Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 10/683 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf.
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Böhm wird auf seinen Wunsch hin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf.
Die Fragen 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Catenhusen sollen schriftlich beantwortet werden. Es wird so verfahren. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Krizsan auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird wie in der Geschäftsordnung vorgesehen verfahren.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Spöri auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis über die geplante zeitliche Staffelung der Nachrüstungstermine an den Pershing-Il-Standorten in der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Herr Präsident, Herr Kollege Spöri hat gebeten, seine Fragen 6 und 7 zusammenhängend zu beantworten. Ich darf dies tun.
Dann rufe ich auch die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Spöri auf:
Zu welchem geplanten Zeitpunkt wird der Nachrüstungsbeschluß des Deutschen Bundestages vom Dienstag, dem 22. November 1983, am bisherigen Pershing-I-Standort Heilbronn mit der Stationierung von Pershing-Il-Raketen vollzogen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist durch die Vereinigten Staaten von Amerika unterrichtet. Einzelheiten über Ablauf und Zeitpunkte von Stationierungsabschnitten unterliegen der Geheimhaltung und werden durch die Bundesregierung nicht bekanntgegeben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wir haben uns über diese Geheimhaltungspraxis in diesem Hause schon öfter unterhalten. Es trifft zwar zu, daß sich diese und auch frühere Bundesregierungen verpflichtet haben, diese Geheimhaltungspraxis zu betreiben. Aber ist es nicht so, daß diese Geheimhaltung keine zwingende Vorschrift auf der Basis der NATO-Norm ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben bezüglich der Lagerorte von nuklearen Waffen eine zwingende, uns bindende vertragliche Abmachung, diese nicht bekanntzugeben. Wir haben darüber hinaus durch Beschlußfassung im Bundessicherheitsrat 1980, 1981, durch unsere Regierung 1983 verstärkt, die bindende und uns auch zwingende Beschlußlage, jedwede Standorte nuklearer Verbände, so auch nicht die Stationierungsorte von Pershing II oder Cruise Missiles, nicht bekanntzugeben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Die Festlegungen der früheren und der heutigen Bundesregierung in dieser Frage sind mir bekannt. Aber zeigt nicht die Praxis gerade z. B. im amerikanischen Senat, wo derartige Standorte auch in Senatsprotokollen offengelegt werden, daß es bei NATO-Staaten durchaus andere Möglichkeiten der Praxis im Hinblick auf Informationen zu Standorten geben kann und daß es an der Entscheidung der jeweiligen Bundesregierung und ihrer Haltung liegt, auch diese Bindung aufzulösen?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es liegt in der Tat an der Haltung der jeweiligen Bundesregierung. Hier gibt es eine gleiche Verhaltensweise aller Bundesregierungen ohne Unterbrechung, die sehr wohl sieht, beobachtet und auch kritisch abwägt, was verbündete Regierungen in diesem Zusammenhang tun. Die Bundesregierung
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Parl. Staatssekretär Würzbachsieht aber keinen Anlaß, von der bisher üblichen, von uns auch eingehaltenen Verhaltensweise abzuweichen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, auch mir ist natürlich hinlänglich bekannt, was Sie gegenwärtig als Praxis beschreiben. Kann diese Bundesregierung in ihrem Lernprozeß nicht möglicherweise doch zu der Überlegung kommen, daß es nicht sinnvoll ist, etwas geheimzuhalten, was hinlänglich bekannt ist, oder — anders ausgedrückt — was aus öffentlichen Quellen bekannt ist, so daß es nicht gerechtfertigt ist, daß sich die Bundesregierung in diesem Punkt mit irgendeiner Begründung noch verweigert?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, natürlich überprüft unsere Regierung wie die vorher, ob möglicherweise bestimmte Dinge neue Ansätze aufzwingen oder anbieten, gefaßte Beschlüsse zu überprüfen. Dies geschieht und dies geschah, und dennoch sind wir auf Grund der Dinge, die Sie soeben beispielhaft nannten, zu der Auffassung gelangt, bei der bisher üblichen Verfahrensweise zu bleiben, es sei denn — dies würden wir sehr begrüßen —, daß mit uns auch die Sowjetunion im Osten alle Standorte, über die wir hier reden, offenlegt. Dann werden wir unsere zeitgleich offenlegen.
Herr Abgeordneter Spöri, eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Präsident, ich habe vier Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, ist es nicht ein etwas merkwürdiger Widerspruch, daß die Bundesregierung auf der einen Seite die Mehrheitsentscheidung dieses Bundestages vom letzten Dienstag zur Stationierung von Pershing-Il-Raketen unterstützt und sich voll dazu bekennt und daß sich die Bundesregierung auf der anderen Seite weigert, nach Ihren Äußerungen, z. B. der lokal betroffenen Bevölkerung in meinem Heimatwahlkreis Heilbronn zu sagen, wann und wo diese Pershing-Il-Stationierung konkret vollzogen wird?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe darin keinerlei Widerspruch.
Weitere Zusatzfrage.
Wenn Sie darin keinen Widerspruch sehen, dann möchte ich Sie noch einmal fragen, was aus Ihrer Sicht die Bürger einer solchen Pershing-I-Standortregion eigentlich von den Sonntagsreden über den mündigen Bürger halten sollen, wenn von seiten einer Gemeinde aus nicht einmal die Möglichkeit besteht, Informationen darüber einzuholen, was sich in dieser Richtung auf ihrer Markung entwickelt oder läuft?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach der Einschätzung der Bundesregierung und auch nach meiner eigenen Erfahrung hat gerade der von Ihnen beschriebene mündige, kritische, aufgeweckte und anteilnehmende Staatsbürger Verständnis dafür, daß wir uns, solange es nicht so ist, wie ich eben beschrieb, daß auch der Osten gleichzeitig mit uns bestimmte Standorte offenlegt, aus Geheimhaltungsgründen ähnlich verhalten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heyenn.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, in Ihrer Regierungszeit ist es der Bevölkerung allgemein bekannt geworden, daß man sich umfassende Informationen über die Standorte der Mittelstreckenraketen in den Vereinigten Staaten besorgen kann. Können Sie mir, vielleicht in einer Form, die auch für die Bürger verständlich ist, einmal erklären, welchen Sinn Ihre Informationsverweigerung noch macht, wenn sich jeder interessierte Bürger diese Daten in den USA beschaffen kann?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Dinge, die Sie in Ihrer Fragestellung unterstellen, treffen so nicht zu. Mir sind nicht bekannt Papiere, woraus diese Aussagen und Angaben hervorgehen. Gibt es solche Papiere, werden sie — eine Gepflogenheit aller Regierungen von uns — weder bestätigt noch dementiert.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Bürger etwaiger Stationierungsstandorte durch die uns bedrohenden Waffen nicht mehr und nicht weniger gefährdet sind als alle Bürger dieses Landes?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Diese Ihre Auffassung teile ich.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung nicht davon aus — dies gilt sowohl für den Westen als auch für den Osten —, daß die jeweils andere Seite über solche möglichen Stationierungsstandorte doch Bescheid weiß, und wie verträgt sich dies, daß die Gegenseite Bescheid weiß, dann damit, daß die eigene Bürgerschaft darüber nicht informiert wird?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, leider müssen wir davon ausgehen — wissend, wie dicht das Netz der Spionage von sowjetischer Seite hier bei uns ist —, daß die einen oder anderen Erkenntnisse, die bei uns den Grad „Geheim" oder „Streng geheim" haben, drüben vorhanden sind. Nur kann uns dies überhaupt nicht dazu verleiten, nun alle Bücher, die aus guten Gründen „Geheim" sind, zu öffnen.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, ich glaube, es geht nicht um die Öffnung aller Bücher, sondern es geht konkret um die vom Kollegen Spöri gestellten Fragen. Da, meine ich, ist doch sehr wohl die Frage berechtigt, da die Bundesregierung selbst davon ausgeht, ...
Herr Abgeordneter Kirschner, bitte kommen Sie zu der Frage.
... daß die Gegenseite Bescheid weiß, ob nicht dem deutschen Staatsbürger gegenüber Aufklärung nötig wäre.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß die Gegenseite generell Bescheid weiß. Ich habe auf Ihre Frage eingeräumt, daß leider manche Dinge, die aus guten Gründen geheimgehalten werden, drüben bekannt sind. Ich habe auf die Fragen des Kollegen Spöri sehr konkret geantwortet, warum wir im jetzigen Zeitpunkt die Standorte, nach denen Sie fragen, nicht bekanntgeben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ich habe Verständnis dafür, daß Sie die Standorte nicht bekanntgeben wollen, weil die jeweiligen Stellungen möglicherweise sehr beweglich und bereits vermessen sind. Darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, die sogenannten Parkplätze für diese Raketen bekanntzugeben.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, kann ich, nachdem Sie die Geheimhaltung bei uns mit der Geheimhaltung im Warschauer Pakt begründen, davon ausgehen, daß Sie dann die Offenlegung der Standorte durch die amerikanische Regierung kritisieren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die hat sie nicht offengelegt, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 8 und die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Sielaff sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Soldaten in Uniform z. B. an Parteiveranstaltungen als politisch Interessierte teilnehmen , und wenn ja, wie vereinbart sich dieses Auftreten der Soldaten in Uniform mit der Erlaßlage, die aktiven Soldaten eine politische Betätigung in Uniform untersagt?
Bitte sehr.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Klejdzinski, nach § 15 Abs. 3 des Soldatengesetzes darf der Soldat bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen. Ausgenommen von dem Verbot dieses Paragraphen ist jedoch die dienstliche Teilnahme von Soldaten an einer politischen Veranstaltung.
Bei der in Ihrer Frage angesprochenen Veranstaltung am 17. November dieses Jahres handelte es sich um eine öffentliche Vortragsveranstaltung des Kreisverbandes Essen einer politischen Partei, an der auch der Bundesminister der Verteidigung Dr. Manfred Wörner teilnahm. Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Für Frieden und Freiheit". Zu der Veranstaltung waren neben Vertretern der Öffentlichkeit auch Soldaten des Standortes eingladen.
Da es sich bei der Veranstaltung um eine politische im Sinne des genannten Paragraphen handelte, nahmen in Uniform als offizielle Vertreter der Bundeswehr nur der Standortälteste und ein Vertreter der Unteroffiziere des Standortes teil, so wie dies üblich und gang und gäbe ist. — Sie erinnern sich an das Forum der SPD zur Sicherheitspolitik. — Dies entspricht dem Erlaß „Uniformtragen bei politischen Veranstaltungen".
Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie dann mit mir in der Analyse der Meldung in der Zeitung, wonach auch zahlreiche in Essen stationierte Soldaten, die zum Teil in Uniform erschienen waren, applaudiert haben, überein, daß die in Uniform erschienenen Soldaten lediglich die offiziell abgeordneten Soldaten waren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wiederhole, daß die beiden einzigen in Uniform Anwesenden — wir haben angeordnet, daß, wenn der Standortälteste geht, ein Unteroffiziersvertreter mitgeht — in dienstlicher Eigenschaft dort gewesen sind.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie in Beantwortung meiner Frage ausgeführt haben, daß nur zwei Soldaten in Uniform im Saale anwesend waren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: So sind mir bei der Vorbereitung auf diese Fragestunde, Herr Kollege, die Unterlagen aufbereitet worden: zwei Soldaten in Uniform in der von mir zweimal beschriebenen dienstlichen Eigenschaft.
Weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Duve.
Herr Staatssekretär, ich möchte die Unsicherheit, die eben bei Ihnen in der Beantwortung der vorigen Frage geherrscht hat, gerne zu einer Sicherheit bringen und Sie deshalb fragen: Ist denn bei dieser dienstlichen Anordnung der Teil-
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Duvenahme bei Parteiveranstaltungen auch geregelt, ob der Applaus oder die Mißfallenskundgebung des beteiligten uniformierten Soldaten als eine dienstliche Beifallskundgebung oder eine außerdienstliche, also private im Sinne des Staatsbürgers in Uniform oder außerhalb der Uniform, zu werten ist?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die mir unterstellte Unsicherheit brauche ich von mir aus nicht zurückzuweisen, weil sie keiner außer Ihnen, der es wollte, so hat erkennen können.
Über Applaus oder Nicht-Applaus und Verhalten bei Applaus ist in dem Erlaß, den ich genannt habe, nicht die Rede, und wir beabsichtigen auch nicht, solche Dinge zu regeln.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung sicherstellen, daß künftig bei allen Veranstaltungen jeweils nur zwei Soldaten abgeordnet werden und in einem Fall, wo mehr Soldaten in Uniform anwesend sein könnten, der jeweils ranghöchste Offizier Anweisung gibt, daß nicht mehr als zwei uniformierte Soldaten im Saal sein dürfen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich werde veranlassen, daß Sie noch einmal den Erlaß in die Hand bekommen, in dem sehr klar beschrieben ist, zu welchen Veranstaltungen eine Abordnung gehen darf und wie die auszusehen hat. Wir beabsichtigen nicht, darüber hinaus Dinge zu regeln.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Reservisten, die zu dem Zeitpunkt keine Wehrübung ableisten, formal nicht den einschränkenden Bestimmungen des Erlasses „Politische Betätigung von Soldaten, insbesondere bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen" — veröffentlicht im Ministerialblatt des Bundesministers der Verteidigung, 1980, Seite 533 ff. — unterliegen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung diese Lücke im derzeitig gültigen Erlaß geschlossen, wie es in einem Schreiben des Bundesministers der Verteidigung vom 6. Mai 1983 angekündigt wurde?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Der Bundesminister der Verteidigung hat in seinem Antwortschreiben vom 6. Mai 1983 erklärt, die Frage einer Ergänzung des Erlasses im Hinblick auf Aktivitäten von Reservisten der Bundeswehr außerhalb von Wehrübungen zu prüfen. Zwar gelten für Angehörige der Reservisten die Einschränkungen für die politische Betätigung der Soldaten nach § 15 des Soldatengesetzes nicht. Der genannte Erlaß enthält jedoch eine Regelung, die ehemaligen Offizieren und Unteroffizieren die Benutzung der früheren Dienststellung für politische Werbung untersagt. Ob politische Aktivitäten von Reservisten außerhalb von Wehrübungen und dienstlichen Veranstaltungen im Rahmen der Wehrpflicht dienstrechtlich relevant sind oder nicht, läßt sich nur an der für Offiziere und Unteroffiziere nachwirkenden Pflicht des § 17 Abs. 3 des Soldatengesetzes messen. Eine Verletzung dieser Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten für eine Wiederverwendung im Dienstgrad läßt sich bei einer Wahlwerbung von Reservisten nur nach Prüfung aller Umstände im Einzelfall feststellen. Die bloße Verwendung eines Bildes des Reservisten in Uniform wird noch nicht pflichtwidrig sein. Die Nennung des Dienstgrades mit dem Zusatz „der Reserve" ist zulässig. Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung keinen Anlaß gesehen, nach erfolgter Prüfung, Herr Kollege, die Ihnen zugesagt war, den genannten Erlaß durch weitere Regelungen für Angehörige der Reserve zu überarbeiten.
Zusatzfrage, bitte.
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die mir damals mitgeteilte Lücke, festgestellt vom Bundesminister der Verteidigung, auf Grund der jetzt erfolgten Prüfung Ihrerseits geschlossen ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist nach der Prüfung nicht mehr als Lücke zu bezeichnen, sondern, wie ich es eben, wie ich glaube, umfassend und ausführlich erläuterte, ist der Erlaß so gut handhabbar. Die Dinge, die Sie damals zu Ihrer Frage bewogen — Bild und Nennung des Dienstgrades mit Hinzufügung „der Reserve" —, nehmen wir hin.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es im Hinblick auf die Bundeswehr und die Soldaten, die dort Dienst tun, wirklich für dem eigentlichen Auftrag entsprechend, daß insbesondere in Kampfschriften, die gegen uns Sozialdemokraten gerichtet sind,
Abgeordnete der CDU in Uniform mit Dienstgrad erscheinen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wies im Hinblick auf bestimmte Fälle auf die Notwendigkeit der Prüfung des Einzelfalles hin. Hier gibt es keine generelle Lösung. Wir müssen uns darüber unterhalten, daß in Kampfschriften — die der Union können Sie damit nicht gemeint haben — bestimmte Dinge, die Sie bewegen, im Einzelfall überprüft werden müssen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß kommunale Abgeordnete der GRÜNEN auf Grund ihrer politischen Arbeit beruflichen Schwierigkeiten in der Bundeswehr ausgesetzt sind, und wenn ja, wie wird sie darauf reagieren?
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Würzbach, Pari. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, solche Vorgänge sind nicht bekannt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre Antwort, daß die Aberkennung der Sicherheitsstufen I, II und III für einen Abgeordneten der GRÜNEN im Segeberger Kreistag nicht im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten steht, sondern daß diese Aberkennung und das möglicherweise einzuleitende Verfahren im Zusammenhang mit den §§ 7, 8, 14, 16 und 17 des Soldatengesetzes stehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie fragen nach Ihrer eingereichten Frage, worauf ich Ihnen für die Bundesregierung geantwortet habe, nach einem speziellen personellen Einzelfall, zu dem ich hier nicht zu antworten habe.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie mir sagen, es gibt solche Fälle nicht, und es wird in der deutschen Presse über solche Fälle berichtet, und Ihr Haus dementiert das nicht und der Herr Präsident ...
Bitte, Herr Abgeordneter, kommen Sie zu Ihrer Frage!
... des Bundestages läßt meine Frage zu, würden Sie es nicht für richtig halten, auf meine Frage noch zu antworten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Frage lautet, ob uns Fälle bekannt sind, in denen Soldaten, die in der Partei der GRÜNEN engagiert sind, wegen des Engagements in dieser Partei dienstlichen Nachteilen ausgesetzt sind. Diese Frage habe ich mit Nein beantwortet.
Ihr Abheben auf einen Einzelfall beantworte ich deshalb nicht, weil es die Pflicht der Regierung, die Pflicht des Verteidigungsministers ist, aus mannigfaltigen Gründen, u. a. auch aus dem Ansatz der Fürsorge, in der Öffentlichkeit vor Abschluß — es müßte geprüft werden, ob es nach Abschluß anders wäre — bestimmter Dinge, die überprüft werden, bezogen auf einzelne Personalangelegenheiten öffentliche Mitteilungen zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie sich im nachgeordneten Bereich überhaupt nicht sachkundig gemacht haben, ob es solche Fälle gibt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin sicher, daß Sie diesen Schluß aus meiner Antwort nicht einmal gezogen haben. Sie dürfen das aus ihr auch nicht schließen. Ich habe für jedermann hörbar soeben darauf hingewiesen, daß der Fall — wir leben im norddeutschen Beritt j a eng nebeneinander —, nach dem der Kollege Heyenn hier fragte, im Augenblick in einem persönlichen
Beschwerdeverfahren ansteht und es uns untersagt ist, im Laufe dieser Untersuchungen irgendwelche Äußerungen dazu zu machen, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, wie würde denn, wenn sich der vorhin beschriebene Fall ereignen würde, Ihre Antwort dann lauten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin sicher, Sie wollen nicht — und das wäre auch nicht üblich —, daß wir hier ,,Würde"-Spielchen mit hypothetischen Unterstellungen machen. Ich werde mich daran nicht beteiligen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Duve.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben den nicht gerade parlamentarischen Ausdruck „Beritt" gebraucht. Darf ich Sie fragen, in welchem Zusammenhang Sie diesen Ausdruck für die Umschreibung desjenigen Gebietes verwandt haben, in dem Ihre oder unsere Wähler wohnen, also unseres Wahlkreises?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie mit dem Begriff „Beritt" Probleme haben, setzen Sie „Bereich" an seine Stelle.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:Was wird die Bundesregierung unternehmen, um für die Zukunft sicherzustellen, daß Benachteiligungen von Bundeswehrsoldaten wegen politischer Aktivitäten — zum Beispiel gegen die Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles — außerhalb des Dienstes unterbleiben?Bitte sehr.Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die für die politische Betätigung der Soldaten geltenden Vorschriften haben sich bewährt. Wenn im Einzelfall aus der Verletzung dieser Vorschriften die gesetzlich zulässigen und gebotenen Konsequenzen gezogen werden, sieht die Bundesregierung hierin keine Benachteiligung der betroffenen Soldaten. Dienstliche Verletzungen von Soldaten im Zusammenhang mit politischer Betätigung werden nach denselben Maßstäben gewürdigt, unabhängig davon, ob die Soldaten für eine Auffassung eintreten, die mit der Regierungspolitik in Einklang steht, oder ob sie eine davon abweichende persönliche Meinung vertreten, wie es z. B. jene tun, die sich gegen den Nachrüstungsteil des NATO-Doppelbeschlusses aussprechen. Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, auf eine Änderung der geltenden Bestimmungen über die politische Betätigung der Soldaten hinzuwirken.
