nun packt der Minister seine Vorurteile und manch hintersinnige Absicht, von welcher er offen nicht spricht, in scheinbar rationale Argumente, auch wenn es sich dabei meistens um die Rationalität von Polizei und Justiz handelt.
Zwar gesteht auch der Gesetzentwurf in seiner Begründung gleich zu Beginn zu, daß Demonstrationen weit überwiegend friedlich verlaufen, aber andererseits würden die friedlichen Demonstranten von den sogenannten Gewalttätern als Schutz für ihr böses Tun verwendet, dies auch noch ohne größeres Risiko, so daß es — ich zitiere — „zum Schutz der Gemeinschaft und der einzelnen Bürger unerläßlich (ist), dem geltenden, weitgehend wirkungslosen Tatbestand des Landfriedensbruchs seine den öffentlichen Frieden sichernde Funktion wiederzugeben". So heißt es in der hier zu debattierenden Vorlage.
In unserem Grundgesetz findet sich jener schöne Art. 8 Abs. 1, der jedem und jeder Deutschen das Recht zur friedlichen Versammlung unter freiem Himmel garantiert. Aber, so schließen messerscharf die Autoren des vorliegenden Entwurfs: „Dagegen können sich diejenigen, die Gewalttätigkeiten fördern, nicht auf diese Grundrechte berufen"; das war ein wörtliches Zitat.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Das ist auch richtig!)

Daß nach den vorliegenden Gesetzestexten bester preußischer Bütteltradition fortan jeder, der dieses Grundrecht friedlich in Anspruch nimmt, im Falle von Randale sofort zu verschwinden hat, ansonsten er dieses Grundrecht — frei nach dem Hause Zimmermann und Engelhard — verwirkt hat, weil er durch dessen Wahrnehmung, durch die Wahrnehmung eines Grundrechts, j a möglicherweise Gewalttätigkeiten fördert und sich daher strafbar macht, ohne allerdings wirklich etwas gemacht zu haben, das lehrt, wie man politische Grundrechte bis zur Unkenntlichkeit aushöhlen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So wird aus einem Grundrecht unversehens die altdeutsche Grundpflicht, den Anweisungen der Obrigkeit wort- und widerstandslos Folge zu leisten. „Gesetzestreuer Bürger" nennt Friedrich Zimmermann solche Art Kadavergehorsam.
Da man nun aber nicht die Absicht hat, gemäß dem Legalitätsprinzip ganze Großdemonstrationen in Fußballstadien zu verfrachten, um sie dort polizeilich verarbeiten zu können — was würde das Ausland schließlich dazu sagen? —, so greift man mit Hilfe der von leisen Skrupeln geplagten Libera-



Fischer (Frankfurt)

len auf die mathematischen Ergebnisse der ansonsten so verpönten „Konfliktpädagogik" zurück. Die Mengenlehre feiert in dem vorliegenden Gesetzentwurf fröhliche Urständ. Teilmenge und Gesamtmenge werden hier bemüht, um Grundrechtsbesitzer und Grundrechtsverlorene

(Heiterkeit bei den GRÜNEN) voneinander zu scheiden.


(Dr. Jannsen [GRÜNE]: In der Schule wird die Mengenlehre gestrichen!)

Zudem gibt es professionell begründete Aufenthaltsrechte im Wirkungsbereich des Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes, für die Journalisten etwa, und es taucht das Negativ des Aufwieglers auf: der Abwiegler.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Allerdings trägt der schwer an der Umkehrung der Beweispflicht. Ein Abwiegler muß über seine staatstragende Tätigkeit Nachweis führen können.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Sonst geht er leicht als Aufwiegler mit allen fatalen Folgen durch. Man stelle sich die Dinge einmal praktisch vor,

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Alles Unsinn, was Sie verlesen!)

auch wenn dies nicht gerade die Stärke, Herr Olderog, des Hohen Hauses und unseres werten Innenausschusses ist.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Lesen Sie den Entwurf doch einmal durch!)

— Hören Sie doch einmal zu!

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Das kann der doch nicht verstehen! — Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Olderog [CDU/CSU])

— Am besten gehen wir zusammen einmal auf eine Demo. Sie wiegeln ab, ich wiegle auf. Mal sehen, wer von uns beiden dabei erwischt wird. Dann wollen wir sehen, wer von uns beiden nach Ihrem Gesetz wie verurteilt wird.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Abwiegler nimmt einem Aufwiegler einen Stein oder einen Holzprügel ab, da er weiter im Geltungsbereich von Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes demonstrieren und nicht nach Hause geschickt werden will. In diesem Moment greifen die Träger von Hoheitsbefugnissen zu, d. h. die Polizei. Es ist wohl nicht zuviel gewagt, wenn man animmt, daß dieser Abwiegler nie wieder abwiegeln wird, nachdem er seine Strafe als Aufwiegler hinter sich gebracht hat.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Überhaupt: Die Praxis ist die Stärke dieses Gesetzentwurfs. Die kommenden Verhältnisse galten ja bereits ein Jahrhundert lang: von 1871 bis 1970. Ich selbst lernte die Wahrnehmung des Art. 8 noch unter der wilhelminischen Landfriedensbruchdrohung. Abgehalten hat das keinen und niemanden, weder vom gewaltfreien noch vom gewaltsamen Demonstrieren.

(Zuruf des Abg. Broll [CDU/CSU] — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ein Geständnis!)

Und glauben Sie mir: Wenn man es auf Randale anlegt, dann spielt die zusätzliche Strafandrohung für friedliche Demonstranten überhaupt keine Rolle. Erwischen werden Sie eh nur die Friedfertigen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Nein, es handelt sich hier um ein vorgeschobenes Argument. Es geht dem Polizeiminister und Herrn Engelhard, dem Justizminister, allein um die innere Abschreckung. Denkt man deren Logik einmal zu Ende, so stößt man — entschuldigen Sie, Herr Engelmann, wenn ich Sie hier nicht wirklich als Gegner annehme;

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

— Engelmann? Engelhard! Die Freudsche Fehlleistung zeigt schon, daß ich eigentlich mit Herrn Zimmermann hier zu streiten habe; Sie werden hier gewissermaßen nur vorgeschickt — auf Friedrich Zimmerhards repressiven Dreisatz, der da heißt: Kriminalisieren, erfassen, verbieten.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Jede mißliebige Protestbewegung, jede rebellische Minderheit unterliegt fortan einer simplen Kriminalisierungsdrohung. Will man sie weghaben, so greift man zum Rezept Krefeld. Mittels eingeschleuster V-Leute wie dem Berliner Verfassungsschutzmann Peter Troeber in Krefeld lassen sich jederzeit friedliche Demonstrationen umfunktionieren und damit kriminalisieren. Da muß nur einer an der richtigen Stelle auf höheres Geheiß loslegen, und schon hagelt es Festnahmen und Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs. Oder man verfährt wie bei der Massenverhaftung der Jugendlichen aus dem KOMM in Nürnberg. Dann greift die Erfassung, die mittels der elektronischen Personenüberwachungs- und Erfassungssysteme durch den neuen, maschinenlesbaren Personalausweis etwa und durch die Wiedergeburt eines alten massenhaften Verdachtsmoments wesentlich perfektioniert und ausgeweitet wird. Die Wiedereinführung des Landfriedensbruchs wird jenes wunderbare elektronische Netz erst so richtig rechtfertigen.
Dies alles bliebe jedoch unvollständig, machte so recht keinen Sinn ohne das abschließende Verbieten und Unterdrücken. Man darf heute schon davon ausgehen, daß all die vielen Urteile und Verdachtsdaten schließlich in eine neue Welle direkter oder indirekter Berufsverbote münden werden,

(Beifall der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

diesmal jedoch nicht mehr vor allem auf den öffentlichen Sektor beschränkt.
Ich vermute aber, daß diese Rechnung nicht ganz aufgehen wird, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese Politik mehr Widerstand hervorrufen wird, als sie zu unterdrücken vermag. Da hilft kein noch so autoritäres Drohen. Solange die herrschende Politik nur allzuoft die Ursache von Gewalt



Fischer (Frankfurt)

ist, weil sie Unrecht schafft oder erhält, so lange wird sie auf Widerstand stoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den halten wir GRÜNE allemal für richtiger und wichtiger als Ihre gesamte staatliche Unterdrükkungsklaviatur. Es ist ein alter reaktionärer Köhlerglaube hier in Deutschland, daß Sie Freiheit und Demokratie durch die Zimmermannsche Gesetzestreue und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, und sei sie auch demokratisch legitimiert, erhalten und durchsetzen würden.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Das hat er selbst nicht verstanden, was er jetzt vorgetragen hat!)

Freiheit und Demokratie sind an die Volkssouveränität gebunden. Diese äußert sich nicht nur in freien Wahlen, der Pressefreiheit und anderen verfassungsmäßigen Grundrechten, sondern wesentlich auch in der Demonstrationsfreiheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf Befehl von oben war hier in Deutschland so ziemlich alles erlaubt. Hauptsache, man tut seine Pflicht, wie es auch der Bundeskanzler heute so gerne wieder vollmundig von sich gibt. Aber wehe, man muckt gegen Befehle auf. „Gewalt!", so dröhnt es sofort und unisono, wenn irgendwo eine Scheibe kracht. Gewalt beklagt man auf den Straßen und in den Fußballstadien. Aber wenn zur selben Zeit die gesamte Creme der westdeutschen Politik und Industrie in den Geruch von Käuflichkeit und Verfassungsbruch gerät und dabei so tut, als wäre nichts gewesen — wie im Flick-Skandal und bei der Parteienfinanzierung —, wenn hemmungslos das soziale Netz zurückgeschnitten und eine ganze Generation arbeitsloser Jugendlicher aufgegeben wird, wenn Großprojekte gegen den Widerstand ganzer Regionen durchgeknüppelt werden und wenn die offizielle Politik die Androhung des gegenseitigen atomaren Massenmords als die schönste Friedenstat verkauft, so ist das wohlgetan.

(Bohl [CDU/CSU]: Wieviel Prozent haben Sie bei der Bundestagswahl bekommen?)

Dann wundern Sie sich noch, wenn es kracht, und schreien nach mehr Polizei. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung sehen Sie immer dann in Gefahr, wenn Ihnen die fatalen Folgen Ihrer eigenen Politik entgegenfliegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anstatt sich hinter den Gesetzen aus den Zeiten von Bismarcks Sozialistenhatz zu verschanzen, sollten Sie daher lieber einmal in den Spiegel schauen. Vielleicht dämmert Ihnen dann einiges über die wirklichen Gefahren für Freiheit und Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie schwätzen hier immer viel und gerne vom Risiko der Freiheit, soweit es um die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos von oben nach unten geht. Äußert sich der Souverän in seinen Teilmengen einmal etwas direkter und nicht nur bei Wahlen, dann wollen Sie vom Risiko der Freiheit nichts mehr wissen und schreien nach dem Büttel.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau so! Richtig!)

Die Volkssouveränität wurde gewaltsam auf der Barrikade erkämpft, wenn auch nicht in Deutschland. Dies war keine einmalige Tat, deren man fortan bei Verfassungsfeiern in getragenem Moll zu gedenken hat, sondern sie gilt es beständig und vor allem in jeder Generation durch eigene Erfahrung zu erneuern.

(Beifall der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Demokratie und Volkssouveränität gibt es halt nicht nur am Wahltag, sie leben in der Gewaltenteilung, in der Wahl-, der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit.
Diese Regierung der Rechten sehnt sich nach einer anderen Republik, nach mehr autoritärem Staat. Diese Sehnsüchte finden bereits ihren deprimierenden Niederschlag in der Wirklichkeit. Ausländer werden zu unerwünschten Personen erklärt und mit haarsträubenden Erlassen und Gesetzen vertrieben, Asylbewerber mit unmenschlichen Bedingungen und einer radikalen Abschiebepraxis abgeschreckt. Verzweiflung bis zum Tode nimmt man dabei in Kauf.
Die Filmförderung wird zum Mittel staatlicher Zensur. Die Reform des § 218 versucht man über den Umweg der Krankenversicherung zu unterlaufen. Nummehr geht es an die Wiedereinführung des alten Landfriedensbruchs.
Ferner plant man neue Distanzwaffen für die Polizei, von einer weiteren Perfektionierung der elektronischen Überwachung und Kontrolle ganz zu schweigen.
Bei Ihnen folgt eine innerstaatliche Feinderklärung auf die nächste. Sie wollen eine Republik, in der Ruhe wieder die erste Bürgerpflicht zu sein hat; ansonsten gibt es etwas auf die Köpfe.
Wir aber meinen, daß statt dessen Unruhe als oberste Tugend angesagt ist. Wir GRÜNE halten den § 125 des Strafgesetzbuches nicht für erweiterungs-, sondern für streichungsbedürftig; denn er bestraft kein konkretes Vergehen, sondern eine politische Handlung, die zudem grundgesetzlich geschützt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN — Broll [CDU/ CSU]: Steinewerfer!)

