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    Plenarprotokoll 18/218 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 218. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Februar 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Par- lamentarischen Staatssekretäre Norbert Barthle und Hans-Joachim Fuchtel sowie den Abgeordneten Arno Klare und Harald Weinberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21765 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21765 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 15, 22, 28 a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21766 D Nachträgliche Überweisungen . . . . . . . . . . . . 21767 A Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) Drucksachen 18/11131, 18/11186 . . . . . . . 21767 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuregelung des bundesstaatli- chen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushalts- rechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/11135, 18/11185 . . . . . . . 21767 C c) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundge- setz ausschließen Drucksache 18/11165 . . . . . . . . . . . . . . . . 21767 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr und digitale Infrastruk- tur zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Planungen für die Gründung einer Bundes- fernstraßengesellschaft sofort einstellen Drucksachen 18/6547, 18/8885 . . . . . . . . . . . 21767 D Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21768 A Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 21770 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 21771 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21773 C Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 21775 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21775 B Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 21777 C Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21778 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21779 A Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21780 C Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21781 C Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21782 B Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 21783 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017II Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgelt- strukturen Drucksache 18/11133 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21785 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21785 C Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 21787 C Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU) . . . . 21788 D Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21790 A Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21791 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21792 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 21793 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21795 C Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21796 B Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 21797 A Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21798 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21799 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Eine erfolg- reiche Integrationspolitik erfordert eine so- ziale Offensive für alle Drucksache 18/9190 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21800 D Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21801 A Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 21802 C Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 21804 C Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21806 A Dr . Martin Pätzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 21807 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21808 C Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . 21809 C Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21810 A Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . 21810 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21811 D Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 A Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21812 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 21814 A Tagesordnungspunkt 27: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht Drucksache 18/11137 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 19. Febru- ar 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerver- kürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen Drucksache 18/11138 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 B c) Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Illegalen Elfenbeinhandel stoppen – Afri kanische Elefanten schützen Drucksache 18/10494 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 C d) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Offenlegung von Gutachten zur Deut- schen Bahn AG Drucksache 18/11011 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 C e) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Förderung des sozialen Woh- nungsbaus durch den Bund auch nach 2019 ermöglichen Drucksache 18/11169 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 D f) Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückstel- lungen für Braunkohlefolgekosten si- cherstellen Drucksache 18/11172 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Transpa- renz und Klarheit bei Buchungs- und Vergleichsportalen schaffen Drucksache 18/10043 . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 D b) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ulle Schauws, Anja Hajduk, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Initiative „She Decides“ unterstützen ‒ Die sexuellen und repro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 III duktiven Rechte und die Selbstbestim- mung und Gesundheit von Frauen und Mädchen in Ländern des globalen Sü- dens stärken Drucksache 18/11177 . . . . . . . . . . . . . . . . 21816 A c) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr . Gerhard Schick, Harald Ebner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Delegierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richt- linie 2014/65/EU des Europäischen Par- laments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Anwen- dung von Positionslimits für Warenderi- vate K(2016)4362 endg.; Ratsdok. 15163/16 hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Euro- päischen Union Nahrungsmittelspekulationen stoppen – Kommissionsvorschlag zurückweisen Drucksache 18/11173 . . . . . . . . . . . . . . . . 21816 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . . 21816 C Matthias Hauer (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . 21817 A Tagesordnungspunkt 28: b)–g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 405, 406, 407, 408, 409 und 410 zu Petitionen Drucksachen 18/10991, 18/10992, 18/10993, 18/10994, 18/10995, 18/10996 . . . . . . . . . . 21818 C Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) Drucksachen 18/10186, 18/11205 . . . . . . . 21819 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein- Schmeink, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ver- sorgung durch Heilmittelerbringer stärken – Valide Datengrundlage zur Versorgung und Einkommenssituati- on von Heilmittelerbringern schaffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Versor- gung verbessern – Kompetenzen von Heilmittelerbringern ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fai- ren Wettbewerb in der solidarischen Krankenversicherung ermöglichen – Weiterentwicklung des morbiditäts- orientierten Risikostrukturausglei- ches vorantreiben Drucksachen 18/8399, 18/10247, 18/10252, 18/11205 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21819 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die ge- sundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung menschenrechtskon- form gestalten Drucksachen 18/3155, 18/11205 . . . . . . . . 21819 C Dr . Roy Kühne (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21819 C Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21821 B Dr . Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21822 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21823 C Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21825 A Martina Stamm-Fibich (SPD) . . . . . . . . . . . . . 21826 A Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21827 B Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschrif- ten (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) Drucksachen 18/11132, 18/11184 . . . . . . . . . . 21829 B Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21829 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 21830 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 21831 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 21832 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017IV Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21833 D Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 21834 D Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 21835 D Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Eine bundesweite Präventi- onsstrategie gegen den gewaltbereiten Isla- mismus Drucksache 18/10477 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21836 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21836 D Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21838 A Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21839 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 21839 D Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21841 A Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 21842 B Ulrike Bahr (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21843 C Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21844 B Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Regionale Wirtschaftspolitik – Ein in- tegriertes Fördersystem für strukturschwa- che Regionen in ganz Deutschland schaffen Drucksachen 18/10636, 18/11202 . . . . . . . . . . 21845 D Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 21846 A Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 21846 C Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21847 C Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21849 A Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin BMWi . . . 21850 A Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21851 A Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21852 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Dr . Alexander S . Neu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine neue Ostpolitik Deutschlands Drucksache 18/11167 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21853 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 21853 B Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 21854 D Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21856 B Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21857 A Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 21858 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21859 D Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 21860 D Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Düngegesetzes und anderer Vorschriften Drucksachen 18/7557, 18/11171 . . . . . . . . 21862 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr . Dietmar Bartsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wasserqualität für die Zukunft si- chern – Düngerecht novellieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Peter Meiwald, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neues Düngerecht endlich beschließen Drucksachen 18/1332, 18/9044, 18/11171 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21862 B Dr . Maria Flachsbarth, Parl . Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21862 C Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 21863 C Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 21864 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21866 A Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . . 21867 C Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21868 B Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . 21869 B Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübingen), Bärbel Höhn, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Klimaschutz in der Wärmeversorgung sozial gerecht voran- bringen – Aktionsplan Faire Wärme starten Drucksache 18/10979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21871 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 V in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Dr . Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübingen), Annalena Baerbock, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wär- mebereich (Erneuerbare-Energien-Wärme- gesetz – EEWärmeG) Drucksachen 18/6885, 18/8438 . . . . . . . . . . . 21871 B Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21871 B Dr . Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . . 21872 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 21874 C Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21875 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21876 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21876 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21877 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21877 C Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nach- trags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 (Nachtragshaushalts- gesetz 2016) Drucksachen 18/10500, 18/10807, 18/10924 Nr . 1 .16, 18/11170 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21878 D Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21878 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21879 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 21880 B Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21881 D Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21882 D Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Niema Movassat, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fluchtursachen bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Omid Nouripour, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fluchtursachen statt Flüchtlinge be- kämpfen Drucksachen 18/7039, 18/7046, 18/7446 . . . . 21884 C Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 21884 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21885 C Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21886 C Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21888 A Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 21888 D Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . 21889 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neufassung des Gesetzes zur Re- gelung von Sekundierungen im Rahmen von Einsätzen der zivilen Krisenpräven- tion Drucksache 18/11134 . . . . . . . . . . . . . . . . 21890 C b) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine aktive zivile Friedens- politik Drucksache 18/11166 . . . . . . . . . . . . . . . . 21890 C c) Antrag der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Zivile Krisenprävention und Frie- densförderung stärken – Neue Lösungs- ansätze erarbeiten und umsetzen Drucksache 18/11174 . . . . . . . . . . . . . . . . 21890 D d) Antrag der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner, Tom Koenigs, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Group of Friends“ für Konfliktpräven- tion im Rahmen der Vereinten Nationen Drucksache 18/11175 . . . . . . . . . . . . . . . . 21890 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 21891 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 21892 B Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21893 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21894 B Michael Vietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21895 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017VI DIE GRÜNEN: Attraktivitätsverlust stop- pen – BAföG noch 2017 erhöhen Drucksache 18/11178 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21896 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21896 C Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 21897 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21899 D Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 21900 C Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 21900 D Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 21901 D Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21903 A Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21904 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssi- cherheit bei Anfechtungen nach der Insol- venzordnung und nach dem Anfechtungs- gesetz Drucksachen 18/7054, 18/11199 . . . . . . . . . . . 21905 B Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem An- trag der Abgeordneten Harald Petzold (Havel- land), Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nachhaltige Bewahrung, Sicherung und Zugänglichkeit des deutschen Filmerbes ge- währleisten Drucksachen 18/8888, 18/11115 . . . . . . . . . . . 21905 D Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtli- nien der Europäischen Union zur Arbeits- migration Drucksachen 18/11136, 18/11182 . . . . . . . . . . 21906 A Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts zur Sicherstellung der Ernährung in einer Ver- sorgungskrise Drucksachen 18/10943, 18/11141, 18/11203 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21906 A Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bun- des-Tierärzteordnung Drucksachen 18/10606, 18/10901 . . . . . . . . . 21906 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- serung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Ange- legenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten Drucksache 18/10485 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21906 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21906 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 21907 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungs- gesetz (Zusatztagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . 21907 C Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21907 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 21910 A Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 21910 D Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 21911 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21912 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 21912 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nachhaltige Bewahrung, Sicherung und Zugänglichkeit des deutschen Filmerbes gewährleisten (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 21913 B Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 21913 C Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21914 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 21915 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 VII Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 21916 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21918 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung auf- enthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäi- schen Union zur Arbeitsmigration (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . 21918 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 21918 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21919 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21920 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21922 B Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern . . . . . . . . . . . . . 21922 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts zur Sicherstellung der Ernährung in ei- ner Versorgungskrise (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 21923 D Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21923 D Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21924 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 21925 C Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 21926 A Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21927 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 21928 A Hermann Färber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21928 A Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21928 B Dr. Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21929 C Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 21930 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21930 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmög- lichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 21931 C Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21931 C Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 21932 C Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21933 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21935 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21935 C Anlage 8 Neudruck: Antwort der Staatsministerin Dr . Maria Böhmer auf die Frage des Abgeord- neten Andrej Hunko (217 . Sitzung, Anlage 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21936 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21765 218. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Februar 2017 Beginn: 9 .01 Uhr
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    3) Anlage 6 4) Anlage 7 Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21907 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Dröge, Katharina * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 16 .02 .2017 Groth, Annette DIE LINKE 16 .02 .2017 Heil (Peine), Hubertus SPD 16 .02 .2017 Künast, Renate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 16 .02 .2017 Leutert, Michael DIE LINKE 16 .02 .2017 Lotze, Hiltrud SPD 16 .02 .2017 Noll, Michaela CDU/CSU 16 .02 .2017 Obermeier, Julia CDU/CSU 16 .02 .2017 Oppermann, Thomas SPD 16 .02 .2017 Ripsam, Iris CDU/CSU 16 .02 .2017 Rüthrich, Susann * SPD 16 .02 .2017 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 16 .02 .2017 Schmidt, Dr . Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16 .02 .2017 Sitte, Dr . Petra DIE LINKE 16 .02 .2017 Strenz, Karin CDU/CSU 16 .02 .2017 Thissen, Dr . Karin SPD 16 .02 .2017 Vogt, Ute SPD 16 .02 .2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 16 .02 .2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Werner, Katrin DIE LINKE 16 .02 .2017 Ziegler, Dagmar SPD 16 .02 .2017 Zollner, Gudrun CDU/CSU 16 .02 .2017 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungs- gesetz (Zusatztagesordnungspunkt 7) Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): 1 . Mit dem heute – endlich – zum Ende kommenden Gesetzgebungsverfah- ren werden wir entsprechend unserer Koalitionsverein- barung das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Ver- trauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in aus- gezahlte Löhne reformieren. Gleichzeitig wird die Effizi- enz von Insolvenzverfahren gesteigert, und es wird eine frühere Insolvenzantragstellung gefördert . Dabei besteht zwischen uns Rechtspolitikern auch Einigkeit, dass öf- fentliche Gläubiger grundsätzlich in gleichem Maße von der Reform profitieren wie private Gläubiger und für die- se keine Schlechterstellung gegenüber dem Status quo vorgenommen wird . 2. Eine Besserstellung öffentlicher Gläubiger über das Maß hinaus, in welchem diese bereits wie alle anderen Gläubiger von der vorgeschlagenen Neuregelung profi- tieren, haben wir dabei aber andererseits als nicht gebo- ten angesehen. Unzutreffend erscheint es dabei vor al- len Dingen, einen besonderen Schaden des Fiskus allein mit den an diesen aufgrund von Insolvenzanfechtungen abfließenden Beträgen zu begründen. Denn dabei wird nicht berücksichtigt, dass diese der Masse zufließenden Beträge die Befriedigungschancen aller Insolvenzgläubi- ger – und zunächst der Massegläubiger – erhöhen . Da der Fiskus aber in der Regel mit Umsatzsteuerforderungen in erheblichem Umfang auch Massegläubiger ist, würde eine Reduktion von Anfechtungsmöglichkeiten zu seinen Lasten gleichzeitig seine Befriedigungschancen als Mas- segläubiger verringern. Dieser Effekt wäre daher auch in den entsprechenden Berechnungen zu berücksichtigen . Zudem führt die infolge von Insolvenzanfechtungen steigende Quote zu entsprechenden Mehreinnahmen der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721908 (A) (C) (B) (D) Insolvenzgläubiger und damit bei diesen zu – in aller Re- gel steuerpflichtigen – Gewinnen bzw. zu einer entspre- chenden Verringerung früherer Verluste (infolge von Ab- schreibungen). Auch dieser Effekt ist in einer allein auf den einmaligen Zahlungseffekt abstellenden Betrachtung nicht berücksichtigt . Schließlich führt eine Erhöhung der Insolvenzmasse auch zu einer Erhöhung der Vergütung des Insolvenz- verwalters, die wiederum ebenfalls zu entsprechenden Mehreinnahmen bei Ertrags- und Umsatzsteuer führt . Auch dies müsste bei einer allein auf einen Mittelab- fluss an den Insolvenzverwalter abstellenden Betrach- tung berücksichtigt werden . Dabei kann man durchaus zu Recht Vorbehalte gegen die erheblichen Kosten eines Insolvenz verfahrens haben, weil die aktuelle insolvenz- rechtliche Vergütungspraxis Fehlanreize in Bezug auf die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen setzt . Denn es besteht ein Missverhältnis in Bezug auf die an- gefochtenen Zahlungen zwischen den aus Anfechtung stammenden Einnahmen und der daraus resultierenden Erhöhung der Quote für die Gläubiger . Der (bloßen) Gleich(und nicht: Besser-)behandlung des Fiskus im Bereich der Insolvenzanfechtung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es letztlich nur in einer geringen Zahl von Insolvenzverfahren zu einer Betriebsfortführung kommt (Eröffnet im Jahr 2009, be- endet bis 31 . Dezember 2013: 1058 von 13 600, Quelle: Destatis) . Vielmehr muss darauf abgestellt werden, dass es bei 628 dieser 1058 Betriebsfortführungen zu einer erfolgreichen Sanierung kam . Darüber hinaus ist zu be- rücksichtigen, dass eine asymmetrische Bevorzugung des Fiskus sogar zu einer überproportionalen Verkleine- rung der Zahl dieser (erfolgreichen) Betriebsfortführun- gen führen würde . Im Einzelnen: 3 . Die jetzt vorgeschlagene Änderung des § 14 InsO stellt sicher, dass sich ein Schuldner nicht durch die ge- zielte Bedienung von bestimmten Forderungen einem geordneten Insolvenzverfahren entziehen kann . Das ist nachdrücklich zu begrüßen . 