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Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß veranlaßt wurde, gegen die Unterzeichner des „Darmstädter Signals" zur Prüfung der Frage zu ermitteln, ob sie sich einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist Aufgabe, Pflicht eines Vorgesetzten, wenn er meint, es liege ein Dienstvergehen vor, zu prüfen, zu ermitteln, wie Sie gesagt haben, um dann zu einer abschließenden Würdigung zu kommen. Die kann heißen: es liegt kein Verstoß vor, und es wird daraus kein Vorgang gemacht. Sie kann aber auch heißen, die Prüfung, ob ein Verstoß vorliegt, zu intensivieren. Die Durchführung der Ermittlung ist jedenfalls Pflicht.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mitzuteilen, auf Grund welcher Aktivitäten der Unterzeichner dieses „Darmstädter Signals" die Ermittlungen eingeleitet wurden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Weil die Vorgesetzten einiger dieser Soldaten die Meinung hatten, daß möglicherweise ein Verstoß gegen die genannten Paragraphen des Soldatengesetzes betreffend politische Betätigung vorliegt, waren sie verpflichtet, diese Meinung durch Aufnahme einer formellen Überprüfung zu prüfen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Heyenn möchte ich Sie fragen, ob und, wenn j a, wieviele Ermittlungsverfahren gegen Soldaten der Bundeswehr, die in Uniform an den großen Demonstrationen am 22. Oktober teilgenommen haben, eingeleitet sind.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das müßte ich zusammenstellen lassen. Die Zahl ist so unbedeutend, daß ich sie nicht im Kopf habe. Wäre sie groß, wäre sie mit Sicherheit in der Leitung des Ministeriums häufiger bewegt worden.
Ich möchte aber jetzt bitte hier noch einmal zwei Dinge ansprechen. Das eine ist folgendes. Wir benutzen das Wort, das der Kollege prägte, Ermittlung. Das ist eine disziplinarische Würdigung des untersten militärischen Vorgesetzten, des Chefs, des Kommandeurs, der prüft und abwägt und etwas tut oder nicht tut. Ich möchte das noch einmal ansprechen, weil das etwas anders zu gewichten ist als andere Dinge, über die wir uns im Augenblick unterhalten. Bezogen auf Ihre Frage betreffend die großen Demonstrationen möchte ich hier sehr wohl mitteilen, daß wir Beobachtungen haben, daß nicht alle aktive Soldaten gewesen sind, die wir über die Bildschirme im Fernsehen an solchen Demonstrationen gesehen haben, sondern daß zuweilen, wohl präpariert und organisiert, Uniformen ausgegeben wurden, die man sich anzog, um vor der Öffentlichkeit so zu tun, als würden hier zahlenmäßig stark auch Soldaten teilnehmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in die disziplinarischen Würdigungsverfahren, wie Sie das genannt haben, auch der MAD, also der Militärische Abschirmdienst, zur Ermittlung eingeschaltet wird? Und wenn ja, halten Sie es für richtig, daß in einem disziplinaren Würdigungsverfahren schon der Militärische Abschirmdienst mitwirkt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie kennen wie ich die Gepflogenheiten und den dienstlichen Auftrag und wissen, daß dies nicht die Regel ist, von der Sie sprachen, und daß in Ausnahmefällen, die leider auch in der Bundeswehr wie in vielen anderen Bereichen unseres Lebens leider immer wieder einmal auftreten, bestimmte Momente, auch solche eines möglichen gefährdenden Verdachts, die Einschaltung eines solchen Dienstes erforderlich machen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Conradi.
Gründet sich die Meinung der Vorgesetzten, hier seien disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren einzuleiten, auf das „Darmstädter Signal" oder auf das Schreiben, das diese Soldaten an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages gerichtet haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei jedwedem möglicherweise als Verstoß zu bezeichnenden Verhalten hat der unterste Disziplinarvorgesetzte zu prüfen, ob ein solcher Verstoß oder ob nicht ein solcher Verstoß vorliegt, ohne damit irgendwelche Dinge zu präjudizieren. Das mag das eine oder andere persönliche Auftreten, das Unterschreiben des einen oder anderen Aufrufs, eine persönliche Beteiligung in verschiedenen Situationen, das mögen die unterschiedlichsten Dinge sein, über die hier pauschal, ich sage einmal, zu philosophieren oder zu diskutieren nicht angebracht ist, weil jeder Einzelfall genauestens, genauestens durch den jeweiligen Vorgesetzten zu prüfen ist. Alles andere wäre ungerecht und unsachlich, würden wir bei der Mannigfaltigkeit unterschiedlicher Situationen auch nur den Versuch machen, etwas pauschal regeln zu wollen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin den Begriff „Fernsehaufnahmen" gewählt. Habe ich das richtig verstanden, daß das Aufnahmen sind, die mit Hilfe von Videokameras angefertigt worden sind?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2681
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe über das Fernsehen und nicht über Videokameras gesprochen. Ich meine damit die Bilder, die von den Fernsehanstalten in der Bundesrepublik in unsere Wohnzimmer kamen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, sind Sie bezüglich der erwähnten Unterzeichnungen von Aufrufen und ähnlichem bereit, davon Aufrufe und Appelle an den Deutschen Bundestag auszunehmen, da nach Art. 17 des Grundgesetzes jedermann das Recht hat, sich mit Bitten oder Beschwerden an den Bundestag zu wenden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Jeder hat das Recht
der freien Meinungsäußerung, auch der Soldat.
Hier gibt es bestimmte Grenzen,
die im Soldatengesetz festgelegt sind, die der Soldat zu beachten hat und die, verstößt er dagegen, die Würdigung erfahren, über die wir hier eben zwei-, dreimal miteinander gesprochen haben.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berger.
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Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß solche Ermittlungen durch die Disziplinarvorgesetzten pflichtgemäß stattfinden müssen und nicht etwa in deren Ermessen gestellt sind?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Dies bestätige und unterstreiche ich. Das ist Pflicht des Vorgesetzten, und zwar im guten wie möglicherweise im schlechten Sinne für den einzelnen Betroffenen oder Nichtbetroffenen, dem dies auch klarzumachen ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breuer.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es derartige Ermittlungsverfahren auch in früheren Zeiten, beispielsweise anläßlich der Teilnahme von Soldaten an Veranstaltungen politischer Parteien, gegeben hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich bestätige, wonach Sie fragen. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß es sich nicht um Ermittlungsverfahren im förmlichen Sinne, sondern um disziplinare Würdigung handelt. Es geht um die Frage: Habe ich etwas einzuleiten? Oder ist dies kein Verstoß gegen irgendeinen Paragraphen des Soldatengesetzes? Solche Würdigungen hat es, seit es unsere Streitkräfte gibt, zu allen Zeiten gegeben. Es muß sie geben. Im Interesse der Soldaten muß diese Würdigung, dieses Abwägen, diese Untersuchung vorgenommen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Antwort, die Sie dem Kollegen Peter gegeben haben, bereit, Ihre Erklärung auch einmal vor dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages abzugeben, zumal es in Art. 17 des Grundgesetzes heißt: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, „mit Bitten oder Beschwerden" — dies darf jeder Soldat in der dort niedergelegten Form uneingeschränkt tun. Dafür, daß dieses Recht jedermann gewährleistet wird, steht u. a. die Bundeswehr.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Heistermann.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihren Antworten jetzt entnehmen, daß jede politische Betätigung eines Soldaten, egal, in welcher Gruppe oder Partei, dienstlich nach sich zieht, daß der jeweilige Dienstvorgesetzte die Haltung des betreffenden Soldaten überprüft, daß aber die Überprüfungsergebnisse — darauf lege ich besonderen Wert — nicht Bestandteil der Personalakten werden? Oder ist letzteres nicht zu verhindern?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in der ersten Hälfte Ihrer Frage wollen Sie wissen, ob Sie von etwas ausgehen dürfen. Dies beantworte ich mit einem klaren Nein. Wenn sich ein Soldat politisch betätigt, in welcher demokratischen Partei auch immer, dann hat der Disziplinarvorgesetzte seines Verbandes überhaupt nichts zu unternehmen. Überhaupt nichts! Das bringt für den Soldaten weder Vorteile noch Nachteile in seiner weiteren Förderung, Beförderung oder Beurteilung mit sich. Dagegen ist der Vorgesetzte in Einzelfällen bei einem bestimmten Verhalten in irgendwelchen Situationen, für die ich keine hypothetischen Bilder malen möchte, gerufen, disziplinar zu würdigen, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Ich gehe einmal nicht von einem Soldaten aus, der bloß Mitglied einer Partei ist und dies ansonsten niemandem erzählt, sondern von einem, der sich kommunalpolitisch betätigt, der in kommunalen Gremien mitarbeitet. Im Interesse des Soldaten wird der personalführenden Stelle eine solche Betätigung mitgeteilt, damit dort sein Recht bekannt wird, nicht gegen seinen Willen versetzt zu werden, solange er das Mandat ausübt. Dies ist der einzige Grund, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:Gilt das im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Artikel 5 verbriefte Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht mehr für Soldaten der Bundeswehr, die, wie
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2682 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Vizepräsident Stücklenim Falle des Hauptmanns Carl Alfred Fechner, Kompaniechef in Immendingen, der wegen seines Engagements gegen eine mögliche Aufstellung amerikanischer Mittelstreckenwaffen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa bei voller Beachtung von § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 2 Soldatengesetz mit einer Disziplinarmaßnahme belegt wurde, mit Bestrafung rechnen müssen?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, daß Grundrecht der freien Meinungsäußerung — wir sind in den Bereich eben schon sehr weit hineingegangen — nach Art. 5 des Grundgesetzes gilt für alle Soldaten der Bundeswehr wie für jeden anderen Staatsbürger. Es enthält für den Soldaten die Möglichkeit zur politischen Betätigung und Teilnahme an der politischen Meinungs- und Willensbildung. Soldaten dürfen dabei ihre politische Meinung auch zu sicherheitspolitischen Fragen frei äußern, selbst dann, wenn ihre Meinung von der Auffassung der Bundesregierung abweicht. Ihre staatsbürgerlichen Rechte sind allein durch die gesetzlich begründeten soldatischen Pflichten im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes zulässigerweise eingeschränkt. — Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, daß diese Antwort angesichts ihrer Bedeutung etwas länger ausfallen muß. —Es trifft nicht zu, Herr Kollege, daß der von Ihnen namentlich genannte Soldat — wie es in Ihrer Frage wörtlich heißt — „wegen seines Engagements gegen eine mögliche Aufstellung amerikanischer Mittelstreckenwaffen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa" disziplinar gemaßregelt worden ist.Richtig ist, daß gegen den Soldaten wegen eines ganz konkreten Einzelverhaltens anläßlich einer politischen Demonstration eine einfache Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist. Der Soldat hat dagegen Beschwerde eingelegt, über die nach den gesetzlichen Bestimmungen der Wehrbeschwerdeordnung allein der zuständige nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte zu entscheiden hat. Ihm kann gemäß § 31 Abs. 1 der Wehrdisziplinarordnung nicht befohlen werden, wie er entscheiden soll. Falls dieser der Beschwerde nicht stattgibt, kann der Soldat weitere Beschwerde beim Truppendienstgericht einlegen. Über den Grundsatz der Vertraulichkeit von Personalangelegenheiten habe ich gesprochen. Um diesen Grundsatz insbesondere bei Disziplinarangelegenheiten zu wahren und den Anschein eines unstatthaften Eingriffs in ein schwebendes, gesetzlich abschließend zu regelndes Beschwerdeverfahren zu vermeiden, muß ich Ihnen hier in dem konkreten Einzelfall zunächst nähere Auskünfte vorenthalten. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Präsident, ist es erlaubt, aus einem Leserbrief zu zitieren?