— Erzählen Sie doch nichts von Steinewerfern. Sie haben doch noch nie aus der Nähe gesehen, wie so etwas vor sich geht; erzählen Sie doch nichts!

(Broll [CDU/CSU]: Sie viel mehr!)

Der Landfriedensbruchparagraph ist also eine demokratische Unmöglichkeit, ein Relikt aus der Zeit des wilhelminischen Obrigkeitsstaates — da passen Sie ganz gut hin, verehrter Herr Kollege, genauso wie unser mit seinen Fouché-Komplexen



Fischer (Frankfurt)

beladener Innenminister, auf den Sie ja so stehen, dem Sie in jeder Rede dreimal danken.

(Heiterkeit der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Für uns ist nicht mehr Folgsamkeit gegenüber den Anordnungen der Obrigkeit angesagt, sondern mehr aufrechter Gang für die eigenen Überzeugungen und vor allem die unveräußerlichen politischen Grundrechte.
Lassen Sie mich dazu ein kleines Beispiel aus jener Zeit zitieren, in welche auch der Landfriedensbruch des Herrn Zimmermann so recht hineingepaßt hat.
Als 1850 einer der Schlächter der ungarischen Revolution, der General Haynau, sich auf Besuch ins liberale London wagte und dort auch noch eine Brauerei sich zu besichtigen erfrechte, da packten ihn die politisch sehr genau orientierten Arbeiter bei seinem mächtigen Schnurrbart, hauten ihm den Buckel voll und warfen ihn in eine Kloake.
Einen Protest aus Wien tat der Außenminister Lord Palmerston damit ab, indem er antwortete, ein Herr Haynau solle sich vorher überlegen, ob er bei der weltbekannten Unbotmäßigkeit der Londoner Massen sich ausgerechnet diese Metropole als Besuchsort aussuchen müsse.
So zupackend, so direkt kann die Volkssouveränität gegenüber der Obrigkeit bisweilen sein. Wer den inneren Frieden will, der darf nicht Unbotmäßigkeit unter Strafe stellen, sondern muß deren Ursache beseitigen. Daß es dabei manchmal etwas fetzt, ja fetzen muß, gehört zum Risiko der Freiheit für alle Beteiligten.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005704600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert (Hannover).

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID1005704700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Fraktionsführer der Sozialdemokraten hätte beinahe unsere Sorgen, die wir bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes tatsächlich schon seit längerem — nicht erst seit heute — haben, noch wesentlich schwerer und drückender gemacht mit einer Reihe von Vorwürfen und Bedenken, die wir uns auch vorgelegt haben. Diese Wirkung ist nur deshalb nicht so voll gediehen und zu einem niederdrückenden Ergebnis geworden, weil die Art, wie das Vorhaben im übrigen gewürdigt worden ist, von so schlichter Einfachheit in der Auswahl all dessen war, was an diesem Gesetz vielleicht negativ sein könnte,

(Zuruf von der SPD: Also doch!)

und die Überlegungen, die für ein solches Gesetzesvorhaben sprechen — die sehr wohl schon seit langem angestellt worden sind, auch von Sozialdemokraten —, so vollkommen unterdrückt worden sind, daß wir angesichts dieser Einseitigkeit sowohl in
der Betrachtung der gesetzlichen Regelung wie auch ihrer tatsächlichen Voraussetzungen dann doch nicht so beschämt dagestanden haben, wie es in der Absicht dieses Beitrages gelegen haben mag.

(Dr. de With [SPD]: Aber doch beschämt!)

Tatsache ist nämlich, daß es uns in dieser Situation sehr schwerfällt — mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß die Liberalen immer versucht haben, sich in diesen Fragen besonders hervorzutun —, zu übersehen, wie wir das Richtige tun können. Bei dieser Ausgangslage muß man sich aber erst einmal bemühen, sich möglichst objektiv und unter Abwägung allen Für und Widers mit dem Sachverhalt zu befassen, statt sich auf Grund der bequemen vorgefaßten Meinung auf die eine oder andere Seite zu schlagen und vereinfachend zu sagen: So muß es eben sein! oder: So geht es nie, und damit ist dann Schluß. Denn die Dinge sind doch erheblich komplizierter, als sie hier dargestellt worden sind.
Der Bürger, den Heinrich Heine gemeint hat — auch Herr Vogel hat das zum Schluß hinzugefügt —, ist nun allerdings seit vielen Jahrzehnten nicht mehr vorhanden. Vielmehr haben wir es mit etwas anderen Bürgern zu tun. Natürlich — da wird die Sache nun wirklich unerfreulich — sind alle im Hause dafür ich hoffe, alle —, daß das Grundrecht des Art. 8, sich unter freiem Himmel zu versammeln, von jedermann wahrgenommen werden kann — so frei wie irgend möglich —, daß alle Formen der Beteiligung der Bürger an dem demokratischen Prozeß — dazu gehört sehr wohl die Demonstration — ermöglicht werden müssen, das dann aber möglichst auch ungestört.
Wir haben ja wohl in der Vergangenheit einige Typen von Demonstrationen auseinanderzuhalten gelernt.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es gibt die Darstellung besorgter Bürger, die sich wegen ihrer Meinung zu einer Einzelfrage zusammentun, um öffentlich ihre Bedenken deutlich zu machen. Wenn das wirksam sein soll, dann muß eine solche Demonstration auch friedlich verlaufen. Sonst wird nämlich bis hin zu den Medien ausschließlich der unfriedliche Teil dieser Veranstaltung von der Öffentlichkeit beachtet, und das eigentliche Anliegen geht vollkommen unter. Wenn ein solcher Demonstrationsverlauf von einzelnen gewollt sein sollte, dann sagen sie damit gleichzeitig, daß sie tatsächlich das Demonstrationsrecht auf das schändlichste mißbrauchen wollen,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

um in der entstehenden Verwirrung eine Fülle von Irrlehren, die hier in aller Kürze eben wieder skizziert worden sind, in Gehirne hineinzubringen, die durch Aktion verdüstert, statt durch Nachdenken geprägt sind.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Sie haben außer der darstellenden Demonstration politischer Meinungen noch die Profilierungsdemonstration. Dazu gehören möglichst viele pro-



Kleinert (Hannover)

minente Teilnehmer, die sich an fernsehwirksamer Stelle niedersetzen, um sich dann wegtragen zu lassen. Dazu ist übrigens die Mitwirkung des Fernsehens unerläßlich. Anderenfalls würde die Sache sofort aufhören, weil dann die Profilierung, die wesentlicher Zweck dieser Art von Demonstration ist, nicht stattfinden kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

Dann gibt es auch noch — deshalb benutzte ich gern, was Sie hier so an Anschauungsmaterial liefern — die Solidarisierungsdemonstration, bei der es darum geht, die Leute, die man aus einem angeblich sachlichen Anlaß zusammengebracht hat, durch ein Gemeinschaftserlebnis so miteinander zu verbinden, daß man sie hinterher zu anderen politischen Zwecken mißbrauchen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Diese Solidarisierungsdemonstration wird in ihrem Verlauf und in der Erreichung ihres Zwecks sehr gefördert, wenn sie unfriedlich verläuft, wenn schließlich auch ein polizeilicher Einsatz erforderlich ist und man dann das hat, worüber sie bei anderen — übrigens: zu Recht — sehr abfällig urteilen würden, nämlich das, was frühere Generationen als gemeinsame Kriegserinnerungen in verbindender Männerfreundschaft mit sich getragen haben. Das hat man dann als Demonstrationserinnerung aus dem Einsatz an der Starbahn West oder bei ähnlichen Gelegenheiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Mit diesem Vehikel werden dann die unsinnigsten Ideen einiger weniger Anführer und Verführer weitertransportiert.
Wenn man sich einmal klarmacht, was da im einzelnen an sehr unterschiedlichen Demonstrationen vonstatten geht, dann weiß man auch, wie schwer es ist, der großen Masse derjenigen Bürger, denen wir dieses Demonstrationsrecht frei erhalten wollen, zu ihrem Recht gegen diejenigen zu verhelfen, die bei dieser Gelegenheit andere Ziele verfolgen, und zwar über die vorhin hier so nett angesprochene Randale hinaus.
Darüber kann man nun von Fachleuten sehr Unterschiedliches hören. Jeder, der sich eine rechtspolitische Meinung als Vorurteil bereits gebildet hat, hat seinen Polizeipräsidenten oder Gewerkschaftsvorsitzenden zur Hand, der eben diese Meinung aus den Erfahrungen der Praxis im Brustton der Überzeugung bestätigt. Für eine wirklich sinnvolle Auseinandersetzung über das Thema ist dieses Verfahren nicht geeignet. Wir glauben vielmehr, daß diejenigen, die fachlich sowohl von der praktischen als auch von der rechtswissenschaftlichen Seite her etwas dazu zu sagen haben, ihre Unterhaltung in aller Ruhe miteinander in Gegenwart derjenigen führen, die zum Schluß die Last der Entscheidung tragen müssen. Vielleicht kommt man dann dazu zu sagen: Mehrheitlich kann man der Meinung sein, daß dieser oder jener Weg der richtige ist.
Es ist eben nicht so, wie Herr Vogel es vorhin dargestellt hat, daß hier eine Entscheidung von geradezu epochaler Bedeutung für diesen Rechtsstaat fällt, sondern wir reden über unterschiedliche Auffassungen über das geltende Recht, das alles das, was nach der Änderung möglich sein soll, heute schon ermöglicht.
Es ist nämlich über das Versammlungsgesetz und die Bedrohung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld all das heute schon durchaus mit einer Sühne bewehrt, was in Zukunft auch bewehrt sein soll, dann allerdings als Straftat. Dieser Unterschied ist mir bewußt. Ich erwähnte dies hier, weil es sich immer noch um einen graduellen Unterschied und nicht um eine Umkehr aller Werte handelt. Das gilt um so mehr, weil es eben nicht richtig ist, daß man auf das Recht, das bis 1970 gegolten hat, zurückgehen will. Man will dieses Recht vielmehr nur zu einem sehr geringen Teil und mit einer Reihe von Abmilderungen, die zugegebenermaßen übrigens auch zu rechtstechnischen Komplikationen führen, was ich gar nicht verkennen will, einführen, also nur in Anklängen an früheres Recht. Da hilft keine Panikmache. Dies ergibt einfach der Blick auf den Gesetzestext und insbesondere der Vergleich mit dem hier zitierten früheren Gesetzestext.
Es ist ja auch gut, zu hören, daß die Sozialdemokraten der Hort liberaler Rechtsauffassungen sind und daß das alles bei uns schlecht aufgehoben ist. Am ehesten gehört in diesen Zusammenhang noch die langjährige Diskussion über die Verteidigerüberwachung. Das war eine Sache, bei der wir nun wirklich lange Zeit ganz alleine gekämpft haben gegen sozialdemokratische Justizminister in der damaligen Koalition, gegen breite Strömungen auch und gerade in der Sozialdemokratie, die aus den Ländern kamen,

(Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

bis wir uns schließlich — Herr Emmerlich, und zwar die Rechtspolitiker viel eher als die Innenpolitiker — darauf verständigt haben, einen anderen Weg zu gehen, der uns diesen allerdings sehr dramatischen Eingriff in unser strafprozessuales Verfahren erspart hat. Da waren wir wirklich die ersten, und da waren etliche Sozialdemokraten auf der anderen Seite.

(Beifall bei der SPD — Dr. Emmerlich [SPD]: Das ist mindestens Geschichtsklitterung!)

Genauso kann ich an eine Reihe von Eingriffen erinnern, die im bequemen Interesse der Verfahrensbeschleunigung sowohl im Strafprozeß wie im Zivilprozeß geplant waren, die an unserem Widerstand gescheitert sind.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben versucht, dafür zu sorgen, daß die Rechte der Verfahrensbeteiligten erheblich stärker weiterhin berücksichtigt bleiben, als das in solchen Vereinfachungsvorhaben vorgesehen war.
Eine Sache, die — zugegeben — nicht unmittelbar in den Zusammenhang gehört, die aber meiner persönlichen Einschätzung nach demnächst auch



Kleinert (Hannover)

einmal beim Bundesverfassungsgericht kippen wird, ist das Künstlersozialversicherungsgesetz. Das war ein Opfer, das wir nach langem hinhaltenden Widerstand auf den Altar der vergangenen Koalition gebracht haben. Bei diesem Gesetz ist eine Fülle von Rechtsfehlern eingearbeitet worden, die vermutlich auch zu seinem Scheitern führen werden.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist ein anderes Thema!)