4 . Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Re- gelung des § 131 Absatz 1 InsO haben wir jedoch als verfehlt angesehen und deshalb gestrichen . Eine Quali- fikation von Handlungen, bei denen die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung bewirkt wurde, als kongruent ist schon be- zogen auf rein gerichtlich erworbene Titel, wie es noch im Referentenentwurf vorgesehen war, nicht angezeigt . Insbesondere würde dies zu früheren und schnelleren Einzelzwangsvollstreckungen führen und so gerade den Wettlauf der Gläubiger erneut befeuern . Dadurch würden gerade besonders gut informierte Gläubiger davon abge- halten, möglichst früh einen Insolvenzantrag zu stellen . Zudem wäre die Masse bei einem letztendlich gestellten Insolvenzantrag so weit ausgehöhlt, dass die Finanzie- rung des Verfahrens, jedenfalls aber die Finanzierung ei- ner soliden Restrukturierung, sehr fraglich wäre . Eine Erweiterung dieses Privilegs – wie dann im Re- gierungsentwurf vorgeschlagen – auf sämtliche Titel einschließlich derer des Fiskus und der Sozialversiche- rungsträger ist daher noch deutlicher abzulehnen . Die Möglichkeit, Titel selbst zu erstellen, ohne vorher ein Ge- richtsverfahren zu durchlaufen, würde diesen gegenüber privaten Gläubigern einen nicht unerheblichen Zeitvor- sprung verschaffen. Durch den faktisch früheren Zugriff auf die Masse würde diese Gläubigergruppe gegenüber privaten Gläubigern daher signifikant bevorzugt. In diesem Zusammenhang geht auch der Verweis auf die Möglichkeit privater Gläubiger, relativ schnell einen Mahnbescheid zu erlangen, fehl . Denn die Vollstreckbar- keit aus einem Mahn- bzw . Vollstreckungsbescheid kann durch schlichten, nicht einmal begründeten und ohne Be- teiligung eines Rechtsanwalts möglichen Widerspruch blockiert werden (§ 694 ZPO) . Bei einem Steuer- oder Abgabenbescheid ist angesichts der fehlenden aufschie- benden Wirkung eines Einspruchs die Vollstreckbarkeit demgegenüber nur mit einem gerichtlichen Verfahren zu verhindern. Damit ist der „zeitliche Vorteil“ von Fiskus und Sozialversicherungsträgern auch nicht etwa nur auf einige Monate beschränkt . Auch ein mehrfach in der Literatur diskutierter Ver- weis des Verwalters auf eine Anfechtung ebendieser Zah- lungen nach § 130 InsO geht fehl: denn es würde sich die Rückzahlung der Beträge – selbst bei Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit – aufgrund der erhöhten Beweisanforderungen deutlich verzögern und so einem Insolvenzverfahren die gerade zu Beginn benö- tigte Liquidität entziehen . 5 . Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Reform des § 133 Absatz 2 InsO ist grundsätzlich positiv zu se- hen, weil sie in erheblichem Maße die Rechtssicherheit für Gläubiger in Bezug auf Insolvenzanfechtungen ver- bessert. Bereits durch die Anknüpfung an den Begriff der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei der Anfechtung von kongruenten Deckungen – statt wie bisher schon an eine bloß drohende Zahlungsunfähigkeit – wird der Kreis der Anfechtungsgegner deutlich reduziert . Auch durch diese deutlich höhere Beweisanforderung wird die Zahl der Anfechtungsversuche von Insolvenzverwaltern, welche heute häufig in außergerichtlichen Vergleichen enden, stark zurückgehen . Insbesondere die vorgesehene Regelung, nach der Zahlungsvereinbarungen oder sonstige Zahlungser- leichterungen für sich genommen nicht als Indiz für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gewertet werden dürfen, wird dazu führen, dass heute übliche Zahlungs- erleichterungen insolvenzfest sein werden . Insbesonde- re übliche Stundungsvereinbarungen von Finanzämtern oder Inkassounternehmen werden ohne das Hinzutreten weiterer Umstände in Zukunft nicht mehr dazu führen, dass Rückzahlungsansprüche gegenüber Insolvenzver- waltern bestehen . Die vorgenommene Fristverkürzung für kongruen- te Deckungen auf vier Jahre ist sachgerecht und sollte auch nicht weiter reduziert werden . Insbesondere wurden die von verschiedenen Industrie- und Handelskammern vorgetragenen Vergleiche mit entsprechenden auslän- dischen Regelungen nach ausführlicher Diskussion als nicht durchgreifend bewertet . Die vorgetragenen aus- ländischen Anfechtungsregelungen sind nur schwer mit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21909 (A) (C) (B) (D) den deutschen vergleichbar und entstammen zudem völ- lig anderen Systemen, die auch bei anderen Regelungen andere Wertentscheidungen getroffen haben; gerade An- fechtungsfristen müssen jedoch im Kontext des gesam- ten Systems gesehen werden und sollten nicht isoliert betrachtet werden . 6 . Wir konnten uns auch nicht die Forderung des Bun- desrates zu eigen machen, im Rahmen der Änderung von § 142 InsO statt wie bislang auf den an den Arbeit- nehmer ausgezahlten Nettolohn auf den Bruttolohn ab- zustellen – und damit die bislang mögliche Anfechtung von Lohnsteuerzahlungen und Sozialabgaben seitens des Arbeitgebers an das Finanzamt bzw . die Einzugsstelle auszuschließen bzw . zu begrenzen . Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass die Stellung des Fiskus und der Sozialversicherungsträger insoweit nicht mit der der Ar- beitnehmer vergleichbar ist . Entscheidend ist zunächst, dass ihre Leistungen nicht in einem Gegenseitigkeits- verhältnis zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stehen . Deshalb sind sie zwar „Zwangsgläubiger“, aber es gibt andererseits auch keinen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden „Anspruch“ der gesetzlichen Gläubiger da- rauf, dass überhaupt Arbeitsplätze geschaffen werden. Schließlich dient die Insolvenzanfechtung der Einbezie- hung von Zahlungen, die zu einem Zeitpunkt geleistet wurden, in dem der Schuldner bereits materiell insolvent war, in das formelle Insolvenzverfahren . Und das bedeu- tet, dass die gesetzlichen Gläubiger im hypothetischen Fall, dass rechtzeitig und früher ein Insolvenzantrag gestellt worden wäre, ebenfalls und erst recht keine An- sprüche hätten . Auch das Argument, dass der Fiskus bei einer gegen ihn gerichteten Anfechtung einer Lohnsteuerzahlung die entsprechende Steuer unter Umständen „zweimal“ erstatten müsste, nämlich einmal an den Insolvenzver- walter und ein zweites Mal im Rahmen der Berücksich- tigung im Lohnsteuerjahresausgleich, ist falsch . Denn hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer korrekt einbehalten, so hat dieser den Lohnsteueranspruch des Fiskus gegen den Arbeitnehmer erfüllt . Die Lohnsteuer-Schuld des Arbeitnehmers erlischt nach § 47 AO (BFH I R 102/99 v . 29 .11 .2000, BStBl . II 2001, 195; VI R 57/04 v . 13 .12 .2007, BStBl . II 2008, 434) . Die Rechtslage ist so, wie sie wäre, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitge- ber zum Zwecke der Erfüllung geleistet hätte . Die einbe- haltene Lohnsteuer ist damit i . S . v . § 36 Absatz 2 Num- mer 2 EStG „erhoben“ (BFH VI R 67/90 v. 18.6.1993, BStBl . II 1993, 182; so für die KapSt BFH VIII R 30/93 v . 23 .4 .1996, DB 1996, 2061) und muss deshalb auf die Einkommensteuer angerechnet werden, und zwar unab- hängig davon, ob sie an das Finanzamt abgeführt wur- de (Wagner in: Blümich, Kommentar zum EStG § 42d Rn . 88) . Würde man – was durchaus erwogen werden könnte – diese Regelung für den Insolvenzfall ändern, hätte dies zur Folge, dass der Arbeitnehmer selbst für die Zahlung seiner Lohnsteuer haften würde . Das ist aber ein sozialpolitisch untragbares Ergebnis . Auf der Grundlage der Vorstellung des Bundesrates würde es sich – auch hier – um ein Fiskusprivileg durch die Hintertür handeln, das den Fiskus nur dann, dann aber besonders privilegieren würde, wenn das insolvente Unternehmen Arbeitnehmer beschäftigte, und es würde zugleich auch die gerade in diesem Fall im Interesse ei- nes Erhalts von Arbeitsplätzen besonders erforderliche Massesicherung überproportional einschränken . Das ist meines Erachtens weder sozialpolitisch akzeptabel noch verfassungsrechtlich zulässig . Dass andererseits den Fiskus auf der Basis der ver- einnahmten, später aber aufgrund einer Anfechtung zu- rückzuzahlenden Beträge Pflichten treffen, entspricht den Risiken, die auch andere Anfechtungsschuldner tref- fen . Damit steht der Fiskus insbesondere auch hier nicht schlechter als ein privater Gläubiger; denn eine Rück- zahlung an den Steuerbürger hätte in jedem Fall erfolgen müssen . Der Fiskus hat also in diesem Fall nur einmal aufgrund der Insolvenz eine Rückzahlung erbringen müssen . Bei einem Lohnsteuererstattungsanspruch von 0 Prozent fällt außerhalb der Insolvenz eine Zahlung von 0 an und in der Insolvenz aufgrund einer Anfechtung eine Zahlung von 100 Prozent; bei einem Rückerstattungsan- spruch des Steuerbürgers außerhalb der Insolvenz fällt eine Zahlung von 100 Prozent an, innerhalb der Insol- venz nach einer Anfechtung von zusätzlichen 100 Pro- zent, mithin in diesem Fall von 200 Prozent . Der Unter- schied zwischen Zahlungsfluss außerhalb und innerhalb beträgt jedoch in jedem Fall 100 Prozent – wie auch bei einem privaten Gläubiger, der 100 Prozent der empfan- genen Leistung zurückerstatten muss . Im Bereich des § 142 InsO haben wir andererseits aber klargestellt, dass auch „Drittzahlungen“ zumindest in Bezug auf Arbeitnehmer anfechtungsfest sein können . Ob die hier jetzt vorgesehene Regelung noch weiter zu verallgemeinern (und dann unter Umständen in § 129 InsO zu verschieben) ist, wird später zu prüfen sein . 7 . Auch die in § 143 InsO vorgesehene veränderte Re- gelung zum Fristbeginn bei Zinsansprüchen wird zu einer massiven und zugleich kassenwirksamen Entlastung von Gläubigern führen; insbesondere ist für diese nun auch nachvollziehbar geregelt, dass ein Zinsanspruch erst be- steht, sobald der Anspruch ernsthaft eingefordert wurde . Dadurch werden Situationen vermieden, in denen bisher ein Insolvenzverwalter einen grundsätzlich berechtigten Anspruch bewusst erst kurz vor Ablauf der Verjährungs- frist geltend gemacht hat, um in der aktuellen Niedrig- zinsphase einen entsprechend großen zusätzlichen Zins- ertrag für die Masse zu generieren . Besonders freut mich, dass wir die Übergangsrege- lung zum Gesetz so ausgestalten konnten, dass die Neu- regelung bezüglich des Zinslaufs auch schon für laufen- de Insolvenzverfahren gilt . Der typische mittelständische Anfechtungsgegner, aber ebenso Arbeitnehmer wie Fis- kus und Sozialversicherungsträger als Anfechtungsgeg- ner erhalten damit eine unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes wirkende Entlastung . 8 . Die Mühe hat sich gelohnt: Wir haben ein gutes Ge- setz, und ich freue mich, dass auch Teile der Opposition ihre Zustimmung angekündigt haben . Dass es Fragen gibt, die wir jetzt nicht lösen konn- ten, versteht sich von selbst . Dazu gehört etwa die Be- handlung von Honoraren aus Beraterverträgen, die des- halb besondere Schwierigkeiten macht, weil ein Berater Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721910 (A) (C) (B) (D) zwangsläufig Kenntnis von der gesamten wirtschaftli- chen Situation des zu beratenden Unternehmens hat . Ent- scheidend dürfte hier sein, dass die Leistung (dokumen- tierbar) einen ernsthaften Sanierungsversuch betraf . Gleiches gilt für die eigentlich notwendige Einpassung von § 64 (früher Absatz 1) GmbHG und § 93 Absatz 3 Nummer 6 AktG (der Sache nach anfechtungsrechtliche Normen) in das System des Insolvenzanfechtungsrechts . Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Wenn ein Pri- vatmann oder eine Firma in Insolvenz gerät, dann stehen viele widerstreitende Interessen im Raum: Da sind die Interessen der Gläubiger bezüglich ihrer Forderungen, daneben aber auch zum Beispiel Interessen von Lieferan- ten, die Ware geliefert haben, sich nun aber der Anfech- tung der erhaltenen Bezahlung durch den Insolvenzver- walter gegenübersehen . Aber denken wir zum Beispiel auch an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen die Anfechtung ausgezahlten Arbeitsentgelts droht . All diese Interessen gilt es zu einem gerechten Ausgleich zu brin- gen, und ich bin sehr froh, dass wir heute konstatieren können, dass dies mit dem vorliegenden Entwurf gelingt . Vor drei Jahren besuchte mich ein Baustoffhändler in meiner Bürgersprechstunde . Er berichtete über einen Kunden aus jahrelanger Geschäftsbeziehung . Den belie- ferte er mit Waren im Wert von mehreren Hunderttausend Euro – das auch regelmäßig unter Gewährung von Zah- lungserleichterungen, was er als durchaus branchenüb- lich bezeichnete . Zudem seien in der Baubranche in der Übergangszeit viele Unternehmen „knapper bei Kasse“, da die Saison erst richtig mit dem Frühjahr beginnt . Der Bauunternehmer musste Insolvenz anmelden, und der Insolvenzverwalter fordere jetzt vom Baustofflieferanten über 400 000 Euro zurück . Er begründet dies damit, dass dem Baustoffhändler die Zahlungsunfähigkeit faktisch bekannt war, allein durch die Zahlungsaufschübe . Bereits beim Zuhören merken wir, dass nach dem Bauchgefühl da etwas nicht stimmen kann . Eine uner- trägliche Situation der Rechtsunsicherheit für Lieferan- ten! Das war allerdings Ergebnis einer Rechtsprechung, die in den letzten Jahren sogar noch ausgeweitet wurde, zumal die Vorsatzanfechtung in diesen Fällen bis zu zehn Jahre zurück möglich ist . Daher ist es der einzig richtige Weg, dass wir diese Schieflage der Interessen heute kor- rigieren . Nach der Neuregelung, die wir nun beschließen, soll die Anfechtung in solchen Fällen nur vier Jahre zurück ab Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mög- lich sein . Zudem haben wir im Gesetz nun ausdrücklich klargestellt, dass bei Gewährung von Zahlungserleich- terungen zunächst einmal vermutet wird, dass die Zah- lungsunfähigkeit nicht bekannt war . Das ist auch das Ein- zige, was sachgerecht sein kann . Jemand, der von einer Zahlungsunfähigkeit weiß, wird wohl kaum für mehrere Hunderttausend Euro Ware liefern . Ein zu hohes Maß an Rechtsunsicherheit gab es je- doch auch aufseiten der Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer . Uns allen aus dem Rechtsausschuss ist die konkretisierende Rechtsprechung des BAG zu diesem Themenfeld bekannt . Zum Schutze der Arbeitnehmer- interessen wurde dort von anfechtungsausschließenden Bargeschäften ausgegangen, wenn zwischen Arbeitser- bringung und Zahlung des Entgelts nicht mehr als drei Monate lagen . Darüber hinaus gab es weitere Bemühun- gen des Bundesarbeitsgerichts, die Interessen der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen . Dem ist al- lerdings spätestens mit der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2014 ein Riegel vorgeschoben . Der zuständige Senat sah damals die Grenzen der richterlichen Rechts- fortbildung überschritten . Deshalb ist es wichtig, dass wir auch in diesem Bereich heute für Klarheit sorgen . Nun kann innerhalb von drei Monaten nach Leistungs- erbringung ausgezahltes Arbeitsentgelt durch den Insol- venzverwalter nur dann zurückgefordert werden, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin wusste, dass der Arbeitgeber mit der Auszahlung unlauter handelte . Abschließend möchte ich Ihr Augenmerk noch auf einen letzten Aspekt lenken: Zukünftig wird es Zinsen für Rückgewähransprüche nach der Anfechtung nur noch nach dem Eintritt des Verzugs geben . Denn man muss feststellen, dass die bisherige Rechtslage in der Praxis Fehlanreize schaffte. Nicht selten wurde der Rückforde- rungsanspruch möglichst spät geltend gemacht, um die Zinsforderung nach oben zu treiben . Das ist aber mit dem Grundgedanken des Insolvenzrechts unvereinbar; denn hier soll nur das zurückfließen, was den Gläubi- gern tatsächlich entzogen wurde . Und der Verzug setzt ohnehin voraus, dass dem Anfechtungsgegner der Rück- forderungsanspruch bekannt ist . Das bedeutet, auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit besteht hier kein schutzwürdiges Interesse mehr . Sie sehen: Das ist ein Gesetzentwurf, der den ausge- wogenen Interessenausgleich in der Praxis erheblich ver- bessert . Deshalb bitte ich um Zustimmung . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Hätte mir jemand zu Beginn dieser Legislatur gesagt, dass die Beratungen über wenige Paragraphen der Insolvenzordnung fast vier Jahren dauern würden, hätte ich gesagt, dass der oder die spinnt . Die Realität hat aber gezeigt, dass man aus dem eigentlich rein technischen Thema große Politik machen kann, vor allem, wenn man alles mit allem verknüpfen will – ob es passt oder nicht . Aber das nennt man dann wohl Politik . Um was gehtʼs? Ein kleiner oder mittelständischer Betrieb hat einen langjährigen Kunden . Er beliefert ihn seit Jahren, bekommt sein Geld mal pünktlich und mal mit Verzug . Gleiches gilt für Arbeitnehmer . Gut so, könn- te man sagen . Ist nicht besonders schön, aber Hauptsache bezahlt . Nun aber wird dieser Kunde oder Arbeitgeber insolvent . Nicht schön, aber es passiert . Was jedoch dann passiert, versteht kein Arbeitnehmer, kein Handwerker, nur noch der Jurist . Denn plötzlich kommt ein dicker Schriftsatz eines Insolvenzverwalters, in dem behauptet wird, dass er ja von den Zahlungsschwierigkeiten des Kunden gewusst haben müsse, zumindest nach den An- gaben, die er aus den ihm übergegebenen Unterlagen und Aussagen des Schuldners erschließen kann, und deshalb müsse er jetzt alles das zurückfordern, was bis jetzt be- zahlt wurde, und zwar bis zu zehn Jahre zurück; denn er hätte ja wissen müssen, dass Insolvenz droht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21911 (A) (C) (B) (D) Da wir die Problematik erkannten, haben wir im Ko- alitionsvertrag vereinbart, im Interesse der Planungs- sicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne dies neu zu regeln. Denn immer häufiger bedienen sich findige Verwalter und erhöhen die Insolvenzmasse, indem sie bezahlte Rechnungen, ja sogar gezahlte Gehäl- ter zurückfordern, auch das, was mühevoll über gerichtli- ches Mahnverfahren oder Urteil im Wege der Teilzahlung durch den Gerichtsvollzieher erstritten wurde . Mehrere Monate begleiten wir Insolvenzverläufe, erleben, wie Menschen und Existenzen an den Auswirkungen dieser Regelung zerbrechen . Mit dem heute zur Entscheidung anstehenden Gesetz kann man leben, wenngleich es hinter dem durch den Bundesjustizminister erarbeiteten Referentenentwurf weit zurückbleibt . Trotzdem haben sich die langen und mühsamen Verhandlungen, die zahlreichen Gesprächs- runden mit unserem Koalitionspartner gelohnt, um letzt- lich dieses Ergebnis zu erzielen . Durch unsere Korrekturen wird die Praxis der Vorsatz- anfechtung endlich wieder kalkulierbarer . Wir verkürzen die Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre . Unterneh- men und Arbeitnehmer müssen nicht mehr fürchten, rückwirkend Leistungen zurückzahlen zu müssen, die sie vor zehn Jahren erhalten haben . Auch werden An- fechtungen zurückliegender Geschäfte dadurch wesent- lich erschwert, dass der Insolvenzverwalter zukünftig nachweisen muss, dass der Gläubiger wusste, dass der Schuldner zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zah- lungsunfähig war . Der bessere Schutz von Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmern ist mir als Sozialdemokrat dabei ein beson- deres Anliegen . Mit den Änderungen schützen wir sie davor, den verdienten Arbeitslohn wieder an den Insol- venzverwalter zurückzahlen zu müssen . Lohnzahlungen können künftig nicht mehr angefochten werden, wenn sie spätestens drei Monate nach der Arbeitsleistung erfolgen . Durch eine neue Zinsregelung beseitigen wir beste- hende Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen und schützen Gläubiger besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung . Auch das Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger konnte er- halten bleiben . So weit, so gut . Eine Gläubigergruppe bleibt jedoch auf der Strecke: die, die sich einen gerichtlichen Titel erstritten hatten, die hierfür auch nicht wenig Geld aus- geben mussten . Ihnen einen besonderen Schutz zu ge- währen, gelang uns leider nicht, da der Fiskus, der nicht den Umweg über Gerichte gehen muss, das gleiche Recht einforderte . Nachvollziehen kann ich dieses Interesse; richtig und gerecht finde ich es nicht. Deshalb haben wir es hier schweren Herzens bei der „Altregelung“ belassen, um der Hintertür einen Riegel vorzuschieben . Zum Schluss bedanke ich mich bei meinen Mitbericht- erstattern für die Zusammenarbeit und erwarte – dies an unseren Koalitionspartner gerichtet –, dass, wie verein- bart, nächste Sitzungswoche die CSR-Richtlinie sowie das Gesetz zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen vereinbarungsgemäß beraten und entschieden werden . Dr. Johannes Fechner (SPD): Zugegeben: Die Re- form des Anfechtungsrechtes in der Insolvenzordnung haben wir sehr intensiv und lange diskutiert in der Koali- tion. Aber ich finde, es hat sich gelohnt, wir haben wirk- lich viele Verbesserungen für Unternehmen, vor allem und gerade auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer in diesem Gesetz erreicht . Wir beseitigen erhebliche Rechtsunsicherheiten, die in den letzten Jahren sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer entstanden sind . So verkürzen wir die Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre, das heißt, Unternehmen und Arbeitnehmer müssen nicht mehr fürchten, rückwirkend die erhaltenen Leistungen infolge einer Anfechtung zurückgewähren zu müssen, schlimmstenfalls, nachdem sie selber ihre Leis- tungen schon erbracht haben und die Geschäfte schon viele Jahre zurückliegen . Auch werden wir die Anfechtung von zurückliegen- den Geschäften erschweren, indem wir zukünftig vom Insolvenzverwalter fordern, dass er beweisen muss, dass wiederum der Gläubiger des angefochtenen Geschäfts die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte . Bisher musste der Insolvenzverwalter nur nachweisen, dass der Gläubiger von einer drohenden Zahlungsunfähig- keit wusste, was viel einfacher nachzuweisen ist . Durch die jetzige Klarstellung schaffen wir ein hohes Maß an Rechtssicherheit gerade für kleine und mittlere Unter- nehmen . Und wir stellen klar, dass die bloße Erleichterung von Zahlungserleichterungen alleine keine Anfechtung ge- rechtfertigt . Auch das ist eine wichtige Neuregelung zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit gerade für kleine und mittlere Unternehmen . Und durch eine weitere Neuregelung schützen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, den verdienten Arbeitslohn nicht wieder an den Insolvenzverwalter zu- rückzahlen zu müssen . Lohnzahlungen können künftig nicht mehr angefochten werden, wenn sie spätestens drei Monate nach der Arbeitsleistung an den Arbeitnehmer ausbezahlt wurden – und das insbesondere auch dann, wenn die Lohnzahlung durch einen Dritten erbracht wird, etwa wenn Beschäftigte in einem Konzern angestellt sind und die Lohnzahlung durch ein anderes Unternehmen als das Unternehmen aus dem Arbeitsvertrag erbracht wird . Lange beraten haben wir auch die Einführung des so- genannten Fiskusprivilegs, wobei für uns als SPD klar war, dass wir kein Fiskusprivileg einführen wollen . Die Diskussion hierüber war der Grund, warum sich die De- batte so lange hingezogen hat . Wir meinen, dass auch im Insolvenzverfahren gleiches Recht für alle gelten muss und deshalb die Sozialkassen oder auch die Finanzämter eben nicht den frühen Zugriff durch eigen geschaffene Titel und auch dann noch in voller Höhe haben sollen zulasten der Insolvenzmasse . Wenn wir dieses Fiskuspri- vileg, wie etwa vom Finanzministerium gewünscht, eingeführt hätten, dann hätte dies viele Arbeitsplätze ge- fährdet, weil dann viele Insolvenzverfahren gar nicht erst eröffnet worden wären, mit der Folge, dass Unterneh- men, die eine Zukunftsperspektive gehabt hätten, nicht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721912 (A) (C) (B) (D) hätten saniert werden können, mit der Folge, dass dort die Jobs verloren gehen . Insofern ist das heute ein guter Tag für Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen wie für die Unternehmen . Es wird für Insolvenzverwalter einfacher werden, Unternehmen zu sanieren, mit der Folge, dass es bessere Chancen gibt, die Arbeitsplätze in insolventen Unternehmen zu erhalten . Darüber hinaus erhalten Ar- beitnehmer wie Unternehmer Rechtssicherheit dadurch, dass erhaltende Leistungen bei weitem nicht mehr so ein- fach angefochten werden können, wie dies in der Vergan- genheit der Fall war . Auch wenn wir lange diskutiert haben, dies ist ein gu- tes Gesetz, stimmen Sie deshalb diesem Gesetz zu, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen . Richard Pitterle (DIE LINKE): Im Jahr 2014 eska- lierte ein seit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 schon lange schwelender Streit unter Rechts- gelehrten zwischen dem Bundesarbeitsgericht und dem Bundesgerichtshof in Zivilsachen . Beide Gerichte hatten unabhängig darüber zu befinden, unter welchen Voraus- setzungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitslohn im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers behalten dürfen . Ja, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie haben rich- tig gehört . Leider dürfen Sie sich nicht darauf verlassen, dass Sie für Ihre Arbeit auch entlohnt werden, wenn erstmal der Kuckuck am Schreibtisch Ihres Chefs klebt . Wenn die Insolvenz eintritt, spielt es keine Rolle mehr, ob Sie sich für Ihren Chef und das Unternehmen Monate vorher von früh bis spät bis zum Burn-out abgerackert haben, um den Rubel am Rollen zu halten . Dann heißt es Pech gehabt – Geld zurück, hinten anstellen und mit Banken und anderen Geschäftspartnern um die wenigen guten Linsen im Töpfchen streiten . So profan formuliert es das Gesetz natürlich nicht . Salbungsvoll ist von Insolvenzanfechtung, kongruenter Deckung oder Bargeschäftsprivileg die Rede – ein Ge- setz, das für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer in etwa so verständlich ist wie die Einstein’sche Relativitätstheorie . Und über allem schwebt der Grund- satz der Gläubigergleichbehandlung vom Elfenbeinturm herunter . Ein Prinzip, das nicht zwischen den Starken und Schwachen differenziert, sondern einfach alle über den gleichen Kamm schert und daher wenig mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip gemein hat . Das Bundesarbeitsgericht kennt die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Praxis . Es entscheidet im Gegensatz zum Bundesgerichtshof mit Unterstützung von ehrenamtlichen Richtern aus den Rei- hen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber . Und das Bundes- arbeitsgericht hat sich 2012 – gegen die überwältigende Mehrheit der Stimmen in der juristischen Welt – dafür stark gemacht, Arbeitslohn im Falle der Insolvenz bes- ser als bisher zu schützen . Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit techno- kratischer Kälte in der Luft zerrissen und damit große Rechtsunsicherheit bei allen hinterlassen . Ende 2015 sind die Sorgen und Nöte der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer endlich auch bei der Bundesregierung angekommen . Mit dem vorliegenden Gesetz hat man sich entschlossen, dem Bundesarbeits- gericht zu folgen. Ein langer Zeitraum der Hilflosigkeit, wenn man bedenkt, dass 9 von 10 Unternehmensinsol- venzen Klein- und Kleinstbetriebe betreffen, in denen die Wertschöpfung fast ausschließlich aus der Arbeitskraft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern folgt . Dass es auch schneller gehen kann, hat die große Ko- alition erst kürzlich bei der Änderung der Insolvenzord- nung zum Schutz der Finanzindustrie beim sogenannten Liquidationsnetting gezeigt: Es dauerte nicht einmal ein halbes Jahr vom Problem zum verabschiedeten Gesetz . Wir begrüßen, dass das vorliegende Gesetz den Ar- beitslohn der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu- künftig endlich besser schützt als bisher . Dennoch müs- sen wir uns enthalten . Ihr Gesetz reicht eben nicht aus, den Arbeitslohn dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu entziehen . Auch zukünftig gibt es Mittel und Wege, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihren Lohn zu bringen . Für die Linke ist das nicht akzeptabel . Arbeitslohn darf niemals zur Disposition von Gläubigern und In- solvenzverwaltern stehen . Ohne das Engagement der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gäbe es schlicht keine Unternehmen . Schützen Sie den Arbeitslohn und Arbeitnehmerinnen wie Arbeitnehmer bedingungslos vor Gläubigern, und Sie können auf unsere Unterstützung zählen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was lange währt, wird endlich gut – oder zumindest deutlich besser . Nachdem ich es zwischenzeitlich schon nicht mehr für möglich gehalten habe, haben Sie diesem Gesetz durch Ihren im Ausschuss eingebrachten Änderungsantrag jetzt doch noch die entscheidende Wendung verpasst . Sie ha- ben die vom Finanzressort gewünschte Fiskusprivilegie- rung wieder gestrichen . Herzlichen Glückwunsch! Das war offenbar ein schwerer Kraftakt, bei dem sich die Rechtspolitik gegenüber dem Finanzressort durchset- zen musste . Im Referentenentwurf war ja ursprünglich vorgesehen, dass die Zwangsvollstreckung aus gericht- lichen Titeln nur noch beschränkt anfechtbar sein sollte . Das war eigentlich ein guter Vorschlag . Gläubiger, die nach langwierigen Prozessen endlich erfolgreich aus ei- nem Urteil vollstreckt haben, wären anschließend vor der Insolvenzanfechtung geschützt gewesen . Was dann aber im Regierungsentwurf drinstand, ging weit darüber hinaus: Nun sollten alle Arten von Zwangs- vollstreckungen im Rahmen der Anfechtung privilegiert werden: auch die der Finanzverwaltung und der Sozial- versicherungsträger . Der Haken an dieser Privilegierung: Diese Behörden können ihre vollstreckbaren Titel selbst erstellen und sind gar nicht auf ein Gerichtsverfahren an- gewiesen . So hätten Finanz- und Sozialversicherungsbe- hörden quasi direkten Zugriff auf das noch vorhandene Vermögen des Schuldners gehabt, was die Insolvenz- masse erheblich geschmälert hätte und letztlich zulasten aller anderen Gläubiger gegangen wäre . Der Gläubiger- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21913 (A) (C) (B) (D) gleichbehandlungsgrundsatz im Insolvenzrecht wäre da- mit faktisch erledigt gewesen . Nach einhelliger Kritik in der öffentlichen Anhörung haben Sie das also mühsam wieder abräumen können . Allerdings haben Sie mit dem Änderungsantrag das Privileg jetzt wieder für alle Zwangsvollstreckungen ge- strichen – also auch die aus gerichtlichen Titeln . Schade eigentlich! Aber wenn es denn nicht anders möglich war, bleibt eben alles, wie es immer war – auf jeden Fall bes- ser als die Privilegierung des Fiskus . Andere Regelungen hatten wir schon in der ersten Le- sung begrüßt: Da ist zunächst einmal die Verkürzung der Anfech- tungsfrist von zehn auf vier Jahre ab Insolvenzantragstel- lung, wenn der Schuldner Sicherung oder Befriedigung gewährt hat . Das sorgt für Rechtssicherheit . Auch die Konkretisierung von Bargeschäften ist sinn- voll . Gerade in Bezug auf den Lohn von Arbeitnehmern ist die Neuregelung hilfreich . Der Lohn für die Arbeitsleis- tungen der letzten drei Monate soll vor der Anfechtung sicher sein . Das ist damit auch im Gesetz klargestellt . Nicht gelungen bleibt aber die Ausnahmeregelung . Danach soll der Schutz vor Anfechtung nicht gelten, wenn der Arbeitnehmer wusste, dass der Arbeitgeber „unlauter“ handelte. Was genau das sein soll, erschließt sich mir nach wie vor nicht . Hier wird die Rechtssicher- heit, die das Gesetz eigentlich bringt, gleich wieder kon- terkariert . Was mir wiederum zu weit geht, ist die gesetzliche Vermutung, dass jemand die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kennt, wenn Ratenzahlung vereinbart wird . Bislang galt das Gegenteil: Bei jeder Ratenzahlung wurde unterstellt, dass der Gläubiger die Zahlungsun- fähigkeit kennt . Das ist sicherlich nicht zwingend . Das Gesetz geht aber nun den umgekehrten Weg, indem ge- rade bei Vereinbarung von Zahlungserleichterungen die Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit vermutet wird . Das ist auch nicht wirklich plausibel . Es hätte gereicht, wenn Sie sich hier an den vom Bun- desgerichtshof entwickelten Grundsätzen orientiert hät- ten, nach denen eine Zahlungsvereinbarung allein nicht die Kenntnis des Gläubigers begründet, sondern dass weitere Indikatoren dazukommen müssen – wie die Er- klärung des Schuldners, seine fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können oder Ähnliches . Trotz dieser Kritikpunkte sehen wir ein berechtigtes Bedürfnis für diese Reform des Anfechtungsrechts und stimmen dem Gesetz in der nun vorliegenden Form zu . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nachhaltige Bewahrung, Sicherung und Zugäng- lichkeit des deutschen Filmerbes gewährleisten (Tagesordnungspunkt 18) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Wir alle hier sind uns bewusst, dass die Bewahrung des Filmerbes eine riesige organisatorische und finanzielle Herausforderung für die drei Hauptakteure – Bund, Länder und Film- branche – ist . Wir alle sind uns eigentlich auch bewusst, dass der Bund die Aufgabe deshalb nicht alleine gestal- ten kann . Da können wir noch so viele Anträge hier be- schließen – wenn die anderen Akteure nicht mitmachen, wird das nichts . Die Linkspartei könnte ja beispielswei- se schon einmal dafür sorgen, dass das Land Thüringen sich einem gemeinsamen Konzept der Digitalisierung des Filmerbes nicht verschließt . Denn an einem solchen wird momentan gearbeitet . Das würde mehr helfen, als hier Absichtserklärungen abzugeben – unrealistische Ab- sichtserklärungen . Denn neben den grundsätzlichen Feststellungen im Antrag, denen zuzustimmen ist, entlarvt sich die Links- partei als filmpolitischer Messie. Sie will schlicht alle Filme ab 1895 sammeln und archivieren . Nur unter ferner liefen wird eine weitgefasste Priorisierung er- wähnt . Mit Blick auf die riesigen Filmbestände und die Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel und Kapazitäten ist eine enge Priorisierung jedoch schlicht- weg eine absolute Notwendigkeit . Man wird entscheiden müssen, welche Filme archivwürdig sind – und welche eben nicht. Um eine solche Entscheidung zu treffen, sind neben dem filmwirtschaftlichen Auswertungsinteresse auch der kuratorische Bedarf aus filmhistorischer Sicht und die Notwendigkeit der konservatorischen Sicherung zu beachten . Natürlich wird nicht jeder mit einer solchen Entscheidung zufrieden sein . Das liegt in der Natur der Sache . Aber auch an anderen Stellen wird der Antrag der Linkspartei unrealistisch . Zwar beruft man sich auf das PwC-Gutachten und die darin enthaltenen Zahlen und Fakten . Auf der anderen Seite bezieht man jedoch so viele weitere Wünsche mit in den Antrag ein, dass die Berechnungen schlicht ihre Grundlage verlieren . Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ganz am Rande gefordert wird, dass neben der Digitalisierung und Zugänglichma- chung des Filmerbes auch noch die Originale erhalten werden sollen . Hätte die Studie dies mit in ihre Ergebnis- se einbezogen, wäre sie noch auf ganz andere Ergebnisse gekommen . Ebenso wirklichkeitsfern ist die Idee, die öffent- lich-rechtlichen Rundfunkanbieter über eine Selbstver- pflichtung dazu zu bringen, regelmäßig Archivfilme in ihre Programme aufzunehmen . Einig bin ich dann wieder mit der Linkspartei bei der Feststellung, dass wir erst am Anfang einer dauerhaften Aufgabe stehen . Zu Beginn sind große Aufwendungen nötig, weil wir in den vergangenen 120 Jahren ja schon einiges angesammelt haben . Nach und nach sollte die Sicherung unseres Filmerbes dann jedoch zur Routine werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721914 (A) (C) (B) (D) Dem Antrag kann man deshalb trotzdem nicht zustim- men . Er weist in die richtige Richtung, stellt aber illuso- rische Forderungen auf . Ich bin zuversichtlich, dass wir auch so in Kürze zu einer gemeinsamen Lösung mit Län- dern und Filmwirtschaft kommen . Johannes Selle (CDU/CSU): Seit nunmehr über hundert Jahren haben wir das bewegte Bild – den Film . Den französischen Brüdern Lumière, Filmpionieren der ersten Stunde, ist es zu verdanken, dass sie mit ihrer Erfindung des Kinematographen nicht nur die Filmtech- nik revolutionierten, sondern dem Kino zu seinem Na- men verhalfen . Bereits vor der ersten Filmvorführung der Brüder Lumière am 28 . Dezember 1895, in Paris, zeigten die deutschen Brüder Skladanowsky im Wintergartenpalais zu Berlin am 1 . November 1895 kurze Filme auf einem Überblendprojektor mit einer sogenannten Handkurbel- kamera . Diese Technik konnte sich in der Praxis nicht durchsetzen, da die Abfolge auf 24 Bilder in Folge be- schränkt war . Zweifelsohne zählen sie zu den Pionieren der weltweiten Filmgeschichte . Seiter erleben wir eine rasante Entwicklung der Film- technik bis hin zur heutigen Digitalisierung . Mit der Fortentwicklung der Technik haben sich auch die Film- gattungen gewandelt: von Stummfilmen zu animierten Filmen bis zu den 3D-Filmen . Filme sind Wirtschafts- und Kulturgut . Sie geben – seit es sie gibt – am eindrücklichsten die Entwicklung der Gesellschaft in ihren Facetten wieder . Mit dem Film lassen sich Menschen am leichtesten ansprechen . Filme sind Zeitzeugen unserer Geschichte, und sie tragen zu unserer kulturellen Identität bei . Sie sind bis heute Mas- senmedium im wahrsten Sinne des Wortes . All das sind Gründe, unser filmisches Erbe zu bewahren und zugäng- lich zu machen . Wir stellen uns der großen Verantwortung, der Jahr- hundertaufgabe, so wie sie zu Recht von Staatsministerin Monika Grütters bewertet wird . Insgesamt rund 4,3 Mil- lionen Minuten, das sind circa 170 000 Titel von Lang- und Kurzfilmen, umfasst der deutsche Bestand des filmi- schen Erbes . Leider, und dass muss man auch in diesem Zusammenhang sagen, sind uns bereits schon zu viele Filme verloren gegangen . Vor allem aus der Epoche des Stummfilms sind es rund 85 Prozent. An den Zahlen wird nicht nur erkennbar, was für eine gewaltige Aufgabe vor uns liegt, sondern welche Bedeutung der Film als Medi- um bereits im späten 19 . und überwiegend im 20 . Jahr- hundert einnahm . Einher geht dies mit der Frage nach der Archivierung des Trägermaterials . Das analoge Material zu sichern, ist mit großen technischen Herausforderungen verbunden . Der Zerfall der Materialen kann nicht aufgehalten, son- dern nur hinausgezögert werden . Davon hat der Leiter des Bundesarchivs, Michael Hollmann, uns in der Anhö- rung zum Filmerbe berichtet . Vor allem Filme, deren Trä- germaterial aus Nitrozellulose besteht, sind sehr aufwen- dig und kostenintensiv zu lagern . Die Filmrollen müssen in klimatisierten sowie feuer- und explosionsgeschützten Räumlichkeiten aufbewahrt werden . Grundsätzlich sind wir überfraktionell einig, das deut- sche Filmerbe zu bewahren und öffentlich verfügbar zu machen. Jedoch sind Unterschiede im Detail offenbar, wie der Antrag der Linksfraktion zeigt . Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Punkten in dem Antrag, die wir nicht unterstützen können . Zum Ersten: Sie behaupten, die Bundesregierung habe keine Stra- tegie . Das ist schlichtweg falsch! Die Grundlage für die Digitalisierungsstrategie ist das PwC-Gutachten . Im Zeitraum von zehn Jahren sollen jeweils 10 Millionen Euro von Bund, Ländern und Filmwirtschaft zur Verfü- gung gestellt werden . Es gibt Kriterien, die festlegen, was digitalisiert wer- den soll . Gegenstand der Digitalisierungsstrategie sind grundsätzlich gattungs- und formübergreifende deut- sche Kinofilme, die auf analogem Material vorliegen. Die Kriterien für die Digitalisierung beruhen auf einem Dreisäulenmodell, bestehend aus: erstens dem filmwirt- schaftlichen Auswertungsinteresse, zweitens dem kura- torischen Bedarf (aus filmhistorischer Sicht), drittens der notwenigen konservatorischen Sicherung (wegen Mate- rialgefährdung) . Alle priorisierten und digitalisierten Filme sollen der Öffentlichkeit zugänglich sein. Daher sollen sie in einer Auflösung digitalisiert werden, die sämtliche Auswer- tungsarten ermöglicht . Nur noch wenige Kinos sind in der Lage, analoge Fil- me aus den Archiven vorzuführen . Staatlich zu subven- tionieren, dass Kinos veraltete Vorführtechnik pflegen, ergibt keinen Sinn . Zum Zweiten: Wir bezweifeln die Aussage, dass die Linksfraktion in den letzten beiden Wahlperioden als einzige Fraktion konkrete Finanzierungsvorschläge für die Sicherung des Filmerbes gemacht hat . Im Gegengenteil: Sie fordern die Bundesregierung auf, 30 Millionen Euro jährlich zu fördern, ohne hierzu belastbare Vorschläge zu machen, wie die Summe zu fi- nanzieren wäre . Tatschälich ist es schwer genug, 10 Mil- lionen Euro jährlich zusammenzubringen, die Bund, Länder und Filmwirtschaft gemeinsam schultern . Wir befinden uns in einem Spannungsverhältnis zwi- schen filmaffinen und nicht filmaffinen Ländern. Zu unse- rem Bedauern wurden die Länder bisher nicht einig und damit ihrer Verantwortung für die Kultur nicht gerecht . Die Bundesregierung und wir als Koalitionsparteien sind weiterhin in intensiven Gesprächen und guter Din- ge, dass wir noch in dieser Legislaturperiode einen Wurf mit den Ländern schaffen werden. Denn das deutsche Filmerbe endet nicht an den jeweiligen Landesgrenzen, sondern betrifft die gesamte Bundesrepublik sowie die deutsche Filmwirtschaft . Der Bund hat im Kulturetat wie auch die Filmförde- rungsanstalt seit 2012 jährlich 1 Million Euro in die Digi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21915 (A) (C) (B) (D) talisierung investiert . In diesem Jahr steigt der BKM-An- teil um eine weitere Million Euro . Des Weiteren haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von je 3 Mil- lionen Euro für die Jahre 2018 und 2019 hinterlegt . Im gleichen Zug hat auch die FFA ihren Anteil auf 2 Mil- lionen Euro angehoben . Es liegt nun bei den Ländern, nachzuziehen . Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dafür werben . Darüber hinaus hat die Unionsfraktion bereits 2008 und 2010 Anträge zur Sicherung des Filmerbes in den Bundestag eingebracht . Unserer Fraktion geht es darum, das Kulturgut Film dauerhaft zu sichern und zugänglich zu machen . Ihr An- trag, so verstehe ich das, möchte alles archivieren, was je auf Film gebannt wurde . Wenn Sie das umsetzen wollen, kann ich Ihnen sagen, dass auch die 30 Millionen Euro jährlich nicht ausreichen werden . Und Drittens: Sie fordern die Subventionierung für die noch exis- tierenden Filmkopierwerke . Dann gehört konsequen- terweise die Forderung dazu, die Filmmaterialhersteller mit Steuergeld zu erhalten und entsprechendes Personal auszubilden . Das ist leider so nicht möglich, und diese Tatsachen erkennen sie nicht an . Und Zuletzt: Sie machen in Ihrem Antrag eine Vielzahl von Forde- rungen auf, die die Bundesregierung bereits umgesetzt hat . Der Aufbau des Bestandskatalogs wurde von der Bun- desregierung in Höhe von 400 000 Euro gefördert . Die Bestände der Deutschen Kinemathek und des Deutschen Filminstituts wurden erfolgreich zusammengeführt . Die Ergebnisse sind im Filmportal eingestellt und bereits öf- fentlich unter filmportal.de . Als Nächstes werden die Be- stände des Bundesarchivs folgen . Die Zusammenführung dieser beiden großen Filmbestände ist nun in der finalen Phase . Rainer Rother vom Kinematheksverbund sowie Michael Hollmann vom Bundesarchiv haben dies auch in der Anhörung im Ausschuss bestätigt . Im neuen Filmfördergesetz, das seit 1 . Januar 2017 in Kraft ist, haben wir im § 49 für die Filmwirtschaft einen rechtlichen Rahmen geschaffen. Hersteller und Verlei- her sind verpflichtet, einen nach dem FFG geförderten Film, eine technisch einwandfreie analoge oder unkom- primierte digtale Kopie des Films in einem archivfähi- gen Format unentgeltlich dem Bundesarchiv zu überge- ben. Darüber hinaus sind die Hersteller verpflichtet, eine Registrierung beim Bundesarchiv vorzunehmen . Diese Pflichtregistrierung haben wir bereits im Zuge der No- vellierung des Bundesarchivgesetzes 2013 ins Gesetz geschrieben . Dadurch haben wir einen Überblick über den Gesamtumfang der jährlichen Filmproduktion in Deutschland gewonnen . Der ist vorher nicht vollständig bekannt gewesen . Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass wir zügig mit der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie des Film- erbes vorankommen . Hierzu müssen weitere Strukturen geschaffen werden. Wir brauchen auf der einen Seite das technische Know-how, und auf der anderen Seite müssen wir das Bundesarchiv und die Deutsche Kinemathek per- sonell stärken . Diesen Institutionen wird bei der Digita- lisierung des Filmerbes eine wichtige Rolle zugewiesen . Uns muss klar sein, dass die Zugänglichkeit des deut- schen filmischen Erbes nur digital erfolgen kann. Jedoch sind wir noch in der Diskussion, ob und wie wir in der Zukunft die Originalfilmträger weiter erhal- ten können . Auch in der Anhörung zum Filmerbe haben uns die Fachleute auf diese Problematik aufmerksam ge- macht . Hierzu werden weitere Gespräche geführt . Aus den bereits genannten Gründen, werden wir dem vorliegenden Antrag nicht zu stimmen . Burkhard Blienert (SPD): In diesen Tagen können wir wieder erleben, wie die Berlinale mit ihren zahlrei- chen Filmreihen das filmische Fenster in die Welt öffnet. Eine großartige Gelegenheit, in die unermessliche Viel- falt des Filmschaffens ganz unterschiedlichen kulturellen Ursprungs einzutauchen . Eine besondere Reihe, die „Retrospektive“ – maß- geblich unterstützt von der Deutschen Kinemathek –, gewährt darüber hinaus einen spannenden Einblick in Filmwerke, die zum filmischen Erbe ausgewählter Län- der gehören . In diesem Jahr geht es um das spannende Thema „Science-Fiction“. Zusammen mit den „Berlinale Classics“ führt uns die „Retrospektive“ die kulturelle Bedeutung des alten Film- bestands plastisch vor Augen . Indem das Zeitgenössische in einen filmhistorischen Zusammenhang gestellt wird, wird Filmgeschichte überhaupt erst erfahrbar . Das filmische Erbe ist nicht nur Teil einer lebendigen Filmkultur, es ist zugleich Ausdruck kulturellen Reich- tums und kultureller Vielfalt . Über die künstlerische Be- deutung hinaus bieten Filme mit der Lebendigkeit ihrer bewegten Bilder ganz eigene Zugänge zu Zeitgeschichte und Kultur . Sie veranschaulichen Zeitumstände, histori- sche Situationen und gesellschaftliche Vorstellungen der verschiedenen Epochen . Damit sind sie Zeitzeugen und lebendiges Gedächtnis zugleich . Als solche sind sie un- verzichtbarer Bestandteil unseres kulturellen Erbes über- haupt . Hieraus leitet sich unsere Verantwortung für den Er- halt und die Verbreitung des überlieferten Filmbestands ab . Die dringlichsten Herausforderungen bestehen darin, Filme vor dem chemischen Verfall zu retten, und darin, die analogen Filmrollen zu digitalisieren, um sie in Zei- ten digitalisierter Kinos und allgegenwärtiger Internet- nutzung überhaupt sichtbar machen zu können . Ich freue mich, dass sich darin alle Fraktionen einig sind . Insofern begrüße ich auch den vorliegenden Antrag der Linkenfraktion . Die Experten haben uns in der Ausschussanhörung bestätigt, dass es zusätzlichen Handlungsdruck gibt: Ohne Digitalisierungsoffensive drohen die erforderlichen Kompetenzen für analoge und digitale Filmbearbeitung http://www.filmportal.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721916 (A) (C) (B) (D) und die entsprechende Infrastruktur bei uns verloren zu gehen. Denn ohne Nachfrage können die filmtechnischen Betriebe und Dienstleister die entsprechenden personel- len und technischen Kapazitäten nicht vorhalten . Mit der Folge, dass die Digitalisierung an Unternehmen im Aus- land vergeben werden müsste . Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass wir nach einem langen Vorlauf jetzt endlich die letzten Hinder- nisse, die einer Digitalisierungsoffensive bisher im Weg gestanden haben, wegräumen können . Ich bin sehr zuver- sichtlich, dass das noch vor Abschluss der Wahlperiode gelingt . Im Koalitionsvertrag hatten wir verabredet, eine Digi- talisierungsförderung von Bund, Ländern und Filmwirt- schaft auf der Grundlage eines gemeinsamen Konzepts auf die Beine zu stellen . Gemeinsame Verantwortung erfordert gemeinsame Umsetzung und gemeinsame Finanzierung . Der Bund, die Branche, aber auch einzelne Länder wie Berlin sind hier bereits vorangegangen . Für das laufende Jahr hat der Bundestag die Mittel für die Digitalisierung des Filmerbes auf 2 Millionen Euro verdoppelt . Darüber hinaus haben wir Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre in Höhe von jeweils 3 Millionen Euro be- schlossen . Auch die Filmwirtschaft zeigt Verantwortung . Über den Haushalt der Filmförderungsanstalt stellt sie seit die- sem Jahr ebenfalls 2 Millionen Euro bereit und will wei- ter aufstocken, wenn sich auch die Länder entsprechend einbringen . Der Bund hat sich mit den beteiligten Ländervertre- tern inzwischen über das Digitalisierungskonzept ver- ständigt . Wir haben geklärt, was wir digitalisieren, wie wir es digitalisieren, und wir haben Eckpunkte für die Förderung formuliert . Grundsätzlich einig ist man sich auch, dass Bund, Länder und Branche zu gleichen Teilen finanzieren. Jetzt warten wir nur noch darauf, dass sich die Länder untereinander verabreden, wie sie ihren Finanzierungs- anteil aufbringen . Auch hier vernehme ich ermutigende Signale . Bei der Erarbeitung der Digitalisierungsstrategie sind wir strikt danach verfahren, was machbar und was am dringlichsten ist . Und wir haben uns an den Empfehlun- gen der PwC-Studie zur „Ermittlung des Finanzbedarfs zum Erhalt des filmischen Erbes“ orientiert: Wir wollen gemeinsam 10 Millionen Euro aufbringen und das zu- nächst zehn Jahre lang . Demgegenüber formuliert der Antrag der Linkenfrak- tion Forderungen, die alle Beteiligten finanziell überfor- dern, sodass am Ende wieder gar nichts passieren würde . Die Sache möglichst schnell und pragmatisch anzuge- hen, das war auch der einhellige Appell der Sachverstän- digen in der Anhörung im Ausschuss – und daran wollen wir uns halten . Dass wir mit dem Digitalisierungskonzept nicht alle Herausforderungen, die mit unserem Filmerbe verbunden sind, beantworten, darüber bin ich mir im Klaren . Noch zu klären sind so wichtige Fragen wie die Langzeitsiche- rung der Digitalisate und des analogen Ausgangsmateri- als, aber auch der originär digitalen Produktionen, wie sie seit etwa 2010 die Regel sind. Offen sind vor allem die Punkte Haltbarkeit und Lagerkapazitäten . Natürlich steht auch hierbei über allem die Frage der Finanzierbarkeit . Es wird darauf hinauslaufen, dass wir auch hier zunächst selektiv und nach Prioritäten vorge- hen müssen . Entscheidend ist es nun aber, dass wir mit der Digi- talisierungsoffensive den ersten großen Schritt machen. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einen nach- drücklichen Appell an die öffentlich-rechtlichen Sender richten . Auch sie tragen als Produzenten, Rechteinha- ber und Verwerter eine Verantwortung für das filmische Erbe . Ich möchte daran erinnern, dass auch der Rund- funkstaatsvertrag darauf Bezug nimmt . Diese Verantwortung konkretisiert sich in der Vermitt- lung unseres Filmerbes im Rahmen des Bildungs- und Kulturauftrags der Rundfunkveranstalter . Deshalb sollte die Aufnahme von Werken aus unserem Filmerbe – über angekaufte Lizenzen – wieder zum festen Bestandteil der Programmgestaltung gehören . Ich komme zum Schluss . Der vorliegende Antrag ist in seinem Grundanliegen unstrittig . Allerdings schießt er insbesondere bei seinen finanziellen Forderungen weit über das Machbare hinaus . In anderen Punkten hat er sich inzwischen erledigt . Deshalb kann meine Fraktion nur ablehnen . Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Berlina- le-Zeit ist jedes Jahr nicht nur die Zeit des berühmten Roten Teppichs, der Stars und der Sternchen . Sie ist auch die Zeit der Verteilung nachträglicher oder vorgezoge- ner „Weihnachtsgeschenke“ durch die Politik – so hat sich Frau Kulturstaatsministerin Grütters für zusätzliche 25 Millionen Euro Filmförderung feiern lassen; Geld, das durch die Bundesregierung am Haushaltsgesetzgeber vorbei beschlossen wurde; Geld, das „einen zusätzlichen Anreiz für internationale Aufträge an deutsche Produk- tionsdienstleister schaffen und die deutschen Standorte wettbewerbsfähig halten“ soll, so heißt es in der entspre- chenden Erklärung der Kulturstaatsministerin – also nicht etwa Geld für faire Entlohnung der Filmschaffenden, für mehr Filme von Frauen oder mehr Genrevielfalt – die (angeblichen) Schwerpunkte des erst kürzlich beschlos- senen neuen Filmförderungsgesetzes . Und schon gar nicht Geld zur dringend notwendigen Bewahrung, Siche- rung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes . Aber ich will nicht den Eindruck erwecken, immer nur zu meckern und zu kritisieren . Der Fairness halber sei hiermit festgestellt, dass der Filmförderungs-Fonds DFFF erstmals 75 Millionen Euro enthalten und damit um 5 Millionen Euro höher sein wird als die von der Linken seit Jahren geforderten mindestens 70 Millionen Euro . Damit haben Sie uns, Frau Grütters, erstmals in der Höhe der Ausstattung des Filmförderungsfonds in dieser Wahlperiode übertroffen. Herzlichen Glückwunsch. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21917 (A) (C) (B) (D) Trotzdem kann ich Ihnen leider den Rest meiner Rede, der viel Kritik enthalten wird, nicht ersparen . Denn: Ber- linale-Zeit ist auch jedes Jahr Zeit, um Filme zu präsen- tieren, die zum Filmerbe und damit zum cineastischen, kulturellen und künstlerischen Gedächtnis unseres Lan- des gehören . Ein beispielloser Schatz künstlerischen und kreativen Schaffens. Ein integraler Bestandteil unseres Kulturkanons . Und so wurde im Rahmen der „Berlina- le Special“ eine restaurierte Fassung der fünfteiligen, 1972 vom WDR produzierten Familienserie „Acht Stun- den sind kein Tag“ von Rainer Werner Fassbinder welt- uraufgeführt . Erstmals war seinerzeit eine alternative Produktion zum „Heile-Welt-Fernsehen“ entstanden, die im Arbeitermilieu angesiedelt war, sozialpolitische und ökonomische Aufklärung mit Alltagsgeschichten voll Spannung und Unterhaltungswert verband – wie es im Presseheft des Films heißt . „Fassbinder rückte Diskus- sionen über Mitbestimmung und Solidarität am Arbeits- platz, hohe Mieten, antiautoritäre Erziehung und vieles mehr in den Mittelpunkt.“ Ein Film also über und für die „kleinen Leute“, die Beitragszahlerinnen und -zahler des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im besten Sinne. Ein- schaltquoten von circa 60 Prozent je Folge – „allein bei der ersten Folge gab es fünfundzwanzig Millionen Zu- schauer, Ostdeutsche nicht mit eingerechnet“ – dürften heutigen Produzenten wie ein Märchen traumhaft vor- kommen . Die erhalten gebliebenen 16-mm-Umkehrpositiv-Ori- ginale mussten – um den Film überhaupt wieder auffüh- ren zu können – werkgetreu in 2K-Auflösung digitalisiert und restauriert werden, denn die Farben des Original-Ma- terials waren trotz vorbildlicher Lagerung im WDR-Ar- chiv inzwischen an einigen Stellen ausgeblichen . Ebenso musste der Ton, der auf 16-mm-Original-Mischtonbän- dern vorlag, aber auch an einigen Stellen beschädigt war, restauriert und von einer früheren Überspielung auf DA88 ersetzt werden . „Deutliche Knackser und Störge- räusche, die durch die Lagerung entstanden, wurden re- duziert und die Originalmischung szenenweise behutsam in der Klangfarbe und Dynamik an die heutigen Hörge- wohnheiten angepasst.“ 478 Minuten Film entstanden so de facto neu . Zu- sätzlich zu den dadurch entstehenden Kosten mussten für jeden einzelnen Bestandteil des Films, der ja für das Fernsehen produziert worden war und nun auch für Kinoaufführungen zur Verfügung stehen soll, die Urhe- berrechte neu geklärt und einzeln erworben werden . Ich schildere das deshalb so ausführlich, weil viele Menschen glauben, Digitalisierung bedeute einfach: Filmrolle ein- legen, Kopier-Taste drücken, fertig! Aber so einfach ist die Bewahrung, Sicherung, Digitalisierung und Zugäng- lichmachung des Filmerbes nicht einmal ansatzweise . Insgesamt entstand für „Acht Stunden sind kein Tag“ ein Finanzbedarf im oberen sechsstelligen Euro-Bereich . Förderung durch die Filmförderungsanstalt – also öf- fentliche Förderung – hat die Rainer-Werner-Fassbin- der-Foundation lediglich in Höhe von 15 000 Euro pro Filmfolge erhalten – also insgesamt 75 000 Euro . Gerade einmal circa 10 Prozent des Gesamtbudgets . Der Rest der benötigten Finanzmittel musste über weitere Stiftungen, private Geldgeber und das MoMA New York besorgt werden sowie durch die Vorabverpfändung erhoffter Ver- wertungs-Einnahmen . Politik, die so mit dem Filmerbe umgeht, versündigt sich an ihm . Deshalb ist der aktuelle Umgang dieser Bundesregie- rung mit dem Filmerbe dieses Landes nicht zu akzeptie- ren . Und deshalb begeht die Große Koalition einen schwe- ren kulturpolitischen Frevel und politischen Fehler, unse- ren Antrag heute hier einfach nur abzulehnen, noch dazu, ohne die Spur eines eigenen Vorschlags für die Zukunft vorzulegen . Nun höre ich natürlich als aktiver Berlinale-Besucher, dass angeblich Durchbrüche zwischen der Kulturstaats- ministerin, den Ländern und der Filmwirtschaft erreicht worden wären, was die Sicherung des Filmerbes und sei- ne Zugänglichmachung betrifft. Und, wie gesagt, Berli- nale-Zeit ist ja jedes Jahr auch die Zeit der Versprechen und nachträglichen oder vorgezogenen Weihnachtsge- schenke der Politik . Und die klingen in diesem Fall so: Vielleicht könnten ab 2018 jährlich wenigstens 10 Mil- lionen Euro für die Sicherung und Zugänglichmachung des Filmerbes zur Verfügung stehen . Vielleicht könnte es endlich eine Digitalisierungsstrategie für das Filmerbe geben . Vielleicht könnten endlich Schwerpunkte gesetzt werden – die damit befassten Experten und Akteure ste- hen ja seit Jahren in den Startlöchern . Allein: Es sind bisher nur Gerüchte . Zu viele „Viel- leichts“. Verbindliche Zusagen: bisher Fehlanzeige. Deshalb bleibt Die Linke bei ihrer Forderung: Wir for- dern Bund, Länder und Filmwirtschaft dazu auf, in den nächsten 10 Jahre jährlich 30 Millionen Euro für die Be- wahrung, Sicherung/Digitalisierung und Zugänglichma- chung des Filmerbes bereitzustellen . Dies soll im Sinne einer Doppelstrategie erfolgen: Analoges Material sollte mit Hilfe der Verwendung neuester Restaurationsver- fahren so gut es geht erhalten werden, bei gleichzeitiger schrittweiser Digitalisierung des Gesamtbestandes zur vollen Zugänglichmachung . Dazu müssen natürlich die analogen Kopierwerke erhalten bleiben . Es kann nach Stand der Technik gegenwärtig davon ausgegangen wer- den, dass bei einer analogen Bewahrung vorhandenen Filmmaterials dieses Material für weitere circa 500 Jahre erhalten werden kann . Und ein zweiter Vorteil, wenn Sie den Vorschlägen der Linken folgen würden: Möglicherweise brauchen wir als öffentliche Hand dabei auch nicht auf 10 Jahre den Bä- renanteil tragen, wenn der Fonds so angelegt wird, dass er sich langfristig in einen revolvierenden Fonds verwan- delt, indem aus künftigen Verwertungen auch Fördermit- tel zurückerstattet werden können . Wir fordern ein Kon- zept zur Sicherung und Digitalisierung des Filmerbes . Und wir fordern eine pro-aktive Verwertungsoffensive für das Filmerbe – von den Öffentlich-Rechtlichen über die Kinos, über Festivals, über Spezialveranstaltungsrei- hen bis hin zur Medienbildung usw . usf . Es ist gut und richtig, wenn die BKM, wenn Monika Grütters den Kinofilm als „ein unersetzliches Gedächtnis aller Facetten unserer Kultur und Geschichte“ bezeich- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721918 (A) (C) (B) (D) net . Aber Sonntagsreden nützen dem Filmerbe nichts . Ta- ten sind endlich gefragt! Die Linke steht für Taten bereit . Und sie dankt all denjenigen, die sich in den vergangenen Jahren für die Bewahrung, Sicherung und Zugänglich- machung des Filmerbes eingesetzt haben . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was das Filmerbe betrifft, erreichen uns seit geraumer Zeit Hilferufe der Fachleute . Und auch bei der Anhörung im Ausschuss konnten wir es wieder hören: An jedem Tag, an dem wir nichts unternehmen, um Filmmaterial zu di- gitalisieren oder auch in analoger Form zu bewahren, geht uns deutsches Filmerbe aufgrund der fortschreiten- den chemischen Zersetzungsprozesse unwiederbringlich verloren . Aber das Filmerbe-Thema scheint der Koalition nicht mehr als nur ein paar warme Worte wert zu sein . Was es hier braucht, ist ernstgemeintes Engagement, und zwar in finanzieller Form. Dass das prinzipiell geht, hat Frau Grütters ja vergangene Woche schön beim Deutschen Filmförderfonds gezeigt: Wenn ihr etwas wichtig ist, dann findet sich auch Geld dafür. Pünktlich im Wahljahr hat sie für den DFFF 25 Millionen Euro hervorgezaubert . Bei den Haushaltsverhandlungen wurden für die Digi- talisierung des Filmerbes aber gerade mal 2 Millionen Euro eingestellt . Und das reicht absolut nicht aus . Jetzt könnte man sagen: Ach hätten wir nur eine un- abhängige Untersuchung, die uns sagt, wie viel Geld für die Digitalisierung des Filmerbes nötig wäre! – Da habe ich gute Neuigkeiten für Sie: Die FFA hat hierfür bereits 2015 PricewaterhouseCoopers mit einer Studie beauf- tragt . Und diese kommt zu dem Schluss, dass eine Sum- me von 10 Millionen Euro pro Jahr über einen Zeitraum von zehn Jahren sachgerecht wäre . Hierbei ist bereits ein- gerechnet, dass man aus dem Gesamtbestand auswählen und priorisieren muss: Was will man unbedingt behalten, was nicht? Ich finde es schade, dass Frau Grütters die Ergebnisse dieser Studie nicht nutzt, um stärker bei den Ländern für eine finanzielle Einigung zu werben. Dabei sind Klassiker der Filmgeschichte nicht nur et- was für Fachnerds . In der diesjährigen Berlinale-Sektion werden restaurierte Science-Fiction-Filme neu aufge- führt, die vielleicht so mancher von Ihnen noch im Kino gesehen hat . Viele Filme wie Die Feuerzangenbowle oder die DEFA-Märchenfilme sind noch heute zeitlose Klassiker, die Groß und Klein begeistern . Deutschland ist ein Land mit einer international bedeutsamen Filmge- schichte . Gerade wir sollten dieses Erbe bewahren! Aus diesem Grund finden wir auch zahlreiche der For- derungen aus dem Antrag der Linke sinnvoll . Allerdings plädieren wir dafür, bei den finanziellen Forderungen ein bisschen auf dem Teppich zu bleiben . Wenn wir uns an den Zahlen der Studie von PwC orientieren würden, wäre der Sache aus unserer Sicht schon sehr geholfen . Aber wir sehen auch die Bundesregierung in der Pflicht, end- lich ihr Versprechen einer Digitalisierungsstrategie ein- zulösen und sich bei den finanziellen Fragen nicht weiter hinter der Behauptung zu verstecken, man habe sich noch nicht mit den Ländern und der Filmwirtschaft darüber einigen können, wer wie viel in den Erhalt des Filmer- bes steckt . Während Sie das Thema vor sich herschie- ben, zerfällt jeden Augenblick Filmmaterial und damit ein Teil der deutschen Kulturgeschichte . Die 2 Millionen Euro, die Sie dieses Jahr für die Digitalisierung des Film- erbes vorgesehen haben, sind angesichts dieser dramati- schen Situation wirklich einfach nur beschämend! Würden Sie dem Thema nur ein klein wenig mehr Be- deutung beimessen, könnten im Kopierwerk in Hoppe- garten die Personalstellen erhalten werden, die für den Erhalt analogen Filmmaterials zuständig sind . Wir könn- ten Filme digitalisieren und der Öffentlichkeit wieder zu- gänglich machen . Frau Grütters, beim DFFF haben Sie gezeigt, dass Sie für Überraschungen gut sind . Jetzt überraschen Sie uns doch bitte mal damit, dass Sie die Hilferufe in Sachen Filmerbe erhören und hier endlich den dringend benötig- ten finanziellen Rettungsring auswerfen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um- setzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration (Tages- ordnungspunkt 13) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf erfüllt die Bundesregierung ihre europarechtliche Pflicht, drei EU-Richtlinien zur Arbeitsmigration umzusetzen . Konkret sollen die Sai- sonarbeitnehmerrichtlinie, die ICT-Richtlinie und die REST-Richtlinie im deutschen Aufenthaltsrecht umge- setzt werden . Zentrales Ziel der drei Richtlinien ist es, dass Men- schen, die keine EU-Bürger sind, unbürokratischer in der EU arbeiten, forschen und studieren können . Insbeson- dere soll mit der Aufenthaltserlaubnis für einen EU-Staat auch ein Arbeits- oder Forschungsaufenthalt in einem anderen EU-Staat erlaubt werden . Die Saisonarbeitnehmerrichtlinie ermöglicht es Un- ternehmen, kurzfristigen Arbeitskräftebedarf auch mit Nicht-EU-Bürgern zu decken . Vor allem in der Landwirt- schaft, der Gastronomie und der Bauindustrie werden seit Jahren zusätzliche saisonale Arbeitskräfte gebraucht . Die Neuregelung ermöglicht Drittstaatlern Kurzaufenthalte bis zu 90 Tage oder längere Aufenthalte bis zu 6 Mona- te, um in Deutschland vorübergehend zu arbeiten . Dafür müssen die Saisonarbeiter einen gültigen Arbeitsvertrag und eine bezahlbare Unterkunft nachweisen . Um Aus- beutung zu verhindern, wurden die Schutzstandards und die Rechte der Saisonarbeitnehmer verbessert . Die ICT-Richtlinie regelt unternehmensinterne Trans- fers von Drittstaatlern innerhalb der EU . Bereits nach geltendem deutschem Recht haben Ausländer die Mög- lichkeit, im Rahmen eines Personalaustauschs innerhalb eines internationalen Unternehmens nach Deutschland einzureisen und hier zu arbeiten . Das Gleiche gilt für aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21919 (A) (C) (B) (D) ländische Führungskräfte, für leitende Angestellte und für Spezialisten . Mit dem Gesetzentwurf werden die ver- schiedenen Möglichkeiten vereinheitlicht . Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, auf der Basis eines Aufent- haltstitels eines EU-Staates unternehmensintern in ei- nen anderen EU-Staat zu wechseln, um zum Beispiel in Deutschland zu arbeiten . Das stärkt die Attraktivität der EU für Unternehmen und somit auch den Wirtschafts- standort Deutschland . Die REST-Richtlinie regelt die Einreise und den Auf- enthalt von Forschern, Studenten und Praktikanten aus Drittländern . Künftig soll ein indischer Forscher, der ein Forschungsvisum nur für Frankreich hat, unkompliziert auch in Deutschland forschen dürfen . Ein chilenischer Student mit Visum für Spanien soll die Möglichkeit be- kommen, auch ein Semester in Deutschland zu absol- vieren und umgekehrt . Gerade in Wissenschaft und For- schung ist ein unkomplizierter internationaler Austausch eine wichtige Triebfeder für den Fortschritt . Die Bundesregierung verzichtet zu Recht darauf, die optionalen Vorschriften für Schüler, Au Pairs und Teil- nehmer an nationalen Freiwilligendiensten umzusetzen . Hierzu besteht weder materieller Rechtsänderungsbedarf noch sollten wir das Aufenthaltsgesetz, die Aufenthalts- verordnung und die Beschäftigungsverordnung noch weiter aufblähen . Die drei EU-Richtlinien sind in der Sache sinnvoll, insbesondere im Hinblick auf den Brexit . Britische EU-Bürger werden durch den Austritt aller Voraussicht nach zu Drittstaatsangehörigen . Angesichts der tiefen Verflechtung der britischen mit der kontinentaleuro- päischen Wirtschaft wird uns der aufenthaltsrechtli- che Status britischer Staatsbürger in der EU noch eini- ge Zeit beschäftigen . Jede Regelung aufseiten der EU, die es Drittstaatsangehörigen erleichtert, zwischen den EU-Staaten zu wechseln, ist aus Sicht von Bildung, For- schung und Wirtschaft in Europa zu begrüßen . Die EU-Freizügigkeit ist zweifellos eine gute Ant- wort auf die Herausforderungen der Globalisierung . Menschen, Universitäten und Unternehmen können in der EU grenzüberschreitend lernen, lehren, forschen und arbeiten . Allerdings muss die Freizügigkeit in Europa vernünftig geregelt werden. Negative Nebeneffekte der Freizügigkeit, wie grenzüberschreitende Kriminalität, Armutsmigration oder unkontrollierte Asylmigration, müssen wirksam unterbunden werden . Dafür braucht es mehr Zusammenarbeit und verbindliche Regeln in Europa, aber auch mehr Handlungsspielraum für die Nationalstaaten . Ein Beispiel ist die jahrelange Debatte über das Kindergeld für EU-Bürger, deren Kinder nicht in Deutschland leben . Die EU ist keine Sozialunion . Die Mitgliedstaaten haben ein Recht, ihre Sozialkassen zu schützen . Migration in Europa muss nicht nur effektiv kontrol- liert und gesteuert, sondern auch verständlich geregelt werden, um den grenzfreien Schengen-Raum dauerhaft zu erhalten . In Deutschland wird oft beklagt, unser Zu- wanderungsrecht sei zu unübersichtlich . Das mag sein . Diese Unübersichtlichkeit ist aber auch den komplexen EU-Vorgaben geschuldet und weniger dem deutschen Gesetzgeber . Die Umsetzung dieser drei Richtlinien wird das deutsche Aufenthaltsgesetz noch unübersichtlicher machen . Wer also ein neues Einwanderungsgesetz und einfache Regeln fordert, der sollte sich die komplexen EU-Vorga- ben ansehen, die Deutschland zwingend umsetzen muss . Eine substanzielle Vereinfachung der Einwanderungsre- geln ist nur machbar, wenn sie gleichzeitig auf EU-Ebene diskutiert und umgesetzt wird . Im Wesentlichen gibt es drei große Migrationskanä- le nach Deutschland: erstens die EU-Binnenmigration, zweitens die Asylmigration und drittens die Migration aus Drittstaaten, um hier zu arbeiten, zu studieren oder als Familiennachzug . Anstatt für relativ kleine Gruppen wie Saisonarbeiter, Forscher, Studenten und Firmenmitarbei- ter eigene Richtlinien umzusetzen, wäre es sinnvoller, die EU-Vorgaben zu Aufenthaltstiteln für Nicht-EU-Bür- ger stärker zu bündeln . Die Reform der EU-Blue-Card und das neue Einreise-Ausreise-Register schaffen dafür wesentliche Grundlagen . Europa muss das verlorene Ver- trauen in die EU-Freizügigkeit und den Schengen-Raum wiederherstellen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine kon- struktive Beratung des insgesamt guten Gesetzentwurfes . Sebastian Hartmann (SPD): Ohne Einwanderung wäre Deutschland wirtschaftlich und kulturell ärmer . Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unser Staat wer- den im nächsten Jahrzehnt massiv vom demografischen Wandel betroffen sein. Sinkende Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung stellen die deutsche Wirtschaft, die Sozial-, die Gesundheits- und die Rentensysteme vor enorme Herausforderungen . Einwanderung allein aus der Europäischen Union wird in vielen Branchen und Man- gelberufen nicht ausreichen . In den nächsten zehn Jahren verliert Deutschland über 6 Millionen Erwerbstätige . Deutschland ist ein Einwanderungsland . Arbeitskräf- te, die in den nächsten Jahren zuwandern, werden unse- ren Wohlstand sichern und tragen unser wirtschaftliches Wachstum . Arbeitsmigration ist ein Gewinn für den deut- schen Arbeitsmarkt, denn wir profitieren vom sozialen Kapital ebenso wie von Erfahrungen und Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen . Um diese Entwicklung zu befördern, müssen wir die Grundvoraussetzungen schaf- fen . Der vorliegende Gesetzentwurf hilft dabei, dass der Zugang zum und die Arbeitsbedingungen auf dem deut- schen Arbeitsmarkt transparent und fair gestaltet werden . Drei EU-Richtlinien zur Arbeitsmigration setzen wir in deutsches Recht um: Erstens regeln wir den Aufenthalt von Nicht-EU-Ausländern in Deutschland als Saisonar- beitnehmer . Zweitens werden die Bedingungen für aus- ländische Studenten, Wissenschaftler, die in Deutschland forschen oder Studien absolvieren möchten, Praktikan- ten und Au-pair-Kräfte definiert. Und drittens wird die Richtlinie für ausländische Arbeitnehmer umgesetzt, die innerhalb ihres internationalen Unternehmens zeitweise in Deutschland arbeiten möchten . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Auf- enthaltsregelungen vereinfacht und Möglichkeiten des Aufenthaltswechsels innerhalb der EU deutlich verbes- sert . So war es beispielsweise für Forschende aus Dritt- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721920 (A) (C) (B) (D) staaten bisher so, dass die Aufenthaltserlaubnis zum For- schen an einer europäischen Uni nicht für Deutschland galt und sie auch für kurze Forschungsaufenthalte einen eigenen deutschen Aufenthaltstitel beantragen mussten . Zukünftig wird der internationale Austausch von Wissen- schaftlern oder Studenten deutlich einfacher, es muss bei der zuständigen Behörde lediglich eine Mitteilung über den geplanten Aufenthalt erfolgen . Dies entlastet sowohl die deutsche Verwaltung als auch die einzelnen Perso- nen. Damit schaffen wir die benötigte Transparenz, mehr Rechtssicherheit und eine bessere Nachvollziehbarkeit für ausländische Personen, die bei uns studieren, for- schen oder arbeiten möchten . Zu erinnern ist an die jüngst am 16 . Dezember 2016 im Deutschen Bundestag beschlossene Umsetzung der EU-Richtlinie zur qualifizierten Migration in die EU, besser bekannt als Blue Card . Die Zulassung von be- ruflich qualifizierten Fachkräften in den Mitgliedstaaten war Gegenstand dieser europaweiten Regelung – und in der Debatte dazu war bereits erkennbar, dass bezogen auf den voraussichtlichen Bedarf an beruflich qualifizier- ten Fachkräften in bestimmten Wirtschaftszweigen die Zuwanderung gar nicht ausreicht . Um gegen die beste- henden und künftigen Arbeitskräfte- und Qualifikations- defizite in der EU vorzugehen, müssen wir also weitere Anreize schaffen. Auch dazu trägt der vorliegende Ge- setzentwurf bei . Die Arbeitsmigration nach Deutschland ist für unsere Gesellschaft eine Erfolgsgeschichte . Ohne erstmaliges Gastarbeiterabkommen mit Italien 1955 und türkische Arbeitsmigration in den 60er-Jahren stünde Deutschland nicht dort, wo wir jetzt sind . Internationale Arbeitskräfte, etwa aus dem angelsächsischen oder asiatischen Raum, tragen maßgeblich zur deutschen Wirtschaft bei – weil wir das wissen, beunruhigen uns Entwicklungen wie der Einreisestopp in die USA und der unklare Status briti- scher Staatsangehöriger nach dem Brexit umso mehr . Die Wirtschaft sieht das genauso . Zu Donald Trumps Einreisestopp für Bürger bestimmter Staaten haben sich 127 Unternehmen, darunter Flaggschiffe der amerikani- schen Wirtschaft wie Microsoft, Google, Apple, mah- nend geäußert: „Unsere Möglichkeiten zum Wachstum und zur Schaffung neuer Jobs fußen auf den Beiträgen von Migranten unterschiedlichster Herkunft.“ Das gilt in Deutschland ebenso . Neue Ideen, Innovation und schließ- lich Wachstum entstehen gemeinsam und im Austausch zwischen Deutschen und Ausländern . Verschiedene kul- turelle Hintergründe, international besetzte Forschungs- teams regen zur Zusammenarbeit und gemeinsamer Ver- änderung an . Schon heute haben wir 1 Million offene Stellen. Uns fehlen Altenpfleger genauso wie IT-Expertinnen. Der Mangel an Fachkräften führt bereits dazu, dass Un- ternehmen nicht expandieren und das wirtschaftliche Wachstum kleiner ausfällt, als es möglich ist . Wenn ab 2020 die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird sich diese Entwicklung weiter zuspitzen . Dann fehlen in- nerhalb weniger Jahre bis zu 6 Millionen Fachkräfte . Die können wir nicht allein aus den eigenen Reihen ersetzen . Weil aber der Bedarf davon abhängig ist, wie viele Ein- wanderer aus der EU kommen, muss die Einwanderung aus Drittstaaten bedarfsorientiert und flexibel nach ei- nem transparenten Punktesystem gesteuert werden . Wir setzen uns als SPD aus Überzeugung für ein Einwande- rungsgesetz ein . Für eine zeitgemäße Migrationspolitik brauchen wir ein solches Einwanderungsgesetz . Die Notwendigkeit liegt auf der Hand: Wenn in einem Ein- wanderungsland verständliche Regeln fehlen, führt das zu ungeregelter Einwanderung . Wir müssen auch deshalb endlich Klarheit schaffen, wer aus wirtschaftlichen Grün- den nach Deutschland einwandern kann und wer nicht . Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Die Europäische Union ist in keiner guten Verfassung. Seit Jahren befindet sie sich im Krisenmodus, und statt weniger, werden es immer mehr Krisen, die sich zudem vertiefen . Deutsch- land ist im Vergleich zu den Ländern im Süden Europas, in denen die Sozial-, Renten- und Tarifsysteme nicht ein- fach nur zusammengebrochen, sondern vielmehr gezielt zerstört worden sind, bislang vergleichsweise glimpflich davongekommen . Verantwortlich dafür ist auch und vor allem eine ri- gide Austeritätspolitik, die maßgeblich durch die Bun- desregierung durchgesetzt wurde . Es ist nicht zuletzt die Bundesregierung, die die Wirtschaftskrise zulasten einer massiven Sozialkrise beheben will. So klafft die Schere zwischen Arm und Reich nicht nur erheblich zwi- schen den EU-Mitgliedstaaten seit dem Krisenausbruch im September 2008 immer weiter auseinander, sondern auch innerhalb diesen . Regionale Unterschiede werden nicht ausgeglichen, sondern weiter ausgeweitet . Die Fol- gen sind vor allem die steigende Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, etc . Diese wiederum treiben die unfreiwillige Migration auch in- nerhalb der EU weiter voran . Vielen bleibt gar nichts anderes übrig, als in reicheren EU-Staaten ihr Glück zu versuchen . So ist es kein Wunder, dass das Vertrauen der Bürger in das vielbeschworene vermeintliche Integrati- onsprojekt EU und ihre Institutionen und ihr uneingelös- tes Wohlstandsversprechen unablässig schwindet . Doch nicht nur der Integrationsfähigkeit der EU wird zuneh- mend misstraut . Zugleich erodiert die Solidarität zwi- schen den EU-Mitgliedstaaten, und der Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaften bröckelt immer weiter und befeuert den aufflammenden Nationalismus, Rassismus und Neonazismus . Erst heute Mittag sprachen wir im Bundestag im Zu- sammenhang mit dem Antrag der Linksfraktion „Eine erfolgreiche Integrationspolitik erfordert eine soziale Of- fensive für alle“, Drucksache 18/9190, dass statt sicherer Arbeitsplätze, guter Löhne und damit natürlich auch gu- ter Renten, 1-Euro-Jobs, Leiharbeit, Dauerbefristungen und auch Werkverträge zunehmen . Das Ergebnis sind Hunderttausende, die von ihrer Arbeit nicht leben und ihre Familien schlicht nicht ernähren können . Auch die drei Richtlinien, die die Bundesregierung mit ihrem heute vorliegenden Gesetzentwurf umsetzen will, setzen an einem integrationspolitisch und arbeits- marktpolitisch verfehlten Konzept an . Dabei geht es um die Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zu Saisonarbeitnehmern, unterneh- mensintern Transferierten sowie Forschern, Studenten, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21921 (A) (C) (B) (D) Praktikanten und europäischen Freiwilligen . Den Vor- schlag für die Richtlinie hatte die Europäische Kommis- sion im Jahr 2010 vorgelegt . Der aktuelle Text wurde im Februar 2014 vom Europäischen Parlament verabschie- det, diese Fassung wurde vom Rat nun ohne Diskussion angenommen . Die Richtlinien machen deutlich, dass der Ansatz eine Fortsetzung des Konzeptes der „zirkulären Migration“ ist. Mit diesem soll flexibel auf die europäischen Ar- beitsmarktbedürfnisse der Unternehmen reagiert werden . Das Prinzip der „zirkulären Migration“ soll durch die Richtlinien gefördert werden . So können die Mitglied- staaten vereinfachte oder beschleunigte Zulassungsver- fahren für Personen einführen, die jedes Jahr beispiels- weise zur Saisonarbeit einreisen . Statt ein vermeintliches oder tatsächlich bestehendes Defizit an bestimmten Ar- beitskräften über eine Qualifizierungsoffensive bei der vorhandenen erwerbsfähigen Bevölkerung anzugehen, sollen gezielt ausgewählte Migrantinnen und Migranten als Arbeitsmarktpuffer missbraucht werden. Die Strategie, Arbeitsmarktengpässe kurzfristig und flexibel zu überwinden, erinnert dabei stark an das „Gastarbeiterkonzept“, das ebenfalls mit der Rückkehr der Arbeitskräfte kalkulierte, ohne deren sozialen Be- dürfnisse im Land ausreichend zu berücksichtigen und Integrationsangebote zu machen . Die Versäumnisse des „Gastarbeitermodells“ müssen in erster Linie die Betrof- fenen und zum Teil ihre Nachfahren bis heute „ausba- den“. Auch die umzusetzenden Richtlinien gehen von einer temporären und kurzfristigen Migration aus, die Integra- tionsmaßnahmen unnötig machen sollen . Doch in vielen Fällen werden die Personen in dem jeweiligen Mitglied- staat bleiben und weiterhin dort leben . Es stellen sich da- her weitere Fragen, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll . Damit verbunden ist natürlich die Frage des Familiennachzugs, die umso relevanter wird, wenn aus der geplanten temporären Migration dauerhafte Einwan- derung werden sollte . Fragwürdig war und ist beispielsweise bei der Sai- sonarbeiterrichtlinie, worin eigentlich der Bedarf an diesbezüglichen Arbeitserlaubnissen oder Zulassungen bestehen soll, angesichts der Tatsache, dass der derzei- tige Bedarf durch Saisonarbeitskräfte aus EU-Mitglied- staaten gedeckt und die Möglichkeit der Anwerbung von Saisonarbeitskräften aus Drittstaaten zumindest derzeit nicht genutzt wird . Eine Besonderheit gilt aber auch bezüglich des Min- destlohngesetzes für den Fall der Saisonarbeit . Mit dem Mindestlohngesetz ist ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung eines Bruttomindestentgelts je Stunde einge- führt worden . Nach seinem Wortlaut wird der gesetzliche Mindestlohn als Geldbetrag geschuldet . Auch wenn vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Verpflegung und Unterkunft einen in Geld bezifferbaren Wert haben, sind sie keine Geld-, sondern Sachleistungen und als solche grundsätzlich nicht unmittelbar im Sinne einer Anrech- nung auf den Mindestlohnanspruch berücksichtigungsfä- hig . Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium der Finanzen hatten sich aber während des Gesetzgebungsverfahrens zur Einfüh- rung eines Mindestlohngesetzes darauf verständigt, dass im Bereich der Saisonarbeit die Möglichkeit bestehen soll, Kost und Logis auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz anzurechnen . Laut Bundesregierung ist diese Ausnahme nicht bran- chenbezogen, sondern knüpft an die Beschäftigung von Saisonarbeitnehmern an . Saisonarbeitnehmer sind nach dem Verständnis der Bundesregierung Arbeitnehmer, die befristet bei einem im Inland ansässigen Arbeitgeber an- gestellt sind und Tätigkeiten ausüben, die aufgrund ei- nes immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbe- dingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, wäh- rend derer der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhn- lich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt. Das trifft insbesondere in den Bereichen der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau insbesondere auf Erntehelfer zu, zudem auf bestimmte Beschäftigte im Tourismus, insbesondere in Gaststätten und Hotels und in Betrieben, die ihrer Na- tur nach nicht ganzjährig geöffnet sind oder die während bestimmter befristeter Zeiträume einen erhöhten Arbeits- kräftebedarf abdecken müssen . Der DGB fordert eine klare Begrenzung der Beschäftigungssektoren, in denen die Saisonarbeit im Sinne der Richtlinie zugelassen wer- den soll . Sichergestellt werden soll, dass Branchen wie die Bauwirtschaft und das Gebäudereinigerhandwerk von der Saisonarbeit ausgeschlossen bleiben, da sie keine saisonabhängigen Tätigkeiten umfassen . Die Regelungen zum Versagen oder Entzug der Ar- beitserlaubnis bzw . der Zustimmung dürfen nicht die betroffenen Saisonarbeitskräfte, sondern müssen den Arbeitgeber treffen. Bei Missbrauch muss es für diesen härtere Sanktionen bis hin zum Entzug der Gewerbeer- laubnis sowie bessere Kontrollen der Arbeitsbedingun- gen und Beratungsmöglichkeiten für Beschäftigte geben . Dass es letztlich bei der EU vordergründig um einen Standortwettbewerb geht, zeigt der Umstand, dass die Parlamente aus elf Mitgliedstaaten Subsidiaritätsrügen nach Protokoll Nummer 2 zum Vertrag von Lissabon bezüglich der Revision der Entsenderichtlinie erhoben und damit das Verfahren der sogenannten „gelben Karte“ ausgelöst hatten . Dabei dürfte es den überwiegend ost- europäischen EU-Ländern in erster Linie darum gehen, ihre heimische Wirtschaft zu schützen . Durch die niedri- gen Löhne, die sie ihren entsendeten Mitarbeitern zahlen, waren ihre Unternehmen besonders „wettbewerbsfähig“. Denn erst nach zwei Jahren sollen entsandte Arbeits- kräfte einheimischen Arbeitskräften vollständig gleich- gestellt werden . Kettenentsendungen muss ein Riegel vorgeschoben werden, um sicherzustellen, dass Arbeit- nehmerentsendungen einen befristeten Charakter behal- ten und gerade nicht als Instrument ausschließlich zur Senkung der Lohnkosten genutzt werden . Doch werden die Löhne nach zwei Jahren angeglichen, schwindet der Wettbewerbsvorteil . Wenn auch die Europäische Kommission im Rahmen der verpflichtenden Prüfung der Subsidiaritätsbedenken an ihrem Vorschlag festhält; das Prinzip des gleichen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721922 (A) (C) (B) (D) Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz wird nicht gewährleistet . Entsandte Beschäftigte bleiben mas- siv gefährdet von Lohndumping, Sozialversicherungsbe- trug, Entsendungen über Briefkastenfirmen oder miss- bräuchliche Praktiken hinsichtlich der Zahlung der ihnen zustehenden Löhne und Gehälter . Es muss sichergestellt sein, dass die Arbeitsbedingungen inklusive Entlohnung mindestens jenen in Tarifverträgen oder ortsüblichen Ge- pflogenheiten entsprechen. Auch die Anwendung nicht allgemeinverbindlicher, repräsentativer Tarifverträge für Branchen, Regionen oder einzelne Unternehmen müssen von der Bundesagentur für Arbeit zwingend zur Bewer- tung der Zulassungsvoraussetzungen herangezogen wer- den . Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Beschäftigten auch in Bezug auf ihren Sozialversiche- rungsschutz den Beschäftigten in Deutschland gleichge- stellt werden . Das fordert der DGB . Und die Linksfrakti- on schließt sich dieser Forderung an . Ein ernsthafter Versuch, mit den Richtlinien Sozi- aldumping zu begrenzen, ist nicht bzw . nur nachrangig erkennbar . Im Unterschied zur neoliberalen Strategie der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Arbeitsmigration im Sinne des Standortwettbewerbs und der Konkurrenz von Arbeitsmärkten, wird die Linksfraktion die Richtlinien bezüglich ihrer Wirkung auf gleiche Rechte für Migran- tinnen und Migranten sowie Einheimische und der Stär- kung des sozialen Zusammenhalts bewerten . Uns geht es dabei darum, wie allgemeingültige tarifliche und soziale Standards für alle – also für einheimische Erwerbslose und sozial Ausgegrenzte, Migrantinnen und Migranten, sprich für alle – verankert werden (können) . Davon sind die Richtlinien weit entfernt . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wäre schön, wenn die Bundesregierung bei der Um- setzung der Aufnahmerichtlinie, der Qualifikationsricht- linie und der Verfahrensrichtlinie ebenso emsig wäre wie bei der Umsetzung der Richtlinien zur Arbeitsmigration . Auf die Umsetzung des Beratungsanspruchs für Asylsu- chende im Verfahren, auf die Einhaltung der Vorgaben zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten und auf so manch andere Verbesserung der Situation für Schutzsu- chende in Deutschland warten wir jedoch seit geraumer Zeit vergebens . Dennoch begrüßt meine Fraktion, dass die Bundesre- gierung bemüht ist, im Bereich der Arbeitsmigration die Vorgaben des europäischen Rechts umzusetzen – auch wenn wir es bedauern, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, um das Recht der Arbeitsmigration endlich deut- lich zu liberalisieren, zu systematisieren und zu entbü- rokratisieren. Das wäre angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels in vielen Sektoren und Regionen notwendig . Die SPD hat das ja auch erkannt . Aber liebe Genossen: Wann bringen Sie denn Ihren Entwurf eines Einwanderungsgesetzes endlich in den Bundestag ein, damit wir ihn sinnvoll be- raten können? Und wo bleibt Ihr Vorschlag zur Umset- zung des Shanghaier Kugelfischabkommens? Sie trauen sich wohl einfach nicht! Doch wenden wir uns dem vorliegenden Gesetzent- wurf zu . Meine Fraktion begrüßt, dass der Gesetzentwurf unter anderem Verbesserungen beim Zugang zum Studi- um vorsieht sowie das Aufenthaltsrecht von Forschenden neu regelt . Allerdings – und insofern stimmen wir mit dem Bundesrat überein – sollten Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU genießen, von der Möglich- keit des studien- oder forschungsbezogenen nationalen Aufenthaltsrechts nicht ausgeschlossen werden . Das ist integrationspolitisch, aber auch arbeitsmarkt- und for- schungspolitisch das falsche Signal . Hier müssen wir mehr wagen . Die sogenannte REST-Richtlinie sieht im Erwägungsgrund 29 die Möglichkeit der Erteilung nati- onaler Aufenthaltstitel zu Studien- und Forschungszwe- cken ausdrücklich vor . Von dieser Möglichkeit hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf nur unzurei- chend Gebrauch gemacht . Es ist – wie der Bundesrat es formuliert – nicht nachvollziehbar, warum Studieninte- ressierte oder Forschende, die gerade erst internationa- len Schutz erhalten haben, im Vergleich zu Personen mit der gleichen Staatsangehörigkeit, die sich aber noch im Herkunftsland befinden, schlechtergestellt werden sol- len . Angesichts der hohen Anforderungen an die Titel- erteilung – Stichwort: Sicherung des Lebensunterhalts bei Studierenden, Kostenübernahme der Forschungsein- richtung bis zu sechs Monaten nach der Aufnahmever- einbarung bei Forschenden – ist ein Missbrauch nicht zu befürchten . Ich wünsche mir, dass die Koalition im weiteren Ge- setzgebungsverfahren die Vorschläge des Bundesrates aufgreift . Damit wäre schon viel gewonnen . Obwohl die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft damit si- cherlich auch in gesetzgeberischer Hinsicht nicht abge- schlossen sein wird: Wir brauchen endlich – ich wieder- hole es – den Mut zu einem neuen Einwanderungsgesetz, das die Regelungen der Arbeitsmigration liberalisiert, systematisiert, entbürokratisiert und durch die Möglich- keit der angebotsorientierten, das heißt vom Nachweis eines Arbeitsangebots unabhängigen Einwanderung er- gänzt . Nur so können wir den Herausforderungen des de- mografischen Wandels, des Fachkräftemangels und der zunehmenden internationalen Mobilität von Fachkräften, Studierenden, Forscherinnen und Forschern und ihrer Fa- milien gerecht werden . In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Das Ziel der Bundesregierung ist die wirksame Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland . In den letzten Monaten haben wir uns vor allem mit der Eindämmung der illegalen Migration und der Einschränkung der humanitären Zuwanderung nach Deutschland befasst . Mit diesem Gesetzespaket, das wir heute beraten, leis- ten wir nun einen Beitrag zur europaweiten Steuerung der Zuwanderung von Arbeitskräften aus Staaten außer- halb Europas nach Deutschland . Das deutsche Zuwanderungsrecht stellt schon jetzt weltweit eine der offensten und effizientesten Regelun- gen für Fachkräfte aus Drittstaaten dar . Deutschland gehört laut OECD zu den Ländern mit den geringsten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21923 (A) (C) (B) (D) Hürden für die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeits- kräfte . Mit diesem Gesetz geht es vor allem darum, den Fach- kräften, die zu uns kommen, auch die Möglichkeiten des Binnenmarktes zu eröffnen und zudem einen einheitli- chen EU-Rechtsrahmen zum Beispiel für Saisonarbeits- kräfte und Au-pairs zu schaffen. Das Ganze fußt auf drei EU-Richtlinien, die in innerdeutsches Recht umgesetzt werden . Konkret werden die Möglichkeiten des Zugangs zum europäischen Markt verbessert für: 1. Internationale Unternehmen, die hochqualifizierte Mitarbeiter von außerhalb der EU in eine Niederlassung innerhalb der EU versetzen möchten . (Das ist in der so- genannten ICT-Richtlinie festgelegt .) 2 . Forscher und Studenten, die (mit der Umsetzung der sogenannten REST-Richtlinie) verbesserte Möglich- keiten erhalten, den Forschungs- und Wissenschaftssek- tor in Deutschland zu stärken. Ergänzend hierzu öffnen wir uns auch für Praktikanten und Teilnehmer am Euro- päischen Freiwilligendienst . 3 . Saisonarbeitskräfte, die für ein paar Monate im Jahr nach Deutschland kommen möchten, um in der Land- wirtschaft oder der Tourismusbranche zu arbeiten . Dies ist geregelt in der Saisonarbeitnehmerrichtlinie . Der Einsatz internationalen Personals spielt für unsere exportorientierte Wirtschaft eine sehr wichtige Rolle . Allein im ersten Halbjahr 2016 wurden gut 45 000 Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken erteilt . Für die Wirtschaft in unserem Land leisten all die Personen, die hinter diesen Aufenthaltstiteln stecken, einen wesent- lichen Beitrag . Unternehmen bekommen nun die Möglichkeit, ihr Personal an unterschiedlichen Standorten einzusetzen . Wir schaffen einen neuen Aufenthaltstitel für Ar- beitnehmer, die innerhalb ihres Unternehmens vorüber- gehend nach Deutschland abgeordnet werden . Damit werden derartige Abordnungen gegenüber der bisher gel- tenden Möglichkeit deutlich erleichtert . Die Regelungen gelten für Führungskräfte, Spezialisten und Trainees – also für genau die Arbeitnehmer, die gebraucht werden, damit wir leistungs- und wettbewerbsfähig bleiben . Dazu schaffen wir Möglichkeiten der innereuropäi- schen Mobilität . Es soll unkompliziert möglich sein, dass Arbeitnehmer an mehreren Standorten ihres Unterneh- mens innerhalb Europas arbeiten . Für kurzfristige Auf- enthalte reicht es deshalb aus, wenn der Arbeitnehmer ei- nen Aufenthaltstitel aus einem anderen EU-Mitgliedstaat hat – wenn er nur für bis zu drei Monate in Deutschland bleiben will, braucht er dann keinen deutschen Aufent- haltstitel . Auch bei längeren Aufenthalten von mehr als drei Monaten wird das Verfahren deutlich vereinfacht, wenn die Person bereits einen Aufenthaltstitel aus einem ande- ren Mitgliedstaat hat . So schaffen wir für Unternehmen und Arbeitnehmer die nötige Flexibilität, ohne dabei unsere Steuerungs- möglichkeiten aufzugeben . Verbesserte Zugangsmöglichkeiten gibt es künftig auch im Bereich von Studium und Forschung . Ausländer, die zum Studium zu uns kommen möchten, haben künftig einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, wenn ihre Hochschule sie zum Studium zugelassen hat . Studenten haben – vergleichbar den unternehmensin- tern transferierten Arbeitnehmern – in Zukunft verbes- serte Möglichkeiten der Mobilität innerhalb der EU . Sie können mit dem Aufenthaltstitel eines anderen EU-Mitgliedstaats für einen begrenzten Zeitraum in Deutschland studieren, ohne einen eigenen deutschen Aufenthaltstitel beantragen zu müssen . Für ausländische Forscher gilt künftig nur noch eine gesetzliche Regelung – das Verfahren wird wesentlich übersichtlicher . Für Forscher, die bereits in einem anderen EU-Mit- gliedstaat forschen, gibt es erleichterte Regeln, wenn sie einen Teil ihres Forschungsvorhabens in Deutschland durchführen möchten . Außerdem passen wir die Regelungen für Praktikan- ten und Teilnehmer am europäischen Freiwilligendienst an . Daneben legen wir die Voraussetzungen fest, unter denen Ausländer als Saisonarbeitnehmer in Deutschland beschäftigt werden können . In diesem Bereich, der unter anderem für die Landwirtschaft und den Tourismus in unserem Land eine große Rolle spielt, schaffen wir Klar- heit und transparente Regeln . Dieses Gesetzespaket bedeutet keinen Paradigmen- wechsel für unser Zuwanderungsrecht, sondern eine Anpassung und Vereinheitlichung innerhalb Europas aufgrund von EU-Richtlinien. Am Ende profitiert auch Deutschland als größte Volkswirtschaft davon . Ich bitte Sie daher, den Gesetzesentwurf zu unterstüt- zen, und freue mich auf die Beratungen . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts zur Sicherstellung der Ernährung in einer Versorgungskrise (Tagesordnungspunkt 17) Katharina Landgraf (CDU/CSU): Dieser Gesetz- entwurf ist Teil des von der Bundesregierung initiierten Zivilschutzkonzeptes, welches sich mit dem Selbstschutz der Bürger in Krisensituationen beschäftigt . Im Rahmen dessen war die Bevölkerung im Au- gust 2016 dazu aufgerufen worden, Vorräte an Lebens- mitteln und Trinkwasser anzulegen . Wir erinnern uns alle sicherlich an die teils heftigen Reaktionen, die von gro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721924 (A) (C) (B) (D) ßen Hamsterkäufen bis zur völligen Ignoranz und Spott reichten . Dabei ist das Thema durchaus wichtig, denn wenn es doch einmal zum Eintritt einer Versorgungskrise kommen sollte, wäre man besser vorbereitet . Genau das ist das Ziel des nun von der Bundesregie- rung vorgelegten Gesetzentwurfes: die Neuregelung zur Grundversorgung der Bevölkerung im Falle einer Versor- gungskrise – so unwahrscheinlich diese auch sein mag . Der Bundesrechnungshof hatte in seinem Bericht vom 15 . September 2011 an das Bundesministerium für Ernährung (BMEL) in den Regelungen des Ernäh- rungssicherstellungsgesetzes (ESG) und des Ernäh- rungsvorsorgegesetzes (EVG) „grundlegende Schwach- stellen“ festgestellt und empfohlen, die derzeit gültigen Konzepte zu überdenken . Es sei notwendig, zeitgemäße Krisenszenarien herauszuarbeiten, ein Gesamtkonzept zu entwickeln und einheitliche Regelungen für militärische wie zivile Krisenfälle zu erlassen . Darauf sollte dann die Versorgungsplanung und Bevorratung durch den Staat abgestimmt werden . Dies ist mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf nun geschehen . Aber was ist eigentlich eine Versorgungskrise? Eine Versorgungskrise – sei es im Verteidigungsfall oder durch zivile Katastrophen verursacht – ist ein Sze- nario, in dem erhebliche Teile der in Deutschland leben- den Menschen über den freien Markt keinen Zugang zu Lebensmitteln mehr haben und hoheitlich versorgt wer- den müssen. Hierzu dürfte in der Regel die Betroffenheit von mindestens zwei Bundesländern erforderlich sein . Der lebensnotwendige Bedarf an Lebensmitteln bezeich- net die Menge, die erforderlich ist, um den minimalen Energie- und Nährstoffbedarf der Menschen und damit das physische Überleben der Bevölkerung zu sichern . Typischerweise wird dieser durch Grundnahrungsmittel wie Brot, Kartoffeln, Milch, Fleisch, Fett und Zucker sowie Obst und Gemüse als Vitaminträger gedeckt . In dem Gesetzentwurf heißt es weiter, dass der Eintritt einer solchen Versorgungskrise derzeit als unwahrscheinlich anzusehen sei . Die meisten denkbaren Schadensereig- nisse im Hinblick auf „Extremwetterlagen“, „technische Störungen“, „andere Naturkatastrophen“ und „Freiset- zungen von Gefahrstoffen“ dürften eigentlich nicht zu ei- ner Versorgungskrise führen . Weil aber der Eintritt einer Versorgungskrise nicht vollständig ausgeschlossen wer- den kann, wurde die staatliche Bevorratung einer grund- legenden Überprüfung unterzogen . Als Ergebnis dieser Prüfung werden deshalb nun das ESG sowie das EVG zu einem einheitlichen Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) zusammengefasst . Ziel des ESVG ist es, die verfügbaren Lebensmittel trotz Ausfalls weiterer Infrastrukturen schnell an die Bevölkerung zu verteilen . Mit dem Gesetzentwurf soll sichergestellt werden, dass der Staat dies in solchen Ausnahmesituationen organisieren kann . Dafür sind im Gesetzentwurf Verordnungsermächtigungen vorgesehen, die eine öffentliche Bewirtschaftung von Lebensmitteln ermöglichen, beispielsweise durch den Erlass von Rege- lungen über die Produktion, den Bezug , die Zuteilung von Lebensmitteln oder aber den direkten Zugriff auf Be- triebe der Agrar- und Ernährungswirtschaft . Wirksamstes Mittel zur Vorsorge für eine Versor- gungskrise ist aber die Vorratshaltung durch die Pri- vathaushalte . Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Bürger aufgeklärt und informiert werden: darüber, wel- che Lebensmittel sich gut zur Lagerung eignen, wie man bestimmte Lebensmittel haltbar macht, wo diese gelagert werden müssen und so weiter . Dafür ist es bestimmt auch hilfreich, mit den Eltern oder Großeltern zu sprechen . Diese werden sicherlich aus eigener Erfahrung noch gute Ratschläge beisteuern können . Es geht ja auch nicht darum, in kleinen Stadtwohnungen Lebensmittel und Trinkwasser für mehrere Monate zu lagern . Das ist nicht praktikabel und auch nicht nötig . Es reicht, wenn man Vorräte für 14 Tage im Haus hat . Eine Liste mit Vorschlä- gen findet sich zum Beispiel auf der Internetseite www . ernaehrungsvorsorge .de des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Dazu gibt es dort auch praktische Tipps zum Haltbarmachen von Lebensmitteln und zur richtigen Lagerung . Im Grunde ist es ganz ein- fach: Jeder sollte das bevorraten, was er selbst in nächster Zeit konsumieren möchte . Wenn möglich, sollten auch Lebensmittel dabei sein, die man ohne Kochen verzehren kann, denn die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalls ist bei dem Szenario, von dem wir hier sprechen, recht hoch . Zusammenfassend kann ich nur sagen: Dieses Gesetz soll keine Panik verursachen . Ganz im Gegenteil! Es trifft einfach nur eine Regelung zur Vorsorge. Völlig ver- altete Regelungen werden neu gefasst und zusammenge- führt, und Bürokratie wird abgebaut . Daher bitte ich um Zustimmung . Carola Stauche (CDU/CSU): Im August des vergan- genen Jahres wurde plötzlich in der Presse heiß disku- tiert, dass die Bundesregierung zu Hamsterkäufen auf- rufe, um sich gegen einen eventuellen Katastrophenfall zu wappnen . Sollte damit etwa die Bevölkerung auf eine drohende kriegerische Auseinandersetzung und damit einhergehende Lebensmittelknappheit vorbereitet wer- den? Mitnichten . Es war wohl eher ein typisches Ereignis im medialen Sommerloch . Denn die Bundesregierung beriet lediglich ihr neues Zivilschutzkonzept, und das war notwendig: Denn das vorherige Konzept stammte noch aus den Sechzigerjah- ren des 20 . Jahrhunderts . Zum Vorhaben und zur Begrün- dung zitiere ich aus dem Gesetzentwurf der Bundesre- gierung: „Durch das Ernährungssicherstellungsgesetz (ESG) und das Ernährungsvorsorgegesetz (EVG) soll im Verteidigungs- und Spannungsfall sowie im Falle einer nicht militärisch bedingten Versorgungskrise eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ermöglicht werden . Der Bundesrechnungshof hat in sei- nem Bericht an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 15 . Sep- tember 2011 in beiden Rechtsbereichen grundlegende Schwachstellen festgestellt und empfohlen, die Grund- lagen der Ernährungsnotfallvorsorge und -sicherstellung zu überdenken . Hierzu sei es notwendig, aktuelle Kri- senszenarien herauszuarbeiten, ein Gesamtkonzept zu http://www.ernaehrungsvorsorge.de http://www.ernaehrungsvorsorge.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21925 (A) (C) (B) (D) entwickeln, ggf . einheitliche Regelungen für militärische wie nicht militärische Krisenfälle zu erlassen sowie die Versorgungsplanung und Bevorratung von Lebensmitteln darauf abzustimmen.“ Weiter unten heißt es: „Staatliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Ernährungsnotfallvor- sorge müssen einerseits zur Bewältigung einer Versor- gungskrise oder zur Vorsorge für eine Versorgungskrise geeignet sein . Andererseits müssen sie in den regelmäßig nicht durch Krisen betroffenen Zeiten mit einem Auf- wand umsetzbar sein, der zu der sehr geringen Eintritts- wahrscheinlichkeit der relevanten Szenarien in einem angemessenen Verhältnis steht . Die derzeit bestehenden Regelungen werden diesen beiden Anforderungen teil- weise nicht gerecht . Der vorliegende Gesetzentwurf zielt daher auf eine vollständige Neuregelung der staatlichen Ernährungsnotfallvorsorge ab . Darüber hinaus wird die Bundesregierung die staatliche Bevorratung von Lebens- mitteln einer grundlegenden Überprüfung unterziehen und konzeptionelle Modelle zur Neuordnung und Fort- setzung der Bevorratung entwickeln.“ Es handelt sich also lediglich um eine Modernisie- rung und Vereinfachung bestehender Vorschriften, die angebracht ist, weil sich Rahmenbedingungen verändert haben . Schon der Umstand, dass wir dieses Thema nicht in der Debattenkernzeit unter Beteiligung des Ministers beraten, sondern die Redebeiträge zu Protokoll gegeben werden, weist doch darauf hin, dass es hier nicht um Pa- nikmacherei oder unmittelbar bevorstehende Krisen geht . Denn sonst hätte die geschätzte Opposition die Gelegen- heit sicher gern genutzt, die Regierung vorzuführen . Dennoch will ich betonen: Die Kommunikation des Gesetzesvorhabens hätte besser laufen können, sodass es gar nicht erst zur eingangs angesprochenen Verunsiche- rung gekommen wäre . Insbesondere der Punkt der privaten Notfallvorsorge wurde in der medialen Darstellung stark übertrieben . Hierzu heißt es im Entwurf lediglich: „Wirksamstes Mit- tel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise ist die Vor- ratshaltung durch die Privathaushalte (Selbstschutz) . Die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des Selbst- schutzes durch die Bevölkerung sollte daher zur gesetzli- chen Aufgabe von Bund und Ländern gemacht werden.“ Von einem Aufruf zu Hamsterkäufen kann also keine Rede sein . Eine Anmerkung sei mir noch gestattet: Ge- gen die Empfehlung zur privaten Vorsorge wurde einge- wendet, dass viele Menschen weder Geld noch Lagerka- pazitäten für ausreichende private Vorratshaltung haben . Dazu möchte ich anmerken: Die private Vorratshaltung für den Katastrophenfall wäre im Falle eines Falles zwar sehr wirksam, ist aber keinesfalls verpflichtend, und ist außerdem als zusätzlicher Baustein gedacht . Natürlich ist es Verantwortung und Aufgabe des Staates, für Versor- gung zu sorgen . Das macht er, und darum debattieren wir heute hier diesen Gesetzentwurf . Ich will die darin enthaltenen Regelungen und die Überlegungen zu Wahrscheinlichkeiten, dass ein Katas- trophenfall eintritt, nicht im Einzelnen wiederholen, das haben meine Vor- und Mitredner sicher schon zur Genü- ge getan beziehungsweise werden dies noch tun . Ein Punkt ist mir allerdings noch sehr wichtig: Wo- her kommen denn die Lebensmittel, mit denen wir uns bevorraten, mit denen der Staat bevorratet? Sie kommen zum ganz großen Teil aus unserer heimischen Landwirt- schaft, die ganz überwiegend eine hervorragende Arbeit leistet, uns täglich mit sicheren, preiswerten und vielfäl- tigen Lebensmitteln versorgt . Dafür sollten wir unseren Landwirtinnen und Landwirten dankbar sein und ihnen den nötigen Respekt zollen . Der vorliegende Gesetzesentwurf ist wichtig, notwen- dig und angemessen, und deshalb möchte ich um Zustim- mung dafür werben . Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Es gibt Situationen, deren Eintreten man sich trotz der momentan nicht eben rosigen weltpolitischen Lage kaum noch vorstellen kann: eine echte Versorgungskrise, Lebensmittelengpässe, den Ausfall großer Teile unserer Infrastruktur zum Beispiel . Zum Glück, muss man sagen . Zum Glück ist die Wahr- scheinlichkeit, dass es so weit kommt, derzeit äußerst ge- ring . Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gab es im August letzten Jahres kaum eine Zeitung, die nicht unter der Überschrift „Bevölkerung soll Vorräte für den Katas- trophenfall anlegen“ über das erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder aufgelegte Zivilschutzkonzept des Bundesinnenministeriums berichtete . Die realen Erfahrungen des 20 . Jahrhunderts spielen wahrscheinlich ebenso eine Rolle wie die zahlreichen Katastrophenszenarien aus Film, Fernsehen und Lite- ratur – aber fest steht, dass dem Thema Ernährungssi- cherung im Krisenfall viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwird . Das ist auch nachvollziehbar, und zu Recht erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns, dass wir für den Notfall gerüstet sind . Der Bundesrechnungshof hat uns 2015 bescheinigt, dass die Versorgungsplanung Schwachstellen aufwies, die Konzepte für Krisenfälle unzureichend waren und au- ßerdem sehr viel Geld und Personal für die Erhebung von Daten verwendet wurde, mit denen eigentlich niemand etwas anfangen konnte . Das ändert sich nun . Der vorliegende Entwurf stellt die Vorbereitung auf eine Ernährungskrise auf eine neue gesetzliche Grund- lage und macht die Verwaltung effizienter. Wir begrüßen das sehr . Besonderes Augenmerk legt das Gesetz ebenso wie erwähntes Zivilschutzkonzept auf die private Bevor- ratung . Diese zu fördern, soll eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern werden . Ich glaube, dabei ist eine gute Portion Realismus und Fingerspitzengefühl in der Kommunikation gefragt . Ich bin auf die jetzt schon vorhandene Webseite „ Ernährungsvorsorge .de“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gegangen . Dort wird einer vierköpfigen Familie zum Beispiel empfohlen, 224 Liter Mineralwasser, 7,2 Kilogramm Erbsen und Möhren in Dosen, 5,6 Kilogramm Hartkäse und 2,9 Kilogramm Dauerwurst für 28 Tage einzulagern . Mit solchen Empfehlungen sichert man sich wahrschein- lich vor allem den Auftritt in einer Satiresendung . Ge- fragt sind hier sinnvolle, praktikable Konzepte, die für https://www.ernaehrungsvorsorge.de/ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721926 (A) (C) (B) (D) die Bevölkerung nachvollziehbar sind und weder Lacher noch Panik auslösen . Ich bin zuversichtlich, dass das ge- lingen wird . Karin Binder (DIE LINKE): Mit diesem erst im Ja- nuar im Bundestag eingebrachten Gesetz soll die Versor- gung der Bevölkerung im Krisenfall neu geregelt wer- den . Die bisher geltenden Regelungen stammen noch aus Zeiten des Kalten Krieges und sind auf jeden Fall überholungsbedürftig . Heutige Krisenszenarien bestehen in erster Linie aus Naturkatastrophen, Freisetzung von Schadstoffen oder „technischen Störungen“, zum Bei- spiel durch Hackerangriffe. Die aufwendige Vorhaltung von Lebensmittelmarken soll entfallen . Stattdessen sollen Bund und Länder das Recht erhalten, auf die Betriebe in der Lebensmittelwirt- schaft und den Handel zuzugreifen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln abzusichern . Bisher lagert der Bund wichtige Grundnahrungsmittel in einer zivilen Notfallreserve und in der Bundesreser- ve Getreide . An 150 Standorten werden insgesamt rund 800 000 Tonnen Lebensmittel im Wert von etwa 200 Mil- lionen Euro vorgehalten . Die laufenden Kosten hierfür betragen im Haushaltsjahr 2017 rund 19 Millionen Euro und sollen künftig auf jeden Fall reduziert werden . Der Gesetzentwurf fordert die Bundesregierung auf, die staatliche Bevorratung von Lebensmitteln einer grundle- genden Überprüfung zu unterziehen und die Bevorratung neu zu ordnen . Was aus der bisherigen staatlichen Vorratshaltung wird, wird nicht beantwortet . Auch sonst wirft der Ge- setzentwurf noch viele Fragen auf, die wir als Linke gerne in Ruhe und mit Sorgfalt beraten hätten . Aber stattdessen soll es heute schnell und ohne große Debatte beschlossen werden . Neu an dem Gesetz ist auf alle Fälle der sogenannte Selbstschutz . „Wirksamstes Mittel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise ist die Vorratshaltung durch die Privat- haushalte (Selbstschutz)“, sagt das Vorblatt zum Gesetz- entwurf . Bund und Länder sollen Maßnahmen zur Stär- kung des Selbstschutzes der Bevölkerung treffen, indem sie die Menschen über Vorsorgemaßnahmen informieren . Es läuft also darauf hinaus, einen beträchtlichen Kri- senvorrat von Lebensmitteln auf die Privathaushalte zu verlagern . Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gibt ihnen dafür mit einer Vorratstabel- le Tipps für ihren persönlichen „Selbstschutz“. Nimmt man die Hinweise der Bundesregierung zur privaten Vorratshaltung ernst, soll ein Vierpersonenhaushalt 82 Kilogramm Lebensmittel und 112 Liter Getränke zur Überbrückung eines 14-tägigen Versorgungsausfalls vorhalten . Diese Vorräte kosten rund 300 bis 400 Euro, nehmen den Platz eines großen Kleiderschranks ein und müssen natürlich regelmäßig überprüft und ausgetauscht werden . Es ist kaum anzunehmen, dass alle Privathaushalte diesen Vorschlägen der Bundesregierung folgen werden, auch wenn das neue Gesetz die staatlichen Stellen dazu verpflichtet, dafür Werbung zu machen. Da dürften schon die fehlende Vorratskammer oder der nicht vorhandene Keller für entsprechende Probleme sorgen . Aber viel schlimmer noch: Haushalte mit kleinem Einkommen leben schon jetzt von ihrer Substanz und sind häufig sogar verschuldet. Hartz-IV-Haushalte haben sowieso viel zu niedrige Regelsätze, um sich ausgewo- gen ernähren zu können, also erst recht kein Finanzpols- ter, um sich Vorratslager anlegen zu können . Bekommen diese Menschen vom BMEL zusätzliches Geld für ihren „Selbstschutz“? Natürlich nicht! Bereits 2011 untersuchte das Büro für Technikfolgen- abschätzung (TAB) das Szenario eines großräumigen Stromausfalls, der nach Einschätzung der Experten gar nicht so unwahrscheinlich ist, wie es der Gesetzentwurf darstellt . Der Bericht zeigt, wie anfällig unsere Gesell- schaft ist, wenn aufgrund eines Hackerangriffs, Terrorak- tes oder eines Unfalls auch nur für 24 Stunden der Strom ausfällt . Unsere hoch technisierte Lebensmittelkette würde in- nerhalb kürzester Zeit zusammenbrechen . Nicht nur, dass alle Tiefkühlprodukte auftauen würden und schnellstens verbraucht werden müssten . Angefangen vom Kuhstall, in dem die Melkroboter ausfallen, über die vollautoma- tische Futtervergabe in riesigen Hühner- oder Schwei- nefarmen würde Chaos in der Urproduktion entstehen, zumal Futterlieferungen aus dem Ausland und der Ab- transport der tierischen Produkte nicht mehr gewährleis- tet wären . Als schwächstes Glied in der Kette macht der TAB-Be- richt den Lebensmitteleinzelhandel aus . Tatsache ist: Die meisten Menschen werden nicht über geeignete Vorräte verfügen, und es wird zu Hamsterkäufen kommen, egal ob sie vorher per Gesetz dazu angehalten waren, Wasser und Essen vorsorglich zu horten . Wenn dann gleichzeitig auch noch die staatlichen Reserven eingespart wurden, wird das Leerräumen von Supermärkten wenig gesittet und ruhig ablaufen . Von einer sicheren Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln hängen aber nach Einschätzung der Ex- perten das Überleben vieler Menschen und die Aufrecht- erhaltung der öffentlichen Ordnung ab. Es wäre also in jedem Fall hilfreich, wenn die Bundes- regierung sicherstellt, dass die bisherige zivile Notfall- reserve und die Bundesreserve Getreide aufrechterhalten werden . Ich frage die Bundesregierung: Wie zuverlässig funk- tioniert denn unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft mit Blick auf den massenhaften Import von Viehfutter, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und anderen Rohproduk- ten? Wie zuverlässig funktionieren hochindustrialisierte Tierställe und Kühlketten in einer Krise, wenn beispiels- weise der Strom ausfällt? Wie will die Bundesregierung die Zuverlässigkeit der Lebensmittelkette für den Krisen- fall sicherstellen und wie will sie die Verteilung der Le- bensmittel regeln? Darauf gibt das Gesetz keine Antwort . Hauptsache die Lebensmittelmarken sind abgeschafft und verursachen keinen bürokratischen Aufwand mehr . Die Sicherstellung der Grundversorgung soll im Notfall ohne weitere Mitwirkung des Parlaments über Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21927 (A) (C) (B) (D) Rechtsverordnungen geregelt werden, zu denen die Re- gierung und das Ministerium für Ernährung und Land- wirtschaft mit diesem Gesetz ermächtigt werden . Das birgt nach meinem Dafürhalten mindestens ge- nauso viele rechtliche Unsicherheiten wie die Versor- gung an sich . Auch die Einschränkung, dass die Regierung nur ein- greifen darf, wenn die Gefährdung anders „nicht recht- zeitig“ oder „nur mit unverhältnismäßigen Mitteln“ zu bewältigen sei, gibt der Regierung sehr viel Spielraum . Das muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass das Eingriffsrecht in die Privatwirtschaft und damit auch in das Leben vieler Menschen sehr weitgehend ist . So kann auf die gesamte Lebensmittelkette, auf alle Betriebsstät- ten, auf Maschinen, Treibstoffe, Geräte zur Notstromver- sorgung und sonstige Betriebsmittel zugegriffen werden. Ein solches Instrument möglicherweise in den fal- schen Händen bereitet mir große Sorge . Als Linke halte ich es für zwingend, dass in einem solchen Gesetz auch definiert wird, wie im Falle einer tatsächlich kurzfristig notwendigen Verordnung zur Kri- senbewältigung der Bundestag eingebunden wird . Die demokratischen Rechte des Parlaments müssen auch in einem Krisenfall wahrgenommen werden können und diesbezügliche Verordnungen des Bundes gegebenenfalls auch geändert oder wieder aufgehoben werden können . Diese Überlegungen sind leider der zügigen Behand- lung des Themas geopfert worden, obwohl der Eintritt einer solchen Versorgungskrise laut Vorblatt zum Geset- zestext „heute als unwahrscheinlich anzusehen“ ist. Das ist sehr bedauerlich . Deshalb können wir dem Ge- setz nicht zustimmen . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich begrüße die längst überfällige Novellierung der Ernäh- rungsnotfallgesetzgebung, die noch aus Zeiten des Kal- ten Krieges stammt . Mit dieser Neuregelung wird auch der Kritik des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 2012 Rechnung getragen, der die bisherigen Regelungen zur Ernährungs- notfallvorsorge zu Recht als veraltet und ineffizient be- zeichnet . Es ist sinnvoll, dass die separaten Gesetze, die zum einen den Verteidigungsfall und zum anderen Katastro- phen nichtmilitärischen Ursprungs regeln, zusammenge- fasst werden und dass klargestellt wird, was als nationale Krise gilt, wer den Krisenfall feststellt, und dass dieser nach Ende der Krise umgehend wieder aufzuheben ist . Des Weiteren begrüßen wir, dass die separaten Melde- pflichten der Unternehmen im Rahmen der Ernährungs- notfallvorsorge durch Nutzung von Daten der Landwirt- schaftsverwaltung und der Lebensmittelüberwachung bzw . Veterinärverwaltung ersetzt werden . Dies trägt der heutigen Digitalisierung Rechnung, die durch geeignete Schnittstellen eine Nutzung bereits vorhandener Daten ermöglicht und somit unnötige Bürokratie verhindert . Neu in dem Gesetzentwurf ist, dass staatliche Maß- nahmen durch Empfehlungen zur privaten Vorratshaltung ergänzt werden . Die Gesetzesbegründung für den § 14 „Selbstschutz“ erläutert, dass die Ergebnisse des For- schungsprojekts NeuENV, gefördert durch das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung, unter anderem bestätigt haben, dass das wirksamste Mittel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise die dezentrale Vorratshaltung durch die einzelnen Privathaushalte ist . Informations- und Aufklärungsmaßnahmen sollen zur Verbesserung des Selbstschutzes der Bevölkerung zur gesetzlichen Aufgabe der zuständigen Behörden des Bundes und der Länder gemacht werden . Diesen Punkt müssen wir in den nächsten Jahren im Auge behalten . Wir müssen realistisch abschätzen, ob diese Informationen die Bür- gerinnen und Bürger flächendeckend erreichen und in welchem Ausmaß private Vorsorge wirklich getroffen werden kann . Dabei darf nicht vergessen werden, dass schon heute viele Haushalte regelmäßig Probleme haben, sich über den ganzen Monat auskömmlich mit Lebensmitteln zu versorgen, und auf Essensspenden etwa der Tafeln an- gewiesen sind . Ein Vorrat an Lebensmitteln ist im Bud- get vieler armer Menschen schlicht nicht drin . Auch aus Platzgründen wird es nicht jedem Haushalt möglich sein, Wasserkästen und Ähnliches in ausreichendem Maße einzulagern . Es ist gut, dass wir unsere Notfallsysteme überprüfen und an die neue Zeit anpassen . Und wenn man sich das Versagen von Bundes- und Landesbehörden bei vergangenen Lebensmittelskanda- len anschaut, gibt es gerade in der Zusammenarbeit im Krisenfall noch viel zu verbessern . Jedoch sollten wir uns immer vor Augen halten, dass die Fälle, die das Gesetz regelt, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht eintre- ten werden . Deshalb darf diese aktuelle Debatte um die Notfallversorgung in Deutschland nicht instrumentali- siert werden, um Ängste und Panik in der Bevölkerung zu schüren . Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas Grund- sätzliches sagen: Wir wollen eine Ernährungswirtschaft, die – dort, wo es möglich ist – auf Produkte aus der Re- gion und kurze Wertschöpfungsketten setzt. Das schafft Transparenz und Sicherheit, entlastet unsere Straßen und Meere von unnötigem Verkehr, schont das Klima, bringt Wertschöpfung in die ländlichen Räume und gibt den Menschen dort eine Perspektive . Wir setzen auf Vielfalt statt auf wenige den Markt beherrschende Player und eine zunehmende Uniformität des Lebensmittelangebots . Solch ein System der regional organisierten Lebens- mittelversorgung steht auf vielen und deshalb sicheren Beinen und ist im Krisen- oder Katastrophenfall resili- enter als zentralistische, große Strukturen . Der Wegfall eines großen Akteurs der Lebensmittelwirtschaft trifft die Lebensmittelversorgung viel stärker . Die Ausweichmög- lichkeiten bei vielen kleineren Anbietern liegen auf der Hand . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721928 (A) (C) (B) (D) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung der Bundes-Tierärzteordnung (Tagesord- nungspunkt 19) Hermann Färber (CDU/CSU): Wir beschließen heu- te mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Bundes-Tier- ärzteordnung die notwendigen nationalen Änderungen zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien . Wie viele andere Berufsgruppen sind auch Tierärzte zuneh- mend grenzüberschreitend tätig . Deshalb ist es sinnvoll, hier gemeinsame Mindeststandards und Verfahrenswei- sen innerhalb der EU zu beschließen . Ebenso muss bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Tierärzten auch eine grenzüberschreitende Kontrolle möglich sein . Der Ge- setzentwurf enthält die dafür notwendigen technischen Änderungen . Die Union stimmt diesem Gesetzentwurf zu . Meine Fraktion steht voll und ganz zum Europäischen Binnen- markt . Dieser Binnenmarkt, der größte der Welt, hat für unser Land zu erheblichen Wohlfahrtsgewinnen geführt . Oft nehmen wir diese Vorteile als selbstverständlich hin . Dieser Gesetzentwurf macht aber deutlich, wie viel Regulierungsnotwendigkeit oft hinter der scheinbaren Selbstverständlichkeit steht . Der EU wird oft zu viel Bü- rokratie vorgeworfen . Gerade im Bereich Landwirtschaft auch wirklich nicht zu Unrecht, das weiß ich aus eigener Erfahrung . Hier ließe sich sicherlich einiges vereinfa- chen . Man muss aber auch sehen, dass die populistischen Vorstellungen mancher Kritiker eben auch unrealistisch sind: Sie meinen, man brauche die gesamte EU gar nicht, es würde völlig ausreichen, wenn sich die Regierungen zusammensetzen und sich politisch einigen . Wir sehen aber, dass schon allein so ein kleiner Punkt wie die Ver- einheitlichung der tierärztlichen Tätigkeit in der EU ei- nen erheblichen Abstimmungsbedarf erforderlich macht . Die Union sagt dazu: Diesen Preis ist es uns wert . Denn letztlich führt diese Vereinheitlichung zu einer besseren EU-weiten Versorgung der Tiere . Am meisten wird für das Tierwohl erreicht, wenn Tierarzt und Tierhalter vertrauensvoll Hand in Hand ar- beiten . Das gilt sowohl für die Haltung im Stall wie auch für Tiertransporte . Tierärzte sind unverzichtbar für das Tierwohl . Deshalb ist es gut, wenn es für diesen Beruf gemeinsame Standards in Europa gibt . Diese Standards müssen wir dann natürlich auch national bei uns umset- zen, das ist völlig selbstverständlich . Deshalb stimmt die Union diesem Gesetzentwurf zu . Dieter Stier (CDU/CSU): Wir beraten heute abschlie- ßend über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung der Bundestierärzte-Ordnung . Nun stellt sich zuerst die Frage: Warum diese Gesetzesänderung? Die Antwort ist einfach . Wir setzen europäisches Recht um, hier spe- ziell eine Änderung der Berufsqualifikationsrichtlinie. Sie regelt die gegenseitige Anerkennung von Ausbil- dungen innerhalb der Europäischen Union . Damit ist sie ein bedeutendes Instrument zur Verwirklichung des eu- ropäischen Binnenmarktes und hat einen großen Stellen- wert für die Freizügigkeit am Arbeitsmarkt . Die Umset- zung der Richtlinie in nationales Recht stellt somit einen wichtigen Schritt dar, mit dem wir die Anerkennung von Berufsabschlüssen und folglich das Arbeiten in ande- ren EU-Mitgliedstaaten erleichtern werden . Zu diesem Zweck ist es nötig, Verfahrensvorschriften zu ändern und neu einzuführen. Das betrifft sowohl die Zusammenarbeit der europäischen Behörden als auch Erleichterungen für Antragsteller im Anerkennungsverfahren . Kurz gesagt: Wir aktualisieren damit die Bundestierärzte-Ordnung, also eine sinnvolle und notwendige Maßnahme zugleich . Selbstkritisch müssen wir allerdings anmerken, dass wir bei der Umsetzung der Richtlinie das Tempo hätten noch steigern können, da bereits ein Vertragsverletzungs- verfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet wurde . Wie wichtig ein Tierarzt sein kann, wissen nicht nur die Haustierbesitzer unter uns . Auch jeder Landwirt kann hier seine eigene Geschichte erzählen . Als tierschutzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion bin ich dankbar, in Deutschland auf gut ausgebildete und auf hohem fachlichen Niveau arbeitende Tierärzte treffen zu können . Nicht umsonst sind Berufsbezeichnung und Berufsausübung staatlich geschützt und bedürfen einer besonderen Qualifikation und Erlaubnis. Gerade im Hin- blick auf den Tierschutz sind Tierärzte in den landwirt- schaftlichen Betrieben ein Garant für eine gute Betreu- ung der Tierbestände . Allerdings sind sie es nicht allein . Neben den Tierärzten tragen auch die Landwirte und die in der Landwirtschaft beschäftigten Mitarbei- ter in den Betrieben eine große Verantwortung für eine gut funktionierende Tierhaltung in unserem Land . Eine Verantwortung – und das muss man immer wieder beto- nen –, die sie tagtäglich immer wieder aufs Neue wahr- nehmen . Und meiner Erfahrung und meinem Eindruck nach werden sie dieser Verantwortung auch meist sehr vorbildlich gerecht, weil sie selbst einen hohen Anspruch an sich haben . Sie garantieren uns qualitativ hochwertige Lebensmit- tel zu bezahlbaren Preisen, und das trotz der häufig ne- gativen Begleitmusik in der