Nein, das ist in einer Aktuellen Stunde und bei einer Aussprache möglich, aber hier ist Fragestunde. Stellen Sie eine Frage. — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, was halten Sie davon, wenn der Vorgesetzte des Herrn Fechner, Herr Lindner, Oberstleutnant und Bataillonskommandeur in Immendingen, in einem von ihm selbst verfaßten Leserbrief feststellt:
Es geht in diesem Fall ausschließlich um das Verhalten eines Soldaten außer Dienst und außerhalb einer militärischen Anlage, jedoch in unmittelbarer Nähe seiner Garnison, der allerdings Offizier und vor allem Kompaniechef ist, und dem damit eine herausragende Verantwortung im Hinblick auf die ihm unterstellten Soldaten von unserem Staat übertragen wurde. In diesem Umfeld haben Achtung und Vertrauen einen besonderen Stellenwert. Hier ist der Disziplinarvorgesetzte in die Pflicht genommen. Herr Hauptmann Fechner hat diese Petition ja in Zivil übergeben.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich greife jetzt mit keinerlei Äußerung ein - ich will Ihnen bestätigen: so sehr sie mich jucken mag, weil ich den Fall ähnlich genau wie Sie kenne —, denn jede Äußerung jetzt wäre ein Eingriff in das im Augenblick laufende Beschwerdeverfahren.
Ich bestätige lediglich die eine Aussage, daß ein Kompaniechef in ganz besonders herausgehobener Form Verantwortung innerhalb und außerhalb des Dienstes trägt.
Eine weitere Zusatzfrage, aber nicht wieder auf diesem Umweg, Herr Abgeordneter Kirschner. — Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, der gleiche Disziplinarvorgesetzte hat betont: „Wenn sich ein Soldat von der Politik einer Regierung abwendet, die bei unerschütterlicher Einbindung in das für uns lebensnotwendige westliche Bündnis
unter der legitimen Führungsrolle der USA wie alle Regierungen bisher nichts anderes verfolgt, als den Frieden in Freiheit zu erhalten, bleibt das für mich ein allerdings nachdenkenswertes Problem." — Wie beurteilen Sie dies im Zusammenhang mit der von Ihnen gegebenen Antwort?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich nehme zur Zeit Ihnen gegenüber — bezogen auf den Mann, nach dem Sie fragen und dem Sie dieses Zitat ja auch unterstellen — keinerlei Würdigung vor. Dies wäre ein Eingriff; es wäre unzulässig und unrechtmäßig, wenn ich es zur Zeit täte, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Hauptmann Fechner eine Petition an den Oberbürgermeister der Stadt Tuttlingen übergeben hat und daß dieser Tatbestand zu einer disziplinarischen Würdigung, wie Sie es nennen, d. h. zu einer einfachen Disziplinarstrafe, einem strengen Verweis, geführt hat?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2683
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich werde der Versuchung widerstehen, im Hinblick auf das jetzt laufende Beschwerdeverfahren für die Bundesregierung Äußerungen vorzunehmen, die nicht nur als Einmischung in die Entscheidung des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten verstanden werden müßten, sondern möglicherweise Einfluß auf die Beschwerde haben und die Strafe bestätigen oder sie aufheben. Sie werden von der Bundesregierung im Sinne einer sauberen Entscheidungsfindung, so meine ich, sogar fordern müssen, daß sie sich in der jetzigen Phase bestimmter Äußerungen zugunsten oder zu Lasten eines Betroffenen — d. h. eines zu belastenden oder zu entlastenden Mannes — enthält.
Weitere Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, bezugnehmend auf Ihre vorherige Aussage, daß gegen den genannten Soldaten auf Grund eines Falles ermittelt wird: Schließen Sie aus, daß dieser Fall die Übergabe einer Petition ist, die nach Art. 17 GG rechtlich abgedeckt ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie kriegen mich nicht dazu, die Vorgänge zu würdigen, die bei dem anstehenden Beschwerdeverfahren eine Rolle spielen. Sie kriegen mich nicht dazu, und zwar auch im Interesse des betroffenen, sich beschwert fühlenden, Beschwerde eingelegt habenden Hauptmanns, über den wir in diesem Fall reden. Wir haben vorhin über Petitionen und Bitten an den Petitionsausschuß gesprochen. Wie auch immer formulierte und gefaßte Zettel, die an irgendwelche Stellen, auf den Straßen und Plätzen, anläßlich von kleinen oder großen Demonstrationen oder Versammlungen übergeben werden, verstehe ich unter dem, worüber wir vorhin sprachen, nicht.
Meine verehrten Damen und Herren, bitte denken Sie daran, daß auch andere Fragesteller gerne noch die Möglichkeit haben möchten, ihre Frage hier mit Zusatzfragen zu versehen. Ich werde jetzt nur noch zwei Zusatzfragen zulassen. Das sind die Fragen von Herrn Klejdzinski und Herrn Berger, die sich beide gemeldet haben.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß der Beruf des Soldaten durchaus im Einvernehmen mit den Zielen der Friedensbewegung ausgeübt werden kann?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe viel weiter als Sie. Der Dienst des Soldaten in unserer Bundeswehr macht die mannigfaltigen Bewegungen, die im Augenblick soviel von sich reden machen, überhaupt erst möglich.
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß das Petitionsrecht der Soldaten mit der früheren Wehrgesetzgebung unter breiter Zustimmung dieses Hauses eingeschränkt worden ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege, durch gesetzliche, mehrheitlich getragene Maßnahmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Schily auf:
Trifft die Schätzung der „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e. V." zu, daß es nach Inkrafttreten des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes und der Verordnung hierzu am 1. Januar 1984 noch bis ca. Mai 1984 dauern wird, bis die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerer konstituiert werden und ihre Arbeit aufnehmen können?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung können ihre Arbeit aufnehmen, sobald die ehrenamtlichen Beisitzer gewählt sind. Dafür zuständig sind die kommunalen Vertretungskörperschaften in den kreisfreien Städten und in den Kreisen. Die Kandidaten sind von den Jugendwohlfahrtsausschüssen zu nominieren. Die Bundesländer sind überwiegend der Auffassung, daß dies aus Rechtsgründen erst nach Inkrafttreten des KriegsdienstverweigerungsNeuordnungsgesetzes möglich ist. Da die kommunalen Vertretungskörperschaften zu unterschiedlichen Zeitpunkten zusammentreten, stehen die Beisitzer nicht sämtlich zur gleichen Zeit zur Verfügung. Wie lange es dauert, bis alle Beisitzer gewählt sind, kann deshalb nicht mit hinreichender Genauigkeit gesagt werden. Nach den vorbereiteten Durchführungsvorschriften, die der Verteidigungsminister rechtzeitig erlassen wird, werden die Ausschüsse und Kammern ihre Arbeit unmittelbar nach der erfolgten Wahl der Beisitzer aufnehmen. Der Bundesrat hat dem dahin gehenden Entwurf einer Rechtsverordnung am 25. November 1983 — also vor wenigen Tagen — zugestimmt.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, für welchen Zeitpunkt rechnen Sie mit der Aufnahme der Arbeit in entsprechenden Ausschüssen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wir rechnen mit der ersten Arbeitsaufnahme noch im Januar, weil die Erfahrung lehrt, daß die ersten kommunalen Gremien durch entsprechenden Sitzungsrhythmus unmittelbar nach Beginn des neuen Jahres zusammentreten. Die Vorbereitungen sind erfolgt. Einige Gremien werden erst Ende Januar zusammentreten, manche — ich denke an die Kreistage oder ähnliche Gremien — werden sicherlich erst Ende Januar oder Anfang Februar tagen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, rechnen Sie dann nicht mit einem Stau von Neuanträgen,
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2684 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Schilydie eine Zeitlang unerledigt vorhanden sein werden?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich rechne nicht mit einem zusätzlichen Stau. Realistischerweise können wir davon ausgehen, daß ein nicht so schnelles Abbauen der Anträge derer, die noch auf die Anhörung warten, im Januar und möglicherweise in der ersten Hälfte des Februars erfolgen wird, und dann wird sich dies normalisieren.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wann mit der neuen Verfahrensordnung zu rechnen ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das Gesetz, Herr Kollege, das dieser Bundestag verabschiedet hat, gilt ab 1. Januar 1984. Ich habe in Beantwortung der Fragen des Abgeordneten Schily soeben deutlich gemacht, wann die Ausschüsse und die Kammern arbeitsfähig sein werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Parlamentarischer Staatssekretär Karwatzki zur Verfügung.
Die Frage 15 wird auf Wunsch des Fragestellers, Herrn Schily, schriftlich beantwortet. Die Anwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 16 wird auf Wunsch der Fragestellerin, der Frau Abgeordneten Weyel, ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird auch hier als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dolata auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Problematik der Fälle, in denen Angehörige von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern „Hilfe zum Lebensunterhalt" deshalb beanspruchen, weil die Familienväter in ihrem Heimatland Wehrdienst leisten und ihre Familien aus diesem Grund hier hilfsbedürftig werden?
Bitte sehr.
Herr Kollege Dolata, auch während der Ableistung des Wehrdienstes in seinem Heimatland bleibt der ausländische Wehrdienstleistende gegenüber seinen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Familienangehörigen unterhaltspflichtig. Nur wenn diese Familienangehörigen ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus den Unterhaltsbeiträgen des Unterhaltspflichtigen bzw. aus sonstigem Einkommen und Vermögen bestreiten können, kommt für sie Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht.