Wir können darauf eingehen oder wir können uns besinnen auf die Unterhaltung zum G-10-Gesetz über die Mitteilung über die Telefonüberwachung an die Betroffenen und die daraus etwa zu ziehenden Folgerungen. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, daß hier mit Schwarzweißmalerei und der Einteilung der vertretenen Fraktionen und Parteien in die Guten und die Bösen überhaupt nichts zu gewinnen ist,

(Beifall bei der FDP)

sondern daß unter Sachzwängen leider alle immer einmal einen Fehler gemacht haben und schließlich auch einen Koalitionskompromiß eingegangen sind, bei dem jeder etwas nachgeben mußte, auch wenn ihm das schwerfiel. Mit einem solchen Fall werden wir es hier schließlich auch wieder zu tun haben. Um so mehr nehmen wir das dankbar auf, was Herr Wittmann vorhin über die Offenheit gesagt hat, mit der das, was hier noch an rechtlicher Problematik vorhanden ist, in den Ausschußberatungen zu prüfen ist. Wir werden uns die Meinung derjenigen, die etwas dazu sagen können, in Ruhe und unvoreingenommen anhören, um danach schließlich zu einer in jedem Fall schweren Entscheidung zu kommen, die aber mit Sicherheit keineswegs — weder so noch so — den Untergang des Rechtsstaats bedeuten wird, sondern eine nach Lage der Dinge dann eben unumgängliche politische Entscheidung sein wird, und zwar zur Erhaltung und Verteidigung des Demonstrationsrechtes und keineswegs als Angriff darauf. Letzteres wäre eine Behauptung, die nur geeignet ist, künftige Beratungen zu belasten, aber nicht etwa zu fördern.
Um einmal auf den Typ von Demonstranten, mit dem man es u. a. auch zu tun hat, ein Licht zu werfen: Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie wir, um über Fragen des Demonstrationsstrafrechts und seiner etwaigen Neugestaltung zu sprechen, in die Evangelische Akademie Loccum gekommen sind — ausgerechnet —, der Kollege Axel Wernitz und ich. Wir trafen uns da und wurden umringt von vermummten Demonstranten. Es herrschte ein großer Aufruhr in der gesamten Evangelischen Akademie. Der Leiter erklärte uns betrübt, die vorgesehene Podiumsdiskussion, zu der alle Bevölkerungsgruppen und alle interessierten Kreise eingeladen waren, besonders die, denen das Demonstrieren ihrer Ansicht nach besonders am Herzen liegt, könne leider wegen der Demonstration nicht stattfinden.

(Dr. de With [SPD]: Wäre das nach neuem Recht anders?)

Es wurde uns dann vom Veranstaltungsleiter angesonnen, wir könnten ja schon einmal anfangen,
denn die Demonstration richte sich in erster Linie gegen den Innensenator von Berlin, Herrn Lummer, der inzwischen in einer Personalkantine im Keller untergebracht war, damit er etwas sicherer sein konnte.

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD] und weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Herr Fraktionsvorsitzender, der Kollege Wernitz hat dann gesagt, daß es für ihn überhaupt nicht in Frage käme, die Diskussion ohne die Beteiligung aller, die an ihr teilnehmen sollten, zu beginnen;

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

deshalb würden wir uns zunächst einmal in diesen Keller begeben, um abzuwarten,

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

ob es der Leitung dieser Anstalt gelingt, ein Diskussionsklima wiederherzustellen, das die Besprechung des Demonstrationsrechts ermöglicht.
Beim nächstenmal habe ich unfeinerweise den Kollegen Hirsch gebeten, eine Diskussion zu einem vergleichbaren Thema in Loccum zu besuchen. Da ist er von den Demonstranten erst gar nicht hereingelassen worden.

(Heiterkeit bei der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005704800
Herr Abgeordneter Kleinert, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich darf Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID1005704900
Herr Präsident, ich komme unmittelbar zum Ende.
Wer so seine Diskussionsbereitschaft in der Sache — speziell bei diesem Thema — zeigt, der sollte nicht hergehen und uns, wenn wir ernsthafte Erwägungen anstellen, den Vorwurf machen, wir hätten vielleicht etwas gegen die Möglichkeit einer jederzeit freien und ungehinderten Aussprache, während er selbst zu denen gehört, die sie verhindern, wo sie es nur können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Prost, Herr Kleinert!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005705000
Das Wort hat der Herr Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Schnoor.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005705100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Folgen der von der Bundesregierung beabsichtigten Änderung des Demonstrationsstrafrechts werden in erster Linie uns in den Ländern treffen, und zwar vor allem Polizei und Justiz. Polizei und Justiz werden die Last einer verfehlten Strafgesetzgebung zu tragen haben.
Meine Damen und Herren, die Polizei wird verantwortlich gemacht werden, wenn, was ja zu erwarten ist, die vorgeschlagene Norm nicht zu einer besseren Befriedung führt und nicht zu einem



Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen)

besseren Schutz beitragen wird, sondern genau das Gegenteil bewirken wird.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE])

Dann wird man der Polizei die Schuld in die Schuhe schieben, denn der Gesetzgeber hat ja dann seine Schuldigkeit getan; es kann dann ja wohl nur noch an der Polizei liegen.
Meine Damen und Herren, Bundesregierung, CDU/CSU und FDP wollen einen Straftatbestand aus dem Jahre 1871 — freilich mit gewissen Retuschierungen, aber eben doch einen Tatbestand von 1871 — wieder einführen. Da beißt keine Maus den Faden ab. Daß die Unionsparteien ihre Chance wahrnehmen, wundert uns ja nicht; das haben wir gar nicht anders erwartet. Aber ich muß sagen, trotz des Beitrags von Herrn Kleinert ist der Meinungsumschwung der FDP immer noch schwer vermittelbar. Herr Kleinert hat uns zwar die Skrupel mitgeteilt, die ihn bewegen. — Ich sehe, er ist nicht hier,

(Dr. de With [SPD]: In der Kantine!)

aber der Herr Kollege Hirsch nimmt das entgegen und wird es ihm sagen. Herr Hirsch, die Skrupel der FDP sind uns zwar vermittelt worden, und Sie haben erklärt, Sie sehen in der Bemerkung von Herrn Wittmann, daß man im Ausschuß reden könne, einen Hoffnungsschimmer. Aber sind Sie denn eigentlich noch frei, das Gesetzgebungsvorhaben wieder aufzugeben? Das können Sie uns doch hier gar nicht erzählen, und davon sprechen Sie j a auch gar nicht.

(Broll [CDU/CSU]: Die sind doch frei, etwas einzusehen!)

Nein, meine Damen und Herren von der FDP, die FDP entläßt sich mit ihrer Zustimmung zu einem Gesetz, das die Bestrafung friedlicher Demonstrationsteilnehmer vorsieht, selbst aus ihrer Rolle als Vertreterin einer liberalen Rechts- und Innenpolitik,

(Beifall bei der SPD)

und sie verschreibt sich damit einem restaurativen Verständnis des Staates, mit dem dieser kritischen Bürgern begegnet,

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der FDP und der CDU/CSU)

Ein Journalist hat kürzlich gesagt, der Entwurf der Bundesregierung führe zum kaiserlichen Strafrecht des vorigen Jahrhunderts zurück. Heinrich Böll hat früher sogar einmal vermutet, das alte kaiserliche Demonstrationsstrafrecht stamme aus der Zeit der Bauernkriege. Nein, das ist nicht richtig, denn man hat zwar in all diesen Zeiten Straftatbestände mit schrecklichen Strafen gehabt, nur glaubte man, nicht mit diesem Straftatbestand arbeiten zu müssen. Man glaubte immer, ohne diesen auskommen zu können. Erst in der Kaiserzeit wurde das anders, und dorthin möchte die Bundesregierung so schrecklich gern zurück.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Ja, Ihnen fällt nur das Lachen ein, wenn es um die Wahrung der Bürgerrechte geht. Das ist mir die ganze Zeit schon aufgefallen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Schritt mag manchem unbedeutend erscheinen, aber bedenken wir: Die Freiheit stirbt oft zentimeterweise.
In den letzten 13 Jahren hat sich die Zahl der Demonstrationen in der Bundesrepublik vervielfacht, und es ist weder zu erwarten noch zu wünschen, daß sich dieser Anstieg verringert. 1983 haben wir Großdemonstrationen mit mächtigen Willensbekundungen erlebt, und auch andere Gründe als das Bekenntnis zum Frieden können einmal Menschen dazu bringen, auf die Straße zu gehen. Die bedrückende Lage auf dem Arbeitsmarkt, die zunehmende Arbeitslosigkeit, die belastende Sorge um das Existenzminimum mancher Menschen kann auch diese dazu bringen, von ihrem Grundrecht Gebrauch zu machen, und dieses Recht möchten wir nicht angetastet sehen. Es wird aber angetastet.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für unseren Staat ist aus guten Gründen die repräsentative Demokratie eingeführt worden, und wir wollen auch an ihr festhalten. Der Wähler wird aber nach seiner Stimmabgabe mediatisiert, und manche Staatsbürger sehen sich nun einmal mit ihren politischen Anliegen nicht mehr von uns und unseren Parteien ausreichend vertreten. Was kann, was muß der freiheitlich-demokratische Staat tun, um einen drohenden Zusammenstoß mit engagierten Kritikern der gegenwärtigen Ordnung möglichst zu vermeiden oder jedenfalls gering zu halten, und wie ist es überhaupt möglich, einen breiten Konsens zu erhalten, von dem wir doch ausgehen müssen, wenn wir unsere Gesellschaftsordnung erhalten wollen?
Konflikte sind in unserer Gesellschaft Teil des notwendigen gesellschaftlichen Wandels, und Auseinandersetzungen über den richtigen Weg sind unverzichtbarer Bestandteil unserer staatlichen Ordnung. Davon müssen Strategien zur Konfliktlösung ausgehen, für die Polizei, aber auch für den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber, Gerichte und Polizei müssen das Demonstrationsrecht, diese Pressefreiheit des kleinen Mannes, wahren — der Gesetzgeber vernachlässigt diese Pflicht —; denn für Bürger, insbesondere für Minderheiten, die ja nicht wie wir den Zugang zur Presse haben, sind Demonstrationen oft das einzige Mittel, der fortgeschrittenen Monopolisierung der öffentlichen Meinung entgegenzuwirken.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich müssen einzelne Gruppierungen, die den Einsatz von Druck und Zwang benutzen wollen, in ihre Schranken verwiesen werden, unabhängig davon, ob uns ihre Ideen gefallen oder nicht gefallen. Aber hier und nur hier liegen nach unserer Verfassungsordnung und nach den Maßstäben auch



Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen)

der politischen Vernunft die Grenzen des Demonstrationsrechts.

(Beifall bei der SPD)

Unter diesen Aspekten ist die Novelle überflüssig, nicht praktikabel, rechtlich bedenklich und keineswegs geeignet, die öffentliche Sicherheit und den öffentlichen Frieden besser zu schützen als das geltende Recht.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß mich in dieser Bewertung einig mit der ganz überwiegenden Mehrzahl der Praktiker. Und wenn auf die Gewerkschaft der Polizei verwiesen wird, die diesen Standpunkt vertritt, meine Damen und Herren, dann bedenken Sie: Sie vertritt 170 000 Mitglieder unserer Partei

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Bravo!)

— unserer Polizei.

(Anhaltendes Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ein paar müßten Sie aber abziehen, Herr Minister!)

Das wäre schön für uns.

(Beifall des Abg. Dr. Vogel [SPD] — Zurufe von der CDU/CSU)

— Ein Wunsch wäre das, Herr Kollege Vogel. — Dann hätten wir die Mehrheit und könnten bestimmen, daß solche Gesetze jedenfalls nicht beschlossen würden.

(Beifall bei der SPD — Schulhoff [CDU/ CSU]: Wer die Mehrheit bei der Polizei hat, hat die Mehrheit im Bundestag?)

Die Bundesregierung geht bei ihrer Beschreibung der Zielsetzungen des Gesetzenwurfs davon aus

(Schulhoff [CDU/CSU]: Sie haben gerade gesagt, mit der Mehrheit bei der Polizei hätte man auch die Mehrheit im Bundestag! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— regen Sie sich doch bitte etwas ab, und hören Sie lieber zu; es geht um ein ernstes Thema, meine Damen und Herren —, daß es bei zahlreichen Demonstrationen in der letzten Zeit zu schweren Ausschreitungen gegen Menschen und Sachen gekommen sei. Ich weiß nicht, wie man so etwas immer noch wiederholen kann. Das trifft insgesamt nicht zu und für Nordrhein-Westfalen schon gar nicht.