Medienberichterstattung, die nur selten Verständnis und Achtung für landwirtschaftli- che Tierhalter aufbringt . So stellt sich für mich persönlich nicht die Frage, ob wir unseren Landwirten denn eigentlich zu danken ha- ben, das halte ich für selbstverständlich, sondern für mich stellt sich die Frage, wie wir dies tun und welchen Ton wir dabei treffen. Da es hier anscheinend zunehmend Orientierungsschwierigkeiten in unserer Gesellschaft gibt, möchte ich hier auch noch einmal betonen: Tierärz- te, Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und ländlicher Raum gehören zusammen . Gestatten Sie mir, deshalb hier heute auch die Ge- legenheit zu nutzen und den Bogen zu einem anderen Sachverhalt, der uns kürzlich bewegt hat, zu spannen . Ich bitte um Verständnis, dass ich das heute auch unserem Koalitionspartner nicht ersparen kann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21929 (A) (C) (B) (D) Ich möchte eingehen auf das aktuelle Thema, welches uns das Bundesumweltministerium in der vorigen Wo- che beschert hat, und möchte zum Umgang mit unseren Landwirten und Bauernfamilien einige grundsätzliche Dinge sagen . Anstatt die Chance zu nutzen und den Landwirten ein- mal die oftmals vorenthaltene Anerkennung auszuspre- chen, mussten wir in den vergangenen Wochen genau das Gegenteil erleben: Die Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz startete eine bundesweite Plakatkampa- gne gegen die Landwirtschaft, mit vermeintlich fröhli- chen Bauenregeln . Als Bauernregeln deklarierte Drei- und Vierzeiler sollten im naiven Gewand Front machen gegen die hei- mischen Landwirte. Eine traurige Offensive, noch dazu von Steuergeldern finanziert, gerichtet gegen die gesamte Agrarbranche und viele Menschen im ländlichen Raum . Gerichtet gegen die Gruppe von arbeitenden Menschen, die dafür sorgen, dass unser Hunger nach Lebensmitteln in großer Vielfalt gestillt wird, und die diese Mittel für solche Werbekampagnen als Steuerzahler auch noch mit erwirtschaften . Das ist zweifellos bemerkenswert ein- zigartig für ein Mitglied der Bundesregierung und ein beschämender Vorgang von bisher nicht dagewesener Machart . Die Bundesregierung hat sich geschlossen die Förde- rung der ländlichen Räume auf die Fahnen geschrieben . Von daher ist es nicht hinnehmbar, dass sich Frau Mi- nisterin Hendricks berufen fühlt, die Reputation unserer Landwirtschaft öffentlich gezielt zu untergraben und da- mit auch dem ländlichen Räumen einen Bärendienst zu erweisen . Hier ist die Prioritätensetzung im Bundesum- weltministerium wohl gänzlich aus der Bahn geraten . Wer eine Diffamierungskampagne auf die Schienen setzt, muss sich hinterher nicht wundern, wenn der öffentliche Aufschrei groß ist . Glücklicherweise hat Frau Hendricks ihren Irrweg noch rechtzeitig erkannt und mit ihrer Entschuldigung ihr Fehlerprojekt eingestanden . Das war gut und richtig, aber der angerichtete Schaden bleibt, und wenn man sieht, dass die Kampagne mittlerweile von Dritten ungeniert mit Duldung des Hauses fortgesetzt wird, meine ich, dass diese Entschuldigung und auch die Erklärungsversuche im Netz, auch die ihres Staatssekretärs, nur halbherzig waren und nicht von wirklicher Erkenntnis zeugen . Das macht mich betroffen. Mit Schaden meine ich die dadurch vorangetriebene weitere Spaltung der Gesellschaft, welche wir nun gera- de in aktuellen Zeiten überhaupt nicht brauchen können . Das Forcieren von Abneigungstendenzen gegen die mo- derne Landwirtschaft, die Verunsicherung bei landwirt- schaftsfernen Verbraucherinnen und Verbrauchern, deren Bild von Tierhaltern nur noch negative Züge trägt . Ein Schaden, der nicht einfach mal nebenbei zu beheben ist . Was bleibt nun von dieser Kampagne nach Entschul- digung und Fehlerbekenntnis? Es bleibt der Fakt, den Graben erneut vertieft zu haben . Das ist leider der fatale Verdienst der Bundesumweltministerin und der beteilig- ten Urheber und Unterstützer . Ich bin froh, dass ich mit meiner Einschätzung auch einige Sozialdemokraten, wie zum Beispiel Landesmi- nister Backhaus und andere fachkundige Agrarpolitiker, auch viele der Opposition, an meiner Seite weiß . Es liegt jetzt bei uns, die richtigen Schlüsse zu ziehen . Unser Ziel muss es sein, die ideologische Betrachtung der Landwirtschaft endlich zu überwinden . Die Land- wirtschaft der Schuldzuweisungen muss ein Ende haben . Wir müssen endlich sachliche Argumente zulassen und dürfen keine neuen Barrieren errichten . Wir müssen die moderne Landwirtschaft akzeptieren und uns endlich von Verklärungen lösen . In diesem Sinne lade ich Sie ein, am Dialog zur Land- wirtschaft unvoreingenommen mitzuwirken . Und da bin ich mit meinem letzten Satz auch wieder beim heutigen Gesetzentwurf: Auch unsere Tierärzte haben eine Verant- wortung in diesem Dialog, denn wenn die Tierhaltung gänzlich abgeschafft ist, ist auch deren Berufsstand in Gefahr . Das gilt es zu verhindern . Dr. Karin Thissen (SPD): In einer Dritten Änderung der Bundes-Tierärzteordnung behandeln wir am heutigen Abend die Umsetzung von europäischem Recht in deut- sches Recht . Im Detail geht es um die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die ich als Tierärztin und Europä- erin mit Blick auf die enge Verzahnung der EU und ihrer Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich befürworte . Denn im freien Miteinander ist auch die Anerkennung tierärzt- licher Abschlüsse für die Berufsausübung in anderen Mitgliedstaaten unabdingbar . Sie ist Bestandteil der eu- ropäischen Grundfreiheiten, der Dienstleistungsfreiheit, die ein Pfeiler unseres gemeinsamen Binnenmarktes ist . So sollen mit dem von der Bundesregierung eingebrach- ten Gesetz in Verwaltungsvorschriften die tierärztliche Mindestausbildung und für den veterinärmedizinischen Beruf im Wesentlichen relevante Bereiche, etwa die verpflichtende Nutzung des Binnenmarkt-Informations- systems, IMI, für den Informationsaustausch innerhalb der Europäischen Union geändert werden . Das Gesetz setzt dabei das europäische Recht eins zu eins um und lässt keinen weiteren Umsetzungsspielraum . Es kurz zu erwähnen, halte ich dennoch für angebracht . Darüber hinausgehend werden aber einige Abänderungen des geltenden Rechts vorgenommen, die nicht mit der Um- setzung von EU-Recht in Verbindung stehen . Wie gesagt, sollen mit dem Gesetz EU-Regelungen für den tierärztlichen Bereich über die Änderung von Be- rufsqualifikationen und über die Verwaltungszusammen- arbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems umgesetzt werden . Das begrüßen wir . Die europarechtlich bedingten Änderungen betreffen Verfahrensvorschriften grenzüberschreitender Veterinär- tätigkeit innerhalb der EU . Das bisher nur auf freiwilli- ger Basis genutzte IMI-System wird den Informations- austausch in Zukunft verpflichtend vorschreiben. Das System ist ein technikgestütztes Netz zwischen öffent- lichen Institutionen im EU-Wirtschaftsraum, das dem Austausch von Informationen dient . Es soll und wird die Kooperation der Verwaltung erleichtern und beschleu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721930 (A) (C) (B) (D) nigen . Somit wird der Verwaltung auf allen staatlichen Ebenen ermöglicht, Kontakte und Ansprechpartner in anderen EU-Ländern zu finden und Informationen ohne Sprachwechsel auszutauschen . Darüber hinaus wird ein EU-weiter Frühwarn-Mechanismus über Verbote oder Beschränkungen tierärztlicher Berufstätigkeiten imple- mentiert . Neuerungen und Anpassungen, derer es bedarf und die eine weitere engere Verzahnung im Veterinärbe- reich befördern werden . Melde- und Antragsunterlagen, die für die Approba- tion erforderlich sind, werden ab Geltung regelmäßig elektronisch übermittelt . Möglichkeiten für die Einfüh- rung eines elektronischen Berufsausweises sind ebenfalls gegeben . Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz in der Umsetzung von EU-Recht wird auch die Fallkonstel- lation eingeführt, Tierärzten aus anderen Mitgliedstaaten im Inland einen teilweisen Zugang zur veterinärmedi- zinischen Berufsausübung zu ermöglichen . Das begrü- ßen wir ebenfalls, weil es die fachliche Kooperation, Wissensaustausch und Verflechtung von Fachwissen im Lichte des europäischen Gedankens weiter fortschreibt . Das Gesetz passt die Bundes-Tierärzteordnung an diese Änderungen an . Von diesem abgesondert werden in der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten Änderungen des Inhaltes der tierärztli- chen Mindestausbildung eintreten . Die nötigen Anglei- chungen der Gesetzeswortlaute an die Liberalisierung der Bundes-Tierärzteordnung im Jahre 2011 führen zur Klarstellung der Kriterien der Kenntnisstand- und Eig- nungsprüfung im Verfahren zur Anerkennung, ebenso zur besseren Überwachung samt Sanktionsmöglichkeit bei gelegentlicher und vorübergehender Dienstleistungs- erbringung . Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, begrüßen die Um- setzung des EU-Rechts und stimmen dem Gesetz zu . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Viel wird der- zeit über Tierschutz und Tierwohl diskutiert . Für uns Lin- ke ist das auch eine Frage von Strukturen, deshalb wollen wir zum Beispiel Bestandsgrößen am Standort begren- zen, um Megaställe zu verhindern . Und wir wollen die Tierdichte in Region begrenzen, auch um die Folge von Seuchenausbrüchen zu reduzieren . Aber für uns ist Tiergesundheit auch eine Frage von ausreichendem, gut bezahltem und gut qualifiziertem Personal . Deshalb wollen wir unter anderem einen ange- messenen Betreuungsschlüssel . Denn es gehört zur guten landwirtschaftlichen Praxis, den Tierbestand regelmäßig in Augenschein zu nehmen . Viele Landwirtschaftsbetrie- be halten sich daran . Und das sollten wir auch einmal anerkennen . Oft schlecht bezahlt, wollen sie trotzdem si- chergehen, dass es den Tieren im Stall und auf der Weide gut geht . Damit die Gesundheit der Tiere gesichert ist, braucht es auch den Sachverstand der Tierärztinnen und -ärzte . Und hier lautet für mich das Zauberwort nicht Behand- lung und schon gar nicht Medikamentenverkauf, sondern Prävention . Denn Krankheiten sollten vermieden wer- den, und dazu gehören nicht nur gut ausgebildete Tier- halterinnen und Tierhalter, sondern auch veterinärmedi- zinische Sachkenntnis . Deshalb fordert Die Linke schon lange eine integrierte veterinärmedizinische Betreuung zur Unterstützung der Tierhalterinnen und Tierhalter . Die Tierärzteschaft soll mehr beraten, damit weniger behan- delt werden muss . Landwirtschaftliche Betriebe können davon profitieren, wenn die betreuende Tierärztin stärker in das Bestandsmanagement eingebunden wird, statt erst dann zum Hörer gegriffen wird, wenn es im Stall schon brennt . Natürlich müssen diese präventiven Maßnahmen als tierärztliche Leistungen bezahlt werden . Genau da liegt das Problem . Die Linke betont immer wieder, dass der Ruf nach mehr Tierschutz im Stall allein nicht ausreicht . Denn solange möglichst niedrige Kosten das Maß des Erfolgs sind, ist es doppelzüngig, einzelne Landwirtin- nen und Landwirte allein moralisch für mangelnde Be- treuung verantwortlich zu machen . Stattdessen muss der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen so verändern, dass angemessene Erzeugerpreise faire Bedingungen für Mensch und Tier im Stall, aber eben auch eine sinnvolle tierärztliche Beratung gewährleisten . Nur so wird mehr Tierwohl erreichbar sein . Doch leider hat sich die Bundesregierung in dem vor- liegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Bundestier- ärzteordnung nur auf das Zwingende beschränkt . Nach EU-Recht müssen tierärztliche Ausbildungen EU-weit anerkannt werden . Die Gesetzesänderungen regeln den Nachweis zu einer Eignungsprüfung, die Gleichwertig- keit eingereichter Ausbildungsnachweise und eröffnen die Möglichkeit für einen europäischen Berufsausweis . Das war die Pflicht, doch wo bleibt die Kür? Von einer Überarbeitung des tierärztlichen Berufsbildes, so wie es die Bundestierärztekammer gefordert hat, fehlt im Ge- setzentwurf leider jede Spur . Doch genau die hätte es im Sinne einer positiven Bot- schaft auch an den Berufsstand gebraucht, der sich diesen neuen Herausforderungen stellen muss . Übrigens auch oft entgegen weit verbreiteter Vorurteile schlecht bezahlt . Mal abgesehen von dem völlig ungelösten Problem, dass die wachsende Armut in unserem Land auch dazu führt, dass Rechnungen beim Tierarzt selbst für zwingende Behandlungen nicht bezahlt werden können . Stattdes- sen entschied das Bundessozialgericht kürzlich, dass Hartz-IV-Betroffene selbst bei der Hundehalterhaftpflicht keine Unterstützung erhalten, da diese nicht in direktem Zusammenhang zur Existenzsicherung oder mit der Auf- nahme einer Erwerbstätigkeit stehe . Das gilt übrigens selbst für Menschen, die wegen niedriger Bezahlung mit Hartz IV aufstocken müssen . Kurzum: Wenn du arm – gemacht – wirst, musst du auch noch deinen Gefährten ins Tierheim abschieben oder noch mehr bei dir selbst sparen . Das ist unmenschlich und mehr als fragwürdig in einem Staat mit Tierschutz im Verfassungsrang . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Im Kern des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Novellierung der Bundes-Tierärzteordnung, den das Bundeskabinett am 5 . Oktober beschlossen hat, steht die erleichterte gegenseitige Anerkennung von tierärztlichen Ausbildungsnachweisen innerhalb der Europäischen Union . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21931 (A) (C) (B) (D) Mit dem Entwurf setzt die Bundesregierung eine An- fang 2014 in Kraft getretene Änderung der EU-Richtli- nie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in nationales Recht um . Positiv ist, dass mit der Neurege- lung die rechtlichen Voraussetzungen für eine künftige Einführung des Europäischen Berufsausweises für den tierärztlichen Beruf geschaffen werden. Dabei werden neben der Umsetzung von EU-Recht auch weitere Anpassungen in der Bundes-Tierärzteord- nung vorgenommen . Unter anderem soll klargestellt werden, nach welchem Verfahren Eignungs- oder Kennt- nisstandsprüfungen im Rahmen der Anerkennung einer außerhalb Deutschlands erworbenen tierärztlichen Be- rufsqualifikation durchzuführen sind. Auch das ist eine transparenzschaffende Initiative. Schließlich reagiert die Bundesregierung auf die zu- nehmende grenzüberschreitende Tätigkeit von Veterinä- ren . Außerdem überwiegen in dem vorliegenden Entwurf neben dem Inhalt der tierärztlichen Mindestausbildung überwiegend Verfahrensvorschriften . So weit, so unstrittig . Doch leider hat die Bundesre- gierung diese gute Möglichkeit, weitere sinnvolle und notwendige Anpassungen in der Bundes-Tierärzteord- nung vorzunehmen, verstreichen lassen . Dazu zählt vor allem die Definition des tierärztlichen Berufsbildes, das in § 1 der Bundes-Tierärzteordnung gefasst ist . In der noch gültigen Fassung lautet § 1 (1): Der Tierarzt ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Ge- fahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten so- wie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzu- wirken . Nun bestehen die aktuellen Herausforderungen an eine Tierärztin/einen Tierarzt nicht nur in der fachlichen Komplexität, sondern vor allem im Nutztierbereich im Praktizieren in einem Spannungsfeld zwischen Tier- schutz und Tierproduktion . Ich unterstelle einem Menschen, der sich für den Be- ruf des Veterinärs entscheidet, eine grundsätzliche Zuge- wandtheit zu den Mitgeschöpfen . Dennoch ist die Praxis in der intensiven Tierhaltung in nicht geringem Maße von ökonomischen Erwägungen und nicht nur von Tierliebe geprägt . Beispiele hierfür ist das Ausstellen von Ausnah- megenehmigungen für Eingriffe am Tier, Kontrolle von Schlachtprozessen und Tiertransporten . Hier sind Abhän- gigkeiten und Drucksituationen leider keine Seltenheit . Aus diesem Grund hätte ich mir eine Neufassung des § 1 gewünscht, die nicht nur die Erhaltung und Entwick- lung eines leistungsfähigen Tierbestandes betont, son- dern einen Paragrafen, der auch die Verantwortung des Tierarztes/der Tierärztin als Stimme der Mitgeschöpfe für eine Erreichung einer artgerechten Tierhaltung dar- stellt, einen Paragrafen, der nicht nur das Verhüten von Leiden und Krankheit als Aufgabe definiert, sondern vor allem auch die Schaffung und Erhaltung von Gesundheit, Wohlbefinden und artgerechtem Verhalten. Tierärzte sol- len ganz selbstverständlich für ihre Sachkenntnis entlohnt werden und nicht für das Verkaufen von Medikamenten . Eine solche Formulierung hätte belegt, dass die Bun- desregierung in ihren Bekundungen für mehr Tierwohl mehr sieht als eine Beruhigungspille für gesellschaftliche Forderungen. Doch diese Hoffnung wurde einmal mehr enttäuscht . Deshalb stimmen wir dem Entwurf nicht zu . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Le- benspartnern in Angelegenheiten der Gesundheits- sorge und in Fürsorgeangelegenheiten (Tagesord- nungspunkt 20) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Wir beraten heute über ein Thema, das uns alle angeht, über das aber keiner gerne spricht: Es geht um „Betreuung“, also darum, was geschieht, wenn wir in die Lage kommen, unser Leben nicht mehr selbstständig organisieren zu können . Natür- lich ist das für uns kein angenehmer Gedanke, aber es kann nun mal jeden von uns treffen – durch einen Un- fall, durch eine Krankheit oder auch weil uns im Alter schlicht die Kräfte ausgehen . Damit in solchen Situationen nicht irgendjemand Entscheidungen für uns trifft, sollte rechtzeitig Vorsorge getroffen werden, und zwar in Form einer Vorsorgevoll- macht oder zumindest einer Betreuungsverfügung . Ich kann also nur raten: Klären Sie frühzeitig ab, wer für Sie in den wichtigen Fragen der Vermögens- oder Gesund- heitssorge entscheiden soll . Wenn Sie jetzt denken: „Das brauche ich alles nicht, ich bin doch verheiratet, das kann dann meine Frau oder mein Mann für mich regeln“, dann irren Sie sich. Nach aktuellem Recht können die nächsten Angehörigen näm- lich einem medizinischen Eingriff beispielsweise nicht automatisch zustimmen . Tatsächlich besitzen Ehegatten, sofern keine Vorsorge getroffen wurde, zunächst so gut wie keine Entscheidungsrechte . Vielmehr muss grund- sätzlich ein Gericht klären, ob der Partner die Befugnisse erhält oder ob eine dritte Person als gerichtlich bestellter Betreuer fortan die Entscheidungen treffen soll. Erleidet zum Beispiel ein vierzigjähriger Ehemann einen Motorradunfall und kann in die notwendigen me- dizinischen Behandlungen im Krankenhaus nicht selbst einwilligen, so muss die Ehefrau grundsätzlich, wenn sie will, dass die Maßnahmen durchgeführt werden, erst einmal gerichtlich dafür sorgen, dass sie als Betreuerin bestellt wird . Besonders schwierig wird es auch dann, wenn im ho- hen Alter das Lebensende abzusehen ist und dann auch noch extra für die medizinische Behandlung ein gericht- liches Betreuungsverfahren erforderlich wird . Es kann also durchaus sein, dass in einer Situation, in der man Angst und Sorge um den Partner hat und eh schon alles Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721932 (A) (C) (B) (D) schwer genug ist, man sich auch noch mit dem Betreu- ungsgericht auseinanderzusetzen hat . Das sollte so nicht sein und wollen wir daher nun ändern . Künftig soll das, wovon die Bürger mit guten Gründen ausgehen, nämlich dass der Mensch, der uns am nächsten steht, also der Ehegatte oder Lebenspartner, für uns sorgen und entscheiden soll, Gesetz sein . Das Anliegen des Bundesrats, dessen Gesetzentwurf uns hier vorliegt, wird von der Union daher grundsätzlich mit- getragen . Diskussionsbedarf besteht zwar noch bei der Reichweite der angenommenen Vollmacht, jedoch haben wir im weiteren parlamentarischen Verfahren noch aus- reichend Zeit, um darüber zu beraten . Insbesondere wird die öffentliche Anhörung dazu ausreichend Gelegenheit geben . Was uns aber außerdem bei diesem Thema noch um- treibt und bei dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Be- rücksichtigung fand, ist die Frage nach der Betreuungs- vergütung . Leider gibt es nämlich auch Fälle, in denen es keinen Ehepartner gibt oder ein sonstiges Familien- mitglied, das sich bereit erklärt, die Sorge zu überneh- men . Dann muss vom Gericht eine dritte Person bestellt werden . In letzter Zeit habe ich mich viel mit sogenann- ten Berufsbetreuern unterhalten . Eine Betreuerin hat mir dabei eine Geschichte erzählt, die mir besonders in Er- innerung geblieben ist: Sie erzählte von einem Obdach- losen, der bereits mehrfach polizeilich aufgefallen war und eines Tages von einem Auto angefahren worden ist . Er lag im Koma in einem Krankenhaus und die Ärzte hatten festgestellt, dass er schwer alkoholkrank war . Die Berufsbetreuerin wurde schließlich mit dem Fall betraut . Der von mir geschilderte Fall ist keine Ausnahme . Tatsächlich sind in Deutschland etwa 1,3 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen, weil sie krank, geistig oder körperlich behindert sind oder unter psy- chischen Störungen leiden . Um sie kümmern sich rund 12 000 Berufsbetreuer und Berufsbetreuerinnen . Und wie es aussieht, wird die Zahl der rechtlichen Betreuungen vermutlich weiter steigen . Davon ist angesichts der de- mografischen Entwicklung in Deutschland auszugehen. Um auf mein Beispiel zurückzukommen: Die Berufs- betreuerin berichtete mir, dass mit diesem Fall, aber auch mit vielen anderen ein großer Arbeitsaufwand verbunden war . Und als ehemalige Betreuungsrichterin kann ich auch bestätigen, wie wichtig und schwierig es ist, wirk- lich geeignete Personen für diesen Beruf zu finden. Der Berufsbetreuer muss in Notsituationen immer erreichbar sein, er muss zumeist regelmäßig Rechenschaft über die Finanzen des Betreuten beim Betreuungsgericht ablegen, Behördengänge erledigen, den Kontakt mit dem Betreu- ten halten und auch schon mal eine Lösung finden, wenn dem Betreuten die Wohnung gekündigt wurde . Für diese Aufgaben stehen dem Berufsbetreuer nur eine pauschale Stundenanzahl zur Verfügung, wobei der Stundenlohn je nach Berufsabschluss zwischen 27 und 44 Euro pro Stunde variiert . Davon muss er sich als Selbstständiger nicht nur sein Büro einrichten, sondern auch seinen Bürobedarf, sein Porto, seine Fahrtkosten und seine Haftpflichtversicherung bezahlen. Letztere ist unverzichtbar, schließlich tragen die Berufsbetreuer eine große Verantwortung, nicht selten geht es um Leben und Tod . Es ist der Union daher ein wichtiges Anliegen, dass wir auch ein Auge auf die Berufsbetreuer haben und für sie bessere Rahmenbedingungen schaffen. Insbesonde- re wollen wir die Vergütungssätze der Berufs- und Ver- einsbetreuer erhöhen . Nur so können wir auch für die Zukunft gewährleisten, dass wir gute Berufsbetreuer ha- ben . Die aktuell geltenden Stundensätze wurden seit der Einführung der Pauschalvergütung im Jahre 2005 nicht mehr erhöht . Allein die Umsatzsteuer ist entfallen . Die damit verbundene Einkommenssteigerung ist nicht an- satzweise vergleichbar mit der bei tarifgebundenen So- zialpädagogen . Mir ist durchaus bewusst, dass mit diesem Wunsch eine große finanzielle Belastung für die Justizhaushalte der Länder verbunden ist. Ich hoffe daher, dass wir im weiteren Verlauf des parlamentarischen Verfahrens zu ei- nem guten Ergebnis kommen werden . Schließlich will ich noch mal darauf hinweisen, dass Betreuung ein Thema ist, das uns alle angeht . Wir sollten also nicht leichtfertig damit umgehen . Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Heute befassen wir uns in erster Lesung mit einer Thematik, die vielen von uns bekannt sein dürfte . Wir debattieren einen Gesetzentwurf des Bundesrates, der den Beistand unter Ehegatten und Lebenspartnern verbessern soll und der in umfangreicher Form unter dem Begriff „Angehöri- genvertretungsrecht“ bereits Beratungsgegenstand in der 15 . Legislaturperiode war . Bevor ich auf den Inhalt dieser Bundesratsinitiative zu sprechen komme, möchte ich vorausschicken, dass wir uns in der Grundausrichtung dieses Vorhabens mit den Ländern einig sind . Wir wollen die Rechte der Ehegatten und Lebenspartner, die betreut werden müssen, stärken . Kann eine volljährige Person, sei es durch Unfall oder Krankheit, nicht in medizinische Maßnahmen einwilli- gen, so kennt das geltende Recht bekanntlich bisher zwei Rechtsinstrumente, um Betroffene zu unterstützen und zu schützen: die Vorsorgevollmacht und die Bestellung eines rechtlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht . Dabei halte ich die Vorsorgevollmacht für ein entschei- dendes Instrument, das dem Grundsatz der Selbstbestim- mung des Einzelnen Geltung verschaffen kann. In erster Linie will jeder Mensch selbst entscheiden; und wenn das nicht mehr möglich ist, dann entspricht es ebenfalls dem menschlichen Willen, selbst zu bestimmen, wer für einen handelt und entscheidet . An dieser Stelle sollten wir als Gesetzgeber nicht die Gelegenheit versäumen, auf die Tragweite einer privatautonomen Vorsorgevoll- macht nochmals hinzuweisen und für sie zu werben . Gleichwohl dürfen wir uns aber auch nicht der Rea- lität verschließen . Die Vorsorgevollmacht ist noch nicht so weit verbreitet, wie wir uns das wünschen würden . Bis ins hochbetagte Alter werden Gedanken und Fragen wie folgende verdrängt: Wer soll für mich im Falle einer schweren Krankheit entscheiden? Welche medizinischen Maßnahmen möchte ich zulassen? Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21933 (A) (C) (B) (D) Viele Menschen gehen indes davon aus, dass sie im Krankheitsfall von ihren Ehe- oder eingetragenen Le- benspartnern ohne weitere Formalitäten vertreten wer- den können . Nach geltender Rechtslage ist dies jedoch nicht möglich . Aber genau an diese Erwartung der Bür- ger knüpft der Gesetzentwurf des Bundesrates an . Er will eine Vollmachtsvermutung „für den Bereich der Gesund- heitssorge und in der Fürsorge dienenden Angelegen- heiten“ einführen. Hinter diesen Begriffen verbirgt sich neben der Möglichkeit zur Einwilligung in Notfallopera- tionen auch das Recht, grundlegende Entscheidungen zur Pflege und Rehabilitation für den zu betreuenden Ehe- gatten zu treffen. Der vertretende Ehegatte soll ebenso berechtigt werden, eine gerichtliche Genehmigung ein- zuholen und zu entscheiden, ob der vertretene Ehegatte im Bett fixiert oder ob er gezielt durch Schlafmittel oder andere Medikamente am Verlassen des Krankenhauses gehindert werden darf . Den Regelungsinhalt des Gesetzentwurfs empfinden wir – und mein Tonfall lässt es schon vermuten – als zu weitgehend . Zwar wollen wir ein gesetzliches Vertre- tungsrecht im Bereich der Gesundheitssorge mittragen . Dieses soll aber insbesondere auf Einwilligungen in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbe- handlungen oder ärztliche Eingriffe beschränkt werden. Damit wird das Ziel, für Notsituationen ein gesetzliches Vertretungsrecht zwischen Ehegatten und Lebenspart- nern zu schaffen, auf einfachere Weise erreicht. Der ent- sprechende Änderungsantrag müsste den Kolleginnen und Kollegen bereits zugegangen sein . Wir wollen überdies die inhaltliche Nähe des Ge- setzentwurf des Bundesrates dazu nutzen, ein weiteres wichtiges Vorhaben im Betreuungsrecht auf den Weg zu bringen: eine moderate Erhöhung der Vergütungssätze für Vereins- und selbständige Berufsbetreuer . Die vor rund zwölf Jahren mit Inkrafttreten des Zweiten Betreu- ungsrechtsänderungsgesetzes eingeführten und seitdem unveränderten Stundensätze des § 4 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes sollen um 15 Prozent ange- hoben werden . Das hätte zur Folge, dass die nach aka- demischer und beruflicher Ausbildung gestaffelten Stun- densätze von derzeit 44 Euro in der höchsten Stufe auf 50,60 Euro, in der mittleren Stufe von 33,50 Euro auf 38,50 Euro und in der niedrigsten Stufe von 27 Euro auf rund 31 Euro ansteigen würden . Wir sind der Meinung, dass eine solche Anhebung geboten und angemessen ist . Qualitativ hochwertige Betreuung ist eben auch eine Frage der Vergütung, und eine angemessene Vergütung ist eine unverzichtbare Vo- raussetzung für ein leistungsfähiges und zukunftsfestes Betreuungswesen . Gerade mit Blick auf die allgemeine Preissteigerung und die Einkommensentwicklung ver- gleichbarer Berufsgruppen seit Einführung des pauscha- lierten Vergütungssystems sehen wir es an der Zeit, die Vergütungssätze für Vereins- und selbständige Berufsbe- treuer – und hier auch trotz des Wegfalls der Umsatzsteu- erpflicht vor wenigen Jahren – zu erhöhen. Wir schneiden uns die Zahlen ja nicht aus den Rippen oder argumentieren ins Blaue hinein . Wie auch schon bei Einführung des Vergütungssystems im Jahr 2005 gibt es empirisches Datenmaterial, das unsere Argumentation stützt . Dass die Schere zwischen tatsächlich geleistetem und vergütetem Aufwand auseinandergegangen ist, wird auch durch den kürzlich veröffentlichen Zweiten Zwi- schenbericht des Forschungsvorhabens zur Qualität in der rechtlichen Betreuung bestätigt, das durch das Bun- desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Auftrag gegeben wurde . Wir können und wollen der Schließung von Betreu- ungsvereinen nicht weiter tatenlos zusehen . Über Jah- re gewachsene Betreuungsstruktur darf nicht verloren gehen . Es ist ja auch nicht so, dass es der Staat besser, geschweige denn günstiger hinbekommen würde . Des- wegen setzen wir uns mit dieser Verbindung zum Gesetz- entwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Beistands- möglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern auch dafür ein, dass wir hier zu einem zügigen Abschluss der Änderungen im Vormünder- und Betreuervergütungsge- setz kommen . Denn was einmal verloren ist, muss erst wieder kostenintensiv aufgebaut werden . Wir sind uns darüber bewusst, dass wir hier einen Ver- trag zulasten Dritter aufsetzen . Wir müssen die Länder ins Boot holen . Ich bin mir natürlich auch darüber im Klaren, dass die Situation im Betreuungswesen nicht in jedem Bundesland gleich ist . In meinem Heimatbundes- land Schleswig-Holstein läuft die Förderung der Betreu- ungsvereine sehr gut; aber auch hier braucht es eine zu- kunftsfeste Struktur . Mit der jetzt geplanten moderaten Vergütungserhöhung tragen wir dazu bei . Dr. Matthias Bartke (SPD): Ein Schlaganfall, ein schwerer Autounfall, eine plötzliche Krankheit – das al- les sind Schicksalsschläge, mit denen wir uns in unserem Alltag lieber nicht beschäftigen . Und doch passieren sie immer wieder und viel zu oft . Solche Einschnitte sind eine schwere Last für die Ehepartner . Sie haben Angst um ihre Liebsten, sorgen sich, wie es weitergehen wird, und müssen oft auf die Schnelle vieles neu organisieren . Das ist noch um ein Vielfaches mehr belastend, wenn die Erkrankten nicht mehr selber entscheiden können . Es ist genau dieser Zeitpunkt, wenn über viele die Erkenntnis hereinbricht, dass die Entscheidungsbefugnis ihres Ehe- partners nicht automatisch auf sie übergeht . Ein Sorgerecht mit allen Vollmachten – etwa auch in Bezug auf gesundheitliche Angelegenheiten – haben nur Eltern für ihre minderjährigen Kinder . Das ist längst nicht allen bekannt . Das Meinungsforschungsinstitut for- sa hat dazu eine Umfrage durchgeführt . Das Ergebnis: Etwa zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass bei schweren Erkrankungen oder Unfällen automatisch die nächsten Angehörigen für die betroffene Person ent- scheiden können . Andere Umfrageergebnisse machen außerdem deutlich, dass sich die große Mehrheit von Be- fragten wünscht, dass bei krankheitsbedingter Unfähig- keit die Partner füreinander entscheiden können . Wenn sich Erkrankte aber nicht rechtzeitig um eine entspre- chende Vorsorgevollmacht gekümmert haben, sind dem gesunden Ehepartner die Hände gebunden . Er hat dann keine Entscheidungsrechte . Stattdessen muss zunächst ein Gericht klären, ob der Ehemann oder die Ehefrau die rechtliche Betreuung übernehmen kann . Für die Angehö- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721934 (A) (C) (B) (D) rigen bedeutet das Behördengänge, Gerichtstermine und zusätzliche Kosten . Das will der Bundesrat mit seinem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten nun ändern . Es soll eine gesetzliche Annahme der Bevollmächtigung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern geschaffen werden. Sie soll für den Bereich der Gesund- heitssorge und der Fürsorge greifen . Ich denke, meine Einführung hat deutlich gemacht, dass auch wir diesem Anliegen sehr wohlwollend gegenüberstehen . Den Be- troffenen werden Formalitäten erspart, und kurzfristige Betreuerbestellungen können vermieden werden . Trotzdem werden wir den Gesetzentwurf nicht unver- ändert übernehmen . Das im Entwurf vorgesehene Vertre- tungsrecht wollen wir allein auf den Bereich der Gesund- heitssorge beschränken . Damit wird das Vertretungsrecht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten entfallen . Ebenso lehnen wir die Vollmacht für freiheitsentziehen- de Maßnahmen ab . Da der Anwendungsbereich auf diese Weise beschränkt sein wird, können wir außerdem die verfassungsrechtlich bedenkliche Befugnis zum Öffnen der Post vermeiden . Besonders kritisch sehen wir die im Bundesratsent- wurf vorgesehenen Erklärungen . Der Ehegatte müsste für den Abschluss von Verträgen und für freiheitsentzie- hende Maßnahmen unter anderem ein ärztliches Zeugnis vorlegen . Dieses Zeugnis dürfte maximal sechs Monate alt sein und müsste die Unfähigkeit des anderen Ehegat- ten zur Besorgung der Angelegenheiten bestätigen . Ein sechs Monate altes Zeugnis gibt im Zweifelsfall aber we- nig Auskunft über die aktuelle Situation . Hier herrscht also Missbrauchsgefahr . Das müssen wir unbedingt ver- hindern . Die von uns bevorzugte Beschränkung auf die Ge- sundheitssorge hat hingegen einen klaren Vorteil: Die Vertretung in diesen Belangen ist auf einen unstrittigen Bereich und einen kurzen Zeitraum beschränkt . Das mi- nimiert das Missbrauchspotenzial . Der behandelnde Arzt kann aus eigener Anschauung beurteilen, dass der Pati- ent seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann . Da nur der Gesundheitsbereich erfasst ist, brauchen Dritte keine Informationen über den Zustand des Betroffenen. Ein bis zu sechs Monate altes ärztliches Zeugnis ist damit überflüssig. Eine unkompliziertere Anwendung wird dazu führen, dass Ehegatten in der Praxis vom Vertretungsrecht tat- sächlich Gebrauch machen . Nur dann können wir kurz- fristige Betreuerbestellungen auch wirklich vermeiden, so wie es der Gesetzentwurf beabsichtigt . Je nach Schwere der Erkrankung kann der betroffene Ehegatte nach einer gewissen Zeit eine Vollmacht ertei- len . Ist die Beeinträchtigung stärker und länger andau- ernd, so wird ohnehin eine Betreuerbestellung notwen- dig . Das wäre im Übrigen auch der Fall, wenn, wie im Bundesratsentwurf auch, vermögensrechtliche Angele- genheiten erfasst wären . Eine Beschränkung auf die Ge- sundheitssorge bringt also nur Vorteile, vermeidet aber gravierende Nachteile . In der Summe schaffen wir mit unseren Änderungen ein anwenderfreundliches Vertretungsrecht zwischen Ehegatten und Lebenspartnern für Notsituationen . Wir werden den Betroffenen damit zumindest eine Last in einer schweren Zeit nehmen können . Die enge zeitliche Begrenzung wie auch die Beschränkung auf die Gesund- heitssorge beugen zugleich Missbrauch vor . Die Vorsorgevollmacht wird dennoch nicht an Be- deutung verlieren . Das ist für uns von höchster Priori- tät . Denn nur die Vorsorgevollmacht vermeidet dauer- haft Betreuungen und kann das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen in vollem Umfang gewährleisten. Wer als Bevollmächtigter eingesetzt wird, kann jeder selbst entscheiden . Das ist eine Frage des Vertrauens und im besten Fall eben nicht des Gerichts . Es können auch für verschiedene Aufgaben unterschiedliche Personen ein- getragen werden . Jemand, der ganz in der Nähe wohnt, kann beispielsweise für Gesundheitsfragen bevollmäch- tigt werden und jemand weiter weg für die Vermögens- fragen . Während wir mit der Vorsorgevollmacht also bereits ein sehr wirksames Instrument zur Verfügung haben, be- schäftigt uns eine andere Baustelle im Betreuungsrecht noch sehr . Und zwar ist das die Vergütung der Berufs- betreuer . Die Pauschalvergütung der Berufsbetreuer ist seit 2005 unverändert . Die Kosten sind in den vergange- nen elf Jahren aber gestiegen und auch die Einkommen vergleichbarer Berufsgruppen sind das ebenfalls . Eine Anpassung der Stundensätze halten wir deshalb für un- bedingt notwendig . Die demografische Entwicklung, aber auch die zu- nehmende Verrechtlichung vieler Lebensbereiche führen dazu, dass die Zahl der rechtlich Betreuten immer weiter zunimmt . Im hohen Alter können immer mehr Menschen nicht mehr eigenständige Entscheidungen treffen. Neben vielen Ehrenamtlern unterstützen die Berufsbetreuer die Betreuten in ihrer Entscheidungsfindung und kümmern sich um ihre Angelegenheiten – sei es der Vertrag mit dem Pflegeheim, die Erledigung der Post oder das Ver- walten des Vermögens . Die Aufgaben sind zahlreich und verlangen von den Betreuern einen erheblichen Zeitein- satz . Ihren Beitrag für die Gesellschaft können wir daher gar nicht genug wertschätzen . Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Betreuung sich konsequent am Selbst- bestimmungsrecht der Betroffenen orientiert. Wenn die Betreuer aber gezwungen sind, wegen der unveränderten Stundensätze die Fallzahlen zu erhöhen, dann läuft es gewaltig falsch . Denn erhöhte Fallzahlen bleiben nicht ohne Folge: Der Betreuer muss die persönliche Betreu- ung vernachlässigen, was zu deutlichen Qualitätseinbu- ßen führt . Den vorliegenden Gesetzentwurf werden wir deswe- gen auch dahin gehend ändern, dass wir eine Vergütungs- erhöhung für die Berufsbetreuer um 15 Prozent vorsehen . Die dringende Notwendigkeit einer Vergütungserhöhung hat nicht zuletzt das Zwischengutachten des Forschungs- vorhabens „Qualität der rechtlichen Betreuung“ des Jus- tizministeriums bewiesen . Darauf bauen wir auf und set- zen auf die Unterstützung aller Beteiligten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 2017 21935 (A) (C) (B) (D) Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Wir müssen uns folgende Situation vorstellen: Ein Ehepaar sitzt zuhause auf der Couch, sie schauen eine Fußballübertragung im Fernsehen an und die Ehefrau regt sich derart über den Schiedsrichter auf, dass sie einen Herzinfarkt bekommt, zusammenbricht, ins Koma fällt und mittels Rettungswa- gen ins Krankenhaus gebracht werden muss . Nun wird bei ihr eine Erkrankung festgestellt, die der Behandlung bedarf, sie selbst ist aber nicht mehr in der Lage, darüber zu entscheiden. Der Ehemann steht hilflos daneben . Denn nach geltender Rechtslage können Ehegat- ten und ebenso Partner einer eingetragenen Lebenspart- nerschaft weder Entscheidungen über medizinische Be- handlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt werden oder von ihm im Rahmen einer Vorsorge- vollmacht hierzu wirksam bevollmächtigt worden sind . Doch oftmals wird der Gedanke an die Erteilung einer Vorsorgevollmacht – gerade bei jüngeren Menschen – verdrängt und auf „später“ verschoben. „Das müssen wir auch noch mal regeln“, höre ich immer wieder. Nach einem Unfall oder einer unerwarteten schweren Krankheit bedarf es dann erst eines gerichtlichen Ver- fahrens auf Betreuerbestellung, um dem Ehegatten oder Lebenspartner auch in rechtlicher Hinsicht beistehen zu können . Untersuchungen zeigen, dass die meisten Bürger sich eine Besorgung ihrer Angelegenheiten und Vertre- tung durch ihren Partner bei eigenem Unvermögen wün- schen und dass die meisten Menschen – leider irrig – zu- dem davon ausgehen, dass ihr Partner sie in diesem Fall auch qua Gesetz vertreten darf . Der Gesetzentwurf schafft zur Lösung dieses Pro- blems, für den Bereich der Gesundheitssorge und in der Fürsorge dienenden Angelegenheiten, eine gesetzliche Annahme der Bevollmächtigung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern für den Fall, dass der ver- tretene Ehegatte oder Lebenspartner weder im Rahmen einer ausdrücklichen Vorsorgevollmacht etwas anderes bestimmt noch einen entgegenstehenden Willen geäußert hat . Der Ehegatte oder Lebenspartner soll hierbei den- selben Bindungen unterliegen wie ein – ausdrücklich – Vorsorgebevollmächtigter . Ein der Vertretung durch den Partner entgegenstehender Wille soll als Widerspruch in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragen werden können . Die Vorsorgevollmacht ist und bleibt ein wichtiges Instrument, um selbstbestimmt darüber entscheiden zu können, wer im Falle des Verlustes der eigenen Hand- lungsfähigkeit handeln und entscheiden soll; hier wird nur für den Fall des Nichtvorliegens die Person, die dem Betroffenen am nächsten steht, als Bevollmächtigter ver- mutet . Der Gesetzentwurf ist grundsätzlich zu unterstützen . Ob die seitens der Bundesregierung bestehenden Be- denken hinsichtlich etwaiger Konflikte zu Artikel 12 der UN-Behindertenkonvention berechtigt sind, wird im parlamentarischen Verfahren und der bereits terminierten Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu klären sein . Auch hinsichtlich der Frage, ob Ehegatten und Le- benspartner immer ihrer Aufgabe als Betreuer gewach- sen sind oder dass eine Ehe/Lebenspartnerschaft nur noch auf dem Papier bestehen könnte, ist die vorgesehe- ne Regelung einer automatischen gerichtlichen Betreu- ung vorzuziehen. Zum einen findet diese Vollmachts- vermutung keine Anwendung, wenn die Partner nach § 1567 Absatz 1 BGB getrennt leben . Und um etwaigem Missbrauch weiter vorzubeugen, kann nach wie vor jeder seine Angelegenheiten auch nach der neuen Gesetzesla- ge in Form einer eigenen Vorsorgevollmacht oder einer sonstigen anderslautenden Willensäußerung abweichend regeln . Die möglicherweise erforderlichen Änderungen oder Ergänzungen werden sich im Laufe der weiteren Bera- tungen ergeben . Ich freue mich darauf . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir de- battieren heute einen Gesetzentwurf des Bundesrates, der in einem höchstpersönlichen Bereich, bei dem es um Le- ben und Tod gehen kann, künftig eine gesetzliche Fiktion einführt . Wenn jemand keine Vorsorgevollmacht erstellt hat, soll im Falle der Geschäftsunfähigkeit automatisch der Ehegatte als bevollmächtigt gelten . Damit sollen angeblich Dinge vereinfacht werden, weil dann kein Betreuer bestellt werden muss . Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, ob das wirklich eine so große Vereinfachung ist und ob dadurch nicht ganz ande- re Probleme und Risiken erst entstehen . Kann jemand seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen, prüft bislang das Amtsgericht auf Antrag, ob und wer in diesem Fall als Betreuer einzusetzen ist . Da- bei ist der Betroffene anzuhören, und er oder sie kann selber Vorschläge machen, die zu berücksichtigen sind . § 1897 Absatz 5 BGB lautet wie folgt: Schlägt der Volljährige niemanden vor … so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaft- lichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Le- benspartner, sowie auf die Gefahr von Interessen- konflikten Rücksicht zu nehmen. Ehrlich gesagt: Besser und angemessener kann man es doch gar nicht formulieren! Warum sollen wir ausgerechnet in diesem wichtigen Bereich auf die richterliche Entscheidung und damit auch auf die Anhörung des Betroffenen verzichten? Und er- setzt das bloße Vorliegen einer Heiratsurkunde wirklich die Prüfung eines Interessenkonfliktes? In den allermeis- ten Fällen wird sich nach der richterlichen Anhörung tat- sächlich ergeben, dass der Ehegatte die geeignete Person ist . Manchmal kann es aber auch genauso gut – oder auch besser – das eigene Kind sein . Warum will das Gesetz hier einen Vorrang schaffen, der am Ende dazu führt, dass Familienmitglieder proak- tiv gegen die gesetzliche Fiktion tätig werden und wo- möglich verborgene Konflikte aufdecken müssen? (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 218 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 16 . Februar 201721936 Das Risiko, dass die Fiktion gerade nicht dem Willen des Betroffenen entspricht, ist selbst nach der Gesetzes- begründung nicht unerheblich . In der Begründung steht, dass 80 Prozent der Befragten ihren Ehegatten als Be- treuer einsetzen würden . Was bedeutet das denn für die anderen 20 Prozent? Die Gründe dafür, jemand anderen als den eigenen Ehegatten zum Betreuer bestellen zu wollen, können so vielfältig sein wie das Leben selbst . Vielleicht möchte jemand seine Partnerin oder seinen Partner damit nicht belasten, oder die Ehe ist möglicherweise seit Jahren viel zerrütteter, als es irgendjemand geahnt hat . Als Fachan- wältin für Familienrecht kann ich Ihnen versichern: Es gibt im Bereich familiärer Konflikte nichts, was es nicht gibt! Die gesetzliche Fiktion einer intakten Ehe halte ich für sehr gewagt, um nicht zu sagen unverantwortbar . Was soll so schlimm daran sein, sich vom Gericht be- stellen zu lassen? Ein entsprechender Betreuerausweis ist doch ohnehin hilfreich bei der Besorgung der Rechtsan- gelegenheiten . Wie soll das ohne einen solchen Ausweis denn überhaupt gehen? In dem geplanten § 1358 Absatz 3 BGB ist vorgese- hen, dass man gegenüber Behörden und Ärzten erklären muss, mit dem Betroffen verheiratet zu sein, nicht ge- trennt zu leben, keine Kenntnis von einem entgegenste- henden Willen zu haben – und dazu noch ein ärztliches Zeugnis über die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Betroffenen vorlegen, dass nicht älter als sechs Monate ist . Und das soll einfacher sein als eine Betreuerbestel- lung? Wissen Sie eigentlich, wie schwierig es sein kann, festzustellen, ob Eheleute getrennt leben? Das allein kann Gegenstand umfangreicher Streitverfahren sein . Nein – ich würde mal unterstellen, der Gesetzentwurf war gut gemeint, aber vereinfacht wird dadurch gar nichts . Im Betreuungsrecht steht das Selbstbestimmungsrecht ganz im Fokus, und da brauchen wir auch keine Verkür- zungen und Fiktionen . Belassen Sie es bei der Betreu- ungsbestellung durch das Gericht . Das ist im Übrigen auch die Empfehlung der Deut- schen Stiftung Patientenschutz . Und auch das Bundes- ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat ja Bedenken geäußert und den Fraktionen einen Ände- rungsantrag empfohlen, mit dem die gesetzliche Fiktion gestrichen und stattdessen eine Beschränkung auf die Gesundheitssorge vorgenommen werden soll . Sollten Sie diesen Änderungsantrag einbringen, wäre das sicher- lich eine deutliche Verbesserung . Von der Notwendigkeit der Gesetzesänderung bin ich allerdings auch dann noch nicht überzeugt . Gerade bei akuten Notsituationen kann sich ein Miss- brauch besonders gravierend auswirken . Der Arzt wäre an die gesetzliche Berechtigung des Ehegatten zur Ent- scheidung über die Heilbehandlung gebunden und müss- te im Zweifelsfall selbst gegen den Willen desselben das Betreuungsgericht einschalten . Eine solche zusätzliche Hürde zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Be- troffenen macht es nicht einfacher. Und ob die Ehegatten getrennt leben, ist für den behandelnden Arzt schon gar nicht nachprüfbar . An dieser Stelle würde auch der Ände- rungsantrag keine Abhilfe schaffen. Wir lassen uns im weiteren Beratungsverfahren gerne noch einmal die praktischen Gründe erläutern, warum hier überhaupt eine Gesetzesänderung notwendig sein soll . In der vom Bundesrat beschlossenen Form wäre der Gesetzentwurf auf jeden Fall abzulehnen . Anlage 8 Neudruck: Antwort der Staatsministerin Dr . Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/11120, Frage 20): Mit welchen Maßnahmen unterfüttert nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Union in Belarus „eine ge- wisse Vereinbarung bezüglich der Migration“, wie der dortige Präsident eine Kooperation umschrieb, die unter anderem Gel- der für den Bau von Zentren für „illegale“ Migranten sowie für deren Abschiebung vorsieht (dw .com vom 24 . Januar 2017, „Streit um Migrantenzentren in Weißrussland“), und welchen Stand haben nach Kenntnis der Bundesregierung die seit 2011 autorisierten Verhandlungen der Europäischen Kommission über ein Abschiebeabkommen der Europäischen Union mit Belarus (Bundestagsdrucksache 18/1423, Antwort zu Fra- ge 9)? Ein umfassendes europäisches Unterstützungspro- gramm im Bereich Migration soll Belarus bei der Bewäl- tigung einer steigenden Zahl irregulärer Migrantinnen und Migranten im Land helfen . Das Unterstützungsprogramm umfasst 7 Millionen Euro aus dem Europäischen Nachbarschaftsinstrument und unterstützt die belarussische Regierung bei der Ent- wicklung und Umsetzung von Strategien zum Migrati- onsmanagement im Einklang mit internationalem Recht und internationalen Standards . Auch Bau und/oder Reno- vierung von mehreren Unterkünften für Migranten sind vorgesehen . Die Internationale Organisation für Migra- tion (IOM) ist an der Umsetzung beteiligt . Eine ausführ- liche Beschreibung ist auf der Internetseite der Europäi- schen Kommission frei zugänglich . Verhandlungen über ein Visaerleichterungs- und Rückübernahmeabkommen haben im Jahr 2014 begon- nen und sind noch nicht abgeschlossen . (217 . Sitzung, Anlage 9) http://www.dw.com 218. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3, ZP 2 Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs TOP 4 Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen ZP 3 Integrationspolitik TOP 27, ZP 4 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 28 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung TOP 7 Bekämpfung der Steuerumgehung TOP 8 Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Islamismus TOP 24 Regionale Wirtschaftspolitik TOP 10 Deutsche Ostpolitik TOP 11 Änderung des Düngegesetzes TOP 12, ZP 5 Klimaschutz in der Wärmeversorgung ZP 6 Nachtragshaushaltsgesetz 2016 TOP 14 Bekämpfung von Fluchtursachen TOP 9 Zivile Krisenprävention TOP 16 Attraktivität der Berufsausbildungsförderung ZP 7 Anfechtungen nach der Insolvenzordnung TOP 18 Bewahrung des deutschen Filmerbes TOP 13 Umsetzung von EU-Richtlinien zur Arbeitsmigration TOP 17 Sicherung der Ernährung in einer Versorgungskrise TOP 19 Änderung der Bundes-Tierärzteordnung TOP 20 Bevollmächtigung im Bereich der Gesundheitssorge Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Claudia Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Albsteiger, erlauben Sie – –



Rede von Katrin Albsteiger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Er kann gerne eine Kurzintervention machen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Claudia Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Nein, kann er nicht . Das muss er erst einmal beantra-

    gen .


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


    Vielen Dank, Frau Albsteiger . – Als letzter Redner in die-
    ser Debatte hat Martin Rabanus für die SPD das Wort .


    (Beifall bei der SPD)