Der Bundesregierung ist die Zahl solcher Fälle nicht bekannt. Im Hinblick auf Lebensalter und Familienstand der ausländischen Wehrdienstleistenden dürfte die Zahl aber gering sein.
Zusatzfrage, bitte.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Hilfsbedürftigkeit in derartigen Fällen durch das Befolgen staatsbürgerlicher Pflichten in anderen Staaten entstanden ist und deshalb auch von diesen zu beseitigen ist?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es wünschenswert wäre, wenn die Herkunftsländer für diese Fälle die Voraussetzungen für eine Sicherung des Unterhalts der Angehörigen außerhalb des geltenden Sozialhilfebereichs und -systems schaffen würden. Zur Zeit allerdings ist dies weitgehend nicht der Fall.
Die Mitnahme der hilfsbedürftigen Angehörigen kann nach geltendem Recht nicht erzwungen werden. Es kommt allenfalls die Prüfung aufenthaltsrechtlicher oder aufenthaltsändernder Maßnahmen nach dem Ausländerrecht in Betracht, wenn ausländische Familienangehörige Sozialhilfe beziehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dolata auf:
Wodurch ist sichergestellt, dab in solchen Fällen geprüft wird, ob Ansprüche auf Gewährung von Lebensunterhalt gegen das in Frage kommende Heimatland bestehen bzw. ob die Hilfsbedürftigkeit durch das Heimatland beseitigt werden kann?
Bitte sehr.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Hilfe zum Lebensunterhalt wird — wie die Sozialhilfe überhaupt — nur nachrangig gewährt. Vor Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt prüft der Sozialhilfeträger daher, ob und inwieweit die Hilfsbedürftigkeit des Hilfesuchenden durch Selbsthilfe des Hilfesuchenden bzw. Hilfe von Dritten beseitigt werden kann. Dazu gehört bei wehrdienstleistenden Ausländern auch die Prüfung, ob — und gegebenenfalls in welcher Weise — das Heimatland den Lebensunterhalt der Angehörigen des Wehrdienstleistenden während der Ableistung des Wehrdienstes sicherstellt.
Keine Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 20 der Frau Abgeordneten Potthast auf:Ist die Bundesregierung nicht auch der Ansicht, daß das ungeborene Leben am besten dadurch geschützt wird, daß Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung für Mutter und Kind — d. h. sozialpolitisch flankierende Maßnahmen — getroffen werden, die allerdings in krassem Widerspruch zu den Kürzungen im Haushaltsbegleitgesetz 1984 stehen würden?Bitte sehr.Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Potthast, die Bundesregierung mißt familien- und sozialpolitischen Maßnahmen für den Schutz des ungeborenen Lebens große Bedeutung bei. Das
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2685
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkihat sie durch die Einsetzung einer interministeriellen Arbeitsgruppe „Programm zum Schutz des ungeborenen Lebens" bereits im Dezember 1982 deutlich gemacht. Noch 1984 wird sie eine Bundesstiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" errichten. Aus Mitteln dieser Stiftung soll schwangeren Frauen über gesetzliche Ansprüche hinaus unmittelbar in den Beratungsstellen Hilfe für Mutter und Kind gegeben oder zugesagt werden können. Gedacht ist dabei insbesondere an Beihilfen zur Beschaffung, Einrichtung oder Erhaltung einer familiengerechten Wohnung, Beihilfen zur Haushaltsführung während der Schwangerschaft und nach der Geburt, vor allem Hilfe durch Familienhelferinnen für körperlich und seelisch überlastete Mütter, Beihilfen zur Anschaffung von Wäsche, Kleidung und Haushaltsgegenständen, Beihilfe zur Betreuung des Kindes während einer berufs- oder ausbildungsbedingten Abwesenheit der Mutter. Durch Verbesserung des Familienlastenausgleichs noch in dieser Legislaturperiode sollen Benachteiligungen von Eltern mit Kindern in der Gesellschaft abgebaut werden.
Zusatzfrage? — Bitte.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, wie glaubt es die Bundesregierung denn verantworten zu können, daß einerseits Sozialabbaumaßnahmen durchgesetzt werden, die gerade der alleinstehenden Frau und werdenden Mutter — ich erinnere hier jetzt nur mal an die Kürzungen im Bereich des Mutterschaftsgelds, an die Kürzungen im Bereich des Arbeitslosengelds, an die BU- und EU-Rente usw. — die Entscheidung noch schwerer machen, ein Kind auszutragen, und daß andererseits ein Rüstungsetat befürwortet wird, der mit dazu beiträgt, daß nicht noch mehr — —
Frau Abgeordnete Potthast, das ist keine Frage, die im Zusammenhang steht.
Bitte, beschränken Sie sich auf eine Frage. Wir haben hier keine Diskussion.
Die Frage lautete ganz einfach, wie auf der einen Seite Sozialabbaumaßnahmen befürwortet werden können, wenn andererseits Mittel für noch mehr Massenvernichtungswaffen bereitgestellt werden.
Bitte sehr.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Maßnahmen, die im Sozialhaushalt getroffen werden mußten, sind sozial ausgewogen. Und was den „Rüstungsetat", wie Sie ihn bezeichnen, angeht, wäre der Kollege Würzbach zuständig gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Nickels.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht der Meinung, daß bei einem Abbau von Rechtsansprüchen und der Einführung von Bitten — denn man muß sich j a bittend an diese Stiftung wenden — eine entwürdigende Bittstellersituation für diese werdenden Mütter auftritt, die diese Mütter etwa dazu bewegt, das Kind abzutreiben, als es auszutragen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin nicht Ihrer Meinung, die Sie hier dargelegt haben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 21 der Frau Abgeordneten Potthast auf:
Sieht die Bundesregierung es nicht als ihren Gesetzesauftrag an, wenn sie — ich zitiere Dr. Kinkel — Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen als „einen wesentlichen Beitrag zum Schutz des ungeborenen Lebens" und eine bessere Hilfe für Schwangere als dringlich notwendig ansieht, um sowohl die zur Zeit bedrohte Finanzierung von Beratungsstellen wie Pro-Familia aus Bundesmitteln zu sichern als auch weitgehende Maßnahmen zur Sexualaufklärung, insbesondere von Jugendlichen, zu fördern?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Potthast, die Kompetenz für die Förderung der Arbeit in Beratungsstellen nach § 218b StGB liegt bei den Ländern. Der Bundesgesetzgeber hat sich auf eine Regelung beschränkt, die den Ländern Gestaltungsspielraum für Einzelregelungen beläßt und nicht über das notwendige Maß hinaus in Länderkompetenzen eingreift. Die Bundesregierung geht mit den Ländern davon aus, daß der Umfang des Angebots an Beratungsstellen insgesamt gesehen ausreicht. Das schließt nicht aus, daß im Einzelfall auf Grund regionaler Strukturen längere Anfahrtswege zu einer Beratungsstelle erforderlich sein können.
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft im Rahmen ihrer Aufgaben und Kompetenzen die Sexualaufklärung insbesondere für junge Menschen fördern und dabei im Interesse der Pluralität in unserer Gesellschaft unterschiedliche Träger berücksichtigen.
Zusatzfrage. Bitte.
Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, daß die meisten Ärzte in der Bundesrepublik Verhütungsmittel wie z. B. die Pille und die Spirale empfehlen und verschreiben, die bekanntlich schädliche Nebenwirkungen haben, statt unschädliche Verhütungsmittel wie z. B. das Diaphragma zu verschreiben oder darüber zu informieren?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß die Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich handeln und das verschreiben, was den jeweiligen Patienten angemessen ist.
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2686 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Wie viele Medikamente dürfen ab 1. Juli 1984 in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vertrieben werden, und welche der zehn häufigsten dieser Medikamente sind in Tierversuchen mit dem Ergebnis erprobt worden, daß keine Bedenken bestehen, sie in den Handel einzuführen'?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, ich gehe davon aus, daß sich die Anfrage auf die Maßnahmen des Bundesgesundheitsamtes zur Abwehr der Risiken von acetylsalicylsäurehaltigen Kombinationsarzneimitteln bezieht. Das Bundesgesundheitsamt hat die Zulassung für 43 — jetzt kürze ich ab — ass-haltige Kombinationsarzneimittel mit Wirkung zum 1. Juli 1984 widerrufen. Für keines dieser Präparate war die Vorlage von Ergebnissen aus Tierversuchen erforderlich. Vom Widerruf betroffen sind ausschließlich sogenannte Altarzneimittel nach Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechtes, die bislang nicht in einem Zulassungsverfahren nach dem neuen Arzneimittelgesetz auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft wurden.
28 dieser Arzneimittel wurden nach den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes von 1961 vom Bundesgesundheitsamt registriert. Die restlichen 15 befanden sich bereits vor 1961 im Verkehr.
Zusatzfrage, bitte sehr.
In der Annahme, daß Stoffe in diesen Medikamenten doch durch Tierversuche geprüft wurden, frage ich Sie, Frau Staatssekretärin: Können Sie die Aussage von Professor Dr. Klaus Gärtner, der ja zu den bekanntesten Verfechtern von Tierversuchen gehört, bestätigen, der sagte: Alle an Tieren experimentell gewonnenen Ergebnisse haben nur für die jeweilige Art Aussagekraft und — in exakter Auslegung — sogar nur für das Individuum, an dem experimentiert wurde?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist richtig, daß ein Versuch am Einzeltier nur für dieses einzelne Tier Aussagekraft besitzt. Deshalb ist es ja leider so — ich bedauere das wie viele —, daß bei Tierversuchen häufig mehrere Tiere herangezogen werden müssen, um individuelle Reaktionsunterschiede auszugleichen und damit zu relativ objektiven Ergebnissen zu kommen.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist eine Übereinstimmung zwischen Mensch und Tier nicht schon deshalb recht fraglich, weil es sich immer wieder zeigt, daß nicht nur von Tierart zu Tierart, von Einzeltier zu Einzeltier, sondern auch von Mensch zu Mensch beträchtliche Unterschiede hinsichtlich der Verträglichkeit mancher Stoffe bestehen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich denke, daß ich das eben schon mit meiner Antwort geklärt habe. Es trifft zu.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeorndeten Stutzer auf:
Bei welchen der zehn häufigsten bisher im Tierversuch getesteten Medikamente hat sich in den letzten fünf Jahren gezeigt, daß die bei Tieren gewonnenen Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können, und welche Schäden sind durch derartige Fehleinschätzungen eingetreten?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, da dem Bundesgesundheitsamt keine tierexperimentellen Unterlagen zu diesen Arzneimitteln vorgelegt worden sind, ist eine abschließende Beantwortung dieser Frage nicht möglich.