(Sehr gut! bei der SPD)

Die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen ist in Nordrhein-Westfalen von 1981 auf 1982 um 64 % zurückgegangen.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Die absolute Zahl ist um 64 % zurückgegangen, meine Damen und Herren. Bis zum Jahre 1983 hat es zwar eine gewisse Steigerung bei der absoluten Zahl gegeben, aber relativ auch einen deutlichen Rückgang. Und die Zahlen für 1983, meine Damen und Herren: Von 2 839 Demonstrationen verliefen nur 39 unfriedlich. Das sind 1,37 %. Und zu diesen
1,37 % der unfriedlichen Demonstrationen zählen wir auch Krefeld, worauf Sie mehrfach hingewiesen haben. Ich komme gleich noch einmal darauf, meine Damen und Herren; das sieht dann für Sie gar nicht so schön aus. Wir zählen dazu also auch Krefeld, obwohl dort mehr als 20 000 Bürger friedlich demonstriert haben. Bedenken Sie das bitte. Und da auch bei Demonstrationen, die als unfriedlich gewertet werden, nur ein kleiner Teil der Menge gewalttätig agiert, ist der Anteil der Störer gar nicht abschätzbar. Es ist deshalb falsch, Herr Bundesjustizminister, von einer Eskalation der Gewalt zu sprechen. Das tatsächliche Demonstrationsgeschehen rechtfertigt die beabsichtigte Rechtsverschärfung nicht.
Von der CDU/CSU, vorhin auch von Herrn Wittmann, ist auf Krefeld verwiesen worden. Mir ist auch schon an anderer Stelle entgegengehalten worden, die Ereignisse beim Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Bush in Krefeld hätten die Notwendigkeit einer Verschärfung des Demonstratonsrechts erwiesen. Das ist absolut falsch. Die gewalttätigen Störer in Krefeld waren nicht Teilnehmer einer Demonstration.

(Dr. de With [SPD]: So ist es!)

Die Demonstration in Krefeld ist vielmehr absolut friedlich verlaufen.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Die Demonstranten haben sich an jede Auflage der Polizei gehalten, an das Vermummungsverbot, an alles haben sie sich gehalten. Die Demonstranten haben auch die an ganz anderen Stellen der Stadt agierenden Gewalttäter in keiner Weise gedeckt. Alles andere, was vorhin über Krefeld gesagt worden ist, stimmt doch gar nicht. Es hat bedauerlicherweise verletzte Polizeibeamte gegeben. Ich habe darüber an anderer Stelle sehr eingehend gesprochen. Nur haben die mit der Demonstration überhaupt nichts zu tun, meine Damen und Herren. Durch noch so scharfe Gesetze verhindern Sie doch nicht, daß es immer Gewalttäter und immer Straftäter geben wird, genausowenig, wie Sie durch ein Vermummungsverbot verhindern werden, daß sich Bankräuber vermummen, um später nicht erkannt zu werden. Das werden Sie genausowenig verhindern, wie Sie es durch ein Vermummungsverbot verhindern, daß sich Gewalttäter weiter vermummen.

(Dr. Miltner [CDU/CSU]: Von wem sind die Polizeibeamten verletzt worden?)

— Von Gewalttätern, die aber nichts mit den Demonstranten zu tun hatten.
Vorhin hat Herr Wittmann etwas von einer Frau erzählt, die in Krefeld durch einen Steinwurf getötet worden ist. Herr Wittmann, die Fakten sind andere. Es ist in der Tat während der Demonstration in Krefeld eine Frau gestürzt und eingeliefert worden. Hieran ist sie nicht verstorben. Sie ist Wochen später nach der Demonstration zu Hause noch einmal gestürzt. Auf Grund eines Schädelbasisbruches



Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen)

ist die Frau dann verstorben. Das hat nun wirklich nichts mit der Demonstration zu tun.

(Schily [GRÜNE]: Das ist Herr Wittmann! So macht Herr Wittmann Politik! Das zu Protokoll: So machen Sie Politik, so machen Sie Demagogie! — Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Ausgerechnet Herr Schily!)

— Aber eins können Sie nicht bestreiten, Herr Wittmann: Der Sachverhalt, den Sie vorgetragen haben, stimmt nicht, wie mancher Sachverhalt, der zu Krefeld von Ihrer Seite vorgetragen worden ist, nicht stimmt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Das hat offenbar gar nicht stattgefunden!)

Das geltende Strafrecht reicht auch aus, um das strafwürdige Verhalten von Gewalttätern angemessen zu ahnden. Diese sind ja schon nach geltendem Recht strafbar. Auch für Anstifter und Gehilfen sieht das geltende Recht ausreichende Strafandrohungen vor. Wer einem Steinwerfer bei der Tat durch Gewährung von Deckung hilft, macht sich wegen Beihilfe strafbar. Aber natürlich muß man dem Täter oder dem Gehilfen die Tat nachweisen. Daran dürfen wir doch nichts ändern. Das ist natürlich für Polizei und Justiz ein großes Problem. Hier gilt es, anzusetzen. Es gilt, den Straftätern — auch den Gehilfen — ihre Straftat nachzuweisen, nicht aber friedliche Bürger durch Herumdrehen am Gesetzestext zu verfolgen und zu kriminalisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein überzeugendes Konzept zur Lösung des Beweisproblems haben wir in Nordrhein-Westfalen erarbeitet. In anderen Ländern gibt es ähnliche Bemühungen. Das Problem ist ja nicht, einen Gewalttäter festzunehmen. Das kann die Polizei. Das Problem ist, bei einem Massendelikt individuelle Schuld nachzuweisen. An diesem Grundsatz müssen wir festhalten. Wir dürfen ihn nicht aufgeben. Sie sind dabei, diesen Grundsatz aufzugeben.

(Beifall bei der SPD)

Es darf auch erwartet werden, daß die Polizei in Nordrhein-Westfalen in Kürze die von gewalttätigen Störern begangenen Delikte besser beweisen kann als bisher. Ich sage nicht, daß es vollkommen sein wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt auf einmal?)

Es wird im Bundesgebiet herumreisende Gewalttäter sicher mehr beeindrucken, wenn man die Gewalttäter bestraft, als wenn man friedliche Demonstranten mitbestraft.

(Beifall bei der SPD — Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Das verstößt doch gegen den Datenschutz!)

Die Grundannahme des Entwurfs, die weitgefaßte Strafandrohung werde bei großen Menschenansammlungen eine motivierende Kraft zum Auseinandergehen entfalten, ist massenpsychologisch absolut verfehlt. Das kann nur jemand sagen, der sich nie mit diesen Fragen befaßt hat.

(Beifall bei der SPD — Dr. de With [SPD]: Sehr wahr!)

Es ist ja eher zu befürchten, daß die weitreichende Kriminalisierung friedlicher Bürger verstärkte Aggressionen aufbauen wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt „Kriminalisierung"?)

— Sie machen jemanden zum Straftäter, der nur dabeigestanden hat, der selber aber nicht einmal jemandem Beihilfe geleistet hat. Das machen Sie. Das ist doch Kriminalisierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: So definieren Sie Gesetze!)

Das wird zur Aggression und zur Solidarisierung beitragen. Das wird nicht zu einem Abbau, sondern zu einer Eskalation der Gewalt beitragen.
Im übrigen lassen Sie mich eins sagen: Wenn an einer Demonstration Personen teilnehmen, die sich zwar im politischen Ziel einig sind, sich aber in den Methoden unterscheiden — der eine will Gewalt, der andere will sie partout nicht —, dann können sich Gewalttäter und die Friedlichen noch voneinander fernhalten. Wenn aber die Polizei dazukommt und auch gegen Friedliche vorgehen muß, sieht das anders aus.

(Beifall bei der SPD — Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Die Polizei ist an allem schuld!)

— Nein, ich möchte gerne, Herr Wittmann, daß der Polizei das Leben erleichtert wird. Sie erleichtern es ihr nicht, sondern Sie machen es ihr schwerer.

(Beifall bei der SPD)

Die aus dem Legalitätsprinzip folgende Verpflichtung, alle von der Strafandrohung erfaßten Personen zu verfolgen, würde an die Stelle des Beweisproblems ein Täter-Massen-Problem setzen. Die Strafverfolgung aller unter den neuen Tatbestand fallenden Bürger ist natürlich schlechterdings unmöglich. Das führt aber dann zu nicht akzeptablen Ungerechtigkeiten. Denn es wird ja mehr oder weniger zufällig sein, wer von vielen Demonstranten von der Polizei festgenommen wird, wenn die meisten unbehelligt bleiben müssen. — Herr Wittmann hat hier vorhin auf das Beispiel des Diebstahls verwiesen. Herr Wittmann, das liegt doch absolut daneben. Sie müssen das Beispiel so wählen: Weil Sie die Ladendiebe nicht erwischen können, müssen Sie auch die Kaufhausbesucher mit Strafe belegen; so wäre das Beispiel richtig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Dr. Wittmann)

Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie setzen in Wirklichkeit darauf — das sagen einige ja auch augenzwinkernd —, daß Strafverfahren nur gegen diejenigen eingeleitet werden, die die Polizei zwar im Verdacht hat, daß sie eine Gewalttat began-



Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen)

gen haben, denen sie das aber nicht nachweisen kann.

(Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

Warum schreiben Sie das dann aber nicht in das Gesetz hinein? Warum schieben Sie denn die Last und die Verantwortung der Polizei zu und drücken sich hier? Oder haben Sie eventuell verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solch öffentliches Geständnis des Gesetzgebers? Was bewegt Sie eigentlich?
Die Novelle ist überflüssig, rechtlich bedenklich. Kein Polizeibeamter wird durch diese Novelle besser geschützt. Wenn dies der Fall wäre, lieber Herr Wittmann, dann könnte man mit mir weiß Gott über manches reden; denn mir liegt der Schutz der Polizeibeamten sehr am Herzen. Nur, hiermit wird es nicht besser.

(Beifall bei der SPD)

Das geltende Recht läßt differenziertes Handeln der Polizei zu: gegen Gewalttäter konsequent vorzugehen, die Mitdemonstranten aber ungeschoren zu lassen. Das entspricht polizeitaktischen Erfordernissen. Die Grundlage dafür, meine Damen und Herren — jetzt spreche ich die FDP an, Herr Kleinert —, wollen Sie der Polizei nehmen. Sie hat nämlich eine ausreichende Rechtsgrundlage. Bloß, Sie wollen sie ihr, wie gesagt, nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Der Schlußbericht 1983 der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Rechtsstaat", den Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mitgetragen haben — Herr Wittmann war ja der Vorsitzende dieser Kommission

(Zurufe von der SPD: Wissmann!)

— Entschuldigung: Wissmann —, fordert, zwischen gewalttätigen und friedlichen Demonstranten stärker als bisher zu unterscheiden.

(Zuruf des Abg. Dr. Wittmann [CDU/CSU])

— Sie hätten sich dazu wahrscheinlich nicht hergegeben, Herr Wittmann.

(Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung! — Zuruf von der CDU/CSU: Eine taktlose! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich weiß es, ja. — Das läßt unser geltendes Recht zu. Bedenken Sie eigentlich, daß Sie sich mit dieser Novelle auch von diesem Bericht distanzieren?
Sie machen uns, der Polizei das Leben schwer. Die Polizei muß ja Gewalttäter nach wie vor verfolgen und ihnen ihre Straftat nachweisen; das muß sie, das ist auch richtig so. Jetzt soll sie aber auch noch gegen friedliche Bürger strafrechtlich vorgehen, die auf Aufforderung der Polizei nicht weggegangen sind. Vielleicht muß die Polizei bei Großdemonstrationen künftig sogar Fluchtwege für friedliche Bürger freihalten, damit diese dem Platzverweis überhaupt folgen können.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Was muten Sie der Polizei eigentlich alles zu?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber den Damen und Herren der CDU/CSU geht es ja auch gar nicht darum, der Polizei hier zu helfen. Sonst würden sie nicht an einem solchen Gesetzesvorhaben festhalten, sondern sich mit uns um die Lösung des Beweisproblems bemühen; daran muß gearbeitet werden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wie viele Jahre Zeit haben Sie dafür gehabt? Wo sind seit zehn Jahren Ihre Vorschläge?)

Ihnen geht es um etwas ganz anderes: Kritische Bürger sind Ihnen zu aufmüpfig.

(Beifall bei der SPD — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Och!)

Die „Erinnerungen aus Krähwinkels Schreckenstagen" — Herr Vogel hat das zitiert — peinigen Sie. Deshalb möchten Sie die von Ihnen so genannte geistig-moralische Erneuerung durchführen. Ihnen paßt die ganze Richtung nicht,

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist es!)

um ein Wort eines Berliner Polizeipräsidenten aus dem vorigen Jahrhundert aufzugreifen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005705200
Das Wort hat der Abgeordnete Olderog.

