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ID1819014000

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    Plenarprotokoll 18/190 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 190. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22. September 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundes- ministers Dr. Wolfgang Schäuble sowie der Abgeordneten Pia Zimmermann und Karl Holmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18743 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18743 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 39 b und 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18744 D Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 18745 A Tagesordnungspunkt 4: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bundesverkehrswegeplan 2030 Drucksache 18/9350 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18745 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs- ten Gesetzes zur Änderung des Fern- straßenausbaugesetzes Drucksache 18/9523 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18745 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Bundes- schienenwegeausbaugesetzes Drucksache 18/9524 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18745 D d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über den Ausbau der Bundes- wasserstraßen und zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes Drucksache 18/9527 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18745 D Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18746 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18748 B Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18749 B Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18751 B Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18752 D Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18753 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18754 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18755 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18756 B Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18757 B Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18758 C Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18760 A Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18760 D Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18761 D Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitneh- merüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze Drucksache 18/9232 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18763 C b) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Etablierung von Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen verhindern Drucksache 18/9664 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18763 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016II in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Corinna Rüffer, Katja Keul, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern Drucksache 18/7370 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18763 D Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . 18764 A Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 18765 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18767 B Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18768 D Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18770 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18770 C Albert Stegemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18772 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18774 B Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18774 C Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18775 B Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vor- schlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsab- kommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Rats- dok. 10968/16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwen- dung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäi- schen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Rats- dok. 10969/16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Arti- kel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen Drucksache 18/9665 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18777 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Karin Binder, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens verweigern Drucksachen 18/8391, 18/9697 . . . . . . . . . 18777 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abstimmung über CETA erfordert Beteiligung von Bundestag und Bundesrat Drucksachen 18/9030, 18/9703 . . . . . . . . . 18777 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 18777 C Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18779 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 18781 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18781 B Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18783 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18784 C Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18785 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 18787 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . 18787 C Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 18788 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18789 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18790 C Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18791 D Dr . Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18792 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 18793 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18800 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassen- den Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdoku- ment 10968/16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsab- kommens (CETA) zwischen Kanada einer- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 III seits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdoku- ment 10969/16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel Drucksache 18/9663 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18794 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 18794 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18803 A Tagesordnungspunkt 39: a) Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Eu- ropäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Rats- dok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwen- dung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäi- schen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Rats- dok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Arti- kel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen Drucksache 18/9621 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18794 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dem CETA-Abkommen so nicht zustimmen Drucksachen 18/6201, 18/9701 . . . . . . . . . 18795 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 18795 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18806 A Tagesordnungspunkt 43: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Kommunalin- vestitionsförderungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze Drucksache 18/9231 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Strafrechtsübereinkommen des Europarats vom 27. Januar 1999 über Korruption und dem Zusatzproto- koll vom 15. Mai 2003 zum Strafrechts- übereinkommen des Europarats über Korruption Drucksache 18/9234 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen des Europa- rats vom 16. Mai 2005 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terroris- mus Drucksache 18/9235 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 C d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtli- nie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefähr- lichen Stoffen, zur Änderung und an- schließenden Aufhebung der Richtli- nie 96/82/EG des Rates Drucksache 18/9417 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 D e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Seefischerei- gesetzes Drucksache 18/9466 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 D f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeauf- klärung des Bundesnachrichtendienstes Drucksache 18/9529 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 D g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Saatgutver- kehrsgesetzes Drucksache 18/9531 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18795 D h) Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Keine Steuerbefreiung für Atom- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016IV kraftwerke – Die Brennelementesteuer muss bleiben Drucksache 18/9124 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 A i) Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Längere Lebensdauer für techni- sche Geräte Drucksache 18/9179 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 A Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen beschränken Drucksache 18/7654 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 B b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Trans- parenz bei vegetarischen und veganen Produkten schaffen Drucksache 18/9057 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 B c) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hand- lungsbedarf im Waffenrecht für mehr öffentliche Sicherheit Drucksache 18/9674 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 B d) Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Internatio- nale rechtliche Zusammenarbeit stärken und ausbauen Drucksache 18/9675 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 C e) Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr . Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Syrien – Luftbrücke einrichten, humanitäre Not lindern Drucksache 18/9687 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18796 D Tagesordnungspunkt 44: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes über die Errichtung einer Ot- to-von-Bismarck-Stiftung Drucksachen 18/8497, 18/9692 . . . . . . . . . 18797 A b)–g) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 351, 352, 353, 354, 355 und 356 zu Petitionen Drucksachen 18/9578, 18/9579, 18/9580, 18/9581, 18/9582, 18/9583 . . . . . . . . . . . . 18797 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz: zu dem Streitverfahren 2 BvE 2/16 vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/9691 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18798 A Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) Drucksache 18/9522 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18798 A b) Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Mit dem Bun- desteilhabegesetz volle Teilhabe ermög- lichen Drucksache 18/9672 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18798 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . 18798 C Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18808 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18810 D Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18812 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . 18813 C Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 18814 B Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18815 A Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18815 D Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 18817 A Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18819 B Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18820 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18820 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18821 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD: Die Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfs- konvoi Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 V Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18823 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18824 A Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18825 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18826 A Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . . 18827 A Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18827 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 18828 D Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18830 B Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18831 C Achim Post (Minden) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18832 C Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18833 C Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18834 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18835 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015 Drucksachen 18/9650, 18/9704 . . . . . . . . . . . 18836 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Zur Unterzeichnung des Pariser Kli- maabkommens – Klimaschutz wirksam verankern und Klimaziele einhalten Drucksachen 18/8080, 18/9702 . . . . . . . . . . . 18836 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18836 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 18838 A Dr . Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18839 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18840 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18841 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18842 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18843 D Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 10. Jahrestag der Ermordung Anna Politkowskajas – Menschenrechtsverteidi- gerinnen und Menschenrechtsverteidigern in Russland zur Seite stehen Drucksache 18/9673 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18845 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18845 B Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18846 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18847 D Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 18848 D Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 18850 B Tagesordnungspunkt 10: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weite- ren Maßnahmen gegen Gewinnkürzun- gen und verlagerungen Drucksache 18/9536 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18851 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Mehrseitigen Ver- einbarung vom 27. Januar 2016 zwi- schen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berich- te Drucksachen 18/8841, 18/9695 . . . . . . . . . 18851 D Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18852 A Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18853 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 18853 D Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18855 A Dr . Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . . 18856 A Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18857 B Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 18858 B Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Norbert Müller (Potsdam), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktionsplan gegen Kinderarmut Drucksache 18/9666 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18859 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18859 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016VI Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18860 B Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 18862 A Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD) . . . . . . . . . 18863 B Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18864 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 18865 D Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18866 D Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Maritimen Sicherheits- operation SEA GUARDIAN im Mittelmeer Drucksache 18/9632 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18868 A Dr . Ralf Brauksiepe, Parl . Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18868 A Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18869 B Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18870 C Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18871 C Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18872 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18873 C Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18874 C Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Deutschland-Takt jetzt umsetzen – Weichen in der Bundesver- kehrswegeplanung richtig stellen Drucksache 18/7554 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18875 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18875 D Alexander Funk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18876 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18877 B Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18878 A Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . 18879 D Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Bun- desbesoldungs- und -versorgungsan- passungsgesetzes 2016/2017 (BBVAnpG 2016/2017) Drucksache 18/9533 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18881 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versor- gungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/9532 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18881 A Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18881 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 18882 A Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) . . . . . . . . 18882 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18883 D Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18884 C Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Cornelia Möhring, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Geschlechtergerechtigkeit in der Wissen- schaft durchsetzen Drucksache 18/9667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18885 D Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18885 D Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 18886 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18887 D Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18889 A Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 18890 A Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18891 A Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen Drucksache 18/9535 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18892 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Tabea Rößner, Dr . Konstantin von Notz, Hans- Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Auskunftsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden (Presseauskunftsgesetz) Drucksache 18/8246 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18892 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18892 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 18893 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 18894 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18895 B Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18896 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 VII Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtli- cher Vorschriften Drucksachen 18/8558, 18/9707 . . . . . . . . . . . 18897 D Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr . Axel Troost, Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Solidaritätszuschlag für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland verwenden Drucksachen 18/5221, 18/9694 . . . . . . . . . . . 18898 A Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs Drucksache 18/9416 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18898 B Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förde- rung von Elektromobilität im Straßen- verkehr Drucksachen 18/8828, 18/9239, 18/9596 Nr . 1 .7, 18/9688 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18898 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9689 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18898 C Tagesordnungspunkt 22: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psy- chiatrische und psychosomatische Leis- tungen (PsychVVG) Drucksache 18/9528 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18898 D b) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Dr . Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Psychisch erkrankte Menschen besser versorgen – Jetzt Hilfenetz wei- terentwickeln Drucksache 18/9671 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18898 D Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts Drucksache 18/9534 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18899 A Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Bundesfernstraßen- mautgesetzes Drucksache 18/9440 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18899 A Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bun- desanstalt für Finanzmarktstabilisierung ( FMSA-Neuordnungsgesetz – FMSA- NeuOG) Drucksache 18/9530 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18899 B Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschrif- ten über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch (Landwirtschaftser- zeugnisse-Schulprogrammgesetz – LwErzg- SchulproG) Drucksache 18/9519 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18899 C Tagesordnungspunkt 28: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Ver- breitung neuer psychoaktiver Stoffe Drucksachen 18/8579, 18/8964, 18/9129 Nr . 1 .1, 18/9699 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18899 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen Drucksachen 18/8459, 18/9699 . . . . . . . . . 18899 D Tagesordnungspunkt 29: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016VIII Gesetzes zur Änderung abfallverbringungs- rechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/8961, 18/9706 . . . . . . . . . . . 18900 B Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verord- nung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Ände- rung sonstiger zivilprozessualer Vorschrif- ten (EuKoPfVODG) Drucksachen 18/7560, 18/9698 . . . . . . . . . . . 18900 C Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Klimaschutzverordnung Drucksachen 18/8959, 18/9129 Nr . 2 .2, 18/9705 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18900 D Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutsch-indische Bildungs- und Wissenschaftskooperation ausbauen Drucksachen 18/8708, 18/9661 . . . . . . . . . . . 18901 A Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Än- derung weiterer Statistikgesetze Drucksache 18/9418 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18901 B Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts Drucksache 18/9633 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18901 B Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes Drucksache 18/9441 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18901 C Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtli- nie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe Drucksache 18/9521 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18901 D Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vom 15. Oktober 2008 zwischen den CARI- FORUM-Staaten einerseits und der Euro- päischen Gemeinschaft und ihren Mitglied- staaten andererseits Drucksache 18/8297 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18902 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18902 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18903 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Pronold, Ulrike Bahr, Klaus Barthel Dr . Karl-Heinz Brunner, Martin Burkert, Sabine Dittmar, Christian Flisek, Gabriele Fograscher, Uli Grötsch, Gabriela Heinrich, Anette Kramme, Florian Post, Marianne Schieder, Andreas Schwarz, Martina Stamm- Fibich, Claudia Tausend und Carsten Träger (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmun- gen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 IX hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18903 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Lothar Binding (Heidelberg), Dr . Lars Castellucci, Dr . h . c . Gernot Erler, Michael Gerdes, Christina Jantz-Herrmann, Steffen- Claudio Lemme, Stefan Rebmann, Dr . Carola Reimann, Dr. Dorothee Schlegel, Elfi Scho- Antwerpes und Frank Schwabe (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016X zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18904 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Rüdiger Veit, Wolfgang Gunkel, Ralf Kapschack, Dr . Birgit Malecha-Nissen, René Röspel und Christoph Strässer (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 XI abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18907 A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Kömpel und Dagmar Schmidt (Wetzlar) (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmun- gen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016XII Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18907 D Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Mindrup und Detlev Pilger (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 XIII und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18910 B Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Markus Paschke und Kerstin Tack (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016XIV Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18911 D Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) . . . 18914 A Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18915 A Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18915 D Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18916 C Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18917 B Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18917 D Ulrich Hampel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18919 B Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18921 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18922 B Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18923 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 XV Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18924 A Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18924 D Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18926 A Dr . Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18926 B Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18926 D Dr . Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18927 B Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 18928 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18929 C Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18929 D Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18930 A Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18931 C Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18932 B Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18932 D Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Ange- legenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) . . . . . . . . . . . . . . 18933 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . . 18933 C Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18934 A Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Göppel (CDU/CSU) zu den namentli- chen Abstimmungen über – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdok . 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016XVI nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdok . 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte ZP 3 und 39 a) . . . . . . 18934 C Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Na- men der Europäischen Union – des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkom- mens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg .; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handels- abkommens (CETA) zwischen Kanada ei- nerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg .; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i . V . m . § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) . . . . . . . . . . . . . . 18935 D Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Ma- nipulationen an digitalen Grundaufzeichnun- gen (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 18936 A Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18936 B Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18937 A Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18938 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18938 D Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18940 A Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewa- chungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 18941 A Dr . Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18941 B Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18942 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18943 A Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18943 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18944 B Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Axel Troost, Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Solidaritätszuschlag für gleichwertige Lebens- verhältnisse in ganz Deutschland verwenden (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 18944 D Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18944 D Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18945 C Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18946 B Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18947 B Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18948 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18948 C Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung der elekt- ronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 18949 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 XVII Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18949 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18950 A Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18950 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18951 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 18952 A Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18953 A Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen För- derung von Elektromobilität im Straßenver- kehr (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 18953 C Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18953 C Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18954 B Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18955 A Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18955 B Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18956 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 18956 D Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Wei- terentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psycho- somatische Leistungen (PsychVVG) – des Antrags der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr . Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Psychisch erkrankte Menschen besser versorgen – Jetzt Hilfenetz weiter- entwickeln (Tagesordnungspunkt 22 a und b) . . . . . . . . . . 18957 B Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18957 C Dirk Heidenblut (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18958 A Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18958 D Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 18959 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18960 D Ingrid Fischbach, Parl . Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18961 C Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Straf- verfahren und zur Änderung des Schöffenrechts (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 18963 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18963 A Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18963 C Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18964 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18965 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18965 D Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18966 D Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 18967 B Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18967 C Thomas Viesehon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18968 B Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18969 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18969 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18970 B Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarkt- stabilisierung (FMSA-Neuordnungsgesetz – FMSANeuOG) (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 18970 D Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18970 D Dr . Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 18971 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18972 D Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18973 C Jens Spahn, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . 18974 B Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchfüh- rung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch (Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogramm- gesetz – LwErzgSchulproG) (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 18975 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016XVIII Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18975 B Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18976 B Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 18977 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18977 D Dr . Maria Flachsbarth, Parl . Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18978 D Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämp- fung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe – der Beschlussempfehlung und des Be- richts zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen (Tagesordnungspunkt 28 a und b) . . . . . . . . . . 18980 A Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18980 B Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18981 B Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18982 C Martina Stamm-Fibich (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18983 B Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18984 B Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18985 A Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung abfall- verbringungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 29) . . . . . . . . . . . . . . . . 18986 C Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18986 C Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18987 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18988 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18989 A Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr . 655/2014 sowie zur Än- derung sonstiger zivilprozessualer Vorschrif- ten (EuKoPfVODG) (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 18989 C Sebastian Steineke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18989 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18990 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18991 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 18991 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18993 B Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Klimaschutzverordnung (Tagesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . 18994 B Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18994 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18995 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18996 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18997 A Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18997 B Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutsch-indi- sche Bildungs- und Wissenschaftskooperation ausbauen (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 18997 D Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18998 A Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18998 C Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18999 C Azize Tank (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19000 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19001 D Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Sta- tistikgesetze (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 19002 D Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19002 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 19003 C Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19004 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 XIX Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19005 C Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19006 D Anlage 28 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts (Tagesordnungspunkt 34) . . . . . . . . . . . . . . . . 19007 C Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19007 D Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19008 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19009 A Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19010 B Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 19011 A Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes (Tagesordnungspunkt 35) . . . . . . . . . . . . . . . . 19012 A Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19012 A Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19012 D Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 19013 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 19014 A Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19014 C Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Än- derung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (Tagesordnungspunkt 36) . . . . . . . . . . . . . . . . 19015 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19015 B Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19016 A Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19017 C Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19018 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 19019 B Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19020 B Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Wirtschafts- partnerschaftsabkommen vom 15 . Oktober 2008 zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Tagesordnungspunkt 37) . . . . . . . . . . . . . . . . 19021 A Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . . 19021 A Dr . Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19022 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19023 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19024 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18743 190. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22. September 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
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    Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18903 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 22 .09 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 22 .09 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 22 .09 .2016 Heiderich, Helmut CDU/CSU 22 .09 .2016 Hellmich, Wolfgang SPD 22 .09 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 22 .09 .2016 Kofler, Dr. Bärbel SPD 22 .09 .2016 Lach, Günter CDU/CSU 22 .09 .2016 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 22 .09 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 22 .09 .2016 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 22 .09 .2016 Obermeier, Julia CDU/CSU 22 .09 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 22 .09 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 22 .09 .2016 Schmelzle, Heiko CDU/CSU 22 .09 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 22 .09 .2016 Steinbrück, Peer SPD 22 .09 .2016 Steinmeier, Dr . Frank- Walter SPD 22 .09 .2016 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 22 .09 .2016 Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 22 .09 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Pronold, Ulrike Bahr, Klaus Barthel Dr. Karl-Heinz Brunner, Martin Burkert, Sabine Dittmar, Christian Flisek, Gabriele Fograscher, Uli Grötsch, Gabriela Heinrich, Anette Kramme, Florian Post, Marianne Schieder, Andreas Schwarz, Martina Stamm-Fibich, Claudia Tausend und Carsten Träger (alle SPD) zu den na- mentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618904 (A) (C) (B) (D) tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Im vorliegenden Koalitionsantrag geht es nicht um eine abschließende Abstimmung des Deutschen Bundes- tages über CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ‒ Für freien und fairen Handel). Wir sehen in diesem Antrag aber einen Schritt in Richtung einer Verbesserung des vorliegenden Vertragsentwurfs . Es werden die schwerwiegenden Bedenken und Ableh- nungsgründe beim Investitionsschutz, bei der wirksamen Durchsetzung des Vorsorgeprinzips sowie von Standards für Arbeit, Soziales, Umwelt und Daseinsvorsorge be- nannt . Es wird der Wille formuliert, hierbei zu rechts- wirksamen Ergänzungen in unserem Sinne zu kommen, wie sie auch der SPD-Parteikonvent gefordert hatte . Die Durchsetzung dieser Ziele soll sich durch das ge- samte Verfahren der Beratungen ziehen, angefangen im EU-Ministerrat, bis hin zur Ratifikation im Deutschen Bundestag und Bundesrat . Auch spricht sich der An- trag klar für transparente, schrittweise parlamentarische Verfahren aus . Jeder Schritt ist dabei ergebnisoffen und schließt die Möglichkeit eines Stopps oder einer Ableh- nung ein . Mit dem Koalitionsantrag Bundestagsdrucksa- che . 18/9663 vom 20 . September 2016 zu CETA (Com- prehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ‒ Für freien und fairen Handel) ist eine Zustimmung zu CETA nicht verbunden . Sie wäre für uns nach heutigem Stand auch nicht möglich . Sie wäre nur dann denkbar, wenn wesentliche Verbesserungen an dem Abkommen am Ende des Prozesses rechtssicher festgehalten sind . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg), Dr. Lars Castellucci, Dr. h. c. Gernot Erler, Michael Gerdes, Christina Jantz-Herrmann, Steffen- Claudio Lemme, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Dr. Dorothee Schlegel, Elfi Scho- Antwerpes und Frank Schwabe (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18905 (A) (C) (B) (D) zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Müssten wir heute über das Freihandelsabkommen mit Kanada „CETA“ abstimmen, wir würden ablehnen . Aber heute wird nicht über den Vertragstext des Abkom- mens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), vielen ver .di-Mitgliedern und an- deren, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurden wir um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen wurden wir um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsverbindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorlie- gen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb unsere stereotype Antwort: Wenn sich alle Hoffnungen der Befürworter durch den Vertrag bestä- tigen lassen, stimmen wir zu . Wenn sich alle Befürch- tungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die uns auffordern abzulehnen, bestätigen, lehnen wir ab . Das entscheiden wir endgültig, wenn entscheidungsreife Vor- lagen den Bundestag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefällten Urteil stecken bleibt . Aber es gibt auch gute Beispiele: Nachdem Sigmar Gabriel mit der Kanadischen Handels- ministerin Chrystia Freeland wichtige Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte erreichen konnte, hat Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Ge- werkschaftsbundes (DGB), den auf dem SPD-Konvent eingeschlagenen Weg unterstützt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihan- delsabkommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsab- kommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen intensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . In diesem von Bundeswirt- schaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Ursprungstext so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen beschlossen haben . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesent- lich diese Änderungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft gemeint . Unser Ziel ist, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sol- len die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618906 (A) (C) (B) (D) eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zu- sammenarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und vertieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern einen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies al- leine tun würde . Bei solch kraftvollen Verbindungen gilt es zu darauf zu achten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Die schwächsten Menschen und die schwächsten Staaten . Unter diesen Gesichtspunkten ist das Interesse der schwächeren EU-Mitgliedsstaaten an CETA gut zu verstehen . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält und das trotz der teils heftigen und vorurteilsbeladenen Kritik der Pro- und Kontrasei- ten, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Han- delsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Gesundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würden wir heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Verträge erst dann zu beschließen, wenn alle für sie ein- schlägigen rechtsverbindlichen Texte endgültig vorlie- gen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Ver- handlungspartner mühelos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich (…) verpflich- ten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsor- ganisation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Interesse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess … unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüßen wir sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Umwelt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet blei- ben . Das im europäischen Primärrecht verankerte Vor- sorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klargestellt werden .“ – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung, zitieren wir nachfolgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Art . 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum wir dem heutigen Koalitionsantrag zustimmen, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18907 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rüdiger Veit, Wolfgang Gunkel, Ralf Kapschack, Dr. Birgit Malecha-Nissen, René Röspel und Christoph Strässer (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Würde heute in der Sache über den derzeit vorliegen- den Text von CETA abgestimmt, könnten wir nicht zu- stimmen . Auch haben wir erhebliche Zweifel, ob noch in rechts- verbindlicher und belastbarer Form die notwendigen Er- gänzungen des Vertragstextes oder etwaiger Zusatzver- einbarungen erreicht werden können . Trotzdem werden wir dem Antrag von CDU/CSU und SPD zustimmen, um entsprechende Versuche hier- zu nicht von vornherein auszuschließen . Den Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke, die das Ergebnis solcher Verhandlungen vorwegnehmen, werden wir daher nicht zustimmen . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Kömpel und Dagmar Schmidt (Wetzlar) (beide SPD) zu den namentli- chen Abstimmungen über Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618908 (A) (C) (B) (D) – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Müssten wir heute über das Freihandelsabkommen mit Kanada „CETA“ abstimmen, wir würden ablehnen . Aber heute wird nicht über den Vertragstext des Abkom- mens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), vielen ver .di-Mitgliedern und an- deren, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurden wir um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen wurden wir um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsverbindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorlie- gen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18909 (A) (C) (B) (D) Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb unsere stereotype Antwort: Wenn sich alle Hoffnungen der Befürworter durch den Vertrag bestä- tigen lassen, stimmen wir zu . Wenn sich alle Befürch- tungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die uns auffordern, abzulehnen, bestätigen, lehnen wir ab . Das entscheiden wir endgültig, wenn entscheidungsreife Vor- lagen den Bundestag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefällten Urteil stecken bleibt . Aber es gibt auch gute Beispiele: Nachdem Sigmar Gabriel mit der kanadischen Handels- ministerin Chrystia Freeland wichtige Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte erreichen konnte, hat Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Ge- werkschaftsbundes (DGB), den auf dem SPD-Konvent eingeschlagenen Weg unterstützt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen in- tensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angesto- ßen und organisiert . In diesem von Bundeswirtschaftsmi- nister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Text so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Lini- en“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandels- abkommen beschlossen haben . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft gemeint . Unser Ziel ist, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sollen die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und vertieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern einen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies alleine tun würde . Bei solch kraftvollen Verbindungen gilt es darauf zu ach- ten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Die schwächsten Menschen und die schwächsten Staa- ten . Unter diesen Gesichtspunkten ist das Interesse der schwächeren EU-Mitgliedstaaten an CETA gut zu ver- stehen . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält und das trotz der teils heftigen und vorurteilsbeladenen Kritik der Pro- und Kontra-Sei- ten, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Han- delsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Gesundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würden wir heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Verträge erst dann zu beschließen, wenn alle für sie ein- schlägigen rechtsverbindlichen Texte endgültig vorlie- gen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Ver- handlungspartner mühelos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich (…) verpflich- ten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsor- ganisation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Interesse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess (…) unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüße ich sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Umwelt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet blei- ben . Das im europäischen Primärrecht verankerte Vor- sorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klargestellt werden .“ – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung zitieren wir nachfolgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unsere Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618910 (A) (C) (B) (D) Forderungen nicht erfüllt sind, werden wir CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘, sicherge- stellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländi- schen gegenüber inländischen Investoren oder Bürge- rinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum wir dem heutigen Koalitionsantrag zustimmen, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Mindrup und Detlev Pilger (beide SPD) zu den namentlichen Abstim- mungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18911 (A) (C) (B) (D) und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Der Beschluss des SPD-Konvents vom 19 . September 2016 enthält eine inhaltlich gute Bewertung des vorlie- genden CETA-Vertragsentwurfs . Dieser Beschluss zeigt deutlich, dass wir in der augenblicklichen Fassung von CETA weit vom vermeintlichen „Goldstandard“ entfernt sind, sogar tatsächlich wichtige „rote Linien“ reißen . Verursacher ist dabei oftmals nicht die neue kanadische Regierung, sondern die zuständige neoliberal agierende Generaldirektion Handel der EU-Kommission . Die bis- herige Haltung in den Gesprächen und Anhörungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kommission hat gezeigt, dass dort die notwendige Problemwahrnehmung für die kritischen Punkte im Abkommen so gut wie nicht vorhanden ist . Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen ist keine Zustimmung zu CETA in der vorliegenden Fas- sung . Trotzdem können wir diesem Antrag nicht zustim- men, da wir das Verfahren, erst im Ministerrat zuzustim- men und danach Verbesserungen erreichen zu wollen, für nicht zielführend halten . Die Forderung, entweder unsere Verbesserungen in das Abkommen zu verhandeln oder als einzige Alterna- tive eine Außerkraftsetzung, wird dann auch gegenüber unseren europäischen Partnern schwerer zu vermitteln sein als jetzt, vor der Unterzeichnung des Vertrages . Neben den Bedenken zum Verfahren haben wir auch inhaltliche Bedenken . Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet zu den ILO- Kern arbeitsnormen die Formulierung des SPD-Konvents nicht übernommen wurde . Weiterhin fehlt eine wesentliche Formulierung zur Einschränkung der neuen Gerichtsbarkeit im Verhältnis inländische und ausländische Investoren und Bürger . Das Klimaschutzabkommen von Paris wird ebenfalls nicht thematisiert . Die folgenden Formulierungen aus dem Konventsbe- schluss in den Antrag wären für uns hier zwingend für eine Zustimmung gewesen: 1 . „Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie zum Bei- spiel ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚in- direkte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegen- über inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inlän- dischen Investoren beschränkt werden .“ 2 . „Anders als im Prozess der WTO ist es der Staa- tengemeinschaft gelungen, im Jahr 2015 gemein- sam globale Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Klimaschutzabkommen zu beschließen . Unter Bezugnahme auf Artikel 24 .4 (Kapitel Handel und Umwelt) ist durch die Vertragsparteien zu betonen, dass diese Abkommen von großem Wert sind und das CETA-Abkommen und die darin be- schriebene Handels- und Wirtschaftspolitik sich an diesen Zielen orientiert .“ 3 . „Im Rahmen des Beratungsprozesses ist ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Part- ner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu entwickeln . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert werden. Der soziale Dialog ist effektiv auszugestalten, sodass das Verfahren zur Durchsetzung von Standards wirkungsvoll genug ist und durch Sanktionsmöglichkeiten ergänzt wird .“ Insgesamt wissen wir aber auch zu schätzen, was die SPD-Fraktionsführung hier mit der Union erreicht hat . Wir begrüßen ausdrücklich, dass in der Stellungnahme deutlich zum Ausdruck kommt, dass der Deutsche Bun- destag erst im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden wird, je nachdem, ob unsere geforderten Änderungen nach unse- rer Einschätzung umgesetzt wurden oder nicht . Deshalb werden wir auch nicht gegen unseren Antrag stimmen und nach außen betonen, dass die SPD-Fraktion mit dieser Stellungnahme ausdrücklich nicht im Bundestag CETA in der jetzt vorliegenden Form zugestimmt hat . Den Anträgen von Linken und Grünen stimmen wir in inhaltlich aus den eingangs skizzierten Erwägungen zum weiteren Verfahren in ihrem Forderungsteil zu, nämlich CETA jetzt nicht im Ministerrat zu unterzeichnen . Al- lerdings können wir den inhaltlichen Begründungen bei beiden Anträgen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen . So werden in der Stellungnahme der Grünen zu CETA die Arbeitnehmerrechte bzw . ILO-Kernarbeits- normen gar nicht erwähnt, und bei den Linken finden sich etliche falsche Behauptungen im Begründungsteil . Im Ergebnis unserer Abwägung werden wir daher bei allen drei Anträgen mit Enthaltung votieren . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Markus Paschke und Kerstin Tack (beide SPD) zu den namentlichen Abstim- mungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618912 (A) (C) (B) (D) weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Müssten wir heute über das Freihandelsabkommen mir Kanada „CETA“ abstimmen, wir würden ablehnen . Aber heute wird nicht über den Vertragstext des Abkom- mens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), ver .di-Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurden wir um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist. In vielen anderen, häufig genug einfach kopier- ten Briefen wurden wir um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Ge- fährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext mit seinen rechtsförmlich wesentlichen Er- gänzungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorliegt, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Ar- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18913 (A) (C) (B) (D) beitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb unsere stereotype Antwort: Wenn sich alle Hoffnungen der Befürworter durch den Vertragstext bestätigen lassen, stimmen wir zu . Wenn sich alle Be- fürchtungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die uns auffordern, abzulehnen, bestätigen, lehnen wir ab . Das entscheiden wir endgültig, wenn entscheidungsreife Vor- lagen den Bundestag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefäll- ten Urteil stecken bleibt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Fraktion einen tiefen Diskus- sions- und Abwägungsprozess angestoßen und organi- siert . In diesem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Vertragstext in seinen rechtlichen, sozialen und kulturellen Zielen so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Wer diese Verän- derungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Än- derungen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft die- nen . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir „rote Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen beschlossen haben . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes –statt Schieds- gerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Ge- sundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, wür- den wir heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Vertragstexte erst dann zu be- schließen, wenn sie endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mü- helos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und (…) verpflichten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorgani- sation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Inte- resse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess unbestimmte Rechts- begriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch zu verstehen, ob das gemeinsame Verständnis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deut- schen Bevölkerung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüßen wir sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips nicht unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Um- welt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet bleiben . Das im europäischen Primärrecht veranker- te Vorsorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klargestellt werden .“ – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Die Übersichtlichkeit und Bürgerfreundlichkeit des ohnehin schon komplexen und langen Vertragstextes wird durch weitere Regelungen und Vereinbarungen au- ßerhalb des Vertrags weiter gemindert . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung zitieren wir nachfolgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618914 (A) (C) (B) (D) Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum wir dem heutigen Koalitionsantrag zustimmen, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen (Tagesordnungspunkt 6 a) und – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte 6 a, ZP 3 und 39 a) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18915 (A) (C) (B) (D) Heike Baehrens (SPD): Müsste ich heute über das Freihandelsabkommen mir Kanada „CETA“ abstimmen, ich würde ablehnen . Aber heute wird nicht über den Ver- tragstext des Abkommens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungsfähig- keit im Nichtwissen . Damit fällen sie ihr Urteil auf die gleiche Weise wie der Bundesverband der Deutschen In- dustrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskam- mertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), viele ver .di Mitglieder und andere, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, zu wissen meinen, dass der Weltuntergang drohe, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist. In vielen anderen, häufig genug einfach kopierten Briefen, wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Ge- fährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsförmlich wesentlichen Ergän- zungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorliegen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Ar- beitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Meine Antwort darauf ist: Lasst uns gemeinsam die Ziele formulieren, die wir erreichen wollen, und unse- re Entscheidung treffen, wenn wir diese Ziele mit einem endgültig vorliegenden Vertragstext abgleichen können . Das Schwarz-Weiß-Denken bezüglich Handelsverträgen ist nicht zweckmäßig . Vorrangig sind Handelsverträge eine zivilisatorische Errungenschaft, die dazu dienen, Staats- und Handelsbeziehungen gestaltbar und verläss- lich machen . In dieser Eigenschaft können sie dazu ge- nutzt werden, bestehende Verhältnisse zu verbessern und gemeinsam Standards anzuheben . Das ist unser Ziel in der SPD . Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wissen schon lange, dass sie gegen diese Freihandelsabkommen sind . CDU und CSU wissen schon lange, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind . Als einzige Partei hat die SPD einen tiefen Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen be- schlossen haben . Dadurch hat die SPD den Boden dafür bereitet, dass Kritiker zu Wort kommen und ein bereits fertig verhandelter Vertrag noch einmal aufgeschnürt und nachverhandelt werden konnte . In diesem von Bundes- wirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Pro- zess konnten Argumente von Kritikern und Befürwortern zusammengebracht werden . Diese Veränderungen die- nen dadurch ganz wesentlich dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft ge- meint . Unser Ziel ist es, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sollen die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zusam- menarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und ver- tieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern einen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies al- leine tun würde . Bei solch kraftvollen Verbindungen gilt es, darauf zu achten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Das nun vorliegende Verhandlungsergebnis enthält gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesse- rungen, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit . Doch für die Regelungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Ge- sundheit, die nun speziellen Schutzregeln unterliegen, sehe ich beispielsweise noch weiteren Verhandlungsbe- darf . Vertragstexte können aber erst dann abschließend beurteilt und beschlossen werden, wenn sie ausverhan- delt sind . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mühelos akzeptieren kann . Wir als SPD haben klare Bedingungen für ein akzep- tables CETA beschlossen . Diese Bedingungen werden maßgeblich dafür sein, ob ich dem fertigen Vertragstext zustimme oder nicht . Aus diesen Bedingungen ergeben sich einige Bereiche, die nachzubessern sind . Dazu ge- hört der Investorenschutz, der auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren beschränkt werden sollte . Genauso müssen der Vorrang des Vorsorgeprin- zips fest verankert und die acht ILO Kernarbeitsnormen ratifiziert werden. Auch muss klar gemacht werden, dass die öffentliche Daseinsvorsorge von dem Vertrag ausge- nommen ist . Weder auf dem Konvent noch bei der heutigen Ab- stimmung stimmen wir CETA endgültig zu . Mit dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Com- prehensive Economic and Trade Agreement (CETA): Für freien und fairen Handel“ – Drucksache 18/9663 – brin- gen wir zum Ausdruck: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsver- fahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Dem kann ich zustimmen . Dr. Daniela De Ridder (SPD): Heute wird darü- ber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf zu CETA in die parlamentarischen Verfahren beziehungsweise in die Parlamente zu geben . Es ist daher falsch, anzuneh- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618916 (A) (C) (B) (D) men, dass heute über den Vertragstext abgestimmt wird, was gerne von Gegnern des geplanten Freihandelsab- kommens kolportiert wird . Persönlich betrachte ich CETA kritisch, möchte mich aber den Vorteilen des Freihandelsabkommens und seiner auch möglichen positiven Wirkungen nicht verschließen . Wichtig ist mir, deutlich zu machen, dass ich meine end- gültige Entscheidung fällen werde, wenn der Vertrags- text tatsächlich zur Abstimmung vorliegt . Der Konvent der SPD zu CETA war schließlich keine Beschlusslage für das Freihandelsabkommen, sondern ein Auftrag zur Verhandlung für den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, bei gleichzeitiger Definition roter Linien. Dies ist mir zur Klarstellung der heutigen Abstimmung beson- ders wichtig . Die „roten Linien“ werden durch den heutigen Ko- alitionsantrag nicht überschritten, sondern sie zeugen vielmehr davon, dass wir erfolgreich substanzielle Än- derungen im öffentlichen Interesse in die Verhandlungen einbringen konnten und werden, wenn da steht: Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass sich die Ver- tragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich verpflichten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnor- men der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu unternehmen . Oder weiter: Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die von der Bundesregierung eingebrachten Reformvorschläge zur Schiedsgerichtsbarkeit von der EU-Kommis- sion aufgenommen und in das Abkommen einge- bracht worden sind . Im weiteren Prozess müssen unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden . Der nunmehr eingeschlagene Weg zu einem öffentli- chen Handelsgerichtshof ist aus europäischer Sicht unumkehrbar und muss auch bei künftigen Handels- abkommen verfolgt werden . Besonders relevant ist für mich ebenfalls die Daseins- vorsorge: Die Formulierung „…Spielräume von Kom- munen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht eingeschränkt und auch künftig nicht angetastet werden. Es muss im weiteren Ratifikationsprozess si- chergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öf- fentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf…“ ist zu begrüßen . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Vertragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . Dass es noch Unklarheiten über „unbestimmte Rechtsbegriffe“ und den Schutz sozialer Standards gibt, sorgt dafür, dass ich mich jetzt nicht zu dem Freihandels- abkommen bekennen kann . Deshalb möchte ich mich dafür aussprechen, unseren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel damit zu beauftragen, die nächsten Ver- handlungsschritte – unter Wahrung der von der SPD ge- zogenen roten Linien – aufzunehmen . Nach diesen Er- gebnissen, die dann im Rahmen des folgenden Prozesses herauskommen, werde ich meine Entscheidung zur Zu- stimmung oder Ablehnung treffen . Das untermauert der heutige Antrag, wenn hier steht: „Der Deutsche Bundes- tag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizie- rungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden“ . Aus diesem Grund votiere ich für den Koalitions- antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD (Drucksa- che 18/9663) und gegen die Anträge der Fraktionen DIE LINKE (Drucksache 18/9665) und Bündnis 90/Die Grü- nen (Drucksache 18/9621) . Dr. Karamba Diaby (SPD): Der Deutsche Bundestag entscheidet heute nicht über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positi- ves Votum im Europäischen Rat den Weg das weitere Ratifizierungsverfahren im Europäischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU eröffnen soll . Der aktuelle Entwurf von CETA stimmt nach meiner Überzeugung mit der Beschlusslage der SPD noch nicht überein . Des betrifft vor allem die Bereiche Investitions- schutz, CETA-Ausschuss, Vorsorgegrundsatz, öffent- liche Daseinsvorsorge und Arbeitnehmerrechte . Dem aktuell vorliegenden CETA-Entwurf könnte ich deshalb nicht zustimmen . Mir ist wichtig, dass das weitere Verfahren unter Beteiligung der nationalen Parlamente vollzogen wird . Ebenso muss die Zivilgesellschaft einbezogen und in ei- nem transparenten Verfahren mit Kanada ein faires End- ergebnis verhandelt werden . Die vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er erkennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungsprozes- ses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Minister- rat die Möglichkeit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindliche Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Abkommens vorläufig anzuwenden und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitions- schutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszu- nehmen . Eine Gültigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustim- men . Wichtig ist für mich zudem, dass die Stellungnah- me der Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben beschriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungsverfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesell- schaft ermöglicht – wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am vergangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensi- ven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegenüberstehen, Lösungsansätze in den kontrovers dis- kutierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18917 (A) (C) (B) (D) die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weite- re Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen betreffen . Soweit im Ministerrat diesbezüglich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellung- nahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwendbarkeit des Ver- trages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlos- sen werden müssen . Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfassungsbe- schwerde problematisiert werden, die bezüglich des Ab- kommens anhängig ist . Ich bin überzeugt, dass dieser Weg erfolgverspre- chend ist . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Län- dern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales „Nein“ im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt . Auch dafür hat der der SPD-Par- teikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Vor diesem Hintergrund lehne ich die Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ab und stimme dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD zu . Saskia Esken (SPD): Heute entscheiden wir im Bundestag nicht etwa darüber, ob wir dem Vertragstext des Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) zustim- men oder ihn ablehnen . Der Deutsche Bundestag ent- scheidet heute, ob wir Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Auftrag erteilen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden CETA-Vertragsentwurf in die parlamentarischen Verfahren zu geben . Erst im wei- teren Prozess, im Ratifizierungsverfahren, werden wir Bundestagsabgeordnete über eine mögliche Zustimmung oder Ablehnung zu CETA entscheiden . Ich stimme dem Antrag von CDU/CSU und SPD heute zu . Ich bin davon überzeugt, dass die kritische Öffentlich- keit uns den Weg dazu geöffnet hat, Freihandelsabkom- men als Chance zu nutzen, die Globalisierung im Sinne eines nicht völlig freien, weil fairen und sozialen Handels zu gestalten, und das nicht nur zwischen Handelspartnern auf Augenhöhe, sondern vor allem auch zwischen den Wirtschaftsmächten und der sich entwickelnden Welt . Ich stimme einer weiteren Beratung von CETA zu, weil es der SPD und allen voran Sigmar Gabriel in den bis- herigen Verhandlungen gelungen ist, das Abkommen in wesentlichen Punkten zu verbessern: Ein wichtiges Bei- spiel dafür ist sicher der eingeschlagene Weg zu einem öffentlichen Handelsgerichtshof, der sich zum internati- onalen Standard entwickeln könnte . Ebenso hat die neue Regierung in Kanada in Aussicht gestellt, die Kernar- beitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO anzuerkennen und setzt damit eine wichtige Bedingung für faire Produktions- und Handelsbedingungen um . Die SPD und meine SPD-Bundestagsfraktion haben zu CETA einen intensiven und guten Diskussions- und Abwägungsprozess organisiert, und den führen wir auch weiterhin –offen und transparent . Wir malen nicht ein- fach schwarz oder weiß, wir diskutieren in der Sache, überzeugen mit Argumenten und entwickeln unsere Po- sition im Dialog mit den Menschen weiter . Und dieser wichtige Meinungsbildungsprozess ist nicht abgeschlossen, denn auch der Parteikonvent der SPD hat am Sonntag in Wolfsburg nicht über CETA ab- gestimmt, wie viele schreiben . Wie schon der Konvent im Herbst 2014 und der Bundesparteitag im Dezember 2015 haben die Delegierten für die SPD klare Kriterien fest- gelegt, die wir als Sozialdemokraten an die mögliche Zustimmung zum Freihandelsabkommen und an den nun vor uns liegenden Prozess knüpfen . Klar sollte bei allen Diskussionen sein: Bevor nicht sowohl der endgültige Vertragstext als auch die weiteren Vereinbarungen dazu zur Beschlussfassung im Bundes- tag vorliegen, können weder die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze begründen noch die ande- ren ihre Befürchtungen . Die klaren Bedingungen, die von der SPD definiert und beschlossen wurden, sind am Ende mein Maßstab und werden Maßstab für jeden SPD-Bun- destagsabgeordneten sein; ich zitiere die folgenden vier Punkte aus einer Information meines Abgeordnetenkolle- gen Dr . Matthias Miersch: – „Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Für mich und meine SPD-Bundestagsfraktion gilt die Regel, dass die Wirtschaft den Menschen dient und nicht umgekehrt . Und auch der globalisierte Markt bestimmt seine Regeln nicht selbst, das ist und bleibt Aufgabe der Politik . Die vielen kritischen Stimmen innerhalb und außerhalb der SPD haben unsere Verhandlungsposition gestärkt . Jedes Schreiben an einen Politiker lohnt sich, es lohnt, auf die Straße zu gehen, es lohnt mitzureden . Michael Groß (SPD): Müsste ich heute über das Frei- handelsabkommen „CETA“ abstimmen, würde ich ableh- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618918 (A) (C) (B) (D) nen . Bei der heutigen Abstimmung wird aber nicht über den Vertragstext des Abkommens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), ver .di Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen Briefen wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde und wird viel spekuliert . Be- vor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsver- bindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bun- destag vorliegen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb meine Antwort: Wenn sich alle Hoffnungen der Befürworter durch den Vertrag bestätigen lassen, stimme ich zu . Wenn sich alle Befürchtungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die mich auffordern abzuleh- nen, bestätigen, lehne ich ab . Eine alle Seiten beleucht- ende Entscheidung kann ich nur verantwortlich treffen, wenn die endgültigen Vorlagen den Deutschen Bundes- tag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürch- tung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefällten Urteil stecken bleibt . Aber es gibt auch gute Beispiele: Nachdem Sigmar Gabriel mit der kanadischen Handelsministerin wichtige Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte erreichen konnte, hat Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschafts- bundes den auf dem SPD-Konvent eingeschlagenen Weg unterstützt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihan- delsabkommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkom- men sind, hat die SPD als Partei und die SPD-Bundes- tagfraktion einen tiefen sowie breiten Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . In die- sem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess, wurde der Vertragstext so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kon tra zusammengeführt werden . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen be- schlossen haben . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen für den Zu- sammenhalt unserer Gesellschaft sind . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft gemeint . Unser Ziel ist, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sollen die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und vertieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern ei- nen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies alleine tun würde . Bei solch kraft- vollen Verbindungen gilt es darauf zu achten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schieds- gerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der Öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Ge- sundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würde ich heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Verträge erst dann zu beschließen, wenn sie endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mühelos ak- zeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich … verpflich- ten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsor- ganisation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Interesse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess … unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden .“ müssen, so wäre auch hier noch zu abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Klä- rung auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölke- rung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüße ich sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Umwelt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet blei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18919 (A) (C) (B) (D) ben . Das im europäischen Primärrecht verankerte Vor- sorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klargestellt werden . – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Klar ist, dass wir als Partei auf unserem Konvent nicht, wie viele schreiben, für CETA gestimmt haben . Der Kon- vent hat einen Antrag verabschiedet, der unsere Anfor- derungen an das Abkommen und den vor uns liegenden Prozess beschreibt . Es wurden auf dem Konvent klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für je- den SPD-Abgeordneten sind . Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Ich stimme dem Antrag von CDU/CSU und SPD „Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA): Für freien und fairen Handel“ heute zu, weil er garantiert, dass der Deutsche Bundestag im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschlie- ßend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden wird . Damit ist sichergestellt, dass ich im weiteren Verfahren als Parlamentarier notwendige Änderungen begleiten und bewirken kann . Die heutige Zustimmung ist eben nicht eine Zustimmung zu CETA, sondern eine Zustim- mung zum weiteren Verfahren, welches das Europäische Parlament und die nationalstaatlichen Parlamente mit al- len Rechten einbezieht . Ulrich Hampel (SPD): Müsste ich heute über das Freihandelsabkommen mit Kanada „CETA“ abstimmen, ich würde ablehnen . Aber heute wird nicht über den Ver- tragstext des Abkommens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir Bundeswirt- schaftsminister Gabriel beauftragen, im Handelsminis- terrat der EU-, den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parla- mente zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), vielen ver .di Mitgliedern und an- deren, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprin- zips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsverbindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorliegen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürch- tungen . Deshalb meine stereotype Antwort: Wenn sich alle Hoffnungen der Befürworter durch den Vertrag bestäti- gen lassen, stimme ich zu . Wenn sich alle Befürchtungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die mich auffordern abzulehnen, bestätigen, lehne ich ab . Das entscheide ich endgültig, wenn entscheidungsreife Vorlagen den Bun- destag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefällten Urteil stecken bleibt . Aber es gibt auch gute Beispiele: Nachdem Sigmar Gabriel mit der Kanadischen Handels- ministerin Chrystia Freeland wichtige Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte erreichen konnte, hat Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Ge- werkschaftsbundes (DGB), den auf dem SPD Konvent eingeschlagenen Weg unterstützt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen in- tensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angesto- ßen und organisiert . In diesem von Bundeswirtschaftsmi- nister Gabriel wesentlich getragenen Prozess, wurde der Text so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Lini- en“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandels- abkommen beschlossen haben . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618920 (A) (C) (B) (D) für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft gemeint . Unser Ziel ist, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sollen die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und vertieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern einen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies alleine tun würde . Bei solch kraftvollen Verbindungen gilt es zu darauf zu ach- ten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Die schwächsten Menschen und die schwächsten Staa- ten . Unter diesen Gesichtspunkten ist das Interesse der schwächeren EU-Mitgliedstaaten an CETA gut zu ver- stehen . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essentielle Verbesserungen enthält und das trotz der teils heftigen und vorurteilsbeladenen Kritik der Pro- und Kontrasei- ten, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Han- delsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Gesundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würde ich heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Verträge erst dann zu beschließen, wenn alle für sie einschlägigen rechtsverbindlichen Texte endgültig vor- liegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Ver- handlungspartner mühelos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich … verpflich- ten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsor- ganisation (ILO) zu unternehmen .“, so wäre doch von Interesse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess … unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüße ich sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Umwelt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet blei- ben . Das im europäischen Primärrecht verankerte Vor- sorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klargestellt werden .“ – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung, zitiere ich nach- folgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Han- delsministerrat der EU, den aktuell vorliegenden Ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18921 (A) (C) (B) (D) tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Sebastian Hartmann (SPD): Der Deutsche Bun- destag entscheidet heute nicht über das europäisch-ka- nadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positives Votum im Europäischen Rat den Weg für das weitere Ratifizierungsverfahren im Europäischen Parla- ment und in den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU eröffnen soll . Unter Bezug auf vor allem die Bereiche Investitions- schutz, CETA-Ausschuss, Vorsorgegrundsatz, öffentli- che Daseinsvorsorge und Arbeitnehmerrechte komme ich zu dem Ergebnis, dass ich dem aktuell vorliegenden CETA-Entwurf nicht zustimmen könnte . Aber heute wird nicht über den Vertragstext des Abkommens CETA ab- gestimmt . Als Brücke zwischen CETA-Kritikern und CETA-Befürwortern innerhalb der SPD hat mein Kolle- ge Dr . Matthias Miersch mit einem Papier vorgeschla- gen, durch eine entsprechende Beschlussfassung im Ministerrat das Europäische Parlament in die Lage zu versetzen, das Verfahren unter Beteiligung der nationa- len Parlamente an sich zu ziehen, die Zivilgesellschaft einzubeziehen und in einem transparenten Verfahren mit Kanada ein faires Ergebnis zu verhandeln . Er hat sich ferner gegen die vorläufige Anwendung des Vertrages ausgesprochen . Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden, und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gül- tigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Noch wichtiger ist für mich, dass die Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben beschriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungs- verfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft ermöglicht, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am ver- gangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegen- überstehen, Lösungsansätze in den kontrovers disku- tierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen be- treffen . Auch das sieht die vorliegende Stellungnahme des Bundestages vor . Soweit im Ministerrat diesbezüg- lich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwend- barkeit des Vertrages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen werden müssen . Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfas- sungsbeschwerde problematisiert werden, die bezüglich des Abkommens anhängig ist . Ich bin überzeugt, dass dieser Weg erfolgverspre- chend ist . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mitgliedstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Län- dern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales Nein im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt . Auch dafür hat der der SPD-Par- teikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Abschließend: Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen simulieren Ent- scheidungsfähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesver- band der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen In- dustrie- und Handelskammertag (DIHK), campact (nach- gebildet MoveOn in den USA), vielen ver .di Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . In Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In anderen wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Pri- vatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Be- vor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsver- bindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bun- destag vorliegen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb die stereotype Antwort: Wenn sich alle Hoff- nungen der Befürworter durch den Vertrag bestätigen lassen, stimme ich zu . Wenn sich alle Befürchtungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die mich auffordern abzulehnen, bestätigen, lehne ich ab . Das entscheide ich endgültig, wenn entscheidungsreife Vorlagen den Bun- destag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefällten Urteil stecken bleibt . Aber es gibt auch gute Beispiele: Nachdem Sigmar Gabriel mit der kanadischen Handels- ministerin Chrystia Freeland wichtige Verbesserungen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618922 (A) (C) (B) (D) hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte erreichen konnte, hat Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Ge- werkschaftsbundes (DGB), den auf dem SPD-Konvent eingeschlagenen Weg unterstützt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen in- tensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angesto- ßen und organisiert . In diesem von Bundeswirtschaftsmi- nister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Text so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Lini- en“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandels- abkommen beschlossen haben . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind . Und damit ist nicht nur die deutsche Gesellschaft gemeint . Unser Ziel ist, den Wohlstand aller Menschen global zu fördern, nicht nur in Deutschland – auch in Kanada und in allen europäischen Staaten sollen die Menschen profitieren. Mit Kanada verbindet uns eine jahrelange politische wie auch wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit CETA nun weiter ausgebaut und vertieft werden soll . Wenn Europa als Staatenverbund mit 500 Millionen Einwohnern einen Vertrag verhandelt, kann es viel mehr erreichen, als wenn ein Staat dies alleine tun würde . Bei solch kraftvollen Verbindungen gilt es zu darauf zu ach- ten, dass die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben . Die schwächsten Menschen und die schwächsten Staa- ten . Unter diesen Gesichtspunkten ist das Interesse der schwächeren EU-Mitgliedstaaten an CETA gut zu ver- stehen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Verträge erst dann zu beschließen, wenn alle für sie einschlägi- gen rechtsverbindlichen Texte endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungs- partner mühelos akzeptieren kann . Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Würde heute in der Sache über den derzeit vorliegenden Text des CETA-Freihandelsabkommens mit Kanada abgestimmt, könnte ich nicht zustimmen . Aber heute wird nicht über den Vertragstext des CETA-Abkommens bzw . das Ab- kommen selbst abgestimmt . Über mein Votum zu CETA entscheide ich, wenn entscheidungsreife Vorlagen den Bundestag erreichen . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU, den aktuell vorliegenden CETA-Vertragsentwurf in das parlamentarische Verfahren zu geben, um darüber weitere Verbesserungen zu erreichen . In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu CETA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und Freihandel . In vielen anderen wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprin- zips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext und alle rechtsverbindlichen Ergänzungen zur Beschlussfassung im Bundestag vorliegen, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen wie die anderen ihre Befürch- tungen . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen CETA sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für CETA sind, haben wir als SPD und SPD-Bun- destagsfraktion einen intensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können durchaus selbstbewusst sagen, dass wir es waren, die beim CETA-Abkommen bereits erhebliche Verbesserun- gen erreicht haben: indem es beispielsweise auf Grundla- ge unserer Beschlüsse und auf unsere politische Initiative hin gelungen ist, private Schiedsgerichte in CETA ab- zuschaffen und stattdessen einen öffentlich-rechtlichen Investitionsgerichtshof einzurichten . Kanada hat zudem inzwischen sieben von acht ILO-Kernarbeitsnormen ra- tifiziert und ist auf dem Weg, auch die achte umzusetzen. In der Debatte hat die SPD also einen sachbezogenen Weg gewählt, anstatt sich pauschal auf ein Ja oder Nein festzulegen . Ich bin davon überzeugt, dass die Globali- sierung Regeln braucht, damit sie nicht zu einem Wett- lauf der Standards nach unten führt . Ziel muss es sein, gute Spielregeln festzulegen, die für alle Länder gelten . Als Brücke zwischen CETA-Kritikern und CETA-Be- fürwortern innerhalb der SPD wurde vorgeschlagen, durch eine entsprechende Beschlussfassung im Minister- rat das Europäische Parlament in die Lage zu versetzen, das Verfahren unter Beteiligung der nationalen Parla- mente an sich zu ziehen, die Zivilgesellschaft einzube- ziehen und in einem transparenten Verfahren mit Kanada ein faires Ergebnis zu verhandeln . Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gül- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18923 (A) (C) (B) (D) tigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Noch wichtiger ist für mich, dass die Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben beschriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungs- verfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft ermöglicht, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am ver- gangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegen- überstehen, Lösungsansätze in den kontrovers disku- tierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen be- treffen . Auch das sieht die vorliegende Stellungnahme des Bundestages vor . Soweit im Ministerrat diesbezüg- lich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwend- barkeit des Vertrages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen werden müssen . Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfas- sungsbeschwerde problematisiert werden, die bezüglich des Abkommens anhängig ist . Ich hoffe, dass über diesen Weg noch in rechtsver- bindlicher und belastbarer Form die notwendigen Ergän- zungen des Vertragstextes oder etwaiger Zusatzverein- barungen erreicht werden können . Daher werde ich dem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zustim- men, um entsprechende Versuche hierzu nicht von vorn- herein auszuschließen . Den Anträgen von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die das Ergebnis solcher Verhandlungen vorwegnehmen, werde ich daher nicht zustimmen . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mit- gliedstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Ländern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pau- schales Nein im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob sie/er dem Abkom- men zustimmt . Auch dafür hat der SPD-Parteikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Frank Junge (SPD): Heute wird darüber entschie- den, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU, den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfah- ren, in die Parlamente zu geben . Die Anträge der Frakti- on Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen suggerieren, dass man sich bereits heute vollumfänglich entscheiden könne, ohne sämtliche Details überhaupt zu kennen. Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Indus- trie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskam- mertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), ver .di Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Welt- untergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD Fraktion einen tiefen Diskus- sions- und Abwägungsprozess angestoßen und organi- siert . In diesem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Vertragstext in seinen rechtlichen, sozialen und kulturellen Zielen so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Wer diese Ver- änderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft dienen . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen beschlossen haben . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung zitiere ich nach- folgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618924 (A) (C) (B) (D) Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Cansel Kiziltepe (SPD): Der Beschluss des SPD-Konvents vom 19 . September 2016 enthält eine inhaltlich gute Bewertung des vorliegenden CETA Ver- tragsentwurfs . Dieser Beschluss zeigt deutlich, dass wir in der augenblicklichen Fassung von CETA weit vom vermeintlichen „Goldstandard“ entfernt sind, sogar tat- sächlich wichtige „rote Linien“ reißen . Verursacher ist dabei oftmals nicht die neue kanadische Regierung, son- dern die zuständige neoliberal agierende Generaldirekti- on Handel der EU-Kommission . Die bisherige Haltung in den Gesprächen und Anhörungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kommission hat gezeigt, dass dort die notwendige Problemwahrnehmung für die kritischen Punkte im Abkommen so gut wie nicht vorhanden ist . Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen ist keine Zustimmung zu CETA in der vorliegenden Fas- sung . Trotzdem kann ich diesem Antrag nicht zustim- men, da ich das Verfahren, erst im Ministerrat zuzustim- men und danach Verbesserungen erreichen zu wollen, für nicht zielführend halte . Die Forderung, entweder unsere Verbesserungen in das Abkommen zu verhandeln oder als einzige Alterna- tive eine Außerkraftsetzung, wird dann auch gegenüber unseren europäischen Partnern schwerer zu vermitteln sein als jetzt, vor der Unterzeichnung des Vertrages . Neben den Bedenken zum Verfahren habe ich auch inhaltliche Bedenken . Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet zu den ILO- Kern arbeitsnormen die Formulierung des SPD Konvents nicht übernommen wurde . Weiterhin fehlt eine wesentliche Formulierung zur Einschränkung der neuen Gerichtsbarkeit im Verhältnis inländische und ausländische Investoren und Bürger . Das Klimaschutzabkommen von Paris wird ebenfalls nicht thematisiert . Die folgenden Formulierungen aus dem Konventsbe- schluss in den Antrag wären für mich hier zwingend für eine Zustimmung gewesen: 1 . „Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden .“ 2 . „Anders als im Prozess der WTO ist es der Staatenge- meinschaft gelungen, im Jahr 2015 gemeinsam globa- le Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Klimaschutz- abkommen zu beschließen . Unter Bezugnahme auf Artikel 24 .4 (Kapitel Handel und Umwelt) ist durch die Vertragsparteien zu betonen, dass diese Abkom- men von großem Wert sind und das CETA-Abkommen und die darin beschriebene Handels- und Wirtschafts- politik sich an diesen Zielen orientiert .“ 3 . „Im Rahmen des Beratungsprozesses ist ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu entwickeln . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert werden . Der soziale Dialog ist effektiv auszugestalten, sodass das Verfahren zur Durchsetzung von Standards wirkungsvoll genug ist und durch Sanktionsmöglich- keiten ergänzt wird .“ Insgesamt weiß ich aber auch zu schätzen, was die SPD-Fraktionsführung hier mit der Union erreicht hat . Ich begrüße ausdrücklich, dass in der Stellungnahme deutlich zum Ausdruck kommt, dass der Deutsche Bun- destag erst im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden wird, je nach- dem, ob unsere geforderten Änderungen nach unserer Einschätzung umgesetzt wurden oder nicht . Den Anträgen von Linken und Grünen stimme ich in- haltlich aus den eingangs skizzierten Erwägungen zum weiteren Verfahren in ihrem Forderungsteil zu, näm- lich CETA jetzt nicht im Ministerrat zu unterzeichnen . Allerdings kann ich den inhaltlichen Begründungen bei beiden Anträgen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen . So werden in der Stellungnahme der Grünen zu CETA die Arbeitnehmerrechte bzw . ILO-Kernarbeits- normen gar nicht erwähnt, und bei den Linken finden sich etliche falsche Behauptungen im Begründungsteil . Im Ergebnis meiner Abwägung werde ich daher bei allen drei Anträgen mit Nein votieren . Daniela Kolbe (SPD): Müsste ich heute über das Freihandelsabkommen mit Kanada „CETA“ abstimmen, ich würde ablehnen . Aber heute wird nicht über den Ver- tragstext des Abkommens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundes- wirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/ Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), manchen ver .di-Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jah- ren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18925 (A) (C) (B) (D) Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprin- zips . Es wurde und wird viel spekuliert . Als frei gewählte Abgeordnete sage ich: Ich entscheide endgültig, wenn entscheidungsreife Vorlagen den Bundestag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt, wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefäll- ten Urteil stecken bleibt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihan- delsabkommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsab- kommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen intensiven Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . In diesem von Bundeswirt- schaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Vertragstext in seinen rechtlichen, sozialen und kulturellen Zielen so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Wer diese Veränderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen für den Zusammen- halt unserer Gesellschaft sind . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen be- schlossen haben . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schieds- gerichtsbarkeit– , auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Ge- sundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würde ich heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Vertragstexte erst dann zu beschlie- ßen, wenn sie endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mühelos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und sich verpflichten, An- strengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kern- arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Interesse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . Oder wenn „Im weiteren Prozess … unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch zu abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung stößt . Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Li- beralisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Da- seinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüße ich sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Vertragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfällige Interpreta- tionen zu vermeiden . Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Umwelt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet bleiben . Das im europäischen Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständ- lich klargestellt werden .“ Mit der Formulierung „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindliche Klärungen der noch offenen Fragen herbeizuführen, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärungen“ nicht ein- fach in das Vertragswerk CETA eingearbeitet werden . Die Übersichtlichkeit und Bürgerfreundlichkeit des ohnehin schon komplexen und langen Vertragstextes wird durch weitere Regelungen und Vereinbarungen au- ßerhalb des Vertrags weiter gemindert . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung zitiere ich nach- folgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618926 (A) (C) (B) (D) Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ – Druck- sache 18/9663 – in der letzten Feststellung des Bun- destages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschlie- ßend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Dem kann ich guten Gewis- sens zustimmen . Hiltrud Lotze (SPD): Würde heute in der Sache über den derzeit vorliegenden Text von CETA abgestimmt, könnte ich nicht zustimmen . Ich spreche mich aber dafür aus, im parlamentarischen Verfahren den vorliegenden Vertragstext durch Zusatz- vereinbarungen zu ergänzen . Nur so können wir den Vertragstext in unserem Sinne beeinflussen. Dem heute vorliegenden Antrag von CDU/ CSU und SPD werde ich daher zustimmen, um entspre- chende Versuche möglich zu machen . Den Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke, die das Ergebnis solcher Verhandlungen vorwegnehmen, werde ich daher nicht zustimmen . Dr. Matthias Miersch (SPD): Der Deutsche Bun- destag entscheidet heute nicht über das europäisch-ka- nadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positives Votum im Europäischen Rat den Weg das wei- tere Ratifizierungsverfahren im Europäischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU er- öffnen soll . Im August habe ich eine Bewertung verfasst, in der ich aufzeige, an welchen Stellen der aktuelle Entwurf von CETA mit der Beschlusslage der SPD nach meiner Über- zeugung nicht übereinstimmt . Ich habe mich vor allem auf die Bereiche Investitionsschutz, CETA-Ausschuss, Vorsorgegrundsatz, öffentliche Daseinsvorsorge und Ar- beitnehmerrechte bezogen und komme zu dem Ergebnis, dass ich dem aktuell vorliegenden CETA-Entwurf nicht zustimmen könnte . Als Brücke zwischen CETA-Kritikern und CETA-Be- fürwortern innerhalb der SPD habe ich in diesem Papier vorgeschlagen, durch eine entsprechende Beschlussfas- sung im Ministerrat das Europäische Parlament in die Lage zu versetzen, das Verfahren unter Beteiligung der nationalen Parlamente an sich zu ziehen, die Zivilgesell- schaft einzubeziehen und in einem transparenten Verfah- ren mit Kanada ein faires Ergebnis zu verhandeln . Ich habe mich ferner gegen die vorläufige Anwendung des Vertrages ausgesprochen . Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden, und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gül- tigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Noch wichtiger ist für mich, dass die Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben beschriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungs- verfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft ermöglicht, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am ver- gangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegen- überstehen, Lösungsansätze in den kontrovers disku- tierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen be- treffen . Auch das sieht die vorliegende Stellungnahme des Bundestages vor . Soweit im Ministerrat diesbezüg- lich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwend- barkeit des Vertrages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen werden müssen . Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfas- sungsbeschwerde problematisiert werden, die bezüglich des Abkommens anhängig ist . Ich bin überzeugt, dass dieser Weg erfolgverspre- chend ist . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mitgliedstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Län- dern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales Nein im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt . Auch dafür hat der der SPD-Par- teikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Ulli Nissen (SPD): Die von Die Linke und von Bünd- nis 90/Die Grünen vorgelegten Anträge vermitteln den Eindruck, heute würde im Deutschen Bundestag über CETA entschieden . Das ist nicht der Fall . Heute ent- scheiden wir im Deutschen Bundestag darüber, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf zu CETA in die parlamen- tarischen Verfahren zu geben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18927 (A) (C) (B) (D) Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, CETA als gemischtes Abkommen abzuschließen . Das heißt, dass nicht alle Teile des Abkommens in die gemeinsame Han- delspolitik der EU fallen, sondern in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten verbleiben . Damit wird es nach der Unterzeichnung von CETA im Rat einen umfassen- den Ratifikationsprozess sowohl auf Ebene des Rates und des Europäischen Parlaments als auch der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten geben . Alle notwendigen Dokumente und Informationen müssen transparent ge- macht werden . Die SPD hat auf ihren Parteitagen mehrmals die roten Linien für die Freihandelsabkommen gezogen . Eine da- von war die Garantie, dass das demokratische Recht, Re- gelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaf- fen, nicht gefährdet wird . Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, dürfe auch nicht durch die Schaffung eines Regulierungsrates erschwert werden, heißt es im Beschluss des SPD-Bun- desparteitages . Mit dem CETA Abkommen sollen nun eine Vielzahl von Sondergremien geschaffen werden, deren Zusam- mensetzung höchst fraglich ist . Zusätzlich sollen gesetz- geberische Aktivitäten stets rechtzeitig vorher mit diesen Gremien zurückgekoppelt werden . Damit wird die Ver- abschiedung neuer Gesetze zum Beispiel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich erschwert . Das schränkt die Souveränität der nationalen Parla- mente ein . Deshalb lehne ich CETA in der jetzt vorlie- genden Fassung ab . Das ist nur eine der roten Linien, die ich für überschritten halte . Um es klar zu sagen: Würde heute CETA im Parlament abgestimmt, würde ich mit Nein stimmen . Wir stimmen aber heute darüber ab, ob wir CETA in die parlamentari- schen Verfahren geben . Nur hier kann es Nachverhand- lungen und Veränderungen an CETA geben . Die Ergeb- nisse werde ich prüfen, wenn CETA zur Abstimmung im Deutschen Bundestag vorliegt . Sind die roten Linien nach wie vor überschritten, werde ich mit Nein stimmen . Ich werde mich bei der heutigen Abstimmung bei al- len vorgelegten Anträgen enthalten . Bei den Oppositi- onsanträgen, weil es heute nicht um die Verabschiedung von CETA im Deutschen Bundestag geht . Beim Antrag von CDU/CSU und SPD, weil ich keine positive Vorab- festlegung mittragen will . Ich lasse mir den Weg für ein späteres Nein im Deutschen Bundestag offen . Dr. Sascha Raabe (SPD): Ich setze mich seit 2002 als Berichterstatter meiner Fraktion im Entwicklungsaus- schuss für weltweit faire und gerechte Handelsbedingun- gen ein . Ich bin davon überzeugt, dass nur ein fairer statt freier Handel Hunger und Armut und damit auch Flucht- ursachen überwinden kann . Fairer statt freier Handel be- deutet, dass Handel nicht frei von menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Kriterien sein darf, sondern nur Waren gehandelt werden, bei deren Produktion fai- re Bedingungen für Mensch und Umwelt gegeben sind . Denn nur so kann verhindert werden, dass Unternehmen und Konzerne sich ihre Standorte weltweit danach aussu- chen, wo sie Mensch und Umwelt am meisten ausbeuten können . Je fairer die Wettbewerbsbedingungen weltweit sind, desto besser ist dies nicht zuletzt auch für deutsche Arbeitsplätze und hiesige Löhne . Entscheidend ist es deshalb, in allen Handelsverträ- gen der Europäischen Union verbindliche menschen- rechtliche, ökologische und soziale Kriterien wie die acht ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Beschwer- de-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen zu ver- einbaren . Das ist im Grundsatz so im Koalitionsvertrag festgelegt und explizite Beschlusslage der SPD-Bundes- tagsfraktion . Von daher messe ich den Handelsvertrag mit Kanada (CETA) besonders an diesen Kriterien . Auf andere Aspekte vom Verbraucherschutz, Vorsorgeprinzip bis zur öffentlichen Daseinsvorsorge, die mir ebenfalls wichtig sind, gehe ich in der Begründung für mein Ab- stimmungsverhalten hier nicht ein . Ich verweise hierzu auf die inhaltlichen Forderungen des SPD-Parteikon- ventsbeschlusses vom 19 . September . Ich teile ausdrück- lich die dort formulierten Anforderungen, die noch in CETA verbessert werden müssen . Andernfalls könnte ich im Ratifikationsprozess später im Bundestag nicht zustimmen, sondern ich würde CETA definitiv ablehnen. In der heutigen Abstimmung geht es für den Deutschen Bundestag aber nicht darum, für oder gegen CETA abzu- stimmen, weil sich diese Entscheidung erst bei der Rati- fizierung für uns stellt. Heute geht es in den Anträgen von SPD/CDU/CSU, Grünen und Linken um eine Stellungnahme des Deut- schen Bundestages nach Artikel 23 GG . Hier können wir der Bundesregierung unsere Empfehlungen mit auf den Weg geben für ihr Handeln auf EU-Ebene . Konkret geht es heute darum, welche Empfehlung der Bundestag der Bundesregierung hinsichtlich der Frage gibt, ob und unter welchen Bedingungen die Bundesregierung im Europäi- schen Rat CETA in der jetzigen Form unterzeichnen soll . Erst nach Unterzeichnung im Europäischen Rat und nach positiver Beschlussfassung durch das Europäische Par- lament (EP) käme CETA zur Ratifizierung in den Deut- schen Bundestag . Dann hätte der Bundestag das letzte Wort, ob er den dann endgültig vorliegenden Vertragstext ratifiziert oder nicht. Falls der Deutsche Bundestag dann nicht ratifiziert, würde der gesamte Vertrag dann wieder außer Kraft gesetzt werden . Allerdings würde CETA so lange großteils – zum Beispiel zollfreier Warenhandel – vorläufig in Kraft bleiben, bis es eine Mehrheit im Bun- destag, – oder einem anderen EU-Mitgliedstaat – für eine Nichtratifizierung gibt. Gemessen an den oben genannten Kriterien, inwie- weit CETA ökologische und soziale Kriterien wie die ILO-Kernarbeitsnormen verbindlich berücksichtigt, ist der vorliegende Vertragstext für mich und auch laut Parteikonventsbeschluss für meine Partei nicht zustim- mungsfähig . Zwar ist es erfreulich, dass Kanada auf unseren Druck hin nun auch die letzten beiden fehlen- den ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert hat bzw. die letz- te noch ausstehende Norm ratifizieren will. Allerdings haben insbesondere die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer auch alle acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Das Problem liegt dort nicht in der formalen Ratifizierung, sondern in der fehlenden oder mangelhaf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618928 (A) (C) (B) (D) ten Umsetzung . Deshalb ist es so entscheidend, konkrete Beschwerde-, Überprüfung- und Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung von Umwelt- und Arbeitnehmer- schutzbestimmungen zu verankern . Und wenn CETA als „Goldstandard“ und Vorbild nachträglich bisherige Abkommen und künftige Abkommen verbessern soll, dann muss hierauf im Blick auf die laufenden Verhand- lungen bzw. Ratifizierungsprozessse mit beispielsweise Vietnam, Indien und den afrikanischen Staaten im Rah- men der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen besonders geachtet werden . Denn nur so können in diesen Ländern Kinderarbeit unterbunden und umweltgerechte und men- schenwürdige Arbeits- und Produktionsbedingungen durchgesetzt werden . Diesen Mangel am vorliegenden Vertragstext zu CETA hat auch der SPD-Parteikonventsbeschluss er- kannt und fordert deshalb ebenso wie die gemeinsame Stellungnahme der Regierungsfraktionen nach Artikel 23 Nachbesserungen . Die Formulierungen im SPD-Par- teikonventsbeschluss, in dem konkret die Ergänzung des CETA-Vertrages um Sanktionsmöglichkeiten im Nach- haltigkeitskapitel gefordert wird, sind hierzu ausdrück- lich zu begrüßen . Die Formulierung im gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen ist hierzu leider auf- grund des Widerstandes der Union etwas abgeschwächt und interpretationsbedürftig . Anstelle der im Parteikonventsbeschluss genann- ten konkreten Forderung nach einem Sanktionsmecha- nismus heißt es nun lediglich, dass „das Verfahren zur Durchsetzung von Arbeits-Sozial- und Umweltstandards wirkungsvoll sein muss“ . Das ist problematisch, da die EU-Kommission in den bisherigen Handelsverträgen einschl . CETA das dort jeweils vereinbarte „Dialogver- fahren“ zur Konfliktlösung bereits als „wirkungsvoll“ ansieht . Ich möchte für mich und die SPD-Fraktion klar- stellen, dass „wirkungsvoll“ für uns die Ergänzung durch Sanktionsmöglichkeiten bedeutet . In diesem Sinne kann ich die inhaltlichen Anforde- rungen, die in dem gemeinsamen Antrag der Regie- rungsfraktionen analog zum Parteikonventsbeschluss als Voraussetzung für eine spätere Zustimmung im Ratifizie- rungsverfahren durch den Deutschen Bundestag genannt werden, nur voll unterstützen . Unserem Antrag kann ich allerdings aus einem ande- rem Grund nicht zustimmen: Ich halte das Verfahren – das so leider auch im Parteikonventsbeschluss steht – zunächst im Rat der Bundesregierung Zustimmung zur Unterzeichnung des CETA-Vertragstextes zu empfehlen und erst danach Verbesserungen bis zur Ratifikation durch den Bundestag erreichen zu wollen, für nicht ausreichend erfolgsversprechend . Zum einen ist es sehr fraglich, dass sich im Europäischen Parlament Mehrheiten für alle von uns als notwendig erachteten Verbesserungen finden wer- den . Wobei das Europäische Parlament diese Verbesse- rungen sowieso nicht direkt beschließen könnte, sondern nur über die Drohung der Nichtratifizierung durch das EP die Verhandlungspartner zu Nachbesserungen zwingen könnte . Wenn das EP die von uns geforderten Verbesse- rungen nicht durchsetzt und den Vertrag ratifiziert, könn- ten wir zwar wie oben ausgeführt als Deutscher Bun- destag sofort anschließend ebenfalls durch die Drohung der Nichtratifizierung versuchen, Nachverhandlungen zu erzwingen oder den Vertrag eben insgesamt wieder außer Kraft setzen . Allerdings wäre auch hierfür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag erforderlich . Diese wird sowohl für die Ratifizierung als auch für die Nicht-Ratifizierung benötigt . Wenn für beide Fälle keine Mehrheit zustan- de käme, bliebe CETA nach Ratifizierung durch das EP auf unbestimmte Zeit in großen Teilen vorläufig in Kraft bis entweder alle Mitgliedsstaaten ratifizieren oder ein Mitgliedstaat ausdrücklich nicht ratifiziert. Es könnte also passieren, dass die Wirtschaft viele Jahre lang be- reits mit Beginn der vorläufigen Anwendung vom Ge- winn des zollfreien Handels profitieren würde, aber die im Gegenzug von uns geforderten Verbesserungen und Garantien beim Schutz von Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz vertraglich nicht abgesichert wären . Und ob es dann nach vielen Jahren realistisch durchsetzbar und unseren europäischen und kanadischen Partnern zu vermitteln wäre, den Vertrag insgesamt wieder komplett außer Kraft zu setzen, halte ich für äußerst fraglich . Des- halb wäre es sinnvoller, jetzt der Bundesregierung zu empfehlen, so lange im Rat den Vertragstext nicht zu unterzeichnen, bis die von uns richtigerweise genannten inhaltlichen Verbesserungen erfolgt sind . Da ich im Antrag der Regierungsfraktionen das vor- geschlagene Verfahren nicht mittragen kann, werde ich dem Antrag nicht zustimmen . Ich werde ihn aber auch nicht ablehnen, weil ich die inhaltlichen Punkte, die als Nachbesserungen gefordert werden und zu deren Durch- setzung und Klarstellung die Bundesregierung auf euro- päischer Ebene in dem Antrag aufgefordert wird, analog des Parteikonventsbeschlusses ausdrücklich unterstütze . Deshalb werde ich mich im Ergebnis bei diesem Antrag enthalten . Ich werde mich auch bei den Anträgen von Linken und Grünen enthalten, aber mit fast genau umgekehrter Begründung . Den Anträgen von Linken und Grünen stimme ich aus den genannten Erwägungen zum weiteren Verfahren in ihrem Forderungsteil insoweit hinsichtlich der Emp- fehlung zu, CETA jetzt noch nicht im Ministerrat zu unterzeichnen . Allerdings kann ich den inhaltlichen Be- gründungen bei beiden Anträgen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen . So werden in der Stellung- nahme der Grünen zu CETA die ILO-Kernarbeitsnormen und entsprechende Durchsetzungs- und Sanktionsmög- lichkeiten gar nicht erwähnt, und bei den Linken finden sich einfach etliche falsche Behauptungen im Begrün- dungsteil ihrer Stellungnahme . Unter dem Strich ergibt sich deshalb für mich eine Enthaltung bei allen Anträgen . Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsmi- nister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die par- lamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18929 (A) (C) (B) (D) der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), campact und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . In vielen Briefen wurde ich um Zustimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachstum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen, häufig genug einfach kopierten Briefen, wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsgerichtsbarkeit, Pri- vatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsor- ge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Doch bevor nicht der endgültige Vertragstext mit sei- nen rechtsförmlich wesentlichen Ergänzungen zur Be- schlussfassung im Bundestag vorliegt, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen, wie die anderen ihre Befürchtungen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefäll- ten Urteil stecken bleibt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD Fraktion einen tiefen Diskus- sions- und Abwägungsprozess angestoßen und organi- siert . In diesem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess wurde der Vertragstext in seinen rechtlichen, sozialen und kulturellen Zielen so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Wer diese Ver- änderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft dienen . Dazu gab es einen großen SPD-Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktuellen Freihandelsabkommen beschlossen haben . Aber selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungs- ergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes –statt Schieds- gerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Ge- sundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würde ich heute noch nicht zustimmen können . Die Erfahrung lehrt, dass es klug ist, Vertragstexte erst dann zu beschlie- ßen, wenn sie endgültig vorliegen . Heute wird zunächst darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsmi- nisterrat der EU, den aktuell vorliegenden Vertragsent- wurf CETA in die parlamentarischen Verfahren zu geben . Deshalb stimme ich dem heutigen Koalitionsantrag zu . Damit bleibt es dabei: Der Deutsche Bundestag wird erst im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungs- verfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden können . Dr. Nina Scheer (SPD): Der Deutsche Bundestag entscheidet heute nicht über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positives Votum im Europäischen Rat den Weg das weitere Ra- tifizierungsverfahren im Europäischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten der EU eröffnen soll . Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gül- tigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Die Stellungnahme der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ermöglicht den oben beschriebenen Weg eines aus- führlichen Anhörungsverfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am vergangenen Montag gefordert hat . Europa hat da- mit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem inten- siven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegenüberstehen, Lösungsansätze in den kontrovers dis- kutierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen be- treffen . Insofern stimme ich mit Ja zum Antrag von CDU/CSU und SPD und mit Nein zum den Oppositionsanträgen Udo Schiefner (SPD): Heute wird nicht über den Vertragstext des CETA-Abkommens abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschafts- minister beauftragen, im Handelsministerrat der EU, den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parla- mentarischen Verfahren zu geben . Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wollen mit ihren Anträgen heute etwas ableh- nen, dessen Details sie gar nicht kennen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundes- verband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), ver .di Mitglie- dern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen dass der Weltuntergang droht, wenn Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618930 (A) (C) (B) (D) CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen Freihandelsabkom- men sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Bundestagsfraktion einen tiefgreifenden Diskussions- und Abwägungsprozess angestoßen und organisiert . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, über Ver- tragstexte erst dann zu befinden, wenn sie vorliegen. Die SPD hat auf ihrem Konvent Anfang dieser Woche nicht für CETA gestimmt, sondern unsere Anforderungen an das Abkommen definiert und den nun vor uns liegenden Prozess beschrieben . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sein sollten. Wenn unsere Forderungen im finalen Ver- tragstext nicht Rechnung getragen wird, werde ich CETA nicht zustimmen . Dem heutigen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA): Für freien und fairen Handel“ werde ich zustimmen, denn mit ihm wird klar festgelegt: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozes- ses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Ursula Schulte (SPD): Heute wird darüber entschie- den, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfah- ren, in die Parlamente, zu geben . Die Anträge der Fraktion Die Linke und der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen simulieren Entscheidungs- fähigkeit im Nichtwissen . Damit machen sie sich in der Urteilsfindung gemein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), campact (nachgebildet MoveOn in den USA), ver .di Mitgliedern und anderen, die schon seit Monaten, einige schon seit Jahren, wissen, dass der Weltuntergang droht, wenn CETA nicht kommt, so die einen, wenn CETA kommt, so die anderen . Ein Blick zurück: In vielen Briefen wurde ich um Zu- stimmung zu TTIP, CETA und TiSA gebeten – für Wachs- tum, Arbeitsplätze und weil Freihandel einfach gut ist . In vielen anderen, häufig genug einfach kopierten Briefen, wurde ich um Ablehnung gebeten – gegen Schiedsge- richtsbarkeit, Privatisierung der Kultur, Gefährdung der Daseinsvorsorge und des Vorsorgeprinzips . Es wurde viel spekuliert . Bevor nicht der endgültige Vertragstext mit seinen rechtsförmlich wesentlichen Ergänzungen zur Be- schlussfassung im Bundestag vorliegt, können die einen ihre Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze ebenso wenig begründen, wie die anderen ihre Befürchtungen . Deshalb meine stereotype Antwort: Wenn sich mög- lichst viele Hoffnungen der Befürworter durch den Ver- tragstext bestätigen lassen, stimme ich zu . Wenn sich alle Befürchtungen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die mich auffordern, abzulehnen, bestätigen, lehne ich ab . Das entscheide ich endgültig, wenn entscheidungsreife Vorlagen den Bundestag erreichen . Über die Jahre haben sich die einen so sehr an ihre Hoffnung gewöhnt wie die anderen an ihre Befürchtung, dass riesige Veränderungen in den Vertragstexten, ja selbst jene, die Ergebnis des eigenen Erfolgs sind, kaum wahrgenommen werden und man fest im einmal gefäll- ten Urteil stecken bleibt . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD Fraktion einen tiefen Diskus- sions- und Abwägungsprozess angestoßen und organi- siert . In diesem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesentlich getragenen Prozess, wurde der Vertragstext in seinen rechtlichen, sozialen und kulturellen Zielen so verändert, dass die Kritiker der Ursprungstexte in Pro und Kontra zusammengeführt werden . Wer diese Ver- änderungen wahrnimmt, erkennt, wie wesentlich diese Änderungen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft dienen . Dazu gab es einen großen SPD Konvent, auf dem wir die „roten Linien“ für eine Zustimmung zu den aktu- ellen Freihandelsabkommen beschlossen haben . Ich freue mich, dass das nun vorliegende Verhand- lungsergebnis gegenüber den früheren Fassungen es- senzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Ein- führung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Vertragstexte erst dann zu beschließen, wenn sie endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mühelos akzeptieren kann . Dies gilt umso mehr, als sich in dem Antrag der Ko- alitionsfraktionen noch einige Formulierungen finden, deren Wirkmächtigkeit sich erst erkennen lässt, wenn die dazugehörenden Parlamentsentscheidungen getroffen sein werden: – Wenn sich etwa „… Vertragsparteien zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bekennen und … verpflichten, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorgani- sation (ILO) zu unternehmen“, so wäre doch von Inte- resse, ob die Anstrengungen Erfolg haben werden oder nicht . – Oder wenn „Im weiteren Prozess … unbestimmte Rechtsbegriffe geklärt werden“ müssen, so wäre auch hier noch zu verstehen, ob das gemeinsame Verständ- nis dieser Klärung auf breite Zustimmung in der deut- schen Bevölkerung stößt . – Die Formulierung „Spielräume von Kommunen zur Organisation der Daseinsvorsorge dürfen nicht einge- schränkt und auch künftig nicht angetastet werden . Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf“ begrüße ich sehr . Gleichwohl sollte diese Sicherstellung im Ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18931 (A) (C) (B) (D) tragswerk rechtlich fixiert sein, um später streitanfäl- lige Interpretationen zu vermeiden . – Auch folgende Formulierung hinterlässt einen Rest- zweifel, ob die Unantastbarkeit des Vorsorgeprinzips nicht unmissverständlich klargestellt sei: „Hohe Um- welt- und Verbraucherstandards müssen gewährleistet bleiben . Das im europäischen Primärrecht veranker- te Vorsorgeprinzip bleibt von CETA unberührt . Dies muss unmissverständlich klar gestellt werden . – Mit der Formulierung: „Der Deutsche Bundestag be- grüßt die Bereitschaft der kanadischen Regierung, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindli- che Klärungen der noch offenen Fragen herbeizufüh- ren, und setzt sich gleichfalls hierfür ein“ ergibt sich die offene Frage, warum „rechtsverbindliche Klärun- gen“ nicht einfach in das Vertragswerk CETA eingear- beitet werden . Die Übersichtlichkeit und Bürgerfreundlichkeit des ohnehin schon komplexen und langen Vertragstextes wird durch weitere Regelungen und Vereinbarungen au- ßerhalb des Vertrags weiter gemindert . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung zitiere ich nach- folgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Wie oben gesagt: Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschaftsminister beauftragen, im Han- delsministerrat der EU, den aktuell vorliegenden Ver- tragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren, in die Parlamente zu geben . Svenja Stadler (SPD): Der Deutsche Bundestag entscheidet heute nicht über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positi- ves Votum im Europäischen Rat den Weg für das weitere Ratifizierungsverfahren im Europäischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU eröffnen soll . Im August habe ich eine Bewertung verfasst, in der ich aufzeige, an welchen Stellen der aktuelle Entwurf von CETA mit der Beschlusslage der SPD nach meiner Über- zeugung nicht übereinstimmt . Ich habe mich vor allem auf die Bereiche Investitionsschutz, CETA-Ausschuss, Vorsorgegrundsatz, öffentliche Daseinsvorsorge und Ar- beitnehmerrechte bezogen und komme zu dem Ergebnis, dass ich dem aktuell vorliegenden CETA-Entwurf nicht zustimmen könnte . Als Brücke zwischen CETA-Kritikern und CETA-Be- fürwortern innerhalb der SPD habe ich in diesem Papier vorgeschlagen, durch eine entsprechende Beschlussfas- sung im Ministerrat das Europäische Parlament in die Lage zu versetzen, das Verfahren unter Beteiligung der nationalen Parlamente an sich zu ziehen, die Zivilgesell- schaft einzubeziehen und in einem transparenten Verfah- ren mit Kanada ein faires Ergebnis zu verhandeln . Ich habe mich ferner gegen die vorläufige Anwendung des Vertrages ausgesprochen . Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden, und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gültigkeit dieses Kapitels wäre somit nur mög- lich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Noch wichtiger ist für mich, dass die Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben be- schriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungsverfah- rens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618932 (A) (C) (B) (D) Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft ermöglicht, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am vergangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog ge- rade mit denjenigen, die CETA kritisch gegenüberstehen, Lösungsansätze in den kontrovers diskutierten Themen- feldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen betreffen . Auch das sieht die vorliegende Stellungnahme des Bundes- tages vor . Soweit im Ministerrat diesbezüglich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellung- nahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwendbarkeit des Ver- trages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlos- sen werden müssen . Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfassungsbe- schwerde problematisiert werden, die bezüglich des Ab- kommens anhängig ist . Ich bin überzeugt, dass dieser Weg erfolgverspre- chend ist . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Län- dern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales Nein im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt . Auch dafür hat der der SPD-Par- teikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Sonja Steffen (SPD): Wenn heute über CETA in der jetzigen Fassung abgestimmt werden würde, wäre es für mich eine klare Entscheidung, dagegen zu stimmen . Aber heute wird genau darüber nicht abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschafts- minister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parla- mentarischen Verfahren in die Parlamente zu geben . Wie beim SPD-Parteikovent am 19 . September 2016 beschlossen, wird die Bundesregierung aufgefordert, im Handelsministerrat auf eine parlamentarische Beteili- gung hinzuwirken und sicherzustellen, dass die im Kon- vent beschlossenen Grundsätze eingehalten werden . Wie auch viele Bürgerinnen und Bürger habe ich große Bedenken bei den jetzigen Formulierungen und werde keinem Handelsvertrag zustimmen, der deutsche Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards aushebelt oder aufweicht . Selbst wenn das nun vorliegende Verhandlungser- gebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen, insbesondere die Einführung eines öf- fentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schiedsgerichts- barkeit –, enthält und Bereiche der öffentlichen Daseins- vorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Gesundheit, nun speziellen Schutzregeln unterliegen, würde ich heute noch nicht zustimmen . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Vertragstexte erst dann zu beschließen, wenn sie endgültig vorliegen . Ein Grundsatz, den jeder faire Vertrags- bzw . Verhandlungspartner mühelos akzeptieren kann . Mit Blick auf die irritierenden Pressemeldungen un- mittelbar vor der heutigen Entscheidung, zitiere ich nach- folgend aus einer Information meines Kollegen Matthias Miersch: „Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA ge- stimmt, wie viele schreiben . Sie hat einen Antrag verab- schiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt . Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind . Wenn unse- re Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen: – Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Artikel 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Falls ich im Rahmen der Parlamentsbeteiligung die Gefahr sehe, dass die Grundsätze der Sozialdemokratie gefährdet sind, werde ich, und mit mir auch viele ande- re Abgeordnete aus allen Fraktionen, gegen das Gesetz stimmen . Dr. Karin Thissen (SPD): Der Deutsche Bundestag entscheidet heute nicht über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, sondern nimmt Stellung zu der Frage, ob die Bundesregierung durch ein positi- ves Votum im Europäischen Rat den Weg das weitere Ratifizierungsverfahren im Europäischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU eröffnen soll . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18933 (A) (C) (B) (D) Die nun vorliegende Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ermöglicht diesen Weg . Er er- kennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungspro- zesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an, die maßgeblich durch Bun- deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erreicht worden sind . Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglich- keit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs auf und mahnt entsprechende rechtsverbindli- che Änderungen an . Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Ab- kommens vorläufig anzuwenden, und fordert in diesem Zusammenhang unter anderem das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gül- tigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen . Noch wichtiger ist für mich, dass die Stellungnahme der Fraktionen von SPD und CDU/CSU auch den oben beschriebenen Weg eines ausführlichen Anhörungs- verfahrens durch das Europäische Parlament mit den nationalen Parlamenten und mit der Zivilgesellschaft ermöglicht, wie ihn auch der SPD-Parteikonvent am ver- gangenen Montag gefordert hat . Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegen- überstehen, Lösungsansätze in den kontrovers disku- tierten Themenfeldern zu entwickeln . Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob es noch weitere Bereiche gibt, die auch die nationalen Kompetenzen be- treffen . Ich bin überzeugt, dass dieser Weg erfolgverspre- chend ist . Das Abkommen wird durch die EU und ihre Mitgliedstaaten mit Kanada abgeschlossen . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Län- dern der EU kritisch diskutiert wird . Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales Nein im Ministerrat nicht zielführend . Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt . Auch dafür hat der der SPD-Par- teikonvent eindeutige Maßstäbe beschlossen . Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Unter den heutigen Bedingungen würde ich zum Freihandelsab- kommen mit Kanada (CETA) Nein sagen . Heute beauf- tragen wir den Bundeswirtschaftsminister, im Handels- ministerrat der EU den vorliegenden Vertragsentwurf ins parlamentarische Verfahren der Mitgliedstaaten zu geben . Zur Beurteilung des weiteren parlamentarischen Bera- tungs- und Ratifizierungsprozesses sind für mich die kla- ren Bedingungen, die die SPD auf ihrem Parteikonvent beschlossen hat, bindend . Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z . B . „faire und gerechte Behandlung“ und „indirekte Enteignung“ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen ge- genüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren be- schränkt werden . Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich erklärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veranker- ten Vorsorgeprinzip (Art . 191 AEUV) abweicht . Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Ar- beits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert wer- den . Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden . Es muss sicher- und klargestellt werden, dass alle Gre- mien, die durch das CETA-Abkommen geschaffen wer- den, zunächst eine beratende Funktion zur Umsetzung des Abkommens haben und begrenzte Entscheidungen nur im Einklang mit den demokratisch legitimierten Ver- fahren der Partner treffen und nicht die Souveränität der Parlamente und Regierungen verletzen dürfen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618934 (A) (C) (B) (D) Warum ich dem heutigen Koalitionsantrag zustimme, findet sich im Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD „Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA): Für freien und fairen Handel“ (Drucksa- che 18/9663) in der letzten Feststellung des Bundestages: „Der Deutsche Bundestag wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu CETA entscheiden .“ Sollten die hier aufgeführten Punkte nicht genügend berücksichtigt worden sein, so ist eine Unterbrechung des Ratifizierungsprozesses oder eine Ablehnung des Vertrages möglich . Diese Entscheidung behalte ich mir vor . Gülistan Yüksel (SPD): Heute wird nicht über den Vertragstext des Abkommens CETA abgestimmt . Heute wird darüber entschieden, ob wir den Bundeswirtschafts- minister beauftragen, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die par- lamentarischen Verfahren, in die Parlamente, zu geben . Ich kann diesem Antrag nicht zustimmen, da ich das Verfahren, erst im Ministerrat zuzustimmen und danach Verbesserungen erreichen zu wollen, für nicht zielfüh- rend halte . Anders als Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die schon lange wissen, dass sie gegen diese Freihandelsab- kommen sind, und anders als CDU und CSU, die schon lange wissen, dass sie für diese Freihandelsabkommen sind, haben SPD und SPD-Fraktion einen tiefen Diskus- sions- und Abwägungsprozess angestoßen und organi- siert, der von Bundeswirtschaftsminister Gabriel wesent- lich getragen wurde . Durch unsere harten Verhandlungen haben wir schon im Vorfeld viele Verbesserungen im CETA-Abkommen durchgesetzt . Aber selbst wenn das nun vorliegende Ver- handlungsergebnis gegenüber den früheren Fassungen essenzielle Verbesserungen enthält, insbesondere die Einführung eines öffentlichen Handelsgerichtshofes – statt Schiedsgerichtsbarkeit –, auch wenn Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Bildung oder Gesundheit, nun speziellen Schutzregeln unterlie- gen, würde ich heute noch nicht zustimmen . Bei unserem Parteikonvent hat die SPD klare Bedin- gungen beschlossen . Diese sind unter anderem folgende: „– Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z .B . ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen In- vestoren beschränkt werden . – Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich er- klärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Ab- kommens in keiner Weise vom primärrechtlich veran- kerten Vorsorgeprinzip (Art . 191 AEUV) abweicht . – Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sank- tionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden . Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ra- tifiziert werden. – Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständ- lich ergeben, dass bestehende und künftig entstehen- de Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden .“ Diese Forderungen werden am Ende Maßstab für jede und jeden SPD-Abgeordnete und SPD-Abgeordneten sein . Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es klug ist, Vertrag- stexte erst dann zu beschließen, wenn sie endgültig vor- liegen . Deshalb werde ich heute dem Antrag nicht zu- stimmen . Um die Gespräche und die geforderten Anstrengungen für die Durchsetzung der Forderungen nicht aufzuhalten, stimme ich nicht mit „Nein“, sondern enthalte mich . Ge- spräche sind Grundlage, um eine Verbesserung des Ver- trages in unserem Sinne umzusetzen . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Göppel (CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) sowie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18935 (A) (C) (B) (D) – den Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) ablehnen (Tagesordnungspunkt 39 a) (Tagesordnungspunkte ZP 3 und 39 a) Mein Fraktionsvorsitzender Volker Kauder sagt zu Freihandelsabkommen: „Ein Land, das die Hälfte seiner Produkte im Ausland verkauft, braucht Freihandel!“ Ja, aber wie viel Systemveränderung muss in die Ab- kommen reingepackt werden? Ich habe nichts gegen Freihandel und den Abbau von Zöllen . Aber ich habe et- was dagegen, durch die Hintertür eine neue Wirtschafts- ordnung mit weniger demokratischer Kontrolle einzu- führen . Meine Kritik an CETA im Einzelnen: 1 . Die Europäische Kommission selbst sagt, CETA sei das mit Abstand weitreichendste Abkommen, das die Europäische Union bisher abgeschlossen habe . Es gehe über alle bisherigen Freihandelsabkom- men hinaus . 2 . Trotz der Nachverhandlungen des Bundeswirt- schaftsministers findet sich in Artikel 8.10 Ziffer 1 der unbestimmte Rechtsbegriff der „gerechten und billigen Behandlung“ von Investoren . Artikel 8 .12 enthält zudem eine Regelung zur indirekten Ent- eignung, die Schadensersatzklagen Tür und Tor öffnet . Gleichzeitig muss die Gesetzgebung laut Vertrag „legitime politische Ziele“ verfolgen . 3 . Sowohl in Kanada wie in der Europäischen Union haben wir eine voll entwickelte und transparen- te Gerichtsbarkeit . Die Rechtssysteme der Ver- tragspartner bieten für Investoren ausreichenden Schutz . Deshalb bedarf es dafür keiner speziellen Regelung . Das Kapitel zum Investitionsschutz ist gänzlich zu streichen . 4 . CETA schafft über die Sondergerichtsbarkeit hi- naus weitere Gremien, denen nationale Parlamente ihre gesetzgeberischen Aktivitäten vorab mitteilen müssen . Der „Gemischte CETA-Ausschuss“ nach Arti- kel 26 .1 ist für alle Fragen, die das Abkommen be- treffen, zuständig . Beschlüsse dieses Ausschusses sind nach Artikel 26 .3 „bindend“ und müssen von den nationalen Regierungen „umgesetzt“ werden . Das ist eine eindeutige Beschränkung des Gesetz- gebungsrechts der Parlamente . 5 . Das Vorsorgeprinzip als grundsätzliche europäi- sche Rechtsposition wird im gesamten CETA-Ver- trag nicht erwähnt . Die Artikel 5 .2, 5 .4 und 21 .1 verweisen lediglich auf Standards der WTO zu „Sanitary and Phytosanitary Measures (SPS)“ . Artikel 25 .2 sieht sogar die „Reduzierung nachtei- liger Handelsauswirkungen“ im Bereich Biotech- nologie und genetisch veränderter Organismen vor . Damit ist die Abkehr von europäischen Standards vorgezeichnet . 6 . Bei der Daseinsvorsorge enthält der CETA-Ver- tragstext nach wie vor eine Negativliste . Alle Be- reiche, die darin nicht ausdrücklich genannt sind, unterliegen der vollen Liberalisierung . Rechts- sicherheit kann nur mit einer Positivliste erreicht werden . Ich trage Freihandelsabkommen mit, die Zölle und technische Zulassungen zum Gegenstand haben . Ich bin aber gegen die Aufblähung und Überhöhung dieser Ab- kommen, weil das den Freiraum demokratisch gewählter Parlamente und Regierungen einengt . Deshalb enthalte ich mich bei dem Antrag der Koali- tionsfraktionen und stimme dem Antrag der Grünen auf Drucksache 18/9621 zu . Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Thomas Gambke (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Euro- päischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Ka- nada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdokument 10968/16 und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618936 (A) (C) (B) (D) zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über die vorläufige Anwendung des umfas- senden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdokument 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Europäischen Union Comprehensive Economic and Trade Agree- ment (CETA) – Für freien und fairen Handel (Tagesordnungspunkt ZP 3) Ich erkläre, dass mein Votum zum Antrag der Frakti- onen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/9663 Ablehnung lautet . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnun- gen (Tagesordnungspunkt 16) Uwe Feiler (CDU/CSU): Der vorgelegte Gesetzent- wurf der Bundesregierung zum Schutz vor Manipulatio- nen an digitalen Grundaufzeichnungen reiht sich nahtlos in die Anstrengungen der Bundesregierung und der Ko- alition ein, Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen, ohne dabei alle Steuerpflichtigen unter Generalverdacht zu stellen . Die große Mehrheit der Unternehmerinnen und Un- ternehmer kommt ihren Pflichten vollumfänglich nach. Gerade daraus ergibt sich für den Staat aber auch die Verpflichtung, sich derjenigen anzunehmen, die mei- nen, sich zulasten der Steuerzahlergemeinschaft ihren Beitrag zur Finanzierung sparen zu können . Und genau hier setzen wir mit dem Gesetzentwurf an, indem wir das Entdeckungsrisiko für Steuersünder enorm erhöhen und der Finanzverwaltung der Länder die Instrumente an die Hand geben, Umsätze besser nachvollziehen zu können . Dass die Umsatzsteuer zu den betrugsanfälligeren Steuerarten gehört und aufgrund ihrer Ausgestaltung die Mitwirkung von Unternehmern erfordert, rückt sie in den besonderen Fokus sowohl von Betrügern als auch des Fiskus und somit von uns allen . Bei diesem Gesetz ist mir die Durchsetzung der Steu- ergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein besonderes Anliegen, und ich warne davor, lediglich auf erhoffte Steuermehreinnahmen zu schielen wie viele Ver- treter der Länder . Valide Berechnungen liegen bis heute nicht vor, und die in Rede stehenden 10 Milliarden Euro Mehreinnah- men beruhen auf mehrfachen Hochrechnungen der Prü- fung des Gastronomiebereichs in der kanadischen Pro- vinz Québec, sodass ich empfehle, mit der Verplanung des Geldes noch etwas zu warten . Das Gesetz fußt auf drei ineinandergreifende Maßnah- men: Erstens . Wer ein elektronisches Aufzeichnungssys- tem, also vorwiegend Registrierkassen, verwendet, muss zwingend Systeme verwenden, die über eine technische Sicherheitseinrichtung verfügen . Die Zeiten in denen mittels „Chef-Taste“ Umsätze gelöscht oder „Trainings- kellner“ im Dauereinsatz tätig sind, um Umsätze im wahrsten Sinne des Wortes unter den Tisch fallen zu lassen, sind damit vorbei . Zukünftig wird ab dem ersten Tastendruck jede Eingabe in das Kassensystem protokol- liert . Etwaige Korrekturen sind selbstverständlich auch zukünftig möglich, dann aber lückenlos nachvollziehbar . Gleichzeitig lässt der Gesetzentwurf aber auch Raum für Lösungen für große Handelsketten, die schon auf- grund unternehmensinterner Kontrollprozesse ein ausge- prägtes Interesse an der lückenlosen Aufzeichnung ihrer Umsätze haben und über leistungsstarke Kassen- und Warenwirtschaftssysteme verfügen . Auf der anderen Sei- te wird es auch in Zukunft möglich sein, auf Wochen- märkten, Dorffesten oder in Sportvereinen eine offene Ladenkasse zu führen . Die Sorge, wie von einigen for- muliert, dass Unternehmen aufgrund dieses Gesetzes ihre Registrierkassen abschaffen und sich in die offene La- denkasse flüchten, verkennt, dass auch dann die Umsätze plausibel zu erläutern und zu belegen sind . Immerhin ist die Registrierkasse einmal als Arbeitserleichterung für den Unternehmer und als Kontrollinstrument für seine Mitarbeiter eingeführt worden . Eine offene Ladenkasse macht ab gewissen Umsätzen wesentlich mehr Arbeit, als auf ein technisches System zu setzen . Außerdem ver- fügt die Finanzverwaltung durch die Kassensysteme über Referenzwerte, die bei der Beurteilung der Plausibilität äußerst hilfreich sein werden . Zweitens stellen wir mit der Einführung einer Kassen- nachschau sicher, dass die Finanzverwaltung auch unan- gemeldet vor Ort Einblick in das Kassensystem und die Belegführung nehmen kann . Von Probeeinkäufen über die Kontrolle der Erfassung der Umsätze bis zur Ein- sichtnahme von Belegen beim Steuerberater stehen der Finanzverwaltung der Länder umfangreiche Instrumente zur Verfügung, um Verstöße aufzudecken . Fest steht aber auch: Keine technische Maßnahme kann die Kontrolle durch die Finanzbehörden ersetzen . Wenn also der eine oder andere Landesfinanzminister die stille Hoffnung hegen sollte, mit mehr Technik und weniger Personal höhere Einnahmen generieren zu können, wird diese Rechnung nicht aufgehen . Die neuen Systeme werden unzählige Datensätze generieren, die aber auch kontrol- liert werden müssen . Drittens sanktionieren wir Verstöße . Den Steuerge- fährdungstatbestand gemäß § 379 AO weiten wir um die neuen Verpflichtungen aus und sehen Geldbußen von bis zu 25 000 Euro vor . Ein laxes Vorgehen des Finanzmi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18937 (A) (C) (B) (D) nisteriums kann ich hier beim besten Willen also nicht erkennen . Dennoch mangelt es ja nicht an weitergehenden Vor- schlägen. So wünscht sich der eine oder andere eine flä- chendeckende Registrierkassenpflicht als vermeintliche Lösung aller Probleme . Mal davon abgesehen, dass da- mit alle Unternehmer über einen Kamm geschoren wer- den, halte ich dieses Mittel auch für unverhältnismäßig . Jeden Eis- oder Marktstand mit einer Kasse auszustatten, ist genauso wenig sinnvoll wie die generelle Belegausga- bepflicht. Ein Blick zu unserem Nachbarn Österreich, der massiv mit Ausnahmeregelungen nachsteuern musste, belegt, dass der Charme genereller Regelungen schnell verfliegen kann. Denn in Deutschland hat schon heute je- der Kunde ein Anrecht auf einen Beleg . In Österreich ist dieser zwingend erforderlich, da im Unterschied zu unse- rem Vorhaben erst mit der Belegausgabe die Speicherung und Verschlüsselung des Umsatzes im System erfolgt . Andreas Schwarz (SPD): Wir reden heute hier über ein mir und der SPD-Bundestagsfraktion sehr wichtiges Thema: den Kampf gegen Steuerbetrug . Wir als SPD be- kämpfen Steuerbetrug ganzheitlich . Ob über das große Thema BEPS, die Verschärfung der Selbstanzeige – von Hoeneß bis Schwarzer – oder aber das Schließen von Steuerlücken . Von Cum/Ex bis Cum/Cum . Aber bei ei- nem großen Thema sind wir immer noch nicht da, wo wir längst sein müssten: beim Umsatzsteuerbetrug durch ma- nipulierte Kassensysteme . Dass wir diesen Kampf nun endlich aufnehmen, ist ein Beitrag für mehr Steuerge- rechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit . Die Schätzungen etwa des Bundesrechnungshofes gehen von 5 Milliarden bis 10 Milliarden Euro jährlich an Steuerausfällen aus, die durch diesen Betrug entstehen . Eines möchte ich vielleicht gleich zu Beginn festhal- ten: Es geht uns nicht darum, kleine Vereins- oder Som- merfeste unmöglich zu machen . Uns geht es um die Un- terbindung von milliardenfachem Steuerbetrug . Wie ich bereits erwähnt habe: Es ist ein doppelter Betrug . Zum einen ist es ein Betrug am Staat, dem das Steuergeld zu- steht, um Schulen zu bauen, die innere Sicherheit auf- rechtzuerhalten und die Infrastruktur zu erneuern . Ein Betrug übrigens, der oftmals Schwarzarbeit und Umge- hung des Mindestlohns mit sich zieht . Zum anderen jedoch ist es vor allem ein Betrug an je- dem ehrlichen Unternehmer . Und ich bin selbst einer und weiß, wovon ich spreche . Ich kann mein Unternehmen noch so optimal aufstellen . Solange ich brav meine Steu- ern zahle, aber mein Mitbewerber aus dem Nachbarort nicht, werde ich den Preisvorteil von 19 Prozent Umsatz- steuer niemals aufholen können . Mir sind mehrere solche Fälle aus meinem Wahlkreis bekannt . Am Ende sind die Ehrlichen die Dummen, und das ist ungerecht . Und ge- nau deshalb muss hier endlich dringend etwas geändert werden . Wer für Steuergerechtigkeit und für Wettbewerbs- gleichheit unter den kleinen und mittleren Unternehmen ist, der muss dieses Gesetz nutzen, um Umsatzsteuerbe- trug durch manipulierte Kassensysteme endlich zu unter- binden. Wenn ich mir den Gesetzentwurf von Bundesfi- nanzminister Wolfgang Schäuble so anschaue, muss ich leider zum Fazit kommen: Ziel verfehlt . Nicht knapp, sondern klar und deutlich . Was uns das Bundesfinanzministerium hier vorgelegt hat, reicht uns nicht aus . Es ist maximal ein Placebo . Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf würde eine be- trugssichere Software nur eingesetzt werden müssen, wenn jemand denn eine Kasse einsetzt. Eine Pflicht, eine Kasse zu benutzen, sieht der Entwurf leider nicht vor . Will also der steuerhinterziehende Unternehmer Staat, Kunden und ehrliche Unternehmer weiterhin betrügen, schafft er sich entweder eine zweite, versteckte Kasse an oder schafft einfach alle Kassen im Betrieb ab und kassiert in den Schuhkarton . Wer ernsthaft glaubt, dass Steuerbetrüger freiwillig mit Steuerbetrug aufhören, der glaubt auch an den Weihnachtsmann . So verspielt man Glaubwürdigkeit beim Kampf gegen den Steuerbetrug . Auch bei der Frage der Belegausgabe – also der Aus- gabe eines Kassenbons – ignoriert das Bundesfinanzmi- nisterium alle Warnungen von Verbänden, Gewerkschaf- ten, Kassenherstellern und Steuerfahndern . Unisono berichten diese uns, dass eine sogenannte Belegausgabe- pflicht essenziell für den Kampf gegen Umsatzsteuerbe- trug ist . Diese erhöht nämlich das Entdeckungsrisiko für den Unternehmer ungemein und erleichtert die Arbeit der Steuerfahnder erheblich . Und dennoch setzt das Bundes- finanzministerium auch da wieder auf Freiwilligkeit und nimmt sogar noch den Verbraucher in die Pflicht. Nach den Plänen des BMF würde der Unternehmer, wenn er denn überhaupt noch eine Kasse hat, nur auf Verlangen des Kunden verpflichtet sein, einen Bon auszuhändigen. Mit Verlaub, wir wissen alle, wohin das führen würde: zu gar keinen Kassenbons mehr . Aus den genannten Gründen ist der vorliegende Ge- setzentwurf aus unserer Sicht – und ich zitiere hier mal den Finanzausschuss des Bundesrates –: „ungeeignet“, „nicht wirksam“, „voller konzeptioneller Mängel“, „un- realistisch“ . In Zeugnissprache formuliert: stets bemüht . Nun wollen wir hier niemandem Nachhilfe erteilen . Was wir aber wollen, ist ein Gesetz, das Umsatzsteuer- betrug effektiv und wirksam bekämpft . Und deshalb me- ckert die SPD nicht nur, sondern hat wie immer konkrete Verbesserungsvorschläge . Erstens. Grundlage für eine flächendeckend effektive und nachhaltige Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges an Ladenkassen ist für uns die Einführung einer allge- meinen Registrierkassenpflicht ab einer Umsatzgrenze von 17 500 Euro . Dies beinhaltet die Aufzeichnung und Dokumentation von Barumsätzen, die den Prinzipien der Vollständigkeit und Unveränderbarkeit entsprechen muss . Eine gesetzliche Festlegung auf ein bestimmtes System oder einen bestimmten Anbieter halten wir tech- nisch, aber auch europarechtlich für schwierig . Zweitens . Darüber hinaus fordern wir eine Belegaus- gabepflicht. Dies würde die Entdeckungsgefahr für tech- nische Manipulationen erheblich erhöhen . Ein Verkauf an der Kasse vorbei wird für den Kunden sofort nach- vollziehbar, wenn er keinen Beleg erhält . Dabei ist wich- tig, dass die Pflicht zur Ausgabe beim Unternehmer liegt und nicht als Holschuld auf die Kunden abgewälzt wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618938 (A) (C) (B) (D) Eine Belegausgabepflicht ist eine der wesentlichen For- derungen seitens der Steuerfahnder und existiert bereits unter anderem in Österreich, Italien, Schweden, Grie- chenland, der Slowakei und Slowenien . Ich habe bisher noch kein einziges überzeugendes Argument gehört, das gegen eine Kassenpflicht und gegen eine Belegausga- bepflicht spricht, weder vom Bundesfinanzministerium, noch von der Wirtschaft, die, im Gegenteil, uns sogar hinter vorgehaltener Hand unterstützt, weil auch sie ein Interesse an Wettbewerbsgleichheit hat . Ich denke, wir alle im Haus schreiben uns die Schlag- worte Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit auf unsere Fahnen . Bei diesem Gesetz kann nun jeder Einzelne beweisen, wie ernst er es meint . Die SPD-Bun- destagsfraktion geht beim Kampf gegen Steuerhinter- ziehung und Steuervermeidung stets voran . Das ist auch beim Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug durch manipu- lierte Kassensysteme nicht anders . Daher fordern wir nachdrücklich ein Gesetz, das diesen Betrug effektiv und nachhaltig bekämpft . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich glaube ja immer auch an die Vernunft und die Kraft der besseren Argumente und lade Sie des- halb herzlich ein, diesen Weg gemeinsam mit uns zu be- gehen . Richard Pitterle (DIE LINKE): Eines gleich vorweg: Die Bundesregierung ist wahrlich nicht dafür bekannt, bei drängenden Problemen schnell geeignete Lösungen parat zu haben . Schlimm nur, wenn diese Probleme jedes Jahr zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe führen! Und nicht nur schlimm sondern auch peinlich wird es, wenn die Bundesregierung und die sie tragende Große Koali- tion dann versuchen, ihren nach jahrelanger Untätigkeit endlich vorliegenden Lösungsvorschlag als rechtzeitig zu verkaufen . Genau das versucht die Bundesregierung mit ihrem heute vorliegenden Gesetzentwurf, und das lässt Ihnen die Linke so nicht durchgehen, liebe Kolle- ginnen und Kollegen von Union und SPD! Worum geht es heute im Einzelnen: Die Bundesregie- rung will mit ihrem eingebrachten Gesetzentwurf zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeich- nungen den Steuerbetrug durch Kassenmanipulationen bekämpfen . Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Ge- werben, in denen viel mit Bargeld gezahlt wird, wie zum Beispiel im Restaurant oder der Eisdiele um die Ecke, die Versuchung groß ist, nicht jeden kleinen Umsatz ord- nungsgemäß zu registrieren und zu versteuern . Die Ver- suchung ist vor allem deshalb so groß, weil es zum Bei- spiel für den Restaurantbetreiber so wahnsinnig einfach ist, das eine oder andere verkaufte Bier einfach nicht in die offizielle Abrechnung zu übernehmen. Im Fokus stehen hierbei Registrierkassen, also die ganz normalen Kassen auf dem Tresen, in die die Um- sätze eingetippt werden und die die Belege ausspucken . Hier hat sich inzwischen geradezu ein richtiger Wirt- schaftszweig entwickelt, der zum Beispiel spezielle Software anbietet, die die Umsätze in den Registrier- kassen frisiert und einen Teil der Einnahmen unter den Tisch fallen lässt . Man muss auch nicht lange in dunklen Schwarzmarktecken suchen, bevor man solche Produkte findet, nein, diese Systeme werden teilweise ganz offen angeboten . Ein Mitarbeiter aus der Finanzverwaltung berichtete, dass er undercover auf einer Messe war, wo elektronische Kassensysteme ausgestellt wurden . Bei ei- nem der Stände hat es nicht mal eine Minute gedauert, bis ihm unverhohlen vom Standbetreiber zusätzlich zur Kasse auch gleich die passende Schummelsoftware an- gepriesen wurde – auf einer offiziellen Messe! Ein solches Schattengewerbe entsteht selbstverständ- lich nicht über Nacht: Bereits 2003 hat der Bundesrech- nungshof auf die Möglichkeit der Kassenmanipulation hingewiesen . Und obwohl es, wie in unserem Restaurant- beispiel, im Einzelfall oft nur kleine Beträge sind – zu- sammengerechnet entsteht unserer Gesellschaft ein Rie- senschaden: Schätzungen nach werden auf diese Weise jedes Jahr bis zu 10 Milliarden Euro Steuern hinterzogen . Seit Jahren haben die Bundesländer daher auf eine gesetzgeberische Lösung gedrängt. Das Bundesfinanz- ministerium hat dem jedoch kein Gehör geschenkt . Der heute vorliegende Gesetzentwurf kam erst zustande, nachdem eine Mehrheit der Mitglieder im Finanzaus- schuss einschließlich der Linken darauf gedrängt hat . Mit Verlaub, Herr Schäuble, das war Arbeitsverweigerung unter Inkaufnahme eines Schadens in Milliardenhöhe! Was genau steht nun letztlich in Ihrem verspätet vor- gelegten Entwurf? Sie wollen die Besitzer von Registrier- kassen dazu verpflichten, diese durch technische Vorkeh- rungen gegen nachträgliche Manipulationen zu sichern, und außerdem unangemeldete Kassennachschauen durch das Finanzamt ermöglichen . So weit, so gut . Inwieweit dies allein wirklich Abhilfe schaffen kann, werden wir in den anstehenden Beratungen im Finanzausschuss inten- siv diskutieren müssen . Die Linke wird sich daran wie immer konstruktiv beteiligen, denn im Gegensatz zur Bundesregierung wollen wir anpacken und nicht Däum- chen drehen . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was lange währt, wird endlich gut . Dies trifft lei- der nicht auf den heute vorgelegten Gesetzentwurf zum Schutz vor manipulierten Registrierkassen zu . Bereits vor 13 Jahren stellte der Bundesrechnungshof fest, dass durch manipulierte Registrierkassen massiv Steuerbetrug und Schwarzgelderwirtschaftung betrieben werden . Spektakuläre Fälle wie der Eissalon in Rhein- land-Pfalz, dessen Besitzer mehr als 1,9 Millionen Euro Steuer hinterzogen hatte, waren keine Einzelfälle, son- dern die Spitze des Eisbergs . Es wurde bekannt, dass sogar Apotheken – in der Wahrnehmung vieler Bürger eigentlich eine seriöse Branche – mit Schummelsoftware systematische Steuerhinterziehung organisiert hatten . Das Problem hat sich mit der fortschreitenden Digita- lisierung immer weiter verschärft . Denn Registrierkassen sind heute vielfach schlicht und einfach Computer mit darunter angebrachter Bargeldbox . Die in den Regis- trierkassen gespeicherten Daten können in vielen Sys- temen beliebig, ohne die geringsten Spuren zu hinter- lassen, verändert werden . Vor acht Jahren schon begann eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Sicherheitssystems, das die Umsatzmanipulation an elektronischen Kassensystemen ausschließen soll- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18939 (A) (C) (B) (D) te . Unter Leitung der PTB wurde eine entsprechende technische Lösung im Rahmen des INSIKA-Projektes (INtegrierte SIcherheitslösung für messwertverarbeiten- de KAssensysteme) konzipiert und umgesetzt . Dieses Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als MNPQ-Projekt (Messen, Normen, Prüfen und Qualitätssicherung) mit 225 000 Euro geför- dert . Vor vier Jahren gab es ein Ergebnis: Das Sicher- heitssystem INSIKA war einsatzfähig, aber die damalige schwarz-gelbe Koalition kippte in sprichwörtlich letzter Minute die Implementierung . Im Taxigewerbe in Hamburg wurde das INSIKA-Sys- tem dennoch eingesetzt, mit von allen Beteiligten, also Taxibetrieben sowie Finanzbehörden, positiv bewerteten Ergebnissen: Der unlautere Wettbewerb durch Schwarz- fahrten wurde praktisch unmöglich – mit entsprechenden besseren Auslastungen und Verdienstmöglichkeiten für die ehrlich abrechnenden Fahrer und Betriebe –, und die Steuerbehörden konnten nicht nur steigende Einnahmen aus der Umsatz- und Einkommensteuer verzeichnen, sondern auch ihren Prüfaufwand signifikant verringern. In Berlin allerdings wurden diese Fakten nicht zur Kenntnis genommen: Noch im März 2015 ließ mir der Bundesminister der Finanzen durch seinen Staatssekretär Michael Meister mitteilen, dass keine belastbaren Aussa- gen über den Umfang und die Häufigkeit von Manipula- tionen von Umsätzen vorliegen würden . Informationen aus anderen Ländern wurden vonseiten des Bundesfi- nanzministeriums grob wahrheitswidrig und falsch dar- gestellt . Und auch die Bundestagsfraktion der CDU/CSU lehnte in einem Positionspapier noch im August 2015 eine verpflichtende Einführung eines manipulationssi- cheren Kassensystems ab . Vielmehr machte im Rahmen der Forderung nach Einführung des INSIKA-Verfahrens das Wort die Run- de, hier sei eine „INSIKA-Mafia“ am Werke. Man kann trefflich fragen, ob nicht vielmehr eine Mafia am Werke ist, manipulationssichere Kassen zu verhindern . Es ist dem Engagement vor allem der Finanzverwal- tungen in Schleswig-Holstein und Hamburg und nicht zuletzt der Grünen-Bundestagsfraktion zu verdanken, wenn heute die Bundesregierung einen neuen Anlauf startet . Diesen Anlauf begrüße ich sehr . Die Freude ist aber sehr begrenzt: Zwar ist die Ein- bringung des Gesetzentwurfes positiv zu bewerten – denn damit wird das erste Mal überhaupt die Notwen- digkeit zum Handeln anerkannt –, wenn ich aber die Gesetzvorlage lese, kommt bei mir schnell Ernüchterung auf . Dieser Gesetzentwurf ist ein zahnloser Tiger, er wird eher neue Probleme verursachen und auf absehbare Zeit das Problem nicht lösen, sondern eine Lösung weit in die Zukunft verschieben . Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich keine Belegaus- gabepflicht vor, obwohl Steuerfahnder genau dies vehe- ment fordern . Auch sollen dem Gesetzentwurf zufolge die Belege keine Sicherheitsmerkmale, mit denen für den Kunden oder im Rahmen einer Kassennachschau leicht erkennbar wäre, ob der Geschäftsvorgang ordnungsge- mäß gespeichert worden ist, enthalten . Dies führt im Ergebnis dann dazu, dass die Finanzver- waltung aufwendige Kassennachschauen mit Testkäufen, Datenanalysen und technischer Prüfung der Kassensys- teme durchführen muss . Es ist völlig klar, dass dieser bü- rokratische Aufwand nur im begrenzten Umfang von der Verwaltung geleistet werden kann – Prüfungen werden also relativ selten sein . Wie damit das Problem des Steu- erbetrugs gelöst werden soll, erschließt sich mir nicht . Der Gesetzentwurf lehnt das INSIKA-Verfahren ab bzw . entzieht ihm durch die fehlende Belegausgabe- pflicht die Grundlage. Stattdessen sollen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Si- cherheitseinrichtungen das Problem der manipulierbaren Kassen beseitigen . Jedoch gibt es überhaupt noch kein fertiges Zertifizierungssystem! Auf die Idee, ein fertiges, frei verfügbares und erprobtes Verfahren, wie INSIKA, abzulehnen und dafür auf ein Sicherheitssystem, das ja noch gar nicht existiert, zu setzen, muss man erst mal kommen . Die Steuerjuristen geben an, dass sie den Einsatz des INSIKA-Verfahrens ablehnen, weil dieses nicht techno- logieoffen sei . Dabei verkennt dieses – falsche – Argu- ment, dass es nicht um eine Technologie geht, sondern um das Prinzip: Im Kern kommt es darauf an, dass die eingegebenen Daten dem real getätigten Umsatz entspre- chen sollen und auch wirklich in das System übernom- men werden – deshalb Belegausgabe mit Signatur – und fälschungs- bzw . manipulationssicher gespeichert wer- den – deshalb Übertragung an eine fälschungssichere Hardwareeinheit („Stick“) oder einen fälschungssicheren Speicher, zum Beispiel per Datenübertragung an ein un- abhängiges System . Diese Prinzipien müssen manipula- tionssicher umgesetzt werden. Die mit der Zertifizierung von Software verbundene Lösung im Gesetzentwurf sucht sich nun gerade die Technologie aus, die weder fäl- schungssicher noch unmittelbar einsetzbar – weil noch nicht entwickelt –, noch kostenmäßig heute verlässlich erfassbar ist. Denn der Aufwand der Zertifizierung und die mit dem Zertifizierungsvorgang verbundene Inflexi- bilität können kostenmäßig noch nicht belastbar beziffert werden . Deshalb fordere ich die Koalitionsfraktionen dazu auf, diesen Gesetzentwurf gründlich nachzubessern . Der Steuerbetrug mit manipulierten Kassensystemen kann nur dann endlich beendet werden, wenn die Unverän- derbarkeit und die Vollständigkeit der aufgezeichneten Geschäftsvorgänge sichergestellt ist . Um diese Anforde- rungen zu erfüllen, muss der Gesetzentwurf um eine ge- setzliche Belegausgabepflicht ergänzt werden. Außerdem sollte das INSIKA-Verfahren in der jetzt vorliegenden Form zugelassen werden . Damit stünde eine Sicherheits- lösung sofort zur Verfügung . Es kann nicht sein, dass die Manipulation der Kassen noch über Jahre hinweg mög- lich sein wird . Die Bundesregierung macht sich dann ähnlich schuldig, wie sie es durch gezieltes Wegschauen bei manipulierter Software bei der Motorsteuerung von Autos gemacht hat – im Falle des Umsatzbetruges mit manipulierten Kassensystemen zum Schaden aller Ver- braucherinnen und Verbraucher . Durch den Betrug mit manipulierten Kassen entge- hen den Haushalten von Bund und Ländern Jahr für Jahr Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618940 (A) (C) (B) (D) schätzungsweise 5 bis 10 Milliarden Euro . Problemver- schärfend ist, dass steuerloyale Unternehmen zunehmend unter den Wettbewerbsnachteilen gegenüber steuerun- ehrlichen Konkurrenten leiden . Das Grundprinzip unse- res Wirtschaftssystems, der freie und faire Wettbewerb, ist in bestimmten Wirtschaftszweigen stark gefährdet . Es ist höchste Zeit, endlich zu handeln! Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen: Zur Erhaltung unseres funk- tionstüchtigen und wettbewerbsfähigen Steuersystems und eines effektiven Steuervollzugs hat die Bundesre- gierung den Gesetzentwurf zum Schutz vor Manipula- tionen an digitalen Grundaufzeichnungen eingebracht . Der Entwurf stellt, wie ich finde, einen sehr guten Aus- gangspunkt für die Diskussion dar, die darauf abzielen muss, eine angemessene Lösung zur Bewältigung dieses Problems zu finden, um dem Verfassungsauftrag einer gleichmäßigen, gesetzmäßigen und verhältnismäßigen Besteuerung auch in Zukunft gerecht zu werden . Dazu ist es erforderlich, dass das steuerliche Verfah- rensrecht mit den veränderten technischen Möglichkei- ten Schritt halten und sowohl rechtlich als auch technisch weiterentwickelt wird . Dies war bereits wesentliches An- liegen des kürzlich verabschiedeten Gesetzes zur Moder- nisierung des Besteuerungsverfahrens . Auf eine solche Weiterentwicklung zielt auch der vor- gelegte Gesetzentwurf, in dem digitale Grundaufzeich- nungen vor Manipulationen geschützt werden sollen . Bei digitalen Grundaufzeichnungen handelt es sich zum Bei- spiel um elektronische Kassendaten . Aufgrund der vielfältigen, modernen, digitalisierten und technisierten Möglichkeiten, können diese digi- talen Kassendaten ohne großen Aufwand in der Praxis nachträglich manipuliert werden . Das heißt, nach der Dateneingabe in die Kasse werden zum Beispiel nicht dokumentierte Änderungen oder Stornierungen vorge- nommen . Weitere Manipulationsmöglichkeiten sind, dass Vor- gänge über einen langen Zeitraum offengehalten werden oder dass noch vor Abschluss der Dateneingabe eine Ma- nipulation, das heißt eine nicht protokollierte Änderung der eingegebenen Daten, erfolgt . Vermehrt befindet sich auch Manipulationssoftware im Einsatz . Diese Software ermöglicht umfassende Ände- rungen und Löschungen von Daten, indem zum Beispiel Datenbanken inhaltlich ersetzt oder Bedienereingaben unterdrückt werden . Der Einsatz solcher Manipulations- software ist bei einer systematischen Anwendung in der Praxis für die Finanzbehörden kaum erkennbar . Diesem Phänomen der Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen soll der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf entgegenwirken . Ziel ist es, die Unveränderbarkeit von digitalen Grundaufzeichnun- gen sicherzustellen und Manipulationen einen Riegel vorzuschieben . Dies klingt sehr abstrakt . Daher lassen Sie mich kurz verdeutlichen, was im Wesentlichen mit diesem Gesetzentwurf erreicht werden soll: Nachträgliche Manipulationen an digitalen Grundauf- zeichnungen sollen künftig erkennbar sein und dadurch vermieden werden . Durch die vorgesehene Protokollierung, die zeitgleich mit dem Zeitpunkt der Erfassung der Daten beginnt, soll vor Abschluss des Geschäftsvorfalls eine weitere bereits erkannte Manipulationsmöglichkeit ausgeschlossen wer- den . Auch „sonstige Vorgänge“ sind künftig aufzeich- nungspflichtig. Hierdurch wird verhindert, dass tatsächli- che Geschäftsvorfälle durch „Trainingsbuchungen“ oder den „Trainingskellnermodus“ verschleiert werden . Das vorgesehene Zertifizierungsverfahren hat neben dem Aspekt der Technologieoffenheit den großen Vorteil, dass neuen Manipulationsmöglichkeiten schnell begeg- net werden kann und diese verhindert werden können, zum Beispiel durch Änderungen bzw . Anpassungen der Technischen Richtlinien oder Schutzprofile. Das heißt, dieses fortschreibbare und lernende System ist kurzfris- tig anpassbar, sodass Zeiträume für mögliche neue Mani- pulationen sehr kurz gehalten werden können . Um dieses System wirksam auszugestalten, soll es zukünftig in Deutschland verboten sein, gewerbsmäßig nicht zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen in den Verkehr zu bringen oder zu bewerben . Mit der Möglichkeit einer nicht angekündigten Kas- sennachschau wird ein nicht kalkulierbares Entdeckungs- risiko geschaffen . Darüber hinaus wird der Ordnungswidrigkeitstatbe- stand bei Verstößen gegen die neuen Aufzeichnungs- pflichten erweitert. Zuwiderhandlungen können künftig mit einer Geldbuße von bis zu 25 000 Euro geahndet werden . Erstmals liegt ein Gesetzentwurf vor, der die Chance bietet, erkannten Manipulationen an digitalen Grundauf- zeichnungen wirksam zu begegnen . Die Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs hat einige Zeit in Anspruch genommen, da es sich um eine technisch an- spruchsvolle Materie handelt und aus Sicht der Bundes- regierung sichergestellt werden musste, dass neben den bereits erkannten Manipulationsmöglichkeiten auch zu- künftigen Manipulationen – die es mit Sicherheit geben wird – schnell begegnet werden kann . Wie dieses Ziel erreicht werden könne, darüber gab es viele und intensive Diskussionen . In diesen Diskussionen bestand mit allen Beteiligten Konsens, dass es dieses Ziel zu erreichen gilt . Umstritten ist jedoch, welches techni- sche Konzept zugrunde gelegt werden sollte . Die Bundesregierung hat sich immer für ein tech- nologieoffenes Verfahren ausgesprochen, auch um den europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden . Darüber hinaus ermöglicht ein solches Verfahren, dass wissenschaftlicher und technischer Fortschritt – wofür unser Land gerade Maßstab ist – nicht behindert wird . An dieser Stelle möchte ich daher hervorheben, dass aufgrund der Technologieoffenheit auch die INSIKA-Technik, die verschiedentlich Erwähnung findet Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18941 (A) (C) (B) (D) und die Ihnen sicherlich geläufig ist, als ein mögliches Verfahren grundsätzlich zertifizierungsfähig und damit zulässig ist . Daher hoffe ich, dass wir uns in den parlamentarischen Beratungen nicht über einzelne technische Verfahren auseinandersetzen, um zu bewerten, welches vielleicht besser als das andere ist, sondern dass wir das Ziel – die Bekämpfung der Manipulationen – im Auge behalten . Auf der Grundlage des Gesetzentwurfs sollte es mei- nes Erachtens möglich sein, eine politische Einigung zu finden. Gelänge dies nicht, würde dies allein zulasten der Steuerehrlichen gehen . Es wäre der Öffentlichkeit auch nicht vermittelbar, wenn wir alle betonen, Manipulationen bekämpfen und den schwarzen Schafen das Handwerk legen zu wollen, es jedoch nicht schaffen, uns auf rechtliche Grundlagen dafür zu verständigen . Nunmehr bietet sich uns die ein- malige Chance hierzu . Wir sollten diese nutzen und nicht in die Auseinandersetzungen der vorherigen Jahre zu- rückfallen . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 18) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich freue mich sehr, dass wir heute das vom Bundeswirt- schaftsministerium vorgelegte Gesetz zur Änderung be- wachungsrechtlicher Vorschriften abschließend beraten . Wir beschließen damit eine Reform, die Wirtschafts- wie Innenpolitiker auf Bundes- wie Länderebene vorange- trieben haben . Denn sie verbessert die Standards unserer privaten Sicherheitsbranche – einer Branche, die schon seit Langem ihren schlechten Ruf hinter sich lassen möchte und daher stärkerer Regulierung zustimmt . Und sie verbessert damit maßgeblich die Architektur unserer inneren Sicherheit . Private Bewacher übernehmen immer mehr Aufgaben, auch im öffentlichen Raum und in sehr sensiblen Berei- chen wie Flüchtlingsunterkünften . Da war es dringend angezeigt, dass der Gesetzgeber hier auch den regulato- rischen Rahmen schafft, der dem gerecht wird . Und auch der Anschlag von Ansbach im Juli hat die Notwendig- keit dieser Maßnahmen belegt . Dort sind Menschenleben gerettet worden, weil die Einlasskontrolle der Großver- anstaltung zuverlässig funktioniert hat . Weil hier gutes Personal richtig reagiert hat . In den parlamentarischen Beratungen haben mein Kollege Marcus Held, Berichterstatter der SPD, und ich in enger Zusammenarbeit mit dem BMWI sehr gute Er- gebnisse erzielt . Die Grundlage dafür waren die Ergeb- nisse der zu dem Thema eingerichteten Bund-Länder-Ar- beitsgruppe, in die sich viele Fachleute aus der Praxis, zum Beispiel aus IHKen und Gewerbeämtern, einge- bracht haben . Die wichtigsten Maßnahmen des Gesetzes sind folgende: Es wird ein bundesweites, elektronisch auswertbares Bewacherregister aufgebaut werden, das Daten über Unternehmer und Personal enthalten wird . Also zum Beispiel, ob die notwendigen Prüfungen und Unterrichtungen durchlaufen wurden und ob die Zuver- lässigkeit geprüft wurde . Das erleichtert Kontrollen vor Ort und wird die Transparenz in der Branche ein großes Stück nach vorn bringen . Herr Held und ich haben uns sehr dafür starkgemacht, dass dieser wichtige Schritt jetzt gemacht und nicht auf die lange Bank geschoben wird . Auch Bewachungsunternehmer müssen künftig einen Sachkundenachweis mit Prüfung erbringen, ebenso Be- wachungspersonal, das bei der Bewachung von Flücht- lingsunterkünften und Großveranstaltungen in leitender Funktion eingesetzt wird . Denn diese Einsatzorte sind besonders sicherheitsrelevant und erfordern spezielle Kenntnisse . Für die Zuverlässigkeitsprüfung, die alle Gewerbe- treibenden und das gesamte Personal vor Einstellung durchlaufen müssen, holen die zuständigen Behörden künftig über Polizeibehörden, Bundes- und Gewerbezen- tralregister deutlich mehr Informationen ein, um die Se- riosität und Eignung für die Branche abzufragen . Bislang kommt man schon mit einem einfachen Führungszeugnis aus und wird für den Rest des Arbeitslebens nicht mehr überprüft . Auch eine regelmäßige Wiederholung der Zu- verlässigkeitsprüfung im Rhythmus von fünf Jahren wird etabliert, und der überholte Katalog der Straftaten, bei denen eine Unzuverlässigkeit angenommen wird, wird um einige Vergehen erweitert . Mit Hinblick auf die Gefahr von islamistischen An- schlägen in Deutschland und auf die Vorfälle in Flücht- lingsunterkünften, bei denen Bewacher übergriffig wurden, war es von Beginn an mein Ziel, dass auch Informationen der Verfassungsschutzbehörden in die Zuverlässigkeitsüberprüfung einbezogen werden . Das gewichtige Gegenargument war, ob es wirklich erfor- derlich und praktikabel sei, dass jedes einzelne Gewer- beamt mit den Verfassungsschutzbehörden in Kontakt tritt, zumal die Anforderungen an sichere Schnittstellen, Datenschutz usw . enorm seien . Als schlanke Lösung ha- ben wir dann den Vorschlag erarbeitet, die Verfassungs- schutzabfragen digital und automatisiert über das neu ge- schaffene Bewacherregister abzuwickeln . Es wird so nur eine Schnittstelle zwischen der Verbunddatei der Verfas- sungsschutzbehörden und dem Register geben müssen . Unsere 150 Gewerbeämter müssen somit nicht selbst mit dem Verfassungsschutz in Kontakt treten . Über das Re- gister wird nun also für alle Gewerbetreibenden sowie alle Bewacher von Flüchtlingsunterkünften und zugangs- beschränkten Großveranstaltungen eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz erfolgen . Das stellt sicher, dass Personen, die als extremistisch eingestuft werden, der Zugang zu dem Berufsfeld verweigert wird . Damit verbunden ist folgerichtig auch eine Nachbe- richtspflicht, die wir ebenfalls in den parlamentarischen Verhandlungen in das Gesetz einbringen konnten . Sie stellt sicher, dass auch im Zeitraum zwischen zwei Zu- verlässigkeitsprüfungen sicherheitsrelevante Informa- tionen aus der Extremismusbeobachtung die Gewerbe- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618942 (A) (C) (B) (D) ämter erreichen werden . Hierfür muss nur ein Minimum an Identifizierungsdaten über die zuverlässigkeitsüber- prüften Personen gespeichert werden . Zu einem Daten- sammeln kommt es ausdrücklich nicht, auch wenn die Rechtspolitiker der SPD davor große Angst hatten . Kurzum: Ich halte die Punkte Regelabfrage und Nach- berichtspflicht in dieser Gesetzesnovelle für entschei- dend . Denn es wäre schließlich ein schreckliches Sze- nario, wenn ein unseren Verfassungsbehörden bekannter Islamist in einem Fußballstadion als Bewacher arbeiten und dort einen Anschlag verüben könnte, nur weil der Informationsfluss vom Verfassungsschutz zu den Gewer- bebehörden nicht funktioniert . Ich freue mich, dass wir somit ein gutes, durchdachtes und mit den Praktikern abgestimmtes Gesetz verabschie- den, das die Anforderungen an die Branche angemessen anhebt . Denn es geht in der Tat um elementare, sicher- heitspolitische Fragestellungen . Vielen Dank an alle, die an der Novelle von § 34a der Gewerbeordnung konstruktiv mitgewirkt haben, insbe- sondere an meinen Berichterstatterkollegen von der SPD, Marcus Held . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Ich bin dankbar, dass ich als Innenpolitiker heute die Mög- lichkeit erhalte, über den Gesetzentwurf hier sprechen zu dürfen . Wer jetzt glaubt, ein Innen- und Sicherheitspo- litiker hat hierzu garantiert sehr puristische Auffassun- gen – vielleicht der Wirtschaft schwer vermittelbar –, der irrt . Denn ich habe auch als ehemaliger Polizist schon meine Meinung zum Thema Sicherheitswirtschaft im Laufe der Jahre verändert . Warum? Die Polizei kann die stetig wachsende Aufgabenfülle und die damit gestie- genen Qualitätsanforderungen immer schwerer bewälti- gen . Dies liegt auch daran, dass es für die öffentlichen Haushalte in Bund und Ländern immer schwieriger wird, die Schuldenbremse einzuhalten und gleichzeitig hohe Investitionsmittel im Bereich der inneren Sicherheit zur Verfügung zu stellen . Deshalb erscheint mir Aufgaben- kritik bei der Polizei sehr wichtig, ohne allerdings dabei das staatliche Gewaltmonopol anzutasten . Ich bin heute vielmehr der Ansicht, dass bestimmte sicherheitsrelevante Aufgaben verstärkt von Sicherheits- unternehmen ausgeführt und wahrgenommen werden können . Dass dies möglich ist, zeigt sich schon heute bei internationalen Sportveranstaltungen, Risikofußballspie- len, sonstigen Großveranstaltungen, Besuchen hochran- giger Vertreter anderer Staaten, im Bereich des öffent- lichen Personenverkehrs, Schwerlasttransporten und der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften . Nicht zuletzt auch die von Unternehmen wahrgenommenen Sicher- heitsaufgaben im Bereich der kritischen Infrastrukturen beweisen, wie ernsthaft wir uns dieser Thematik widmen sollten . Gleichzeitig zeigen diese Beispiele, wie die Po- lizei und damit der öffentliche Haushalt entlastet werden kann . Sicherheit darf natürlich nicht abhängig sein von der Frage, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb muss der Kern staatlicher Aufgabenwahrneh- mung, also das Gewaltmonopol des Staates, klar garan- tiert sein . Staatliche und private Sicherheitskräfte sind dann in der Lage, als gut eingespieltes Team zusammen- zuarbeiten, und zwar im Interesse der inneren Sicherheit . Das Potenzial der deutschen Sicherheitswirtschaft ist be- reits hoch . Mit knapp 250 000 Mitarbeitern könnte diese Branche ein veritabler Bestandteil der deutschen Sicher- heitsarchitektur sein, aus meiner Sicht ist er es faktisch bereits . Allerdings sind die Qualitätsanforderungen, die wir im Bereich der öffentlichen Sicherheit stellen, sehr hoch . Daher braucht es einen solchen hohen Qualitäts- standard auch in der Sicherheitswirtschaft . Wer guten Gewissens Sicherheitsdienstleistungen dem Sicherheitsgewerbe zuweisen möchte, der muss sich darauf verlassen können, dass die Qualität den Standards entspricht, die der Bürger von uns gewohnt ist und auch erwartet . Das sehe ich heute in der Sicherheitswirtschaft noch nicht in ausreichendem Maße gewährleistet . Es gibt erkennbare Defizite. Nur ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Vorfälle der Vergangenheit, wo es in Flücht- lingsunterkünften zu erheblichem Fehlverhalten von Sicherheitspersonal gekommen ist . Der Gesetzentwurf soll dazu dienen, die Qualitätsanforderung an deutsche Sicherheitsunternehmen erkennbar zu steigern . Kurzfristig gedacht wirken diese höheren Qualitäts- standards vermeintlich belastend für die Unternehmen . Ich bin jedoch der Überzeugung, dass sich hohe Qualität immer durchsetzen wird . Öffentliche Auftraggeber kön- nen viel leichter Aufgabengebiete verlagern, wenn die Qualitätskriterien und das Image der Branche stimmen . Am langen Ende wird die Sicherheitswirtschaft davon profitieren, weil wir sie zu Qualität und damit auch zum Erfolg ein wenig zwingen . Nehmen wir das Beispiel Schweiz . Dort sind Quali- tätsstandards und das Image der Sicherheitswirtschaft herausragend gut . Aus Sicht der Bevölkerung stehen sich Sicherheitsunternehmen und Polizei in fast nichts nach . Allerdings wird dort auch wesentlich mehr in Zulassung, Überprüfung oder Aus- und Fortbildung investiert . Der hier vorliegende Gesetzentwurf ist ein sehr guter und wichtiger Schritt . Wir heben die Standards und ha- ben die Anforderungen an Gewerbetreibende verschärft . Nicht nur Bewachungsunternehmer müssen künftig einen Sachkundenachweis erbringen, sondern ebenso Bewa- chungspersonal, das bei der Bewachung von Flüchtlings- unterkünften und Großveranstaltungen in leitender und nicht leitender Funktion eingesetzt wird . In Bezug auf die Zuverlässigkeit ist nunmehr neben Auskünften des Gewerbezentralregisters, der Polizeibehörde, des Bun- deszentralregisters auch die Möglichkeit einer Abfrage bei den Landesbehörden für Verfassungsschutz gegeben . Im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung wird künftig für alle Gewerbetreibende sowie alle Bewacher von Flücht- lingsunterkünften und zugangsbeschränkten Großveran- staltungen eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz erfolgen . Des Weiteren haben wir gesetzliche Regelbei- spiele, die eine Unzuverlässigkeit begründen, eingeführt . Insbesondere das bundesweit einzuführende Bewacher- register war uns sehr wichtig, und hier danke ich aus- drücklich meiner Fraktionskollegin Frau Dr . Schröder für ihren Einsatz . Man könnte es auch als Gunst der Stunde bezeichnen, denn sie als ehemalige Innenpolitikerin hat Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18943 (A) (C) (B) (D) hier eine sehr gute Balance zwischen Wirtschafts- und Innenpolitik erreicht . Die Union sieht das bisher Erreichte als Erfolg, kann sich aber in Zukunft noch weitere Schritte in diese Rich- tung vorstellen . Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Branche halten wir ein sektorspezifisches Gesetz durch- aus für angemessen . Sinn und Zweck einer gewerblichen Bewachung – so die Intention des § 34a GewO – ist der gewerbsmäßige Schutz fremden Lebens und Eigentums . Die Sicherheitswirtschaft hat sich mittlerweile jedoch zu einem so wichtigen und vielfältigen Teil der Sicherheits- architektur entwickelt, dass es immer schwererfällt, dies alles unter lediglich eine Vorschrift des Gewerberechts zu subsumieren . Ein einheitliches Gesetz erschiene mir hier angemessener . Des Weiteren sollten wir in einem nächsten Schritt überlegen, ob eine einheitlich geregelte Berufsausbil- dung generell als Zugangsvoraussetzung für eine Tätig- keit im Sicherheitsgewerbe den gestiegenen Anforde- rungen und einem besseren Image dieses Berufsstandes nicht zuträglich wäre . Abschließend möchte ich aber noch einmal betonen, dass wir mit dem heute vorgelegten Gesetzesentwurf deutlich mehr Sicherheit und Qualität im Sicherheits- gewerbe auf den Weg bringen . Ich bitte Sie um Zustim- mung . Marcus Held (SPD): Heute behandeln wir abschlie- ßend den Regierungsentwurf zur Änderung bewa- chungsrechtlicher Vorschriften . Es ist ein gutes Gesetz geworden, was wir zusammen in der Koalition im par- lamentarischen Verfahren erarbeitet haben . Mein Dank gilt deswegen auch den Unionskolleginnen und -kolle- gen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bundesministerien für die gute Zusammenarbeit . Es ist wichtig, dass wir dieses Gesetz nun auf den Weg bringen . Denn nach verschiedenen Vorfällen und Übergriffen in Flüchtlingsheimen, aber auch im Hinblick auf Großver- anstaltungen brauchen wir vor allem ein gutes Überwa- chungsgewerbe mit qualifiziertem Personal. Ein solches konnte ich jüngst auch in meinem Wahlkreis kennenler- nen, das ich dann auch in meiner Funktion als ehrenamt- licher Stadtbürgermeister von Oppenheim für das hiesige Weinfest engagiert hatte . Die Medien waren nach dem viertägigen Weinfest voll des Lobes über dieses Unter- nehmen . Denn es gab nur wenige Zwischenfälle auf dem Weinfest . Der Oppenheimer Polizeichef wird in den Me- dien mit den Worten zitiert: „Das war eine gute Maßnah- me, sie sind zivil und deeskalierend, aber sehr präsent aufgetreten .“ Deshalb gab es auf dem Fest auch keinen einzigen Taschen- oder Handydiebstahl . Private Sicherheitsdienste sind, wie ich bereits mehr- mals betont habe, ein wichtiger Bestandteil in der Sicher- heitsarchitektur Deutschlands und an vielen Stellen nicht mehr wegzudenken . Immerhin über 200 000 Beschäftig- te hat das Sicherheitsgewerbe . Deswegen haben wir uns in der SPD-Bundestagsfraktion auch intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt . Dabei galt es, wie ich dies am Beispiel der Security-Firma in meinem Wahlkreis betont hatte, die bisher seriösen privaten Sicherheitsgewerbe zu stärken, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und gut qualifiziertes Personal haben, und die schwarzen Schafe, die es ja leider auch im privaten Sicherheitsge- werbe gibt, einzudämmen . Mit unter anderen folgenden Maßnahmen soll dies zukünftig gelingen: Sachkunde- nachweise als Erlaubnisvoraussetzung für Bewachungs- unternehmer, Sachkundenachweise für Bewachungsper- sonal in leitender Funktion, das Flüchtlingsunterkünfte oder zugangsgesicherte Großveranstaltungen bewacht, die Möglichkeit einer Anfrage beim Verfassungsschutz bezüglich des Bewachungsunternehmers und von Wach- personen, die Flüchtlingsunterkünfte oder Großveran- staltungen bewachen sollen und regelmäßige Überprü- fung der Zuverlässigkeit des Bewachungsunternehmers und des -personals . Das Herzstück des Gesetzes ist allerdings die Ein- richtung eines Bewacherregisters bis zum 31 . Dezember 2018 . Hier sollen die Daten der Bewachungsunternehmer und des -personals bundesweit erfasst werden . In einer Verordnung wird zusätzlich geregelt, dass das Mitführen eines Bewacherausweises zzgl . das Mitführen von Iden- tifizierungsdokumente verpflichtend wird. Ein, wie ich finde, guter Gesetzentwurf, den wir heute zu beschließen haben . Doch eins möchte ich hier eben- falls nicht unerwähnt lassen . Die innere Sicherheit ist ne- ben der äußeren und der sozialen Sicherheit ein wichtiges Bedürfnis für unsere Bürgerinnen und Bürger . Die hohe Abfrage beim KfW-Förderprogramm zum Einbruchs- schutz zeigt dies . Hier muss auch ein Schwerpunkt unse- rer parlamentarischen Arbeit liegen . Das Ende der Einsparungen bei der Bundespolizei in den letzten Jahren konnte die SPD gegenüber dem Koa- litionspartner zum Glück durchsetzen . Mehr Bundespoli- zisten werden in den nächsten Jahren wieder eingestellt . Auch in den Ländern darf beim Polizeipersonal nicht ge- spart werden . Qualifizierte Sicherheitsunternehmen werden zu- künftig die Sicherheitsstruktur in Deutschland stärken können . Ich bin mir sicher, dass der vorliegende Ge- setzentwurf dies umsetzen wird, sodass seriöse private Sicherheitsunternehmen mit gut ausgebildetem Personal gestärkt werden und Vorfälle, wie wir sie in der Vergan- genheit in Flüchtlingsunterkünften oder Großveranstal- tungen erleben mussten, verhindert werden können . Thomas Lutze (DIE LINKE): Die private Sicher- heitsbranche ist im Zuge der verstärkten Flüchtlingszu- wanderung deutlich gewachsen . Rund 10 000 der rund 219 000 Beschäftigten im Bewachungsgewerbe sind inzwischen in Flüchtlingsunterkünften tätig . Gab es im Jahr 2000 noch 2 570 Wach- und Sicherheitsdienste, sind nun etwa 4 000 Firmen auf dem Markt . Die Zahl der Mitarbeiter ist innerhalb der letzten sechs Jahre in der gesamten Branche um 48 000 angestiegen . Jene Mitar- beiter, die im Bereich des Schutzes von Flüchtlingsun- terkünften tätig sind, tragen oftmals Waffen, obwohl sie im Durchschnitt nur etwa zwei Wochen geschult werden . Die Liste der Vorfälle, in denen es in den letzten Jahren zu Fehlverhalten und Straftaten durch Sicherheitspersonal Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618944 (A) (C) (B) (D) kam, ist lang . Die Linksfraktion begrüßt es daher, dass die Bundesregierung angesichts der weiter steigenden Zahl von Bewachungsunternehmen erhöhte Standards einführen möchte, ebenso die regelmäßige Überprüfung von Unternehmen und Personal . Es ist überfällig, dass gesetzlich sichergestellt wird, dass die Gewerbetreiben- den und das Personal Standards der persönlichen Eig- nung, Zuverlässigkeit und Sachkunde erfüllen . Obwohl wir einzelne Maßnahmen begrüßen und glauben, dass sie eine Verbesserung darstellen, ist der Gesetzentwurf ins- gesamt jedoch ungenügend . Hierbei ist insbesondere die vorgesehene Möglichkeit des Datenabgleichs mit den Landesämtern für Verfas- sungsschutz zu kritisieren . Es ist nicht geregelt, ob die Landesämter lediglich melden, ob es einen Treffer im nachrichtendienstlichen Informationssystem gibt oder nicht oder ob die Landesämter im eigenen Ermessen eine Zuverlässigkeitsprognose abgeben sollen . Nicht nach- vollziehen können wir, dass die Regelungen zum Fach- kundenachweis nur bei bestimmten Tätigkeiten, nicht aber im gesamten Wachschutzgewerbe gelten sollen . Letztendlich fehlen auch konkrete Vorgaben hinsichtlich des genauen Inhalts und der Qualität der Ausbildung . Zwar wird durch verstärkte Kontrolle und ein bisschen mehr Transparenz auf die katastrophale Situation reagiert, jedoch ändert das nichts daran, dass die gegenwärtige Entwicklung der Privatisierung von Sicherheitsaufgaben ganz grundsätzlich bedenklich ist . Es wird Zeit, dass hier grundlegend umgedacht wird . Dass man dazu aber nicht bereit ist, zeigen die verschiedenen Rufe der Union nach mehr sogenannten Hilfspolizisten . Deren Ausbildung im Schnellverfahren ist aber ganz sicherlich nicht der richtige Weg . Nach maximal drei Monaten Ausbildung bereits mit Schusswaffe in Flüchtlingsunterkünften ein- gesetzt zu werden, wo schnell eine Situation entstehen kann, unter großem Stress eine Entscheidung zu treffen, kann verheerende Folgen haben . Hierzu braucht es viel- mehr eine intensive Polizeiausbildung und umfassende Rechtskenntnisse . Letztendlich handelt es sich hierbei um jene Ausbildung, welche private Sicherheitsdienste nur in deutlich geringerem Maße gewährleisten . Daran werden auch die nun geplanten erhöhten Standards nichts ändern. Deshalb findet der vorliegende Antrag bei der Linken keine Zustimmung . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Inzwi- schen sind zwei Jahre vergangen, seit 2014 die schweren Übergriffe von Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste auf Menschen in Flüchtlingsunterkünften stattgefunden haben . Zeit genug also, ein umfassendes Regelungskonzept zu erarbeiten – sollte man meinen . Daher wundert mich schon, dass im vorliegenden Entwurf nach – zahlreichen zum Teil auch guten Änderungen – der Bereich Aus-, Weiter- und Fortbildung nun letztlich weitgehend ausge- klammert bleiben soll . Dabei sind das doch gerade die entscheidenden Instrumente, mit denen am besten Qua- lität gefördert und der notwenige Schutz der Grund- und Menschenrechte in der täglichen Arbeit verankert wer- den kann . Hier wäre eine inhaltliche Reglung wichtig, die an- gemessen auf die unterschiedlichen Einsatzgebiete und die damit jeweils verbundenen Anforderungen eingeht . Aus genau diesem Grund reicht es auch nicht, wenn bei- spielsweise im Flüchtlingsbereich nur bei einer leitenden Funktion eine Sachkundeprüfung verlangt wird . Das wird der übertragenen Aufgabe nicht gerecht und schafft auch im Übrigen nicht die Grundlage für eine gute Zu- sammenarbeit mit staatlichen Stellen . Auch wäre es sinnvoll, konkrete Regelungen vorzuse- hen, die geeignet sind, bei privaten Sicherheitsdiensten die im öffentlichen Interesse notwenige Transparenz her- zustellen . Das gilt dabei besonders für die Sicherheits- dienste, die im staatlichen Auftrag tätig werden . Denn gerade im staatlichen Auftrag müssen hohe Maßstäbe gelten und auch eingehalten werden . Anders ist die Mit- wirkung privater Dienstleister an der Gemeinschaftsauf- gabe „Innere Sicherheit“ jedenfalls nicht vorstellbar und auch nicht zielführend . Und dabei muss auch klar sein und klar bleiben, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht aufgeweicht werden darf . Schließlich gibt es gute Gründe, die Ausübung ho- heitsrechtlicher Befugnisse in der Regel nur Angehöri- gen des öffentlichen Dienstes zu übertragen . Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt somit trotz ei- niger Verbesserungen weiter hinter dem Antrag meiner Fraktion vom Dezember 2014 zurück . Wie sich das Gesetz in der Praxis bewähren wird, hängt jetzt aber auch davon ab, wie der Vollzug ausge- staltet wird, wobei die wahrscheinlich wichtigste Fragen lauten dürfen: Wird die Zuverlässigkeitsprüfung dazu führen, dass zukünftig keine bekennenden Rechtsextre- men mehr in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt werden? Wird das geforderte Register so aufgebaut, dass tatsäch- lich wirksame Kontrollen vor Ort möglich werden? Ich hoffe, da wurde in den letzten zwei Jahren auch schon Vorarbeit geleistet . Wenig ambitioniert erscheint mir da aber, dass wesentliche Regelungen zur Zuverläs- sigkeitsprüfung erst 2019 in Kraft treten sollen . Eines muss uns allen jedenfalls klar sein: Vorkomm- nisse wie die von 2014 dürfen sich nicht wiederholen! Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Solidaritätszuschlag für gleichwertige Lebensver- hältnisse in ganz Deutschland verwenden (Tages- ordnungspunkt 19) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Liebe Kollegin- nen und Kollegen der Linken, auch ich bin der Meinung, dass der Bund auch nach dem Auslaufen des Solidarpak- tes II Ende 2019 mit in der Verantwortung ist, für gleich- wertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18945 (A) (C) (B) (D) Ich sehe die Lösung allerdings nicht wie Sie in der Fortführung des Solidaritätszuschlags, der schon jetzt nicht zweckgebunden in die Finanzierung der deutschen Einheit, sondern in den allgemeinen Bundeshaushalt fließt. Gleichwohl werden vom Bund enorme Lasten für die Entwicklung der neuen Länder geschultert . Was den Bundeshaushalt angeht, erwarten wir weiter- hin eine gute Entwicklung der Steuereinnahmen . Gleich- zeitig sparen wir aufgrund des Niedrigzinsumfelds und der soliden Haushaltspolitik unseres Finanzministers Zinsausgaben . Angesichts einer derartig guten Kassenlage finde ich es den Steuerzahlern gegenüber unverantwortlich, zu for- dern, eine Abgabe auf alle Ewigkeit weiterzuführen, bei deren Einführung wir den Bürgern versprochen hatten, dass sie nur auf Zeit erhoben werden würde . Abgesehen davon gibt es nicht unberechtigte Zwei- fel hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit unbegrenzter Fortführung . Und diese Ansicht wird von den Spitzen der Union geteilt: Im vergangenen Jahr haben sie sich auf einen schrittweisen Abbau des Soli ab dem Jahr 2020 geeinigt . Ein solches Vorgehen halte ich sowohl für haus- haltsverträglich als auch dem Steuerzahler gegenüber verantwortbar . Und damit ist es ein Vorhaben, das die CSU-Landesgruppe voll und ganz unterstützt . Eine Lösung für die finanzielle Ausstattung finanz- schwacher Länder – unabhängig von der Himmelsrich- tung – zu finden, ist meines Erachtens in erster Linie eine Aufgabe, die bei der laufenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gelöst werden muss . Hier liegen bereits Vorschläge auf dem Tisch, die durch- aus ohne eine Beibehaltung des Soli auskommen . Und auch der Bund stiehlt sich hier nicht aus der Verantwor- tung, sondern ist bereit, einen erheblichen finanziellen Beitrag zu leisten . Der Bund leistet schon jetzt enorme Unterstützung insbesondere für die Kommunen . Hier erinnere ich zum Beispiel auch an den 3,5 Milliarden Euro umfassenden Kommunal-Investitionsförderungsfonds, aus dem ins- besondere Investitionen finanzschwacher Kommunen gefördert werden . Durch eine zusätzliche Unterstützung in anderen Bereichen, die ein Vielfaches dessen beträgt, werden die Kommunen weiter entlastet, was ihnen zu- sätzliche Investitionsspielräume eröffnet . Noch ein Wort zum Gerechtigkeitsaspekt: Im Antrag der Linken ist die Rede davon, dass von einem Wegfall des Soli vor allem Gutverdiener profitieren. Das ist rich- tig, aber auch nur eine Seite der Medaille . Eine andere Betrachtungsweise ist, dass Gutverdiener seit 25 Jahren überproportional zum Aufkommen des Soli beitragen – ein Aspekt, der im Antrag gern verschwiegen wird . Dass sie das tun, ist auch gerecht . Aber genauso gerecht und zwangsläufige Folge ist, dass sie bei seiner Abschaffung auch entsprechend profitieren. Und Sie wissen, dass die Union ein Steuerreformvorhaben entwickelt, wodurch vor allem durch den Abbau des sogenannten Mittel- standsbauches und der Beseitigung der kalten Progres- sion untere und mittlere Einkommen entlastet werden sollen . Es ist also kein Argument des Antrags der Linken stichhaltig genug für mich, um den Solidaritätszuschlag bis in alle Ewigkeit aufrechtzuerhalten und womöglich regelmäßig neue Verwendungszwecke für ihn zu suchen . Eine glaubwürdige Haushalts- und Finanzpolitik sieht für mich und die Union anders aus . Daher kann die Uni- onsfraktion den Antrag der Linken nur ablehnen . Anja Karliczek (CDU/CSU): Die Menschen in ganz Deutschland haben mit dem Solidaritätszuschlag Großar- tiges geleistet . Sie haben mit diesem Geld zum Gelingen der deutschen Einheit und zur insgesamt guten Entwick- lung in Ost und West beigetragen . Dass es uns heute in Deutschland so gut geht wie niemals zuvor in der Bun- desrepublik, daran haben die Beiträge durch den Solida- ritätszuschlag einen hohen Anteil . Das verdient höchste Anerkennung . Der Solidaritätszuschlag wurde 1991 erstmalig erho- ben und zwar – das wird nach nunmehr 25 Jahren häufig vergessen – zunächst befristet für zwölf Monate . Diese Befristung wurde 1995 aufgehoben . Der Solidarpakt II zum Aufbau der ostdeutschen Länder und zur Bewäl- tigung der einheitsbedingten Lasten ist hingegen nicht befristet . Er läuft 2019 aus . Zwar besteht entgegen der öffentlichen Wahrnehmung kein rechtlicher Zusammen- hang zwischen dem Soli als einer Ergänzungsabgabe und dem Solidarpakt II als Bundesergänzungszuweisungen . Aber es besteht für die Menschen ein ideeller Zusam- menhang zwischen beidem . Das ist der Grund, warum die Bürgerinnen und Bürger spätestens 2019 eine klare Aussage über die Zukunft des Solidaritätszuschlags er- warten, und das ist der Grund, warum wir 2019 mit dem zumindest stufenweisen Abbau des Solidaritätszuschlags in der kommenden Legislaturperiode beginnen sollten . Der Solidaritätszuschlag darf nicht zu einer Dauerab- gabe werden . Aber wir werden den Soli nicht von jetzt auf gleich abschaffen können . Das müssen wir den Men- schen ehrlich sagen . Die Reduzierung muss im Einklang mit unserem Haushalt stehen . Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat dazu geführt, dass die Steuereinnahmen weit über den Erwartungen lie- gen . Das gibt uns die Möglichkeit, unseren Haushalt wei- ter zu konsolidieren und gleichzeitig für eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Damit profitieren sie ganz unmittelbar von der guten Wirtschaftslage . Immer wieder haben wir den Abbau des sogenannten Mittelstandsbauchs angemahnt . Aus Rücksicht auf die allgemeine Haushaltslage mussten wir dieses Vorhaben aber immer wieder zurückstellen . Jetzt ist die Zeit, damit Ernst zu machen . Das etappenweise Abschmelzen des Soli bedeutet nicht das Ende der Verpflichtung, die wir uns gegeben haben: für gleiche Lebensverhältnisse in allen Himmels- richtungen Deutschlands zu sorgen und die strukturellen Unterschiede zwischen den Ländern möglichst auszu- gleichen . Ganz im Gegenteil: Daran werden wir weiter arbeiten . Die Zukunft des Solidaritätszuschlags kann aber nur in der Gesamtsicht einer Einigung mit den Län- dern innerhalb der Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern entschieden werden . Darü- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618946 (A) (C) (B) (D) ber wird derzeit intensiv beraten . Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die finanzielle Ausstattung der Kom- munen und darauf, wie die Finanzen zwischen Bund und Ländern verteilt sind . In dem Antrag der Fraktion Die Linke wird vorge- schlagen, die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auch für die kommunale Daseinsvorsorge einzusetzen . Der Bund investiert bereits große Summen zur Entlas- tung der Bürger, und er wird dies weiter tun . Die Kommu- nen werden allein von 2012 bis 2017 um 30 Milliarden Euro entlastet, zum Beispiel bei den Sozialleistungen, insbesondere der Kinderbetreuung, der Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung . Die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft liegt in den Jahren 2015 bis 2017 bei 14,2 Milliarden Euro . Bei der Förderung von Investitionen für Land und Kommunen wurden von der Bundesregierung 3,5 Milliarden Euro Fördergelder aufgelegt. Allein in dieser Wahlperiode fließen rund die Hälfte der 23 Milliarden Euro der prioritären Maßnah- men aus dem Koalitionsvertrag an die Länder und Kom- munen . Das ist eine Leistung des Bundes . Ziel der Bund-Länder-Verhandlungen muss es jetzt sein, eine Gesamtregelung zu finden, die nachhaltig ist, die tragfähig ist und die jeder Ebene unseres föderalen Systems gerecht wird, die aber auch klar die Verantwort- lichkeiten einer jeden Ebene bemisst . Und – das möchte ich noch einmal hervorheben –: Wir müssen mit Blick auf die Schuldenbremse handlungsfähig bleiben . Auch das gilt für jede unserer staatlichen Ebenen . Das bedeu- tet auch: Es darf keine Besserstellung der Länder allein auf Kosten des Bundes geben . An der Konsolidierung der Haushalte haben sich die Länder angemessen zu beteili- gen . Die Bundesländer tragen Verantwortung für die Fi- nanzen ihrer Kommunen . Diese müssen sie wahrnehmen . Und ich meine: Sie müssen sie sogar in einem höheren Umfang wahrnehmen, als das bisher der Fall ist . Das ist der Weg, um eine gute Entwicklung in allen Landesteilen fortzusetzen und nachzusteuern, wo es notwendig ist . Bernhard Daldrup (SPD): Der Solidaritätszuschlag oder Soli hat einen etwas missverständlichen Namen . Schließlich handelt es sich hierbei letztlich um nichts anderes als eine Steuer, wenn auch in Form einer Son- derabgabe . Derzeit bringt der Solidaritätszuschlag dem Bund jährliche Einnahmen von rund 15 Milliarden Euro . Bei seiner Einführung wurde der Solidaritätszuschlag schlicht mit der „Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands“ begründet . Trotzdem ist er nicht identisch mit dem Solidarpakt, dem Finanzrahmen für die Aufbau- leistungen in Ostdeutschland nach der Einheit . Der Soli- darpakt läuft 2019 aus, der Solidaritätszuschlag – also die Steuer – ist hiervon jedoch unabhängig . Der Solidaritäts- zuschlag ist darum auch nicht zeitlich befristet . Es gibt Leute, die nun fordern, man müsse den Soli- daritätszuschlag abschaffen, weil er seinen Sinn verloren habe . Das halte ich für falsch . Ich teile vielmehr die Ein- schätzung der Fraktion Die Linke, dass wir dieses Geld auch künftig dringend benötigen, um für die Gleichwer- tigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen, so wie es das Grundgesetz vorschreibt . Wir brauchen das Geld für Bildung, Infrastruktur, Breitbandausbau und viele andere Dinge, die lebenswerte Kommunen ausma- chen . So sieht es ja auch die Bundeskanzlerin, die noch im Dezember 2014 erklärt hat: „Wir werden auf jeden Fall auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts auf die Ein- nahmen aus dem Solidaritätszuschlag angewiesen sein .