In der Wissenschaft allgemein bekanntgeworden sind jedoch Tierversuche sowohl mit der Mono-Substanz Acetylsalicylsäure wie auch in Kombination mit Barbituraten u. a. Diese Versuche ließen die wesentlichen unerwünschten Wirkungen der Stoffe im Tierexperiment erkennen. Vergleichbare Reaktionen wurden beim Menschen beobachtet. Die Untersuchungen haben z. B. ergeben, daß die Kombinationen von Barbituraten mit Analgetika besondere Risiken für die Anwendung beim Menschen zur Folge haben. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren neben anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen Grundlagen für die Maßnahmen des Gesundheitsamtes für die hier betroffenen Arzneimittel.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, liegen dem Bundesgesundheitsamt keine Ergebnisse über Tierversuche vor, die mit den Medikamenten zusammenhängen. Ich frage Sie daher: Sollte dieses Verfahren nicht geändert werden? Halten nicht auch Sie es für erforderlich, daß das Bundesgesundheitsamt von dem Ergebnis der Tierversuche erfährt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Eine sichere Aussage für die Übertragbarkeit der Tierversuche auf den einzelnen Menschen ist tatsächlich nur sehr schwer möglich. Darum geht es aber im letzten nicht. Die Aussage über die Tierversuche zielt eigentlich auf eine präventive Risikoeinschätzung bei neuen Arzneimitteln, auf die zu verzichten, so meine ich, eine große Gefahr bedeuten würde.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Frage beantworten, warum immer mehr Wissenschaftler und auch Mediziner zu Tierversuchsgegnern werden und ob nicht durch die Einrichtung einer zentralen Datenbank auf der einen Seite die Zahl der Tierversuche reduziert werden könnte und auf der anderen Seite so manche unerwünschten Arzneimittelwirkungen beim Menschen, die trotz Tierversuche eintreten, verhindert werden könnten?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die maßgeblichen ärztlichen und wissenschaftlichen Organisationen sind der Ansicht, daß auf Tier-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2687
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkiversuche leider nicht verzichtet werden kann. Wie groß die Zahl der Tierversuchsgegner bei den Ärzten und Wissenschaftlern ist, läßt sich nicht verbindlich sagen, so daß ich den Tenor Ihrer Frage nicht bestätigen kann. Von Tierversuchsgegnern unter den Ärzten und Wissenschaftlern weiß ich, daß bei ihnen teilweise sachliche, aber auch emotionale Gründe maßgeblich sind.
Beim Bundesgesundheitsamt werden bereits Daten über Tierversuche mit dem Ergebnis gespeichert, daß, sobald Versuchsergebnisse bekannt sind, Unterlagen bei der Zulassung für Arzneimittel nicht mehr vorgelegt werden müssen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen kommen leider auch bei Kenntnis von Tierversuchsergebnissen vor, da die Übertragbarkeit zugegebenerweise begrenzt ist. Die Zahl solcher Fälle wäre aber sicher beträchtlich höher, wenn auf Tierversuche ganz verzichtet würde.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becker .
Frau Staatssekretär, trifft es zu, daß die Wissenschaft, die Forschung während der letzten Jahre zunehmend mehr auf Tierversuche verzichtet und durch andere Methoden ersetzt hat?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das trifft zu.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Nickels.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Staatssekretärin, wären Sie dazu bereit, mir die Tierversuchsgegner unter den Ärzten und Wissenschaftlern zu nennen, bei denen nach Ihrer Kenntnis für ihre Gegnerschaft zu Tierversuchen emotionale und sachlich nicht zutreffende Gründe vorliegen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Im Mittelpunkt des emotionalen Bereichs ist schlicht und ergreifend die Tierliebe zu nennen.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Horacek.
Sie haben sie nicht benannt. Können Sie sich vorstellen, daß es auch ethische und moralische Gründe geben kann?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe soeben ausgeführt, daß es sachliche Gründe gibt. Aber es ging jetzt darum, gerade auf den emotionalen Bereich zu antworten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Breuer auf:
Welchen Verbänden wird unter welchen Umständen in der „Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof zur Jahresrechnung 1981 des Bundes" im Kapitel 28.3 die Fehlverwendung von Mitteln des Bundesjugendplanes für eine Busfahrt zu einer Demonstration bzw. die Verwendung von Mitteln für Flugblätter gegen die Bundesregierung vorgeworfen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Breuer, die von den Jungsozialisten in der SPD in den Verwendungsnachweis 1980 eingestellten Ausgaben für eine Busfahrt zu einer Demonstration in Gorleben wurde vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit unter Hinweis auf Nr.4 Abs. 3 der Richtlinien für den Bundesjugendplan beanstandet. Nach dieser Bestimmung können Maßnahmen, die agitatorische Zwecke verfolgen, nicht gefördert werden. Der Träger hat daraufhin die entsprechenden Aufwendungen von rund 12 000 DM aus eigenen Mitteln gedeckt.
Die Verwendung von Bundesmitteln für eine Flugblattaktion, die sich gegen die beabsichtigte Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes richtete, wurde anläßlich einer Prüfung bei der Deutschen Gewerkschaftsjugend festgestellt. Der Träger wurde aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, so daß eine endgültige Beurteilung noch nicht möglich ist.
Im übrigen respektiert die Förderung der politischen Bildung den Gesichtspunkt der Pluralität und damit auch unterschiedliche politische und weltanschauliche Zielsetzungen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretär, darf ich fragen, zu welchem Zeitpunkt die Beanstandungen seitens der Bundesregierung erfolgt sind?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Unmittelbar nach Feststellung. Es war entweder im Jahre 1979 oder 1980. Herr Kollege Breuer das muß ich nachgucken. Wir haben alle den umfassenden Bericht erhalten. Da könnte man es genau nachlesen; aber ich tue es gern für Sie.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe Frage 25 des Herrn Abgeordneten Breuer auf:Welchen Verbänden werden darüber hinaus unter welchen Umständen in der „Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof zur Jahresrechnung 1981 des Bundes" im Kapitel 28.3 die unvertretbaren Kostenaufwendungen für Reisen von Verbandsfunktionären zu einer Weltkinderkonferenz in der Sowjetunion, zu Gesprächen mit Politikern in Südamerika sowie zur Teilnahme an einem internationalen Abrüstungsseminar vorgeworfen?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Es handelt sich um drei Einzelreisen von Verbandsvertretern der Deutschen Jungdemokraten, 1979 und 1980 nach Moskau sowie nach Chile und in die CSSR. Auf Grund einer vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit durchgeführten örtlichen Prüfung wurde den Jungdemokraten eine weitere
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2688 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Parl. Staatssekretär Frau KarwatzkiVerwendung der ihnen zur Verfügung gestellten Globalmittel für Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit zu ähnlichen Reisen mit Schreiben vom 28. Mai 1982 untersagt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 26 des Herrn Abgeordneten KrollSchlüter wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Die Fragen 31 und 32 des Herrn Abgeordneten Hinsken werden auf seinen Wunsch hin schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Buckpesch auf:
Hält es die Bundesregierung für möglich, daß bei Ersatzbeschaffungen für die EDV-Anlagen oder die Fernmeldeeinrichtungen des Deutschen Wetterdienstes bzw. des Geophysikalischen Beratungsdienstes der Bundeswehr aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Einrichtungen und Teile des Deutschen Wetterdienstes aus Offenbach am Main zum Geophysikalischen Beratungsdienst nach Traben-Trarbach verlegt werden, oder ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß auf keinen Fall durch solche Verlagerungen der zivile Wetterdienst der Bundesrepublik Deutschland — auch aus Gründen der internationalen Zusammenarbeit — in seiner Selbständigkeit und Bedeutung beeinträchtigt werden darf?
Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Ersatzbeschaffung der Datenverarbeitungsanlagen des Deutschen Wetterdienstes — es handelt sich um das Meteorologische Rechenzentrum und um die automatische Fernschreibspeichervermittlung ins Zentralamt des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach — ist für die Haushaltsjahre 1985 bis 1987 geplant. Bei den Vorbereitungen dieser Datenverarbeitungsanlagenbeschaffung hat der Bundesminister für Verkehr auf Anregung des Bundesrechnungshofes mit dem Bundesminister der Verteidigung im Sommer 1983 die Möglichkeiten einer Zusammenlegung der Datenverarbeitungsanlagen des Deutschen Wetterdienstes mit denen des Geophysikalischen Beratungsdienstes der Bundeswehr in Traben-Trarbach untersucht. Wesentliches Ergebnis der Untersuchung ist: Eine Zusammenlegung erscheint unwirtschaftlich, weil die Datenverarbeitungsanlage der Bundeswehr wegen der zusätzlichen Nutzung für den zivilen Bereich dann mit mindestens dem gleichen Aufwand wie bei der Ersatzbeschaffung beim Deutschen Wetterdienst ausgebaut werden müßte. Daraufhin haben der Bundesminister für Verkehr und der Bundesminister für Verteidigung ein gemeinsames Fachkonzept entwickelt, dessen Wirtschaftlichkeit durch die Weiterentwicklung der bestehenden Vereinbarungen über die Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Wetterdienst und dem Geophysikalischen Beratungsdienst der Bundeswehr und durch aufgabenbezogene Datenverarbeitungsausstattung erreicht werden soll.
Die zur Zeit laufende Koordinierung für die Ersatzbeschaffung wird voraussichtlich Anfang 1984 abgeschlossen sein. Die Bundesregierung wird bei der Realisierung der Ersatzbeschaffung sowohl die unterschiedlichen fachlichen Anforderungen des zivilen und militärischen Bereichs als auch deren Aspekte in der internationalen Zusammenarbeit berücksichtigen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kann ich dieser Antwort auch entnehmen, daß es auch nach der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst bei der Unabhängigkeit und Selbständigkeit des zivilen Deutschen Wetterdienstes bleibt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Davon können Sie ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Buckpesch auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich an den Kosten der Verlängerung der Leitdämme des Hafens Norddeich zu beteiligen, da nur diese Maßnahme nach Ansicht der Fachleute eine wirtschaftliche Lösung zur tideunabhängigen Verbindung zwischen Norddeich und Norderney darstellt und die Bundesregierung — obwohl nicht zuständig — an dieser Lösung interessiert sein muß, da hierdurch zukünftig Baggerarbeiten entfallen könnten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre heutige Frage steht in unmittelbarem Sachzusammenhang mit Ihren Fragen 52 und 53 in der Fragestunde des Bundestages am 24. November dieses Jahres.