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005705300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier überhaupt nicht um die friedlichen Demonstrationen; es geht um die mehreren hundert unfriedlichen Demonstrationen mit ihren schlimmen Folgen, die wir in den letzten Jahren zu beklagen haben.

(Dr. de With [SPD]: Nach Ihrem Entwurf aber nicht!)

— Genau darum geht es.

(Dr. de With [SPD]: Nein!)

Das, was Sie, verehrter Herr Oppositionsführer, heute hier gesagt haben — Sie haben davon gesprochen, es sei ein schwarzer Tag für das Parlament,

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist es!)

das Bundesjustizministerium müsse sich schämen, einen solchen Entwurf vorzulegen,

(Sehr gut! bei der SPD)

das sei ein Anschlag auf die Rechtskultur — —

(Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Wer so spricht, scheidet aus der seriösen Diskussion über die Lösung eines schwerwiegenden Problems, nämlich des Problems der Bekämpfung der unerträglichen Gewalttätigkeiten, von selbst aus.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)




Dr. Olderog
Sie, verehrter Herr Vogel, haben aus demselben Geist gesprochen, der dafür verantwortlich war, daß während Ihrer kurzen Regierungszeit in Berlin die Zahl der Hausbesetzungen von rund 20 innerhalb kürzester Zeit auf 165 gestiegen ist. Derselbe Geist war dafür verantwortlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Chaoten-Vogel! — Zurufe von der SPD)

Unter Herrn Lummer ist das innerhalb einer kurzen Zeit dann wieder auf rund 30 reduziert worden.

(Schily [GRÜNE]: Da sind auch einige zu Tode gekommen, verehrter Kollege Olderog! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

Das, was Sie, Herr Vogel, uns an Absichten mit dieser Novelle unterstellen,

(Schily [GRÜNE]: Es sind einige zu Tode gekommen, Herr Olderog! Das ist auch eine Bilanz!)

das ist eine Diffamierung, die ich für meine Fraktion entschieden zurückweise.
Was muß denn in diesem Lande eigentlich noch passieren?

(Dr. Vogel [SPD]: Bis Herr Wörner zurücktritt?)

Sprechen denn die Ereignisse, die der Kollege Wittmann hier geschildert hat,

(Dr. Vogel [SPD]: Geistig-moralische Erneuerung!)

die Krawalle in Berlin beim Haig-Besuch, an der Startbahn West in Frankfurt, beim Besuch von Präsident Reagan in Berlin, von Bush in Krefeld nicht dafür, daß wir nicht länger tatenlos zusehen dürfen? Allein bei diesen vier Ereignissen — wer will das bestreiten — haben wir 600 verletzte und schwerverletzte Polizeibeamte zu beklagen,

(Schily [GRÜNE]: Sie haben nicht zugehört! Lesen Sie nicht Ihre Rede ab, sondern gehen Sie doch ein auf das, was Herr Schnoor gesagt hat!)

Schäden an privatem Hab und gut in Höhe von vielen Millionen Mark, Hunderte von demolierten Autos, zerschlagene Fensterscheiben in Geschäften, Plündereien, die sich angeschlossen haben; Gewalttäter, Randalierer, Chaoten mit Molotow-Cocktails, Stahlkugeln, Schlaginstrumenten, Äxten sind blindwütig auf die Polizei losgegangen, haben Barrikaden gegen die Polizei errichtet, Brandsätze gelegt. Und da wundern Sie sich, wenn manche Bürger in unserem Lande fragen: Sind das nicht eigentlich Zustände wie in einem Bürgerkrieg, die sie da per Fernsehen miterleben müssen?

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ist doch alles schon strafbar!)

Professor Scholz hat im Bundesrat darauf hingewiesen: Allein in den letzten vier Jahren seit Juni 1980 hat es 321 unfriedliche Demonstrationen in Berlin gegeben, 1248 verletzte Polizeibeamte, 9000
Schadensereignisse und allein 1982 einen Gesamtschaden in Berlin von 40 Millionen DM.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ist doch alles strafbar!)

Und das alles spielt sich weitgehend noch offen vor den Augen einer hilflosen Polizei ab! Dürfen wir uns denn da abwenden? Täuschen wir uns bitte nicht: Jetzt gibt es ein paar Monate der Ruhe. Keiner von uns aber kann ausschließen, daß das morgen schon wieder anders sein wird.
Ich wiederhole: Es geht hier überhaupt nicht um die große Zahl "der friedlichen Demonstrationen. Die werden von diesem Gesetzentwurf nicht betroffen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die anderen auch nicht!)

Es geht um die unfriedlichen, gewalttätigen Demonstrationen, deren Zahl von 1982 auf 1983 um 20% gestiegen ist.

(Abg. Schily [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005705400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005705500
Nein, ich möchte von den GRÜNEN keine Frage entgegennehmen.

(Lachen bei den GRÜNEN und der SPD — Schily [GRÜNE]: Das sind feine Demokraten! Ein merkwürdiges Demokratieverständnis!)

— Ich will Ihnen den Grund dafür sagen: Den Beitrag des Kollegen Fischer zu diesem Thema betrachte ich als unseriös. Das war kein Beitrag zur Lösung dieses Problems, und deswegen will ich mich mit Ihnen nicht auseinandersetzen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind hier im Parlament und nicht in der Parteiversammlung!)

Ich frage Sie

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Wir lassen uns von Ihnen nicht fragen!)

— diese Frage stellt auch die deutsche Öffentlichkeit —: Dürfen wir wegsehen? Dürfen wir das bagatellisieren? Dürfen wir resignieren? Dürfen wir vor dieser Situation kapitulieren? —

(Dr. Kübler [SPD]: Völlig am Thema vorbei!)

Das ist unsere Überzeugung: Wer resigniert, wer zurückweicht, fordert neue Ausschreitungen geradezu heraus.

(Dr. Kübler [SPD]: Wie wäre es denn mal mit Argumenten?)

Unser Rechtsstaat wird nur dann Erfolg haben, wenn er die Herausforderung annimmt, wenn er Flagge zeigt, wenn er entschieden gegen diese Gewalttätigkeiten vorgeht. Das allein, meine Damen und Herren, ist das Anliegen, das mit der Novelle zu § 125 StGB verfolgt wird.



Dr. Olderog
Ich sehe überhaupt nicht, daß — wie Sie gesagt haben — kein Handlungsbedarf besteht. Sie — verehrter Herr Vogel, Ihre Kollegen im Rechtsausschuß; der Herr Emmerlich weiß das ja — haben am 2. Dezember 1981 einen Prüfungsauftrag an den Bundesjustizminister beschlossen, in dem dargelegt werden sollte, wie die Polizei den notwendigen besseren Schutz bei solchen Demonstrationen mit Gewalttaten erhalten könne

(Dr. Emmerlich [SPD]: Na und? Was hat das mit diesem Gesetzentwurf zu tun?)

und wie es mit gesetzlichen Maßnahmen erreicht werden könne, die Solidarisierung der unterschiedlichen Gruppen der Gewalttäter mit den friedlichen Demonstranten zu verhindern. Sie haben selbst eingesehen, daß es dort einen Handlungsbedarf gibt,

(Schily [GRÜNE]: Gibt es auch bei der Polizei Gewalttäter? Was ist den eigentlich mit denen?)

und Sie haben eingesehen, daß etwas getan werden muß. Sie haben das Problem erkannt, aber Sie haben nicht die Kraft besessen, dieses Problem zu lösen. Das unterscheidet uns von Ihnen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005705600
Herr Abgeordneter Olderog, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005705700
Ja, bitte.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1005705800
Herr Kollege Olderog, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie auf Überlegungen zum besseren Schutz von Polizeibeamten verzichten und statt dessen die Bestrafung von friedlichen Demonstranten vorschlagen?

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005705900
Das ist wieder eine der üblichen Unterstellungen. Sie wissen ganz genau, daß das, was Sie in der Frage unterstellt haben, nicht stimmt.

(Broll [CDU/CSU]: Das war jämmerlich!)

Meine verehrten Kollegen, es ist wieder davon gesprochen worden — genau wie das soeben in der Zwischenfrage unterstellt worden ist —, wir wollten Demonstrationen mit diesem Gesetzentwurf erschweren, wir wollten kritisches Denken unterbinden, und wir wünschten eine Krähwinkelmentalität in der Bundesrepublik.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Die Sie verkörpern!)

Der Herr Innenminister aus Nordrhein-Westfalen hat gesagt, wir wollten friedliche Bürger kriminalisieren.

(Zurufe von der SPD: Jawohl!)

Das ist eine wirklich schlimme Unterstellung.

(Zurufe von der SPD: Wahrheit!)

Sie werfen uns vor, daß wir nicht mit Ihnen darüber
reden. Ich frage mich: Wie wollen Sie, wenn Sie solche Behauptungen gegen uns richten, eigentlich ein
Klima des Gesprächs und der gemeinsamen Lösung herbeiführen?

(Dr. Vogel [SPD]: Herr Geißler! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Tun Sie doch bitte nicht so, als ob das, was jetzt unter Strafe gestellt wird, bisher erlaubt gewesen wäre. Wir haben doch entsprechende Bestimmungen im Versammlungsgesetz und im Ordnungswidrigkeitengesetz.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Dann lassen Sie es doch dabei!)

Auch heute ist es so, daß derjenige, der bei einer Auflösungsentscheidung der Polizei und bei der Aufforderung, auseinanderzugehen, das nicht tut, eine Rechtspflichtverletzung begeht und dafür auch zur Verantwortung gezogen werden kann. Das ist doch die Situation!
Nur: Wir haben festgestellt — entgegen den Hoffnungen, die die Sozialdemokraten mit der Novellierung im Jahre 1970 damit verbunden haben —, daß das eben nicht mit einer Vorschrift aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz zu erreichen ist, sondern wir brauchen dafür die prägende und erzieherische Kraft einer Strafrechtsbestimmung.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die erzieherische Kraft des Strafrechts! — Dr. Kübler [SPD]: Volkserzieher! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie von „Kriminalisierung" sprechen, dann wollen Sie draußen den Eindruck erwecken, als ob legitimes staatsbürgerliches Verhalten willkürlich, d. h. ohne vernünftigen Grund, unter Strafe gestellt wird. Meine Damen und Herren, was machen denn jene Demonstranten, die sich trotz Wissens um die Gewalttaten und trotz der Aufforderung der Polizei nicht entfernen? Sie schaffen doch weitgehend die Voraussetzung dafür, daß diese Gewalttätigkeiten überhaupt erst möglich werden. Sie leihen dem harten Kern der Störer Schutz und Deckung, und durch die Mißachtung des polizeilichen Gebots tragen Sie sehenden Auges dazu bei, daß es zu einer unfriedlichen und gewaltsamen Entwicklung des weiteren Geschehens kommt. Sie verhalten sich damit in einem hohen Maß sozialschädlich. Ohne Ihr Verhalten gäbe es nicht die vielen Verletzungen bei Polizeibeamten, gäbe es auch nicht den Schaden, den wir erleben.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist doch absoluter Quatsch!)

— Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch alle, und in dem Punkt sind wir uns doch einig,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nein!)

daß diese Gewalttäter wie der Fisch auf das Wasser angewiesen sind auf die sie umgebenden friedlichen Demonstranten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie wollen das Wasser ablassen, um den Fisch auszutrocknen!)

Und diesen Gewalttätern geht es doch überhaupt
nicht darum, das Anliegen der friedlichen Demon-



Dr. Olderog
stranten zu unterstützen, sondern sie wollen genau das Gegenteil.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Den Gewalttätern das Wasser ablassen!)

Und deswegen ist es doch nicht zu viel verlangt, daß in einer solchen Situation den eine friedliche Demonstration beabsichtigenden Bürgern zugemutet wird, sich im Falle der Gewalttat zu zerstreuen und auseinanderzugehen.
Zur SPD sage ich, vor allem in Anbetracht dessen, was sie draußen so im Land reden: Hören Sie bitte mit dem Vorwurf der willkürlichen Kriminalisierung friedlicher Demonstranten auf!

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Der trifft zu!)

Der Staat, dem allein zur Wahrung des Rechts das sogenannte Gewaltmonopol zusteht, kriminalisiert keine Bürger. Wer das Recht mißachtet, kriminalisiert sich selbst.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Für uns sind die Grundrechte der Versammlungs-
und Demonstrationsfreiheit hohe fundamentale Rechtsgüter.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Friedhofsruhe!)

Aber gerade weil wir diese Grundrechte unserer Verfassung so hoch achten,

(Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

wollen wir dem unerträglichen Mißbrauch des Demonstrationsrechts mit immer gefährlicher werdenden Ausschreitungen nicht tatenlos zusehen.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Jawohl!)