Die damals von der Bundesregierung vorgetragenen Gründe, die gegen eine Übernahme von Baggerkosten durch den Bund sprechen, gelten auch für zukünftige Baggerarbeiten. Daher kann sich der Bund auch dann nicht an den Kosten einer Leitdammverlängerung des Hafens Norddeich beteiligen, wenn zukünftige Baggerarbeiten hierdurch entfallen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, die Betroffenen und Beteiligten über diesen unhaltbaren Zustand damit hinwegzutrösten, daß sie darauf hinweist, daß in diesem Bereich auch Luftkissenboote eingesetzt werden können?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gibt Bestrebungen von einzelnen, solche Boote einzusetzen. Die niedersächsische Landesregierung hat sich energisch gegen einen solchen Einsatz ausgesprochen, und ich habe kürzlich in einem Gespräch mit
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2689
Parl. Staatssekretär Dr. SchulteKollegen aus dem Haus für den Bundesminister für Verkehr erklärt, daß wir nicht daran denken, daß dies zugelassen wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf:
In welcher Weise geht die Bundesregierung zum Schutz seriöser Reisebüros und der großen Mehrheit der Verbraucher gegen den Flug-Ticket-Schwarzmarkt vor, und wie bemüht sie sich international um die Begrenzung solcher Verstöße?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung bekämpft den Flugscheinschwarzmarkt mit allen ihr zur Verfügung stehenden personellen und rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere mit folgenden Maßnahmen: Flugscheinkontrollen auf deutschen Verkehrsflughäfen, Auswertung von Anzeigen und Publikationen, Durchführung von Bußgeldverfahren — dabei ist das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig zuständig —, verkehrsrechtliche Gegenmaßnahmen auf der Grundlage der Luftverkehrsabkommen, Genehmigung von verbraucherfreundlichen Niedrigtarifen.
Im internationalen Rahmen bemüht sich die Bundesregierung vor allem in der Internationalen Zivilluftfahrtkonferenz und der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz sowie auch im bilateralen Verhältnis zu europäischen Nachbarländern um die Einhaltung der durch die Regierungen genehmigten Tarife.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, war das mehr eine Auflistung der theoretischen Möglichkeiten, oder können Sie hier sagen, wie viele bußgeldrechtlichen Verfahren durchgeführt worden sind und wie es denn mit den verkehrspolitischen Gegenmaßnahmen gegen bestimmte Verkehrsgesellschaften in Wirklichkeit aussieht?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Jahre 1983 wurden 152 Bußgeldverfahren abgeschlossen, davon mit Verwarnung 18, mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid 37; eingestellt bzw. nicht eingeleitet wurden 66 und der Staatsanwaltschaft nach Einspruch übergeben 31. Außerdem gibt es fünf noch nicht rechtskräftige Bußgeldbescheide.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Zu dieser Frage, Herr Abgeordneter Ewen? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie auch mitteilen, ob es auf Grund der Vorkommnisse Landeverbote gegeben hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gab in einem mir bekannten Fall erhebliche Schwierigkeiten mit einer Fluggesellschaft. Ich bin gerne bereit, dies konkret zu überprüfen und Ihnen die genauen Daten zu übermitteln.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müntefering.
Herr Staatssekretär, das Problem des Schwarzmarkttickets ist ja offensichtlich ein internationales. Ich frage Sie, ob dieses Problem von der Regierung auf EG-Ebene im Ministerrat angesprochen worden ist und mit welchem Ergebnis.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies müßte ich nachprüfen. Allerdings kommen die Probleme hauptsächlich von drei Fluggesellschaften die nicht im EG-Bereich angesiedelt sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Ewen auf:
Was unternimmt die Bundesregierung gegen Händler von Schwarzmarkttickets, die Reisebüros ausdrücklich darauf hinweisen, daß Passagiere bei möglichen Befragungen durch Kontrolleure des Bundesverkehrsministeriums am Frankfurter Flughafen nicht den tatsächlichen, sondern den betrügerisch im Flugschein ausgewiesenen Flugpreis nennen müssen, und sieht sie Möglichkeiten, den Verkauf von Flugtickets strikt zu lizensieren, um so Verstöße verhindern zu können'?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat auf die Beziehungen zwischen Händlern von Schwarzmarkttickets und Reisebüros sowie zwischen Reisebüro und Flugpassagieren keinen Einfluß.
Bußgeldverfahren können gegen Reisebüros oder sonstige Dritte nur dann durchgeführt werden, wenn eine Fluggesellschaft als Haupttäter nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten belangt werden kann. Eine rechtliche Möglichkeit, allgemein den Verkauf von Flugtickets in der Bundesrepublik Deutschland zu lizenzieren, besteht nicht. Das Recht zum Verkauf von Flugscheinen wird in Agenturverträgen von den Luftverkehrsgesellschaften den Reisebüros eingeräumt.
Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß immer wieder sogenannte fliegende Händler auftauchen, die ihr Reisebüro sozusagen in der Aktentasche bei sich tragen und zu verbilligten Preisen Flugscheine anbieten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Uns sind die Praktiken dieser Händler bekannt. Wir versuchen auch, jedem einzelnen Vorkommnis nachzugehen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich diese Händler ständig etwas Neues einfallen lassen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es eine Regelung gibt, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages veranlaßt, bei Flügen, wenn irgend möglich, die Lufthansa zu benutzen, und, wenn j a, gilt diese Regelung sinngemäß auch für Mitglieder der Bundesregierung?
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2690 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung versucht alles in ihren Kräften Stehende, die Lufthansa zu fördern.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müntefering.
Herr Staatssekretär, da die Frage des Kollegen Ewen vor einem konkreten Hintergrund gestellt worden ist: Wäre die Bundesregierung bereit, die Möglichkeit einer Sanktion zu prüfen, wenn wir ihr unsere Erkenntnisse zu diesem Fall schriftlich zur Kenntnis gäben, und wäre sie auch bereit, bei der Gelegenheit darzustellen, ob solche Kontrollen nur oder überwiegend in Frankfurt und wo dann noch stattfinden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kann mit einem klaren Ja antworten.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf die Schwarzmarkttickets zurück: Hat die Bundesregierung ungefähre Vorstellungen, in welchem Ausmaß mit Tickets, die nicht den wahren Reisepreis ausweisen, bei internationalen Geschäftsreisen Steuerhinterziehungen gemacht werden?
Dr. Schulte, Pari. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 33 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Wäre es möglich, für die Zeit, in der Kraftfahrzeuge noch nicht mit Katalysatoren ausgerüstet sind und mit bleifreiem Benzin fahren können, Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Bundesstraßen und Autobahnen einzuführen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Einführung weiterer Geschwindigkeitsbegrenzungen ist grundsätzlich möglich, jedoch wenig sinnvoll, da hierdurch eine wesentliche Verringerung der gesamten Schadstoffemissionen aus Kraftfahrzeugen nicht erreicht werden kann.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie der Meinung, daß eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Kfz ohne Katalysatoren einen Anreiz bieten würde, schneller auf Kfz mit Abgasentgiftung umzurüsten oder umzusteigen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kenne die Motive eines Autokäufers nur zu einem Teil. Aber Sie wissen, was die Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorhat. Ich gehe davon aus, daß Maßnahmen in Gang gebracht werden, um Anreize zu bieten, damit möglichst schnell neue Fahrzeuge in den Verkehr gebracht werden, die wenig Emissionen verursachen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie wissen sicher, daß der Anlaß meiner Frage das fortschreitende Waldsterben ist: Glauben Sie nicht, daß es derzeit in der Bevölkerung eine breite Zustimmung für waldrettende Maßnahmen gibt und daß die Menschen auch mit einer eventuell zeitlich begrenzten Geschwindigkeitsreduzierung einverstanden wären, wenn damit dem kranken Wald geholfen werden könnte?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß die Bevölkerung bereit ist, Opfer zu bringen, um dem deutschen Wald zu helfen. Wir haben in diesem Hause über eine Reihe von Maßnahmen, die die Bundesregierung beschlossen hat, bereits beraten. Wir müssen allerdings beim Thema Geschwindigkeitsbegrenzung sehen, daß ein Teil der Schadstoffemissionen verringert würde, dafür aber andere Schadstoffe in größerem Umfang anfielen, wie z. B. Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff.
Und wenn wir die Gesamtsumme nehmen, die auf Grund einer Geschwindigkeitsbegrenzung — —
Herr Staatssekretär, das ist doch die Antwort auf die nächste Frage. Haben Sie die Antworten auf beide Fragen zusammengefaßt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein, das war nicht der Fall, Herr Präsident.
Dann rufe ich auch die Frage 34 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Hat die Bundesregierung aus dem Umweltschutzhearing im Innenausschuß des Deutschen Bundestages Erkenntnisse darüber gewonnen, in welchem Maß die Schadstoffemissionen bei Kraftfahrzeugen im Durchschnitt zwischen 80 und 100 Stundenkilometern, zwischen 100 und 130 Stundenkilometern und zwischen 130 und 180 Stundenkilometern ansteigen, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Bitte.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das Umweltschutz-Hearing im Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat kein neues Zahlenmaterial darüber erbracht, in welchem Umfang die Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen beeinflußt werden können. Die Bundesregierung stützt sich weiterhin auf das bei der Anhörung im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages von Sachverständigen vorgelegte Zahlenmaterial, nach dem Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Bundesautobahnen auf 100 km/h und auf Landstraßen auf 80 km/h zwar einen geringfügigen Rückgang der Stickoxid-Emissionen, gleichzeitig aber auch einen Anstieg der Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoff-Emissionen zur Folge hätten, so, wie ich das vorhin bereits gesagt habe.