Ich will Ihnen nicht verschweigen — ich sage Ihnen das ehrlich; das beschäftigt uns j a genauso —, daß wir nachdenken, prüfen und erwägen: Kann das auch zu einer Eskalation führen?

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Natürlich!)

Kann das zu einer Solidarisierung mit den Gewalttätern führen? Das ist nicht von der Hand zu weisen. Das ist immer die Situation, die Sie haben, wenn die Polizei in eine Menge eingreift. Niemand will doch einen Verzicht der Polizei auf diese Eingriffe.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Aber die Menge!)

Aber zu glauben, daß das alles noch schlimmer wird, enthüllt schon ein merkwürdiges Denken und eine merkwürdige Einschätzung der Situation. Glauben Sie wirklich, daß wir in diesem Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland schon so weit sind, daß die breite Mehrheit der friedlichen Demonstranten sich um das, was an Recht und Gesetz im Deutschen Bundestag beschlossen wird, nicht mehr kümmert?

(Broll [CDU/CSU]: Unerhörte Unterstellung!)

Das wäre allerdings im Ergebnis ein beschämendes Urteil über die Rechtspolitik und die Politik der Verantwortlichen in den vergangenen Jahren. Ich denke Gott sein Dank nicht so und bin zuversichtlicher. Ich vertraue zum einen auf das vernünftige Vorgehen der Polizei, und ich schätze die Einstellung unserer Bürger, auch der friedlichen Demonstranten, zu Recht und Gesetz höher ein als Sie. Und ich bitte Sie von der Opposition: Leisten Sie in Zukunft zur Stärkung unserer Rechtskultur

(Zuruf von der SPD)

einen Beitrag, indem Sie solche Formulierungen und solche Vorwürfe nicht wiederholen, sondern öfter mal deutlich von der Rechtspflicht und der Pflicht aller Staatsbürger in solchen Situationen sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Und was Sie, verehrter Herr Vogel, zur Praktikabilität des Gesetzes gesagt haben

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war ganz schwach!)

— was Herr Schnoor gesagt hat, war ja ein bißchen differenzierter —, beeindruckt mich nicht sehr.

(Lachen bei der SPD — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Schulmeister!)

— Ich werde dazu noch im einzelnen Stellung nehmen.
Natürlich ist auch außerhalb der parlamentarischen Gremien eine solche Novelle umstritten. Auch wir wissen, daß wir kein Patentrezept haben,

(Zurufe von der SPD: Das ist wahr!)

mit dem wir schlagartig alles verändern könnten.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: „Schlagartig"! Das würden Sie gern!)

Aber wir wissen, daß wir damit ein verbessertes Instrument für die Polizei anbieten.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist falsch!)

Und das ist, im Gegensatz zu dem, was Sie hier behauptet haben, die Auffassung und der Vorschlag

(Schily [GRÜNE]: Sie bringen die Polizei erst recht ins Zwielicht!)

jener Polizeipraktiker, mit denen wir uns immer wieder zusammengesetzt haben. Es sind die Vorschläge der Praktiker aus den Ländern, wo wir die Verantwortung tragen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Vogel, warum haben Sie, wenn Sie schon fair sein wollen, nicht gleichzeitig darauf hingewiesen, daß z. B. die Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund

(Lachen bei der SPD — Zurufe von der SPD: 10 %!)




Dr. Olderog
einmütig zu unseren Vorschlägen steht? Warum haben Sie nicht darauf hingewiesen, daß die Gewerkschaft der Kriminalpolizei, der BDK, zu uns steht?

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das sind alles Polizeibeamte an den Schreibtischen!)

— Ach, kommen Sie; passen Sie auf! Nun will ich Ihnen auch etwas zu Ihren 10 % sagen. Mich beeindruckt überhaupt nicht, was eine sozialdemokratisch orientierte Gewerkschaftsspitze sagt.

(Zurufe von der SPD — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt reden Sie von der Basis, Herr Olderog! Spitze! — Schily [GRÜNE]: Das ist Ihr Basisverständnis!)

Gucken Sie einmal in die Zeitung. Am 18. September 1983 sind tausend Polizeibeamte in der Bundesrepublik Deutschland gefragt worden, ob sie eine Verschärfung des § 125 wollten. Das Ergebnis war, daß 85,2 % eine Verschärfung des § 125 des Strafgesetzbuches gefordert haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Basis!)

Und da höre ich lieber auf die Stimmen unabhängiger Polizeibeamter als auf die Erklärung einer parteipolitisch orientierten Gewerkschaftsspitze, meine verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kübler [SPD]: Ein richtiger kleiner Scharfmacher!)

Da ich gerade über die Polizei spreche, möchte ich gern ein Wort des Dankes an die Polizei sagen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Mit Haltung! — Schily [GRÜNE]: Ein Wort des Dankes an die Friedensdemonstranten!)

Die Polizeibeamten sind bei diesen Einsätzen oft bis an die Grenze ihrer Kräfte gefordert. Sie haben sich insgesamt besonnen und entschieden verhalten.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Bravo!)

Ich möchte dafür namens meiner Fraktion allen Polizeibeamten herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Das wäre ein gutes Schlußwort gewesen!)

Verehrter Herr Vogel, auch wäre es besser gewesen, Sie hätten fairerweise gesagt, daß Roman Herzog im Jahre 1970 einmal diese Auffassung vertreten hatte, aber daß er unter dem Eindruck der Entwicklung

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Seiner Karriere! Unter dem Eindruck der Entwicklung seiner Karriere!)

seine Auffassung geändert hat

(Dr. Vogel [SPD]: Wann denn?)

und alle Entwürfe der Union im Bundesrat mitgetragen hat. Das ist die Wahrheit zu diesem Punkt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Belegen!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005706000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin?

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005706100
Ja, bitte.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1005706200
Verehrter Herr Olderog, wären Sie so freundlich, uns das ein bißchen näher darzulegen? Der Kommentar von Herzog ist nicht zurückgezogen worden. Sie sollten, wenn Sie diese Behauptung aufstellen, das doch vielleicht belegen.

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1005706300
Ich habe Ihnen gesagt, er hat die Entwürfe, die vom Bundesrat und von den unionsgeführten Ländern eingebracht worden sind, unterstützt. Baden-Württemberg hat diese Gesetzentwürfe unterstützt. Da können Sie doch keinen ernsthaften Zweifel daran haben, daß er diese Sache unterstützt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Die Reaktion hat ihre Herzöge! — Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich. Ich habe die Schärfe nicht in diese Debatte hineingebracht. Ich habe mich geärgert über das, was Herr Vogel in einer herabsetzenden Weise hier gesagt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Die fühlen sich doch jetzt ertappt!)

Das veranlaßt mich, so zu antworten. Ich hätte auch anders antworten können.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wir schicken das Protokoll an Herrn Herzog!)

Lassen Sie mich etwas sagen, meine Damen und Herren,

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie sagen doch schon die ganze Zeit!)

zum Legalitätsprinzip. Ich erwarte im Gegensatz zu Ihnen, daß sich die große Mehrheit der friedlich demonstrierenden Bürger gesetzestreu verhalten wird. Aber selbst wenn das zunächst nicht der Fall wäre, kann ja noch überhaupt keine Rede davon sein, daß es jetzt zu Massenverhaftungen kommen müßte. Das ist doch ein Irrsinn, dieses Schreckensbild, das da an die Wand gemalt wird. Die Polizei ist nicht verpflichtet, mehr zu tun, als sie kann. Wir erleben doch heute ähnliches: Wenn Sie etwa eine Anzeige wegen Diebstahls erstatten, werden Sie feststellen, daß die Polizei oft nicht einmal hinguckt, sondern das abheftet. Das ist doch die Situation.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Eine ungeheuerliche Behauptung!)




Dr. Olderog
— Wollen Sie das etwa bestreiten?

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die Polizeibeamten tun ihren Dienst wie jeder andere!)

— Verehrte Frau Kollegin, sie können es gar nicht anders. Denn das, was heute im Diebstahlsbereich an Kleinkriminalität oder auch an größerer Kriminalität angezeigt wird, können Sie überhaupt nicht mehr sorgfältig prüfen und verfolgen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie können mit Polizeibeamten nicht so umgehen! Das wäre doch eine Amtspflichtverletzung! — Schily [GRÜNE]: Die Diebstahlsanzeigen werden nicht einfach abgeheftet!)

Das ist doch leider die Situation.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie können nicht solche Dinge über Polizeibeamte behaupten!)

— Wir werden das alles vertiefen können.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Ihre Rede werden wir auch abheften!)

Die Polizei wird sich nach meiner festen Überzeugung an den Grundsatz halten, daß sie sich nach dem Maß der Rechtsgutverletzung bei solchen Vorgängen auf jene Bereiche konzentrieren wird, von denen die Stoßrichtung eines Angriffs kommt oder wo unmittelbar schwere Gewalttaten stattfinden.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie Stoßrichter, Sie! Sind Sie ein Stoßrichter?)

Ich vertraue sehr wohl auf das polizeitaktische Geschick der Einsatzleitungen. Wir haben davon j a in der Vergangenheit gehört, und die Polizei hat dazugelernt.
Nun tun Sie bitte nicht so, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition,

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Wir tun doch gar nicht so!)

erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als ob das, was jetzt von der Bundesregierung beabsichtigt ist und was wir tragen, etwas beispiellos Problematisches sei. Wer sich entrüstet, sollte zunächst einmal einen Blick in das Ausland werfen. Da sehen wir, daß Länder, deren Rechtskultur von niemandem hier in Zweifel gezogen werden wird, eine der von uns jetzt vorgelegten Lösung genau entsprechende gesetzliche Regelung haben. Oder wollen Sie behaupten, daß die Schweiz, daß Frankreich, daß die Niederlande, daß Dänemark und Schweden Länder mit minderer Rechtskultur sind als wir? So illiberal, verehrte Freunde des schwedischen Modells, ist diese Lösung also offensichtlich doch nicht.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist doch falsch, Herr Olderog, das ist doch sachlich nicht richtig!)

Die Verletzungen von Recht und Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland haben bereits ein bedrückendes Ausmaß angenommen. Es bleibt nicht auf das Gebiet der Demonstration beschränkt, wenn der Staat bei diesen Demonstrationen vor der Gewalt zurückweicht und Rechtsbrüche immer wieder hinnimmt. Wir müssen uns darüber klarwerden — auch jetzt in diesem Hause —, wie wir es mit dieser Form von Gewalt in unserem Lande halten wollen. Wollen wir hinnehmen, daß es Zonen der Illegalität gibt, oder wollen wir die Herausforderung für unseren Rechtsstaat annehmen?

(Schily [GRÜNE]: Denken Sie einmal an die Staatsbürgerlichen Vereinigungen, Herr Kollege!)

Mit bloßen politischen Reden und der Ankündigung, daß in Nordrhein-Westfalen jetzt so eine Geheimwaffe entwickelt werde, können wir es nicht schaffen. Solche Ankündigungen haben wir viele Jahre immer wieder gehört, ohne daß etwas geschah.
Wir haben Verantwortung für den Schutz unserer Polizeibeamten, für den Schutz von Hab und Gut unserer Bürger vor der Zerstörungswut gewalttätiger Gruppen. Wir haben Verantwortung dafür, daß es friedliebenden Bürgern ermöglicht wird, friedlich und ohne Angst vor Umfunktionierern zu demonstrieren.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Angst vor Umfunktionierern — das sollten Sie einmal Herrn Lummer sagen, der Agenten losschickt!)

Zehn Jahre sind Gesetzentwürfe meiner Fraktion zurückgewiesen worden. Zehn Jahre hat dieses Parlament geredet, diskutiert und nicht entschieden. Politische Reden und Diskussionen haben keine Lösung gebracht. Jetzt endlich muß der Gesetzgeber handeln.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005706400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. de With.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID1005706500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Schauergemälde, das Herr Olderog gemalt hat,

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sind die Zahlen denn falsch? — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/ CSU]: Spitze war das!)

darf ich erst einmal die Gruselkulissen wegräumen und sagen, worum es wirklich geht.
Die Handlung heißt Landfriedensbruch. Die Frage ist doch: Bricht derjenige den Landfrieden, der sich aus einer Demonstration nicht entfernt,

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Und Randalierer unterstützt!)

obwohl es die Polizei geboten hat und obwohl er selber an keiner irgendwie gearteten Gewalthandlung beteiligt, also ein friedlicher Demonstrant war? Es geht Ihnen nach Ihrem Vorschlag j a gar nicht darum, Chaoten und Gewalttäter zu bestrafen. Dem Begriff nach und auch nach dem natürlichen Menschenverstand kann ein friedlicher Demonstrant den Landfrieden also gar nicht gebrochen haben.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das ist doch Spiegelfechterei!)




Dr. de With
Nach Auffassung der Bundesregierung aber muß das strafbar sein, weil diejenigen, die nicht weggehen — so die offizielle Begründung; ich zitiere —, „den Gewalttätern zwangsläufig Deckung gewähren

(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

und psychischen Rückhalt vermitteln". Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da steht ein Polizeibeamter und sagt: auflösen. Dann war das für den Stehenbleiber psychischer Rückhalt, also wird er bestraft. Kommt es dem Polizeibeamten in den Sinn zu sagen: das kann ich ertragen, weitergehen, dann war das kein psychischer Rückhalt, also keine Straftat. Damit offenbart sich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, dieser Vorschlag der Bundesregierung als ein glattes Gefährungsdelikt oder — um es für jedermann verständlich auszudrücken — als pures Verdachtsstrafrecht. Nichts anderes ist es.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Von Gustav Radbruch, dem früheren Reichsminister der Justiz — ich sage das an die Adresse des hier sitzenden Bundesministers der Justiz —, stammt das Wort, der Mord sei nicht deshalb Unrecht, weil er bestraft werde, sondern Mord werde bestraft, weil er Unrecht sei. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird das Stehenbleiben Unrecht, weil es bestraft wird; es wird nicht bestraft, weil es Unrecht wäre.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der vor wenigen Tagen verstorbene Max Güde, Generalbundesanwalt, CDU-Bundestagsabgeordneter — er war der erste Vorsitzende des Strafrechtssonderausschusses des Deutschen Bundestages —, hat in dieser seiner Eigenschaft 1966 hier im Deutschen Bundestag, Thomas von Aquin folgend, den Sie j a so gern zitieren,

(Broll [CDU/CSU]: Bitte lateinisch!)

als Maxime erklärt, ein strafandrohendes Verbot sollte nur ausgesprochen werden, wenn ohne das Verbot die Gemeinschaft nicht bestehen könne.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Von dieser Tradition und von diesem Geist sind Sie meilenweit entfernt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Und Sie finden alles in Ordnung! — Zuruf von der CDU/ CSU: Vielen Dank für das gute Zitat! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Die FDP, die jetzt den Justizminister stellt, der das vertritt, hat sich selber aufgegeben. 1970 hatte sie die Reform des Demonstrationsstrafrechts mit der SPD gegen die CDU/CSU — ich darf das so formulieren — noch erkämpft. Der Innenminister hieß Genscher. Am 14. Oktober 1982 — das ist noch nicht allzu lange her; vielleicht geben Sie einmal acht, Herr Minister Engelhard — haben Sie hier im Deutschen Bundestag das Folgende verkündet — ich zitiere —:
Es ist die Frage gestellt worden, was denn aus
dem Demonstrationsrecht werde. Ich meine,
auf schlichte Fragen kann man ungemein einfach, schlicht und klar antworten. Sämtliche Vorhaben, sämtliche Anträge sind zu Ende beraten worden. Derzeit steht nichts an.
Er sagte weiter:
Von seiten meiner Fraktion weiß ich jedenfalls, daß sich die Auffassung dazu nicht geändert hat. Ich glaube, das ist eine klare Antwort auf die gestellte Frage.
Das war 1982. Wenige Minuten später sagte derselbe Justizminister auf eine gezielte Frage, um es noch einmal zu verdeutlichen:
Herr Kollege, dort, wo es noch etwas zu sprechen gibt, wird dies besprochen werden. Es bleibt bei unserer Meinung, daß Änderungen am Demonstrationsrecht derzeit nicht vonnöten sind.

(Hört! Hört! bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Derzeit!)

Das erklärte der Bundesminister der Justiz, um ein Jahr später seine liberale Seele bei Herrn Zimmermann abzuliefern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Union hebt das Stöckchen, und die FDP springt. So ist es und nicht anders.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005706600
Herr Abgeordneter de With, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Werner?

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID1005706700
Aber gerne.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1005706800
Herr Kollege de With, um Sie noch einmal auf das Zitat des „stummen Ochsen", das Sie hier angeführt haben, anzusprechen: Ist Ihnen denn bewußt, daß Thomas von Aquin in Verbindung mit seinem von Ihnen eben zitierten Ausspruch ausdrücklich darauf hinweist, daß dies nicht Geltung haben könne bei Rechtsgütern, die eine unverzichtbare Voraussetzung im Zusammenleben der Menschen darstellten?

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID1005706900
Das, was Sie sagen, tötet Sie selber, denn hier geht es nur um friedliche Demonstranten. Auch ein Thomas von Aquin hätte sich gescheut, das vorzuschlagen, was Sie hier unterstützen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich juristisch kurz zusammenfassen, worum es geht. Wir haben 1970 das Demonstrationsstrafrecht geändert, und seitdem steht unter Strafe, wer selbst Gewalt anwendet, wer Gehilfe ist oder wer anheizt. Das ist schon sehr weitgehend. Der Stehenbleiber, der sich auf Aufforderung nicht entfernt, obwohl er an keiner irgendwie gearteten Gewalttat beteiligt ist, begeht nur eine Ordnungswidrigkeit.
Dieses Recht hat sich in 13 Jahren bewährt. Sie können an den Zahlen nicht herummäkeln. Tatsache ist: Die Zahl der Demonstrationen steigt, aber nicht gleichermaßen die der heißgelaufenen. Das ist der beste Beweis dafür, daß diese Reform von da-



Dr. de With
mals wirkt, daß Bürger und Polizeibeamte sich daran gewöhnt haben.
Was Sie hier vorschlagen, kann aus drei Gründen juristisch nicht akzeptiert werden. Einmal soll mir einer klarmachen, wie man hinterher beweisen will, wenn eine Demonstration nur zu einem Teil aufgelöst worden ist, wer zum bösen und wer zum guten Teil gehört hat. Polizei und Staatsanwalt werden überfordert sein.
Zum zweiten: Sie kehren den guten alten Grundsatz „in dubio pro reo" — im Zweifel für den Angeklagten — ins genaue Gegenteil um:

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

in dubio contra reum — im Zweifel gegen den Angeklagten —; denn der muß beweisen, daß er ein Abwiegler ist. Gelingt ihm das nicht, dann bestrafen Sie ihn. Das ist ein Grundsatz, der mit einer Ausnahme unserem Strafrecht fremd ist.
Ich sage ein drittes: Herr Olderog hat erwähnt, in Krefeld, in Berlin und sonstwo habe es unendlich viele verletzte Polizeibeamte gegeben und natürlich auch — das hat er vergessen zu sagen — verletzte Demonstranten. Das bedauern wir natürlich. Aber dafür gibt es ja schon Gesetzesinstrumente. Das ist strafbar.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das funktioniert doch nicht!)

Ihnen geht es darum, den Stehenbleiber zu bestrafen, der zum Teil überhaupt keine Möglichkeit hat, wegzugehen. Ich frage mich: Was soll es, wenn Sie das, was in Nürnberg passiert ist — wo Gott sei Dank die etwa 150 Festgenommenen sämtlich freigesprochen wurden oder wo das Verfahren eingestellt wurde —, potenzieren möchten?
Aber das, was hier juristisch schluderig vorgeschlagen wurde, hat auch eine tiefere politische Wirkung. Diese darf nicht unterschlagen werden. Als wir Sozialdemokraten — wie ich schon sagte: 1970 mit der damaligen FDP — im Rahmen der Strafrechtsreform den Tatbestand des Landfriedensbruchs vom kaiserlichen Verdachtsrecht, vom Muff obrigkeitsstaatlichen Denkens befreit haben, war das zugleich ein Signal an die 68er-Generation. Diese hat es wohl verstanden. Die jungen Leute damals haben Staat und Gesellschaft wieder akzeptiert. Sie wollen heute das Rad der Geschichte zurückdrehen.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Keiner will zur Lösung 1970 zurückgehen!)

Sie wollen den polizeistaatlichen Satz wieder fröhliche Urständ feiern lassen: mitgefangen, mitgehangen. Nichts anderes verbirgt sich hinter Ihrem Gesetzesvorschlag, der als pure Restauration bezeichnet werden muß.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In Ihren Sonntagsreden fehlen selten Hinweise auf die offene Gesellschaft, auf den Pluralismus, auf das Toleranzgebot und auf die Verantwortung des einzelnen. Was Sie hier tun, ist genau das Gegenteil dessen, was Sie frommen Gesichts vortragen. Sie kollektivieren nämlich das Strafrecht, minimieren
die Toleranz und kujonieren obendrein die Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Umfang des Rechts der freien Versammlung war stets ein Gradmesser der wirklichen, erlebbaren Freiheit und natürlich — wie konnte es anders sein — nicht selten ein Instrument der Herrschenden gegen die mißliebige Opposition. Nicht umsonst steht das Recht der freien Versamlmung im Grundrechtskatalog unserer Verfassung, nicht umsonst war es eine Hauptforderung der 48er, der Paulskirche, und nicht umsonst haben es Sozialdemokraten unter dem Sozialistengesetz im letzten Jahrhundert hautnah gespürt. Nicht umsonst haben die Herren Zimmermann und Spranger — er ist jetzt hier —, wie ich glaube: bedrohlich, in diesem Zusammenhang auf den heißen Herbst verwiesen. Er ist friedlich verlaufen, obwohl es die größten Massendemonstrationen waren, die je in der Geschichte dieser Republik vorgekommen sind, und obwohl das Strafrecht galt, das Sie so bekämpfen. Nein, wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, daß sich unser Strafrecht bewährt hat, dann war es der Herbst.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das hat doch gar nichts mit dem Strafrecht zu tun! Darum geht es doch nicht! Das war doch eine friedliche Demonstration!)

Es funktioniert!
Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich werfe Ihnen nicht schlechthin Verfassungsbruch oder Mißachtung der Verfassung vor,

(Lachen bei der CDU/CSU)

wiewohl die Erweislichkeitsregelung, die Umkehr der Beweislast, nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich spreche nicht davon, daß in Zukunft das freie Versammlungsrecht allein auf dem Papier stehen wird. Nur, Sie schränken das Recht auf freie Demonstration ein, und Sie eröffnen der Manipulation Möglichkeiten. Am schlimmsten ist: Sie schüchtern ein.

(Zuruf von der SPD: Das ist es! — Schily [GRÜNE]: Genau!)

Wer in Zukunft demonstriert, wer friedlich demonstriert, läuft ein hohes Risiko.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

Er kann in ein Strafverfahren verwickelt werden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Bisher konnte man Gewalttaten begehen, ohne daß man ein Risiko einging!)

Er kann mit hohen, ja, sogar mit existenzbedrohenden Ersatzforderungen konfrontiert werden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Geschäfte wurden geplündert, Scheiben wurden eingeschlagen! Das war alles ohne Risiko!)




Dr. de With
und es muß als Staatsbediensteter — Herr Spranger, Sie wissen es — zumindest in Bayern mit Disziplinarverfahren rechnen.
Deswegen widersprechen die Sozialdemokraten dem Überweisungsvorschlag ebenso wie dem Verschärfungsantrag des Bundesrates zur Sachbeschädigung, der in dieselbe Richtung zielt.
Was die Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anlangt, so ist das altes sozialdemokratisches Gedankengut. Um die Grundsache streiten wir nicht. Wir können im Rechtsausschuß nur darüber rechten, wie diese Kontaktperson ausgewählt werden soll und wer sie auswählt, damit nach Möglichkeit auch hier Manipulation ausgeschlossen bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere an die Nachdenklichen — ich hoffe, es gibt noch solche bei der CDU/CSU und auch bei der FDP —, und ich darf das mit einem Wort von Goethe untermauern, in dem er das schlechte Recht so kritisiert hat:
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit dir geboren ist, von dem ist leider nie die Frage.
Ich hoffe, es kommt nicht so, wie Goethe es formuliert hat. Wir rechnen immer noch mit Ihnen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005707000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1005707100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Vorbemerkungen: Herr Kollege Vogel, wenn dieser Gesetzentwurf wirklich ein zentraler Angriff auf den Rechtsstaat wäre, hätte ich mir allerdings gewünscht, daß Ihre Fraktion während der Debatte etwas stärker vertreten gewesen wäre.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir schätzen das nicht ganz so dramatisch ein.

Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Olderog: Sie haben in interessanter Weise auf ausländisches Recht hingewiesen. Wenn ich richtig informiert bin, beziehen sich diese Rechte allerdings auf Zusammenrottungstatbestände, also auf Menschenmengen, die in der Absicht, Gewalt auszuüben, zusammenkommen oder das in ihrer Gesamtheit tun.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Nicht nur!)