Zusatzfrage, bitte sehr.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2691
Herr Staatssekretär, sicher sind doch auch Sie wie viele Wissenschaftler der Meinung, daß die Waldschäden auf die anhaltend hohe Schadstoffbelastung der Luft auch durch die Kraftfahrzeuge zurückzuführen sind. Teilen Sie nicht auch die Auffassung, daß es angesichts der Tatsache, daß unsere Wälder sehr krank sind und vor allem auch unsere Bergwälder sterben, die man an der Felsgrenze nie wieder wird aufforsten können, notwendig ist, sofort zu handeln und alle Maßnahmen zur Absenkung des Schadstoffgehalts der Luft ins Auge zu fassen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung bemüht sich, alles nur Denkbare im Blick auf Kosten und Nutzen abzuwägen. Nur muß man sehen, daß es einen Unterschied gibt zwischen einem Versuch im Labor und der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit auf der Autobahn. Wenn wir Staus, Baustellen, Ein- und Ausfahrten und ähnliches berücksichtigen, dann haben wir heute auf der Autobahn bei Pkw eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ungefähr 100 km/h. Würde man eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h vorschreiben, würde sich die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit nur geringfügig verringern. Wir hätten dann weniger Stickoxidausstoß, dafür aber einen größeren Ausstoß von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff. Wir könnten auf der einen Seite einen kleinen Teil der Schadstoffe verringern, die den Wald beeinträchtigen, auf der anderen Seite würden wir aber den Menschen gefährden. Eine Politik „Wald gesund, Mensch tot" betreibt die Bundesregierung nicht.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß sich sowohl Geschwindigkeitsbegrenzung wie auch Einsatz von bleifreiem Benzin in anderen Ländern sehr gut bewährt haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir gehen davon aus, daß der Einsatz von bleifreiem Benzin ein richtiges Mittel ist. Deswegen wird dieses bleifreie Benzin zum 1. Januar 1986 auch eingeführt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jannsen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte erläutern, inwiefern Geschwindigkeitsbeschränkungen Menschen gefährden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin in meiner Antwort auf die Frage der Frau Kollegin Geiger ausgeführt, daß bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit der Ausstoß von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen größer wird. Dies gefährdet die Gesundheit der Menschen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Klein auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es Führerscheinbewerber, die im bayerisch-hessischen Grenzbereich wohnen, von bayerischen Landratsämtern verwehrt wird, die Führerscheinprüfung in Hessen abzulegen, während Bewerber im bayerisch-württembergischen Grenzbereich ohne Einschränkung in Baden-Württemberg geprüft werden können, und kann die Bundesregierung darauf hinwirken, daß der § 11 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, der den Prüfungsort anspricht, bundeseinheitlich so angewandt wird, daß Führerscheinbewerber, die in der Nähe eines anderen Bundeslandes wohnen, in dem benachbarten Bundesland ihre Prüfung ablegen können?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung leitet die Fahrerlaubnisbehörde den Prüfauftrag einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr zu. Das steht in § 10 Abs. 1 Satz 2 StVZO. Der Sachverständige oder Prüfer bestimmt dann Zeit und Ort der Prüfung. Das steht in § 11 Abs. 1 Satz 1. Die Durchführung dieser Rechtsvorschriften obliegt den Ländern.
Es trifft zu, daß die Bundesländer unterschiedlicher Auffassung sind, ob Prüfungen grundsätzlich auch außerhalb des Wohnorts abgelegt werden können, wenn der Wohnort als Prüfort anerkannt ist. In etwa der Hälfte der Bundesländer, darunter einschränkend auch in Bayern, wird wie folgt verfahren. Grundsätzlich wird die Prüfung an dem Wohnort durchgeführt. Ausnahmen hiervon sind bei Vorliegen trifftiger Gründe möglich, wie z. B. dann, wenn der Prüfling wegen auswärtiger Ausbildung oder beruflicher Tätigkeit seine Fahrschulausbildung nicht am Wohnort, sondern am Ausbildungs- oder Arbeitsort erhält.
Zusatzfrage.
Würden Sie mir zustimmen, daß diese Praxis eine moderne Form der Kleinstaaterei ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich halte es für sinnvoll, daß versucht wird, die Prüfungsanforderungen möglichst einheitlich zu fassen, so daß nicht der Fall eintritt, daß man irgendwo mit wenig Kenntnissen den Führerschein erwirbt und dann andere gefährdet. Daß der Vollzug unserer Gesetze weitgehend den Bundesländern obliegt, wissen Sie. Die Frage, die Sie angesprochen haben, ist zusätzlich sicherlich auch noch damit zu beantworten, daß es wohl triftige Gründe dafür gibt, daß in dem einen Fall so und in dem anderen Fall anders verfahren wird.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß das Landratsamt in Miltenberg am Main es ohne Ausnahme zuläßt, daß Prüflinge aus diesem bayerischen Landkreis im benachbarten Baden-Württemberg geprüft werden können, sich aber in letzter Zeit häufig verweigert, wenn Prüflinge in Hessen — ebenfalls Nachbarschaft — geprüft werden wollen?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kenne die Entscheidungsgründe beim Landratsamt in Miltenberg nicht. Wenn Sie einen konkreten Anlaß haben, dies in der Fragestunde aufzuwerfen, dann möchte
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2692 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983
Parl. Staatssekretär Dr. Schulteich Sie bitten, mir zusätzliches Material zukommen zu lassen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Vahlberg auf:
Wieviel Hektar Wald wird in der Bundesrepublik Deutschland verlorengehen, wenn alle Maßnahmen der Baustufe I a/ I b im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen realisiert werden, und gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, angesichts der starken Zunahme der Waldschäden diesen Ausbau zu überdenken?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Inanspruchnahme von Waldflächen für geplante Maßnahmen ist im Stadium der Bedarfsplanung nicht bekannt; sie läßt sich erst im Laufe der weiteren Planung ermitteln. Bekannt ist dagegen, daß im Zeitraum 1951 bis 1977, der durch intensiven Ausbau der Bundesfernstraßen gekennzeichnet war, die Waldfläche um rund 205 000 Hektar oder um 2,9 % des Bundesgebietes zugenommen hat; dieser Trend hat sich in den Folgejahren fortgesetzt. Ich verweise hierzu auf die Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage Landschaftsverbrauch . Im übrigen hält sich die Bundesregierung an den gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, im Rahmen des Bundesfernstraßenplanes ist doch auch die Trassierung der Straßen festgelegt, und Sie müßten doch dann wissen, inwieweit Wald davon betroffen ist.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Trassierung ist nicht in diesem gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsplan festgelegt. Es geht nur um das Beschreiben einer Verkehrsrelation zwischen einem Ort A und einem Ort B. Sache der Auftragsverwaltung ist es dann, die Planung vorzubereiten, sie baureif zu machen, um dann zu bauen.
Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie dann den Fachleuten zu, die sagen, daß über die Tatsache hinaus, daß Waldfläche unter Beton verschwindet, die Zerstückelung und Zerteilung zusammenhängender Waldflächen eine zusätzliche Belastung darstellt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß die Waldfläche zwischen 1951 und 1977 um 2,9 % zugenommen hat. Im übrigen bemühen wir uns in Zusammenarbeit mit der Auftragsverwaltung der Länder, so landschaftsschonend wie nur möglich zu bauen. Läßt sich bei der Fortschreibung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen erkennen, daß man vom Ort A in den Ort B nur kommen kann, indem man ein größeres
Waldgebiet zerstückelt, dann wird dies in die Beratungen mit aufgenommen. Es gab bei der letzten Fortschreibung Fälle, wo exakt aus diesen Gründen eine Maßnahme abgelehnt oder nur unter Vorbehalt in diesen Bedarfsplan aufgenommen wurde.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer zur Verfügung. Wir haben noch eine Minute und 40 Sekunden.
Die Fragen 38 und 39 des Herrn Abgeordneten Weinhofer werden auf seinen Wunsch hin schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 42 und 43 des Herrn Abgeordneten Stahl . Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 40 der Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch das Sonderprogramm der Bundesregierung für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz vom 4. Oktober 1983 die Gefahr besteht, daß bewährte Berufsfachschulen ihren Stellenwert verlieren werden, weil man bei einem außerbetrieblichen Träger —insbesondere in kaufmännischen Berufen — eine vergleichbare Ausbildung mit Berufsabschluß erhalten kann?
Frau Kollegin, die Berufsfachschulen werden durch das einmalige Sonderprogramm der Bundesregierung nicht an Bedeutung verlieren. Die Förderung des Sonderprogramms beschränkt sich auf Jugendliche, die am 30.9. 1983 bei der Bundesanstalt für Arbeit als unvermittelte Bewerber um einen betrieblichen Ausbildungsplatz gemeldet waren und inzwischen noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Jugendliche, die inzwischen eine Ausbildung in einer Berufsfachschule begonnen haben, können nach den Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft sowie des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und nach den Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit nicht in eine Fördermaßnahme des Sonderprogramms übergehen. Im übrigen wird die Ausbildung in den kaufmännischen Berufen sowohl im dualen System als auch vollzeitschulisch durchgeführt. Der weitaus größte Teil der kaufmännischen Auszubildenden wird betrieblich ausgebildet. Das Fördervolumen erhöht zwar den außerschulischen Anteil der Auszubildenden, verringert aber wegen der obengenannten Einschränkungen nicht die Anzahl der vollzeitschulischen kaufmännischen Auszubildenden.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich einige Jugendliche angesichts dieser Gefahren bei der Anmeldung für Berufsfachschulen sehr zurückhaltend verhalten? Und würden Sie es nicht für richtig halten, diese Problematik der Konkurrenz zwischen Ihrem Programm und den Berufsfachschulen bezüglich der
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1983 2693
Frau SteinhauerAnerkennung des Abschlusses einmal mit den Ländern zu besprechen?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, die Tatsache, daß sich die Jugendlichen in erster Linie um betriebliche Ausbildungsplätze bewerben, hängt damit zusammen, daß sie sich damit eine bessere Beschäftigungschance für die Zeit nach der Ausbildung versprechen. Auch die Zahlen, die ich hier hinsichtlich der Nachfrage nach schulischen bzw. betrieblichen Ausbildungsplätzen vorliegen habe, machen deutlich, daß es auch in den zurückliegenden Jahren so gewesen ist.
Noch ganz kurz, Frau Kollegin Steinhauer.
Herr Staatssekretär, wie sehen Sie die Gefahr, daß hier die tariflichen Ausbildungsbeihilfen, die vereinbart sind, mit den 390 DM unterlaufen werden und daß man bei der Berufsfachschule nichts bekommt? Hier gibt es drei Dinge, die zu beachten sind.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Über die Frage der 395 DM ist bei der Behandlung des Programms sowohl in den Ausschüssen als auch in der öffentlichen Diskussion ausführlich gesprochen worden. Die Bundesregierung möchte an diesem Betrag festhalten und ist im übrigen der Meinung, daß dies genausowenig wie die betriebliche Ausbildungsvergütung der entscheidende Gesichtspunkt dafür ist, ob der eine oder andere Ausbildungsweg gewählt wird.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Schluß der Fragestunde.
Ich habe eine amtliche Mitteilung zu machen. Auf Verlangen der Fraktion DIE GRÜNEN wird die Tagesordnung der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 1. Dezember 1983, um eine Aktuelle Stunde ergänzt. Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Offizieller Besuch des südafrikanischen Außenministers Botha in Bonn". Einer interfraktionellen Vereinbarung entsprechend wird dieser Zusatzpunkt morgen um 8 Uhr aufgerufen.
Die Sitzung ist geschlossen.