Wir werden das sicher im einzelnen nachsehen können.
Ich möchte zunächst dem Justizminister dafür danken, daß er den Gesetzentwurf eingebracht hat, der ja vollkommen der Koalitionsvereinbarung entspricht

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie fühlen sich doch gar nicht wohl in Ihrer Haut!)

und damit ein Ausgangspunkt für die parlamentarische Behandlung ist, die notwendig ist und bei der
keiner von vornherein dem anderen bösen Willen unterstellen sollte.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Dafür sollten Sie sich nicht hergeben!)

Kein Strafgesetz hängt so eng mit dem Selbstverständnis des Staates zusammen wie der Straftatbestand des Landfriedensbruchs. Kein Staat kann private Gewalt dulden, ein Rechtsstaat schon gar nicht. Aber auch kein Grundrecht hängt so eng mit dem Selbstverständnis des Bürgers zusammen wie das Demonstrationsrecht. Es ist das Recht der gemeinsamen öffentlichen Willensäußerung gegenüber denjenigen, die zu politischen Entscheidungen berufen sind.
Darum ist auch die Versuchung groß, zuerst zu fragen, wer dann da demonstriert hat und wie, statt zu fragen, warum. Die Versuchung ist groß, sich nur darum zu kümmern, daß die Polizei damit fertig wird, anstatt zu begreifen, daß die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung nichts an der Ursache einer Demonstration ändert. Zahlreiche und vor allem große Demonstrationen sind nicht etwa die Ursache für gesellschaftliche und politische Spannungen, sondern ihre Folgen. Kein Staat kann die Ausübung von Gewalt dulden, aber die Ausübung von Gewalt ist fast immer ein Zeichen dafür, daß politische Fehler gemacht wurden.
Wir wollen nicht das Recht auf Demonstration einschränken. Wir wollen die Ausübung des Demonstrationsrechts sichern, und wir müssen uns darum mit dem Landfriedensbruchtatbestand selbst befassen. Wir haben 1970 den damals über 100 Jahre alten Landfriedensbruchtatbestand trotz der massiven Studentenunruhen Ende der 60er Jahre reformiert. Er hatte keinesfalls verhindert, daß damals fast 40 % aller Demonstrationen gewaltsam verliefen, gegenüber heute unter 3 % im Bundesdurchschnitt. Das haben Sie, Herr Kollege Schnoor, ausgeführt. Das führt natürlich auch im Umkehrschluß zu der Überlegung, daß von dem, was wir hier gesetzgeberisch überlegen, 97 % aller Demonstrationen erfreulicherweise überhaupt nicht berührt werden.

(Minister Dr. Schnoor [Nordrhein-Westfalen]: Dann lassen wir es doch!)

Wir wollten, daß sich nur derjenige strafbar macht, der selbst Gewalt ausübt, dabei unterstützt und hilft, und wir sind mit dieser Regelung nicht schlecht gefahren. Trotz dieser Reform ist das Demonstrationsrecht unverändert von einem Zaun von Strafdrohungen umgeben: dem Landfriedensbruch, der Nötigung, Straf- und Bußgeldandrohungen nach Versammlungsrecht und Ordnungswidrigkeitengesetz von zum Teil erheblicher Höhe, mit denen man übrigens auch das Vermummungsproblem meiner Meinung nach sachgerecht lösen kann.

(Zustimmung des Abg. Dr. de With [SPD])

Viele dieser Bestimmungen waren in der Praxis in Vergessenheit geraten. Dazu gehört insbesondere der in dieser Diskussion mehrfach erwähnte § 113 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der jeden



Dr. Hirsch
mit einer hohen Geldbuße bedroht, der sich trotz polizeilicher Aufforderung nicht aus einer Menschenmenge entfernt, oder mit § 116, der den sogenannten Anheizer erfaßt. Es ist bemerkenswert, daß die Polizei von dieser gesetzlich gegebenen Möglichkeit, eine Menschenmenge unter Strafdrohung aufzufordern auseinanderzugehen, praktisch keinen Gebrauch gemacht hat. Wir müssen im Laufe der Beratung untersuchen, warum das so war.
Trotzdem hat es polizeiliche Probleme gegeben. Die politische Tätigkeit blieb nämlich trotz der veränderten Rechtslage in erster Linie darauf ausgerichtet, eine Demonstration oder einen Landfriedensbruch als Menschenmenge zu behandeln, und sie war nicht darauf ausgerichtet, individuelle Täter zum Zweck der Strafverfolgung festzustellen. Diese polizeiliche Einsatzkonzeption wird erst seit relativ kurzer Zeit geändert, und das war dringend nötig. Es hatte auch heftige Emotionen und Auseinandersetzungen gegeben, wenn die Polizei begann, sich aufheizende Demonstrationen zu Beweiszwecken zu filmen. Das ist auch notwendig. Die Sorge aber, fotographiert und dann irgendwo in Archiven oder Computern gespeichert zu werden, ist auf der Seite der Demonstranten um so größer, je weniger solcher Speicher kontrolliert werden dürfen und je berechtigter die Sorge ist, wegen der bloßen Teilnahme an einer solchen Demonstration berufliche oder sonstige Nachteile zu erleiden, auch wenn man sich selbst nicht strafbar gemacht hat.
In der Polizei hat es Unverständnis hervorgerufen, wenn ein Täter, der tatsächlich Gewalt ausgeübt hatte, festgenommen, dem Richter vorgeführt, von ihm wegen fehlender Fluchtgefahr freigelassen und am nächsten Wochenende erneut bei einer Gewalttätigkeit angetroffen wurde. Der Täter legt seinen Personalausweis vor, sagt zur Sache nichts und hat gute Chancen, damit davonzukommen. Durch die lange Dauer der Verfahren entsteht bei Tätern und Polizeibeamten der Eindruck, daß es in Wirklichkeit eine Strafe wegen der Begehung von Gewalt nicht gebe.
Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen. Aber man muß hinzufügen, daß diese praktischen polizeilichen Probleme mit der vorgelegten Novelle jedenfalls nach dem Urteil vieler Praktiker kaum gelöst werden. Gerade bei großen Menschenmengen — nur dann bekommt die Befugnis zur Auflösungsandrohung praktische Bedeutung — gerät die Polizei in die Lage, auch solche Demonstranten festnehmen zu können oder zu müssen, die sich nicht entfernen, weil sie für ein politisches Ziel demonstrieren wollen und weil sie sich das auch durch Gewalttäter nicht kaputtmachen lassen wollen. Wer trifft dann die Auswahl, welche und wie viele dieser Personen dann festzunehmen sind? Die Strafvorschrift könnte in der Tat Gewalttäter geradezu anreizen, sich unter die anderen Demonstranten zu mischen, um damit falsche Solidarisierungen zu erreichen. Man kann nicht das Wasser bestrafen, weil es den Fisch beherbergt. Es kann ja nicht einmal entscheiden, ob es ihn beherbergen will.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen in einer sorgfältigen Anhörung der Praktiker hören, Polizeibeamte, erfahrene Einsatzleiter, Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, aber auch die Vertreter größerer Organisationen. Die Lösung, die wir finden, muß praktikabel sein. Darum muß die notwendige Anhörung von allen Seiten mit der wirklichen Bereitschaft aufgenommen werden, darauf ein unvoreingenommenes Sachgespräch aufzubauen.
Wir müssen uns auch sehr sorgfältig über die Folgen aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall Schubart informieren und auch über die der außerordentlich interessanten Entscheidungen der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Krefeld, die äußere Umstände wie den Besitz von Steinen, eines Knüppels, die äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Gruppe als ausreichenden Tatbestand für die Mittäterschaft beim Landfriedensbruch gelten läßt und damit einen wesentlichen Teil der bisherigen Beweisschwierigkeiten beseitigt, ohne eine massenweise Kriminalisierung zu schaffen. In der Wirkung kommen diese Urteile dem Grundgedanken des sogenannten Hübner-Entwurfes sehr nahe, ohne daß es dazu einer Gesetzesänderung bedurft hätte.
Lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen: Unsere Gesellschaft ist unter dem Eindruck politischer Sorgen in der Gefahr, sich zu desintegrieren. Die Menschen, die daran zweifeln, ob wir auf dem richtigen Weg sind, wollen sich über Wahlen hinaus äußern und ihre Meinung demonstrieren. Was könnten sie denn sonst auch tun? Wir hatten keinen „heißen Herbst", weil sich die Überzeugung durchgesetzt hat, daß die Anerkennung der Ernsthaftigkeit einer politischen Überzeugung mit der Gewaltlosigkeit verbunden ist. Dabei sollte es bleiben. Diesen Prozeß darf man nicht ohne zwingende Not stören.

(Beifall bei der SPD)

Darum wiederhole ich, was ich von hier aus schon oft gesagt habe, daß nach unserer Überzeugung die Autorität des Staates nicht in erster Linie auf seiner Macht beruht, sondern auf der Anerkennung des Bürgers, daß es sein Staat ist, seine Verfassung, seine Freiheit und sein Recht.

(Beifall bei der SPD)

Und darum fordern wir alle Seiten dieses Hauses auf, in diesem Sinne und mit dieser Zielsetzung gemeinsam zu prüfen, ob wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf oder einer anderen Entscheidung dieses gemeinsame Ziel, dem eigentlich alle Fraktionen dieses Hauses verpflichtet sind, erreichen können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005707200
Meine Damen und Herren, es liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor. Dazu hat der Herr Abgeordnete Porzner das Wort.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID1005707300
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Das Thema, das der Deutsche Bundestag heute vormittag behandelt, ist von au-



Porzner
ßergewöhnlicher Bedeutung, wie wir aus den Redebeiträgen hörten.

(Seiters [CDU/CSU]: Deswegen sind so viele Sozialdemokraten im Saal!)

— Was ich sage, richtet sich nicht gegen die Fraktion der CDU/CSU oder die der FDP. Ich spreche, weil ich mir Sorgen um die Selbstachtung des Parlaments mache. Ich stelle deswegen den Antrag, bei der Entscheidung über die Überweisung dieser Gesetzentwürfe die Beschlußfähigkeit des Hauses festzustellen.

(Seiters [CDU/CSU]: 20 SPD-Leute sind im Saal! Das ist unwürdig!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005707400
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Bötsch.

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID1005707500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich rege an, gemäß § 45 Abs. 2, letzter Satz der Geschäftsordnung die Sitzung vor dieser Abstimmung auf kurze Zeit auszusetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005707600
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur Debatte vor. Ich möchte deshalb zunächst einmal die Aussprache schließen.
Ich will auf das hinweisen, was jetzt mit der Feststellung der Beschlußfähigkeit verbunden wird: Der Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe des Bundesrates und der Bundesregierung auf den Drucksachen 10/308, 10/901 und 10/902 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß zu überweisen.
Eine Fraktion hat verdeutlicht, daß sie gegen die Überweisung zu stimmen beabsichtigt. Deshalb muß eine Abstimmung stattfinden.
Wir haben darüber hinaus einen Antrag auf Feststellung der Beschlußfähigkeit, der jetzt in Verbindung mit der anderen Abstimmung erfolgen wird.
Ich werde die Sitzung um 12.20 Uhr durch den Aufruf der Abstimmung fortsetzen, bei der so zu stimmen sein wird: Diejenigen, die mit dem Überweisungsvorschlag einverstanden sind, werden gebeten, durch die Ja-Tür hereinzukommen. Diejenigen, die gegen die Überweisung sind, werden gebeten, mit Nein zu stimmen. Enthaltungen ergeben sich von selbst.
Ich vertage die Sitzung auf 12.20 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.12 Uhr bis 12.20 Uhr)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1005707700
Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Ich bitte die Abgeordneten, den Saal zunächst zu verlassen.
Ich eröffne die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich frage, ob noch Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen wollen. —
Ich frage erneut, ob es noch Abgeordnete gibt, die an der Abstimmung teilnehmen wollen. — Wenn ja, bitte ich sie, in den Saal zu kommen. —
Ich bitte die Schriftführer, die Türen zu schließen und das Ergebnis auszuzählen. —
Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Am besten ist es, wenn Sie Platz nehmen.
Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Auszählung der Abstimmung über den Überweisungsantrag bekannt. Dabei war auch über die Frage zu entscheiden, ob wir beschlußfähig sind.
222 Abgeordnete haben ihre Stimme bei der Auszählung abgegeben. Von ihnen haben mit Ja 220, mit Nein 2 gestimmt. Es gab keine Enthaltung.
222 Stimmen reichen nicht für die Feststellung der Beschlußfähigkeit. Dazu brauchen wir 261.
Ich stelle fest, daß die Beschlußfähigkeit nicht vorhanden ist.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Dank einer schmalbrüstigen SPD! — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Weil die SPD ihre Leute weggeholt hat! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP)

Es wird Aufgabe des Ältestenrats sein, die abschließende Behandlung der Tagesordnungspunkte 12 bis 14 festzulegen.
Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. März 1984, 13 Uhr ein.