“ An dieser Feststellung hat sich bis heute nichts geändert . Wie sollte der Staat auch plötzlich auf Einnahmen von 15 bis 20 Milliarden Euro im Jahr verzichten, ohne seine Aufgaben massiv zu vernachlässigen? Ich möchte den- jenigen sehen, der die seitenlange Liste mit Kürzungs- vorschlägen für diejenigen staatlichen Leistungen prä- sentiert, die wir uns dann nicht mehr leisten können . Wer den Solidaritätszuschlag ersatzlos abschaffen will, muss darum auch sagen, wie er das finanzieren will. Das gilt umso mehr für Forderungen nach noch weitergehenden Steuerentlastungen . Warum lehnen wir es als SPD-Fraktion ab, die Steuer- einnahmen des Staates so massiv zu beschneiden? Mehr als 25 Jahre nach der Deutschen Einheit sehen wir heute, dass sich die Lebensverhältnisse in Deutschland immer noch stark unterscheiden – ja, die Unterschiede nehmen sogar wieder zu . Inzwischen sind es zum Glück weni- ger die Unterschiede zwischen Ost und West, die uns die größten Sorgen machen . Die Solidarpakte I und II haben hier viel Gutes bewirkt . Umso größere Sorgen bereiten uns heute strukturschwache, häufig altindustrielle und schrumpfende Gebiete in einigen Teilen Deutschlands, die besonders stark vom demografischen Wandel betrof- fen sind . Schwierig ist die Situation etwa in Teilen der ostdeut- schen Bundesländer, im Ruhrgebiet oder im Saarland, aber eben nicht nur dort . Eines der Länder mit den größ- ten Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen ist heute Bayern: Die Lebensbedingungen am Starnberger See sind meilenweit entfernt von denen im Bayerischen Wald . Diese neuen regionalen Ungleichheiten verlaufen somit nicht mehr nur zwischen Ost und West und auch nicht ausschließlich entlang des alten Stadt-Land-Gefäl- les . Wenn wir es mit der Gleichwertigkeit der Lebensver- hältnisse ernst meinen und überall in Deutschland le- benswerte Kommunen erhalten wollen, brauchen wir ei- nen neuen Solidarpakt für Deutschland: ein solidarisches Projekt, um das Auseinandergehen der Lebensverhältnis- se zwischen wachsenden und schrumpfenden Regionen zu bekämpfen . Ein solcher Solidarpakt wird sich daran orientieren, wo der Bedarf am größten ist – und nicht, wie in der Vergangenheit, lediglich an der Himmelsrich- tung . Das wird Geld kosten . In einer solchen Situation auf Einnahmen von 15 bis 20 Milliarden Euro zu ver- zichten, wäre darum der völlig falsche Weg . Am Instrument des Solidarzuschlags hängen wir da- bei allerdings nicht . Man kann ja tatsächlich die Frage stellen, ob eine Sonderabgabe, wie sie der Soli nun ein- mal ist, ein geeignetes Instrument für die langfristige Si- cherung der staatlichen Einnahmen ist . Insofern sind wir bei der Frage nach der Zukunft der Sonderabgabe So- lidarausgleich durchaus gesprächsbereit . Ich erinnere an Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18947 (A) (C) (B) (D) den gemeinsamen Vorschlag von Bundesfinanzminister Dr . Wolfgang Schäuble und Hamburgs Erstem Bürger- meister Olaf Scholz, die im Rahmen der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich vorgeschlagen hatten, den Soli in die Einkommenssteuer zu integrieren . Dieser Vor- schlag ist leider an der CSU gescheitert . Aus Sicht der SPD ist somit nicht wichtig, ob das In- strument des Solidarzuschlags in seiner jetzigen Form erhalten bleibt . Entscheidend ist für uns vielmehr, das Einnahmevolumen des Solis langfristig zu erhalten, um die notwendigen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu ermöglichen . An diesen Überlegungen merkt man: Man kann die Zukunft des Solidaritätszuschlags nicht diskutieren, ohne das gesamte Konstrukt der Bund-Länder-Finanzbezie- hungen in den Blick zu nehmen . Letztlich geht es um die Frage, wie Solidarität in diesem Land organisiert werden muss . Das ist auch der Grund, warum wir den Antrag ab- lehnen . Zwar geht der Antrag inhaltlich in die richtige Richtung, bei den konkreten Forderungen springt er aber zu kurz: Die Linke fordert, den Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form und Höhe beizubehalten . Das ist uns zu unflexibel und zu starr. Richtig ist, dass wir auf das Einnahmevolumen des Solis nicht leichtfertig ver- zichten sollten . Auf welche Weise wir diese Einnahmen jedoch sichern, ist dabei nachrangig . Denkbar sind hier verschiedene Lösungswege: von der Integration des Soli in die Einkommenssteuer bis hin zu den verschiedenen Formen einer neuen Gemeinschaftsaufgabe . Dr. Jens Zimmermann (SPD): Die Frage, wie wir in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse schaf- fen können, steht auf der Agenda der Bundesregierung und auch der Bundesländer weiterhin ganz oben . Gleich- wertige Lebensverhältnisse bedeuten aus sozialdemokra- tischer Sicht, dass die Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können . Wir wollen, dass Deutschland ein gerechtes und erfolgreiches Land bleibt – ein Land, in dem die Gesell- schaft zusammenhält . Die Einheitsfrage stellt sich inzwischen neu, nicht mehr nur zwischen Ost und West, sondern quer durchs Land . Die Schere zwischen prosperierenden und notlei- denden Kommunen geht weiter auseinander . Gleichwer- tige Lebensverhältnisse, für die der Bund verfassungsmä- ßig gemäß Artikel 72 Absatz 2 GG in der Verantwortung steht, sind kein Garant, aber eine wichtige Grundlage für den Zusammenhalt einer Gesellschaft . Für diesen Zu- sammenhalt sorgen in Deutschland die sozialen Trans- fersysteme, die für unterschiedliche Lebenssituationen individuelle Unterstützung bieten . Mindestlohn, Miet- preisbremse oder die Erhöhung des Wohngeldes sind nur einige Beispiele für sozialdemokratische Errungenschaf- ten in der aktuellen großen Koalition . Finanzpolitisch geht es bei der Frage der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse darum, für die Zeit nach 2019 die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu regeln, und zwar so, dass Kommunen in Ost- und West- deutschland je nach Bedürftigkeit Mittel erhalten . Dafür führen alle Beteiligten viele Gespräche . Mit Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahre 2019 steht auch zur Dis- kussion, was mit dem Solidaritätszuschlag passieren soll . Der hier zu beratende Antrag der Kollegen der Fraktion der Linken beschäftigt sich ebenfalls mit der Zukunft des Solidaritätszuschlages . Die Linken betonen in ihrem An- trag den großen Beitrag, den der Solidaritätszuschlag für die Wiedervereinigung Deutschlands geleistet hat, und fordern, ihn weiterhin als Instrument einzusetzen, um für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu sor- gen . Sie fordern in dem Antrag von der Bundesregierung deshalb zum einen, den Solidaritätszuschlag in seiner jet- zigen Höhe und Form als Bundessteuer beizubehalten . Zum anderen fordern sie die Bundesregierung auf, Vor- schläge zu unterbreiten, wie der Soli zukünftig zur Her- stellung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnis- se in Deutschland verwendet werden kann – ob über eine Finanzierung eines Vorausgleichs zwischen den Ländern, einer Aufstockung kommunaler Infrastruktur- und Inves- titionsmittel oder eines Solidarpaktes III . Wir als SPD-Fraktion teilen die Ansicht, dass der Soli- daritätszuschlag in der Vergangenheit unentbehrlich war und auch immer noch ist, um die Solidarpakte I und II fi- nanziell zu stützen . 2015 betrugen die Einnahmen durch den Soli, die allein dem Bund zustehen, knapp 16 Mil- liarden Euro . Auf Grundlage des Solidaritätszuschlags- gesetzes wird der Soli erhoben als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer und Körper- schaftsteuer . Es ist richtig, die Beratungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen auch dazu zu nutzen, die Struk- tur des Solidaritätszuschlages anzupassen . Es gibt aller- dings verschiedene Vorschläge, wie der Soli umstruktu- riert werden soll . Die Diskussion dreht sich darum, ob der Soli schrittweise abgebaut oder in anderer Form bei- behalten werden soll . Einig sind wir uns in der Großen Koalition jedenfalls darüber, dass es aus haushälterischer Perspektive für den Bund problematisch wäre, den Soli auf einen Schlag abzuschaffen . Der Bund braucht auch für die kommenden Jahre einen finanziellen Spielraum für Investitionen . Aus unserer Sicht geht es einerseits um die Frage, wie die Einnahmen aus dem Soli langfristig auch den Ländern und Kommunen für ihre Aufgaben zugutekommen können . Und andererseits geht es da- rum, nicht in verfassungsrechtliche Schwierigkeiten zu geraten . Denn der Solidaritätszuschlag ist als sogenann- te Ergänzungszuweisung von seinem Wesen her zwar zeitlich nicht befristet, aber eigentlich als eine vorüber- gehende Zusatzabgabe für die Arbeitnehmer gedacht . Deshalb gibt es immer wieder Diskussionen um die Verfassungsmäßigkeit des Soli . Unter anderem das Nie- dersächsische Finanzgericht vertritt deshalb die Auffas- sung, dass – auch unter Berücksichtigung der sprudeln- den Haushaltseinnahmen des Bundes – die Erhebung des Soli verfassungswidrig sei . Momentan steht hierzu eine Entscheidung des BVerfG noch aus . Deshalb halten wir es für sinnvoll – und diese Ansicht teilen wir mit vielen Bundesländern –, den Soli nach 2019 in die Einkommen- steuer zu integrieren . So müsste der Bund langfristig nicht vollständig auf die Einnahmen aus dem Soli verzichten, und Länder und Kommunen würden über die bestehen- den Regelungen der Finanzverfassung automatisch einen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618948 (A) (C) (B) (D) Teil der Einnahmen erhalten . Mit einer Integration des Soli in den Einkommensteuertarif würde man außerdem auch der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages aus dem Weg gehen . Wir wollen zukünftig auch die Länder und Kom- munen an den Einnahmen aus dem Soli beteiligen und gleichzeitig verfassungsrechtliche Probleme vermeiden . Für beide Anliegen bietet der vorliegende Antrag keine Lösung an . Deshalb lehnen wir den Antrag ab . Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Debatten um den Soli . Von konservati- ver und liberaler Seite werden dabei eine Vielzahl von Mythen und Verdrehungen in die Welt gesetzt, um ihn in der Bevölkerung unbeliebt zu machen . Immer wieder wird behauptet, der Soli sei erstens zeitlich beschränkt, stelle zweitens eine große finanzielle Belastung für die Bürgerinnen und Bürger dar, sei drittens ausschließlich für den Aufbau Ost bestimmt gewesen und viertens nicht mehr verfassungsgemäß, da fünftens dieser Zweck nun vollendet sei . Lassen Sie mich diese fünf Punkte rich- tigstellen . Erstens ist der Solidaritätszuschlag eine Bundessteuer ohne Verfallsdatum . Zweitens trifft der Soli nicht die kleinen Einkommen, sondern vor allem die Besser- und Spitzenverdiener so- wie die Kapitalgesellschaften . Er arbeitet damit eher ge- gen die soziale Spaltung . Drittens wurde das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 nicht durch eine, sondern durch vier Aufgaben begründet, nämlich mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, der langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanz- ausgleichs und der Entlastung der öffentlichen Haushal- te . Der Solidaritätszuschlag dient also nicht exklusiv dem Aufbau Ost . Das ist eine Geschichtsklitterung, die durch Wiederholung nicht weniger falsch wird . Viertens sei der Soli nicht mehr verfassungsgemäß, paradoxerweise genau deshalb, weil der Solidarpakt II ausläuft und der Bund die Mittel nun zunehmend einfach selbst behält, statt sie in notleidende Regionen weiter- zuleiten . Aber zum einen könnte die Regierung dieses selbstgemachte Problem leicht lösen . Und zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Verfas- sungsgemäßheit des Solidaritätszuschlags unterstrichen und Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollan- träge in den letzten Jahren stets zurückgewiesen . Dies unterstreicht auch ein jüngeres Gutachten des Wissen- schaftlichen Dienstes des Bundestages . Es gibt keinen Anlass zur Sorge von einem juristischen Haushaltsrisiko, das ist reine Propaganda . Fünftens wird der zweistellige Milliardenbetrag wei- terhin dringend gebraucht, den der Soli Jahr für Jahr zuverlässig generiert . Nicht zuletzt die Kanzlerin selbst musste diese Realität anerkennen und betonte vor zwei Jahren, dass und warum sie den Soli auch über 2019 hi- naus erhalten will: „Wir wollen keine Steuererhöhung, aber wir können auf bestehende Einnahmen auch nicht einfach verzichten .“ Konkret sprach sie auch den an- haltenden Bedarf an, nämlich die strukturschwachen Regionen in den neuen Bundesländern wie auch in den alten . Deshalb dürften die Entwicklungsmaßnahmen für notleidende Regionen nicht mit dem auslaufenden Solidarpakt II enden . Leider folgten ihren Worten keine Taten, ein dritter Solidarpakt III ist nicht einmal offen angedacht, geschweige denn in Planung . Im Gegenteil wird alle Jahre wieder, gerade auch von Bundesfinanz- minister Schäuble, sogar eine schrittweise Abschaffung des Solis ins Spiel gebracht . Das sind schlicht populisti- sche Spielchen auf Kosten abgehängter Regionen in ganz Deutschland . Dagegen bringt die Linke den Antrag „Solidaritäts- zuschlag für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland verwenden“ ein . Darin enthalten sind kon- krete Vorschläge zu seiner künftigen Verwendung . Falls dieser Vorschlag von der Regierungskoalition im Plenum abgelehnt wird, fordern wir sie auf, eine eigene Initiati- ve dazu auf den Weg zu bringen . Investieren Sie in die flächendeckende Zukunftsfähigkeit Deutschlands, und legen Sie endlich einen dritten Solidarpakt auf . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag, den Solidari- tätszuschlag beizubehalten . Auch wir glauben, dass nicht so ohne Weiteres auf die Einnahmen des Solis verzichtet werden kann, wie zum Beispiel Herr Schäuble dies be- hauptet . Der Finanzminister verspricht Steuersenkungen, anstatt wirksam und nachhaltig den Investitionsstau oder die Altschuldenproblematik von Ländern und Kommu- nen anzugehen . Es muss darum gehen, zukunftsfähi- ge Reformvorschläge zu erarbeiten . Ziel muss es sein, finanzschwache Länder und Regionen solidarisch zu unterstützen – und zwar unabhängig von Himmelsrich- tungen . Eine strukturelle Reform der gesamten Finanzbe- ziehungen zwischen Bund und Ländern muss die wach- sende wirtschaftliche Ungleichheit zwischen armen und reichen Regionen angemessen ausgleichen, um unserem Verfassungsauftrag gerecht zu werden . Wir sprechen heute über den Solidaritätszuschlag auch vor dem Hintergrund eines Vermittlungsausschus- ses, der in letzter Sekunde – genau genommen sogar eini- ge Minuten nach der gesetzten Frist – einen Kompromiss in einer anderen Frage, nämlich für die Erbschaftsteuer- reform, gefunden hat . Als Mitglied dieses Vermittlungs- ausschusses muss ich sagen: So wichtig es ist, die Hand- lungsfähigkeit der Politik zu zeigen, so wenig zufrieden bin ich mit dem Ergebnis . Auch beim Thema Solidaritätszuschlag und bei der zwingend dazugehörigen Neuordnung der Bund-Län- der-Finanzbeziehungen nähern wir uns einer Frist in großen Schritten . Die jetzigen Regelungen gelten zwar bis 2019 – aber durch die anstehenden Landtags- und die Bundestagswahl wird weder eine Einigung im nächsten Jahr noch eine Einigung in 2018 nach Konstituierung des neuen Parlamentes einfacher . Es gilt, sich in diesem Herbst endlich wieder an den Verhandlungstisch zu begeben und auf eine transparente Weise eine Reform auf den Weg zu bringen, die der An- forderung des Grundgesetzes gerecht wird, gleichwerti- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18949 (A) (C) (B) (D) ge Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu ermöglichen . Der jetzige Länderfinanzausgleich wird diesen Heraus- forderungen nicht mehr gerecht und ist auch nicht auf die zukünftige demografische und sozialräumliche Ent- wicklung vorbereitet . Viele Kommunen leiden unter ei- ner maroden Infrastruktur, hohen Schuldenständen und einem immensen Investitionsstau . Anderen hingegen geht es prächtig . Dabei geht die Schere zwischen armen und reichen Kommunen immer weiter auseinander . Auf diese Herausforderung könnte im Rahmen einer Gesam- treform eine neue Ausrichtung des Solidaritätszuschlags unabhängig von Himmelsrichtungen eine Antwort sein . Auch die Länder brauchen Planungssicherheit, mit welchen Einnahmen sie ab dem Jahr 2020 rechnen dür- fen . Man kann doch nur anständige Politik machen, wenn man weiß, wie viele Mittel einem voraussichtlich zur Verfügung stehen . Wenn die Große Koalition diese Fragen nicht beantwortbar macht, brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Länder nur auf den Bund schielen und ihn für missglückte Finanzplanungen verantwortlich machen . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsver- kehrs (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Wir befinden uns in einer paradoxen Situation . Im alltäglichen priva- ten, beruflichen und öffentlichen Bereich bedienen wir uns Tag für Tag elektronischer Dokumentation . Im Ok- tober 2013 wurde durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in Gerichten die elek- tronische Aktenführung in den meisten gerichtlichen Verfahrensordnungen etabliert – nicht aber so in Straf- sachen . Hier müssen Akten immer noch in Papierform geführt werden, obwohl der Großteil ihres Inhalts mit- hilfe von elektronischer Datenverarbeitung erstellt und übermittelt wird . Durch die aktuelle rechtliche Lage wird der Arbeitsaufwand erhöht und das Verfahren verlängert . Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung passt die Vorschriften über den elektronischen Rechts- verkehr in Strafsachen an die Regelungen für andere Gerichtsbarkeiten an und modernisiert so die Strafjus- tiz . Obwohl die große StPO-Reform von Justizminister Maas wohl als gescheitert abgeschrieben werden muss, setzt sich die Union hier weiterhin für eine Verbesserung der Justiz ein . Der Entwurf sieht eine optionale elektronische Akten- führung bis zum 31 . Dezember 2025 vor . Ab 2026 soll die elektronische Aktenanlegung und -führung in Straf- sachen verbindlich sein . Für andere Gerichtsbarkeiten soll die verpflichtende Einführung der elektronischen Akte in gesonderten Gesetzen erfolgen, um dem unter- schiedlichen Umstellungsaufwand in den verschiedenen Rechtsbereichen Rechnung zu tragen . Der Entwurf sieht bewusst keine technischen und or- ganisatorischen Vorgaben vor, sondern steckt den recht- lichen Rahmen ab . Zum einen sollen Ergänzungen und Änderungen in der Strafprozessordnung vorgenommen werden, um eine elektronische Akteneinsicht zu ermögli- chen . Zum anderen werden der elektronische Rechtsver- kehr in Strafsachen und die Kommunikation zwischen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten neu gere- gelt . Nur so können die eingangs beschriebenen beste- henden Hürden abgebaut werden . Gleichzeitig können die vielfältigen Vorteile von elek- tronischen Akten genutzt werden: Die Kommunikation zwischen Gerichten, Behörden und Verfahrensbeteiligten wird beschleunigt . Akten werden kontinuierlich verfüg- bar, und es kann gleichzeitig von verschiedenen Orten auf sie zugegriffen werden . Außerdem wird die Auswertung, Darstellung und Verarbeitung von Daten vereinfacht . All dies führt zu Einsparungen von Raum-, Personal-, Porto- und Versandkosten . Jedoch birgt die elektronische Akte in Strafsachen nicht nur Vorteile, sondern auch eine erhöhte Gefahr für das Grundrecht der im Strafprozess Beteiligten auf in- formelle Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Grundgesetz . Daher sieht der Gesetzentwurf neben dem allgemeinen Datenschutzrecht bereichsspezifische Datenschutzregelungen vor. Nach diesen ist eine Verarbeitung und Nutzung von personen- bezogenen Daten in einer elektronischen Akte nur zuläs- sig, solange sie für das konkrete Strafverfahren erforder- lich ist . Eine Verwendung für verfahrensübergreifende Zwecke ist hingegen ausgeschlossen . Eine Erhebung von personenbezogenen Daten ist nur im Rahmen strafpro- zessrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen wie §§ 161, 163 StP0 möglich . Darüber hinaus sieht der Entwurf organisatorische und technische Maßnahmen vor, um den besonderen An- forderungen von den hochsensiblen personenbezogenen Daten im Strafrecht gerecht zu werden . Diese Maßnah- men werden durch Rechtsverordnungen auf Grundlage von §§ 32 II, III, 32b V und 32f V Strafprozessordnung konkretisiert . Hierbei handelt es sich beispielsweise um Zutritts-, Zugriffs-, Weitergabe- oder Verfügbarkeitskon- trollen . Eine Verwendung der personenbezogenen Daten aus den elektronischen Akten soll nur zulässig sein, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet wird . Um datenschutzrechtlich bedenkliche Rasterfahn- dungen zu verhindern, ist ein maschineller Abgleich nur bei zuvor individualisierten Akten zulässig . Letzteres werden wir unter Berücksichtigung des Vorschlags des Bundesrats diskutieren . Hiernach soll ein maschineller Abgleich innerhalb der jeweiligen Strafverfolgungsbe- hörde zulässig sein, wenn sie strafrechtlichen Ermittlun- gen dient . Wir wollen mit all diesen Regelungen die bestmög- liche Kombination aus den Vorteilen und Errungen- schaften der technischen Innovation und den Schutz des Grundrechts der Betroffenen erreichen . In den ausste- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618950 (A) (C) (B) (D) henden Beratungen ist es mir von Wichtigkeit, dass wir in Einklang mit den Bundesländern effektive Reglungen finden, die auch in den Landeshaushalten darstellbar sind . Hier bitte ich das BMJV, noch intensiver auf die Länder einzugehen . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir beraten heute in der ersten Lesung den Gesetzentwurf zur Einführung der elektronischen Akte im Strafverfahren . Für die anderen Verfahrensordnungen wurde bereits im Jahr 2013 der Einzug der elektronischen Gerichtsakte beschlossen . Vielen Anwaltskanzleien liegen die Akten aus einem Strafverfahren nur noch in digitaler Form vor . Die Er- mittlungsbehörden und Gerichte sichten die mittels elek- tronischer Datenverarbeitung erstellten Dokumente am Bildschirm . Es kann festgestellt werden, dass die elek- tronische Arbeit schon heute die Realität in der Justiz darstellt . Jeder digitalisierten Akte liegt jedoch weiterhin die Akte in Papierform zugrunde . Mit der elektronischen Akte in Strafsachen soll der technische Fortschritt nachvollzogen und die Strafjustiz modernisiert werden . Es handelt sich um weit mehr als den Wechsel eines Mediums . Die Vorteile einer elektro- nischen Aktenführung sind nicht von der Hand zu wei- sen . Der manuelle Transport und die postalische Versen- dung der Akten in Papierform zwischen Ermittlungsbe- hörden, Gerichten und Rechtsanwälten nehmen viel Zeit in Anspruch und verursachen hohe Kosten . Die Versendung der Akte bedingt die zeitweise Nicht- verfügbarkeit und führt zur Verlängerung der Verfahrens- dauer . Die Lagerung der Papierakten ist mit hohen laufenden Kosten für Vorhalte- und Erhaltungsmaßnahmen verbun- den . Demgegenüber können elektronische Akten nach Be- griffen schneller durchsucht und gefiltert werden. Ver- knüpfungen zwischen verschiedenen Aktenbestandteilen lassen sich einfacher erstellen . Arbeitserleichterungen könnte auch der direkte Zu- griff auf Gesetztestexte oder zitierte Fundstellen im Ge- setzeskommentar verschaffen . Mit diesem Gesetzentwurf soll die gesetzliche Grund- lage für die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen geschaffen werden . Die Vorteile der elekt- ronischen Akte wiegen schwer . Es müssen aber auch Be- denken geäußert werden . Die Führung einer elektronischen Akte stellt einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf infor- mationelle Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten dar . Das Grundrecht wird nur nicht verletzt sein, wenn wir weiterhin den absoluten Datenschutz gewährleisten können . Bedenken in Fragen des Datenschutzes bestehen dabei in unzähliger Vielfalt: Es besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs durch unbefugte Zugriffe von außen, aber auch durch die unbe- fugte Verwendung durch Personen mit Zugriffsrechten . Ein elektronisches Dokument lässt sich einfacher mani- pulieren und die Veränderung schwerer nachvollziehen . Es besteht in höherem Maße die Anfälligkeit von Daten- verlust als bei einer Papierakte . Weiterhin stellt sich auch die Frage, ob die Justizverwaltungen die Datenhoheit technisch und finanziell wahren können oder eine Ver- lagerung auf externe Dienstleister unter Wahrung des Grundrechtsschutzes notwendig ist . – Diese Liste ließe sich noch um weitere Aspekte verlängern . Im Zusammenhang mit dem Datenschutz ist der Ver- fahrensgrundsatz der Unschuldsvermutung zu sehen . Für Medien und die breite Öffentlichkeit geht mit einem Anfangsverdacht oftmals die Vorverurteilung einher . Eine Differenzierung zwischen einem laufenden Ermitt- lungsverfahren und einer gerichtlichen Verurteilung ist zunehmend nicht erkennbar . Es muss Aufgabe des Ge- setzgebers und der Justizbehörden sein, die Beschuldig- tenrechte durch Datenschutz zu wahren . Einen weiteren Aspekt möchte ich mit einer Phrase beleuchten: Wer schreibt, der bleibt, wer speichert, muss die Lesbarkeit sicherstellen . Mir stellt sich die Frage, ob wir auf eine Archivierung ohne Papierakten verzichten können . Die Vorteile der Ersparnis von Ressourcen und die Eingrenzung von La- gerungskosten sind hoch zu bewerten . Es muss aber si- chergestellt sein, dass elektronische Akten auch in meh- reren Jahrzehnten noch lesbar sind . Ich sehe eine weitere Gefahr des Verlusts wichtiger Daten . Diese Fragestellungen müssen in der weiteren Bera- tung in den Ausschüssen diskutiert und Antworten gefun- den werden . Die Beschuldigtenrechte stellen ein wichti- ges Gut in einem Rechtsstaat dar . Machen wir uns an die Arbeit! Dirk Wiese (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf der Bundesregierung wird die gesetzliche Grundla- ge für die Führung elektronischer Akten im Strafverfah- ren geschaffen . Damit gleichen wir die Regelungen zur Erstellung, Aufbewahrung und Abfrage von Strafakten an die meisten gerichtlichen Verfahrensordnungen an, wo schon seit einigen Jahren die Möglichkeit der elek- tronischen Aktenführung besteht . Die Führung elektro- nischer Akten im Strafverfahren soll danach für einen Übergangszeitraum ab 1 . Januar 2018 möglich sein und ab 1. Januar 2026 verpflichtend und flächendeckend ein- geführt werden . Diese Anpassung ist dringend notwen- dig; denn alleine der Prozess der Erstellung von Strafak- ten entbehrt derzeit einer gewissen Logik . Obwohl die Mehrzahl der in Strafakten befindlichen Dokumente bereits mittels elektronischer Datenverarbeitung erstellt und zunehmend auch elektronisch übermittelt wird, muss am Ende aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Papier- dokument stehen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, den wir heute hier in erster Lesung beraten, werden wir nach Verabschiedung einen Schlussstrich unter diese um- ständliche Handhabe ziehen und die Regelungen über die Erstellung, Aufbewahrung und Herausgabe von Strafak- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18951 (A) (C) (B) (D) ten durch Digitalisierung den meisten gerichtlichen Ver- fahrensordnungen angleichen . Bis zur Verabschiedung des Gesetzes führt der Weg aber erst einmal über die Ausschussberatungen, und da möchte ich die Gelegenheit nutzen, um kurz zwei Punkte zu nennen, bei denen ich erhöhten Beratungsbedarf sehe . Erstens habe ich mit hohem Interesse die Stellungnah- me des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverban- des zur Kenntnis genommen und bedanke mich für die Zusendung . Wir werden hier noch einmal genau prüfen müssen, inwieweit wir den Gesetzentwurf verändern müssen, um eine möglichst hohe Zugänglichkeit auch für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten . Ich ste- he hierzu auch schon mit meiner Kollegin Kerstin Tack, der behindertenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundes- tagsfraktion, im intensiven Austausch . Zweitens möchte ich kurz den Kernpunkt der Stellung- nahme des Bundesrates ansprechen: die Kosten für den Betrieb des Internetportals zum Abruf der Akten . Dieses Portal soll – nach derzeitigem Stand – in die IT-Architek- tur der Landesjustizverwaltungen integriert werden . Ein Abruf von Daten über dieses Portal soll kostenfrei sein . Hier kritisiert der Bundesrat, dass ein kostendeckender Betrieb des Portals durch die Länder somit nicht möglich sei . Gerne können wir uns das in den Ausschussverhand- lungen näher anschauen . Ich möchte jedoch schon hier kurz die Gegenäußerung der Bundesregierung zitieren, die Folgendes klarstellt: Die in den Ländern geplanten und bereits konkret eingeleiteten Maßnahmen zur Einführung des elek- tronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung beruhen auf der „Grobkalkulation des Verbesserungs- und Investitionsbedarfs für die Ein- führung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte“, die im März 2014 im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Informations- technik in der Justiz erstellt wurde . Diese Erhebung erfasst den gesamten in der ordentlichen Gerichts- barkeit und den Fachgerichtsbarkeiten entstehen- den Kostenbedarf . Die in den Ländern geplanten und bereits konkret eingeleiteten Maßnahmen zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung beruhen auf dieser Kalkulation . Eine gesonderte Kostenermittlung al- lein für den Bereich des Strafverfahrens wäre vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, weil die Ak- tenführungssysteme in den Ländern einheitlich für die gesamte ordentliche Gerichtsbarkeit entwickelt werden . Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Im Grundsatz spricht nichts dagegen, aber alles dafür, auch in Straf- sachen die elektronische Akte einzuführen . Deshalb ist im Grundsatz der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen auch zu begrüßen . Die Vorteile einer elektronischen Akte haben Sie im Gesetzentwurf – Seite 31 – auch ganz gut zusammengefasst: Beschleunigung der Kommunikation zwischen Gericht bzw . Behörde und Verfahrensbeteilig- ten, schnellere Übermittlung von Akten und Dokumen- ten, kontinuierliche und orstunabhängige Verfügbarkeit der Akten sowie einfache, komfortable und schnelle Suchmöglichkeiten . Um all diese Vorteile einer elekt- ronischen Akte zu nutzen, müssen aber drei, vier Dinge gegeben sein, von denen ich im Hinblick auf die Vorga- ben im Gesetzentwurf glaube, dass sie noch nicht optimal gelöst sind . Erstens . Die Vorteile können sich schnell in Nachteile verwandeln, wenn – in welchem Zeitraum auch immer; wir könnten noch darüber reden, ob 2026 nicht ein we- nig unambitioniert ist – die Einführung gerade nicht für das gesamte Strafverfahren gilt . Sie schlagen in Ihrem Gesetzentwurf vor, dass per Rechtsverordnung die Ein- führung der elektronischen Aktenführung auf einzelne Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden oder auf allge- mein bestimmte Verfahren beschränkt werden kann . In der Begründung wird dann von „Pilotprojekten“ gespro- chen und sogar angedeutet, es könne möglich sein, die elektronische Aktenführung auf bestimmte Arten von Delikten einzuschränken . Das alles erscheint mir we- nig zielführend zu sein . Hier wünsche ich mir ein wenig mehr Stringenz . Zweitens . Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf völlig zu Recht, dass es sichere Übertragungswege geben soll . Nun will ich hier im Detail gar nicht über das praktische Elend mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach reden, sondern noch einmal auf die De-Mail eingehen . Bei De-Mail sind circa 1 Million Privatnutzer und Pri- vatnutzerinnen, einige Zehntausend Mittelstandskunden und circa 1 000 De-Mail-Großkunden aus Wirtschaft und Verwaltung registriert . Manche sprechen deshalb schon vom Scheitern der De-Mail . Ende März 2016 nutzten gerade einmal 60 Prozent der Behörden De-Mail . Und gerade im Hinblick auf die Europäisierung des Rechts erweist es sich eben als Problem, dass De-Mail nur in Deutschland nutzbar ist . Sie schreiben in der Begründung, bei den sicheren Übertragungswegen gehe es nicht um die Gewährleis- tung der vertraulichen Kommunikation . Genau das ist aber ein ziemlich entscheidender Punkt für die Übermitt- lung einer elektronischen Akte oder gar der Kommuni- kation zum Beispiel zwischen Verteidigerin und Gericht . Nur wenn die vertrauliche Kommunikation wirklich gewährleistet ist, wird die elektronische Akte überzeu- gen. Ich finde, wir sollten hier gemeinsam noch einmal nachdenken, ob nicht gerade im Strafverfahren eine ver- pflichtende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sichergestellt werden soll . Drittens . Die elektronische Akte kann nur dann über- zeugen, wenn die Verfahrensbeteiligten den gleichen Bedingungen unterliegen . Das, was sie an Stringenz bei der Einführung der elektronischen Akte bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Behörden vermissen lassen, setzen sie bei den Rechtsanwältinnen und Verteidigerin- nen um . Während erstere, also Gerichte, Staatsanwalt- schaften und Behörden, elektronische Akten anlegen können, sollen dies Rechtsanwältinnen und Verteidige- rinnen. Für diese legen sie eine Nutzungspflicht dahin gehend fest und machen das sogar laut der Begründung zu einer Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung, dass sie die Dokumente elektronisch übermitteln sollen . Ich glaube, wir würden mehr und besser für die elektronische Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618952 (A) (C) (B) (D) Akte werben, wenn wir den einen das nicht erlauben und die anderen verpflichten. Gleiches Recht für alle wäre hier überzeugender . Viertens . Völlig zu Recht wollen Sie einen neuen Vierten Abschnitt im Achten Buch der Strafprozessord- nung einführen . Erlauben Sie mir aber, dass ich im Hin- blick auf die Sensibilität des Strafverfahrens meine Skep- sis zur Regelung der Auftragsdatenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen zum Ausdruck bringe . Dies soll mit dem Gesetz möglich sein, und Sie begründen das da- mit, dass andernfalls ein „effizienter und wirtschaftlicher IT-Betrieb“ erschwert werden würde . Das erläutern Sie aber nicht weiter . In Ihrer Begründung werden Sie auch widersprüchlich; denn zum einen sollen die Einschrän- kungen nur den Betrieb und die Wartung dezentraler In- formationskomponenten betreffen, auf der anderen Seite wird in der Begründung aber auch von „rechtsverbindli- cher und dauerhafter Speicherung von Aktendaten“ ge- sprochen . Ich denke, wir sollten an dieser Stelle wirklich noch einmal genau überlegen, ob wir im sensiblen Be- reich des Strafverfahrens eine Auftragsdatenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen wirklich sinnvoll finden. In jedem Fall aber sollte die Option der Begründung von Unterauftragsverhältnissen durch nichtöffentliche Stel- len gestrichen werden . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der letzten Legislatur wurde bereits beschlossen, den elekt- ronischen Rechtsverkehr im Zivilrecht für alle Angehö- rigen der Justiz ab 2022 verpflichtend einzuführen. Nun folgt die elektronische Strafakte ab 2018 fakultativ und ab 2026 obligatorisch . Wir schreiten also weiter wagemutig voran bei der Di- gitalisierung sensibler Daten, und jede und jeder, der dies infrage stellt, gilt als modernisierungsfeindlicher Tech- nikmuffel . Dass unbekannte Hacker nicht nur mühelos in unsere Bundestagskommunikation eindringen konnten und die obersten Sicherheitsbehörden nicht einmal das Telefon der Kanzlerin sichern konnten, scheint uns nicht im Geringsten zu irritieren . Und so werden auch die Anforderungen an die Daten- sicherheit in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht im Geringsten geregelt . Die neuen §§ 32a bis 32f der Strafprozessordnung enthalten im Wesentlichen fünf verschiedene Verord- nungsermächtigungen, in denen jeweils die Regelungs- befugnisse für die organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen, einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicher- heit, an die Exekutive delegiert werden . Das halte ich schlicht für verfassungswidrig, denn diese Vorgaben zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung muss der Gesetzgeber selbst vornehmen . So sieht es auch die Datenschutzbeauftragte in ihrer ausführlichen Stellungnahme vom 10 . Mai 2016: „Die automatisierte Datenverarbeitung ermöglicht es technisch, die Daten auch größerer Aktenbestände inner- halb weniger Sekunden oder Minuten zu kopieren und über weite Entfernungen unbemerkt abzurufen . Daher sind diese elektronisch gespeicherten Daten ge- gen unberechtigte Zugriffe besonders zu schützen . Die wesentlichen Vorgaben dazu kann der Gesetzgeber schon angesichts des Risikos für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und weiterer Grundrechte aus verfas- sungsrechtlichen Gründen nicht an die Praxis delegie- ren .“ Noch gefährlicher wird es, wenn dann noch alle elekt- ronischen Strafakten bundesweit zentral gespeichert wer- den sollen . Hinzu kommt, dass die Verarbeitung dieser gespei- cherten Daten nach dem neuen § 497 Strafprozessord- nung nicht nur durch private Auftragnehmer, sondern auch durch Unterauftragnehmer erfolgen darf, wenn nur der Zugang zu den Servern von einer öffentlichen Stelle kontrolliert wird . Ob der Server im In- oder Ausland ist, spielt ebenfalls keine Rolle . Ich würde jedenfalls nicht wollen, dass alle diese stän- dig wechselnden Angestellten und Aushilfskräfte einer mir unbekannten IT-Firma Einblick in beispielsweise meine Vergewaltigungsakte bekommen . Auch hier teilt die Datenschutzbeauftragte meine Be- denken: „Unklar ist etwa, warum lediglich der Zutritt und der Zugang zu Datenverarbeitungsanlagen einer öffentlichen Stelle vorbehalten sein soll . Der eigentliche Zugriff auf die in den Akten gespeicherten Daten wäre also dem Auf- tragnehmer ohne Weiteres erlaubt . Dies entspricht zwar dem Charakter einer Auftrags- datenverarbeitung, verdeutlich jedoch, dass die mit der Auslagerung auf nichtöffentliche Stellen verbundenen Risiken nicht adäquat behandelt werden .“ Und auch die öffentlichen Stellen selbst sollen die Daten in weitem Umfang für verfahrensfremde Zwecke nutzen dürfen . Nach § 498 Strafprozessordnung ist das immer dann erlaubt, wenn ein Gesetz dies bereits für die herkömmli- chen Personendaten vorsieht . Dabei wird verkannt, dass eine elektronische Akte ganz andere Möglichkeiten der Auswertung und Verarbeitung bietet . Nachrichtendienste könnten nach § 474 StPO künftig vollständige Aktenin- halte in ihre Datenbestände übernehmen . Das BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2016 wird dabei völlig ignoriert . Und im Rahmen der Akteneinsicht nach § 32f StPO bleibt völlig offen, wie dem erhöhten Verbreitungsrisiko einer elektronischen Akte und damit der Kenntniserlan- gung durch unberechtigte Dritte entgegengewirkt werde soll . Lapidar heißt es im Absatz 5: „Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Einsicht in elektronische Akten geltenden Standards .“ Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koaliti- on: Das ist zu wenig! Vergessen Sie nicht: Es kann jeden von uns treffen . Auch bei Bagatellstraftaten oder sogar Ordnungswidrigkeiten . Es ist ja vielleicht ganz nett, künftig umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen nicht mehr in Leitzordnern trans- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18953 (A) (C) (B) (D) portieren zu müssen . Das lässt sich allerdings auch jetzt schon meist anders lösen . Hochrisikotechnologien wie beispielsweise Atomkraftwerke verzichten nicht umsonst komplett auf digitale Bauteile . Ich stelle daher infrage, dass die Digitalisierung un- serer Hochrisikodaten tatsächlich der einzige Weg in die Moderne ist . Eigentlich müssten wir es doch längst besser wissen: Vertraulichkeit ist im Netz nicht zu halten . Und dass auch Sie keine Idee davon haben, wie das bewerkstelligt wer- den soll, zeigt Ihr Gesetzentwurf, der im Hinblick auf den Datenschutz eine einzige Leerstelle ist . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wir befassen uns heute in erster Lesung mit dem Entwurf des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektro- nischen Rechtsverkehrs . Dieses Gesetz soll die Rechts- grundlagen dafür schaffen, dass Akten in Strafsachen elektronisch geführt werden können – und nach einer Übergangsphase auch zwingend elektronisch geführt werden müssen . Immerhin erstellen Gerichte, Staatsan- waltschaften, Strafverteidiger sowie andere Verfahrens- beteiligte Dokumente in aller Regel längst elektronisch . Das gilt auch für die meisten nicht durch einen Rechts- beistand vertretenen Bürgerinnen und Bürger . Es ist des- halb an der Zeit, auch im Strafverfahren die Vorausset- zungen dafür herzustellen, dass im Sinne einer modernen und effizient arbeitenden Strafjustiz solche Dokumente nicht nur elektronisch übermittelt, sondern auch elektro- nisch weiterbearbeitet werden können . Zugleich schafft der Entwurf auch die Grundlagen für ein Onlineaktenein- sichtsportal, durch das Verfahrensbeteiligte, auch solche ohne rechtlichen Beistand, künftig barrierefrei Einsicht in die sie betreffenden Akten in dem Umfang nehmen können, den die Akteneinsichtsregeln vorgeben . Der vorliegende Gesetzentwurf legt insgesamt ein be- sonderes Augenmerk auf die Belange des Datenschutzes . Hier ergeben sich aus der künftigen elektronischen Ak- tenführung zahlreiche Besonderheiten . Beispielsweise ist vorgesehen, das Durchsuchen von gesamten Aktenbe- ständen im Sinne einer Rasterfahndung nicht zuzulassen . Auch Schutzmaßnahmen gegen das unzulässige Verbrei- ten von Akteninhalten sind vorgesehen . In allen anderen Verfahrensordnungen bestehen die Rechtsgrundlagen für die elektronische Aktenführung bereits seit mehr als zehn Jahren – allerdings ohne dass bislang eine verbindliche Frist für die Einführung der elektronischen Akte vorgesehen ist und ohne dass davon bislang flächendeckend Gebrauch gemacht worden wäre. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht hier im Strafverfahrensrecht einen Schritt weiter . Auf ausdrück- lichen Wunsch aus den Ländern sieht der Entwurf vor, dass die Akten im Strafverfahren – also bei Gerichten und Staatsanwaltschaften – ab dem 1 . Januar 2026 ver- pflichtend elektronisch zu führen sind. Dieser Medien- wechsel stellt einen bedeutenden Umbruch dar, der mit erheblichem Umsetzungsaufwand vor allem für die Län- der verbunden ist . Aus diesem Grund sieht der Entwurf eine relativ lange Übergangsphase bis 2026 vor, in der die Länder selbst entscheiden können, in welcher Ge- schwindigkeit sie von Papier auf die elektronische Akte umstellen wollen . Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf darum gebeten, zum 1 . Januar 2026 die elek- tronische Aktenführung nicht nur im Strafverfahren, sondern auch in den anderen gerichtlichen Verfahrens- ordnungen verpflichtend vorzusehen. Die Bundesregie- rung begrüßt diesen Vorschlag der Länder und steht einer entsprechenden Ergänzung des Gesetzentwurfes offen gegenüber . Das vorliegende Vorhaben ist damit nach dem schon in der vergangenen Legislaturperiode verabschie- deten Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechts- verkehrs bei den Gerichten ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Digitalisierung der Justiz . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Elektromobilität im Straßenver- kehr (Tagesordnungspunkt 21) Olav Gutting (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung bekennen wir uns klar zu einer klimaschutzorientierten, umweltfreundli- chen Zukunftspolitik und machen einen weiteren Schritt hin zu einer emissionsfreieren Zukunftsmobilität! Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2020 unseren CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um mindestens 40 Pro- zent zu senken . Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen im Straßenver- kehr unausweichlich . Der Ausbau und die Akzeptanz der Elektromobilität als Schlüssel zu einem nachhaltigen und ressourcenschonenden Mobilitätssystem spielen daher eine besonders große Rolle bei der Energiewende und beim Umweltschutz . Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Leistungen des Ar- beitgebers – sogenannte geldwerte Vorteile – an den Ar- beitnehmer zur Unterstützung hinsichtlich der Nutzung der Elektromobilität steuerbefreit werden bzw . pauschal durch den Arbeitgeber besteuert werden können . Steu- erfrei sind nunmehr das Laden von Elektrofahrzeugen im Betrieb und den Betriebsteilen des Arbeitgebers wie auch die Überlassung einer Ladestation für den privaten Bereich . Pauschal besteuert werden können Zuschüsse für den Erwerb der Ladeinfrastruktur oder deren Über- eignung durch den Arbeitgeber . Die einkommensteuer- lichen Maßnahmen werden vom 1 . Januar 2017 bis zum 31 . Dezember 2020 befristet . Dieser steuerliche Anreiz wird die Attraktivität des Einsatzes von Elektrofahrzeugen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer steigern . Arbeitgeber müssen für die geldwerten Vorteile, die sie dem Arbeitnehmer durch das Aufladenlassen gewähren, die Lohnsteuer we- der einbehalten noch abführen . Und Arbeitnehmer pro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618954 (A) (C) (B) (D) fitieren dadurch, dass sie weder Stromkosten noch die darauf entfallende Lohnsteuer zahlen müssen . Diese steuerlichen Maßnahmen sind eine sinnvolle Ergänzung zu dem Maßnahmenbündel der Bundesregie- rung zur Förderung der Elektromobilität . Die zukünftige Marktentwicklung der Elektromobili- tät hat großes Potenzial in Deutschland . Seit 2007 ist die Anzahl an zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutsch- land jährlich stark angestiegen . Im internationalen Ver- gleich hinkt Deutschland, was die Anzahl der Neuzulas- sungen von Elektrofahrzeugen angeht, allerdings noch immer hinterher . Während in Norwegen mehr als jeder vierte neu zu- gelassene Pkw mit Strom fährt und in den Niederlanden der Anteil an Elektrofahrzeugen 2,3 Prozent am Pkw-Ge- samtmarkt beträgt, liegt er in Deutschland derzeit bei we- niger als 1 Prozent . Trotz des noch geringen Anteils an zugelassenen Elektroautos gehört Deutschland hinter Japan und Chi- na schon jetzt zu den wichtigsten Herstellerländern für Elektrofahrzeuge und ist damit auf gutem Wege, im Jahr 2020 Leitmarkt und Leitanbieter bei der Elektro- mobilität zu werden . Der Technologiewandel verspricht auch große Beschäftigungspotenziale . Es ist somit Auf- gabe der Politik, die vielen Chancen, die Elektromobili- tät in ökologischer und ökonomischer Hinsicht bietet, zu ergreifen und zu nutzen . Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzent- wurfes tragen wir einen Teil dazu bei . Wir werden da- mit unseren Zielen – CO2-Reduktion und Leitmarkt und Leitanbieter zu werden – ein weiteres Stück näher kom- men . Florian Oßner (CDU/CSU): Die Förderung der Elek- tromobilität inklusive der Wasserstoff- und Brennstoff- zellentechnologie steht bei uns als CDU/CSU-Fraktion ganz oben auf der Agenda . Auch ich persönlich kämp- fe momentan für eine Wasserstofftankstelle in meiner Heimatregion Landshut-Kelheim . Wir wollen bis zum Jahr 2020 in Deutschland den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um mindestens 40 Prozent senken . Um dieses Ziel zu erreichen, müssen insbesondere im Verkehrssektor die Emissionen noch deutlich gemindert werden . Hierfür ist es zwingend notwendig, den Anteil von Elektrofahrzeu- gen auf unseren Straßen zu erhöhen . Derzeit fahren rund 55 000 Elektroautos auf Deutschlands Straßen, darunter 33 000 Hybridfahrzeuge und 19 000 reine Elektrofahr- zeuge . Das ist eindeutig zu wenig . Als Automobilland Nummer eins in der Welt ist für uns klar: Wir wollen auch beim Thema Elektromobilität weiter- hin die Messlatte in der automobilen Entwicklung setzen . Um die Zahl der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen zu erhöhen, müssen wir für private und gewerbliche Nutzer weitere Anreize schaffen . Erstens . Förderung der Elektromobilität . Am 18 . Mai dieses Jahres hat die Bun- desregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Förderung von Elektromobilität beschlossen, welches zeitlich befristete Kaufanreize sowie zusätzliche An- strengungen bei der öffentlichen Beschaffung von Elek- trofahrzeugen beinhaltet . Aber auch der Einzelplan 12 des Bundeshaushalts 2017, den wir als Deutscher Bun- destag in der letzten Sitzungswoche in der ersten Lesung behandelt haben, zeigt mehr als deutlich, dass wir es mit der Förderung von Elektromobilität ernst meinen und den richtigen Weg eingeschlagen haben, um die Akzep- tanz und Attraktivität für den deutschen Autofahrer zu steigern . Bislang wurde mit dem Regierungsprogramm „Elektromobilität“ im Wesentlichen die Marktvorberei- tungsphase unterstützt und hierfür gut 1,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung bereitgestellt . Nun geht es im zweiten Schritt darum, einen sich selbst tragenden Markt zu unterstützen . So investieren wir un- ter anderem 300 Millionen Euro in eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektromobilität . Es werden daher 15 000 Ladesäulen in ganz Deutschland aufgebaut . Da- mit lösen wir ein Stück weit das Henne-Ei-Problem, wie es unser Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in seiner Rede so treffend formuliert hat . An dieser Stelle möchte ich auch noch mal die Ge- legenheit nutzen und meinen ausdrücklichen Dank an Alexander Dobrindt für sein großes Engagement beim Thema Elektromobilität aussprechen . Es ist neben der digitalen Revolution das entscheidende Verkehrsprojekt unserer Zeit . Zweitens . Maßnahmen im Gesetz . Mit dem Gesetz- entwurf, den wir hier heute in zweiter Lesung debattie- ren, nehmen wir nun einige Änderungen im Bereich der Kraftfahrzeugsteuer und der Einkommensteuer vor, um die Elektromobilität auf Deutschlands Straßen attrakti- ver zu machen . Diese steuerlichen Maßnahmen ergänzen das eben bereits angesprochene Maßnahmenbündel zur Förderung der Elektromobilität im Straßenverkehr und stellen sich im Einzelnen wie folgt dar: a) Bei erstmali- ger Zulassung reiner Elektrofahrzeuge gilt seit dem 1 . Ja- nuar 2016 bis zum 31 . Dezember 2020 eine fünfjährige Kraftfahrzeugsteuerbefreiung . Diese wird rückwirkend zum 1 . Januar 2016 nun auf zehn Jahre verlängert . Die zehnjährige Steuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge wird zudem auf technisch angemessene, verkehrsrecht- lich genehmigte Umrüstungen zu reinen Elektrofahrzeu- gen ausgeweitet . b) Im Einkommensteuergesetz werden vom Arbeit- geber gewährte Vorteile für das elektrische Aufladen ei- nes privaten Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers und für die zur privaten Nutzung zeitweise überlassene betriebliche Ladevorrichtung steuerbefreit . Der Arbeitgeber erhält die Möglichkeit, geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übereignung der Ladevorrichtung und Zuschüsse pauschal mit 25 Prozent zu besteuern . Die Re- gelungen werden befristet für den Zeitraum vom 1 . Janu- ar 2017 bis 31 . Dezember 2020 . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum bedeu- tendsten Verkehrsthema der absehbaren Zukunft zeigt die CDU/CSU-Fraktion wieder einmal, dass wir Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit geben . Aus den genannten Gründen bitte ich um Zustimmung für den Antrag . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18955 (A) (C) (B) (D) Andreas Schwarz (SPD): Ich habe bereits bei der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes Ende Juni auf die für uns als SPD-Bundestagsfraktion ent- scheidenden Punkte hingewiesen, die es uns in der Sum- me leicht machen, zuzustimmen . Wer Klimaschutz will, muss handeln . Er muss auch Geld in die Hand nehmen, um umweltbewusstes Han- deln zu fördern . Das tun wir . Mit der Kaufprämie bieten wir einen Anreiz für diejenigen, die sich ein Elektroauto zulegen wollen, die Kaufentscheidung bislang aber aus finanziellen Gründen noch aufgeschoben haben. Mit dem Gesetzentwurf beschließen wir auch, dass rückwirkend ab dem 1 . Januar 2016 neuzugelassenen Elektrofahrzeugen eine zehnjährige Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gewährt wird . Damit verdoppeln wir immerhin den Zeitraum der Steuerbefreiung . Dieser zusätzliche finanzielle Anreiz kann sich durchaus sehen lassen, wie wir finden. Mit all den weiteren Maßnahmen wie zum Beispiel der steuerlich geförderten Zurverfügungstellung des Stroms beim Arbeitgeber haben wir ein Paket geschnürt, das dazu beitragen wird, dass endlich mehr Elektrofahr- zeuge auf die Straße kommen . Auch bei der Anhörung des Deutschen Bundestages wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung von meh- reren Experten positiv bewertet . Der Kollege von der IG Metall bezeichnet den Gesetzentwurf „als durchaus gutes Gesamtpaket“ . Herr Professor Hechtner sagte – ich zitiere –: „Insge- samt sind das positive Regelungen, die sehr wohl einen Effekt auf das Nachfrageverhalten der Konsumenten ha- ben können .“ Weiter sagte er, der Gesetzentwurf „flankiert die an- deren politischen Maßnahmen, um die Nachfrage nach emissionsarmen Fahrzeugen zu unterstützen“ . Es ist doch völlig klar . Wenn wir es nicht schaffen, die Ladeinfrastruktur massiv auszubauen, dann werden wir schlicht nicht erfolgreich sein . Das will keiner, und das wird auch nicht passieren . Mit der Verabschiedung des heutigen Gesetzentwurfs schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass es mit der Förderung der Elektromobilität endlich entscheidend vo- rangeht . Dr. Jens Zimmermann (SPD): Um die Klimaziele Deutschlands bis 2020 tatsächlich zu erreichen, sind in vielen Lebensbereichen Anstrengungen nötig . Außer Frage steht, dass der Straßenverkehr hierzu einen ent- scheidenden Beitrag leisten muss . Dafür ist es nötig, die Zahl der Automobile mit Benzin- oder Dieselmoto- ren durch emissionsfreie oder emissionsärmere Antrie- be zu ersetzen . Als Gesetzgeber können wir zwar die Rahmenbedingen verbessern . Mit der Kaufprämie, dem sogenannten Umweltbonus und dem hier vorliegenden Gesetzentwurf haben wir ein Gesamtpaket aus zeitlich befristeten Kaufanreizen, weiteren Mitteln für den Aus- bau der Ladeinfrastruktur, zusätzlichen Anstrengungen bei der öffentlichen Beschaffung von Elektrofahrzeugen sowie aus steuerlichen Maßnahmen aufgelegt . Die Große Koalition jedenfalls hat ihre Hausaufgaben gemacht . Nun ist die Automobilindustrie am Zug . Sie sollte in ihrem eigenen Interesse viel Energie in die Innovations- forschung stecken, um Elektroautos für die Kunden at- traktiver zu machen . Neben attraktiveren Preisen gehört hierzu auch die Erhöhung der Reichweite von Elektro- fahrzeugen . Langfristig wird dies nicht nur dem Klima guttun oder den Straßenverkehr zukunftsfähig gestalten, sondern auch dazu beitragen, dass der Automobilstandort Deutschland seine herausragende Position gegenüber der internationalen Konkurrenz behaupten kann . Der hier abschließend zu beratende Entwurf eines Ge- setzes zur steuerlichen Förderung von Elektromobilität im Straßenverkehr enthält steuerliche Maßnahmen im Kraftfahrzeug- und im Einkommensteuergesetz, die die Kaufprämie flankieren sollen. Vorgesehen im Gesetzent- wurf der Bundesregierung waren neben einer Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für reine Elektroautos von derzeit fünf auf zukünftig zehn Jahre für Neuzulassungen zwischen 2016 und 2020 auch Steuerbefreiungen sowie Begünstigungen im Bereich der Einkommensteuer . Mit Änderung des § 3 Nummer 46 EStG wird eine Steuer- befreiung eingeführt, wenn das Elektroauto oder das Hybrid elektroauto beim Arbeitgeber aufgeladen wird . Die für das Aufladen anfallenden Stromkosten werden also nicht als geldwerter Vorteil versteuert – anders als bei anderen Vergünstigungen des Arbeitgebers wie bei- spielsweise Essensgutscheinen . In die Steuerfreiheit ein- bezogen werden auch Vorteile aus der vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Ladeinfrastruktur sowie die Kosten für deren Installation oder Inbetrieb- nahme . Die Sachverständigen hielten die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen als Flankierung der Kauf- prämie insgesamt für sinnvoll; das kann als Kompliment an die Bundesregierung verstanden werden . Wir haben uns als SPD-Fraktion in den Verhandlungen trotzdem erfolgreich für weitere Verbesserungen eingesetzt . Nach Auswertung der Sachverständigenanhörung haben wir uns innerhalb der Großen Koalition auf einige kleine- re Änderungen am Gesetzentwurf in § 3 Nummer 46 EStG geeinigt . So haben wir die Steuerbefreiung auch auf Dienstwagen von Arbeitnehmern ausgeweitet, die die Fahrtenbuchmethode anwenden. Damit profitieren nun alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie ein privates Elektroauto oder einen Dienst- wagen nutzen . Mit dieser Änderung greifen wir eine Forderung des Bundesrates und einiger Sachverständiger auf . Wir werden außerdem das steuerfreie Aufladen auch auf verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 Aktien- gesetz ausweiten, aber bewusst nicht auf Anlagen Dritter . Dafür wird der Begriff „im Betrieb des Arbeitnehmers“ in § 3 Nummer 46 EStG im GE präzisiert . Bisher war diese Definition lediglich in der Gesetzesbegründung enthalten . Damit haben wir teilweise eine Forderung des Bundesrates aufgegriffen . Dieser hatte gefordert, die Steuerbefreiung auf Betriebe der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen sowie auf Anlagen Dritter au- ßerhalb des Betriebes auszuweiten . Wir teilen hier aller- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618956 (A) (C) (B) (D) dings die Ansicht der Bundesregierung und der meisten Sachverständigen, dass die Ausweitung auf die Anlagen Dritter dem Ziel des Gesetzentwurfes zuwiderläuft, die Zahl der Ladestationen in der Fläche zu erhöhen . Denn es geht bei den Maßnahmen eben gerade darum, zusätzlich zu den schon bestehenden Ladestationen den Bau neuer zu fördern . Nicht im Gesetzentwurf selbst, sondern im Bericht des Finanzausschusses haben wir uns mit unserem Koaliti- onspartner auf eine Formulierung geeinigt, die den Be- griff der Ladeinfrastruktur präzisiert . Denn einige Sach- verständige sahen Klärungsbedarf bei der Frage, was zur Ladeinfrastruktur gehört und was nicht . Mit dieser Klar- stellung soll auch bürokratischer Aufwand für Arbeitneh- mer und Arbeitgeber vermieden werden . Insgesamt werden mit den beschlossenen Maßnahmen nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet, sondern auch Arbeitgeber begünstigt . Sie haben zukünf- tig die Möglichkeit, den Aufbau von Ladestationen auf dem Betriebsgelände über die Lohnsteuer bezuschussen zu lassen . Hierdurch soll der Anreiz für Arbeitgeber er- höht werden, sich stärker am Ausbau der Ladeinfrastruk- tur von Elektrofahrzeugen zu beteiligen . Wir als SPD-Fraktion stimmen dem vorliegenden Ge- setzentwurf zu . Thomas Lutze (DIE LINKE): Sie wollen die Elektro- mobilität der Pkw fördern, indem Sie unter anderem die Befreiung der Kfz-Steuer verlängern und die steuerrecht- liche Bestimmungen für das Nutzen von Dienst-E-Autos sowie das Aufladen in der Firma klarer regeln wollen. Klingt alles nett und sinnvoll . Es wird aber nieman- den zusätzlich dazu bewegen, sein bisheriges Auto mit Verbrennungsmotor gegen ein E-Mobil einzutauschen . Warum? Weil es sich trotz Steuergeschenken nicht an- satzweise rechnet . Wenn Sie diese Form der Mobilität fördern wollen, müssen Sie Geld in die Hand nehmen und Forschungsprojekte massiv fördern . In Deutschland gibt es eine breitgefächerte Landschaft an technischen Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen und Ins- tituten . Aber nirgendwo gibt es Forschung für leistungs- fähige Akkumulatoren, kurz Akkus . Auch die meisten Produktionsstandorte der Hersteller haben Deutschland den Rücken gekehrt . Diese Entwicklung müssen wir um- kehren, die Industrie zurückholen sowie Forschung und Entwicklung massiv fördern . Betrachtet man Fahrzeuge, die heute auf den Straßen anzutreffen sind, dann sind gerade die Reichweiten und die Ladezeiten der Akkus neben dem hohen Kaufpreis des Fahrzeugs die größten Hemmnisse für die Anschaffung eines E-Mobils . Wenn man mit seinem Auto nur 120 bis maximal 150 Kilometer weit kommt und anschließend das Fahrzeug stundenlang aufladen muss, dann ist so ein Fahrzeug schlichtweg nicht konkurrenzfähig . Bei durch- schnittlich 35 000 Euro Anschaffungspreis, der zwischen 10 000 und 15 000 Euro höher ist als ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, wird niemand eine Kfz-Steuerersparnis von fünfmal 120 Euro zum Anlass nehmen, umzusteigen . Ich mache es nicht, und der Fahr- dienst des Deutschen Bundestages aus Kostengründen offenbar auch nicht . Bereits die Einführung der Kaufprä- mie für E-Autos von 3 000 bis 4 000 Euro pro Fahrzeug hat zu keinem sprunghaften Anstieg der Zulassungszah- len geführt . Diejenigen, die sich als Zweit- oder Dritt- wagen ein fürs Image cooles E-Mobil leisten können, bekommen noch etwas Geld vom Staat . Vollkommener Unfug! In Deutschland gibt es ein dichtes Netz für E-Mobi- lität . Ich meine nicht die gelegentlichen Ladestationen, die man in den Innenstädten findet. Ich meine unser Ei- senbahnnetz, dessen Diesellücken endlich geschlossen werden sollten . Oder die zunehmenden Netze innerstäd- tischer Straßenbahnen, die Überlegungen, wieder Ober- leitungs- und Akkubusse einzuführen, alles das ist Elek- tromobilität . Sie fördern aber auch sogenannte Hybridfahrzeuge, also Autos, die neben ihrem Elektroantrieb auch einen Verbrennungsmotor mit sich rumschleppen . Sorry, auch wenn diese Fahrzeuge aus Benzin- und Dieselsicht eine interessante Perspektive haben, mit Elektromobilität ha- ben sie nur sehr wenig zu tun . Förderungswürdig sind sie aus Sicht der Linksfraktion nicht . Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht steuerrechtlich zu Kasse gebeten werden sollen, wenn sie ihr Fahrzeug an ihrem Arbeitsplatz auftanken, ist begrü- ßenswert . Es ist nur sehr entscheidend, dass dies dann auch für E-Fahrräder und vergleichbare individuelle Mo- bile gilt . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für die deutsche Klimapolitik spielt die Wende beim motorisier- ten Individualverkehr eine entscheidende Rolle . Selbst- verständlich will die Gesellschaft mobil sein und bleiben . Sie will das allerdings, ohne die Klimakrise zu verschär- fen . Um im Verkehrssektor die Einsparziele bei den Emissionen zu erreichen, braucht es ein ganzes Bündel von Maßnahmen . Es geht zum einen darum, unnötiges Verkehrsaufkommen zu vermeiden . Es geht um schwel- lenlose und bequeme Übergänge zwischen den Verkehr- strägern . Zum anderen sind bestehende Technologien, wie der motorisierte Individualverkehr, klimafreundli- cher zu gestalten . Ein wesentlicher Baustein für den Straßenverkehr ist die Elektromobilität . Mit klimafreundlichem Strom gela- den sind Elektroautos, -busse und -fahrräder eine Tech- nologie, die dem Klimaschutz dient . Sie reduziert die Abhängigkeit vom Rohstoff Öl drastisch und steigert die Luft- und Lebensqualität, nicht nur in den Städten . Der vorliegende Gesetzentwurf verweist aus gutem Grund auf das Ziel Deutschlands, bis 2020 den CO2-Aus- toß gegenüber dem Jahr 1990 um bis zu 40 Prozent zu senken . Dabei hält auch die Bundesregierung die Steige- rung des Anteils der Elektrofahrzeuge für eine zentrale Maßnahme . Das hört sich zunächst sehr ambitioniert und ver- nünftig an . Wenn ich mir dann aber die vorgeschlagenen Maßnahmen ansehe, dann kann es mit der Absicht der Bundesregierung, CO2-Emissionen im Straßenverkehr einzusparen, nicht weit her sein . Die Bundesregierung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18957 (A) (C) (B) (D) kann nicht ernsthaft annehmen, dass die Verlängerung einer bestehenden Kfz-Steuerbefreiung sowie das steu- erbefreite „Stromtanken“ beim Arbeitgeber irgendetwas an den überkommenen Strukturen im Verkehrssektor än- dern . Deutlicher als mit diesem Gesetzentwurf kann die Bundesregierung ihre Scheu vor einem wirklich großen Wurf nicht zur Schau stellen. Allein die finanziellen Aus- wirkungen von maximal 20 Millionen Euro im Jahr spre- chen hier eine deutliche Sprache . Es stellt sich dennoch die grundsätzliche Frage, wa- rum diese Mindereinnahmen letztlich vom Steuerzahler finanziert werden sollen. Vor dem Hintergrund der Kli- maziele ist es an der Zeit, eine konsistente und klima- freundliche Besteuerung von Pkw einzuführen . Autos mit hohem Verbrauch und hohem Ausstoß zahlen mehr, Autos mit wenig Ausstoß weniger . Aus einer Klimaper- spektive betrachtet ist ein solches Vorgehen unmittelbar einleuchtend . Nun haben wir die paradoxe Situation, dass wir einerseits halbwegs bessere Bedingungen für die Elektromobilität schaffen . Andererseits klima- und gesundheitsschädliche Dieselfahrzeuge weiterhin sub- ventionieren . Ganz zu schweigen von den klimaschädli- chen Steuersubventionen bei den Dienstfahrzeugen und im Luftverkehr . Wollen wir unsere Klimaziele erreichen, ist es an der Zeit, die Besteuerung der einzelnen Technologien im Verkehrssektor an ihren Umweltauswirkungen bzw . ih- ren sogenannten externen Kosten auszurichten . Der vorliegende Gesetzentwurf führt im Gegensatz dazu zu insgesamt mehr Fahrzeugen auf der Straße . Über die Kaufprämie und geringfügige Erleichterungen bei der Steuer werden einige Liebhaber von Elektroautos zu- schlagen . Der Rest bleibt beim Diesel und Benziner . Wir wollen nicht verkennen, dass die vorgeschlagene Steuerbefreiung die Beseitigung von Bürokratie bedeutet und sich daher als flankierende Maßnahme positiv auf die Elektromobilität auswirkt . Zu einem eigenständigen Anreiz zum Kauf eines Elektrofahrzeugs führen diese Regelungen aber ganz sicher nicht . Zur Erreichung der nationalen Klimaziele brauchen wir eine weitgehende Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis spätestens 2050 . Dieser Gesetzentwurf kann vor diesem Hinter- grund nicht einmal als Tropfen auf den heißen Stein be- zeichnet werden . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psych- iatrische und psychosomatische Leistungen ( PsychVVG) – des Antrags der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Psy- chisch erkrankte Menschen besser versorgen – Jetzt Hilfenetz weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Reiner Meier (CDU/CSU): Es ist in der Debatte schon mehrfach angeklungen: Die Reform der Versor- gung und der Vergütung im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Leistungen ist äußerst viel- schichtig und komplex . Dass die Strukturen in einem erklärtermaßen lernenden System stetig weiterentwickelt werden und dass dabei auch die Erfahrungen aus den Di- alogen mit Patienten und Leistungserbringer einfließen, sollte vor diesem Hintergrund wahrlich niemanden über- raschen . Heute liegt uns nun ein Gesetzentwurf vor, der nicht nur wichtige Verbesserungen für die Versicherten enthält, sondern auch gerechtere und transparentere Ver- gütungsstrukturen schaffen wird . Transparentere Vergü- tungsstrukturen sind im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung durchaus geboten . Nicht alle regionalen Kostenunterschiede lassen sich etwa mit besseren Leistungen oder örtlichen Besonderheiten nach- vollziehen . Aus diesem Grund werden künftig leistungs- bezogene Vergleiche zwischen den Häusern eine wichti- ge Orientierung für die Verhandlungspartner geben und die Kostentransparenz ganz wesentlich verbessern . Den- noch geht es hier nicht um unreflektierte Gleichmacherei. Gerade auf dem Land, wo Häuser mit regionalen Versor- gungsverpflichtungen für die Patientinnen und Patienten besonders wichtig sind, kann dies nun bei den Budgets berücksichtigt werden. Die wohnortnahe, flächendecken- de Versorgung bleibt auch weiterhin unser Leitbild . Ein roter Faden der Gesundheitspolitik in dieser Le- gislaturperiode ist die Gewährleistung hoher Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung . Deshalb werden wir den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragen, unter anderem Vorgaben für eine leitliniengerechte Be- handlung der Patienten ebenso wie für die Ausstattung der Einrichtungen zu erarbeiten . Gleichzeitig schaffen wir für Menschen mit psychischen Erkrankungen die Möglichkeit, sich in den eigenen vier Wänden durch spe- zielle Behandlungsteams versorgen zu lassen . Dadurch können Patienten in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und eine Aufnahme in die stationäre Psychiatrie vermei- den . Eine gute Versorgung psychisch erkrankter Menschen sollte sich in erster Linie dem Patienten widmen und nicht Listen und Formularen . Deshalb verzichten wir nicht nur weitestgehend auf neue Bürokratie, sondern nehmen die Selbstverwaltung in die Pflicht, den Dokumentationsauf- wand, wo es geht, zu reduzieren . Dazu werden die Do- kumentationsregeln jährlich auf den Prüfstand gestellt und unnötige Bürokratie gestrichen . Das entlastet Ärzte, Psychotherapeuten und Pflegekräfte und schafft Raum für mehr Zuwendung an die Patienten . Zum Schluss möchte ich noch auf die Klarstellungen für die Zuweisungen für Krankengeld und Auslandsver- sicherte im Rahmen des morbiditätsorientierten Risi- kostrukturausgleichs eingehen . Uns allen ist klar, dass eine Änderung für zurückliegende Jahresabschlüsse die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618958 (A) (C) (B) (D) Ausnahme bleiben muss . Dennoch lege ich Wert auf die Feststellung, dass wir mit dem Änderungsantrag ledig- lich einen rechtssicheren Vollzug des bereits im Jahre 2014 beschlossenen GKV-FQWG gewährleisten, nicht mehr und nicht weniger . Wenn wir heute die Beratungen förmlich beginnen, dann tun wir das in der Gewissheit, dass wir die Versor- gungsstrukturen für psychisch und psychosomatisch er- krankte Menschen an wichtigen Stellen verbessern . Im Interesse dieser Menschen darf ich Sie um konstruktive Beratungen im Ausschuss bitten . Dirk Heidenblut (SPD): Anfang 2016 haben wir mit dem Eckpunktepapier als Ergebnis aus dem strukturier- ten Dialog die Abkehr vom Pauschalierenden Entgelt- system Psychiatrie und Psychosomatik, PEPP, in seiner bisherigen Form eingeleitet . Das heute vorgelegte Gesetz resultiert daraus und greift die verschiedenen Eckpunk- te auf . Zunächst bin ich sehr froh, dass wir damit, wie von der SPD seit Langem gefordert, die berechtigten Be- denken aller Fachverbände am PEPP aufgegriffen haben und eine Lösung vorlegen, die gerade für Menschen mit schwersten psychischen Erkrankungen eine Verschlech- terung in der Versorgung verhindert . Das war auch das Ziel unserer Vereinbarung im Koalitionsvertrag . An die- ser Stelle möchte ich noch einmal dem Ministerium und den Fachverbänden danken, die die Chance, die wir mit der Vorgabe des strukturierten Dialogs eröffnet haben, produktiv genutzt haben . Nicht zuletzt hat das gemein- same Grundlagenpapier nahezu aller Fachverbände die wesentlichen Impulse für die Eckpunkte und damit für das Gesetz geliefert . Ganz wesentlich ist dabei die Umstellung auf ein bud- getorientiertes Entgeltsystem . Das krankenhausindivi- duelle Budget, das regionale und strukturelle Besonder- heiten berücksichtigt, bietet die Grundlage für eine gute Versorgung . Es wird von den Verhandlungspartnern vor Ort abhängen, dies entsprechend auszukleiden . Besonders freut mich an dieser Stelle, dass wir mit der Fortführung der Psychiatrie-Personalverordnung, PsychPV, auch weiterhin eine verbindliche Personalbe- messungsgrundlage erhalten, bis diese durch eine neue Richtlinie des GBA abgelöst wird . Und hier ist die Vorga- be jetzt ebenfalls völlig klar: Sie wird eine verbindliche Grundlage sein, die zugleich – und das ist unverzicht- bar – einer konkreten Nachweispflicht unterworfen ist. Gerade in der Psychiatrie hat eine angemessene Per- sonalausstattung einen zentralen Einfluss auf einen er- folgreichen Behandlungsprozess, und das gilt für alle Berufsgruppen gleichermaßen . Der GBA erhält die klare Vorgabe, bis 2020 die nötigen, soweit möglich, auf Evi- denz gestützten Grundlagen zu schaffen und in eine ent- sprechende Richtlinie zu überführen . Und wir erwarten, dass dies auch in dem genannten Zeitrahmen geschieht . Für uns ist es selbstverständlich, dass sich die so fest- gelegte Personalausstattung in den Budgets, also bei der Finanzierung wiederfindet, wobei auch tarifliche Fragen ausreichend berücksichtigt sein müssen . In vielen Fällen sind wir leider noch von einer 100-pro- zentigen Umsetzung der PsychPV entfernt . Daher wird auf dem Weg hin zur neuen Personalrichtlinie eine konti- nuierliche Anpassung zwingend erfolgen müssen . In den Kalkulationshäusern soll die 100-prozentige Erreichung der PsychPV bereits grundsätzlich vorgeschrieben wer- den . Es ist aus unserer Sicht richtig, die Personalfrage so deutlich zu fokussieren; denn ein großer Mangel des bisherigen PEPP war, dass gerade in der neu angedachten Personalrichtlinie keine Verbindlichkeit lag . Es werden zugleich die Regelungen für die Psychia- trischen Institutsambulanzen, PIA, weiterentwickelt mit dem Ziel, dass die tatsächliche Leistungserbringung in der Bedarfsplanung eine angemessene Berücksichtigung finden kann. Die PIA ist eine ganz wesentliche Kompo- nente der Überleitung und der Entlastung im ambulanten System . Eine pauschale Anrechnung, wie bisher, wird der tatsächlichen Bedarfsermittlung im ambulanten Be- reich jedoch nicht gerecht . Das Gesetz wird heute eingebracht, und wir werden – natürlich unter Berücksichtigung der Anhörung – in die parlamentarische Diskussion einsteigen . Dabei wird zu klären sein, ob das mit den Eckpunkten Angedachte aus- reichend berücksichtigt ist . Vor allen Dingen wird sich zeigen, ob das Ziel einer stationären Psychiatrie, für alle Patienten eine bedarfsgerechte und gute Versorgung bei hoher Transparenz zu gewährleisten – wozu etwa auch der Krankenhausvergleich gehört –, erreicht werden kann . Wie gewohnt: Nachbesserungen sind nicht ausge- schlossen . Mit dem Gesetz werden zudem Leistungen der stati- onsäquivalenten Versorgung neu eingeführt . Durch diese Leistungen sollen Menschen mit schwersten psychischen Erkrankungen auch zu Hause Hilfe erfahren können . Ob- gleich meine Kollegin auf diesen Bereich detailliert ein- gehen wird, ist mit einzubeziehen, ob und wie wir hier die Erfahrungen aus den parallel zum PEPP entwickelten Modellen nach § 64b berücksichtigen können bzw . ob an dieser Stelle mehr Raum für Entwicklung gegeben wer- den muss . Ich freue mich auf die anstehenden Diskussionen, und – das sei mir zum Schluss gestattet – es freut mich vor allen Dingen, dass PEPP abgelöst wird . Wir schaffen mit dem Gesetz eine sinnvolle und drin- gend notwendige Weiterentwicklung in der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen . Ich will jedoch nicht verhehlen, dass es auch mit dem Gesetz noch ein weiter Weg zu einer unbedingt erforderlichen, wirklich vernetzten und sektorenüber- greifenden Versorgung ist . Aber es gilt, im Sinne aller Beteiligten diesen Weg konsequent zu gehen . Helga Kühn-Mengel (SPD): Mehrfach hat sich der Bundestag in den letzten Jahren mit der Finanzierung psychiatrischer Krankenhausbehandlung befasst . Schon der Name des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs macht deutlich, dass es dieses Mal nicht nur um die Vergütung, sondern auch und sogar vorwiegend um die Weiterent- wicklung der Versorgung geht . Das ist der Schwerpunkt dieses Gesetzentwurfs . Wesentliches Merkmal einer strukturellen Weiterentwicklung psychiatrischer und psychosomatischer Behandlung ist die Neuaufnahme Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18959 (A) (C) (B) (D) der stationsäquivalenten Behandlung in den Katalog der Krankenhausleistungen . Damit ist Home Treatment gemeint . Eine psychiatrische Unterstützung kann eben nicht nur im Krankenhaus, sondern beispielsweise auch in der Wohnung, eventuell auch am Arbeitsplatz stattfin- den . Wir können hier auf die Erfahrungen aus den Model- len nach § 64b zurückgreifen, die parallel zum PEPP ent- wickelt wurden . Und diese Erfahrungen zur integrierten Versorgung sind positiv . Es gibt eben psychisch kranke Menschen, die Krankenhausbehandlung benötigen, aber nicht bereit sind, in ein Krankenhaus zu gehen . Vielleicht machen ihnen die vielen Menschen Angst oder auch nur der eine Mitpatient, der dann mit im Zimmer liegt; viel- leicht scheuen sie aus religiösen Gründen eine gemischt- geschlechtliche Station, vielleicht können sie sich außer- halb der eigenen Wohnung nicht mehr gut orientieren, oder sie hängen vielleicht so stark an Bezugspersonen, dass sie sich von diesen nicht trennen können . Für solche Menschen wird mit diesem Gesetz eine Krankenhausbe- handlung im eigenen Lebensumfeld ermöglicht . Das ist ein großer Fortschritt . Immer wieder müssen wir uns klarmachen, dass psy- chisch Kranke einen anderen Krankheitsverlauf und Um- gang mit der Krankheit zeigen . Während die somatisch Erkrankten aktiv auf das Gesundheitssystem zugehen, zieht sich der psychisch Kranke häufig zurück, wird in- aktiv, den Hilfsangeboten weniger zugänglich und muss oft erst für eine Behandlung gewonnen werden . Nicht ohne Grund wurde im SGB V festgeschrieben, dass die besonderen Belange psychisch Kranker zu berücksichti- gen seien . Mit der Einführung einer stationsäquivalenten psy- chiatrischen Behandlungsmöglichkeit im häuslichen Umfeld wird eine Lücke zwischen stationärer und ambu- lanter Behandlung geschlossen mit der Aufgabe, die sek- torenübergreifende Versorgung zu stärken . Das haben die Fachverbände seit Langem gefordert, wir haben es uns im Koalitionsvertrag als Ziel gesetzt, und wir gehen jetzt an die Umsetzung . Ein wichtiger Schritt . Wir ermögli- chen aber nicht nur eine flexiblere Behandlung durch die Krankenhäuser, sondern wollen auch die Zusammenar- beit der Kliniken mit niedergelassenen Psychiaterinnen und Psychiatern, Anbietern von Integrierter Versorgung, Psychotherapeuten, sonstigen Therapeuten und Pflege- diensten intensivieren . Im Gesetz ist ausdrücklich festge- halten: Leistungen im Rahmen der stationsäquivalenten Behandlung können ganz oder teilweise vom Kranken- haus auch an andere an der ambulanten psychiatrischen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer delegiert werden . Die Vernetzung der regionalen Hilfen ist insbesonde- re für schwer psychisch kranke Menschen wichtig, die gleichzeitig oder aufeinanderfolgend mehrere Hilfen be- nötigen: einen personenzentrierten Hilfemix, multipro- fessionell, interdisziplinär und integriert . Themen wie Arbeit, Freizeitgestaltung, Selbstversorgung und Teilha- be am gesellschaftlichen Leben sind dabei zu berücksich- tigen . Solche Leistungen müssen gut koordiniert werden . Im Krankenhaus ist die tägliche Abstimmung unter den an der Behandlung Beteiligten selbstverständlich . Im am- bulanten Bereich findet eine solche Abstimmung seltener statt . Als Hilfe zum Zugang zu ambulanten Leistungen und zur Koordination derselben haben wir vor 15 Jahren die Soziotherapie im SGB V verankert . Sie kann und soll additive Leistungen von unterschiedlichen ambulanten Leistungserbringern zu einem Hilfeprogramm bündeln, sie soll dabei den schwer psychisch kranken Menschen verlässlich begleiten . Leider wird Soziotherapie noch im- mer nicht überall angeboten . Auch dort, wo es sie gibt, wird sie nur selten genutzt . Das ambulante Hilfesystem muss auch dazu in der Lage sein, koordinierte Hilfeprogramme zu erbringen . Man kann auch von Komplexleistungen sprechen . Das soll nicht die stationsäquivalente Behandlung überneh- men . Diese ersetzt stationäre Behandlung, nicht am- bulante durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten und sonstige Therapeuten . Deren Leistung muss allerdings gerade bei schwer psychisch Kranken stärker koordiniert werden . Dazu kann die So- ziotherapie dienen . Wir sollten sie endlich in das Versor- gungsgeschehen und in dieses Gesetz einbeziehen . Wir haben heute eine zunehmende Inanspruchnahme psychiatrischer und psychotherapeutischer Leistungen und damit eine weitaus häufigere Behandlung seelischer Erkrankungen als früher . Diese Krankheitsbilder sind auch eine Hauptursache für langwierige Arbeitsunfähig- keit und frühe Verrentung . Zu einer guten Behandlung gehört der Blick auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten . Gerade bei seelischen Erkrankungen gilt dies besonders . Das Gesetz stärkt die Sicherstellung einer gu- ten Versorgung . Harald Weinberg (DIE LINKE): Zu Beginn möchte ich Folgendes festhalten: Der Widerstand und der Protest der Fachverbände und der betroffenen Kolleginnen in den psychiatrischen Einrichtungen zusammen mit ihrer Gewerkschaft verdi gegen die Einführung eines Pauscha- len Entgeltsystems in Psychiatrie und Psychosomatik, PEPP, hat sich gelohnt: PEPP kommt nicht so wie ge- plant – und das ist gut so . Es ist aber noch nicht weg, es droht, durch die Hintertür eingeführt zu werden . Und das wäre falsch, denn eine angemessene psychi- atrische Versorgung der Patientinnen und Patienten kann nicht gewährleistet sein, wenn den Krankenhäusern für ihre Patientinnen und Patienten nicht die tatsächlich ent- stehenden Kosten erstattet werden, sondern irgendwie ermittelte Durchschnittskosten . Man muss der SPD in dieser Frage zugestehen, dass sie sich in der Koalition für Verbesserungen eingesetzt hat – etwas, was man ja in diesen Tagen von der SPD nicht in allen Fragen sagen kann, wenn man zum Beispiel ihr Einknicken bei CETA oder ihren Eiertanz bei der hälftigen Finanzierung der Krankenkassen durch die Arbeitgeber anschaut . Mein Glückwunsch dazu! Nach den Eckpunkten liegt nun der Gesetzentwurf zum PsychVVG – noch so ein schönes Kürzel – vor . Ausgeschrieben heißt das: Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618960 (A) (C) (B) (D) Im Rahmen meiner viel zu kurzen Redezeit kann ich nur kurz auf drei Punkte eingehen: Erstens die Möglichkeit für die Krankenhäuser, eine stationsäquivalente Behandlung einzurichten, das soge- nannte Home-Treatment, zweitens die Einführung eines krankenhausindividuellen Budgetsystems verbunden mit Einführung eines systematischen Krankenhausver- gleichs, drittens Bestimmungen zur Mindestpersonalaus- stattung und ihre Kontrolle . Diese Möglichkeit einer stationsäquivalenten Versor- gung im häuslichen Umfeld der Patientinnen einzurich- ten, ist zunächst einmal sehr zu begrüßen . Neue, sektor- übergreifende Versorgungsformen sind gerade in diesem Bereich dringend erforderlich . Problematisch ist jedoch, dass dies an eine Verringe- rung der Bettenzahl gekoppelt ist . Hierzu sollen Kas- sen und Krankenhausgesellschaft auf der Bundesebene „Grundsätze(n) für den Abbau nicht mehr erforderlicher Betten aufgrund der Durchführung der stationsäquivalen- ten Behandlung“ vereinbaren . Nach diesen Grundsätzen sollen Krankenkassen und Krankenhaus vor Ort „im Be- nehmen“ mit den Ländern konkret Bettenabbau beschlie- ßen . Das ist ein starker Eingriff in die Planungshoheit der Länder bei der Krankenhausplanung, denn „Benehmen“ bedeutet nicht, dass die Länder dabei wirklich mitbestim- men können . Ein Automatismus zum Bettenabbau jen- seits einer genauen Prüfung ihrer Erforderlichkeit darf es nicht geben . Es ist aus gutem Grund Aufgabe der Länder und nicht der Kostenträger, den Bedarf an Krankenhäu- sern festzulegen . Dieses Prinzip sollte nicht durchlöchert werden . Wichtig ist aus unserer Sicht, dass diese neuen Versor- gungsformen ausreichend personell und finanziell ausge- stattet werden . Und da sind einige Zweifel angebracht, ob sich die stationsäquivalente Behandlung kostenneut- ral umsetzen lässt . Die Vergütung soll auf Krankenhausebene durch die Vertragsparteien als Gesamtbudget vereinbart werden . Das soll gelten ab 2018 . In den Jahren 2018 und 2019 erfolgt sie budgetneutral . Grundlage sind die Vorjahres- budgets, dabei wird ein krankenhausindividueller Basi- sentgeltwert ermittelt . Und hier kommt dann doch wieder der bundeseinheitliche PEPP-Katalog zur Anwendung . Ab 2020 gelten dann die neuen Regelungen für die Er- mittlung des Gesamtbudgets . Sie enthalten ein deutliches Droh- und Druckpotenzial zur Durchsetzung von Durch- schnittspreisen . Es werden Bundesdurchschnittsentgelte für Leistungen ermittelt und als Vergleichsmaßstab he- rangezogen . Krankenhäuser und Kassen sollen vor Ort beraten, wie über Anpassungsvereinbarungen die Aus- gaben an den Bundesdurchschnitt angeglichen werden können . Das könnte einen ganz ähnlichen Effekt haben wie die in PEPP ursprünglich vorgesehene automatische Konvergenz . Einige Verbände und Organisationen sprechen in dem Zusammenhang von der Einführung von PEPP durch die Hintertür . Das ist aus meiner Sicht noch nicht entschie- den, aber die Gefahr ist unverkennbar . Bis einschließlich 2019 gilt die Psychiatrie-Perso- nalverordnung, Psych-PV, als Personalbemessungs- instrument weiter . Ab 2020 soll es verbindliche Min- destanforderungen für die berufsgruppenbezogene Personalausstattung geben . So weit, so gut . Diese sollen aber vom Gemeinsamen Bundesausschuss, G-BA, fest- gelegt werden, also von Kassen und Krankenhäusern . Damit besteht die Gefahr, dass die dringend notwendi- ge Personalbemessung nicht im Rahmen von Leitlinien evidenzbasiert erfolgt, sondern von Interessenkonflikten zerrieben und verwässert wird . Wir fordern, dass hier Fachgesellschaften, Gewerkschaft und Patientenorgani- sationen in die Entscheidungen eingebunden werden . Außerdem kann man Zweifel bekommen, wie ernst es die Bundesregierung mit Verbesserungen beim Perso- nal meint . Derzeit wird die durchschnittliche Deckungs- quote der Psych-PV um die 90 Prozent geschätzt . Wenn wir 100 Prozent Erfüllung der Personalvorgaben wollen, müssten die Personalkosten in einer Größenordnung von 600 Millionen Euro pro Jahr steigen . Der Gesetzentwurf geht aber nur von 65 Millionen im Jahr 2018 aus . Das reicht hinten und vorne nicht . Wenn die Bundesregierung das, was sie vorhat, auch ernst nähme, dann müsste sie wesentlich mehr Geld einplanen . Notwendig wäre auch ein Sanktionsmechanismus, der Krankenhäuser belohnt, die Stellen schaffen, oder die bestraft, die es nicht tun . Aber der Gesetzentwurf sieht ja noch nicht einmal vor, dass die Kliniken den Kassen nachweisen müssen, ob sie die zusätzlichen Mittel bis 2019 für Personal einset- zen oder für eine Dividendenerhöhung ihrer Aktionäre . So wird das nichts! Da auch für die notwendige Aufsto- ckung der Personalmittel Referenzwerte der Kalkulati- onskrankenhäuser herangezogen werden sollen, muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass die in die Kalku- lation einbezogenen Häuser die Vorgaben der Psych-PV voll erfüllen . Ansonsten sind sie aus der Stichprobe aus- zuschließen . Fazit: Das PsychVVG hat einiges an Licht zu bieten, aber auch noch ziemlich viel Problematisches, das sich im Schatten findet. Ich hoffe, wir werden das Gesetz in den Beratungen noch erheblich verbessern, denn das ist im Sinne der Patientinnen und Patienten dringend nötig . Aber wir wissen zu würdigen, dass dies seit Jahren die erste Regelung ist, die zumindest vordergründig nicht in Richtung Markt und Wettbewerb geht, sondern die Ver- sorgung im Fokus hat . Auch im Antrag der Grünen sind einige vernünftige Vorschläge enthalten, die die Koaliti- on prüfen sollte . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Bundesregierung hat den dringenden Kor- rekturbedarf am alten, von CDU und FDP eingerichteten PEPP-System endlich erkannt . Insofern geht der Gesetz- entwurf in die richtige Richtung . Die Neuausrichtung hin zu einem Budgetsystem wird aber nicht konsequent voll- zogen . Es bleibt zu befürchten, dass durch die Hintertür eine preisorientierte Kalkulation entlang von Einzelleis- tungen fortgeschrieben wird . Der Gesetzentwurf bleibt weit hinter seinen Zielen, die sektorenübergreifende Be- handlung in der psychiatrischen Versorgung zu fördern sowie die Transparenz und die Leistungsorientierung der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18961 (A) (C) (B) (D) Vergütung zu verbessern, zurück . Der deutliche Anstieg von Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Kran- kenhäusern, häufig wiederkehrende stationäre Aufenthal- te, lange Wartezeiten in der ambulanten Behandlung und ein fortdauernder Anstieg von frühzeitiger Erwerbsun- fähigkeit sind deutliche Hinweise, dass die Versorgung psychisch erkrankter Menschen dringend verbessert wer- den muss . Ziel muss ein bedarfsgerechtes, regionales, psychia- trisch/psychotherapeutisches und psychosoziales Ver- sorgungsnetz sein, das flexibel verschiedenste personen- zentrierte und lebensweltbezogene Behandlungsformen ermöglicht: die ambulante Begleitung in den eigenen Alltag während, nach oder statt einem stationären Auf- enthalt, die enge Abstimmung mit gemeindenahen so- zialpsychiatrischen Hilfen im Gemeindepsychiatrischen Verbund, die Einbeziehung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen sowie eine ambulante Krisenbeglei- tung . Ein Entgeltsystem muss diese Veränderungen er- möglichen und befördern . Ein sehr kritischer Punkt im alten PEPP war die Fra- ge der Personalausstattung, weil die alte Psych-PV ab- geschafft wurde und neue Personalstandards noch durch den G-BA entwickelt werden sollten . Gut ist, dass die Psych-PV jetzt weiter gilt und auch deren Umsetzung nachgehalten wird . Nicht gut ist, dass erst ab 2020 der Nachweis gegenüber den Krankenkassen geführt werden muss, dass die Stellen auch besetzt waren . Wer Gelder für Personal erhält, muss dieses auch für Personal aus- geben . Klar ist, wir haben Weiterentwicklungsbedarf . Der für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon- vention erforderliche Personalbedarf zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen muss gesondert erfasst und vergütet werden . Außerdem müssen die in der UN-Kin- derrechtskonvention geschützten Besonderheiten der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie stär- ker berücksichtigt werden . Uns reicht nicht, wenn nur die Selbstverwaltung darüber entscheidet . Wir wollen, dass eine unabhängige, trialogisch besetzte Expertenkommis- sion die Weiterentwicklung in der psychiatrischen Ver- sorgung begleitet . Mit dem Gesetzentwurf wird es Krankenhäusern in einem ersten Schritt ermöglicht, Patientinnen und Pati- enten in ihrem Lebensumfeld zu behandeln, was im An- schluss an die stationäre Versorgung zu einem gleitenden Übergang in den ambulanten Bereich beitragen kann . Das finden wir gut. Es fehlen jedoch Maßnahmen für die am- bulante Versorgung, die es ermöglichen, Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ausreichend inten- siv zu behandeln, um stationäre Aufnahmen im Vorfeld zu vermeiden . Ziel muss es sein, dass die verschiedenen Leistungserbringer in einem gemeindepsychiatrischen Verbund abgestimmte Behandlungen aus einer Hand auch im häuslichen Umfeld und unter Einbeziehung des familiären und sozialen Umfelds anbieten . Hierfür sind rechtliche Vorgaben für Modellvorhaben auch in der am- bulanten Versorgung zu schaffen sowie deren Finanzie- rung sicherzustellen . Abschließend möchte ich noch auf den Griff in den Gesundheitsfonds eingehen, der ebenfalls im PsychVVG geregelt ist . Die Bundesregierung kann keine triftigen Gründe dafür nennen, warum sie für die Mehrbelastun- gen aufgrund der gesundheitlichen Versorgung von Asyl- berechtigten und der Telematikinfrastruktur 1,5 Milliar- den Euro veranschlagt . Eigentlich geht es ihr darum, den Anstieg von Zusatzbeiträgen im Wahljahr zu mildern . Die Begründung ist nur herangezogen und hält der sach- lichen Überprüfung nicht stand . Die gesundheitliche Ver- sorgung von nicht erwerbstätigen Asylberechtigten wird wie bei allen SGB-II-Beziehenden aus Steuermitteln fi- nanziert . Dieses Vorgehen ist unverantwortlich . Denn es verstärkt die vielfältigen Ressentiments gegen Flüchtlin- ge und verstärkt Befürchtungen von Versicherten, dass sie wieder einmal die Zeche zahlen müssen . Ingrid Fischbach, Parl . Staatssekretärin beim Bun- desminister für Gesundheit: Die Sicherung der Qualität in der Versorgung mit psychiatrischen und psychoso- matischen Leistungen in Deutschland ist der Bundes- regierung ein wichtiges Anliegen . Rund 41 Jahre nach der sogenannten „Psychiatrie-Enquete“ des Deutschen Bundestages hat sich vieles in der Versorgung seelisch erkrankter Menschen verbessert . Was Therapeuten und Einrichtungen hier leisten, verdient unsere besondere Wertschätzung . Zur Anerkennung gehört dabei auch eine angemessene finanzielle Honorierung. Bevölkerungsweit haben wir es mit einer zunehmen- den Inanspruchnahme psychiatrischer und psychothera- peutischer Leistungen zu tun und damit einer weitaus häufigeren Behandlung seelischer Erkrankungen als früher . Der heute vorliegende Gesetzentwurf wird dazu beitragen, die Versorgung auf diesem Feld nachhaltig zu stärken . Durch die Neugestaltung streben wir – wie zuvor be- reits auf anderen Feldern der Versorgung – eine Förde- rung der sektorenübergreifenden Behandlung an, also eine Verzahnung von ambulanter und stationärer Versor- gung . Stationäre Aufenthalte können hierdurch verkürzt oder ganz vermieden werden, was den Patientinnen und Patienten – und insbesondere seelisch erkrankten Kin- dern – unmittelbar zugutekommt . Denn Behandlungen im gewohnten Lebensumfeld können helfen, Trennungen und Beziehungsabbrüche zu vermeiden, Bindungen und Familienkompetenzen zu erhalten oder zu verbessern und dadurch den Erfolg der Behandlung zu stärken . Die Koalition hat sich in dieser Wahlperiode intensiv damit beschäftigt, wie ein neues Vergütungssystem in der Psychiatrie und Psychosomatik den Bedürfnissen seelisch Erkrankter gerecht werden kann und gleichzeitig den Zielen Leistungsorientierung und Transparenz gerecht wird . Der Gesetzentwurf zielt damit in seiner Grundaus- richtung auf eine Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen . Um dies zu erreichen, werden systematische Veränderungen des Vergütungssystems vorgenommen . In einem Punkt waren sich alle an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes Beteiligten von Anfang an einig: Obers- te Zielsetzung muss die Sicherstellung einer guten Ver- sorgung für seelisch kranke Menschen sein . Eine seelische Erkrankung kann nun einmal nicht mit einem gebrochenen Arm gleichgesetzt werden . Ein und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618962 (A) (C) (B) (D) dasselbe Krankheitsbild kann unter unterschiedlichen Begleitumständen auch unterschiedliche Therapieansät- ze erfordern . Dies ist mit festen Preisen bei seelischer Er- krankung also nur schwer zu erfassen . Der Gesetzentwurf sieht vor, dass psychiatrische und psychosomatische Kli- niken ihr Budget weiterhin individuell verhandeln kön- nen und regionale oder strukturelle Besonderheiten (in der Leistungserbringung) dabei berücksichtigt werden können . Im Ergebnis wird damit die Verhandlungsebene vor Ort gestärkt . Zugleich halten wir an den Zielen Transparenz und Leistungsorientierung fest . Dies spiegelt sich unter ande- rem in dem Vorschlag wider, an einem bundesweiten und empirisch kalkulierten Entgeltkatalog festzuhalten . Denn es ist zu gewährleisten, dass eine auskömmliche Finan- zierung auch in ein entsprechendes Behandlungsangebot umgesetzt wird . Durch die parallele Einführung eines leistungsbezo- genen Krankenhausvergleichs wird transparent, inwie- weit unterschiedliche Budgethöhen von Krankenhäusern auf Leistungsunterschiede, regionale oder strukturelle Besonderheiten in der Leistungserbringung oder aber andere klinikindividuelle Aspekte zurückzuführen sind . Die leistungsorientierte Ausgestaltung eröffnet die Mög- lichkeit, Versorgungsstrukturen zu analysieren und zu optimieren . Damit soll der Vergleich den Krankenhäu- sern und Kostenträgern vor Ort ermöglichen, ein der Leistungserbringung angemessenes Budget zu verhan- deln . In der Vergleichbarkeit der Einrichtungen auf der Grundlage ihrer Leistungen liegt die Chance für mehr Vergütungsgerechtigkeit zwischen den Einrichtungen . Gleiches kann gleich und Ungleiches ungleich vergütet werden . Für Menschen, die seelisch erkrankt sind, ist die per- sönliche Zuwendung vonseiten des Behandlungs- und Pflegepersonals besonders wichtig. Eine ausreichende Personalausstattung in den Kliniken ist mir daher ein besonderes Anliegen . Um dies zu erreichen, soll der Ge- meinsame Bundesausschuss beauftragt werden, in seinen Qualitätsrichtlinien (mit Wirkung zum 1 . Januar 2020) verbindliche Mindestpersonalvorgaben für die personelle Ausstattung der stationären psychiatrischen und psycho- somatischen Einrichtungen festzulegen . Entsprechende Qualitätsrichtlinien sollen möglichst auf wissenschaftlichen Nachweisen beruhen . Sie sollen die Voraussetzungen schaffen, dass Behandlungsstan- dards von hochwertigen Leitlinien realisiert werden kön- nen und somit zu einer Behandlung der Patientinnen und Patienten nach medizinisch besten verfügbaren Erkennt- nissen beitragen . Zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung können Menschen mit schweren psychischen Erkrankun- gen in akuten Krankheitsphasen auch in ihrem häusli- chen Umfeld (sog . „home treatment“) durch ein mobiles, multiprofessionelles Behandlungsteam versorgt werden . Ambulante Leistungserbringer werden hier mit einbezo- gen . Damit werden die Bedarfsgerechtigkeit und die Fle- xibilität der Versorgung erhöht . Damit ausreichend Zeit für die Ausgestaltung des Ent- geltsystems im Sinne eines Budgetsystems bleibt, wird die Phase, in der Krankenhäuser das System freiwillig anwenden können (sog . „Optionsphase“), um ein Jahr bis Ende 2017 verlängert . Darüber hinaus werden die Jah- re 2017 bis 2019 weiterhin budgetneutral ausgestaltet . D . h ., den Kliniken entstehen durch das neue Entgeltsys- tem in diesen Jahren weder Gewinne noch Verluste . Die mit der langen budgetneutralen Einführungsphase ver- bundenen geschützten Bedingungen ermöglichen es den Einrichtungen, sich bis zur ökonomischen Wirksamkeit ab dem Jahr 2020 auf die neuen Strukturen einzustellen . Alles in allem glaube ich: Man kann mit Fug und Recht sagen, dass mit dieser Neuausrichtung die Weiter- entwicklung des Psych-Entgeltsystems auf einem guten Weg ist . Lassen Sie mich aber auch noch einige Worte zu The- men jenseits der Versorgung von seelisch kranken Men- schen sagen, die der Gesetzentwurf ebenfalls aufnimmt . So sollen zum Beispiel die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung anhand gemeinsam festzulegender Kriterien ein bundesweites Verzeichnis der Standorte von Krankenhäusern und ihren Ambulanzen erstellen, um un- ter anderem eine bessere Grundlage für die Qualitätssi- cherung, Krankenhausplanung und Statistik zu schaffen . Im Gesetzentwurf ist auch vorgesehen, dass wir im Jahr 2017 einmalig 1,5 Milliarden Euro aus der Liqui- ditätsreserve entnehmen . Hiermit sollen vorübergehende Mehrbelastungen der gesetzlichen Krankenkassen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung von gesetzlich versicherten Asylberechtigten sowie im Hinblick auf Investitionen in den Aufbau einer moder- nen und innovativen Versorgung (Aufbau der Telematik- Infra struktur) finanziert werden. Die Integration der Asylberechtigten in den Arbeits- markt ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit einer großen Kraftanstren- gung meistern müssen . Gerade auch die sozialen Siche- rungssysteme sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Asylberechtigte zu Beitragszahlern werden . Je bes- ser die Integration gelingt, desto schneller können wir die Skeptiker davon überzeugen, dass Integration nicht nur aus humanitärer Verantwortung geschieht, sondern eben auch eine Investition in die Zukunft ist, und umso eher kann auch die aktuelle Mehrbelastung für die gesetzliche Krankenversicherung durch steigende Beitragseinnah- men zu einer Chance werden . Aus diesem Grund halte ich eine Zwischenfinanzie- rung durch eine Entnahme aus der Liquiditätsreserve für gerechtfertigt . Es erscheint mir nicht sachgerecht, stei- gende Zusatzbeiträge zu akzeptieren, solange wir in der Liquiditätsreserve noch umfangreiche Reserven haben, um außergewöhnliche und vorübergehende Belastungen aufzufangen . Insgesamt haben wir daher für das Jahr 2017 eine ver- tretbare Lösung gefunden . Wir stellen sicher, dass die Versicherten nicht zusätzlich belastet werden . Dennoch leistet auch die gesetzliche Krankenversicherung einen Beitrag zur Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung durch die Flüchtlingskrise . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18963 (A) (C) (B) (D) Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöf- fenrechts (Tagesordnungspunkt 23) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): In einem Recht- staat gilt es, auch die Rechte von Leuten, die unter Ver- dacht stehen, zu stärken . Deshalb freue ich mich, dass wird bei der Umsetzung des Fahrplans zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen und Beschuldigten in Strafverfahren wieder einen Schritt weiter gekommen sind . Die vom Europäischen Parlament und dem Europä- ischen Rat beschlossene Richtlinie 2013/48/EU wird nun auch durch punktuelle Veränderungen in unserem deutschen Gesetz eingehalten . Diese Richtlinie bekräf- tigt das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren sowie bei Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls . Sie beschließt das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten und von Konsularbehör- den bei Freiheitsentzug eines Jugendlichen . Wir haben schon immer auf europäischer Ebene für diese Mindest- standards plädiert und damit am Ende auch Recht be- halten . Die Grundaussagen unseres Gesetzentwurfs sind lediglich minimale Veränderungen in unserem bereits bestehenden Recht . In der Strafprozessordnung geht es darum, das Recht auf Rechtsbeistand zu festigen und gleichzeitig den Bei- stand bei einem polizeilichen Verhör zu gewährleisten . Auch im Jugendgerichtsgesetz wird nur eine Kleinig- keit eingefügt, die in der Praxis so meistens schon An- wendung findet. Es geht um die Weitergabe von Informa- tionen an den Erziehungsberechtigen oder gesetzlichen Vertreter oder Konsularbehörden während des Freiheits- entzugs . Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen wird um die Möglichkeit erweitert, einen Rechtsbeistand im ersuchenden Mitgliedstaat zu benen- nen . Hierbei bot sich die Möglichkeit zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes in Bezug auf die ehrenamt- lichen Richter in der Strafrechtspflege, die sogenannten Schöffen, die eine historische und wichtige Rolle in unse- rem Rechtssystem spielen . Die Schöffentätigkeit ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, die jeder deutsche Bürger über 18 ausüben kann . Wie wichtig das Ehrenamt in unserer Bundesrepublik ist, sollte jedem von uns bewusst sein: Rund ein Drittel aller deutschen Bürger übt ein Ehren- amt aus . Es darf und soll für uns nicht wie eine Floskel klingen, aber es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig alle Ehrenamtlichen für unsere Gesellschaft sind . Das Schöffensystem, welches schon seit dem Mittelalter in Deutschland und nun auch in einigen anderen Län- dern existiert, soll wichtiger Bestandteil unseres Rechts- systems bleiben . Sie sollen weiterhin das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz bestärken . Zudem dienen die Schöffen als Rechtsprechungsorgan, das für lebensnahe Rechtsprechung sorgen kann, und sie sind ein hervorragendes Symbol unserer Volkssouveränität in Deutschland . Somit sehe ich die Schöffen als wich- tigen und zu erhaltenden Bestandteil unseres Rechtspre- chungsorgans . Aus diesen Gründen halte ich eine Ände- rung des Gerichtsverfassungsgesetzes in Bezug auf die ehrenamtlichen Richter in der Strafrechtspflege für einen sehr sinnvollen Vorschlag . Im Zuge der Debatte über den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie sollten wir auch über eine andere wichtige Reform sprechen . Herr Minister Maas, Sie haben am Anfang der Legislaturperiode die Reform der StPO groß angekündigt . Diese Ankündigung hat in Juristenkreisen und auch bei anderen Menschen, die mit der StPO arbeiten, großes Interesse und Erwartungen ge- weckt . Bedauerlicherweise warten wir noch immer auf den Reformvorschlag, der von Ihnen einst so großartig angekündigt worden ist . Nicht nur die Richterinnen und Richter sind enttäuscht, sondern auch wir . Wir sollten die Gelegenheit nutzen, im Zuge der Beratung des hier vor- liegenden Gesetzentwurfs zu überlegen, ob wir nicht den einen oder anderen dringenden Reformpunkt der StPO ebenfalls noch aufnehmen . Insgesamt denke ich, dass der von der Regierung vor- gelegte Gesetzentwurf auch dafür als gute Grundlage dienen kann – wie auch für die weiteren Beratungen und Diskussionen . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Die Stärkung von Verfahrensrechten von Verdächtigen und Beschul- digten ist von enormer Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger und damit für unseren Rechtsstaat als Gan- zen . In diesem Sinne erstellte die EU im Jahr 2009 einen Fahrplan zur Verbesserung der Umsetzung der elemen- taren Grundrechte im Verfahrensrecht . Ein Meilenstein dieses Fahrplans ist die 2013 beschlossene Richtlinie zur Stärkung von Verfahrensrechten . In dem vorliegenden Gesetzentwurf wird diese Richtlinie nun in deutsches Recht umgesetzt . Das deutsche Verfahrensrecht erfüllt bereits jetzt ei- nen Großteil der Anforderungen der Richtlinie . An eini- gen Stellen gibt es aber noch Handlungsbedarf . In diesem Rahmen warten wir auch alle weiterhin auf die groß an- gekündigte umfassende Reform der Strafprozessordnung aus Ihrem Haus, verehrter Herr Justizminister Maas . Am Beginn des vierten und damit letzten Jahres dieser Le- gislaturperiode hält sich meine Hoffnung auf den großen Wurf in diesem zentralen Bereich unseres Rechtssystems in sehr engen Grenzen . Die notwendigen Änderungen hätten nämlich im Rahmen der Reform des Strafprozess- rechts vorgenommen werden können . Insgesamt werden vier Änderungen zur Umsetzung der Richtlinie nötig . Erstens soll ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der polizeilichen Vernehmung etabliert werden . Dem Beschuldigten bereits in diesem Stadium einen Rechts- beistand an die Seite zu stellen, ist ein Kernstück der Umsetzung der genannten Richtlinie . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618964 (A) (C) (B) (D) Zweitens werden mögliche Kontaktsperren gemäß §§ 31 ff . EGGVG eingeschränkt . Diese sollen in Zukunft nicht mehr den Verteidiger einschließen . Nur so kann ein uneingeschränkter Rechtsbeistand des oder der Verdäch- tigen bzw . Beschuldigten gesichert werden . Momentan ist es möglich, den Verdächtigten bzw . Beschuldigten jeglichen Kontakt zur Außenwelt zu untersagen, wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von einer terroristischen Vereinigung ausgeht und die Kontaktsperre zur Abwehr der Gefahr geboten ist . Dies steht im Widerspruch zu dem in Artikel 47 und 48 der EU-Grundrechtscharta gewährleisteten Recht auf wirk- samen Rechtsbehelf und den Verteidigungsrechten . Eine Gesetzesänderung ist dementsprechend erforderlich . Drittens soll im Falle eines Europäischen Haftbefehls die gesuchte Person über das Recht informiert werden, im ersuchenden Mitgliedsstaat einen Rechtsbeistand be- nennen zu können, um die Grundrechte auf wirksamen Rechtsbehelf und Verteidigung rundum zu sichern . Viertens regelt der neue Gesetzentwurf eindeutig, dass bei Festnahmen von Jugendlichen die Erziehungsberech- tigten oder die gesetzlichen Vertreter so bald wie möglich zu unterrichten sind . Momentan ist dies nur indirekt gem . § 67 JGG geregelt . Durch die Richtlinie sehen wir eine explizite Regelung als geboten an . Allerdings fordern wir eine Angleichung der Ausnahmeregelungen des neuen § 67a JGG an den § 67 JGG . Die Umstände, unter denen eine Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter ausnahmsweise ausbleiben darf, müssen neu festgelegt werden . Denn § 67 JGG und § 67a JGG sichern das elterliche Erziehungsrecht von Vater und Mutter aus Artikel 6 GG . Dieses ist für uns von her- ausragender Bedeutung und gehört gesichert . Mit diesen Änderungen ist es uns möglich, das Recht des Verdächtigen bzw . Beschuldigten auf ein faires Ver- fahren weiter zu stärken . Gleichzeitig wird auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte Rechnung getragen, der in seinem Urteil im- mer wieder Verdächtigen und Beschuldigten ein Zugang zu Rechtsbeistand und Verteidigung ohne Einschränkung zuspricht . Darüber hinaus trägt die Umsetzung der Richtlinie zur Weiterentwicklung des gemeinsamen europäischen Rechtsraumes bei . In Artikel 82 Absatz 1 AEUV wurde festgelegt, dass Urteile in Strafsachen gegenseitig aner- kannt werden sollen . Um das hierfür notwendige Ver- trauen zu schaffen, müssen gemeinsame Mindeststan- dards für Rechte von Verdächtigen bzw . Beschuldigten festgelegt werden . Neben der Umsetzung der erwähnten Richtlinie sollen Veränderungen beim Schöffenrecht vorgenommen wer- den . Aufgrund des akuten Schöffenmangels sind Maß- nahmen zur Stärkung des Schöffenbestandes dringend notwendig. Daher soll die verpflichtende Unterbrechung der Schöffentätigkeit nach zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten wegfallen . So wird vor allem eine länge- re Tätigkeit von engagierten, erfahrenen Bürgerinnen und Bürgern als Schöffen möglich . Nach der jetzigen Regelung haben sie nach der Zwangspause häufig das Höchstalter von 75 Jahren überschritten, und eine wei- tere Beteiligung ist ausgeschlossen . Im Gegenzug soll eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, das Amt abzulehnen, um den Interessen der Schöffen Rechnung zu tragen und eine Überlastung zu verhindern . Mithilfe dieser Änderung ist es uns möglich, das Ver- trauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung aufrecht- zuerhalten und lebensnahe Urteile langfristig zu gewähr- leisten . Die Bundesrepublik setzte sich stets für die Schaf- fung von gemeinsamen Mindeststandards innerhalb der Europäischen Union ein . Mit dem vorliegenden Entwurf setzen wir diesen Standard in unserer Rechtsordnung um und stärken gleichzeitig unseren Rechtsstaat . Dirk Wiese (SPD): Deutschland ist bei den Verfah- rensrechten von Beschuldigten grundsätzlich gut aufge- stellt . Wir erfüllen die europäischen Vorgaben weitge- hend und haben weltweit einen der höchsten Standards . Ab und an gibt es natürlich Nachbesserungsbedarf, bei- spielsweise wenn trotz Umsetzungsbedarf Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates noch nicht in nationales Recht kodifiziert wurden. So ist es auch hier. Der heute hier in erster Lesung zu beratende Gesetzent- wurf zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldig- ten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffen- rechts setzt hauptsächlich die Richtlinie 2013/48/EU vom 22 . Oktober 2013 um . Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist die Änderung der Vorschriften über eine Kontaktsperre in den §§ 31 bis 36 des Einführungsgesetzes zum Ge- richtsverfassungsgesetz . Eine solche Kontaktsperre wird den Zugang zum Verteidiger nicht mehr in allen Fällen ausschließen . Außerdem verankern wir gesetzlich ein ausdrückliches Anwesenheitsrecht des Verteidigers, ins- besondere bei polizeilicher Befragung, bei Ermittlungs- maßnahmen und bei Identifizierungs- und Vernehmungs- gegenüberstellungen . Zusätzlich wird im JGG eine neue Regelung aufge- nommen werden, dass der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter eines Jugendlichen grundsätzlich so bald wie möglich unter Angabe von Gründen zu unter- richten sind, wenn dem Jugendlichen die Freiheit entzo- gen wurde . Einzige Ausnahme bildet hier die erhebliche Gefährdung des Kindeswohls durch eine solche Unter- richtung . Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Eltern verdächtigt werden, an der vorgeworfenen Tat be- teiligt gewesen zu sein . Hier besteht dann die naheliegen- de Gefahr, dass die Eltern im wesentlichem Maße von ih- ren eigenen Interessen geleitet werden und dass sich dies im Hinblick auf das Kindeswohl abträglich auswirkt . Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls ergänzt. Hier wird die Verpflichtung verankert werden, in Verfahren zur Vollstreckung eines Europä- ischen Haftbefehls die gesuchte Person auch über ihr Recht zu unterrichten, im ersuchenden Mitgliedstaat ei- nen Rechtsbeistand zu benennen . Als letzter Punkt sind noch der Wegfall der ver- pflichtenden Unterbrechung der Schöffentätigkeit nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden und die Erwei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18965 (A) (C) (B) (D) terung der Möglichkeiten, ein Schöffenamt abzulehnen, zu benennen . Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Diese Rede geht zu Protokoll und bietet so einen guten Anlass, etwas grundsätzlicher zu werden . Immer wieder sieht sich die EU in der Kritik . Dabei wird häufig vergessen, dass es die Regierungen der Mit- gliedstaaten sind, die erheblichen Einfluss auf die Ge- setzgebung innerhalb der EU haben, und zumindest in Deutschland über den Artikel 23 GG und das EUZBBG erhebliche Mitbestimmungsrechte für den Bundestag existieren . Natürlich muss die EU demokratischer, fried- licher und sozial gerechter werden . Eine Pauschalkritik an der EU allerdings wird ihrer Rolle nicht gerecht . Das zeigt sich auch am vorliegenden Gesetz zur Stär- kung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Straf- verfahren; denn dieses Gesetz basiert auf der Richtli- nie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22 . Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Frei- heitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Drit- ten und mit Konsularbehörden während des Freiheits- entzugs . Diese Richtlinie, die Mindeststandards festlegt, zeigt, dass es mit der EU möglich ist, eine Erhöhung der Mindeststandards zu erreichen . Davon sollte es viel mehr geben, gerade weil die Idee eines Vereinigten Europa eine gute Idee ist und die Idee der Nationalstaaten sich überholt hat . Es ist besonders positiv hervorzuheben, dass die Richtlinie eine Angleichung der Standards auf höhe- rem Niveau als bislang gerade im sensiblen Bereich des Strafverfahrensrechts ermöglicht . Gerade der Umgang mit Beschuldigten im Strafverfahren ist immer wieder ein Gegenstand populistischer und einfacher Antworten, Antworten, die dann kaum mit der Würde des Menschen in Übereinstimmung zu bringen sind . Es ist deshalb au- ßerordentlich zu begrüßen, dass mit der Richtlinie und dem darauf basierenden und heute zu debattierenden Gesetz die Rechte von Beschuldigten im Strafverfahren gestärkt werden . Das vorliegende Gesetz setzt die Richtlinie nun in deutsches Recht um und nimmt Änderungen unter an- derem an der Strafprozessordnung, StPO, vor . Die StPO ist derzeit Gegenstand noch mindestens zweier weiterer Gesetzgebungsverfahren . Aus Sicht der Rechtsanwender und Rechtsanwenderinnen, aber auch derjenigen, die im parlamentarischen Verfahren die einzelnen Vorschläge prüfen und bewerten sollen, wäre es sicherlich wün- schenswert, dass zukünftig versucht wird, keine paral- lelen Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf ein Gesetz durchzuführen . Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf Änderungen am Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz, EGGVG, und im Jugendgerichtsgesetz, JGG vor . In der StPO soll mit dem vorliegenden Gesetz ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen festgeschrieben werden . Gleichzeitig soll mit einer Änderung der Vorschriften über eine Kon- taktsperre in den §§ 31 bis 36 im EGGVG eine solche Kontaktsperre den Zugang zum Verteidiger nicht mehr in allen Fällen ausschließen . Schließlich soll mit der Ände- rung im JGG festgeschrieben werden, dass der bzw . die Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter ei- nes Jugendlichen so bald wie möglich unter Angabe von Gründen zu unterrichten sind, wenn dem Jugendlichen die Freiheit entzogen wurde . Damit werden in der Umsetzung der Richtlinie Ver- fahrensrechte von Beschuldigten in Strafverfahren ge- stärkt, was die Linke ausdrücklich begrüßt . Es ist explizit zu begrüßen, dass neben den bereits in § 168c Absatz 1 StPO und § 163a Absatz 2 in Verbindung mit § 168c Absatz 1 StPO verankerten Anwesenheitsrechtes eines Rechtsbeistandes bei Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren bei richterlichen und staatsanwalt- schaftlichen Vernehmungen nun durch eine Ergänzung des § 163a Absatz 4 StPO dieses Anwesenheitsrecht auch auf polizeiliche Beschuldigtenvernehmungen ausgedehnt wird . Es ist auch richtig, klarstellend aufzunehmen, dass dem Rechtsbeistand und auch der Staatsanwaltschaft nach der Vernehmung des Beschuldigten Gelegenheit zu geben ist, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen . Diese Regelungen stärken das faire Verfahren und sind damit auch ein Beitrag die De- mokratie zu stärken . Ebenfalls auf ausdrückliche Zustimmung der Lin- ken trifft die Umsetzung der Regelungen von Artikel 5 der Richtlinie durch die Änderungen im JGG . Das JGG enthielt bislang gerade keine ausdrückliche Bestimmung darüber, dass, soweit einem Jugendlichen die Freiheit entzogen wurde, „die Person, die Inhaberin der elterli- chen Verantwortung für das Kind ist“, von dem Freiheits- entzug und den Gründen hierfür zu unterrichten ist . Der neue § 67a JGG ändert das nunmehr und schafft auch hier mehr Rechte für Beschuldigte . Schließlich treffen auch die Änderungen in §§ 31 ff . EGGVG auf die Zustimmung der Linken . Die Kon- taktsperre an sich, das heißt die Unterbindung jeglicher Verbindung zwischen Gefangenen und der Außenwelt, trifft dabei nach wie vor auf die Kritik der Linken . In- sofern hätten wir uns durchaus auch vorstellen können, die Regelungen in den §§ 31 ff . EGGVG zu streichen . Die grundsätzliche Herausnahme des Kontaktes zum Verteidiger bzw . zur Verteidigerin aus dem Anwendungs- bereich der §§ 31 ff . EGGVG ist jedoch ein Schritt in die richtige Richtung . Gerade um die Idee von Europa zu stärken, wäre es wünschenswert, wenn durch die EU mehr solcher Richt- linien verabschiedet werden . Dann macht die Umsetzung in deutsches Recht Spaß . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Schaffung EU-weiter gemeinsamer Mindest- standards für Strafverfahren ist grundsätzlich ein wich- tiger und richtiger Schritt . Ein solcher Schritt soll durch die Umsetzung einer EU-Richtlinie gegangen werden . Es geht um das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618966 (A) (C) (B) (D) stand in Strafverfahren, im Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, um das Recht auf Be- nachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten sowie mit Konsu- larbehörden während des Freiheitsentzugs . Im deutschen Recht sind die meisten Vorgaben aus der Richtlinie be- reits verankert . Das vorliegende Gesetz sieht nur kleinere weitere Änderungen vor . Diese enthalten Positives, zum Beispiel dass nun ein ausdrückliches Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen vorge- sehen ist . Und wenn jemand aufgrund eines EU-Haft- befehls festgenommen wird, soll er zukünftig darüber informiert werden, dass er auch im ersuchenden Mit- gliedstaat einen Anwalt nehmen kann und wie er das be- werkstelligen kann . Negativ und unverständlich hingegen ist, dass an den Vorschriften zur Kontaktsperre herumgedoktert wurde, statt sie gänzlich zu streichen . Diese Regelungen wur- den seit ihrer Einführung 1977 nie mehr angewendet . Im letzten Jahr hatte Justizminister Maas angekündigt, diesen alten Zopf abzuschneiden und die Kontaktsperre zum Verteidiger aus dem Gesetz zu streichen . Jetzt ist sie immer noch drin – wenn auch eingeschränkter . Minister Maas sagte zur Begründung der Streichung, Gesetzge- bung müsse auf der „Höhe der Zeit“ sein . Das bedeute nicht nur, die Befugnisse des Staates auszuweiten . Wenn staatliche Befugnisse ihre Notwendigkeit verloren hät- ten, dann solle der Gesetzgeber auch den Mut und die Kraft haben, sie wieder abzuschaffen . Recht hatte der Mann . Jetzt müsste der Minister zeigen, dass er Mut und Kraft hat, die Streichung dieser völlig überflüssigen und höchst bedenklichen Regelung voranzutreiben . Das eigentliche Problem der europäischen Zusam- menarbeit bei der Strafverfolgung in der EU aber re- geln die EU-Richtlinie und der vorliegende Gesetzent- wurf nicht . Das ist die Angleichung von Strafrecht und Strafverfahrensrecht unter Wahrung der Grundsätze der Grund- und Menschenrechte aus den Europäischen Ver- trägen und der hohen rechtsstaatlichen Standards der Verfassungen von Staaten wie Deutschland . Auch in der deutschen Strafprozessordnung gibt es sicher einiges an Reformbedarf . Wir arbeiten ständig daran . Gleichwohl ist das rechtsstaatliche Niveau höher als in einigen an- deren EU-Staaten . Das kann etwa bei der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zu rechtsstaatlich be- denklichen Situationen führen . Auch in Deutschland können Personen festgenommen werden, gegen die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Haftbefehl vorliegt . Das kann zu einer wirksamen Strafverfolgung beitragen, weil sich eine Person, gegen die ein Haftbefehl ergan- gen ist, diesem nicht einfach durch Absetzen ins Ausland entziehen kann . Sie kann zur Strafverfolgung oder Voll- streckung einer Freiheitsstrafe an das andere EU-Land übergeben werden . Der EU-Haftbefehl vereinfacht und beschleunigt den Ablauf im Vergleich zum herkömmli- chen, oft langwierigen Auslieferungsverfahren erheblich . Das Verfahren, das auf dem Grundsatz der gegensei- tigen Anerkennung beruht, ist aber nur akzeptabel, wenn die rechtlichen Standards und Beschuldigtenrechte ver- gleichbar gut geregelt sind . Ist es nicht so, wird es pro- blematisch . Die Besonderheit des EU-Haftbefehls ist es nämlich, dass die Rechtmäßigkeit eines Haftbefehls aus einem anderen Mitgliedstaat nicht nochmals gesondert nach nationalen Bestimmungen überprüft werden darf . Das betrifft dann natürlich ebenso das Rechtsstaatsni- veau und die Beschuldigtenrechte . Auch das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit ist beim EU-Haftbefehl eingeschränkt . Welche Schwierigkeiten es gibt, zeigt ein aktueller Fall aus Rumänien . Hier wurde gegen einen deutschen Staatsbürger, der in Rumänien lebt und dort Verleger ei- ner regierungskritischen Zeitung ist, ein Verfahren we- gen angeblicher Korruption eingeleitet . Mittlerweile ist er verurteilt und sitzt in Rumänien in Haft . Sein Sohn übernahm die Geschäfte des Vaters . Nun werden auch gegen ihn plötzlich Korruptionsvorwürfe erhoben . Er wurde aufgrund eines Ersuchens der rumänischen Be- hörden in England festgenommen, kam dort in Untersu- chungshaft . Im November soll über seine Überstellung entschieden werden . Vieles deutet auf ein politisch moti- viertes Verfahren hin . All dies verdeutlicht die Probleme, die Ersuchen aus EU-Mitgliedstaaten verursachen kön- nen, in denen rechtsstaatlich bedenkliche Bedingungen herrschen, es ein völlig anderes Strafverfahrensrecht und auch andere Straftatbestände gibt . Zumindest hat der Gerichtshof der Europäischen Union, EuGH, im April dieses Jahres entschieden, dass Europäische Haftbefehle aus Ungarn und Rumänien in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten nicht ohne Weiteres vollstreckt werden dürfen . Zuvor müssen die Behörden Informationen über die dortigen Haftbedin- gungen abfragen . Der EuGH hat allerdings gleichzeitig erklärt, dass die allgemeinen Haftbedingungen im ersu- chenden Staat allein noch kein Grund seien, die Vollstre- ckung eines europäischen Haftbefehls abzulehnen . Wirklich helfen kann also nur die Rechtsangleichung im Strafrecht und Strafverfahrensrecht im gesamten EU- Raum und eine entsprechende Rechts- und Staatspraxis, selbstverständlich unter Wahrung höchster rechtsstaatli- cher Standards . Sonst wird uns diese Diskussion immer wieder einholen, wie zum Beispiel bei Einführung der geplanten Europäischen Staatsanwaltschaft . Auch hier- bei wollen wir natürlich nicht hinter Standards, die unse- re deutsche Rechtsordnung hält, zurückbleiben . Mir ist klar, wie hoch kompliziert die komplette Rechtsangleichung ist . Aber ohne sie bleiben die kleinen Schritte Stückwerk, das häufig unpraktikabel ist und in den Einzelfällen zu unbefriedigenden und ungerechten Ergebnissen führen kann . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wir be- fassen uns heute in erster Lesung mit dem Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts . Dieses Vorhaben knüpft mit seinem Ti- tel an das Gesetz zur Stärkung der Beschuldigtenechte an, das wir in der vergangenen Legislaturperiode bera- ten und beschlossen haben, um das deutsche Recht an die Vorgaben der Europäischen Union zur Stärkung der Rechte des Beschuldigten im Bereich der Dolmetschung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18967 (A) (C) (B) (D) und bei der Unterrichtung über seine Rechte und über den Tatvorwurf anzupassen . Wie auch jetzt bestand be- reits damals nur ein geringfügiger Umsetzungsbedarf, weil das deutsche Strafverfahrensrecht die Beschuldig- tenrechte umfassend in den Blick nimmt und bereits heute in hohem Maße schützt . Deutschland hat sich vor diesem Hintergrund immer besonders engagiert für einen hohen europäischen Standard der Beschuldigtenrechte im Strafverfahren eingesetzt und die europäische Road Map für die Beschuldigtenrechte massiv vorangetrieben . Aktuelle internationale Entwicklungen zeigen uns, dass wir auch über die EU hinaus für hohe Mindeststandards im Strafverfahren eintreten müssen . Das gilt insbesonde- re auch für den Bereich, der mit dem jetzt zu beratenden Vorhaben umgesetzt werden soll: das Recht auf Zugang zu einem Rechtsanwalt . Wer sich mit dem Vorwurf einer Straftat konfrontiert sieht, muss das Recht haben, sich frühzeitig und wäh- rend des gesamten Verfahrens von einem unabhängigen Rechtsanwalt als Verteidiger beraten und unterstützen zu lassen . Dieses Recht auf anwaltlichen Beistand gehört zu den fundamentalen Grundrechten des Beschuldigten im Strafverfahren . Es muss gerade auch bei schweren und schwersten Tatvorwürfen grundsätzlich ohne Ein- schränkungen gewährt werden . Ausnahmen müssen auf extreme Sondersituationen zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für Leib oder Leben Dritter beschränkt bleiben . Die Vorschriften über die sogenannte Kontaktsperre sol- len daher künftig uneingeschränkt nur noch gegenüber Mitgefangenen und Dritten zur Anwendung kommen, gegenüber einem Verteidiger nur noch in den ganz engen Grenzen, die sich aus der EU-Richtlinie ergeben . Daneben sieht der Gesetzentwurf nur geringfügige, überwiegend klarstellende Regelungen vor, um die deut- sche Rechtslage den europäischen Vorgaben anzupassen . Ich nenne hierzu nur beispielhaft die Anwesenheitsrechte des Verteidigers bei Vernehmungen und Gegenüberstel- lungen, die, um sie effektiv auszugestalten, einhergehen müssen mit einem aktiven Frage- und Äußerungsrecht des Verteidigers . Wir haben das vorliegende Gesetzgebungsvorha- ben um einen weiteren Punkt ergänzt, der ebenfalls das Strafverfahren betrifft . Schöffen sollen in Zukunft auch länger als zwei Amtsperioden ohne Unterbrechung tätig sein dürfen . Vor allem aktive Seniorinnen und Senioren können das Schöffenamt somit durchgehend bis zum Er- reichen der Altersgrenze ausüben . Die Bundesregierung legt damit einen Gesetzentwurf vor, der zum einen die Beschuldigtenrechte den europa- rechtlichen Vorgaben entsprechend stärkt und zum ande- ren dafür Sorge trägt, dass vorhandenes Engagement für das Schöffenamt auch zum Einsatz kommen kann . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- derung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (Ta- gesordnungspunkt 25) Karl Holmeier (CDU/CSU): Mit der stetigen Erwei- terung und Vertiefung der Lkw-Maut bekennt sich die Große Koalition zum Wechsel von der Steuer-hin zur Nutzerfinanzierung. In diesem Tenor ist auch der Ent- wurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes- fernstraßenmautgesetzes zu sehen, über das wir heute in erster Lesung beraten . Der Erhalt und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist eine Daueraufgabe . Eine gute Infrastruktur ist von entscheidender Bedeutung für eine gute Wirtschaftsent- wicklung . Die deutsche Verkehrspolitik steht tatsächlich vor gewaltigen Herausforderungen, vor allem bei der Straßeninfrastruktur . Hier bedarf es enormer Anstren- gungen . Einen großen Beitrag zur Bewältigung dieser Heraus- forderungen haben wir heute Morgen mit der Einbrin- gung des Bundesverkehrswegeplans 2030 erbracht . Dies hat die Union mit ihrem CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt erkannt . Wir haben es angepackt! Wir haben besondere Anstrengungen unternommen, um zusätzliche Ausgaben für eine moderne, sichere und leis- tungsstarke Verkehrsinfrastruktur auf den Weg zu brin- gen . Daran halten wir auch in Zukunft fest . Wir werden Straßen, Schienen- und Wasserwege er- halten und weiter ausbauen . Diesem Ziel dient auch die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigte Aus- weitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen . Der Bund erhebt die Lkw-Maut bislang auf rund 12 800 Kilometern Bundesautobahnen sowie auf rund 2 300 Kilometern autobahnähnlicher Bundesstraßen . Obgleich Lkw sämtliche Bundesstraßen befahren und die Verkehrsinfrastruktur damit belasten, ist der Großteil der etwa 40 000 Kilometer Bundesstraßen noch nicht maut- pflichtig. Mit der zusätzlichen Erhebung der Lkw-Maut auf allen Bundesstraßen sollen zusätzliche Einnahmen generiert werden, die in die Infrastruktur reinvestiert werden . Die Höhe der Einnahmen hängt natürlich von den jeweiligen Fahrleistungen ab, die Lkw auf den Bun- desstraßen erbringen . Die bisherigen Schätzungen belau- fen sich auf bis zu 2 Milliarden Euro, die der Bund mit der neuen Stufe der Lkw-Maut ab 2018 mehr einnehmen wird, ein Milliardenbetrag, der nach Abzug der Betrei- berkosten voll dem Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfra- struktur zugutekommen wird . Unser Verkehrsminister Alexander Dobrindt steht für Investitionsrekorde und den größten Infrastrukturhaus- halt, der jemals in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde: Fast 14 Milliarden Euro für die Infrastruktur im Jahr 2017 . Das ist noch einmal ein Zuwachs von knapp 10 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016 . Für 2018 ist in Relation zu den Ausgaben im Jahr 2014 gar ein Rekord- mittelaufwuchs von 40 Prozent vorgesehen . Die Investi- tionen in die Infrastruktur sind von 10,4 auf 14,4 Milliar- den Euro gestiegen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618968 (A) (C) (B) (D) Wir haben einen klaren Schwerpunkt: Es geht uns um Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur . Denn Mobili- tät schafft Arbeit und Wohlstand . Mit der Lkw-Maut generieren wir nicht nur zusätz- liche Einnahmen . Die durchdachte Ausgestaltung hat darüber hinaus in der Transportbranche Anreize für In- vestitionen in eine ökologische Flotte gesetzt . Die Maut hat sich also auch als ein wirksames Instrument zur be- schleunigten Modernisierung der von Mautgebühren be- troffenen Fahrzeugflotte erwiesen. Die Modernisierung wirkt sich positiv auf die Menschen aus, die unmittel- bar an den Straßen wohnen – vor allem natürlich in Bal- lungsgebieten . Wir betreiben eine ökologische Verkehrspolitik . Ich freue mich auf die nun anstehenden parlamentari- schen Beratungen im Verkehrsausschuss . Dabei sollten unsere Forderungen aus dem Entschließungsantrag vom 25 . März 2015 zum Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes Eingang in die Beratungen finden. Mir geht es vor allem darum, dass Handwerksbetriebe nicht benachteiligt werden . Dar- über hatten wir schon bei der Erweiterung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge mit 7,5 Tonnen lange diskutiert . Ziel wäre, eine eigene Fahrzeuggruppe zwischen 7,5 und 12 Tonnen einzuführen . Entscheidend wird auch sein, dass die Mautsätze auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen die gleiche Höhe aufweisen . Hier muss unbedingt ein Weg gefunden wer- den, den ländlichen Raum ohne Autobahnanbindung nicht durch höhere Mautsätze auf Bundesstraßen zu be- nachteiligen . Das alles wird zu spannenden Beratungen führen . Packen wir es an! Thomas Viesehon (CDU/CSU): Das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes, das wir heute in erster Lesung im Bundestag beraten, ist ein weiterer Baustein einer vorzugsweise durch den Nutzer finanzierten Verkehrsinfrastruktur; denn damit wird zu- künftig auch auf allen Bundesstraßen die Lkw-Maut er- hoben . Ich danke Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt für die konsequente und gradlinige Fortschrei- bung dieser eingeschlagenen Richtung und die Umset- zung unserer Vereinbarung zur Ausweitung der Maut- pflicht aus unserem Koalitionsvertrag. Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen generiert jährliche Mehreinnahmen von knapp 2 Milliar- den Euro . Zuzüglich der jetzigen Nettomauteinnahmen von 3,4 Milliarden Euro stehen damit mehr als 5 Milli- arden Euro jährlich zweckgebunden im Verkehrshaushalt für die Straßeninfrastruktur des Bundes zur Verfügung . Unsere derzeitigen Gesamtausgaben für den Erhalt und den Neubau von Bundesautobahnen und Bundes- fernstraßen belaufen sich – nach Einläuten des Investi- tionshochlaufs durch diese Bundesregierung – auf circa 9 Milliarden Euro im Jahr . Damit beteiligt sich die Güterkraftverkehrsbranche in direkter Form zu mehr als der Hälfte an den Gesamtkos- ten für die in Anspruch genommene Infrastruktur . Dar- über hinaus trägt sie die nicht unerheblichen Kosten für etwaige Umstellungen der Geräte und Mehrverwaltung . Dafür und für die Bereitschaft in den vergangenen Jahren, die im Koalitionsvertrag beschlossene Auswei- tung der Maut ohne großen Widerstand mitzutragen, möchte ich den vielen Unternehmerinnen und Unterneh- mern der Güterkraftverkehrsbranche an dieser Stelle ein- mal ausdrücklich danken; denn sie stehlen sich nicht aus ihrer Verantwortung . Sie sind, wie wir alle wissen, das Rückgrat der erfolgreichen deutschen Wirtschaft . Mit der Mautausweitung erreichen wir aber nicht nur eine breitere Basis für die Finanzierung unserer Straßen- verkehrswege; es gelingt uns so auch besser, diejenigen, die für den Verschleiß der Infrastruktur hauptsächlich verantwortlich sind, stärker zu belasten . Damit schaffen wir die gerechtere Kostenteilung zwi- schen den privaten Nutzern, die mit dem Pkw die Straße wenig abnutzen, und den Transportunternehmen mit ih- ren schweren Nutzfahrzeugen . Darüber hinaus will das Bundesverkehrsministerium bis Ende nächsten Jahres die Ausweitung der Maut auf kleinere Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 bis 7,5 Tonnen und auf Fernbusse prüfen . Gleiches gilt für die Einbeziehung von Lärmkosten . Neben dem finanziellen Aspekt hat die Ausweitung der Maut aber auch positive Auswirkung in Sachen Nachhal- tigkeit: Die steigenden Kosten und die Einstufung nach Emissionsklassen bilden für die Unternehmen den An- reiz, möglichst emissionsarme Fahrzeuge einzusetzen . Wir alle wünschen uns zudem eine weitere Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Schiene und die Wasserstraße . Hier trägt die Mautausweitung im di- rekten Wettbewerb zu einer Stärkung dieser alternativen Verkehrsträger bei . Ich habe als Berichterstatter für meine Fraktion in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang viele Gesprä- che zum kombinierten Verkehr geführt . Einige Produ- zenten in Deutschland haben gute Erfahrungen mit dem verknüpften Weg über Straße und Schiene gemacht . Für etliche Schwertransporte ist der Weg über die deutschen Binnenwasserstraßen nach wie vor der effizienteste Transportweg . Viele wollen ihren Beitrag zur weiteren Einsparung von CO2 leisten, aber sie können ihre Lieferketten nur dann weg von der Straße verlagern, wenn dieser Weg wirtschaftlich ist . Da spielen die Transportkosten, aber auch der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle . Dennoch werden wir in Zukunft nicht auf den Liefer- weg über die Straße verzichten können . Wir müssen den Verkehr und seine Infrastruktur hierzulande sichern . Das ist unerlässliche Voraussetzung für eine zuverlässig funk- tionierende Wirtschaft in Deutschland . Mit der weiteren Ausweitung der Maut und den damit erreichten zweckgebundenen Mehreinnahmen sichern wir nicht nur den derzeitigen Investitionshochlauf für die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18969 (A) (C) (B) (D) Straße, sondern sorgen in Kombination mit den weite- ren Steuereinnahmen auch dafür, dass die enormen Ge- samtinvestitionen des Bundesverkehrswegeplanes 2030 in Straße, Schiene und Wasserstraße sicher finanzierbar sind. Hiervon profitiert letztlich auch die Schieneninf- rastruktur, die Voraussetzung für einen weiteren Ausbau unseres Schienengüterverkehrsnetzes ist . Mit dem jetzt zur Beratung vorliegenden Gesetz wer- den wir unsere erfolgreiche Verkehrspolitik weiter fort- setzen und Versäumnisse der Vergangenheit beseitigen; denn das Gesetz ist gerecht, es stärkt die Nachhaltigkeit und schafft über die Zweckbindung die Finanzierungssi- cherheit für unsere Verkehrsinfrastruktur! Sebastian Hartmann (SPD): Im Mittelpunkt des Vierten Änderungsgesetzes steht die Ausweitung der Mauterhebung für Lkw oberhalb 7,5 Tonnen auf alle Bundesstraßen – ein Netz von 40 000 Kilometern, auf dem ab Mitte 2018 Beiträge zur Nutzerfinanzierung für die Infrastrukturkosten geleistet werden . Wir freuen uns, dass mit dieser Ausdehnung vom bisher auf Bundesau- tobahnen und einige zweispurige Bundesstraßen be- grenzten Aufkommen dann erhebliche Mehreinnahmen verbunden sein werden, die der Verkehrsinfrastruktur zu- gutekommen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich von Anfang an dafür stark gemacht, diese Ausweitung noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen . Was zur Umsetzung des geänderten Bundesfernstra- ßenmautgesetzes benötigt wird, ist das nächste Wege- kostengutachten, das die Berechnung und Festlegung der Mautsätze für den Zeitraum nach 2017 vornehmen muss . Bereits im aktuellen Wegekostengutachten 2013 bis 2017 waren Veränderungen in der Berechnungsgrundlage nötig geworden, um zum Beispiel Umweltkosten veranschla- gen zu können, aber auch das veränderte Zinsniveau an- zulegen . Für die nächste Stufe wird es darauf ankommen, angemessene Mautsätze zu finden, die im Spannungsge- flecht aus Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie, Voll- kosten der Bundesstraßen und Belastungsgrenzen ihrer Nutzer ermittelt werden müssen . Zu vermeiden ist, dass durch Umrechnung der Vollkosten auf die Fahrleistung als Grundlage der Mautsätze auf Bundesstraßen am Ende die maximal zulässigen Mautteilsätze viel höher liegen als auf Bundesautobahnen . Einheitliche Mautteilsätze sind deshalb eine Forderung der Wirtschaft . Neu ist im Bundesfernstraßenmautgesetz ab die- ser vierten Änderung vor allem, dass ein Teil der Bau- last an den Bundesstraßen nicht mehr beim Bund liegt: Auf 8 Prozent des gesamten Netzes beziffert der Ge- setzentwurf die Streckenabschnitte von Bundesstraßen, die als Ortsdurchfahrten in Kommunen von mehr als 80 000 Einwohnern verlaufen . Hier wird eine Auskeh- rung der Mauteinnahmen über die Bundesländer statt- finden, in deren finanzverfassungsrechtlicher Zuständig- keit sich die Gemeinden befinden. Ihre Verwendung soll zweckgebunden sein . Bei aller Freude über die erfolgreiche Weichenstel- lung darf nicht in Vergessenheit geraten, dass der tech- nische und geschäftliche Betrieb der Mauterhebung un- bedingt über das Vertragsende der Toll Collect hinaus sichergestellt werden muss . Der Betreibervertrag der mit den technischen Umsetzungen zur Ausweitung der Mauterhebung betrauten Toll Collect GmbH endet im August 2018 – auf keinen Fall darf es danach zu einer Unterbrechung des Betriebs kommen, mit der die Ein- nahmen aus der Nutzerfinanzierung gefährdet würden. Herbert Behrens (DIE LINKE): Eigentlich ist heute ein Tag zur Freude; denn mit der Ausweitung der Lkw- Maut auf alle Bundesstraßen wird eine Forderung erfüllt, die von allen im Parlament vertretenen Parteien seit Jah- ren erhoben wird . Mit der Mautausweitung wird vor allem ein Wettbe- werbsnachteil der Bahn beim Güterverkehr deutlich ver- ringert, die bekanntlich für jeden gefahrenen Kilometer bezahlen muss . Diese Ungleichbehandlung ist einer der Gründe dafür, dass in den letzten Jahren immer mehr Güter auf der Straße transportiert werden und der Gü- terverkehr auf der Schiene stagniert . Ich bin mir sicher, dass wir hier im Parlament diesen Trend umkehren kön- nen, und die Mautausweitung ist ein erster Schritt in die- se Richtung . Dass dieser Weg beschritten werden muss, sollte jedem klar sein; denn die negativen Folgen des massiv wachsenden Straßengüterverkehrs für Mensch und Umwelt wird niemand ernsthaft bestreiten . Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail, und die- se Details trüben meine Freude ungemein . Es gibt eine lange Liste von Einwänden gegen dieses Gesetz und die Mautpolitik der Bundesregierung, von denen ich nur drei ansprechen möchte . Erstens: Wieder einmal konnte sich die Bundesregie- rung nicht dazu durchringen, auch die Fernbusse in die Mautpflicht zu nehmen. Mit der Mautbefreiung für Fern- busse widerspricht die Bundesregierung ihrem eigenen Credo, das Verursacherprinzip zu stärken und zunehmend auf eine Nutzerfinanzierung zu setzen. In ihrer Gegenäu- ßerung zur Stellungnahme des Bundesrates verweist die Bundesregierung darüber hinaus eindringlich auf den Gleichheitsgrundsatz, wenn sie dessen Forderung nach der Ausnahme landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge von der Mautpflicht kategorisch ausschließt. Offensichtlich sind Fernbusse aber gleicher als Fahrzeuge der Landwirt- schaft, oder anders ausgedrückt: Die Regierung hat selbst keine Argumente mehr, eine Fernbusmaut abzulehnen . Herr Dobrindt! Aus ihrem Hause hätte ich jetzt we- nigstens mit einer Maut für ausländische Busunterneh- men gerechnet – zum Glück musste ich einen solchen Unsinn wie bei der Pkw-Maut in ihrem Gesetzentwurf je- doch nicht finden. Die Linke wird jedoch darauf dringen, dass eine Maut für Fernbusse in diesem Gesetz zu finden sein wird . Eine Fernbusmaut ist nämlich „fair, sinnvoll, gerecht“ und vor allem längst überfällig! Zweitens entpuppt sich der Gesetzentwurf als riesige Datenkrake . Jetzt müssen Daten 120 Tage lang gespei- chert werden, die früher nicht einmal übermittelt wur- den – nämlich die Positionsdaten aller Lkw, und zwar un- abhängig davon, ob sie auf einer mautpflichtigen Straße unterwegs sind oder nicht . Dies kommt der Totalüberwa- chung aller Speditionen gleich; denn es geht hier schlicht um Bewegungsprofile! Der Hinweis, dass die Daten nach Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618970 (A) (C) (B) (D) einem Tag anonymisiert werden sollen, beruhigt mich da wenig . Vor allem bleibt völlig unklar, wo diese Datensät- ze überall abgelegt werden und wer diese Daten nutzen darf . Sollte es der Fall sein, dass sie vom Mautbetreiber Toll Collect – bei dem die Daten ja auflaufen – kommer- ziell genutzt werden dürfen, wäre das ein Geschenk im Wert von mehreren hundert Millionen Euro . Mit so ei- nem Datensatz können nämlich kostenpflichtige Zusatz- dienste angeboten werden, und Toll Collect hätte dann neben dem reinen Mauteinzug ein weiteres Monopol, was ich nicht akzeptieren kann . Also, beim Thema Da- tenerfassung und Datennutzung muss dringend nachge- bessert werden . Beim Stichwort Toll Collect komme ich zum grund- legenden Kritikpunkt an der Mautpolitik des Verkehrs- ministeriums . Die ganze Mautausweitung steht nämlich vergaberechtlich auf mehr als wackligen Füßen . Die Direktvergabe der technischen Aufrüstung des Mautsys- tems an Toll Collect dürfte dem Europarecht widerspre- chen; denn so ein großer Auftrag muss eigentlich ausge- schrieben werden . Zieht ein Konkurrent von Toll Collect doch noch vor Gericht, kann das ganze Unterfangen der Mautausweitung noch scheitern . Es kann nicht angehen, dass der Verkehrsminister ständig eine Politik der Hin- terzimmerdeals betreibt; denn das hat mit nachhaltiger Verkehrspolitik nichts zu tun . Diesen Stil kann man lei- der mit einem einfachen Änderungsantrag nicht ändern . Neuen Wind im BMVI kann wohl nur die Bundestags- wahl bringen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass die Linke neben einem Ausrufungszeichen sehr viele Fra- gezeichen bei der Mautausweitung sieht . Ich hoffe aber sehr, wenn ich zum Beispiel an die Äußerungen von Martin Burkert zur Fernbusmaut denke, dass wir gemein- sam im parlamentarischen Verfahren wenigstens den Ge- setzentwurf zu einer runden Sache machen können . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung möchte mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf die Maut für Lastkraftwagen (Lkw-Maut) auf alle Bundesstraßen ausweiten . Aktuell gilt diese fast ausschließlich auf Autobahnen und vierspurigen Bundes- straßen . Die Ausweitung soll in Kürze rund 2 Milliarden Euro zusätzlich in den Bundeshaushalt spülen . Wir meinen: Zusätzliche Einnahmen im Verkehrsbe- reich sind dringend notwendig, da wir einen riesigen Sa- nierungsstau aus den letzten Jahren vor uns herschieben . Daher haben wir auch schon immer eine Ausweitung der Lkw-Maut gefordert, damit der Bund genügend Geld zur Verfügung hat, um die kaputten Straßen zu reparieren . Deutschland liegt beim Zustand seiner Verkehrsinfra- struktur weit zurück, und entsprechend groß ist der Nach- holbedarf . Wir haben in den nächsten Jahren die Mam- mutaufgabe nachholende Sanierung zu stemmen – und zusätzlich den laufenden Erhaltungsbedarf . Dafür sind die zusätzlichen Mittel durch die Ausweitung der Lkw- Maut auf alle Bundesstraßen ein Beitrag . Der Verkehrsminister muss aber aufpassen, dass die Mehreinnahmen nicht in die falschen Kanäle laufen . Diese Gefahr besteht . Denn Herr Dobrindt hat bayeri- sche CSU-Kollegen, die bei ihm auf der Matte stehen, um ihre Ortsumgehung im Wahlkreis zu bekommen . Wir stellen gerade einen Bundesverkehrswegeplan auf, und es werden aktuell die Ausbaugesetze zur Umsetzung des BVWP beraten . Wenn Sie, wie am Mittwoch geschehen, in den laufenden Prozess eingreifen und verfrüht das Füllhorn öffnen, dann ist das Investition nach Gutsher- renart und nichts anderes . Wir brauchen Investitionen, die dem Gesamtnetz dienen – und nicht einzelnen Abge- ordneten vermeintlich die Wiederwahl sichern . Ein weiteres wichtiges Thema: Was Sie bei diesem Gesetz verpasst haben, ist die Berücksichtigung von innerörtlichen Ausweichverkehren . Hier brauchen Sie dringend eine echte Lösung, Herr Dobrindt . Ich habe Sie dazu bereits im Rahmen der Regierungsbefragung am 11 . Mai 2016 angesprochen . Aber richtig verstanden haben Sie die Problematik anscheinend noch nicht: Sie beabsichtigen nämlich, auch sämtliche Ortsdurchfahr- ten zu bemauten . Die Bundesstraßen werden dort dann bemautet, aber auf Landes- oder Gemeindestraßen wird keine Maut erhoben . Dies wird unweigerlich wieder zu innerörtlichen Ausweichverkehren führen . Ein Konzept, wie Sie dem begegnen wollen, fehlt komplett . Diese Problematik wird unweigerlich entstehen . Am einfachsten und sinnvollsten wäre es natürlich, die Lkw- Maut auf den Bundesstraßen nur außerörtlich zu erheben . Dann sparen sie sich auch die Verrenkungen, um das beim Bund eingenommene Geld für die Nutzung der innerörtlichen Bundesstraßen verlustfrei zu den großen Kommunen zu bekommen . Denn ab 80 000 Einwohner haben ja die Städte die Zuständigkeit für die Baulast der Bundesstraßen . Direkt zahlen können wir aber nicht an die Städte, sondern nur an die Länder . Da bin ich ja mal gespannt, ob die dort erhobenen Mauteinnahmen dann auch wirklich ohne Bearbeitungsgebühr der Länder an die Städte gelangen . Die Bundesländer und Kommunen sind daran interes- siert, ihre Städte möglichst brummifrei zu halten oder die Brummis zumindest auf den Hauptstraßen zu halten . Für sinnvoll durchdachte Lösungen werden Sie da sicherlich Partner finden. Bessern Sie also den Gesetzentwurf ent- sprechend nach – für eine ganzheitliche Verkehrspolitik in Deutschland und für weniger Belastungen durch Lärm und Emissionen in den Städten und Gemeinden! Machen Sie endlich Verkehrspolitik aus einem Guss und nicht so ein ideologisches Flickwerk! Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarkts- tabilisierung (FMSA-Neuordnungsgesetz – FMSA- NeuOG) (Tagesordnungspunkt 26) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Mit dem Aus- bruch der Finanzkrise im Jahre 2008 schaute die Welt in den Abgrund; denn die Finanzmärkte als Schlüsselmärk- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18971 (A) (C) (B) (D) te unseres Wirtschaftssystems waren praktisch funkti- onsunfähig . Misstrauen hatte die Banken und andere Finanzakteure ergriffen, Finanzinstitutionen waren nicht länger bereit, einander Geld zu leihen . Dominoeffekte konnten das Finanzsystem zum Einsturz bringen, mit ungeahnten Folgen für die Wirtschaft, für Unternehmen und Arbeitsplätze, für die Finanzierung der Infrastruktur bis zu den Spareinlagen für die Altersvorsorge . Der Staat war zu diesem Zeitpunkt die einzige Institution, die noch in der Lage war, Vertrauen wiederherzustellen . Nach den Beschlüssen der G 7 und der Mitglieder der Euro-Zone wurden weltweit Maßnahmen zur Stabilisierung und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems er- griffen . Der Bundestag beschloss, bis zu 400 Milliarden Euro Garantien und bis zu 80 Milliarden Euro Kapitalhil- fen unter strengen Bedingungen für die Finanzinstitutio- nen bereitzustellen . Nach acht Jahren können wir festhal- ten: Die 168 Milliarden Euro in Anspruch genommene Garantien wurden inzwischen vollständig zurückgeführt . Keine dieser Garantien ist ausgefallen . Von den Kapital- hilfen in Höhe von maximal 29,4 Milliarden Euro wur- den 14,8 Milliarden Euro zurückgeführt, 14,6 Milliarden Euro stehen noch aus . Bis heute liegt die Kontrolle und Abwicklung aller Maßnahmen in der Hand der Bundesanstalt für Finanz- marktstabilisierung, FMSA . Daneben konnte die FMSA als zusätzliches Stabilisierungsinstrument sogenannte Abwicklungsanstalten, Bad Banks, gründen . Risikopo- sitionen und nichtstrategisch notwendige Geschäftsbe- reiche von Banken konnten so abgespalten werden, um anschließend die Portfolien möglichst wertschonend ab- zubauen . Über 70 Prozent des Volumens der Ersten Ab- wicklungsanstalt, EAA, entstanden aus der WestLB, und circa 50 Prozent der FMS-Wertmanagement, entstanden aus der Hypo Real Estate, HRE, konnten inzwischen ab- gebaut werden . Eine weitere Aufgabe übernahm die FMSA mit der Er- hebung einer nationalen Bankenabgabe, die dazu beitra- gen sollte, das zukünftig nicht der Steuerzahler, sondern die Banken selbst eine finanzielle Basis schaffen, aus de- nen die Kosten einer möglichen Abwicklung von Banken finanziert werden können. Deutschland war hier Vorreiter in Europa . Denn mit dem deutschen Restrukturierungs- gesetz inklusive der Bankenabgabe wurde die Blaupause für den europäischen einheitlichen Abwicklungsmecha- nismus zum 1 . Januar 2016 vorgelegt . Mit der Umset- zung der Bankenunion, wonach erstens die Europäische Zentralbank, EZB, die Aufsicht über die 120 größten und international vernetzten Banken übernahm, wurde zwei- tens auch ein neuer Abwicklungsmechanismus für gro- ße Banken geschaffen . Auch die 21 größten deutschen Banken fallen nun in den Zuständigkeitsbereich der eu- ropäischen Abwicklungsbehörde . Im Falle der Sanierung oder Abwicklung einer Bank werden zukünftig zuerst die Eigentümer und Gläubiger von Banken herangezogen, bevor ein von den Banken selbst zu finanzierender Fonds im Falle der Abwicklung einer Bank zur Finanzierung in Anspruch genommen werden kann . Damit soll die Ver- antwortung und Haftung bei den Banken verbleiben und verhindert werden, dass der Steuerzahler für die Fehler von Banken zahlen muss . Mit der Errichtung der Bankenunion verbleibt für die FMSA damit nur noch der Verantwortungsbereich für die eher kleinen deutschen Banken, und sie wird damit zur nationalen Abwicklungsbehörde . Deshalb soll mit dem vorliegenden Gesetz die Bundesanstalt für Finanzmarkt- stabilisierung weiterentwickelt und umstrukturiert wer- den . Die bisherigen Aufgaben der FMSA werden auf die Finanzagentur des Bundes und auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, übertragen . Da seit dem 31 . Dezember 2015 die Antragsfrist für den neue Maßnahmen für Finanzmarktstabilisierungfonds ausge- laufen sind, steht dieser nicht mehr für neue Maßnahmen zur Verfügung . Die Überwachung und Abwicklung be- stehender Maßnahmen konzentrieren sich heute auf die Minderheitsbeteiligungen an der Commerzbank und der pbb, Deutsche Pfandbriefbank, der stillen Einlage bei der Portigon AG, Nachfolge WestLB, und zum anderen auf die Aufsicht über die eigenen Abwicklungsanstalten EAA und FMS-Wertmanagement . Mit dem Abbau der Portfo- lien und der Reduzierung der bisherigen Maßnahmen soll aus Effizienzgesichtspunkten und auch im Interesse der Personalstabilität die FMSA in die Finanzagentur des Bundes übertragen werden . Die Finanzagentur hat bisher auch die Refinanzierung des Finanzmarktstabilisierungs- fonds übernommen und war stets beratendes Mitglied im interministeriellen Lenkungsausschuss der FMSA . Die FMSA als nationale Abwicklungsbehörde mit der Zuständigkeit für die Abwicklung der eher kleinen Ban- ken soll zum 1 . Januar 2018 auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen werden . Die umfangreiche Expertise und Kapazitäten, die inzwischen bei der FMSA aufgebaut wurden, haben eine schlagkräf- tige Abwicklungseinheit geschaffen . Diese wird zukünf- tig, unabhängig von der Aufsichtsfunktion der BaFin, als eigenständige Organisationseinheit mit eigener Exekuti- vdirektion ausgestattet werden . In weiteren Beratungen ist darauf zu achten, dass auch in Zukunft die parlamentarische Kontrolle und Überwa- chung wie bei dem bisherigen parlamentarischen Finanz- marktgremium gewährleistet ist . Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Die Finanzmarkt- krise und insbesondere die folgende Insolvenz von Lehman Brothers in den USA und Deutschland im Sep- tember 2008 haben – wie wir alle wissen – staatliche Rettungseingriffe notwendig gemacht . In kürzester Zeit wurde der Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin/ FMS) eingerichtet . Zur Verwaltung dieses Fonds sowie zur Umsetzung und Überwachung der Stabilisierungs- maßnahmen des Fonds, der in der Spitze mit einem Etat von 480 Milliarden Euro ausgestattet war, wurde die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) eingerichtet . Mit diesem Fonds konnten Banken, die in Schieflage geraten waren, wie zum Beispiel die Hypo Real Estate, die WestLB oder die Commerzbank, stabili- siert werden . Insgesamt wurden 168 Milliarden Euro an Liquiditätsgarantien und 29,4 Milliarden Euro an Kapi- talhilfen eingesetzt . Diese Liquiditätsgarantien wurden inzwischen voll- ständig zurückgeführt, ohne dass dabei eine dieser Garantien ausgefallen ist . Im Gegenteil: Für die Inan- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618972 (A) (C) (B) (D) spruchnahme der Garantie haben die Institute gezahlt . Des Weiteren wurden die Kapitalhilfen zu einem großen Teil auch wieder zurückgeführt . Hier stehen zurzeit noch circa 14,6 Milliarden Euro aus . Als weiteres Stabilisie- rungsinstrument trat im Jahr 2009 die bundesrechtliche Abwicklungsanstalt hinzu . Die Bundesanstalt für Fi- nanzmarkstabilisierung konnte nun Abwicklungsanstal- ten gründen, die Risikopositionen und nicht strategienot- wendige Geschäftsbereiche von Banken übernahmen . Zweck dieser Abwicklungsanstalten ist es, die übernom- menen Risikopositionen wertschonend abzubauen . Die FSMA machte von dieser Möglichkeit auch zweimal Ge- brauch . 2009 gründete sich die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), die in mehreren Schritten in großem Umfang Risikopositionen der WestLB übernahm . 2010 wurde da- rüber hinaus die FMS-Wertmanagement gegründet, die Risikopositionen der HRE-Gruppe übernahmen . Im Laufe der Zeit hat sich der gesetzliche Rahmen der Finanzmarktstabilisierung in Deutschland verändert und weiterentwickelt . So ist es gut und richtig, dass die Ban- kenabwicklungen nicht mehr vom Steuerzahler, sondern von den Eigentümern und Gläubigern der betroffenen Banken sowie von den aus Beiträgen der Banken finan- zierten Abwicklungsfonds getragen werden . Ferner ist die Entwicklung von der staatlichen Stützung von Ban- ken hin zur Finanzierung der Abwicklung von Banken durch Eigentümer, Gläubiger und Banken mit Auslau- fen der Antragsfrist für neue Maßnahmen des FMS zum 31 . Dezember 2015 einerseits und die Errichtung des europäischen einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) zum 1 . Januar 2016 andererseits weitgehend abgeschlossen . Die Aufgaben der FMSA beschränken sich daher nur noch auf die Verwaltung der noch ausstehenden Maßnah- men . Dies umfasst zum einen die Verwaltung der beste- henden Minderheitsbeteiligungen des FMS an der Com- merzbank und der pbb Deutsche Pfandbriefbank sowie der stillen Einlagen bei der Portigon AG und zum ande- ren die Aufsicht über die Abwicklungsanstalten EAA und FMS-Wertmanagement . Der nun hier vorliegende Gesetzentwurf zur Neuord- nung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarkts- tabilisierung trägt diesem Umstand Rechnung . Hiernach ist es aus Effizienzgesichtspunkten geboten, die FMSA in ihrer jetzigen Form umzustrukturieren . So sollen die Aufgaben als Nationale Abwicklungsbe- hörde (NAB) als eigener Geschäftsbereich in die Bun- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingegliedert werden . Die Verwaltung des Finanzmarkt- stabilisierungsfonds soll in die Bundesrepublik Deutsch- land – Finanzagentur GmbH (Finanzagentur) integriert werden . In der BaFin soll ein neuer Geschäftsbereich (Ab- wicklung) eingerichtet werden . Hier wird der gesamte Abwicklungsbereich der FMSA einschließlich der in die- sem Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FMSA übertragen . Ziel ist es, den bereits jetzt inten- siven Informationsaustausch und die Zusammenarbeit von Aufsichts- und Abwicklungsbehörde weiter zu ver- einfachen . Durch die Schaffung eines zusätzlichen Ex- ekutivdirektors bzw . -direktorin soll auch die operative Unabhängigkeit der Abwicklungsfunktion von der Auf- sichtsfunktion gewährleistet werden . Durch eine eigene Vertretung der Abwicklungsbehörde im Direktorium der BaFin wird eine starke Leitung der Abwicklungsbehör- de geschaffen, die mit viel Gewicht deutsche Interessen auch auf internationaler Ebene vertreten kann . Festzustellen ist, dass die Aufgaben der Abwicklungs- behörde auf der einen Seite schnell gewachsen sind, während die Aufgaben im FMS-Bereich durch Schlie- ßung des FMS für neue Maßnahmen und Rückführung bestehender Maßnahmen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind . Dies wird auch zukünftig fort- schreiten . Da die FMSA ohne den Abwicklungsbereich als kleine Behörde zurückbleiben würde, ist es sinnvoll, die FMSA in eine größere Einheit zu integrieren . Dabei kommt eine Eingliederung dieses Teils in die BaFin we- gen Interessenkonflikten zwischen Bankenaufsicht und Beteiligungsführung nicht in Betracht . Insofern ist hier mit der Finanzagentur meines Erachtens ein richtiger und kompetenter Partner gefunden worden . Die Finanzagen- tur ist bereits jetzt mit Fragen des FMS vertraut, da sie die Refinanzierung des FMS übernommen hat. Wir werden versuchen, den vorliegenden Gesetzent- wurf noch in diesem Jahr abzuschließen, damit bis 2018 alle Kernaufgaben umgesetzt werden können . Wir wer- den also mit den Beteiligten Gespräche führen und disku- tieren . Auf diese Diskussion freue ich mich und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit . Roland Claus (DIE LINKE): Der Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt die Logik von Koalition und Regierung zur staatlichen Rettung von Banken fort . Seit 2008 werden mit Steuergeldern Banken gerettet und gesichert, die in der Finanzkrise 2007/08 in Schwierig- keiten geraten waren . Die Fraktion Die Linke hatte sich 2008 gegen den Weg der staatlichen Bankensicherung aus guten Gründen ausgesprochen . Gregor Gysi hatte dazu 2008 im Bundestag erklärt: Verantwortlich für diese Krise sind nicht nur Bank- manager – die stehen allerdings ganz oben an –, sondern auch Politikerinnen und Politiker, Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler und Journalis- tinnen und Journalisten, die uns jahrelang gepredigt haben, dass die Freiheit der Finanzmärkte zu einer gigantischen Wirtschaft führt . Aber das Gegenteil ist passiert . Wir haben es nicht nur mit einer Krise auf den Finanzmärkten zu tun, sondern auch in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Demokratie, was zum Teil noch geleugnet wird . Oskar Lafontaine hat darauf hingewiesen, dass der von Ihnen zunächst be- rufene und dann wieder zurückgetretene Tietmeyer erklärt hatte, dass die Finanzmärkte die Politik be- herrschen . Heute sagen Sie, dass Sie zu diesem Ge- setz gezwungen sind . Damit räumen Sie ein, immer noch beherrscht zu werden . Die Kernfrage lautet deshalb, zu welchen Veränderungen wir kommen müssen, um so etwas zukünftig auszuschließen . Seit Bestehen des Sonderfonds für die Finanzmarkt- stabilisierung und der entsprechenden Bundesanstalt hat Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18973 (A) (C) (B) (D) dieser Fonds auf Kosten der Steuerzahler 22,6 Milliarden Euro Verlust angesammelt, nach öffentlich zugänglichen Informationen der FMSA . Die durch SPD und Grüne, anschließend durch CDU/CSU und SPD systematisch betriebene Deregulierung der Finanzmärkte ermöglichte Finanzinstituten spekulative Geschäfte, die zu Milliar- denverlusten führten, die zum großen Teil auf die Steu- erzahlerinnen und Steuerzahler abgewälzt wurden . Ein Beispiel ist die Commerzbank, die auf Grundlage des ers- ten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes mit über 18 Mil- liarden Euro staatlichem Kapital ausgestattet wurde . Der Aktienanteil daran ist inzwischen weitgehend entwertet . Auf den Anteil an stillen Einlagen hat die Commerzbank nur einen Bruchteil der ursprünglich vereinbarten Zinsen gezahlt . Gleichzeitig hat die Commerzbank die Bundes- hilfen genutzt, um sich Wettbewerbsvorteile insbesonde- re gegenüber Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu verschaffen, also genau gegenüber denjenigen Finanzin- stituten, die am wenigsten zur Finanzkrise beigetragen haben . Koalition und Bundesregierung haben darauf ver- zichtet, die Verursacher und Nutznießer der Krise in die Pflicht zu nehmen. Die ungelöste Bankenkrise ist immer noch eine Bedrohung der europäischen Staaten, weil das Gewicht der Finanzmärkte auch die Rettungsboje der Staatshaushalte unter Wasser drückt . Beschlossen hatte die Koalition eine Pseudobankenabgabe, die nach oben gedeckelt ist und von der Vorstellung ausgeht, dass die nächste Finanzkrise schwach ausfallen und erst „in ei- nem halben Jahrhundert“ stattfinden wird. Eine solche Annahme ist nicht nur naiv, sondern bedient bewusst die Lobbyinteressen der Finanzbranche zulasten der Steuer- zahlerinnen und Steuerzahler . Außer gegen Euro-Staaten richten Banken und Hedge-Fonds ihre spekulativen An- griffe auch auf Rohstoffe und Nahrungsmittel . Das Leid der Opfer dieser Spekulationswellen wird von den Ak- teuren in Kauf genommen . Schädliche Finanzinstrumente und Aktivitäten müs- sen verboten werden, zum Beispiel Hedge-Fonds, Schattenbanken, ungedeckte Leerverkäufe und Wertpa- piere auf Grundlage von Kreditausfallversicherungen ohne eigenen Kredit . Insolvente Banken sind zu ver- gesellschaften – mit dem Ziel einer Einbindung ihrer volkswirtschaftlich sinnvollen Tätigkeitsbereiche in ein öffentliches Bankensystem und der Abwicklung ihrer un- produktiven Bestandteile . Über eine Re-Regulierung der Finanzmärkte und die Stärkung der Eigenkapitalanfor- derungen hinaus müssen spekulative Exzesse durch eine Finanztransaktionsteuer und einen Finanz-TÜV einge- dämmt, Privatbanken verstaatlicht werden . Der Banken- sektor muss auf seine Kernfunktionen Zahlungsverkehr, Ersparnisbildung und Finanzierung zurückgeführt und entsprechend geschrumpft werden, damit die Steuerzah- lerinnen und Steuerzahler nicht immer wieder aufs Neue erpresst werden . Im Gesetzentwurf zur Neuordnung der FMSA wer- den die vorgesehenen strukturellen Veränderungen dar- gestellt . Die parlamentarische Begleitung soll weiter in dem ausschließlich geheim tagenden Finanzmarktgre- mium erfolgen . Auch dieses Geheimgremium hatte mei- ne Fraktion seit 2008 kritisiert . Die jetzt beabsichtigten Strukturänderungen sind weitgehend nachvollziehbar, aber sie folgen weiterhin der falschen Logik . Die Frak- tion Die Linke spricht sich für die Überweisung in die vorgeschlagenen Ausschüsse, aber gegen den Gesetzent- wurf aus . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem FMSA-Neuordnungsgesetz sind zwei wichtige Änderungen verbunden . Die Eingliederung der Tätigkeit des FMSA als Nationale Abwicklungsbehörde in die BaFin und die Überführung der Verwaltung des Finanz- marktstabilisierungsfonds und der „Bad Banks“ in die Finanzagentur GmbH . Das Positive zuerst: Mit der Integration der Bad Banks in die Finanzagentur kann nun deren Refinanzierung di- rekt über die Agentur zu besseren Konditionen als bisher stattfinden. Wir haben bereits seit 2012 immer wieder auf das Einsparpotenzial verwiesen, welches sich durch eine direkte Refinanzierung durch die Finanzagentur des Bundes ergeben würde . Das ist erst als inhaltlich falsch abgetan und dann, als die Richtigkeit unserer grünen Argumentation erkannt wurde, aus politischen Gründen vom Bundesfinanzministerium abgelehnt worden. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung nun unseren Vor- schlag doch aufgreift und die Verschwendung von Steu- ergeldern beendet . Bedauerlich ist, dass von dieser Mög- lichkeit nicht deutlich früher Gebrauch gemacht wurde . Wäre die Refinanzierung bereits im Jahr 2012 umge- stellt worden, hätte bis heute nach meiner konservativen Schätzung ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag eingespart werden können . Für diese unnötigen Zinsaus- gaben zulasten des Steuerzahlers trägt der Bundesfinanz- minister die Verantwortung . Diskussionsbedarf haben wir in diesem Zusammen- hang jedoch bei der genauen Konstruktion der Integrati- on der Bad Banks in die Finanzagentur: Die Finanzagen- tur ist eine GmbH und soll jetzt mit der Trägerschaft der FMSA beliehen werden und dabei der Rechts- und Fach- aufsicht des BMF unterstehen . Gleichzeitig untersteht die FMSA weiterhin direkt der Rechts- und Fachaufsicht des BMF . Warum ist dieses exotische Konstrukt notwen- dig? Da überzeugt mich die Begründung noch nicht . Fragen haben wir auch bei der Nationalen Abwick- lungsbehörde, die in die BaFin integriert werden soll . Die FMSA und in Zukunft die BaFin sind als nationale Be- hörden in den europäischen Abwicklungsmechanismus eingebunden . Dies ist ein relativ neues Konstrukt, und viele Punkte bleiben unklar . Zunächst ist wichtig, dass hier keine demokratischen Kontroll- und Rechenschaftslücken entstehen . Die Nati- onale Abwicklungsbehörde wird in die BaFin als neuer Geschäftsbereich eingegliedert mit fünftem Exekutivdi- rektor . Das FinDAG sieht in § 2 die „Rechts- und Fach- aufsicht“ des BMF über die BaFin vor . Diese kollidiert aber mit Artikel 47 der SRM-Verordnung, nach welchem die nationale Abwicklungsbehörde „unabhängig“ han- deln soll . Hier sollten wir überprüfen, wie die vom EU- Recht geforderte Unabhängigkeit mit der BMF-Aufsicht zusammenpasst . Wo liegen die entsprechenden Kon- trollrechte und wem gegenüber ist die BaFin in diesem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618974 (A) (C) (B) (D) Zusammenhang rechenschaftspflichtig? Gegebenenfalls sind die entsprechenden Rechte und Pflichten zu kodi- fizieren. Der vorliegende Entwurf sieht eine Zusammenfüh- rung der Abwicklung und der Aufsicht in der BaFin vor . Dies ist nach der Richtlinie so möglich und auch in ande- ren Ländern üblich. Um aber Interessenkonflikte zu ver- meiden, zum Beispiel die Verschleppung einer nötigen Bankenabwicklung, um ein Aufsichtsversagen zu ver- schleiern, ist in der BRRD eine Trennung von Aufsicht und Abwicklungsbehörde vorgesehen . Der Entwurf der Bundesregierung setzt die entsprechenden Regelungen zur operativen Unabhängigkeit und der organisatorischen Trennung in der Satzung der BaFin um . Hier sollten wir nochmals genauer hinschauen, ob die getroffenen Regeln ausreichen, um Interessenkonflikte zu vermeiden, oder ob weitergehende Maßnahmen nötig sind . Auch in diesem Zusammenhang zu erwähnen sind die Prüfungsrechte durch den Bundesrechnungshof . Dieser berichtete im Januar 2016 über eine Verkürzung der Prü- fungsrechte bei Stabilisierungsmaßnahmen, die Mittel aus dem Europäischen Abwicklungsfonds erfordern . Die Prüfrechte sind ab dem Jahr 2016 auf den Europäischen Rechnungshof übergegangen . Die Prüfungen, die dieser durchführen kann, sind aber deutlich weniger umfang- reich als die bisherig durch den BRH durchgeführten Prüfungen . Hier wäre zu prüfen, ob eine Kompensation möglich ist . Das hatte ich schon bei der entsprechenden Gesetzgebung angesprochen, dass wir uns damit be- schäftigen sollten . Nennen will ich auch die parlamentarische Kontrol- le: Das Finanzmarktgremium bleibt weiter für Kontrolle des Finanzmarktstabilisierungsfonds zuständig . Zukünf- tig wird es insofern auch Vertreter der Geschäftsführung der Finanzagentur laden können . Eine vergleichbare An- passung in § 16 Restrukturierungsfondsgesetz bezüglich Vertreter der BaFin, die zukünftig nach § 1 Restrukturie- rungsfondsgesetz den Restrukturierungsfonds verwaltet, fehlt allerdings . Im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf will ich auch die Geheimhaltungsvorschriften in § 10a Finanz- marktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) und § 16 Re- strukturierungsfondsgesetz thematisieren . Hier fehlt eine Regelung zur Entbindung von der Geheimhaltung . Mir leuchtet es nicht ein, warum es bei der Kontrolle über die Geheimdienste nach § 10 Absatz 2 Kontrollgremiumge- setz (PKGrG) möglich ist, dass eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Parlamentari- schen Kontrollgremiums diese Entbindung vornimmt . Aber bei der Überwachung der Bankenrettung soll es grundsätzlich unmöglich sein . Was macht Bankenrettung noch sensibler als das Handeln der Geheimdienste? Jens Spahn, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister der Finanzen: Der am 20 . Juli 2016 von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf sieht die Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanz- marktstabilisierung, der FMSA, vor . Dieses Vorhaben markiert einen weiteren wichtigen Schritt bei der Bewäl- tigung der Finanzmarktkrise . Damit knüpfen wir an die Schließung des Finanzmarktstabilisierungsfonds FMS für neue Maßnahmen zum Ende des letzten Jahres an . Es ist vorgesehen, die im Jahr 2008 zum Höhepunkt der Finanzkrise gegründete FMSA in ihrer heutigen Form aufzulösen . Die zum damaligen Zeitpunkt angesichts ei- nes drohenden Zusammenbruchs unseres Finanzsystems notwendige Rettung notleidender Banken durch den Ein- satz von Steuergeldern, den sogenannten Bail-out, haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern über- wunden . Im Rahmen der Bankenunion haben wir eine neue Ordnung mit dem Fokus auf den sogenannten Bail-in eingeführt . Hierdurch werden die Eigentümer und Gläu- biger der Banken bei einer Schieflage in die Verantwor- tung genommen . Das ist essentiell, um die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft auch im Finanzsektor durchzusetzen . Wer als Eigentümer Gewinne einstreicht, muss auch im Krisenfall die Verantwortung und Kosten tragen, Risiko und Haftung müssen in Einklang gebracht werden . Einen Bail-out durch den Steuerzahler darf es nicht mehr geben . Die Neuordnung des Finanzkriseninstruments FMSA ist eine weitere Konsequenz in diesem Prozess . Für den FMS, in dem sich die restlichen staatlichen Beteiligungen aus der Krise befinden und für den die FMSA ursprüng- lich gegründet wurde, schaffen wir eine zukunftsfähige Verwaltung . Gleichzeitig legen wir den Grundstein für eine schlagkräftige nationale Abwicklungsbehörde . Las- sen Sie mich dabei einige Elemente besonders hervor- heben . Erstens: Die Verwaltung des Finanzmarktstabilisie- rungsfonds FMS soll auf die Finanzagentur übergehen . Die Finanzagentur ist bereits für die Refinanzierung des FMS für den Bund zuständig . So schaffen wir eine Ver- waltung aus einer Hand . Die können wir zum Anlass neh- men, die Zinsvorteile des Benchmark-Emittenten Bund auch für die Refinanzierung der Abwicklungsanstalt zu nutzen, für die der FMS ohnehin der alleinige Ver- lustausgleich verpflichtet ist: Die FMS Wertmanagement in München . Dies wird erhebliche Kosteneinsparungen zugunsten des Steuerzahlers ermöglichen . Zweitens: Der Bereich nationale Abwicklungsbe- hörde wird dagegen, wie bereits in der Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, der BRRD, vorgesehen, in die Bundesanstalt für Finanzdienstleis- tungsaufsicht, BaFin, eingegliedert . Dies ermöglicht es, die Entscheidungen in Krisensituationen auf nationaler Ebene unter einem Dach zusammenzuführen . Zudem werden der Informationsaustausch und das Zusammen- spiel zwischen den nationalen und europäischen Akteu- ren im Bankenaufsichts- und Abwicklungsbereich er- leichtert . Gleichzeitig werden die europäischen Vorgaben zur strukturellen Trennung von Aufsichts- und Abwick- lungseinheit durch die organisatorische Verankerung der nationalen Abwicklungsbehörde als eigenständiger Ge- schäftsbereich der BaFin umgesetzt . Die Aufgaben der FMSA werden also in zwei Bereiche aufgeteilt: auf der einen Seite die Verwaltung des FMS, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18975 (A) (C) (B) (D) die auf die Finanzagentur übergeht; auf der anderen Seite die Abwicklungssäule, die in die BaFin integriert wird . Durch die Überführung in bereits bestehende und gut funktionierende größere Einheiten können die anstehen- den Aufgaben künftig effizient und zielorientiert erle- digt werden . Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FMSA gehen in die jeweiligen Institutionen über, sodass sich ihnen langfristige Perspektiven eröffnen und sie ihre über Jahre aufgebaute Expertise auf dem Spezialgebiet der Bankenstabilisierung und Bankenabwicklung in die neuen Strukturen einbringen können . Um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, wird überdies klargestellt, inwieweit die Regelungen der Bundeshaus- haltsordnung auf die bundesrechtlichen Abwicklungsan- stalten nach § 8a Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz anzuwenden sind . Einerseits wird hierdurch dem Um- stand Rechnung getragen, dass die Abwicklungsanstal- ten letztlich durch Steuergelder finanziert werden. Dies gilt insbesondere für die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit . Anderseits wird Rechtssicherheit für die Abwicklungsanstalten geschaf- fen, indem explizit klargestellt wird, dass sonstige Rege- lungen der Bundeshaushaltsordnung nicht anzuwenden sind . Dies erleichtert es den Abwicklungsanstalten, ihren Auftrag bestmöglich auszuführen, die noch verbleiben- den Portfolios im Sinne des Steuerzahlers gewinnorien- tiert bzw . verlustminimierend zu veräußern . Die FMSA hat in den letzten Jahren bei der keines- wegs leichten Aufgabe, die Folgen der Finanzkrise von 2008 und 2009 zu bewältigen, exzellente Arbeit geleistet . Dafür gilt den Verantwortlichen, stellvertretend den Mit- gliedern des Leitungsausschusses, unser aller Dank . Klar ist aber auch, dass, wenn die Aufgaben einer Institution abnehmen, man nicht zuletzt im Interesse der operativen Stabilität und zur Sicherheit der Beschäftigten zukunfts- fähige Strukturen schaffen muss . Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz dazu genau die richtige Weichen- stellung vornehmen . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch- führung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch (Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammge- setz – LwErzgSchulproG) (Tagesordnungspunkt 27) Katharina Landgraf (CDU/CSU): Als Berichter- statterin für gesunde Ernährung freue ich mich, über die aktuellen Entwicklungen bei den Schulprogrammen für Schulobst und Schulmilch zu sprechen . Als ich am 20 . Februar 2014 hier schon einmal über die Vorhaben und Ankündigungen aus Brüssel berichtet habe, konnten wir es als gute Nachricht verbuchen, dass die Länder mehr Geld für das Schulobstprogramm er- halten sollten und selber weniger dafür zahlen mussten . Damals wurde der Kofinanzierungsanteil der Länder von 50 Prozent auf 25 Prozent gesenkt . Jetzt entfällt er sogar ganz! Damals verkündete Brüssel auch erstmals, dass die Obst- und Schulmilchprogramme zusammengeführt werden sollen . Und siehe da: Heute schaffen wir mit der Umsetzung der EU-Verordnung die nationale Grundlage für die Zusammenlegung der bisher getrennten Program- me für Schulobst und -gemüse und Schulmilch . Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch lösen wir das Schulobstge- setz und die Schulmilch-Durchführungsverordnung ab . Mit dieser Vereinfachung und dem gleichzeitigen Weg- fall des Eigenanteils der Länder bietet sich die Chance, dass Kinder in allen Bundesländern von beiden Program- men profitieren. Die Realisierung des Programms wird dadurch vereinfacht, und es wird eine Basis für eine ein- heitliche Verteilung des zur Verfügung stehenden Bud- gets geschaffen . Ebendieses Budget wird zudem erhöht . Das EU-Parla- ment verabschiedete im Frühjahr dieses Jahres nicht nur die Zusammenlegung der Programme, sondern entschied auch, dass die Finanzmittel um 20 Millionen Euro erhöht werden . Die Mitgliedstaaten, die am Schulprogramm teil- nehmen, verpflichten sich auch zu pädagogischen Maß- nahmen . So sollen die Kinder über gesunde Ernährung sowie über lokale Nahrungsmittelketten, ökologischen Landbau, nachhaltige Erzeugung oder die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung aufgeklärt werden . Kin- dern soll auch die Landwirtschaft wieder nähergebracht werden, beispielsweise durch Besuche von Bauernhöfen . Ich halte es weiterhin für durchweg begrüßenswert, dass sich die Europäische Union für die gesunde Ernäh- rung der jungen Generation einsetzt . Die nationale Politik muss zudem alles dafür tun, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, Anreize zu setzen und Ideen mit einem aus EU-Mitteln finanzierten Programm zu begleiten. Es gibt aber auch Grenzen hinsichtlich des Hand- lungsspielraums der EU und auch der Berliner Politik . Die Begeisterung für die tägliche Portion Obst und Ge- müse muss vor Ort geweckt werden . Auf den Geschmack kommen Mädchen und Jungen im wahrsten Sinne des Wortes, indem ihnen in ihren frühen Jahren das entspre- chende Angebot durch die sie betreuenden Erwachsenen und Pädagogen gemacht wird . Bestimmte Entscheidungen können nicht von der Po- litik aus der Ferne getroffen werden . So sollte bei der praktischen Umsetzung darauf geachtet werden, dass vor allem Obst und Gemüse in die Schulen kommt, welches regional bezogen wird . Das ist eine Gestaltungsmöglich- keit der Träger vor Ort, die sich dieser verantwortungs- voll annehmen sollten und dies auch tun . An dieser Stelle wünsche ich mir, dass die Schulen ein solches Angebot nicht als ein von oben verordnetes Übel ansehen, das nur mehr Arbeit macht . Das Programm sollte Bestandteil des gesamten Schulbetriebs und des Unterrichtsprogramms sein . Kurzum: Es sollte zum ganz normalen Alltag in den Schulen und Einrichtungen gehören . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618976 (A) (C) (B) (D) Aber auch Schulen haben nur begrenzt die Möglich- keit, ihre Schützlinge mit gesunden Lebensmitteln in Kontakt zu bringen . Das tatsächliche Leben mit Obst und Gemüse findet vor allem in den Familien und nur sukzes- siv in den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen statt . Dass es da läuft, hängt einzig und allein vom Be- wusstsein der Familie ab . Der Idealfall wäre, wenn Vater und Mutter selbst mit dem Thema „gesunde Ernährung“ und vor allem mit viel Obst und Gemüse aufgewachsen sind . Die eigene Erfahrung, die man in seiner persönli- chen Entwicklung, in seiner Umgebung, in seiner Fami- lie gemacht hat, ist die beste Wissens- und Handlungs- grundlage . Ist das nicht gegeben, so braucht man eine entsprechende pädagogische Begleitung . An dieser Stelle greift dann das Obst- und Gemüseprogramm in den Kitas und Schulen wieder und ist allein schon aus diesen Grün- den nur zu begrüßen . Eine gesunde Ernährung und Bewegung sind die Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen . Dabei ist das Wissen über gesunde Ernährung der zentrale Bestandteil . Dieser wird wesentlich im Kindesalter erlernt und ge- bildet . Die hier erworbenen Ernährungsmuster behalten Kinder und Jugendliche oft ein Leben lang . Die Evaluationen des Schulmilch- und des Schulobst- programms haben eine deutliche Zunahme der Beliebt- heit und Akzeptanz von Milch, Obst und Gemüse erge- ben . Zudem stieg das Bewusstsein der Kinder um die Wichtigkeit von Milch, Obst und Gemüse als Bestandteil einer gesunden Ernährung . Daher appelliere ich an alle Bundesländer, die sich bisher noch nicht an den Program- men beteiligt haben, dies zum Wohle der Kinder schnell nachzuholen, und freue mich über die Unterstützung zur Umsetzung dieser Ziele aus Brüssel . Jeannine Pflugradt (SPD): Um Kinder und Jugend- liche an Obst sowie Gemüse außerhalb ihres familiären Umfeldes heranzuführen, hat die Europäische Union im Jahr 2009 ein Schulobst- und -gemüseprogramm in den Mitgliedstaaten eingeführt . Mit dem Programm werden seitdem jährlich europaweit 150 Millionen Euro Ge- meinschaftsbeihilfe für die teilnehmenden Staaten be- reitgestellt . Vor zweieinhalb Jahren (im Januar 2014) legte die EU-Kommission einen Vorschlag für ein neues, um- fassendes Schulprogramm vor . Dieser sieht vor, das Schulobst- und -gemüseprogramm sowie das Schul- milchprogramm auf Basis der beschlossenen Mittel zu- sammenzufassen . Der Hauptgrund für eine Zusammen- legung war die aufkommende Kritik an der Effektivität der beiden einzelnen Programme . Mitte Dezember 2015 fiel endlich eine positive Entscheidung zugunsten einer organisatorischen Zu- sammenlegung beider Schulprogramme . Das neue EU-Schulprogramm soll nun 100 Prozent der Kosten der Mitgliedstaaten durch die EU übernehmen . Es fällt dem- nach unter die EU-Beihilferegelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die bisherige Kofinanzierung, die möglicherweise einige Bundesländer davon abhielt, das Programm auch umzusetzen, entfällt dadurch . Die Bei- hilfen sollen ab dem Schuljahr 2017/18 gelten . Das be- deutet, dass ab 2017 die zur Verfügung stehenden finan- ziellen Mittel für Schulmilch bei 100 Millionen Euro und für Schulfrucht bei 150 Millionen Euro liegen . Deutsch- land stehen davon pro Schuljahr durchschnittlich 20 Mil- lionen Euro zur Verfügung, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft an die teilnehmenden Bundesländer verteilt . Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir die Voraussetzungen, die EU-Verordnung in nationales Recht umsetzen . Um am Programm teilnehmen zu können, müssen die Mitgliedstaaten für jedes Schuljahr eine nationale Stra- tegie einreichen, in der sie darlegen, wie das Programm ausgestaltet werden soll . In Deutschland sind die Bundes- länder für die Durchführung des Programms zuständig . Diese reichen je nach Ressourcen und regionalen Beson- derheiten ihre regionalen Strategien beim Bund ein . Die Strategie muss Angaben über Budget, Zielgruppen, Zeit- raum, förderungswürdige Produkte und die geplanten flankierenden Maßnahmen enthalten. Flankierende Maß- nahmen (Ernährungsbildung und Ernährungsaufklärung) unterstützen die Abgabe der Erzeugnisse und stehen im direkten Zusammenhang mit den Zielen des Programms . Erfreulich ist, dass nunmehr neun Bundesländer daran teilnehmen (BW, BY, HB, NI, NW, RP, SL, ST, TH) . Ziel ist die dauerhafte Erhöhung des Konsums von Obst und Gemüse sowie Milch bei Kindern, um einen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung sowie der Ernäh- rungsbildung zu leisten . Momentan haben in Deutsch- land fast 2 Millionen Kinder und Jugendliche (3- bis 17-jährige) Übergewicht . Das ist besorgniserregend und erschreckend . Das sind rund 15 Prozent . Neben dem An- gebot einer ausgewogenen Ernährung müssen deshalb auch die Ernährungsbildung verbessert und die Bewe- gungsangebote optimiert werden, denn nur das Wissen um eine ausgewogene Ernährung reicht nicht aus, um das tatsächliche Ernährungsverhalten zu verändern . Bei- spielsweise sollten Kinder lernen, woher die Nahrung kommt, die gerade verzehrt wird, wie sie produziert wird und wie sie am Ende im Supermarkt landet . 90 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, der Schullei- terinnen und Schulleiter der in Deutschland beteiligten Schulen sagen übereinstimmend, dass spezifische Er- nährungsprogramme ohne Probleme in den Schulalltag integriert werden können . Doch in über 34 Prozent der Schulen wird nicht täglich Obst und Gemüse angeboten . Dabei ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Herkunft davon profitieren. Niemand darf aus sozialen Gründen ausgeschlossen, niemand sollte diskriminiert werden . Ein gemeinschaft- licher Verzehr beeinflusst sowohl das Zusammengehö- rigkeitsgefühl als auch die Denkweise über Ernährung . Ich persönlich halte ausgewogene Essgewohnheiten von klein auf für enorm wichtig und sehe sie auch als eine Grundlage für einen gesunden Lebensstil . Obst, Gemüse sowie Milchprodukte sind dabei unentbehrlich für eine vollwertige, ausgewogene Ernährung . Diese Le- bensmittel enthalten neben Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen sowie Kohlenhydraten auch einen hohen Wasseranteil . Kinder und Jugendliche können mit die- sem Schulprogramm erfahren, dass vermeintlich nur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18977 (A) (C) (B) (D) „gesunde“ Lebensmittel auch gut schmecken . Darüber hinaus hat ausgewogene Ernährung eine positive Wir- kung in der Vorbeugung zahlreicher lebensstilbedingter Erkrankungen . Gerade in der heutigen Zeit von Ganztagsschulen ist die Schule auch ein Lernort für gesellschaftliche Auf- gaben geworden . Eltern möchten ihre Kinder während der Schulzeit gut behütet wissen . Dazu zählt auch eine gute Essensversorgung . Außerdem werden Wertevorstel- lungen nicht nur von den Eltern weitergegeben, sondern auch von Lehrern und Mitschülern . Wenn in der Fami- lie nicht regelmäßig Obst und Gemüse auf dem Tisch steht, können abgestimmte Schulprogramme während der Schulzeit neue Essgewohnheiten schaffen . Durch die Einführung von Schulprogrammen übernimmt die Bun- desregierung demnach eine kleine Mitverantwortung für eine ausgewogene Ernährung von Schulkindern . Die bereitgestellten EU-Mittel sind sicherlich nicht ausreichend, um das Gesamtproblem von Übergewicht und Fettleibigkeit in den Griff zu bekommen . Program- me, wie die Verteilung von Obst, Gemüse und Milch an Schulen, bieten sicherlich nur einen Anstoß . Wenn sich die Bundesregierung noch intensiver um das Thema Schulverpflegung bemühen würde, würde ich mich noch mehr freuen . Was das neue Bundeszentrum für Ernäh- rung in diesem Bereich leisten kann, müssen wir abwar- ten . Deshalb sollten wir weiterhin über eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bereich Schulverpflegung nachdenken . Nicht alles, was von den Bundesländern ge- tan wird, ist schlecht, wie in den Paradeländern Saarland und Berlin zu sehen ist, und nicht alles, was der Bund im Bereich Ernährung und Schulverpflegung vorhat, muss sich per se positiv auf die Problematik auswirken . Den- noch ist es längst überfällig, über Synergien zwischen Bundes- und Länderkompetenzen nachzudenken und sie effektiv zu bündeln . Das Wohl der Kinder und Jugendli- chen muss dabei im Mittelpunkt stehen und uns als Leit- bild dienen . Karin Binder (DIE LINKE): Seit Jahren fördert die EU die Abgabe von Milch sowie Obst und Gemüse an Schülerinnen und Schüler . Dafür gibt es zwei gute Grün- de: erstens die Förderung des Absatzes von Milch, Obst und Gemüse aus der Landwirtschaft und zweitens die Förderung gesunder Ernährung von Kindern . Die Idee dahinter: Lernen wir schon als Kinder, regelmäßig Obst und Gemüse zu essen und Milch zu trinken, wird dies zu einer gesunden Ernährungsgewohnheit, die wir ein Le- ben lang beibehalten . Auch das stärkt dann später wieder die heimische Landwirtschaft . Dass es in unserer Gesellschaft in Sachen gesunder Ernährung Handlungsbedarf gibt, ist unbestritten . Wir müssen schon seit Jahren zunehmend gesundheitsbe- lastende Ernährungsweisen feststellen, von der bereits Kinder und Jugendliche betroffen sind . Jedes siebte Kind leidet an Übergewicht, fast jedes zweite davon ist fettlei- big . Jede beziehungsweise jeder vierte Jugendliche leidet an Essstörungen . Ein Grund ist im modernen Arbeitsalltag vieler Fami- lien zu finden. In der Hektik zwischen Job, Schule, Fa- milie und weiteren Verpflichtungen müssen Mahlzeiten schnell zubereitet sein . Essen wird durch ein zunehmen- des Angebot an Fertigmahlzeiten mit nicht erkennbarer Zusammensetzung bestimmt . Frisch zubereitete Gerichte und insbesondere frisches Obst und Gemüse kommen zu kurz . Allgegenwärtige, teils aggressive Werbung lenkt besonders Kinder und Jugendliche und deren El- tern gezielt auf unausgewogene Produkte wie Fastfood, Snacks und Softdrinks . Das hat auch die EU-Kommissi- on erkannt und betonte schon 2014 in einer Auswertung zum Schulmilch- und Schulobstprogramm: „Diese Ent- wicklung durch die modernen Ernährungstrends hin zu stark verarbeiteten Nahrungsmitteln mit oftmals hohen Beimengungen von Zucker, Salz und Fett verstärkt sich besonders bei jüngeren Altersgruppen weiter .“ Es gibt also dringenden Handlungsbedarf . Eine Maß- nahme ist jetzt die Bündelung und Vereinfachung der Schulprogramme . Dass davon am Ende auch die heimi- schen Erzeuger direkt profitieren sollen, ist zu begrüßen. Eine wichtige Voraussetzung für uns ist aber, dass aus- schließlich unverarbeitete Erzeugnisse, also die natürli- chen Rohprodukte, angeboten werden . Das ist so in dem Gesetzentwurf nur unzureichend geklärt . Wenn nämlich am Ende wieder nur stark gesüßte Kakaogetränke oder Joghurtprodukte mit absurd hohen Zuckeranteilen an die Kinder verteilt werden – samt der damit verbunde- nen Markenwerbung und irreführenden Angaben zum Inhalt –, ist das Schulmilchprogramm für die Katz . Das würde die Idee gesunder Ernährung ad absurdum führen . Dann profitieren wieder nur die großen Lebensmittelkon- zerne, und die Bauern und die Kinder zahlen drauf . Der Nachteil des jetzt vorgesehenen Schulprogramms für Obst, Gemüse und Milch ist, dass nur ein kleiner Teil von Schulen davon profitieren wird. Das Programm ist auf Grundschulen beschränkt, und die begrenzten Mit- tel reichen auch nur, um einen Teil der Schulklassen zu versorgen . Weder Kitas noch Sekundarschulen haben et- was von dem Programm, obwohl ein möglichst frühes Kennenlernen und regelmäßiges Angebot ausgewogener Lebensmittel für die Ernährungsbildung wichtig sind . Im Sinne staatlicher Vorsorge wäre es daher, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Vollfinanzierung sicherstellt. Stellen Sie die Kofinan- zierung der EU-Mittel von 30 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung . Das Geld kann an ande- rer Stelle, beispielsweise durch Verzicht auf wirkungslo- se Imagekampagnen wie „Macht Dampf“ oder „Zu gut für die Tonne“, eingespart werden . Wenn die Bundesregierung die gesunde Ernährung unserer Kinder und die Stärkung der heimischen Land- wirtschaft ernst nimmt, übernimmt sie beim Schulpro- gramm Verantwortung und sorgt für ein Schulmilch- und Schulobstprogramm, an dem alle Kinder teilhaben und teilnehmen können . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach langwierigen Verhandlungen ist das neue EU-Programm zur Abgabe von Obst, Gemüse und Milch in Schulen und Kindertagesstätten auch bei uns im Bundestag gelandet . Der vorliegende Gesetzentwurf ist nur ein Anfang, der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618978 (A) (C) (B) (D) noch vieler weiterer Bestimmungen bedarf, damit die Länder damit arbeiten können . Leider liegt der Entwurf erst jetzt vor, und die Durchführungsbestimmungen eben dann noch später, sodass die von der EU geforder- te Umsetzung mit den entsprechenden Vorlaufzeiten für die Haushaltsplanungen 2017 nach Auskünften aus den Bundesländern schon wieder in Verzug geraten ist . Ob mit dem neuen EU-Schulprogramm eine Verwaltungs- vereinfachung einhergeht, wie dies vorab proklamiert wurde, bleibt abzuwarten . Skepsis kommt auch hier aus den Ländern, die eine Verwaltungsvereinfachung derzeit eher nicht sehen . Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Europäi- sche Union insgesamt rund 250 Millionen Euro in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten investiert . Zum Schul- jahr 2017/18 stehen für Deutschland mindestens 29 Mil- lionen Euro aus Brüssel bereit . In Deutschland beteiligen sich leider erst neun Bundesländer an diesem guten Pro- gramm . Die Abgabe von Milch erfolgt in 14 Bundeslän- dern . Die Beteiligung an diesem Programm muss weiter erhöht werden . Das Ziel des Programmes ist es, Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, einen gesunden Lebensstil zu erlernen, und ihnen landwirtschaftliche Prozesse na- hezubringen . Schulen sind die Orte, wo wir alle Kinder erreichen . Hier müssen Gesundheitserziehung und Er- nährungsbildung ansetzen . Hier müssen die Leitbilder nachhaltigen und regionalen Wirtschaftens vermittelt werden. Das Programm verpflichtet Schulen neben der Ausgabe von Obst, Gemüse und Milch, auch begleitende Ernährungsbildungsprojekte durchzuführen . Es ist zum Beispiel möglich, dass sich die Kinder im Rahmen die- ses Programmes die Bauernhöfe mit den Obstbäumen und Gemüsefeldern anschauen können, um zu sehen, wie ihre Nahrungsmittel produziert werden . Es geht darum, Bezug zu den Lebensmitteln und Wertschätzung zu er- reichen . Das kann kein Lehrbuch vermitteln, sondern nur das eigene Erfahren, Entdecken und Erschmecken . Auch müssen die Projekte genutzt werden, Kindern die Folgen einer globalisierten Nahrungsproduktion, der Massen- tierhaltung und des hohen Einsatzes von Pestiziden zu erklären . All das lässt sich durch intelligent gestaltete Schulernährungsprogramme erreichen und wird bereits von vielen Bundesländern ganz hervorragend praktiziert . Festzustellen ist aber auch, dass dieses Programm nur ein Baustein von vielen im Kampf gegen die Fehlernäh- rung bei Kindern und Jugendlichen und in dem Bemühen ist, Kinder gesund aufwachsen zu lassen . Der Ausbau einer gesunden Gemeinschaftsverpflegung ist ein wich- tiger Baustein, Fehlernährung zu stoppen und soziale Ungleichheiten aufzufangen . Kinder und Jugendliche, die den ganzen Tag in der Kita und in der Schule ver- bringen, brauchen hochwertiges, gesundes und leckeres Schulessen . In einer vom BMEL in Auftrag gegebenen Studie, die bundesweit die Qualität der Verpflegung in Kitas unter- suchte und im Januar 2016 veröffentlicht wurde, wird einmal mehr die große Bedeutung von verbindlichen Qualitätsstandards festgestellt . In den Kitas, in denen der DGE-Standard umgesetzt wird, verbessert sich die Qualität des Mittagessens, die Zufriedenheit mit der Ver- pflegung steigt, und der Speiseplan wird abwechslungs- reicher . Es kommen mehr frische Lebensmittel, mehr Nahrung in Bioqualität und mehr regionale Produkte zum Einsatz . Gemüse, Salate, Obst, fettarme Milchprodukte und Fisch stehen häufiger auf dem Tisch, Fleischwaren und süße Speisen hingegen seltener . Dies hat positive Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung der Kinder . Aus der Studie lässt sich ganz deutlich ableiten, dass durch den Einsatz dieses Instruments ein gesundheitsför- derndes Verpflegungsangebot in der Kita gesichert wird und die Ernährung einen höheren Stellenwert erlangt . Das Problem: Es verfügen nur 35 Prozent der Kitas über ein Verpflegungskonzept, weitere 10 Prozent sind dabei, eines zu erarbeiten; in über 40 Prozent fehlt es komplett . Nur knapp 30 Prozent nutzen die „DGE-Qua- litätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder“ als Basis für die Verpflegung. In den Schulen sieht es im Übrigen nicht besser aus . Und was macht Bundesminister Schmidt mit dieser Datenlage und der Forderung der DGE und anderer Ex- perten, die Qualitätsstandards verbindlich einzuführen? Statt anzupacken und einen vernünftigen politischen Rahmen zu setzen, schiebt der Minister die Verantwor- tung den Bundesländern, den Schulen, den Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern zu – immer mit dem Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit . Trotz dieser angeblich fehlenden Zuständigkeit wird Schmidt aber immer wieder gerne aktiv, wenn er Foto- apparate und Mikrofone der Journalisten erblickt . Dann entwickelt er Schulmaterial, dann will er ein eigenes Fach „Ernährung“ aus dem Boden stampfen, und er führt teure Kampagnen durch, die nichts bewirken . Es reicht aber nicht aus, Musterbeschwerdebriefe an die Kommunen und Schulträger vorzuformulieren, die besorgte Eltern losschicken sollen . Mit seiner Forderung nach einem eigenen Schulfach „Ernährung“ hat Schmidt sogar Ernährungsexpertinnen und -experten verärgert . Namhafte Ökotrophologinnen haben sich in einem Brandbrief an den Minister gewandt, mit der Bitte, die Forderung nach einem eigenen Schulfach „Ernährung“ einzustellen, da die Forderung zum „derzeitigen Stand kontraproduktiv und evtl . sogar schädlich“ ist . Aus unserer Sicht verhindert das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern den sinnvollen und notwen- digen Ausbau der Ganztagsschulen und den damit ein- hergehenden Ausbau der Schulverpflegung. Wir fordern die Aufhebung des Kooperationsverbots, damit ein neues Ganztagsschulprogramm aufgelegt werden kann . Auf dieser neuen verfassungsrechtlichen Basis ließen sich mit den Bundesländern Vereinbarungen treffen, um Mit- tel aus diesem Programm für den notwendigen Auf- und Ausbau der Infrastruktur für Schulernährung zu nutzen . Dr. Maria Flachsbarth, Parl . Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Am 28 . September 2016 wird zum 16 . Mal der Weltschul- milchtag stattfinden. Dieser wurde im Jahr 2000 von der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, initiiert und wird mittlerweile in über 40 Ländern http://www.fitkid-aktion.de/qualitaetsstandard.html http://www.fitkid-aktion.de/qualitaetsstandard.html http://www.fitkid-aktion.de/qualitaetsstandard.html Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18979 (A) (C) (B) (D) gefeiert . Ziel der FAO ist es, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine gesunde Ernährung mit Milch für Kinder und Jugendliche und auf die entsprechenden Förderprogramme zu richten . Der Hintergrund dazu gibt allerdings Anlass zur Sorge . Immer weniger Kinder früh- stücken zu Hause oder bringen eine ausreichende Pausen- verpflegung mit in die Kindertagesstätten oder Schulen. Die Konsequenzen für die Kinder können enorm sein . Sie sind unkonzentriert und nervös, können häufig die vielen neuen Informationen, die sie im Laufe des Tages erreichen, nicht verarbeiten . Auch das Immunsystem und die Ausdauer bei Sport und Spiel können leiden – denn sie profitieren ebenfalls erheblich von einer ausgewoge- nen und abwechslungsreichen Ernährung . Kinder werden durch Erziehung geprägt und lernen am Vorbild, gerade von den Eltern, auch wenn es um die Ernährung geht . Das Bewusstsein für Auswahl und Qua- lität der Nahrungsmittel und für die Esskultur werden zu Hause, aber auch häufig von Kita und Schule mitbe- stimmt . Heute wird schon fast jedes dritte Kind unter drei Jahren tagsüber außerhalb der Familie betreut . Viele Kin- dertagesstätten und Schulen sind Ganztagseinrichtungen, eine ausgewogene Außer-Haus-Verpflegung der Kinder wird daher zunehmend wichtig . Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft setzt sich aus diesem Grund gemeinsam mit den Bundesländern dafür ein, dass möglichst viele Kinder in Kindertagesstätten und Schulen regelmäßig eine Portion Obst, Gemüse und auch Milch erhalten können . Die meisten von Ihnen kennen die tägliche Portion Schulmilch . Auch das Schulobst- und -gemüseprogramm erfreut sich wachsender Beliebtheit . Es ist allerdings in der Bevölkerung noch nicht ganz so bekannt . Daher möchte ich Ihnen kurz einen Überblick über die beiden bisherigen Programme geben . Das EU-Schulmilchprogramm kennen Generationen von Schülern . Es wurde bereits 1977 eingeführt und ist bis in die jüngste Vergangenheit eine Erfolgsgeschichte . Leider geht die Beteiligung immer weiter zurück . Man muss hier kritisch anmerken, dass circa 4,5 Cent EU-Bei- hilfe pro Portion, bei circa 40 Cent Warenwert, keinen ausreichenden Anreiz zur Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bieten . Bisher ist die Abgabe von Schul- milch auch an keine Erfordernisse, wie zum Beispiel eine Ernährungserziehung, geknüpft . Doch gerade die Verste- tigung der begleitenden Ernährungsbildung ist eines der Hauptanliegen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . EU-Schulobst- und –gemüseprogramm . Wir alle wis- sen: Obst und Gemüse liefern Kindern zahlreiche Vita- mine, Nährstoffe und auch Ballaststoffe . Um Kindern und Jugendlichen Obst und Gemüse schmackhaft zu ma- chen, hat die EU im Jahr 2009 ein Schulobst- und -gemü- seprogramm in den Mitgliedstaaten eingeführt und stellt dafür jährlich europaweit 150 Millionen Euro Gemein- schaftsbeihilfe für die Mitgliedstaaten zur Verfügung . In Deutschland sind die Bundesländer für die Durchführung des Programms zuständig . Mittlerweile neun Bundeslän- der nehmen im Schuljahr 2016/2017 am Programm teil und erhalten dafür rund 30 Millionen Euro Unionsbei- hilfe . Bisher müssen die teilnehmenden Bundesländer hier einen Kofinanzierungsanteil in Höhe von 25 Prozent einbringen . Die Kinder in den teilnehmenden Bildungseinrichtun- gen profitieren jedoch nicht nur durch die kostenlose Ab- gabe von Obst und Gemüse – ergänzt wird das Programm auch durch begleitende pädagogische Maßnahmen . Da- mit sollen Kindern zudem die Landwirtschaft und eine größere Palette landwirtschaftlicher Erzeugnisse nä- hergebracht werden, zum Beispiel durch Besuche von Schulklassen auf Bauernhöfen oder Obstanbaubetrieben . Weiterhin erhalten die Kinder Informationen über eine gesunde Ernährungsweise, über die Vermeidung von Le- bensmittelverschwendung und über lokale Nahrungsmit- telketten . Das Bundesministerium für Ernährung und Land- wirtschaft setzt sich auch weiterhin dafür ein, dem rückläufigen Verzehr von Milch und Milchprodukten bei Kindern entgegenzuwirken und den Verzehr von Obst und Gemüse zu erhöhen . Wir haben uns daher in Verhandlungen mit der EU dafür eingesetzt, dass beide Programme zusammengelegt werden – mit Erfolg: Ab dem Schuljahr 2017/2018 wird das neue Schulprogramm mit den beiden Komponenten Obst/ Gemüse und Milch eingeführt . Lassen Sie mich Ihnen nun die wichtigsten Eckpunkte des neuen EU-Schulprogramms erläutern . Die EU erhöht die jährliche Finanzausstattung des neu- en EU-Schulprogramms auf 250 Millionen Euro . Für die Abgabe von Schulmilch werden jährlich 100 Millionen Euro und für Schulobst und -gemüse jährlich 150 Milli- onen Euro zur Verfügung gestellt . Auf Deutschland ent- fallen davon für Schulobst und -gemüse jährlich mindes- tens 19,7 Millionen Euro und für Schulmilch mindestens 9,4 Millionen Euro . Frisches Obst und Gemüse sowie reine Trinkmilch können nunmehr auch grundsätzlich kostenlos an die Kinder abgegeben werden . Für die Bun- desländer wird eine Teilnahme am neuen Schulprogramm noch attraktiver. So müssen diese künftig keine Kofi- nanzierungsmittel mehr für das neue Schulprogramm erbringen . Und schließlich, was wir sehr begrüßen, mit dem neuen Programm werden die begleitenden pädago- gischen Maßnahmen der Ernährungsbildung intensiviert . Nehmen Sie als Beispiel den Ernährungsführerschein für Schülerinnen und Schüler der dritten Klassen, der im Rahmen dieses Programms eingesetzt werden kann . So kommen wir auch dem von Bundesminister Christian Schmidt geforderten Schulfach Ernährung einen großen Schritt näher . Die veränderten unionsrechtlichen Grundlagen er- fordern nunmehr eine Anpassung der nationalen Re- gelungen, um die nationalen Voraussetzungen für die erfolgreiche und nachhaltige Einführung des EU-Schul- programms zu schaffen . Der vorliegende Gesetzent- wurf der Bundesregierung sieht folgende wesentliche Punkte vor: Ablösung des Schulobstgesetzes sowie der Schulmilchdurchführungsverordnung zum Schul- jahr 2017/2018, Übertragung der Befugnisse zur Durch- führung des neuen EU-Schulprogramms auf die Länder, Festlegung eines Verteilungsschlüssels, welcher die Auf- teilung der von der EU für Deutschland zur Verfügung gestellten Finanzmittel für die beiden Programmteile – Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618980 (A) (C) (B) (D) Schulobst- und -gemüse sowie Schulmilch – auf die Län- der festlegt . Mit diesem Gesetzentwurf möchte die Bundesregie- rung noch in diesem Jahr die Voraussetzungen schaffen, die den Ländern eine erfolgreiche Implementierung des Schulprogramms ermöglichen . Wir sollten uns dafür einsetzen, dass das Schulpro- gramm flächendeckend von allen Bundesländern durch- geführt wird, damit möglichst viele Kinder davon profi- tieren können . Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil bei Kindern und Jugendlichen zu erreichen . Dafür müssen die Grund- lagen des Ernährungswissens im vorschulischen Bereich und im Schulunterricht verankert werden . Herr Bundes- minister Christian Schmidt setzt sich aus diesem Grund auch für ein eigenes Schulfach Ernährung ein . Jedes Kind sollte das Einmaleins einer gesunden Ernährung lernen – unabhängig von der Herkunft und vom Schultyp . Hierzu leistet das EU-Schulprogramm – insbesondere auch im Rahmen der begleitenden pädagogischen Maßnahmen – einen wichtigen Beitrag . Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W. Birkwald, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Michael Hennrich (CDU/CSU): Heute debattieren wir im Rahmen des zugrundeliegenden Gesetzes über die Verbreitung von neuen psychoaktiven Stoffen (NPS), um durch die neu zu schaffende Regelung ihre Verfügbarkeit als Konsum- und Rauschmittel einzuschränken . Der Entwurf sieht ein weitreichendes Verbot des Um- gangs mit neuen psychoaktiven Stoffen und eine Straf- bewehrung des auf eine Weitergabe zielenden Umgangs mit NPS vor . Wir schließen damit eine Regelungslücke, weil nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10 . Juli 2014 die neuen psychoaktiven Stoffgruppen nicht mehr als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelge- setzes eingeordnet werden können . Dies ist nötig, da das Auftreten und die Verbreitung von NPS eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen können . Es ist in diesem Kontext nicht nur eine Regelungslücke, sondern auch eine Strafbarkeitslücke entstanden, welche noch nicht in die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes auf- genommen worden ist . Mit der Maßnahme des vorliegenden Gesetzentwurfes wird ein klares Signal gegeben, dass es sich um verbote- ne und gesundheitsgefährdende Stoffe handelt . Die Maßnahmen im Antrag der Fraktion Die Linke verkennen das Gefährdungspotenzial von Drogen hin- sichtlich der öffentlichen Gesundheit . Sie würden zu einer Verharmlosung des Drogenkonsums führen, was insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Jugendschut- zes nicht hinnehmbar ist . Die gesundheitlichen Schädi- gungen und Risiken einer späteren Suchterkrankung sind umso höher, je früher der Konsum von Drogen beginnt . Denn bei den neuen psychoaktiven Stoffen, den soge- nannten Legal Highs, Badesalzen oder Kräutermischun- gen handelt es sich, entgegen ihrer harmlosen Namen, um hochgefährliche Drogen . Die Verpackungen der Produk- te sind so aufgemacht, dass sie gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Eindruck erwecken, dass es sich um geprüfte Produkte von standardisierter Qua- lität handelt und der Konsum in Deutschland erlaubt ist . Hierin ist ein weiteres Problem zu sehen, da genau dies eben nicht der Fall ist . Im Gegensatz zu dem Konsum von bekannten legalen oder illegalen Drogen, bei denen die Gefahren zumindest grundsätzlich auch Jugendlichen bekannt sein sollten, ist dies bei Legal Highs nicht der Fall, und sie kommen sehr ungefährlich daher, wie etwa Energydrinks oder Kautabak . Die harmlos wirkenden gegenständlichen Produkte enthalten meist Betäubungsmittel oder ähnlich wirkende chemische Wirkstoffe in unterschiedlicher Konzentrati- on, die auf den bunten Verpackungen nicht ausgewiesen werden . Konsumenten rauchen, schlucken oder schnie- fen diese Produkte zu Rauschzwecken . Dem Bundeskri- minalamt wurden Fälle aus ganz Deutschland bekannt, in denen es nach dem Konsum dieser Produkte zu teilweise schweren, mitunter lebensgefährlichen Intoxikationen kam . Die meist jugendlichen Konsumenten mussten mit Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstel- lungen, Muskelzerfall bis hin zu drohendem Nierenver- sagen in Krankenhäusern notfallmedizinisch behandelt werden . Die Drogenbeauftragte warnt vor den unkalku- lierbaren Risiken des Konsums und der möglichen Straf- barkeit des Umgangs mit solchen Produkten . Ich bin davon überzeugt, dass durch die neue gesetz- liche Regelung neben dem Schutz von potenziellen Kon- sumenten auch gerade der Jugendschutz nachhaltig ver- bessert werden kann . Unter neuen psychoaktiven Substanzen werden bei- spielsweise auch synthetisch hergestellte Modifikationen bereits bekannter Drogen, bzw . Designerdrogen verstan- den . So sind bereits mehr als 130 synthetische Cannabi- noide entdeckt worden. Deren Rezeptoraffinität ist viel- fach stärker als die von Tretrahydrocannabinol (THC) . Weiterhin gehören dazu synthetische oder pflanzliche Substanzen, die teilweise – noch – nicht im Betäubungs- mittelgesetz gelistet sind, etwa synthetische Cathinone, sowie „Research Chemicals“, oft chemische Reinsubs- tanzen, die typischerweise mit dem Warnhinweis „Not for human consumption“ versehen sind und unter ihrem tatsächlichen Namen vertrieben werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18981 (A) (C) (B) (D) Die Prävalenz des Konsums von neuen psychoakti- ven Substanzen in Europa sei aus methodischen Grün- den schwer zu ermitteln, hieß es bereits im Europäischen Drogenbericht 2015 . Es gibt leider einen Wettlauf zwischen dem Auftreten immer neuer chemischer Varianten bekannter Stoffe und den Verbotsregelungen im Betäubungsmittelrecht . Allein im Jahr 2015 wurden 98 neue psychoaktive Substanzen in der EU registriert, insgesamt bereits 560 und davon 380 allein in den letzten fünf Jahren . Meist sind es nur kleine Veränderungen auf Molekülebene, aber eben die- se machen es für uns als Gesetzgeber unmöglich, immer wieder nachzusteuern und das Betäubungsmittelgesetz entsprechend schnell zu ändern . Diese Hasenjagd wer- den wir beenden . Deshalb ergänzen wird das Betäubungsmittelgesetz nicht um das Verbot einzelner Substanzen, sondern gan- zer Stoffgruppen . Neu ist auch, dass wir mit dem verwal- tungsrechtlichen Verbot und Sicherstellungs- und Ver- nichtungsbefugnissen die Verbreitung der Stoffe effektiv bekämpfen können . Die Bundesregierung hat mehrfach klargestellt, dass Handlungsverbote und Straf- bzw . Bußgeldbewährung notwendig sind, um vor allem junge Erwachsene zu schützen . Denn sie sind es, die sich oft in Unkenntnis der Gefährlichkeit der Stoffe gesundheitlich schädigen . Insbesondere werden auch Risiken durch den Mischkon- sum mit den neuen psychoaktiven Stoffen und anderen Drogen noch unkalkulierbarer . Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD bitten ferner das Gesundheitsministerium darum, zeitnah nach In- krafttreten des Gesetzes im Wege einer Ausschreibung dessen Auswirkungen in wesentlichen Bereichen über einen Zeitraum von zwei Jahren durch unabhängige Ex- pertinnen und Experten evaluieren zu lassen und dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages diese Evaluierung vorzulegen . Die Evaluierung soll insbeson- dere die Erfahrungen und Auswirkungen auf den Kon- sum von NPS, die Auswirkungen des Verzichts auf die Strafbewehrung des Erwerbs und Besitzes von NPS zum Eigenkonsum sowie Erfahrungen und Auswirkungen auf die Suchthilfe umfassen . Ferner sollen Erfahrungen der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz beim Vollzug des Gesetzes ohne die Möglichkeit der Erhebung von Verkehrsdaten, die im Gesetz mit Blick auf die engen Vorgaben, unter anderem des EuGH, nicht aufgenomme- nen wurde, evaluiert werden . Hierdurch schaffen wir mit dem Gesetz auch einen nachhaltigen Problemlösungsan- satz . Emmi Zeulner (CDU/CSU): Lassen Sie mich mit dem Wichtigsten beginnen: Nicht handeln war und ist keine Option im Rahmen der neuen psychoaktiven Sub- stanzen . Denn die gesamte Gefährlichkeit ist im Moment noch nicht genau abzuschätzen, und wir haben als Poli- tik einen Schutzauftrag gerade für die Jugendlichen, die Zielgruppe der Händler sind und die diesen unberechen- baren Substanzen zum Opfer fallen . Doch was versteht man unter neuen psychoaktiven Substanzen – kurz NPS – überhaupt und was macht sie so gefährlich? Verharmlost werden Sie vor allem online in bunten Packungen, unter anderem als Badesalze, For- schungschemikalien oder Kräutermischungen angebo- ten, und suggerieren über den Begriff Legal Highs, dass der Inhalt legal und ungefährlich ist, ein legaler Rausch, den der Gesetzgeber nicht verbietet und der somit un- bedenklich zu sein scheint . Doch nichts könnte weiter davon entfernt sein . Die Landeskriminalämter schlagen höchsten Alarm; denn seit 2007 steigen die Fallzahlen in Verbindung mit NPS rasant an . Alleine in Bayern ist die Zahl der Einlieferung von Konsumenten, die aufgrund einer Intoxikation durch NPS ins Krankenhaus kamen, von sieben im Jahr 2010 auf unglaubliche 305 Intoxikati- onen 2015 angestiegen . Auch die Sicherstellungsfälle der Polizei in Bayern sind von acht im Jahr 2012 auf 1 341 2015 explodiert . Davor dürfen wir unsere Augen nicht verschließen . Bei einem Gespräch mit dem Bayerischen Lande- skriminalamt hat sich mir die Schilderung einer Her- stellungsart sehr eingeprägt, die eine Gefahr dieser Substanzen deutlich zeigt . Bei dem Prozess wird das Trägermaterial, wie zum Beispiel verschiedene Kräuter, in eine Mischtrommel gegeben und mit den psychisch wirksamen Substanzen lose vermengt . Dann kommt es zur Abfüllung, das heißt aber, dass bei den ersten Päck- chen sehr viel von den relativ harmlosen leichteren Kräu- tern sein können, wohingegen die schwereren psychoak- tiven Substanzen sich am Boden der Trommel sammeln und dadurch bei den letzten Päckchen eine extrem hohe Potenzierung erfolgt . Diese Unkalkulierbarkeit der je- weiligen Potenz der NPS führt leicht zu Überdosen und ist neben dem einfachen anonymisierten Bestellvorgang über das Inter- oder Darknet einer der Gründe für die Ge- fährlichkeit . Doch warum sind die Stoffe dann noch legal? Hier stellt sich die größte Herausforderung für uns als Gesetz- geber. Denn im Moment findet ein Wettlauf der Hersteller mit der Politik statt . Wird ein Stoff über das Betäubungs- mittelgesetz in die Illegalität überführt, so wird innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden ein neuer synthetischer Stoff durch eine minimale Veränderung der chemischen Zusammensetzung hergestellt, und es ergibt sich wieder eine zunächst legale Substanz . Deren Aufnahme in das BtMG muss dann wieder in einem aufwändigen Evidenz- prozess neu geprüft werden . Kurz gesagt: Es muss erst eine relevante Anzahl an Konsumenten nachweislich ge- schädigt worden sein, bevor eine Aufnahme ins Gesetz möglich ist . Doch wie viele jungen Menschen sollen die- sen Stoffen noch zum Opfer fallen und im schlimmsten Fall sterben, bis wir endlich Ihrer Ansicht nach handeln müssen, liebe Fraktion Die Linke? Der Handlungsbedarf besteht jetzt . Denn konnten manche Substanzen, die nicht dem BtMG unterfallen, vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2014 noch in das Arzneimittelgesetz eingeordnet werden, so fällt auch diese Möglichkeit nun weg . Der EuGH hat festgehalten, dass NPS nicht unter den Arznei- mittelbegriff fallen, weil sie gerade keine gesundheitsför- dernde Wirkung haben . Diese Entscheidung war absolut richtig . Doch sie hat eine Strafbarkeitslücke geschaffen . Unterfällt der Stoff nicht dem BtMG oder dem AMG, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618982 (A) (C) (B) (D) so kann er weiter im rechtsleeren und straflosen Raum gehandelt werden . Dies konnten wir nicht hinnehmen . Das Gesetz ist eine zwingende Konsequenz aus unserem Schutzauftrag für die Konsumenten von Substanzen, die über eine schwere Abhängigkeit bis zum Tode führen können . Um diese Lücke zu schließen und dem Katz-und- Mausspiel wirksam entgegenzutreten, unterstellen wir ganze Stoffgruppen der Strafbarkeit des neuen Gesetzes . So erschweren wir es den Herstellern die gezielte Modi- fikation, um der Illegalität zu entkommen. Kurz gesagt: Das Gesetz macht aus Legal Highs Illegal Highs . Hierbei geht es uns nicht um das Kriminalisieren der Konsumen- ten, sondern um den Schutz der Menschen vor hochge- fährlichen Substanzen und das Vorgehen gegen den Han- del damit . Um dieses Ziel zu erreichen setzt das Gesetz an meh- reren Stellen an: Erstens mit dem bereits erwähnten Verbot ganzer Stoffgruppen . Hier bestanden die Heraus- forderung darin, die Gruppen einerseits nicht so weit zu definieren, dass im Wege der Verordnungen möglichst wenig nachgesteuert werden muss, sie andererseits aber auch so eng zu fassen, dass ausschließlich psychoaktiv wirkende Stoffe dem Verbot unterfallen . Hier hat das Bundesgesundheitsministerium mit den Experten bei dem Zusammenstellen der Stoffgruppen eine unglaubli- che Arbeit geleistet . Danke dafür . Zweitens mit dem umfassenden Verbot des Handels, der Herstellung, der Ein-, Durch- und Ausfuhr, des Er- werbs, Besitzes und Verabreichens von NPS . Um gerade bei der noch geringen Evidenzlage keine Vorverurteilung der Konsumenten zu erwirken, wurden Besitz und Er- werb nicht der Strafbarkeit unterstellt . Dieser Punkt wird jedoch auch im Rahmen der Evaluation auf seine Wirk- samkeit hin überprüft werden . Denn gerade aufgrund der Schnelligkeit bei der Anpassung der Herstellung der NPS müssen wir hier immer aktuell bleiben, unsere Vorgaben überprüfen und, wenn nötig, zielgerichtet anpassen . Das Gesetz wird sich stetig weiterentwickeln . Doch wir ha- ben eine sehr gute Grundlage dafür geschaffen . Drittens geben wir den Strafverfolgungsbehörden Instrumente an die Hand, die ihnen Ermittlung, Sicher- stellung, Vernichtung und Handhabe gegen die Herstel- ler und die Händler erleichtern . Diese geben der Polizei mehr Handlungssicherheit und haben auch eine wichtige präventive Wirkung . Im Rahmen der Evaluation wird sich ergeben, ob wir die Instrumente erweitern müssen . Viertens haben wir ein sehr gutes System der Straf- tatbestände und Strafrahmen geschaffen, das sowohl in der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit differenziert als auch im Strafrahmen, was dem Umstand gerecht wird, dass uns für viele Stoffe noch die langjährigen Evidenzstudi- en fehlen . Bei den Tatalternativen selbst unterscheiden wir gerade auch danach, ob hier gewerbsmäßig gehan- delt wird oder ob die NPS an Minderjährige abgegeben werden . Hier fällt die Strafe natürlich höher aus . Diese Unterscheidung ist wichtig, um hier individuell auch wirklich härter gegen den Handel vorzugehen, der gezielt junge Menschen anspricht . Am Ende bleibt mir, meine Worte vom Beginn zu wiederholen: Nicht handeln war hier keine Option . Ich lehne daher den Antrag von der Linken deutlich ab und begrüße den Gesetzentwurf ausdrücklich . Nicht die von Ihnen geforderte Legalisierung von Cannabis löst un- ser Problem, sondern ein aktives Vorgehen gegen diese neuen Strukturen und Substanzen . Denn mit dem NPSG nehmen wir diese neuen Stoffe mit Ihrer ganzen Ge- fährlichkeit ernst und schaffen einen guten Schutz- und Strafrahmen, der so dringend erforderlich ist . Wir dürfen nicht weiter tatenlos zusehen, wie diese neuen Drogen uns überschwemmen und die Zahl der Opfer exponentiell ansteigt . Wir mussten handeln, und dies haben wir mit dem neuen Gesetz getan . Burkhard Blienert (SPD): Der aktuelle Drogenbe- richt der Bundesregierung führt aus, dass im Jahr 2015 insgesamt 39 NPS in Deutschland entdeckt wurden, die noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt wa- ren . Auf europäischer Ebene weist der Europäische Dro- genbericht 2016 im selben Jahr 98 neue Substanzen aus . Seit 2008, dem Jahr, in dem mit der Erfassung der NPS begonnen wurde, ist somit die Zahl auf rund 550 Sub- stanzen gestiegen . Alleine in 2015 gab es in Deutschland 39 Todesfälle . Es war also dringend Zeit zum Handeln . Es war überdeutlich, dass der Weg, im Anhang zum Be- täubungsmittelgesetz die Substanzen aktualisiert aufzu- nehmen, nicht erfolgreich ist und der Wettlauf mit dem Kreieren neuer Substanzen nicht auf diese Weise gewon- nen werden kann . Mit dem heutigen Tag vollziehen wir nun einen wich- tigen Schritt hin zu einer neuen, moderneren Drogenpo- litik . Ich danke daher der Drogenbeauftragten, dass sie sich dieser komplexen Problemlage angenommen hat und trotz aller Widerstände an dem nun gefundenen Weg fest- gehalten hat . Mit dem vorliegenden Gesetz und der hierin bein- halteten Stoffgruppenstrafbarkeit beenden wir nun zum einen das leidige „Hase-und-Igel-Spiel“ zwischen Her- stellern dieser sogenannten Legal Highs und den Ord- nungsbehörden . Und zum Zweiten sehen wir von einer Strafverfol- gung des Konsumenten ab . Er bleibt somit quasi straffrei . Zukünftig bestrafen wir also Hersteller und Händler, nicht aber mehr den Konsumenten . Wir beenden somit auch die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Per- sonen, die diese Stoffe zum Aufputschen nehmen . Ich be- danke mich an dieser Stelle ausdrücklich auch bei allen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern, die im Bun- desrat ebenfalls dieser Linie gefolgt sind, und auch bei meinen Fachkollegen im Gesundheitsausschuss, die an dieser Stelle den Ratschlägen der Experten und nicht den Rufen nach einer strikten Kriminalisierung gefolgt sind . Mit diesem neuen Ansatz eröffnen wir die Möglich- keit für eine verbesserte Präventionsarbeit . Wir brand- marken nicht mehr Konsumenten und bestrafen trotzdem die Händler und Hersteller dieser gefährlichen Stoffe . Wir können jetzt aber offen in einen Dialog mit Betrof- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18983 (A) (C) (B) (D) fenen über die Beweggründe des Konsums eintreten und Auswege aus der Sucht erarbeiten . Wichtig in Hinblick auf eine vorsorgende und ler- nende Präventionspolitik ist aber auch, dass Wirkungen dieser Gesetzgebung überprüft werden . Uns Sozialdemo- kraten war es daher wichtig, entsprechende Evaluationen ins Gesetz zu schreiben, die nach zwei Jahren stattzufin- den haben . Anhand der dann erhobenen Daten werden wir ablesen können, ob sich die Schwerpunktsetzung auf die Händlerebene bewährt hat . An dieser Stelle möchte ich allerdings auch noch ei- nen Aspekt aus der öffentlichen Anhörung anbringen, der für zukünftige Debatten im Bereich der Drogenpolitik und insbesondere der Cannabispolitik von Bedeutung sein dürfte: die angenommene Ausweichbewegung bei den Produzenten . Wir müssen natürlich im Blick haben, ob findige Her- steller über die definierten Stoffgruppen hinaus nun nach Substanzen suchen und diese dann schließlich auch auf dem Markt anbieten, die den nun verbotenen Stoffen in ihrer Wirkung ähneln . Sollte dies passieren, werden wir handeln! Lassen Sie mich aber an dieser Stelle auch noch mal einen weiteren Gedankenanstoß formulieren: Wer sich einen Überblick verschafft, wo die Problematik des NPS-Konsums besonders virulent ist, der erkennt sehr schnell, dass starke regionale Unterschiede beim Konsum der NPS gibt . Daher drängt sich der Verdacht auf, dass es auf Konsumentenseite Ausweichbewegungen gibt . Es liegt auf der Hand, dass viele Konsumenten Sorge haben, durch den Konsum anderer Drogen, wie beispielsweise Cannabis, kriminalisiert zu werden und daher auf die „legalen“ Badesalze und Kräutermischungen auswei- chen . Es dürfte daher schon mehr als ein Zufall sein, dass insbesondere in Bayern, dem Land mit der striktesten Verbotspolitik in Hinblick auf den Cannabiskonsum, die Konsumentenzahlen der Legal Highs relativ hoch sind . Ich plädiere daher auch an dieser Stelle dafür, dass wir uns nun auch offen der Diskussion um die Entkrimina- lisierung des Cannabiskonsums stellen . Natürlich darf es nicht darum gehen, Süchte zu banalisieren und den Cannabisrausch für alle zu legitimieren . Aber wir sollten uns endlich einen Ruck geben, von Bundesseite in abseh- barer Zeit zu ermöglichen, dass Modellkommunen einen regulierten Markt erproben . Martina Stamm-Fibich (SPD): Kräutermischungen, das sind für mich Teesorten – sonst nichts . Mit diesem Gedanken habe ich im April 2016 an Schulen in meinem Wahlkreis Erlangen eine Aufklärungskampagne gestar- tet . Im Vorfeld wurde ich immer wieder von Bürgerinnen und Bürgern und durch die lokale Presse auf die schlim- men Nebenwirkungen der sogenannten „Legal Highs“ aufmerksam gemacht . „Legal Highs“ heißen richtigerweise neue psychoakti- ve Substanzen – oder abgekürzt NPS . Und dass die Dro- gen bislang legal waren, lag vor allem daran, dass die Hersteller der Drogen immer neue Substanzen kreiert ha- ben, wenn alte Stoffe von den Drogenbehörden erkannt und verboten wurden . Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe werden die meisten der „Legal Highs“ nun illegal . Dieser Schritt ist wichtig und längst überfällig . Denn aktuell liefern sich Drogenhersteller und Drogenbehörden ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel . Kaum entdecken die Behörden einen Stoff und verbieten die Zusammensetzung, wan- deln die Drogenhersteller die Inhaltsstoffe leicht ab und verkaufen künftig eine ebenso gefährliche Droge unter anderem Namen . Die Suche der Drogenbehörden beginnt dann erneut. Bis die Zusammensetzung identifiziert wer- den kann, vergeht wertvolle Zeit . Und in dieser Zeit kon- sumieren vor allem junge Menschen Drogen, die harm- lose Namen tragen, aber gefährliche Nebenwirkungen haben können . Konsumenten berichten von Panikatta- cken, Kreislaufproblemen, und Orientierungsverlust . So- gar Fälle von Herzstillstand sind bekannt . In Deutschland sind im vergangenen Jahr 25 Menschen an den Drogen gestorben . Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe sagt die Bundesregierung nun den Drogenherstellern den Kampf an . Denn künftig lassen sich ganze Stoffgruppen listen . Zwei Drittel der Stoffe, die Drogenhersteller verwenden können, werden mit den Stoffgruppen dann erfasst . Sie sind also quasi von vornherein verboten . Das Gesetz liest sich jetzt zwar wie ein Chemie-Lehrbuch, der Umfang macht es aber erst möglich, so viele Stoffe wie möglich abzudecken . Zwei Stoffgruppen sind hier besonders hervorzuheben: synthetische Cannabinoide, also Stoffe, die die Wirkung von Cannabis imitieren sollen – Konsumenten erwerben diese Stoffe unter dem Namen Kräutermischungen und den Amphetaminen verwandte Stoffe, käuflich zu erwer- ben unter dem harmlosen Namen Badesalze . Im fränkischen Forchheim wurde vor kurzem ein Laden geschlossen, der illegal Kräutermischungen und Badesalze vertrieb . Statt in solchen Läden können die Konsumenten „ihren Stoff“ aber auch viel einfacher be- ziehen: Sie bestellen die Drogen schnell und bequem im Internet und lassen sie zu sich nach Hause liefern . Das macht allerdings die Problematik noch größer und gravie- render . Denn dass junge Menschen leicht an die Drogen kommen, bedeutet nicht, dass die Drogen deshalb harm- los sind . Schwerer ist es dagegen, an die Konsumenten heranzukommen und sie über die Gefahren aufzuklären . Neben der gesetzlichen Regelung müssen für mich deshalb ganz klar auch Prävention und Aufklärung ste- hen . Wir müssen den Drogen den harmlosen Anschein nehmen und über die Risiken aufklären . Meine Aufklä- rungskampagne „Kräutermischung – Tee sonst nix“ ist bei den Schulen auf sehr große Resonanz gestoßen . Ge- meinsam mit der örtlichen Drogenhilfe mudra und dem größten Teeanbieter der Region gehe ich an Schulen und kläre Jugendliche über die Gefahren der Drogen auf . Die Mitarbeiter der mudra stellen sehr anschaulich dar, wel- che Gefahren in den Drogen stecken. Häufig werden sie von Eltern begleitet, die selbst ein Kind durch Drogen- konsum verloren haben . Mit der Kampagne sprechen wir die Probleme an, wir holen das Thema aus der Versen- kung und lassen zu, dass sich junge Menschen mit der Problematik auseinandersetzen . Wir zeigen ganz klar, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618984 (A) (C) (B) (D) dass es hier nicht um Spaß geht, sondern dass der Kon- sum Leben kosten kann . Das zeigt auch ein erschreckender Vorfall vom Mai 2016 . Damals wurden in meinem Wahlkreis drei Teenager bewusstlos aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht, nachdem sie Kräutermischungen konsumiert hatten . Solche Meldungen allein schrecken offensichtlich nicht ausreichend ab . Mittlerweile habe ich gemeinsam mit der mudra mehr als 14 Schulklassen in meinem Wahl- kreis besucht . Jede Schülerin und jeder Schüler bekommt am Schluss ein Päckchen echte Kräutermischungen von mir, also Tee – sonst nichts . Das soll zum kritischen Nachdenken anregen – auch dann, wenn das Gespräch vorbei ist . Lehrerinnen und Lehrer sind dankbar über die- ses Angebot . Viele sind mittlerweile verzweifelt, weil sie die Probleme zwar erkennen, aber nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen . Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neu- er psychoaktiver Stoffe machen wir nun die rechtliche Seite wasserdicht . Wir deklarieren verbotene Stoffe . Und weil ein Verbot ohne Strafe höchst unwirksam ist, defi- niert das Gesetz auch das Strafmaß . Verboten werden ge- nerell die Herstellung, das Inverkehrbringen, der Handel und die Einführung der Drogen . Einzeltäter müssen mit einer Geldstrafe und mit bis zu drei Jahren Haft rechnen . Dealer und Banden müssen mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren rechnen . Aufklären müssen wir auch weiterhin – trotz neuem Gesetz . Wir haben noch einen weiten Weg, um den Ge- fahren der neuen psychoaktiven Substanzen angemessen begegnen zu können . Das Gesetz ist ein erster wichtiger Schritt . Aber er wird und kann nicht der letzte sein . Frank Tempel (DIE LINKE): Ganz offensichtlich ist der Bundesregierung ihre eigene Drogenpolitik zu peinlich . Deswegen diskutieren wir sie nicht im Ple- num . Stattdessen hat die Regierung unseren Tagesord- nungspunkt auf 00 .55 Uhr angesetzt . Das verhindert jede sinnvolle Debatte . Dabei müssten 39 Tote im Jahr 2015 durch den Konsum von sogenannten neuen psychoakti- ven Stoffen – kurz NPS – eine parlamentarische Debatte im Plenum notwendig machen . Diese 39 Toten sind ein trauriges Sinnbild für die völ- lig verfehlte Drogenpolitik dieser Bundesregierung . Sie setzt vor allem auf das Mittel der Strafverfolgung . Die Verbotspolitik steckt den Kopf vor den Problemen in den Sand . Diese Drogenpolitik setzt darauf, dass mit einem Verbot auch die drogenbezogenen Probleme aus der Welt geschaffen werden . Gemessen an den Zielen der Scha- densminimierung und Generalprävention ist diese Ver- botspolitik aber krachend gescheitert . Gerade die immer stärkere Verbreitung von NPS ist eine direkte Folge des Drogenverbots . Beispiele aus Bay- ern, Polen, Ungarn und anderen osteuropäischen Län- dern zeigen: NPS werden vor allem dort konsumiert, wo der Preis und der Zugang zu illegalisierten Substanzen zu hoch und zu teuer sind . Konsumierende verzichten dann eben nicht auf Rauschmittel, sondern greifen dann quasi als Ersatz auf NPS zurück . Dabei sind diese Substanzen in ihrer Vielzahl überhaupt nicht erforscht . Insbesondere über die Langzeitrisiken des Konsums ist nichts bekannt . Übrigens ist dieses Ausweichverhalten keineswegs neu oder nur auf NPS beschränkt: Ich darf daran erinnern, das Schnüffeln von Klebstoff folgt der gleichen Logik . Es berauscht und dient als Ersatz für andere illegalisierte Substanzen . Trotzdem würde niemand auf die Idee kom- men, Klebstoff zu verbieten . Mit einem neugeschaffenen Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe überträgt die Bundesregierung nun den Verbotsansatz auf eine Viel- zahl von Substanzgruppen . So richtig es ist, die Verbrei- tung von NPS nicht unreguliert dubiosen Händlern zu überlassen, so falsch ist es, NPS durch ein Stoffgruppen- verbot zu begegnen . Diese Verbotspolitik wird weder die Verbreitung von NPS mindern noch wird sie die Anzahl der Drogentoten senken . Viel wahrscheinlicher ist, dass noch viel gefährlichere psychoaktive Stoffe durch die Produzenten entwickelt werden, um die Verbote immer weiter zu umgehen . Ihre Politik befeuert geradezu die Entwicklung immer riskanterer Substanzen . Mit der Ausweitung der Verbotspolitik auf NPS wird eine noch stärkere Versicherheitlichung der Drogenpoli- tik stattfinden. Was heißt das konkret? Der Gesetzentwurf möchte Maßnahmen und Befugnisse in der Telekommu- nikationsüberwachung erweitern, weil der Großteil der NPS online gehandelt wird . Zur Erinnerung: Schon jetzt findet die Hälfte aller Überwachungsanordnungen in der Telekommunikation aufgrund des Betäubungsmittelge- setzes statt . Täglich greifen Polizei und Staatsanwalt- schaft in die Grundrechte der Menschen ein, bis hin zum Eigenbedarfskonsumierenden . Diese Eingriffe in die per- sönlichen Freiheitsrechte werden zukünftig noch häufi- ger und noch eklatanter stattfinden und sind auf keinen Fall verhältnismäßig . Der im Gesetz vorgesehene Straftatbestand des Inver- kehrbringens ist der Grund, weshalb ich im Übrigen auch nicht die Hoffnung teile, dass künftig der bloße Besitz von NPS als entkriminalisiert gilt . Diese Hoffnung hat- ten einige Sachverständige bei der Anhörung im Gesund- heitsausschuss geäußert . Tatsächlich macht sich ein Kon- sumierender wegen des Inverkehrbringens oder wegen des Anstiftens zum Inverkehrbringen von NPS strafbar, wenn sie oder er bei einem ausländischen Onlineshop NPS bestellt . Dies gilt prinzipiell auch bei einer Bestel- lung bei einem inländischen Onlineshop . In diesem Fall werden aber zukünftige Gerichtsurteile zeigen, inwiefern Konsumierende wegen Anstiftung zum Inverkehrbringen belangt werden können . Schließlich hat der inländische Onlinehandel dann bereits NPS in Deutschland vorrätig gehalten . Zur Frage einer möglichen Kriminalisierung von NPS-Konsumierenden können Sie sich sehr gerne eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages durchlesen, die ich in Auftrag gegeben und auf meiner Homepage dokumentiert habe . Die Alternative zum NPS-Verbot hat Die Linke in ihrem Antrag benannt . Der wichtigste Punkt lautet: Wir brauchen endlich einen regulierten Zugang zu Cannabis . Erst wenn Cannabis legal erhältlich ist, wird ein Groß- teil der NPS in Deutschland verschwinden . Warum bin ich davon überzeugt? Zwei Drittel aller in Deutschland konsumierten NPS sind synthetische Cannabinoide . Sie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18985 (A) (C) (B) (D) werden konsumiert, weil für die Betroffenen Cannabis nicht verfügbar ist, weil sie große Sorge vor Strafver- folgungsbehörden haben oder weil sie den Verlust ihres Führerscheins befürchten, der ihnen bei Cannabiskon- sum droht . Synthetische Cannabinoide sind dann eine Ersatzlösung . Dabei würden sie lieber das vergleichs- weise gut erforschte Cannabis konsumieren, anstatt sich unerforschten Kräutermischungen auszusetzen . Regulie- ren Sie Cannabis, dann wird zumindest ein Großteil des NPS-Konsums der Vergangenheit angehören . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Anzahl neuer psychoaktiver Substanzen NPS steigt seit Jahren . Die Substanzen werden derzeit, vor allem im Onlinehandel, als scheinbar harmlose und legale Al- ternativen zu klassischen Substanzen wie Cannabis oder Ecstasy angeboten . Obwohl sich abzeichnet, dass der Konsum von NPS nicht harmlos ist und zu gesundheit- lichen Schäden führen kann, fehlt es bislang an einer entschlossenen Initiative der Bundesregierung über das Risiko der Stoffe aufzuklären und die Konsumentinnen und Konsumenten präventiv mit diesbezüglichen Infor- mationen zu versorgen . Trotz fehlender Risikoanalyse und Vernachlässigung der Prävention legt die Regierung ein undifferenziertes Verbotsgesetz vor . Natürlich gilt es, die Gesundheit des Einzelnen sowie der Allgemeinheit zu schützen . Doch die vorgeschlagenen Regelungen, die dieses Ziel vermeintlich erreichen sollen, lehnen wir als wenig geeignet ab . Die Bundesregierung ist nicht bereit und in der Lage, aus den Fehlern der derzeitigen repressiven Drogenpolitik zu lernen . Auch der uns jetzt vorliegende Gesetzentwurf spiegelt eindrücklich die naive Vorstellung, eine drogen- freie Welt errichten zu können, wider . Diese Vorstellung ist nicht nur überholt, sie ist auch nicht durchsetzbar . Das Verbot – ob Betäubungsmittelgesetz oder Stoffgruppen- verbot – hält nicht vom Konsum ab . Das zeigt doch die langjährige Erfahrung mit dem Betäubungsmittelgesetz . Ich kann die Bundesregierung daher nur nachdrücklich dazu auffordern, endlich eine externe wissenschaftliche Evaluierung der Auswirkungen der Verbotspolitik für illegalisierte Betäubungsmittel zuzustimmen und dem Bundestag zeitnah einen Bericht über die Ergebnisse vorzulegen . Dies haben wir Grüne gemeinsam mit der Linken in einem überfraktionellen Antrag bereits zu Be- ginn der Legislaturperiode gefordert . Der Gesetzentwurf verfehlt gleich mehrfach sein Ziel . Auch in anderen Ländern, die Stoffgruppenregelungen eingeführt haben, konnte die Nachfrage nach neuen psy- choaktiven Substanzen nicht nachhaltig gesenkt werden . Das Stoffgruppenverbot kann deshalb wenig dazu beitra- gen, dass die gesundheitlichen Schäden infolge des Kon- sums von neuen psychoaktiven Substanzen nennenswert reduziert werden, im Gegenteil . Das Verbot ist vielmehr ein Katalysator für die organisierte Kriminalität . Es führt in der Konsequenz zu einem völlig unregulierten Markt, auf dem es keinen Jugend- und Verbraucherschutz gibt . Zudem werden die gesundheitlichen Risiken einer Sub- stanz auf dem Schwarzmarkt erfahrungsgemäß größer; denn Zusammensetzung und Wirkstoffgehalt der Pro- dukte bleiben weiter unklar . Dies reduziert nicht die ge- sundheitlichen Konsumrisiken für Konsumentinnen und Konsumenten, sondern erhöht sie . Außerdem sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass das bestehende Drogenverbot erst den Markt für neue psy- choaktive Substanzen bereitet hat . Konsumentinnen und Konsumenten suchen nicht immer nach dem Kick oder nach der nächsten neuen, stärkeren Rauscherfahrung . Selbst wenn, würde man diese Gruppe von Konsumen- tinnen und Konsumenten auch mit einem Stoffgruppen- verbot nicht vom Konsum abhalten können . Es handelt sich aber bei dem Großteil der Konsumentinnen und Konsumenten um ein schlichtes Ausweichverhalten . Der größte Teil der Konsumentinnen und Konsumenten weicht auf diese Substanzen aus, um das Verbot illegaler Drogen, insbesondere das derzeitige Cannabis-Verbot, zu umgehen . Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kon- sumentinnen und Konsumenten von Räuchermischun- gen, in denen synthetische Cannabinoide enthalten sind, natürliches, wesentlich risikoärmeres Cannabis bevorzu- gen, jedoch vor der Beschaffung auf dem Schwarzmarkt, der Nachweisbarkeit der natürlichen Cannabisstoffe in Drogentests und dem Verlust des Führerscheins zurück- schreckt . Durch Ihre Politik erhöhen Sie das Risiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Sie doch ei- gentlich schützen wollen . Das Stoffgruppenverbot wird zudem die Marktdyna- mik verschärfen . Der Onlinehandel, der vor allem aus Asien bedient wird, wird durch das Stoffgruppenverbot nicht eingedämmt werden können . Die deutschen Straf- verfolgungsbehörden haben allenfalls im Rahmen von Kooperationen mit ausländischen Behörden Handlungs- macht . Auch die Zollbehörden werden nicht in der Lage sein, sämtliche Lieferungen aus dem Ausland an Privat- personen zu kontrollieren . Hier sind allenfalls Stichpro- ben möglich . Das Stoffgruppenverbot wird auch das Katz- und Mausspiel von Anbietern und Gesetzgeber nicht verhin- dern . Die organisierte Kriminalität wird weitere Substan- zen auf den Markt bringen, die weder dem Stoffgruppen- verbot noch dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen . Diese neuen Substanzen können mitunter weitaus ge- fährlicher als „klassische“ Substanzen sein, da über ihre Wirkung und mögliche gesundheitliche Risiken aufgrund ihrer Neuartigkeit noch weniger bekannt ist . Wie auch schon das Betäubungsmittelrecht, so wird auch das Stoffgruppenverbot die Forschung und den Erkenntnisgewinn über neue psychoaktive Substanzen hemmen . Dieser wäre jedoch insbesondere für die me- dizinische Versorgung sowie Prävention dringend er- forderlich . Denn erst wenn aussagekräftige Ergebnisse zum Risikopotenzial sowie Substanzanalyseverfahren zur Verfügung stehen, kann eine optimale medizinische Behandlung erfolgen . Gerade für die Behandlung in der Notaufnahme bei Menschen mit Vergiftungserscheinun- gen ist es wichtig, durch Analyseverfahren festzustellen, um welche Droge es sich handelt, um die entsprechende Therapie durchzuführen . Obwohl die Bundesregierung immer betont, dass sie in ihrer Drogenpolitik die Säule der Prävention nicht ver- gisst, blendet sie eine Implementierung entsprechender Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618986 (A) (C) (B) (D) verhaltenspräventiver Maßnahmen in ihren Gesetzent- würfen regelmäßig aus . Vielmehr untergräbt das Verbot Information und Aufklärung, da die neuen psychoakti- ven Substanzen in die Illegalität gedrängt werden . Dabei ist für einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen psychoaktiven Substanzen die Aufklärung über Kon- sumrisiken und Suchtgefahren unerlässlich . Glaubhafte Aufklärung trägt dazu bei, dass (potenzielle) Konsumen- tinnen und Konsumenten Maßnahmen der Schadens- minderung kennenlernen oder sogar ganz vom Konsum absehen . Denn erst wenn ich weiß, um welchen Stoff es sich handelt, können die Risiken benannt werden und über diese aufgeklärt werden . Die Aufklärung kann auch dazu beitragen, dass potenzielle Konsumierende von der Idee oder dem Vorhaben, neue psychoaktive Substanzen einzunehmen, Abstand nehmen . Auch die Wichtigkeit der Etablierung des Drug Checkings, der sich die Bun- desregierung seit Jahren in den Weg stellt, sei hier noch einmal erwähnt . Nicht nur, dass auf diese Weise neue Substanzen schneller identifiziert werden können. In der Schweiz und den Niederlanden sind die Erfahrungen mit Drug-Checking-Programmen positiv und tragen zur Schadensminderung bei . Der Gesetzentwurf enthält noch nicht einmal eine Regelung, durch die die Auswirkun- gen des einzuführenden Stoffgruppenverbotes überprüft werden . Ziel einer modernen und am Menschen orientier- ten Drogenpolitik muss immer sein, die Schäden durch riskanten Drogenkonsum zu reduzieren . Ein regulierter Markt, der sich an dem Gefährlichkeitspotenzial einer Substanz orientiert und der verhältnispräventive sowie verhaltenspräventive Maßnahmen berücksichtigt, kann den Jugend- und Verbraucherschutz verbessern sowie deutlich mehr Spielräume für glaubwürdige Suchtprä- vention schaffen . Das Verbot und das Strafrecht sind hier der falsche Ansatz und tragen nicht zur Schadensminde- rung bei . Darum fordern wir die Bundesregierung in unserem Entschließungsantrag auf einen Gesetzentwurf vorzule- gen, der folgende Aspekte berücksichtig: Erstens sollen neue psychoaktive Substanzen auf Grundlage einer wis- senschaftlichen Risikobewertung reguliert werden . Hier- bei ist Rechtssicherheit zu schaffen, welcher Umgang mit neuen psychoaktiven Substanzen erlaubt ist, insbesonde- re in der Medizin, Wissenschaft und Forschung sowie In- dustrie als auch für Konsumentinnen und Konsumenten . Zweitens müssen suchtpräventive Maßnahmen eta- bliert werden, um Konsumentinnen und Konsumenten über die Risiken des Konsums neuer psychoaktiver Sub- stanzen wirksam aufzuklären . Dazu gehören Maßnah- men zur Schadensminderung wie die Einführung von Drug-Checking-Projekten sowie die Sicherstellung des Zugangs zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten bei pro- blematischem Konsumverhalten . Drittens muss die Cannabis-Prohibition endlich been- det werden und ein Regulierungssystem für eine staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabis geschaffen werden, das einen wirksamen Jugend- und Verbraucherschutz so- wie glaubhafte Suchtprävention sicherstellt und hilft, den derzeitigen Schwarzmarkt auszutrocknen . Hierzu haben wir bereits mit unserem grünen Entwurf eines Cannabis- kontrollgesetzes einen konstruktiven Vorschlag gemacht, den es nur noch zuzustimmen gilt . Schließlich müssen die Forschungsvorhaben zu neuen psychoaktiven Substanzen gefördert werden, um den Er- kenntnisgewinn über die jeweiligen Substanzen zu erhö- hen, eine Bewertung des Gefährlichkeitspotenzials zu er- möglichen, Substanzanalyseverfahren zu entwickeln und zu verbessern sowie medizinische und therapeutische Leitlinien zur Behandlung von Konsumierenden im Not- fall sowie bei Abhängigkeitserkrankungen zu erarbeiten . Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 29) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir beraten heu- te abschließend einen Gesetzentwurf der Bundesregie- rung zum Abfallrecht . Es handelt sich um das Gesetz zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften . Lassen Sie mich einen kurzen Überblick darüber geben, um was es bei diesem Gesetz geht . Das Außerlandesschaffen von gefährlichem Abfall hatte in Europa über Jahrzehnte eine traurige Tradition . Bis in die 70er-Jahre wurde sogenannter Giftmüll, den man selbst nicht vernünftig entsorgen konnte oder woll- te, illegal über die Landesgrenze gebracht . Ein erster Schritt zur Bekämpfung dieser Zustände war das Baseler Abkommen, dem Deutschland 1995 beitrat . Das Abkom- men stellte erstmals weltweit geltende Regelungen über den Export von gefährlichen Abfällen auf . Abfallexporte benötigen seitdem die Zustimmungen der Behörden des Ausfuhrlandes, sämtlicher Durchfuhrländer sowie des Einfuhrlandes . Aufbauend auf dem Baseler Abkommen traten in der Folge eine ganze Reihe von europäischen und nationa- len Gesetzen und Verordnungen in Kraft . Maßgeblich für Deutschland ist hier das Abfallverbringungsgesetz von 1994 . Sie alle hatten und haben das Ziel, den illegalen In- und Export von gefährlichen Abfällen zu kontrollie- ren und gegebenenfalls zu unterbinden . Leider ist die Situation auch heute noch unbefriedi- gend . Noch immer gibt es zu viele Fälle illegaler Abfall- transporte, ob bei Einfuhr oder Ausfuhr . Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas im Herzen des Konti- nents . Wir haben Tag für Tag unzählige Warentransporte über unsere Landesgrenzen . Angesichts der Umweltbe- lastung von gefährlichem Abfall sehe ich keine andere Möglichkeit, als die Kontrollmöglichkeiten weiter zu verschärfen . Gleichzeitig hat die Vergangenheit gezeigt, dass beste- hende Straftatbestände bei Verstößen gegen das Abfall- verbringungsgesetz nicht genau genug definiert waren. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18987 (A) (C) (B) (D) Beides wird der vorliegende Gesetzentwurf nun ver- bessern: eine effektivere Bekämpfung illegaler Abfall- transporte durch verbesserte Kontrollmöglichkeiten einerseits, eine größere Rechtssicherheit bei Verstößen durch klare und vermehrte Straftatbestände andererseits . Wir erreichen dies durch zweierlei: Erstens passen wir das deutsche Abfallverbringungsgesetz an, und zwar an die EG-Verordnung über die Verbringung von Abfällen . Diese wird dahin gehend geändert, dass die Mitgliedstaa- ten der EU bis Anfang 2017 Kontrollpläne erstellen müs- sen . Diese regeln genau, welche Kontrollen nach EG-Ver- ordnung durchzuführen sind und durchgeführt wurden . Die Kontrollpläne selbst müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden . Werden künftig gefährliche Ab- fälle über Landesgrenzen hinweg transportiert und wird dies nicht ausreichend durch entsprechende Nachweise vollständig dokumentiert, gilt dieser Transport künftig von den Behörden als illegale Verbringung . Außerdem wird das Umweltbundesamt dazu verpflichtet, alle ille- galen Abfalltransporte in seinem jährlichen Bericht zu veröffentlichen . Der zweite Aspekt des Gesetzes betrifft Sanktionen bei Verstößen . Hierzu werden Strafvorschriften für Ver- stöße gegen die EU-Verordnung in das Abfallverbrin- gungsgesetz eingefügt. Künftig verpflichtet bereits das Abfallverbringungsgesetz, illegale Abfalltransporte zu sanktionieren, und zwar strafrechtlich . Es wurden Vor- schriften aufgenommen, die zum Teil bestimmten Para- grafen des Strafgesetzbuches entsprechen . Bei schwe- ren Verstößen gegen das Abfallverbringungsgesetz sind künftig bis zu zehn Jahre Haft möglich . Darüber hinaus werden neue Bußgeldtatbestände aufgenommen: Fehlen beispielsweise Dokumente eines Abfalltransportes oder sind diese unvollständig, ist ein Bußgeld zu entrichten . Mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf setzen wir nicht nur eine EU-Vorgabe eins zu eins um . Der Entwurf ist ein Baustein hin zur nachhaltigen Entwicklung . Denn er trägt maßgeblich dazu dabei, die illegale Beseitigung von Abfällen zu bekämpfen . Ich bin mir sicher, dass wir Gesundheitsrisiken und -gefahren, die von illegalen Ab- fällen ausgehen, weiter senken können . Vor allem aber wird das Gesetz dazu führen, dass künftig mehr Abfälle umweltgerecht entsorgt werden . Die neuen Straf- und Bußgeldtatbestände werden dazu nicht zuletzt eine abschreckende Wirkung entfalten . Außerdem exportieren wir mit dem Gesetz sozusagen den Umweltschutz in unsere Nachbarländer: Künftig wird es deutlich schwieriger, illegale Abfälle außer Lan- des zu schaffen . Gleiches gilt natürlich auch in umge- kehrter Richtung: Illegale Einfuhren gefährlicher Abfälle nach Deutschland werden erschwert . Alles in allem ist dieser Gesetzentwurf ein wesent- licher Baustein, unser Abfallrecht umweltgerechter, rechtssicherer und nachhaltiger zu gestalten . Michael Thews (SPD): Noch Anfang der 70er-Jah- re war auch in den Industriestaaten eine kostengünstige Entsorgung fast aller Abfälle in der Nähe des jeweiligen Entstehungsortes möglich, sodass für einen Export von Abfällen fast kein Anreiz bestand . Der Ex- und Import von Abfällen, die sogenannte grenzüberschreitende Ab- fallverbringung, war also zunächst relativ bedeutungslos . Dies hat sich in den folgenden Jahrzehnten stark ver- ändert . Der Anstieg der Abfallmengen Preissteigerungen bei der Abfallbeseitigung, bzw . -verwertung, aber auch die wesentlich höheren technischen Anforderungen bei der Beseitigung und Verwertung von Abfällen führten zu einer Zunahme der illegalen Abfallbeseitigung in Deutschland und der Zunahme des Exportes von Abfäl- len, teils legal, teils illegal ins Ausland . International, in der EU und auch national wuchs die Erkenntnis, dass die Abfallverbringung geregelt werden muss . Bereits in den achtziger Jahren erließ die EU eine erste Verord- nung hierzu . 1989 schließlich wurde das Basler Über- einkommen verabschiedet . Zunächst regelte das Basler Übereinkommen nur die Beseitigung von gefährlichen Abfällen . Die Europäische Union hat die Richtlinien des Basler Übereinkommens in der EU-Abfallverbringungs- verordnung für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindlich umgesetzt . Sie wurde durch die Verordnung (EG) Nr . 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Ra- tes (vom 14 . Juni 2006) über die Verbringung von Abfäl- len (kurz: Verbringungsverordnung Abfall) ersetzt . Sie ist seit dem 15 . Juli 2006 in Kraft, kam ab dem 12 . Juli 2007 zur Anwendung und ersetzte die älteren Verordnungen . Seitdem werden diese Regeln, nämlich Basler Übereinkommen, OECD-Regeln und die Europä- ische Verbringungsverordnung Abfall ständig den geän- derten technischen Veränderungen und neuen Erkennt- nissen angepasst . Heute sprechen wir wieder über ein Gesetz zur Ände- rung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften . Dabei handelt es sich um die Anpassung der deutschen Vor- schriften an die im Jahre 2014 geänderte EU-Verordnung . Es geht hauptsächlich um die verbesserte Bekämp- fung illegaler Müllexporte . Unter anderem werden die Kontrollen durch die Einführung höherer Anforderungen an die zu erstellenden Nachweise vereinfacht . Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass bei der Kontrolle der Abfallverbringung noch Lücken be- stehen, die geschlossen werden müssen . Auch innerhalb der Europäischen Union ist der illegale Export von Ab- fällen, auch von gefährlichen Abfällen, immer noch ein großes Problem . Es gibt immer noch schwarze Schafe in der Entsor- gungswirtschaft oder, besser gesagt, Kriminelle, die um des Profites willen Umwelt und Gesundheit unserer Bür- gerinnen und Bürger gefährden . Immer noch wird Abfall zu billigen, aber technisch nicht zugelassenen Anlagen im Ausland transportiert, um Geld zu sparen . Oder Ab- fälle werden als Ware deklariert, um sie dann irgendwo billig auf illegalen Deponien zu beseitigen . Ich begrüße daher ausdrücklich, dass die Bestimmun- gen zur Abfallverbringung verschärft werden . Besonders wichtig ist, dass die Anforderungen an die Nachweise erhöht wurden . Es ist für die kontrollierenden Behörden wichtig zu wissen, als was der zu exportierende Abfall deklariert wird . Es ist wichtig zu wissen, aus was der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618988 (A) (C) (B) (D) Abfall besteht und zu welchen Behandlungsanlagen der Abfall verbracht wird . Die Neuregelung erlaubt den Behörden jetzt auch, ge- nau nachzufragen, zum Beispiel nach der genauen Zu- sammensetzung des Abfalles oder nach dem technischen Stand der Abfallbehandlungsanlagen . Die bisherige Un- klarheit im Gesetz wird damit beseitigt . Nur mit diesem Basiswissen ist es überhaupt möglich, festzustellen, ob die Abfälle korrekt eingestuft wurden und eine korrekte Behandlung erfolgt . Die Behörden brauchen diese Information, um zu klären, was eine lega- le oder illegale Abfallverbringung ist . Dass das Fehlen der vorgeschriebenen Nachweise bzw . deren fehlerhafte Ausfüllung als illegale Verbrin- gung eingestuft wird, ist ein sehr wichtiger, ergänzender Schritt in die richtige Richtung . Den zuständigen Behör- den wird damit der Vollzug erleichtert, illegale Müllex- porte können so schneller gestoppt und bestraft werden . Letztlich bleibt es aber dabei: Um illegale Abfallver- bringung zu verhindern, sind qualifizierte Kontrollen nötig . Dafür muss Personal vorhanden sein und dieses Personal muss geschult sein . Die heute vorliegenden Gesetzesänderungen bieten Möglichkeiten, die Kontrol- len zu verbessern, aber sie müssen auch stattfinden. Zur Vereinfachung sollte man, insbesondere bei gefährlichen Abfällen, auch die Einführung elektronischer Nachweise prüfen . Wichtig für den verbesserten Vollzug ist auch unser Änderungsantrag . Anordnungen der Behörden zur siche- ren Lagerung von Abfällen dienen der Vermeidung von Umweltgefahren durch Abfälle, deren grenzüberschrei- tender Transport womöglich nicht ordnungsgemäß ist . Diese Anordnungen sind dringliche Angelegenheiten . Damit nun die Behörden nicht in jedem Einzelfall die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügungen anordnen müssen, wollen wir, dass Widerspruch und Anfechtungs- klage gegen diese Anordnungen keine aufschiebende Wirkung haben . Die Aufstellung von Kontrollplänen soll ebenfalls für verbesserten Vollzug sorgen . Die Pläne sollen unter anderem dafür sorgen, dass rechtzeitig die für die Kont- rollen notwendigen Kapazitäten geschaffen werden . Die Aufstellung der Pläne mit der Verpflichtung zur Zusam- menarbeit ist für die Bundesländer sicherlich mit einigem Verwaltungsaufwand verbunden . Um aber überhaupt feststellen zu können, wie effektiv die Kontrollen sind, sind sie meines Erachtens eine notwendige Maßnahme . Ich plädiere aber dafür, dass diese Kontrollpläne nach einiger Zeit auch im Hinblick auf ihre Durchführung, auf ihren Nutzen und Effektivität überprüft werden . Die Kontrollpläne dürfen keine Papiertiger sein, sie müssen zu einer verbesserten Bekämpfung des illegalen Müllex- portes führen . Ich hoffe, dass wir mit dieser Gesetzesänderung Er- folg haben, gleichzeitig bin ich mir aber sicher, dass die- se Novelle nicht die letzte sein wird . Die Bekämpfung illegaler Müllbeseitigung ist eine dauerhafte Aufgabe . Wir müssen diesen Bereich immer beobachten, um neue Schlupflöcher zu schließen und Gefahren abzuwehren. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Müll – egal ob es sich um Sondermüll, Elektronikschrott oder normalen Haus- müll handelt: Wann immer damit gehandelt wird, bürdet jemand gegen eine Geldleistung das Entsorgungsproblem jemand anderem auf . Das ist für den einen eine bequeme Lösung und für den anderen ein großes, profitträchtiges Geschäftsfeld . Leider werden bei diesen Geschäften mit Müll allzu oft ökologische Standards umgangen und ver- nünftiges Recycling vermieden, weil das Extraprofite bringt . Die Müllexportrate der EU erreicht regelmäßig neue Rekordstände; was außerhalb der EU passiert, prüft niemand, und zusätzlich wird ein viel zu großer Teil des Mülls illegal entsorgt . Unklare Regelungen in der Ge- setzgebung erschwerten die Verfolgung von zwielichti- gen Müllgeschäften . Dagegen will die EU härter und gezielter vorgehen, und der vorliegende Gesetzentwurf gießt das EU-Recht nun in nationales Recht . Die Linke begrüßt dies und hält auch die Maßnahmen, mit denen illegale Tatbestände konkretisiert werden und mit denen die Zusammenarbeit der Behörden besser ge- regelt werden soll, für richtige Schritte . Wir bezweifeln allerdings, dass allein mit der No- vellierung des Rechts in der Praxis Abhilfe geschaffen wird, solange es beim Vollzug des europäischen Umwelt- rechts – auch in Deutschland – weiter eklatante Defizi- te gibt . Die besten Verordnungen und Regelungen hel- fen dem Umweltschutz nicht weiter, wenn niemand sie durchsetzt . Ohne Kontrollen und Überprüfungen ist es unmöglich, illegale Machenschaften konsequent zu ver- folgen . Besonders die Bundesländer haben Probleme, im Bereich der Abfallverbringung ausreichend Kontrollen durchzuführen . Im Umweltrecht scheitert die Durchset- zung nämlich leider allzu oft an mangelnder Finanzaus- stattung und zu wenig Personal . Man gewinnt ohnehin den Eindruck, dass die Um- setzung des bestehenden Umweltrechts stiefmütterlich vernachlässigt wird, so, als handele es sich bei Umwelt- vergehen um Kavaliersdelikte und nicht um Verbrechen, die unsere Gesundheit und unsere Lebensgrundlagen gefährden . Die Bundesländer betreiben zu oft die durch Schuldenbremsen erzwungenen Haushaltseinsparungen zulasten der Kontrollbehörden, was schamlos von zwie- lichtigen Unternehmen ausgenutzt wird . Die deutlich höheren Folgekosten müssen wir dann alle tragen – ein kurzsichtiges schlechtes Geschäft . Die Linke regt deshalb an, jede Verbesserung des Um- weltrechts gleichzeitig mit einem Durchführungsplan zu flankieren, der sicherstellt, dass er die Verwaltungen in die Lage bringt, die Vorgaben durchzusetzen . Da reicht die personelle und finanzielle Ausstattung der Behörden allein mitunter nicht aus . Der Gesetzgeber ist selbst ge- fragt, seine eigenen Regelwerke auf Konsistenz und Um- setzbarkeit zu prüfen . In Deutschland stand im Elektrogerätegesetz, dass es verboten ist, Akkus in Geräten wie Smartphones und Ta- blets fest, also nicht austauschbar, zu verbauen . Das hatte einen tieferen Sinn: Neben Verbraucherschutz und länge- rer Nutzbarkeit sollte so ein ordentliches Recycling der Geräte und Akkus garantiert werden, um damit insgesamt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18989 (A) (C) (B) (D) Ressourcen zu schonen . Trotz dieses Verbotes wurden in Deutschland munter überall Geräte verkauft, in denen Akkus fest eingebaut waren . Das Problem war, dass die Behörden keine Durchführungsermächtigung für dieses Verbot bekommen hatten . Es gab schlicht keine Behör- de, die die Einhaltung des Verbots prüfen und Verstöße ahnden konnte . Doch statt das Verbot durchzusetzen, ent- schied sich die unionsgeführte Koalition gegen Verbrau- cher- und Umweltschutz und strich einfach dieses Verbot aus dem Gesetz; das ist ein klarer Rückschritt . In Anbetracht dieses Beispiels fordert Die Linke die Bundesregierung und die Regierungskoalition auf, die vorgelegte Gesetzesnovelle auf ihre Konsistenz und Um- setzbarkeit zu prüfen und mit entsprechendem Personal und Befugnissen sicherzustellen, dass die neuen, wirk- lich guten Regelungen auch umgesetzt werden können . Beim Einsatz für Verbraucher-, Gesundheits- und Um- weltschutz haben Sie unsere Unterstützung . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn es schon in dieser Legislaturperiode aufgrund der Blockaden in der großen Uneinigkeitskoalition kein ewig angekündigtes und dringend nötiges Wertstoffge- setz geben wird, müssen wir ja schon froh sein, wenn es überhaupt ein Gesetzentwurf zum Abfallrecht bis in das Plenum des Deutschen Bundestages schafft . So hatte Hendricks im Februar 2014 angekündigt, den EU-Emis- sionshandel so rasch wie möglich wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, und sie wollte insgesamt zwei Mil- liarden Emissionszertifikate dauerhaft aus dem Markt nehmen, was bis heute nicht geschehen ist . Aus welchen Gründen diese Ankündigung bisher scheiterte, darüber kann nur spekuliert werden . Auch ist nicht ersichtlich aus, welchen Gründen sich Bundesministerin Hendricks bei den Abgasmessungen RDE-Gesetzgebung mit den Konformitätsfaktoren 1,6 und dann 1,2 nicht durchset- zen konnte, obwohl sie diese 2015 als „Riesenfortschritt“ bezeichnet hatte . Gleiches gilt für die Forderungen der Umweltminis- terin eine verpflichtenden Quote für Elektrofahrzeuge einzuführen, den Biospritanteil bei 5 Prozent zu deckeln, die Agrarsubventionen in ihrer bisherigen Form abzu- schaffen und öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen im Agrarsektor auszugeben oder die Natur- schutzoffensive 2020 voranzubringen . Um nur einige wenige Beispiele zu nennen . So reden wir heute also über das Gesetz zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften . Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt ausdrücklich das Gesetz zur Änderung abfallver- bringungsrechtlicher Vorschriften . Denn eine verbesserte Bekämpfung der illegalen Entsorgung von Abfällen ist dringend geboten . Gerade angesichts der immer wie- derkehrenden Müllskandale wie etwa in Sachsen oder Sachsen Anhalt ist die Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben durch die Anpassung des Abfallverbringungs- gesetzes an EU-Recht notwendig . Die in dem Gesetz- entwurf vorgeschlagene Regelung, dass die Länder mit den zuständigen Zollbehörden und dem Bundesamt für Güterverkehr bezüglich der Inhalte der Kontrollpläne Einvernehmen herbeiführen, ist fachlich sinnvoll . Auch die strafrechtlichen Sanktionen, die in dem Gesetzent- wurf bezüglich illegaler Entsorgung gefährlicher Abfälle und nicht gefährlicher Abfälle vorgesehen sind, sind zu begrüßen . Denn auch Abfälle, von denen keine Gefahr aufgrund von Strahlung oder chemischer Zusammenset- zung ausgeht, können schädlich für die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern oder gefährlich für Wasser und Boden sein . Leider wurden nicht alle Änderungsvorschläge der Länder übernommen, die den Vollzug vereinfacht und geringere Bürokratiekosten bedeutet hätten . Daher ent- halten wir uns . Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchfüh- rung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuKoPfVODG) (Tagesordnungspunkt 30) Sebastian Steineke (CDU/CSU): Mit der Verord- nung Nummer 655/2014 der Europäischen Union hat Brüssel einheitliche Regelungen zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläu- figen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen geschaffen . Ab dem 18 . Ja- nuar 2017 gilt sie in allen EU-Mitgliedstaaten außer in Großbritannien und Dänemark . Sie soll die Eintreibung grenzüberschreitender Forderungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen erleichtern und die Vollstre- ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han- delssachen in Streitfällen mit grenzüberschreitendem Bezug vereinfachen . Hintergrund ist, dass Gläubiger in allen EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung erwirken können . Zwar gilt die EU-Kontenpfändungsverordnung bei uns unmittelbar, dennoch waren im Hinblick auf die Besonderheiten im deutschen Recht ergänzende Durch- führungsvorschriften notwendig, die der vorliegende Ge- setzentwurf beinhaltet . Das umfangreiche Gesetz wirkt auf den ersten Blick sehr kleinteilig und außerordentlich technisch . Beim näheren Hinsehen haben wir jedoch noch Beratungsbedarf gesehen . Das Ergebnis der Bera- tungen haben wir als Koalitionsfraktionen in unserem Änderungsantrag formuliert . Ich möchte hier nur auf einige wenige Dinge eingehen, die aus unserer Sicht wichtig sind . Zunächst zum Kern der Verordnung: Künftig soll ein einheitlicher Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung ergehen, der von der Bank umzusetzen ist . Im deutschen Recht haben wir da- gegen zwei gerichtliche Entscheidungen: das Verfahren auf Anordnung des Arrests nach §§ 916 ff . der Zivilpro- zessordnung sowie die Vollziehung des Beschlusses nach §§ 928 bis 930 der Zivilprozessordnung . Nach der Erwir- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618990 (A) (C) (B) (D) kung eines Arrestbeschlusses folgt also in einem zweiten Schritt der Pfändungsbeschluss . Für grenzüberschreiten- de Fälle ist nur noch ein Beschluss vorgesehen . Die nati- onalen Wege bleiben aber weiter möglich . Neben einigen richtigen Anmerkungen des Bundesra- tes, die wir in den Änderungsantrag eingearbeitet haben, waren uns, insbesondere nach intensiven Gesprächen mit Praktikern und Gerichtsvollziehern, noch weitere Ände- rungen wichtig . Unser Antrag sieht unter anderem den Wegfall der Untergrenze von 500 Euro in den §§ 755 Ab- satz 2 und 802l Absatz 1 der Zivilprozessordnung vor . Das bedeutet, dass Gerichtsvollzieher zukünftig auch bei zu vollstreckenden Ansprüchen, die unter 500 Euro liegen, den Aufenthaltsort des Schuldners bei anderen Behörden ermitteln können . Das Gleiche gilt für die Er- mittlung des Arbeitgebers des Schuldners sowie die Er- mittlung der vom Schuldner geführten Konten oder der vom Schuldner gehaltenen Kraftfahrzeuge . Nach unserer Auffassung besteht kein sachlicher Grund für das Beste- hen dieser Grenze bei Drittabfragen . Gerichtsvollzieher waren bei derartigen Verfahren immer auf die Selbstaus- kunft des Schuldners angewiesen . Knapp die Hälfte aller Fälle betrifft Verfahren, bei denen die Wertgrenze von 500 Euro unterschritten wird . Das heißt, dass eine nicht unerhebliche Zahl aller Ansprüche davon betroffen ist . Schuldner, die eine Vermögensauskunft bislang pflicht- widrig nicht abgegeben haben, mussten zudem mit der Beantragung eines Haftbefehls nach § 802g der Zivil- prozessordnung rechnen . Vor diesem Hintergrund kann durch die Streichung der Wertgrenze auch die Anzahl der Anträge auf Erlass eines Haftbefehls wegen geringfügi- ger Forderungen deutlich reduziert werden . Der Grund- rechtseingriff im Rahmen einer Drittauskunft ist unzwei- felhaft geringer als der Entzug der Freiheit . Nicht zuletzt ist es kaum noch begründbar, weshalb Forderungen unter 500 Euro weniger schutzwürdig sein sollen als solche, die darüber liegen . Insbesondere Rech- nungen von kleinen und mittelständischen Unterneh- men oder von Handwerkern bewegen sich oftmals im Bereich unterhalb der Wertgrenze . Insofern erleichtern wir besonders in diesen Fällen das Verfahren . Uns war es wichtig, hier einen Gleichklang der unterschiedlichen Vorschriften in den Mitgliedstaaten herzustellen . Es kann nicht sein, dass deutsche Gläubiger gegenüber anderen benachteiligt werden . Hier hatten wir rechtliche Beden- ken, die wir mit dem Änderungsantrag ausräumen . Weiterhin enthält unser Änderungsantrag mit der Er- gänzung von § 882c Absatz 1 der Zivilprozessordnung die Feststellung, dass die Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis Teil des Voll- streckungsverfahrens ist . Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein . Dies gilt auch bei und nach Zustellung der Eintragungsanordnung . Oftmals zeigt sich in der Praxis, dass ein Schuldner erst mit der Zustellung der Eintra- gungsanordnung seine Bereitschaft zeigt, eine gütliche Einigung in Betracht zu ziehen . Zugleich regeln wir da- mit, dass die Auslagen für die Zustellung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis auch gegenüber dem Gläu- biger als Auftraggeber im Sinne des Gerichtsvollzieher- kostengesetzes in Ansatz gebracht werden können . Der Bundesgerichtshof hat am 21 . Dezember 2015 entschie- den, dass es sich hier um eine Amtszustellung handelt und der Gläubiger im Eintragungsanordnungsverfahren damit als Kostenschuldner ausschied . Mit der Neurege- lung schaffen wir nicht nur eine gerechte Lösung, son- dern entlasten auch in erster Linie unsere Bundesländer . Der letzte wichtige Punkt, den ich hier erwähnen möchte, ist die Einfügung einer zusätzlichen Num- mer 208 im Kostenverzeichnis zum Gerichtsvollzie- herkostengesetz . Die Gebühr Nummer 207 gilt nur für solche Fälle, in denen eine gütliche Einigung explizit und anstatt einer Vollstreckung beauftragt wird . Der Ge- richtsvollzieher berechnet in Vollstreckungsverfahren, in denen im Sinne von § 806b der Zivilprozessordnung auch die gütliche Einigung versucht werden muss, nur die Gebühr für das Vollstreckungsverfahren . Dies ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht . Der Arbeitsaufwand der Gerichtsvollzieher für eine gütliche Einigung wird nach geltendem Recht nicht ausreichend honoriert . Wird dem Gerichtsvollzieher zukünftig der Auftrag erteilt, den Ver- such einer gütlichen Erledigung zu unternehmen sowie eine Pfändung vorzunehmen, so erhält er neben der Ge- bühr für die Pfändung in Höhe von 16 Euro eine zusätz- liche Gebühr in Höhe von 8 Euro für den Versuch der gütlichen Erledigung . Ich möchte mich bei unserem Koalitionspartner und speziell beim Kollegen Dirk Wiese für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Gesetzesberatung bedanken . Bei diesen doch sehr technischen Regelungen war es wichtig, praktikable Lösungen zu finden. Dies ist uns durchaus gut gelungen . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Bereits aus dem Jahr 2014 datiert die Kontenpfändungsverordnung der Europäischen Union . Mit der heutigen Beratung soll durch die Anpassung der zivilprozessualen Vorschriften die Durchführbarkeit der Verordnung garantiert werden . Das Arrestverfahren mit einem Kontenpfändungsbe- schluss ist ein notwendiges und praktiziertes Mittel zur Sicherung der Zwangsvollstreckung . Im Vordergrund steht weniger die Befriedigung des Gläubigers, als viel- mehr die Sicherheit, in das Konto des Schuldners über- haupt vollstrecken zu können . Das Verfahren in der europäischen Kontenpfändungsverordnung ist mit den Vorschriften der Zivilprozessordnung strukturell ver- gleichbar . Die Verordnung verfolgt ein wichtiges Ziel . Den Gläu- bigern soll die Eintreibung grenzüberschreitender Forde- rungen erleichtert und die Vollstreckung durch Pfändung ausländischer Konten vereinfacht werden . Das Verfahren findet in allen teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten unter denselben Voraussetzungen Anwendung . Alle Gläubiger sehen sich mit derselben Rechtslage und dem gleichen Schutzniveau konfrontiert . Dies fördert die Rechtsklar- heit und Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum . Die Verordnung dient zur vereinfachten Eintreibung von grenzüberschreitenden Forderungen nicht nur für Unter- nehmen, sondern gleichermaßen für die Bürgerinnen und Bürger . Es wird damit ein aktiver Beitrag zu mehr Ver- braucherschutz geleistet . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18991 (A) (C) (B) (D) Mit den Änderungen der Zivilprozessordnung und weiterer zivilprozessualer Regelungen möchten wir als nationaler Gesetzgeber einen Beitrag zu mehr Rechtsklar- heit und Rechtssicherheit bei der Eintreibung grenzüber- schreitender Forderungen schaffen . Auf die Vielzahl der gesetzlichen Änderungen soll nicht genauer eingegangen werden . Ich möchte mich auf ein paar wesentliche As- pekte beschränken, welche dem Rechtsanwender jedoch erhebliche Erleichterungen bei der Durchsetzung des Rechts verschaffen . Vor Erlass der Verordnung musste im Vollstreckungs- staat ein eigenständiges Vollstreckungsverfahren ein- geleitet werden, um die Kontenpfändung zu erwirken . Künftig erlässt das Gericht der Hauptsache den Be- schluss zur vorläufigen Kontopfändung. Die Vorteile der vereinfachten Rechtsdurchsetzung liegen auf der Hand: Zeit- und Kostenaufwand werden erheblich reduziert . Der Bürokratieabbau kommt allen Unternehmen und al- len Bürgerinnen und Bürgern zugute . Weniger Bürokratie ist ein positiver Beitrag zur Stei- gerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen . Die hohen Kosten durch das vorherige Verfahren werden künftig wegfallen . Auch die Bürgerinnen und Bürger werden wesentlich entlastet . Der Antrag beim Gericht, wo der Titel bereits erwirkt wurde, schafft einen einfa- cheren Zugang zum Recht . Das Vertrauen in das bekann- te Justizsystem wird gestärkt . Nicht zuletzt wird unvorhersehbaren Einflüssen im Vollstreckungsstaat vorgebeugt . Der Beschluss zur vorläufigen Kontopfändung ist von der kontoführen- den Bank zu befolgen . Durch die Verbindlichkeit des Beschlusses schaffen wir Struktur und Klarheit bei der Rechtsdurchsetzung . Weiterhin soll nicht unerwähnt bleiben, dass einige Ergänzungen das Thema E-Justice betreffen . Der Einsatz IT-gestützter Abläufe im Justizwesen ist aus dem Ge- richtsalltag nicht mehr wegzudenken . Mit diesem Gesetz wird ein weiterer Schritt hin zu einem vollständigen elek- tronischen Vollstreckungsverfahren gemacht . Ich kann mit gutem Gewissen um Zustimmung zu die- sem Gesetzentwurf bitten . Dirk Wiese (SPD): Heute beschließen wir das Gesetz zur Durchführung der EU-Kontenpfändungsverordnung . Ich glaube wir können mit Recht sagen, dass hier das Struck’sche Gesetz wieder voll zur Geltung gekommen ist: Kein Gesetz – und auch dieses – kommt aus dem Parlament wieder so heraus, wie es eingebracht worden ist . Das ist mit Sicherheit nicht immer von Vorteil, ge- rade dann nicht, wenn man Kompromisse mit dem Ko- alitionspartner machen muss, die einem vielleicht nicht zu 100 Prozent gefallen . Bei dem vorliegenden Geset- zesvorhaben verhält sich das jedoch völlig anders . In- nerhalb der parlamentarischen Beratungen haben wir in guten und konstruktiven Gesprächen mit den Kollegen von der Union das Gesetz verbessert und optimiert . Mein Kollege Herr Lange hat soeben den Gesetzentwurf noch einmal mit seinen weiteren Änderungen vorgestellt . Ich möchte mich deshalb auf die drei wichtigsten Punkte be- schränken, die wir geändert haben . Erstens . Wir haben die bestehende 500-Euro-Grenze der §§ 755 II und 802l I ZPO für Drittabfragen abge- schafft . Da Gläubiger solcher Forderungen ausschließ- lich auf Selbstauskünfte der Schuldner angewiesen sind, werden gerade kleinere Unternehmen mit kleineren For- derungen hierdurch erheblich benachteiligt . Denn an- ders als für Gläubiger von Forderungen über 500 Euro bestand nach bisheriger Rechtslage für diese Gläubi- ger auch nicht die Möglichkeit, bei einer unergiebigen Meldeauskunft, etwa beispielsweise weil der Schuldner seinen melderechtlichen Verpflichtungen nicht nach- kam, den Aufenthaltsort über weitere behördliche Aus- künfte zu ermitteln . Dadurch wurde die Durchführung der Zwangsvollstreckung für diese Gläubiger von For- derungen in geringerer Höhe erheblich erschwert . Mit dem Wegfall der 500 Euro Grenze tragen wir somit dafür Sorge, dass diese Ungleichbehandlung von Gläubigern nicht mehr weiterbesteht . Zweitens haben wir klargestellt, dass die Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeich- nis Teil des Vollstreckungsverfahrens ist . Damit wird vor allem klargestellt, dass Auslagen für die Zustellung der Eintragungsanordnung auch gegenüber dem Gläubiger als Auftraggeber nach § 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes geltend gemacht werden können . Diese Verteilung ist nur recht und billig und minimiert das Kostenrisiko für die Länder ungemein . Drittens haben wir einer reduzierten Gebühr von 8 Euro für den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sa- che durch die Gerichtsvollzieher in den Fällen, in denen gleichzeitig ein Auftrag zur Pfändung oder zur Abnahme der Vermögensauskunft erteilt wurde, eingeführt . Denn nach geltendem Recht fällt eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache nur an, wenn der Gerichtsvollzieher nicht gleichzeitig mit einer Maßnah- me nach § 802a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 oder Num- mer 4 ZPO beauftragt ist . Hier wird jedoch nicht berück- sichtigt, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache zum Teil mit einem erheblichen Arbeitsaufwand des Gerichtsvollziehers verbunden ist . Und es macht hier auch vom Arbeitsaufwand keinen Unterschied für den Gerichtsvollzieher, ob er ausschließlich mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung beauftragt wurde oder ob der Auftrag etwa gleichzeitig noch auf die Vornahme einer Pfändung gerichtet ist . Daher ist es nur recht und billig, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung stets eine Gebühr auslöst . Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Der Ge- schäftsführer einer in Deutschland ansässigen mittelstän- dischen GmbH wird von seiner Hausbank darüber be- nachrichtigt, dass dort der Beschluss eines rumänischen (oder griechischen etc .) Gerichts über die Anordnung ei- ner vorläufigen Kontenpfändung vorliege; die Bank habe aus diesem Grund alle geführten Geschäftskonten und sämtliche Guthaben „eingefroren“ . Überweisungen, wie Miete, Löhne etc ., würden fortan nicht mehr ausgeführt . Der Unternehmer, der seinen gesamten Zahlungsverkehr über die Bank abwickelt, ist sofort zahlungsunfähig im Sinne des § 17 Absatz 2 InsO . Tags darauf wird dem Ge- schäftsführer der Beschluss nebst Antrag über die vorläu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618992 (A) (C) (B) (D) fige Kontenpfändung zugestellt. Beschluss und Antrag sind in deutscher Sprache beigefügt und nehmen zum Zweck der Anspruchsbegründung auf einen in rumäni- scher Sprache gehaltenen Vertrag Bezug, der als Anlage zwar beigefügt ist, für den aber – zulässig (vergleiche Ar- tikel 49 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 28 Absatz 5 c) der Verordnung (EU) Nummer 655/2014) – eine deutsche Übersetzung fehlt . Aus der unter Hochdruck bis zum nächsten Tag durchgeführten Vertragsübersetzung er- fährt der Unternehmer den vermeintlichen Schuldgrund . Dem Beschluss kann er entnehmen, dass ihm gegenüber bislang kein Urteil oder sonstiger Titel in Rumänien er- gangen sei, sondern ein Antragsteller einem rumänischen Gericht „hinreichende Beweismittel“ vorgelegt habe, aus denen sich „voraussichtlich“ ein Obsiegen des Antrag- stellers in einem zukünftigen Hauptsacheverfahren sowie eine tatsächliche Gefahr der Vollstreckungserschwerung für den Fall der unterbleibenden Anordnung der vorläu- figen Kontenpfändung ergebe. Zudem erfährt er den zu vollstreckenden Betrag in Höhe von 500 000 Euro . Si- cherheitsleistungen in dieser Größenordnung (vergleiche Artikel 38 der Verordnung [EU] Nummer 655/2014) sind der GmbH kurzfristig nicht möglich . Der noch am selben Tag vom Unternehmer konsultierte deutsche Anwalt erklärt, er könne nicht helfen, vielmehr müsse ein rumänischer Anwalt gesucht und mandatiert werden . Der Unternehmer kontaktiert daraufhin – nach intensiver Suche nach einer rumänischen Anwaltskanz- lei – am darauf folgenden Tag einen rumänischen Anwalt, der angesichts der Eilbedürftigkeit ausnahmsweise ohne Gebührenvorschuss tätig wird . Der rumänische Anwalt fordert die Gerichtsakte an und bereitet in den kommen- den Tagen – nach vielfacher, aufgrund der Sprachbarrie- ren schwieriger Korrespondenz – den Antrag auf Wider- ruf der vorläufigen Kontenpfändung gemäß Artikel 33 Absatz 1 a) der Verordnung (EU) Nummer 655/2014 vor . Dem Widerruf wird vonseiten des rumänischen Gerichts fünf Tage nach Antragstellung stattgegeben . In der Zeit bis zur Antragsstattgabe ist die GmbH schutzlos vom Zahlungsverkehr abgeschnitten, insolvenzantragspflich- tig und akut existenzbedroht . Die GmbH ist nach § 15a InsO insolvenzantragspflichtig; der Geschäftsführer ist nicht erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist, sondern „unverzüglich“ zum Antrag verpflichtet. Sofern er für die GmbH weitere Zahlungen vornimmt, beispielswei- se aus Barmitteln, setzt er sich dem Haftungsrisiko nach § 64 GmbHG aus . Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit birgt zudem das hohe Risiko der Kündigung der Bank- verbindung, insbesondere aber der Kündigung sonstiger Vertragsbeziehungen wegen Zahlungsverzugs . Gegebe- nenfalls können Sozialversicherungsabgaben auf bereits ausgekehrte Löhne nicht an die Sozialversicherungsträ- ger gezahlt werden . Ein Horrorszenario – nicht in meiner Fantasie erdacht, sondern in der Stellungnahme des Deutschen Anwalts- vereins als Beispiel für das Wirken des heute hier zur zweiten und dritten Lesung vorliegenden Gesetzent- wurfes zur Durchführung der EU-Verordnung Num- mer 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozes- sualer Vorschriften dargestellt und zitiert . Der Gesetzentwurf geht auf die am 15 . Mai 2014 er- lassene EU-Verordnung zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kon- tenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der gren- züberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zi- vil- und Handelssachen (Amtsblatt L 189 vom 27 .6 .2014, S . 59; im Folgenden: Europäische Kontenpfändungsver- ordnung, EuKoPfVO) zurück. Diese Verordnung findet ab dem 18 . Januar 2017 in allen EU-Mitgliedstaaten außer dem Vereinigten Königreich und Dänemark An- wendung . Ziel der Verordnung ist es, die Eintreibung grenzüberschreitender Forderungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zu erleichtern und die Vollstre- ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han- delssachen in Streitfällen mit grenzüberschreitendem Bezug zu vereinfachen . Gläubiger sollen in die Lage versetzt werden, in allen EU-Mitgliedstaaten unter den- selben Bedingungen Beschlüsse zur vorläufigen Konten- pfändung zu erwirken . Zwar gilt die EuKoPfVO in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar, jedoch bedarf sie einiger ergänzender Durchführungsvorschriften . Der Gesetzentwurf ist aus gleich mehreren Gründen abzulehnen . So fehlt es bereits an einer klaren Rege- lungskompetenz . Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund das Instrumentarium der grenzüberschreitenden Kontenpfändung für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sein soll . Weiterhin weichen die tatbestandlichen Voraussetzun- gen der grenzüberschreitenden vorläufigen Kontenpfän- dung in ihren Grundzügen erheblich von vergleichbaren Regelungen des deutschen Prozessrechts, insbesondere von den zweistufigen Regelungen des Arrests, ab, zum Beispiel: Nach Artikel 5 a) der Verordnung (EU) Num- mer 655/2014 kann der Antrag auf vorläufige Konten- pfändung ohne vorhergehenden Titel gestellt werden; für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Kon- topfändung sind nach Artikel 6 a der Verordnung (EU) Nummer 655/2014, sofern noch kein Titel vorliegt, „die Gerichte des Mitgliedstaats, die gemäß den einschlä- gigen anzuwendenden Zuständigkeitsvorschriften für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sind“, zuständig . Damit ist das zuständige Gericht oftmals in einem anderen EU-Mitgliedstaat und nicht am Wohnort des Schuldners . Ferner: Bei Pfändung muss der Schuld- ner nach Artikel 14 Absatz 5 c der Verordnung (EU) Nummer 655/2014 seine sämtlichen Bankdaten gegen- über dem Gläubiger offenlegen; den Rechtsbehelf auf Widerruf oder Abänderung des Beschlusses muss der Schuldner grundsätzlich beim Gericht des Ursprungs- lands geltend machen, Artikel 33 der Verordnung (EU) Nummer 655/2014 Aus Schuldnersicht gewährleistet die Verordnung (EU) Nummer 655/2014 weder nach verfassungsrecht- lichen noch nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen einen effektiven Rechtsschutz . Verfassungsrechtlicher Justizgewährungsanspruch und Rechtsstaatsprinzip fordern daher gerade im Arrestverfahren einen Rechts- schutz, der im Zweifelsfall binnen weniger Stunden umsetzbar sein muss . Entsprechend kurze Verfahrens- dauern im einstweiligen Rechtsschutzverfahren werden Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18993 (A) (C) (B) (D) beispielsweise bei familienrechtlichen, sorgerechtlichen oder kollektivarbeitsrechtlichen Verfahren im nationalen Verfahren gewährleistet . Einen vergleichbaren Standard effektiven Rechtsschutzes fordert auch das Gemein- schaftsrecht über Artikel 47 der Charta der europäischen Grundrechte in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 3 EUV und über Artikel 6 EMRK . Ausgehend von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebieten Artikel 19 Ab- satz 4 Grundgesetz und Artikel 103 Grundgesetz, dass gegen den Beschluss über eine vorläufige Kontenpfän- dung nicht bloß theoretisch, sondern ganz praktisch ein Rechtsschutz des Schuldners binnen weniger Stunden gewährleistet sein muss . Gerade einen solchen effektiven Rechtsschutz gewährleistet die Verordnung (EU) Num- mer 655/2014 nicht, wie der eingangs dargestellte Bei- spielsfall leicht veranschaulicht . Schließlich führt die Verordnung zu einer Zersplitte- rung und insbesondere Intransparenz des Zivilprozess- rechts . Der Deutsche Anwaltsverein, aus dessen Stellungnah- me ich hier wiedergegeben habe, äußert sich zu der vor- liegenden VO abschließend wie folgt: „Auf Grundlage eines deutschen Verfassungsver- ständnisses ist es dem DAV unverständlich, dass von deutscher Seite der Erlass der Verordnung (EU) Num- mer 655/2014 widerspruchslos akzeptiert wurde, insbe- sondere, dass sämtliche Rechtsbehelfe gegen die vorläu- fige Kontenpfändung – vorbehaltlich Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nummer 655/2014 (Gerichtsstand für Verbraucher) und Artikel 34 der Verordnung (EU) Nummer 655/2014 – im Ursprungsstaat verfolgt werden müssen . Nach Dafürhalten des DAV ist es auf europäi- scher Ebene dringend geboten, von deutscher Seite ju- ristisch wie politisch auf eine grundlegende Neukonzep- tionierung der vorläufigen Kontenpfändung zu drängen und bis dahin von Umsetzungsakten in deutsches Recht Abstand zu nehmen .“ Daher sind nach Auffassung meiner Fraktion sowohl der vorliegende Gesetzentwurf als auch die ihn begrün- dende Verordnung abzulehnen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vor- liegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Europä- ischen Kontenpfändungsverordnung vom 15 . Mai 2014 . Diese Verordnung dient wiederum dazu, die Eintreibung grenzüberschreitender Forderungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zu erleichtern und die Vollstre- ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han- delssachen in Streitfällen mit grenzüberschreitendem Bezug zu vereinfachen . Gläubiger können dann in allen EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Be- schlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung erwirken. Ein Konto vorläufig zu pfänden heißt, es „einzufrieren“. Es ist gut, dass Gläubiger ihre Forderungen inner- halb der EU nun besser grenzüberschreitend durchsetzen können . Aber es bleibt doch die Frage, warum die Bun- desregierung sich in der EU nicht für einen effektiver- en Schuldnerschutz eingesetzt hat, insbesondere bei den Rechtsbehelfen gegen die vorläufige Kontopfändung. Für ein kleines Unternehmen kann die Pfändung eines Bankkontos die Existenzvernichtung bedeuten . Schnel- ler und effektiver Rechtsschutz ist also bitter nötig, und das noch viel mehr bei grenzüberschreitender Pfändung in einem anderen europäischen Land . Die Anregung des Deutschen Richterbundes, eine klarstellende Regelung in § 574 ZPO im Umsetzungsgesetz aufzunehmen, hat die Bundesregierung in ihrem GE leider nicht aufgegriffen . Die Europäische Kontopfändungsverordnung gilt in Deutschland ab dem 18 . Januar 2017 unmittelbar und bietet, abgesehen vom Erlass von Durchführungsvor- schriften, wenig Umsetzungsspielraum . Der Gesetzentwurf enthält aber auch Regelungen, die über die Umsetzung der europäischen Verordnung hi- nausgehen . Das BMJV hat die Gelegenheit genutzt, die Umsetzung der EU-Verordnung mit einem „Reparaturge- setz“ zu verbinden, um Klarstellungen und Ergänzungen vorzunehmen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung am 1 . Januar 2013 erforder- lich geworden sind . Die Halbwertzeit Ihrer Gesetze ist wirklich nicht sehr lang . Zu den Punkten, die in der Rechtspraxis sehr unter- schiedlich angewendet und von den Gerichten uneinheit- lich interpretiert wurden, zählt beispielsweise der Um- fang der Aufenthaltsermittlung durch Drittabfragen nach § 755 und § 802l ZPO und der Umfang der zu vollstre- ckenden Forderung . Hier soll der Gesetzentwurf nun klarstellen, dass nicht nur der Aufenthaltsort von natürlichen Personen ermit- telt werden darf, sondern auch der Sitz eines Unterneh- mens oder Gewerbetreibenden . Auch der Umfang der Forderungen wird präzisiert . Allerdings schütten Sie das Kind mit dem Bade aus, wenn Sie zugleich und in letzter Minute die Bagatellgrenze von 500 Euro streichen und außerdem regeln, dass der Gerichtsvollzieher in Zukunft die Daten eines Schuldners, die er in einem Verfahren erhoben hat, in einem weiteren Verfahren weiterverwen- den darf . Auch wenn Sie hier eine Grenze von drei Monaten vorsehen, wird das weder dem Datenschutz noch dem Schuldnerschutz gerecht . Auch der Deutsche Gerichts- vollzieherbund, DGVB, kritisiert diese Vermischung verschiedener Verfahren, vor allem deswegen, weil die Gefahr einer Verzögerung und höherer Kosten bestehe . Allerdings ist diese Regelung nicht nur aus prozessöko- nomischer Sicht zu kritisieren, sondern auch aus da- tenschutzrechtlichen Gründen . Denn auch im Zwangs- vollstreckungsverfahren gilt der datenschutzrechtliche Grundsatz der Erforderlichkeit, das heißt, dass nur die- jenigen personenbezogenen Daten verarbeitet werden dürfen, die für die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe benötigt werden . Es ist zwar richtig, dass Zwangsvoll- streckung effektiv und aus Sicht des Gläubigers kosten- günstig sein muss . Zwangsvollstreckung geschieht aber nicht um jeden Preis, und die datenschutzrechtlichen Be- lange des Schuldners müssen ausreichend berücksichtigt werden . Im Vollstreckungsverfahren ist Schuldnerschutz auch Datenschutz . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618994 (A) (C) (B) (D) Eine weitere Klarstellung des Gesetzentwurfs betrifft die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeich- nis durch das Amtsgericht . Diese Eintragung, die immer dann erfolgt, wenn der Schuldner eine Versicherung an Eides statt über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat oder wenn gegen ihn ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe dieser Versicherung erlassen worden ist, soll nun Teil des Vollstreckungsverfahrens werden: § 882c Abs . 1 ZPO-E . Diese Änderung wird an der Praxis der Eintragung nichts ändern . Sie hat ihren Grund im Kos- tenrecht, genauer: dem Gerichtsvollzieherkostengesetz . Es wird nun klargestellt, welche Gebühren der Ge- richtsvollzieher in Rechnung stellen darf, und das dient dazu, für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen . Das ist zu begrüßen, denn es fördert die Rechtssicher- heit, wenn der Gläubiger weiß, mit welchen Kosten er im Vollstreckungsverfahren zu rechnen hat, und diese Frage nicht von Gerichten in jedem Einzelfall geklärt werden muss . Warum allerdings das zentrale Vollstreckungsgericht nicht mehr von der Aufhebung der Eintragung unterrich- tet werden muss und damit auch hier der Schuldnerschutz eingeschränkt wird, erschließt sich nicht . Auch mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf soll die elektronische Kommunikation zwischen den Verfah- rensbeteiligten vorangetrieben werden . Vollstreckungs- auftrag und vollstreckbare Ausfertigung können zukünf- tig unter den in § 754a ZPO-E genannten Bedingungen elektronisch übermittelt werden . Hier, wie auch bei der Einführung des besonderen elektronischen Anwalts- postfachs, sind neben technischen und praktischen Be- denken auch noch eine Reihe rechtlicher Fragen offen, beispielsweise zu berufsrechtlichen Pflichten und zum Datenschutz . Wir finden es richtig, dass das Zwangsvollstreckungs- verfahren effektiv und kostengünstig ausgestaltet sein soll . Positiv ist auch zu bewerten, dass einige der gesetzli- chen Klarstellungen und Ergänzungen zu mehr Rechtssi- cherheit für die Gläubiger führen . Allerdings werden wir dem Gesetz nicht zustimmen . Die viel zu weitgehenden Regelungen zur Drittabfrage und Datenverwendung hal- ten wir für datenschutzrechtlich nicht haltbar . Außerdem haben wir Zweifel, dass dem Schuldnerschutz durch die vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausreichend Rechnung getragen wird . Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Klimaschutzverordnung (Tagesord- nungspunkt 31) Karsten Möring (CDU/CSU): Für die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und für mich persönlich ist der Klimaschutz ein zentrales Anliegen zur Bewahrung der Schöpfung auch für künftige Generationen . Ein nachhal- tiger, ressourcenschonender Umgang mit Natur, Umwelt und Klima bildet dabei eine der wichtigsten Eckpfeiler . Die heute vorgelegte Verordnung der Bundesregierung trägt diesem Ziel Rechnung . Um was geht es? Für einen aktiven Klimaschutz bei der Verwendung von klimarelevanten fluorierten Gasen in technischen Anwendungen hat die EU bereits 2006 eine Verordnung über bestimmte fluorierte Treibhausgase so- wie weiterführende Verordnungen mit Anforderungen an Personal und Betriebe erlassen . Warum? Weil Treibhaus- gase wie Kohlendioxid, Methan und die voll- und teil- halogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (FKW, H-FKW) die kurzwelligen Sonnenstrahlen ungehindert durch die Atmosphäre auf die Erdoberfläche treffen lassen, die sich dadurch erwärmt . Die von der Erde zurückgestrahlte Wärmeenergie (sogenannte terrestrische Strahlung) wird aber von den Treibhausgasen absorbiert . Es kommt zu einer zusätzlichen Erwärmung der Erdatmosphäre, dem sogenannten Treibhauseffekt, wenn die Konzentration dieser Treibhausgase in der Atmosphäre zu hoch ist bzw . steigt . Gerade die Fluorkohlenwasserstoffe verursachen je nach Substanz einen 100- bis 22 000-mal höheren Treibhauseffekt als Kohlendioxid . Sie spielen deshalb im Kyoto-Protokoll eine besondere Rolle . 2008 war es daher Ziel der nationalen Chemikali- en-Klimaschutzverordnung, durch Konkretisierungen der EU-Vorgaben und auf Basis des Kyoto-Protokolls die Emissionen dieser klimarelevanten fluorierten Treib- hausgase zu verringern. Sie regelt den Umgang mit fluo- rierten Treibhausgasen zum Beispiel bei bestimmten Tä- tigkeiten an Kälte- und Klimaanlagen, Wärmepumpen, Brandschutzsystemen, Hochspannungsschaltanlagen, Klimaanlagen in Kfz . Sie schreibt für diese Tätigkeiten einen Sachkundenachweis für das Personal und eine Zer- tifizierung für die Betriebe vor. Die Bundesregierung hat nun die Anforderungen für den Umgang mit und die Vermarktung von klima- schädlichen fluorierten Treibhausgasen mittels der heute vorliegenden Verordnung ergänzt, um die Chemikali- en-Klimaschutzverordnung an das geänderte EU-Recht anzupassen und darin enthaltene Regelungsaufträge zu erfüllen . Mir ist dabei wichtig festzuhalten: Bei den Änderun- gen handelt es sich um 1 : 1-Umsetzungen des EU-Rechts, die keinen über die Vorgaben der EU-Verordnung hinaus- gehenden Erfüllungsaufwand erzeugen! Für mich ist die ausgewogene Interessenabwägung zwischen Umweltbe- langen und Bürokratiekosten und damit der Praxisbezug unabdingbar: Dies erleichtert den notwendigen Vollzug der Vorschriften in Verwaltung und Wirtschaft und trägt zur Entbürokratisierung bei . Denn vergessen wir nicht: diese Chemikalien-Klimaschutzverordnung betrifft eine Vielzahl an Berufen der Kälte- und Klimahandwerke so- wie der Elektro- und Kfz-Handwerke . Bereits seit 2015 gilt als Bestandteil des europäischen Fahrplans für eine kohlenstoffarme Wirtschaft die neue EU-F-Gase-Verordnung. F steht für fluorierte Treibhaus- gase . Diese ersetzte die bisherige Verordnung von 2006 und enthält als wesentlich neues Element eine Reduk- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18995 (A) (C) (B) (D) tionsregelung für treibhausrelevante teilfluorierte Koh- lenwasserstoffe, kurz HFKW . Ziel ist unter anderem der Anreiz zur Verwendung von Alternativen anstelle von F-Gasen . Seither erteilt die Kommission jährlich Quo- ten für das Inverkehrbringen von HFKW, die bis 2030 stufenweise auf rund 20 Prozent der Ausgangsmenge gesenkt werden . Die Reduktionsregelung wird beglei- tet durch zeitlich gestaffelte Vermarktungsverbote für HFKW-basierte Einrichtungen, also zum Beispiel Kühl- und Gefriergeräte oder technische Aerosole . Gleichzei- tig erweitert die neue EU-Verordnung insbesondere das bestehende System der Dichtheitsanforderungen für HF- KW-haltige Einrichtungen sowie die Zertifizierungsan- forderungen für Personen und Betriebe, die mit solchen Stoffen umgehen . Die F-Gase-Verordnung erfasst nun weitere Sektoren, nämlich Transportkälte und Schaltan- lagen . Außerdem unterliegt ein erweitertes Tätigkeits- spektrum der Zertifizierungspflicht. Das zeigt: Die bisherigen Regelungen der Chemika- lien-Klimaschutzverordnung müssen im Wege der vor- liegenden Änderungsverordnung angepasst und konkre- tisiert werden, dafür aus Zeitgründen nur wenige kurze Beispiele: Mit der Verordnung werden unter anderem die nationa- len Verfahrensvorschriften zur Zertifizierung von Perso- nen um neu zertifizierungspflichtige Tätigkeiten ergänzt. Auch werden vor allem im EU-Recht geregelte Betrei- berpflichten sowie Kauf, Verkaufs- und Inverkehrbrin- gensverbote, die auf Zertifizierungsanforderungen Bezug nehmen, durch die Bundesregierung präzisiert . Die wei- tergehenden Regelungsinhalte des geltenden deutschen Rechts, insbesondere die Dichtheitsgrenzwerte für orts- feste Kälteanlagen und die Rücknahmeverpflichtung für Hersteller und Vertreiber, bleiben bestehen . Die Sachkundeanforderungen für Personen und Un- ternehmen werden gemäß den Änderungen des Uni- onsrechts erweitert . Da nunmehr der Kreis der von der EU-F-Gase-Verordnung erfassten Tätigkeiten gewachsen ist, fallen dementsprechend künftig Dichtheitskontrollen und die Installation, Wartung, Reparatur und Stilllegung von Kühllastkraftfahrzeugen und -anhängern sowie die entsprechenden Tätigkeiten an allen stationären elektri- schen Schaltanlagen unter die Chemikalien-Klimaschutz- verordnung . Die Strukturen zum Erwerb und Nachweis der Sachkunde bleiben dabei unverändert; zuständig für die Prüfung und die Bescheinigung der Sachkunde wer- den weiterhin die bewährten Kammern, Innungen sowie behördlich anerkannte Stellen sein, denen ich an dieser Stelle doch einmal herzlich für ihre wichtige Arbeit dan- ken möchte . Hervorzuheben ist die Einführung von Quoten, ohne die keine teilfluorierten Kohlenwasserstoffe auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht werden können . Indem die EU-Kommission den einzelnen Herstellern und Ein- führern Quoten für das Inverkehrbringen von teilfluorier- ten Kohlenwasserstoffen zuweist, soll die Menge dieser Gase allmählich verringert werden . Die Verordnungs- begründung stellt fest, dass einige der entsprechenden Regelungen der EU-F-Gase-Verordnung „nicht aus sich heraus vollziehbar“ und damit auch nicht sanktionierbar sind . Um dem abzuhelfen, enthält der Verordnungsent- wurf folgerichtig das Verbot, teilfluorierte Kohlenwasser- stoffe – wenn es keine nach der EU-F-Gase-Verordnung zugewiesene oder erworbene Quote gibt – in Verkehr zu bringen . Ein Verstoß soll als Straftat geahndet werden . Die heute vorliegende Änderung der Chemikali- en-Klimaschutzverordnung ist der letzte Schritt zur er- folgreichen Realisierung der Ziele der EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase in Deutschland. Ohne Bezugnahmen auf die nationalen Verfahren und Voraus- setzungen zum Erwerb solcher Zertifikate wären diese Verbote nicht implementierbar und damit nicht über die Blankettnormen des Chemikaliengesetzes sanktionier- bar . In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung für diese Verordnung . Frank Schwabe (SPD): Schon vor ein paar Stunden haben wir hier im Hohen Haus über den Schutz des Kli- mas debattiert – über die Ratifikation des Paris-Abkom- mens . Beim Klimaschutz denkt man zuallererst an die Reduktion von Kohlendioxid . Man darf aber die anderen klimawirksamen Gase nicht vergessen . Deshalb sind im Kioto-Protokoll neben Kohlendioxid auch andere Gase erwähnt, unter anderem auch die F-Gase, die fluorierten Treibhausgase . F-Gase haben eine viel höhere Klima- wirksamkeit als CO2 . Sie können 100- bis 24 000-mal klimaschädlicher sein als CO2 . Deshalb gibt es seit dem Jahr 2007 die Verordnung zum Schutz des Klimas vor Veränderungen durch den Eintrag bestimmter fluorierter Treibhausgase, kurz die Chemikalien-Klimaschutzver- ordnung . Sie regelt beispielsweise Maßnahmen zur Kon- trolle der Dichtheit an Kälteanlagen, bei der Wartung und Stilllegung einer Kälteanlage, sie regelt die Rückgewin- nung des Kältemittels und dessen Rücknahme durch den Hersteller . Zudem trifft die Verordnung Regelungen für die Qualifizierung des Wartungspersonals. Da sich EU-Recht geändert hat, müssen wir diese Ver- ordnung nun anpassen . Die neue F-Gas-Verordnung der EU gilt schon seit Januar 2015, sie ersetzte die bisherige Verordnung . Es war somit erforderlich, dass das deut- sche Recht an das geänderte EU-Recht angepasst wird . Bei den Änderungen handelt es sich um eine Eins-zu- eins-Umsetzung des EU-Rechts, die keinen Erfüllungs- aufwand erzeugen, der über die Vorgaben der EU-Ver- ordnung hinausgeht . Das Bundeskabinett hat diese Änderungen am 28 . Juni beschlossen, gestern haben wir schon im Um- weltausschuss darüber diskutiert . Diese Änderungen sind notwendig und sinnvoll und finden deswegen unsere Unterstützung . Änderungen erfolgen insbesondere bei den Anforderungen für den Erwerb von Sachkundebe- scheinigungen für Kälteanlagen, aber auch bei Regelun- gen für elektrische Schaltanlagen sowie im Bereich der Kühltransporte . Transportkälte und Schaltanlagen waren nicht in der alten EU-Verordnung aufgeführt und wurden nun neu aufgenommen. Auch die Zertifizierungspflicht wurde auf weitere Tätigkeiten ausgeweitet . Die Sach- kundebescheinigungen für Personen und Unternehmen wurden erweitert . Anforderungen an den sachkundigen Umgang mit diesen Stoffen sind wichtig, denn nur sehr gut geschulte Mitarbeiter können verhindern, dass diese hochklimawirksamen Treibhausgase entweichen . Und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618996 (A) (C) (B) (D) natürlich steht die Dichtheit technischer Anlagen im Vor- dergrund, um ein Entweichen der Gase zu verhindern . Als wesentliche Neuerung enthält die EU-Verordnung eine Reduktionsregelung für treibhausrelevante teilfluo- rierte Kohlenwasserstoffe . Seither erteilt die Kommissi- on jährlich Quoten für das Inverkehrbringen von HFKW, die bis 2030 stufenweise auf rund 20 Prozent der Aus- gangsmenge gesenkt werden . Die Reduktionsregelung wird begleitet durch zeitlich gestaffelte Vermarktungs- verbote für HFKW-basierte Einrichtungen . Um diese Ziele der EU zu erreichen, wird es notwendig sein, dass neue Technologien entwickelt werden, die ohne diese Stoffe auskommen . Da diese Verordnung im Umweltausschuss nicht strit- tig war, halte ich mich kurz . In der Klimapolitik gibt es gerade andere Schwerpunkte . Das ist vor allem die Er- reichung der in Paris beschlossenen Klimaziele . Hierfür brauchen wir einen klaren Fahrplan, der alle Sektoren umfasst . Nur so erreichen wir bis zum Jahr 2050 eine Wirtschaftsweise, die praktisch ohne den Ausstoß von Treibhausgasen auskommt . Hierfür müssen wir nicht nur – wie in der Chemikalienpolitik – ein paar Stoffe verbieten, sondern die ganze Wirtschaft klimafreundlich umbauen . Das dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern bringt auch ganz neue Chancen für neue Arbeitsplätze . Ralph Lenkert (DIE LINKE): Die Durchsetzung des europäischen Umweltrechts ist teilweise mit gewissen Defiziten behaftet. Manche Verantwortlichkeit ist nicht klar geregelt, die ausführende Ebene unklar, oder die Be- hörden sind schlicht personell und materiell nicht in der Lage, geltendes Recht zu überprüfen und durchzusetzen . Derartiges erleben wir derzeit Tag für Tag mit neuen Fa- cetten und Beteiligten beim Pkw-Abgasskandal . Zuerst wurden beim Kraftfahrtbundesamt die Gelder für eigene Überprüfungen eingespart, dann wurde auf Empfehlung der Autokonzerne die reale Abgasprüfung am Auspuff durch eine Überprüfung über Elektronik und in den Mo- toren verbaute Sensoren eingeführt, und damit war der Weg für Betrugssoftware frei . Jetzt streitet man, wer Schuld hat, und ändert Grenzwerte, statt durchzugreifen . Auch die Neuregelungen dieser Chemikalien-Klima- schutzverordnung zum Ersatz von stark klimaschädli- chen Fluorkohlenwasserstoffen in Kälteanlagen schaf- fen neue Kompetenzprobleme zwischen deutscher und EU-Ebene . So fallen im nationalen Recht beispielsweise die Durchführung der jährlichen Dichtheitskontrollen für Kälteanlagen in Kühllastkraftfahrzeugen und die entspre- chenden Aufzeichnungspflichten weg. Die Regelung im nationalen Recht sei mit Verweis auf die EU-Ebene näm- lich nicht mehr nötig, behauptet die Bundesregierung . Die EU-Verordnung verändert zwar nichts Wesentliches an Prüfungen, zu prüfenden Fahrzeugen und Anlagen; aber jetzt wird unklar, welche Behörde die Einhaltung der Verordnung überprüft und Verstöße ahndet . Die EU hat keine durchführenden Behörden in Deutschland, aber gemäß der Begründung der Verordnung wird der Erfül- lungsaufwand von Bundes- auf EU-Ebene verschoben . Die bisher tätigen Behörden erhalten somit keine Mittel mehr für diese Aufgabe; damit wird diese Aufgabe dort auch nicht mehr erledigt . Ob die Länderbehörden die Durchführung garantie- ren müssen, ist in der EU-Verordnung nicht eindeutig beschrieben. Wir befürchten, die Kontrollen finden dann nach Kassenlage, also eher nicht, statt . Es ist nur eine Frage der Zeit, bis windige Firmen diese Vollzugslücke erkennen und sich die Kosten für Wartung und Überprü- fung sparen . Das ist für die normalen Bürgerinnen und Bürger, die beim kleinsten Verstoß zur Kasse gebeten werden, nicht nachvollziehbar . Neben diesem Behördenkompetenzproblem gibt es weitere Defizite, nämlich bei der Bewertung derjenigen Stoffe, die als vermeintlich klimafreundliche Kältemittel die alten Fluorkohlenwasserstoffe ablösen sollen . Die Verordnung sieht zwar vor, dass zukünftig ad- äquate Berufsausbildungen Voraussetzungen sind, um mit den Anlagen, die Fluorkohlenwasserstoffe enthalten, zu arbeiten, und das finden wir richtig und wichtig. Aber die Linke fordert darüber hinausgehend, dass die Qualifi- kationsvorschriften für alle Kältemittel in allen Anlagen, auch in Pkw, gelten . Weiterhin ist zweifelhaft, ob die Risiken und Gefah- ren, die von einigen der neuen Kältemittel ausgehen, überhaupt beachtet werden und teilweise überhaupt aus- reichend bekannt sind . Klimaverträglichkeit ist nicht das einzige Umweltkriterium . Ich erinnere an das Kältemittel R1234yf, das ab kom- mendem Jahr verpflichtend in alle Pkw-Klimaanlagen von Neuwagen eingefüllt werden muss . Für dieses Käl- temittel existiert bis heute keine abschließende Risiko- bewertung nach REACH-Chemikalienverordnung – ei- gentlich dürfte es nicht verwendet werden, aber die EU drückt alle Hühneraugen zu . Es nützt nichts, Menschen zu schulen und für mehr Expertise beim Umgang mit Kühlaggregaten zu sorgen, wenn den Anwendern und den europäischen und deutschen Behörden das notwen- dige Wissen über die Gefahren der eingesetzten Stoffe, wie R1234yf fehlt . Dass beim Verbrennen von R1234yf außer ätzender Flusssäure auch Carbonyldifluorid, ein wie das Giftgas Phosgen wirkendes Gas, entsteht, wurde in offiziel- len Bewertungen nie ernsthaft diskutiert . Das Problem brachte erst eine unabhängige Forschung aus der Wissen- schaft ans Licht . Gleichwohl wissen wir aber, dass den Herstellern des Kältemittels dieser Sachverhalt durchaus bekannt war, denn sie erwähnten es im rechtlich ver- bindlichen Sicherheitsdatenblatt – aber verharmlosten in rechtlich nicht bindenden Erklärungen . Der Einsatz von R1234yf in Pkw und anderen Klimaanlagen hat das Po- tenzial zum nächsten großen Pkw-Skandal . Wenn das Recht im Umgang mit fluorierten Chlor- kohlenwasserstoffen also schon überarbeitet wird, dann gründlich . Und die Linke fordert eine bessere Umsetzung des EU-Chemikalienrechts . Aus unserer Sicht ist es not- wendig, unabhängige Risikobewertungen zu finanzie- ren und im Übrigen dafür zu sorgen, dass entsprechend dem europäischen Vorsorgeprinzip kein Stoff zugelassen wird, von dem neue Gefahren für Mensch und Natur aus- gehen können . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18997 (A) (C) (B) (D) R1234yf muss wieder aus den Pkws raus . Die Linke fordert, dass so schnell wie möglich die Alternative CO2 genutzt wird . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): An- gesichts des eingedampften Klimaschutzplans des Um- weltministeriums können wir ja froh sein, wenn der Begriff „Klima“ überhaupt noch im Regierungshandeln auftaucht. Wie wir alle wissen, finden fluorierte Treib- hausgase aufgrund ihrer schweren Entflammbarkeit als Kältemittel und in Brandschutzsystemen vielfach An- wendung. Zur Hybris gehört aber auch, dass fluorierte Treibhausgase wegen ihres hohen Treibhauspotenzials vom Kioto-Protokoll erfasst sind und somit dem globalen Regime zur Emissionsreduktion unterliegen . Offensicht- lich besteht Überarbeitungsbedarf hinsichtlich der beste- henden Chemikalien-Klimaschutzverordnung, der sich in erster Linie aus Änderungen der unionsrechtlichen Rahmenbedingungen ergibt, nämlich der Ablösung der bisherigen EG-F-Gas-Verordnung (EG) Nr . 842/2006 durch die Verordnung (EU) Nr . 517/2014 sowie der Novellierung entsprechender unionsrechtlicher Durch- führungsregelungen . Diese Änderungen erfordern zahl- reiche Anpassungen des nationalen Rechts, da einerseits nationale Regelungen nun EU-rechtlich getroffen wur- den, andererseits erweiterte EU-rechtliche Anforderun- gen zu berücksichtigen sind . Die so jetzt hier festgeschriebene Anpassung der Sachkundeanforderungen für Dichtheitskontrollen so- wie Installation, Wartung, Instandhaltung, Reparatur und Stilllegung von Kühllastkraftfahrzeugen und -anhängern sowie von allen elektrischen Schaltanlagen bzw . die Rückgewinnung der Treibhausgase aus allen stationären elektrischen Schaltanlagen ist somit sachgerecht und not- wendig . Hinzu kommen noch redaktionelle Anpassungen und Streichungen von nicht mehr nötigen Regelungen sowie einige sinnvolle Klarstellungen des Gesetzgebers . Klare gesetzliche Regelungen sind nur zu begrüßen . Da- her stimmen wir dem Verordnungsentwurf zu . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Hinter der eher unscheinbaren Überschrift „Verordnung zur Änderung der Chemikali- en-Klimaschutzverordnung“ verbirgt sich mehr als auf den ersten Blick erkennbar . Es geht dabei nicht etwa um den Schutz von Chemikalien vor dem Klimawandel, son- dern um einen Beitrag dazu, den Einsatz besonders kli- maschädlicher Chemikalien – der fluorierten Treibhaus- gase, auch F-Gase genannt – drastisch zu beschränken . Das Fundament für die Regelung der F-Gase wurde mit der Klimarahmenkonvention und dem Kioto-Proto- koll gelegt . Die EU hat hierzu 2006 eine Verordnung er- lassen, die insbesondere zum Ziel hatte, die Dichtigkeit von Anlagen, zum Beispiel Kälte- und Klimaanlagen, in denen diese Stoffe eingesetzt werden, sicherzustellen . Zur Flankierung wurde in Deutschland die Chemikali- en-Klimaschutzverordnung erlassen, die auch einige da- rüber hinausgehende Regelungen, insbesondere konkrete Leckagegrenzwerte, enthält . Die EU-Verordnung ist nun 2014 grundlegend verschärft worden . Unter anderem sieht sie jetzt ein Quotensytem für das Inverkehrbringen der besonders relevanten teilfluorierten Kohlenwasser- stoffe – HFKW – vor, das den Einsatz dieser Stoffe bis 2030 europaweit auf rund 1/5 reduzieren wird . Die Ände- rungen dieser Verordnung machen zugleich Änderungen unserer nationalen Verordnung erforderlich, die mit der heute zur Beschlussfassung anstehenden Änderungsver- ordnung rechtzeitig vor Ablauf der Übergangsfristen der EU-Verordnung ins Werk gesetzt werden sollen . Dabei war es uns auch wichtig, weitergehende Aspekte unserer Regelung beizubehalten, insbesondere die Leckagegren- zwerte, den Betreibern und Vollzugsbehörden konkrete Vorgaben für die zulässigen Emissionen beim Betrieb der Anlagen an die Hand geben, Regelungen, die sich dieser Funktion bewährt haben . Mit der EU- und der nationalen Verordnung ist der letzte Schritt hin zu einem weitestgehenden Verzicht auf den Einsatz fluorierter Treibhausgase noch nicht getan. Während zum Beispiel bei den Kältemitteln nichthalo- genierte, insbesondere auch die seit langem bekannten sogenannten natürlichen Kältemittel als nachhaltige Alternativen zur Verfügung stehen, gibt es Bereiche, in denen der Ersatz wesentlich schwieriger ist . Ich nenne hier nur den Einsatz von SF6 (Schwefelhexafluorid) in elektrischen Schaltanlagen . Hier lässt das USA in einem Forschungsprojekt Alternativen untersuchen . Auch das Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“ enthält Maßnah- men zur Verringerung der Emissionen der F-Gase . Nur zwei Stichworte: Verstetigung des Förderprogramms Kälte- und Klimaanlagen, Förderung der Aus- und Fort- bildung im Umgang mit nichthalogenierten Kältemitteln . Beide Maßnahmen sind auf den Weg gebracht . Lassen Sie mich noch kurz auf den internationalen Aspekt der F-Gas-Problematik eingehen . Im Novem- ber 2015 haben die Vertragsparteien des Montrealer Protokolls den „Dubai Pathway on HFCs“ mit dem Ziel beschlossen, in diesem Jahr einen Beschluss über die Aufnahme der bedeutendsten F-Gase, der schon er- wähnten HFKW – englisch: HFC – , in das Montrealer Protokoll zu erreichen . Verschiedene Veröffentlichungen sprechen davon, dass mit einer konsequenten Beschrän- kung der HFKW-Verwendung bis Ende des Jahrhunderts ein 0,4 bis 0,5°C entsprechender Beitrag zum Global Warming vermieden werden könnte . Gerade vor weni- gen Stunden hat in New York am Rande der UN-Voll- versammlung eine Koalition ambitionierter Staaten die „New York Declaration of the Coalition for an Ambiti- ous HFC Amendment“ abgegeben und damit den Willen bekräftigt, beim Treffen des Montrealer Protokolls im nächsten Monat in Kigali einen bedeutenden Beitrag zum Paris-Abkommen zu leisten . Wir sind uns sicher alle darin einig, dass wir den Ver- handelnden in Kigali viel Erfolg wünschen . Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201618998 (A) (C) (B) (D) Deutsch-indische Bildungs- und Wissenschafts- kooperation ausbauen (Tagesordnungspunkt 32) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Indien sind – wer Berich- te verfolgt oder schon einmal dort war, kann das sicher unterstreichen – zwei Länder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten . Auf der einen Seite Deutschland, ein Staat im soge- nannten „alten Europa“ mit langer industrieller Tradition, einer in der christlichen Soziallehre verwurzelten Arbeits- ethik, sozialer Marktwirtschaft, einer steten Entwicklung hin zur technologischen Weltspitze, sowohl in Forschung und Entwicklung als auch im Export, und wirtschaftlich führendes Mitglied der Europäischen Union . Auf der anderen Seite Indien, noch bis Ende der 1940er-Jahre unter britischer Kolonialherrschaft, ein Land so groß wie ein Kontinent mit über 1,2 Milliarden Einwohnern, einem in vielen Teilen der Gesellschaft noch fortbestehenden Kastensystem, einem alten und unschätzbar reichen kulturellen Erbe, einer vom Hindu- ismus und vom Islam geprägten Bevölkerung mit teils tiefen ethnisch-religiösen Konflikten und einem Anteil von 44 Prozent der Inder, die von weniger als 1 Dollar am Tag leben müssen . Unterhalb dieser augenfälligen Differenzen verbirgt sich jedoch, dass beide Staaten auch sehr vieles mit- einander verbindet: ein rasanter wirtschaftlicher und technologischer Aufstieg – in Deutschland nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges, in Indien nach einer langen Phase politischer Unselbstständigkeit und kolo- nialer Ausbeutung –, die Entwicklung vom politischen Leichtgewicht zu verantwortungsvollen und verantwor- tungsbewussten führenden Akteuren im internationalen politischen Geschehen, der Struktur- und Bewusstseins- wandel weg von einer durch Schwerindustrie und den Abbau von Bodenschätzen geprägten Wirtschaft hin zu einer hochtechnisierten Wissensgesellschaft und den da- mit einhergehenden Veränderungsprozessen in puncto nachgefragter Qualifikationen und vorherrschender Bil- dungswege . Mit den beiden Initiativen „Make it in Germany“ und „Make in India“ kommt diese Vergleichbarkeit der deut- schen und der indischen Position sehr offensichtlich zum Tragen . Beide Staaten haben erkannt, dass Wissen, eine Höherqualifizierung der Bevölkerung, technologieinten- sive Arbeitsplätze in Produktion und Dienstleistung und eine Entwicklung hin zur Digitalisierung fast sämtlicher Lebensbereiche nicht nur ein Trend sind, dem man fol- gen kann oder sollte, sondern eine Notwendigkeit, deren Bedingungen man aktiv politisch mitgestalten muss, um nicht von ihnen überrollt zu werden und später einer Ent- wicklung hinterherzulaufen . Während die deutsche Kampagne allerdings darauf abzielt, qualifizierten jungen Menschen aus aller Welt die Möglichkeiten und Vorzüge des deutschen Ausbil- dungs- und Studiensystems näherzubringen und sie als Fachkräfte für deutsche Unternehmen an den Standort Deutschland zu holen, zielt die indische Kampagne viel stärker darauf ab, die eigenen reichen Potenziale zu för- dern . Es sollen Investitionen und Innovationen gefördert, Qualifikationen verbessert, der Schutz geistigen Eigen- tums durchgesetzt und eine erstklassige Produktionsinf- rastruktur bereitgestellt werden – kurz: all das, was es in Deutschland schon gibt . Daher ist es nur richtig und sinnvoll, wenn unsere bei- den Staaten zusammenarbeiten, gemeinsam forschen, un- sere Unternehmen miteinander in Kontakt bringen, wenn wir unsere Erfahrung im Bereich dualer Ausbildung ex- portieren und anders herum von den großen Fähigkeiten der indischen Fachkräfte im Bereich der IKT lernen . Damit stoßen wir Kooperation in der Spitze und in der Breite an . Grundlagenforschung hilft, Krankheiten zu be- kämpfen, die Ernährungsgrundlagen zu verbessern, die Umwelt zu schützen und die Entwicklung neuer Produk- tionstechniken in Indien wie hierzulande voranzutreiben . Eine Verbreiterung der Fachkräftebasis durch den Auf- bau einer beruflichen Bildungsstruktur hilft, die Einkom- menschancen der großen Mehrheit der Bevölkerung in Indien zu verbessern und die technischen Neuerungen in die Praxis umzusetzen . Denn hier wie dort kann der Kopf ohne die Hand nicht viel bewegen . Indien hat viele Hände – mit dem vorliegenden Antrag ergreifen wir sie, um sie gemeinsam zum Besseren zu benutzen . Ich bitte Sie daher auch um Ihre Hände und ein Signal der Zustim- mung zu unserem Antrag . Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Indien macht bei uns in jüngster Zeit im Zusammenhang mit Wissenschaft und Technik verstärkt von sich reden . Erst vor wenigen Tagen, am 8 . September 2016, hat die indische Raum- fahrtbehörde ISRO eine neue Trägerrakete samt Wetter- satellit erfolgreich ins All geschickt . Die dabei eingesetz- te Technologie, für die zwei Jahrzehnte Entwicklungszeit benötigt wurden, soll im kommenden Jahr auch bei der geplanten Mondmission zum Einsatz kommen . Und hät- ten Sie es gewusst? Der beste ausländische Student in Deutschland kommt in diesem Jahr – richtig – aus In- dien . Die Auszeichnung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ging am 27 . August 2016 an den aus Kalkutta stammenden Sayantan Chattopadhyay . Kein Chinese, kein US-Amerikaner, nein, ein Inder wurde also in diesem Jahr für seine hervorragenden Studienleis- tungen und sein gesellschaftliches bzw . interkulturelles Engagement geehrt . Ganz nebenbei: Sein MBA-Studium in Leipzig wurde erfreulicherweise durch das Deutsch- landstipendium unterstützt . Zugegeben, auf den ersten Blick wird das Ansinnen des vorliegenden Antrags zum Ausbau der deutsch-in- dischen Bildungs- und Wissenschaftskooperation den einen oder anderen überraschen, spielte doch Indien auf der internationalen Wissenschaftsbühne bisher eher eine unbedeutende Rolle . Aber das wird sich in den kommen- den zehn Jahren wohl grundlegend ändern . Indien wird dann, so die einhellige Expertenmeinung, zu den fünf erfolgreichsten Wissenschaftsnationen gehören . Erstes Anzeichen für diese Entwicklung dürfte die – nach Jah- ren eher schwachen Wirtschaftswachstums – seit 2014 an Fahrt aufnehmende wirtschaftliche Entwicklung in Indien sein . Parallel dazu startete die indische Regierung eine große Wissenschafts- und Bildungsoffensive, um Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 18999 (A) (C) (B) (D) den Herausforderungen der Zukunft – sei es im Bereich der Armutsbekämpfung oder zur Lösung des Energie- und Ernährungsproblems – zu begegnen . Indien hat sich als künftige Supermacht des Wissens für uns utopisch klingende Ziele gesetzt . Die Zahl der Universitäten bei- spielsweise soll von knapp 400 auf 1 500 steigen . Schon heute gibt es mehr als 14 Millionen Studierende in die- sem Land . Und bis zum Jahr 2025 wird sich die Zahl der jährlichen Schulabgänger von heute 13 Millionen auf etwa 30 Millionen steigern . Da ist es dann doch nahe- liegend, dass die deutsche Bundesregierung seit Jahren als zuverlässiger Partner an der Seite Indiens steht und insbesondere im Bereich von Bildung und Wissenschaft eine Intensivierung der Kooperation verfolgt . So wurden einige wichtige Vereinbarungen getroffen, zum Beispiel zur Intensivierung der Kooperation zwischen Hochschu- len aus beiden Ländern oder zu Verlängerung und Aus- bau des Indo-German Science and Technology Centre, IGSTC, in Gurgaon . Und es ist nur folgerichtig, dass sich auch der Deutsche Bundestag mit dem heute zur Abstim- mung stehenden Antrag „Deutsch-indische Bildungs- und Wissenschaftskooperation ausbauen“ befasst und die Bundesregierung ermutigt, auf dem bereits eingeschlage- nen Weg weiter voranzuschreiten . Als ich im vergangenen Jahr im Rahmen unserer De- legationsreise nach fast zwei Jahrzehnten wieder in Indi- en war, habe ich ein Land der Extreme vorgefunden . Auf der einen Seite Hightech auf Weltniveau in einer Stadt wie Bangalore, auf der anderen Seite Armut und Dritte Welt . Wir mussten erfahren, dass Indien – mit Abstand – die absolut größte Zahl armer Menschen weltweit hat . 800 Millionen Menschen leben von unter zwei US-Dol- lar und 450 Millionen von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag – mehr Menschen als in Gesamt-Subsahara-Afri- ka . Andererseits beheimatet Indien weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre . Gleichzeitig wurde uns Delegationsteilnehmern ein- drucksvoll vergegenwärtigt, welch großes Potenzial, aber auch welch gigantische Herausforderungen in die- sem Land stecken . Weniger als 5 Prozent aller dem Ar- beitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen verfügen nach Regierungsangaben über eine berufliche Qualifika- tion . Für die jährlich fast 13 Millionen jungen Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, gibt es bisher lediglich rund 4,5 Millionen Ausbildungsangebote, zu- meist von äußerst geringer Qualität . Es gibt bis heute kei- ne Schulpflicht in Indien, was die extrem hohe Zahl von Analphabeten erklärt . Etwa ein Drittel der erwachsenen Inder kann nicht lesen und schreiben . Auch vor diesem Hintergrund bieten sich für den Ausbau der Zusammenarbeit zahlreiche Ansatzpunkte, die in unserem Antrag sehr umfassend beschrieben wer- den . Insbesondere im Bereich der Forschung sind die Beziehungen zu Indien bereits heute besonders eng . Für Indien ist Deutschland weltweit der zweitwichtigste Forschungspartner hinter den USA . Die indische Wissen- schaft genießt auch in Deutschland einen sehr guten Ruf, vor allem in der bereits erwähnten Raumfahrt, aber auch in der Informations- und in der Biotechnologie . Und ge- rade in diesem Bereich spürt auch Indien den weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe . Hier nur eine beein- druckende, aber in gewisser Weise auch erschreckende Zahl: Jeder vierte Cheftechnologe im kalifornischen Si- licon Valley ist ein Inder . Das Thema Brain Drain ist für Indien also besonders real . Hier kann das Land ja viel- leicht auch unsere Erfahrungen – beispielsweise mit der GAIN-Jahrestagung, die erst vor kurzem in Washington stattfand – nutzen . Ich bin mir sicher: Das Themengebiet ist beinahe un- erschöpflich und vor allem im beiderseitigen Nutzen – für Indien ebenso wie für Deutschland . Das soll unser gemeinsamer Antrag verdeutlichen . Dr. Simone Raatz (SPD): Ich freue mich sehr, dass wir uns heute noch einmal mit dem Ausbau der Deutsch-indischen Bildungs- und Wissenschaftskoope- ration beschäftigen . Aus zwei Gründen ist dies sehr zu begrüßen: zum einen, weil es sich dabei um einen ge- meinsamen Antrag aus drei Fraktionen handelt . Dies zeigt doch, wie konstruktiv im Bundestag an Sachthemen gearbeitet wird! Allen Beteiligten möchte ich daher noch einmal herzlich für die wertvollen von Ihnen geleisteten Beiträge danken . Begrüßenswert ist aber zum anderen auch die Auf- merksamkeit, die wir mit unserem Antrag der internatio- nalen Zusammenarbeit in Zukunftsfragen widmen . Denn ein Antrag zu Kooperationen im Bildungs- und Wissen- schaftsbereich ist immer eine stark auf die Zukunft aus- gerichtete Angelegenheit . Lassen Sie uns aber zunächst noch einmal über die Gegenwart sprechen . Indien ist, wie Sie alle wissen, das zweitbevölkerungsreichste Land und die größte Demo- kratie, und es ist einer unserer wichtigsten Partner in Asien . Auf der Delegationsreise, aus der dieser Antrag erwachsen ist, konnten wir uns selbst davon überzeugen, wie viel das Land unternimmt, um die Herausforderung seiner Bevölkerungsentwicklung zu meistern . Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, sind diese gerade im Bildungsbereich sehr groß . Gleichzeitig bieten Bildung und Forschung dem Land enorme Chancen . Deutschland unterstützt Indien daher bereits heute sehr bei seinen Bemühungen um Bildungsexpansion . Auch davon konnten wir uns selbst überzeugen, und in unserem Antrag nennen wir ja auch Beispiele dafür: Das Indo-German Science and Technology Centre etwa oder die vom Auswärtigen Amt unterstützten Sprachinitiativen PASCH und „Deutsch an 1 000 Schulen“ . Auch das Bun- desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützen das Land mit umfangreichen Projekten und gemeinsamen Partnerschaftsprogrammen . Eine zentrale Rolle spielt dabei unter anderem die Wei- terentwicklung des Bildungswesens gerade im Bereich der beruflichen Bildung. Hier ist Deutschland enorm er- folgreich – dazu hat die OECD erst jüngst Zahlen veröf- fentlicht – und hat dementsprechend eine wichtige Vor- bildwirkung . All diese Projekte müssen, wie in unserem Antrag in den Punkten 7 bis 11 gefordert, fortgeführt und wo nötig auf sichere finanzielle Beine gestellt werden. Aber auch im Wissenschaftsbereich ist Deutschland ein sehr wichtiger Partner für Indien; um genau zu sein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619000 (A) (C) (B) (D) inzwischen sogar der zweitwichtigste direkt nach den USA . Es lernen heute fast 12 000 indische Studierende an deutschen Hochschulen . Seit letztem Jahr ist Indien damit auf Platz zwei der Herkunftsländer ausländischer Studierender in Deutschland, nach China, aber vor lang- jährigen Austauschpartnern und Nachbarländern wie Russland, Österreich oder Frankreich . Und das ist wirk- lich eine jüngere Entwicklung: Vor zehn Jahren war Indi- en noch auf Platz 14 der Statistik! Viel zu oft sprechen wir im Kontext von Schwellen- ländern wie Indien lediglich von Entwicklungshilfe . Bei allen Herausforderungen, die unser Partner zu meistern hat, ruft unser Antrag nun zu einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe und zum gegenseitigen Vorteil auf . An dieser Stelle gilt es, festzuhalten, dass wir es sind, die beim Austausch von Studierenden und Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftlern hinterherhinken, und das ordentlich . Wenn Sie sich die regelmäßig vom Statistischen Bun- desamt herausgegebene Statistik der Zielländer deut- scher Studierender einmal ansehen, werden Sie feststel- len, dass Indien darin überhaupt nicht vorkommt . Laut Zahlen des DAAD waren im letzten Jahr nicht mehr als 800 deutsche Studierende und Forscher in Indien, und davon nur eine Handvoll länger als sechs Monate . Sie sehen also, wie wichtig es ist, wie in den Punkten 1 bis 3 formuliert, den deutsch-indischen Studierenden- und Wissenschaftleraustausch zu intensivieren . Aber auch inhaltlich gibt es große Unterschiede: Während wir in erster Linie Geistes- und Sozialwissen- schaftler nach Indien schicken, konzentrieren sich unsere Gäste auf den MINT-Bereich . Indien ist im Masterbe- reich durchgängig unter den Top 2 der Auslandsstudie- renden in den Fächern Elektrotechnik, Maschinenbau, Ingenieurwesen und Informatik . Und auch die indischen Doktorandinnen und Doktoranden promovieren bei uns vorzugsweise in Biologie, Chemie oder eben Informatik . Wir wollen diese Tatsachen positiv nutzen . Denn in diesen Fächern haben wir ja nicht nur ein hohes Renom- mee, sondern auch einen sehr hohen Bedarf an Fachkräf- ten . Bereits bei der ersten Aussprache zum vorliegenden Antrag habe ich Ihnen von den über 200 deutschen Un- ternehmen berichtet, die in Indien Niederlassungen mit Tausenden Mitarbeitern im IT-Bereich haben . Der Bran- chenverband der Informationswirtschaft hat vor etwa einem Jahr vermeldet, dass aktuell allein in Deutsch- land etwa 43 000 IT-Spezialisten gesucht werden . Wahr- scheinlich wird bald ein neuer Negativrekord aufgestellt, denn in den vergangenen Jahren ist diese Zahl immer weiter gestiegen . Es ist doch klar, dass im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung auch der Bedarf an Fach- kräften in diesem Bereich zunimmt . Den in Deutschland gesuchten Spezialisten stehen ei- nerseits 85 000 Informatikstudierende gegenüber . Jähr- lich beenden jedoch nur etwas mehr als 8 500 davon ihr Studium. Selbst wenn man spezifische Fächergruppen wie die Ingenieurinformatik, die Wirtschaftsinformatik und ähnliche dazu nimmt, kommen wir auf weit unter 20 000 Absolventinnen und Absolventen, und dabei sind dann auch schon die Bachelorabsolventen mitgezählt, die sich teilweise im Anschluss an ihr Studium noch mit dem Master weiterbilden werden . Auch ein wichtiges Ziel ist daher die Senkung der zu hohen Studienabbrecherquoten genau in dieser Gruppe . Lassen Sie uns also auch vor diesem Hintergrund mit unserem Antrag die Bildungs- und Forschungszusam- menarbeit mit Indien ausbauen . Es geht dabei um ge- genseitigen interkulturellen Austausch . Es geht um eine Erweiterung der Horizonte . Es geht aber genauso um ge- meinsame Anstrengungen für eine gute Zukunft . Beide Seiten werden davon gesellschaftlich, sozial und auch wirtschaftlich profitieren! Azize Tank (DIE LINKE): Die Linke unterstützt eine Vertiefung des internationalen Austauschs in Wissen- schaft, Forschung und dem schulischen Bereich . Dies stärkt die Demokratisierung der Wissenschaft, fördert innovatives Denken und Fortschritt, ermöglicht die zwi- schenmenschliche Begegnung und den Abbau von Vor- urteilen . Bildung schafft Räume für kritisches Denken . Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass Maßnahmen zur Berufsbildung in Indien gefördert werden sollen . Die im Antrag enthaltene unverhohlene Zweckdienlich- keit lehnen wir jedoch ab . Dem vorliegenden Antrag der Regierungskoalition zum Ausbau der deutsch-indischen Bildungs- und Wissenschaftskooperation können wir aus diesen Gründen nicht zustimmen, und deswegen enthält sich die Linke bei diesem Antrag . Wir fordern die Bun- desregierung zu Korrekturen und einem Umdenken im Bereich der Förderung von internationalen Bildungs- maßnahmen insbesondere in Indien auf, damit eine so- ziale Teilhabe für alle ermöglicht wird . Jede Diskussion über die Förderung des Austausches von Hochqualifi- zierten muss vor dem Hintergrund der sozioökonomi- schen Verhältnisse des Herkunftslandes und der Rolle, welche diesen Menschen in der globalen Arbeitsteilung zugeschrieben wird, geführt werden . Natürlich können Auswanderer und Auswanderinnen auch einen positiven Beitrag zur Entwicklung ihrer Her- kunftsländer leisten . Die Linke unterstützt grundsätzlich das Recht aller Menschen auf Bewegungsfreiheit . In die- sem Zusammenhang ist es aber notwendig, dass auch In- dien tatsächlich von einem solchen Austausch profitiert. Die Bundesregierung folgt jedoch bislang einer sehr ein- seitigen Logik . Alles, was gut für deutsche Investitionen in Indien ist, sei gut, alles, was zur Ausbildung von Fach- kräften in Indien führt, die der deutschen Industrie dienen könnten, ebenfalls . Doch wo ist die Perspektive Indiens bei diesen Investitionen und diesen Bildungsmaßnah- men? Entspricht dies den Erwartungen der von Bildung ausgeschlossenen Menschen in Indien? Wer in die Bil- dung in Indien investieren will, der muss die dortigen so- zialen Kämpfe und Debatten der Studierenden und vieler Lehrkräfte zur Kenntnis nehmen, wie sie auch zuletzt am St . Stephen’s College in Delhi insbesondere von den Da- lit geführt und entschieden vorangebracht wurden . Es geht dabei nicht um neue Bildungsmethoden oder ein duales Bildungssystem, sondern immer um eines: Inklusion in das Bildungssystem . Wer die deutsch-indi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19001 (A) (C) (B) (D) sche Bildungs- und Wissenschaftskooperation wirklich voranbringen will, der kann dies nicht ignorieren . Inklu- sion, die Möglichkeit einer beruflichen Ausbildung, be- deutet für Millionen von Menschen in Indien vor allem gesellschaftliche Teilhabe, sozialer Aufstieg und wirt- schaftliche Mobilität . Wer in diesen Prozess mit eigenen Maßnahmen eingreifen will, der muss mögliche soziale Auswirkungen mitbedenken . Wir können solange nicht über Qualität in der Bildung sprechen, solange diese Bil- dung nicht auch mit sozialer Gerechtigkeit einhergeht . Soziale Gerechtigkeit darf dabei nicht für eine bestimmte Elite, soziale Klasse, Kaste oder ein Geschlecht reser- viert sein . Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, ihre bisherigen Fördermaßnahmen in diesem Bereich zu evaluieren und auf die sozialen Auswirkungen hin zu hinterfragen, wo gegebenenfalls gegenzusteuern ist . Das Gleiche gilt für die im vorliegenden Antrag vorgeschla- genen Maßnahmen . Wissenschaftlicher Austausch ist gut – soziale Gerechtigkeit ist besser . Das Abwandern hochqualifizierter Menschen ist oft die Folge einer ungerechten Entwicklung, die wei- te Teile der Gesellschaft verurteilt, in Armut zu leben, ohne Zugang zur Arbeit und sozialen Menschenrechten, ausgeschlossen von gesellschaftlicher Teilhabe . In die- ser Perspektive erscheint die Freiheit der einen oft nur als auf einen bestimmten gesellschaftlichen Schichten auferlegter Zwang zur Migration, da im Herkunftsland keine alternativen Möglichkeiten bereitgestellt werden, um ihre persönlichen Lebensentwürfe zu verwirklichen . Vergessen wir auch nicht, dass menschliche Ressourcen eines Herkunftslandes begrenzt sind . Das gilt nicht nur für Indien, sondern auch für viele Gesellschaften der EU-Mitgliedstaaten in Ost- und Südeuropa . Wer die so- zioökonomischen Bedingungen in einem Land wie Indi- en ignoriert und Bildungscurricula aus anderen Ländern importiert und zu universalisieren versucht, der muss sich der inhärenten gesellschaftlichen Gewalt, die dieser Uniformierung inne ist, bewusst sein . Die weitgehende Verschulung der universitären Bil- dung, Patriarchalismus und autoritäres Erziehen, das im- mer noch weit verbreitete Auswendiglernen, welche als Altlast zwischen kolonialer Bildung und postkolonialen Formen der Wissensvermittlung weit verankert ist, muss sich auch in den Ansätzen widerspiegeln, welche Maß- nahmen der Berufsbildung zugrunde liegen . Unlängst wird von Forschern kritisiert, dass sich eine nationalis- tisch gesinnte hinduistische Mittelschicht auf der einen und Unterklassen und Minderheiten auf der anderen Seite gespalten haben . Dieser Prozess darf durch Brain Drain und Body Shopping nicht weiter verstärkt wer- den . Deshalb kann die deutsch-indische Bildungs- und Wissenschaftskooperation nicht auf die Nutzbarkeit von Arbeitskräften in der globalen Arbeitsteilung reduziert werden, sondern muss Maßnahmen zur Stärkung der ge- sellschaftlichen Diversität enthalten, die den Zugang zu einer Förderung durch Inklusion von Ausgeschlossenen demokratisiert . Es muss eine Förderung inklusiver Bil- dungsprojekte in Indien geben . Natürlich ist die Entwicklung Indiens als Schwellen- land mit der am zweitschnellsten wachsenden Wirtschaft beachtlich . Doch es muss die Frage erlaubt sein, wel- chen Einfluss dieser Wirtschaftsaufschwung tatsächlich auf die Hebung der Lebensqualität für alle Menschen in Indien hat? Es muss danach gefragt werden, inwiefern das globale Body Shopping, wie es ausgewiesene Wis- senschaftlerinnen längst in Indien festgestellt haben, weit mehr als zur Entwicklung des Landes auch zu der Verfestigung der sozialen Spaltung in Indien beiträgt, in dem bestimmte gesellschaftliche Schichten als Eliten gefördert und andere wiederum ausgegrenzt und an der Fortentwicklung ihrer menschlichen Fähigkeiten ge- hindert werden . Der globale wirtschaftliche Austausch und die Produktion werden durch konkrete menschliche Beziehung der Arbeitswelt hergestellt . Dieser globalen Arbeitsteilung liegen Strukturen zugrunde, welche den Menschen in bestimmten Regionen bestimmte Funkti- onen und Rollen in diesem Prozess zuschreiben . Aber warum sind es gerade die indischen Facharbeiter, die für diese Arbeitsteilung so entscheidend sind? Hinter dem indischen IT-Wunder steht auch die Tatsache, dass es um hohe Qualifikationen geht, niedrige Löhne und ein großes Reservoir an Arbeitskräften . Dies ist das Rezept des ho- hen Mehrwerts für die kapitalistische Wirtschaft, die die indische Gesellschaft bezahlt . Die große Disparität lässt sich in dem Nutzen der indischen Arbeitskräfte für die IT-Branche und dem üblichen Lohn der globalen Märk- te messen . Ethnisierung, soziale Spaltung, Geschlecht und Hautfarbe sind Faktoren dieser Arbeitsteilung und zugleich das Fundament der Spezialisierung Indiens auf die Ausbildung hochqualifizierter und zugleich billiger Arbeitskräfte für den Weltmarkt . Betrachtet man die Liste mit den zu fördernden Projek- ten, findet sich dort keines wieder, welches sich mit dem großen Entwicklungsbedarf in Indien selbst beschäftigt . Stattdessen findet eine Eliteförderung statt. Ein Beispiel dafür ist die unter Ziffer 15 des Antrags angedachte För- derung der Partnerschulinitiative PASCH, die eben nur ausgewählte Schulen teilhaben lässt . Eine Auswahl ist eine Selektion und spricht gegen die Möglichkeit, dass alle von diesem Bildungsprojekt profitieren können. Ins- besondere finden wir hier keine Gedanken zu der Teilha- be an Bildung als Sozialem Menschenrecht, welches in Indien gestärkt werden sollte . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der internationale Austausch in der Wissenschaft ist eine wichtige Triebfeder für gesellschaftlichen Fortschritt . Deutschland unterhält mit vielen Ländern gute wissen- schaftliche Beziehungen – diejenigen mit Indien liegen uns besonders am Herzen; denn die Voraussetzungen, mit der größten Demokratie weltweit in der Wissenschafts- und Bildungspolitik auf Augenhöhe zu kooperieren, sind deutlich besser als mit Staaten, in denen Wissenschafts- freiheit sowie Meinungs- und Pressefreiheit unter Druck stehen oder unterdrückt werden . Das Interesse an mehr Kooperation in Bildung und Forschung ist riesengroß . Das machen uns unsere indi- schen Gesprächspartner der letzten Monate und Jahre immer wieder deutlich – und das beruht auf Gegenseitig- keit . Wir wollen diesen vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe fortsetzen und weiter intensivieren . Es war gut, dass wir als grüne Bundestagsfraktion gemeinsam Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619002 (A) (C) (B) (D) mit Union und SPD diesen Antrag und konkrete Schritte für mehr Kooperation in Bildung, Wissenschaft und For- schung auf den Weg gebracht haben . Deutschland möchte ein verlässlicher Partner Indiens sein . Unsere gemeinsamen Forderungen müssen nun im Haushalt 2017 ihren Niederschlag finden. Das ist bisher nicht der Fall, und das macht mir Sorgen . Ich erwarte von Union und SPD, dass wir den gemeinsamen interfraktio- nellen Antrag auch umsetzen: angefangen von der besse- ren räumlichen Ausstattung der Deutschen Schule New Delhi, der nachhaltigen Finanzierung des Deutschen Innovationshauses in Neu Delhi bis hin zu einem inten- siveren Austausch von deutschen und indischen Studie- renden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern . Unseren Worten müssen jetzt Taten im Haushaltsverfah- ren folgen . Nicht vergessen sollten wir die Unterstützung der Geisteswissenschaften . Der weitere Ausbau des deutsch-indischen „Maria Sibylla Merian – R . Tagore In- ternational Centre for Advanced Studies in the Humani- ties and Social Sciences“ ist sinnvoll und muss erfolgen . Dieses Zentrum ermöglicht interdisziplinären Austausch und bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Ländern zusammen . Wir brauchen nicht nur Austausch und Zusammenarbeit für Hightech- und Spitzenforschung, sondern müssen auch soziale Innovationen und geisteswissenschaftliche Diskurse vo- ranbringen . Innovation ist keine reine Frage der Technik oder na- turwissenschaftlicher Gesetze . Die großen Herausfor- derungen kennen keine Grenzen zwischen den Wissen- schaftsdisziplinen, sondern erfordern interdisziplinäre Brückenschläge . Die Menschen wollen mitgenommen werden in die „neue Welt“ . Darum sind geisteswissen- schaftliche Perspektiven so wichtig, um Innovations- und Wandlungsprozesse zu gestalten . Das sollte in Zukunft ein Punkt sein, der noch stärker in der deutschen Außen- wissenschaftspolitik beachtet werden muss . Wir wollen Indien bei seinen großen Herausforderun- gen unterstützen, wie zum Beispiel im Bereich der er- neuerbaren Energien und der Energiewende heraus aus fossilen und nuklearen Techniken . Über 300 Millionen Menschen in Indien haben keinen zuverlässigen Zugang zu Strom . Das wäre so, als wenn in den gesamten USA das Licht ausginge . Gegen die Energiearmut setzt Indi- en leider vor allem auf Kohle- und Atomkraft – obwohl das mehr Smog und Treibhausgase sowie Sicherheitsri- siken und ungelöste Endlagerung nach sich zieht . Umso erfreulicher ist, dass die indische Regierung zunehmend auf erneuerbare Energien setzt . Deutschland hat bereits einen bedeutenden Anteil an erneuerbaren . Unsere Erfah- rungen mit der Energiewende und mit verantwortlicher Energieforschung teilen wir gerne . Eine weitere Herausforderung sind neue Jobs . Pro Jahr kommen 12 bis 13 Millionen Jugendliche zusätzlich auf den indischen Arbeitsmarkt . Um sie unterzubringen, kann das duale System unserer Berufsausbildung mit sei- ner Verknüpfung aus Theorie und Praxis einen Beitrag leisten – zumal es in Indien viele kleinste, kleine und mittlere Unternehmen gibt . Hierbei bringen wir, dem Wunsch der indischen Seite folgend, unsere Erfahrungen gerne weiter ein . Erfreulich ist, dass sich der deutsch-indische Aus- tausch von Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern deutlich erweitert hat . Unter den internationalen Studierenden in Deutschland stellen In- derinnen und Inder die drittgrößte Gruppe . Wir sollten uns aber auch dafür einsetzen, dass mehr deutsche Stu- dierende den Weg nach Indien gehen . Schon jetzt sind zahlreiche Hochschulen sowie außer- universitäre Forschungseinrichtungen in Indien aktiv . Das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus in Neu-Delhi, in dem alle großen deutschen Wissenschafts- organisationen vertreten sind, ist eine sehr wichtige Ad- resse für den Austausch, dessen Finanzierung wir auch künftig sicherstellen wollen . Danke für diese Arbeit und auch an das Wirken der politischen Stiftungen! Sie zu- sammen machen eine hervorragende Arbeit als Flagg- schiffe deutscher Außenwissenschaftspolitik und Wis- senschaftsdiplomatie . Sie prägen zwischen Bengaluru und Delhi das Bild von Deutschland als Wissensnation . Indien ist ein dynamisches und quirliges Land . Soziale Spaltung und Good Governance sind Probleme, die es zu bewältigen gilt . Es gibt aber Grund zum Optimismus: Das Land ist aufstrebend, bildungsaffin, wissbegierig, innovativ und mit immensen Potenzialen bei Technolo- gie, Talenten und Kreativität . Sie bilden den fruchtbaren Boden für eine lebendige Zivilgesellschaft . Vielfalt und Mehrsprachigkeit in Indien fördern kreatives Denken und selbstbewusste Bürgerschaft . Dieser Weg wird sich lang- fristig als erfolgreich erweisen und macht den Austausch auch in der Außenwissenschaftspolitik umso wertvoller . Wir wollen die deutsch-indischen Kooperationen in Bildung und Forschung ausbauen . Gemeinsam sind unse- re beiden Demokratien stärker, Lösungen für die soziale und ökologische Modernisierung unserer Welt zu finden und zu etablieren . Auf die weitere vertiefte Zusammenar- beit freut sich die übergroße Mehrheit des Bundestages . Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Sta- tistikgesetze (Tagesordnungspunkt 33) Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Der Mikrozensus wurde 1957 auf Empfehlung der OEEC, einer Vorgänge- rorganisation der OECD, geschaffen . Fast 60 Jahre be- steht die Institution des Mikrozensus nun, und ich finde, sie ist eine Erfolgsgeschichte . Zwar wurden in den ver- gangenen Jahrzehnten immer wieder Veränderungen an den Erhebungsmethoden vorgenommen . Aber im Gro- ßen und Ganzen entsprechen viele Erhebungsmerkmale noch heute den Vorgaben des ursprünglichen Gesetzes aus 1957 . Ich denke, das spricht für sich . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19003 (A) (C) (B) (D) Im Zuge der europäischen Integration musste der Mik- rozensus in den vergangenen Jahren immer weiter an die Vorgaben der europäischen Statistik angepasst werden . Bereits seit 1968 werden gemeinsam mit dem Mikro- zensus Daten zur Erwerbstätigkeit und Beschäftigung nicht nur von den befragten Personen in Deutschland, sondern auch gleichzeitig in anderen EU-Staaten erho- ben . Die Daten dieser Befragungen stellen die Grundlage für EU-weite Programme für mehr Beschäftigung, eine bessere Ausbildung und die Bekämpfung der Arbeitslo- sigkeit dar . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf reagiert die Bundesregierung nun auf eine Entwicklung, die sich schon in den letzten Jahren abgezeichnet hat: Die Ar- beitskräfteerhebung der Europäischen Union wird immer stärker harmonisiert und ausdifferenziert . Darüber hinaus wird sie langfristig erhoben . Die in diesem Zusammen- hang erhobenen Daten werden für die Bundesregierung immer wichtiger . Die Reaktion der Bundesregierung ist daher zunächst, die Institution Mikrozensus mit diesem Gesetzentwurf zu entfristen . Bisher wurde der Mikro- zensus in der Regel für einen Zeitraum von vier bis sie- ben Jahren geregelt, woraufhin ein erneutes Gesetz nö- tig wurde . Das derzeit geltende Mikrozensusgesetz aus dem Jahr 2012 läuft in diesem Jahr aus . Anstatt ein neues Mikrozensusgesetz für nur wenige Jahre auf den Weg zu bringen, soll der Mikrozensus nun unbefristet fortgeführt werden. Es ist aus gesetzgeberischer Sicht nicht effizi- ent, alle paar Jahre ein neues Gesetz zu erlassen, wenn die Datenlieferungsverpflichtungen Deutschlands an die Europäische Union unbefristet gelten . Hier lässt sich na- türlich einwenden, dass der Gesetzgeber dadurch schein- bar die Gestaltungsmacht über den Mikrozensus aufgibt . Dies ist natürlich nicht der Fall; denn auch auf eine un- befristet angelegte Regelung hat der Deutsche Bundestag gesetzgeberischen Gestaltungszugriff . Denjenigen, die im Mikrozensus einen übermäßigen Eingriff in die Frei- heitsrechte der Bürger sehen, sei an dieser Stelle gesagt, dass die Befristung der bisherigen Gesetze bei jeder er- neuten gesetzlichen Verlängerung eher zu einer Erweite- rung der Erhebungsmerkmale geführt hat . Insofern dürfte eine Entfristung auch dazu beitragen, Anpassungen nur bei offensichtlichen Problemen vorzunehmen . Die zweite Reaktion auf die Entwicklungen auf eu- ropäischer Ebene ist die Integration der Erhebungsteile über Gemeinschaftsstatistiken über Einkommen und Le- bensbedingungen, EU-SILC, sowie zur Informationsge- sellschaft, IKT, in den Mikrozensus . Diese wurden bisher separat bei den Bürgern erhoben . Mit der Zusammenle- gung wird der Aufwand für die Bürger nun reduziert . Natürlich bringt diese Integration auch organisatorischen Aufwand und Kosten bei der Umstellung der IT-Systeme mit sich . Daher wird die vollständige Integration auch erst ab 2020 gänzlich umgesetzt werden . Die Synergie- effekte sowie die deutlich reduzierte Eingriffsintensität durch die Befragungen lassen diese Kosten aus meiner Sicht jedoch mehr als angemessen erscheinen . Dies sind aus meiner Sicht die wesentlichen Punkte dieses Gesetzentwurfs, den ich sehr begrüße . Hier wird eine gute Neuregelung vorgeschlagen, der die Zeit unse- rer Bürger bei der Inanspruchnahme für die Erhebungen schont und gleichzeitig die Informationsmöglichkeiten für die Bundesregierung und den Gesetzgeber verbes- sert . Ich freue mich auf das anstehende parlamentarische Verfahren . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Schon mehrfach habe ich in diesem hohen Hause zu Statistikgesetzen ge- sprochen und auch heute tue ich das gerne . Das ist ein Thema, das nicht nur an meinen beruflichen Werdegang anknüpft, sondern etwas in den Blick nimmt, was ge- meinhin wenig Schlagzeilen verursacht: die Erhebung von statistischen Daten . Verglichen mit zurückliegenden Jahrzehnten ist die Entwicklung der Datenerhebung in den letzten Jahren deutlich vorangeschritten . Die Verfahren sind ausgereif- ter, die Daten komplexer und das Datenvolumen hat deut- lich zugenommen . In unserer Informationsgesellschaft haben alle Lebensbereiche an Komplexität zugenommen, Lebensstile haben sich verändert, sind variabler gewor- den, Informationen fließen schneller und die Reichweite hat sich deutlich erhöht . Längst erhebt das Statistische Bundesamt Daten nicht mehr nur für eigene nationale Zwecke, sondern ist an EU-Recht gebunden und muss auch hierfür Daten liefern . Die hohe Dynamik, mit der Gesellschaften sich national und international verändern, bringt die Erhebungsverfahren unter Zugzwang . Und das ist auch der Anlass für unsere heutige Beratung . Das Mikrozensusgesetz ist Grundlage der repräsenta- tiven Haushaltserhebung, die seit 1957 in Deutschland durchgeführt wird . Letztmalig haben wir dieses Gesetz im Jahr 2014 geändert . Auch hier war unter anderem die Anpassung an EU-Vorgaben ein Anlass . Wir haben Op- timierungen bei der Bevölkerungsstatistik vorgenommen und mithilfe einer Experimentierklausel ermöglicht, dass neue Erhebungsverfahren erprobt werden können . Die heute mit dem Gesetzentwurf vorliegenden Än- derungen gehen deutlich weiter . Sie sind grundlegender und stellen gewissermaßen einen weiteren Schub in der Entwicklung der Datenerhebung in Deutschland dar . Wo- rum geht es? Zunächst einmal ist es die sich ankündigende Ablauf- frist, die uns zum Handeln veranlasst . Denn: Das Mikro- zensusgesetz ist bis zum Ende des Jahres 2016 befristet . Die Befristungen wurden in der Vergangenheit immer wieder per Gesetz verlängert, so letztmalig 2012 um vier Jahre . Im vorliegenden Gesetzentwurf sollen diese Ket- tenverlängerungen nun beendet werden . Das ist die ers- te grundlegende Änderung des Gesetzentwurfs . Künftig soll das Mikrozensusgesetz unbefristet gelten und damit den Vorgaben der EU folgen, denn auch die Pflicht zur Datenlieferung gilt unbefristet . Diese Änderung ist sinn- voll und zeitgemäß . Kommen wir zu einem weiteren zentralen Punkt des Gesetzes . Bislang fanden einige Erhebungen nebenein- ander statt, so auch der Mikrozensus und die Erhebung über Arbeitskräfte, Einkommen und Lebensbedingungen für die EU . Während der Mikrozensus für die Befrag- ten verpflichtend ist, erfolgte die sogenannte SILC-Er- hebung auf freiwilliger Basis . Damit verbunden waren immer wieder Datenverzerrungen, da bei der Stichpro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619004 (A) (C) (B) (D) benerhebung nicht immer alle Haushalte gleichmäßig zu erreichen waren . Das wollen wir jetzt ändern . Die Erhe- bung soll künftig in den Mikrozensus integriert und da- mit verpflichtend werden. Damit reduziert sich der Stich- probenumfang, und die Validität der Daten wird zugleich erhöht . Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn damit lassen sich genauere Erkenntnisse zur Entwicklung von Er- werbstätigkeit und Ungleichheit in unserer Gesellschaft ziehen . Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass durch die Nutzung der gemeinsamen organisatorischen und tech- nischen Infrastruktur der Aufwand der Erhebung sinkt . Auch für die Befragten ist das natürlich von Vorteil, da sie nur einmal befragt werden müssen . Diese positiven Effekte sind auch maßgebend für die Integration einer weiteren Erhebung in den Mik- rozensus – die Statistik zur Informationsgesellschaft . Damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt des Ge- setzentwurfs . Die Nutzung von Informations- und Kom- munikationstechnologien hat in den letzten zwei Jahr- zehnten enorm an Fahrt aufgenommen . Die Anzahl der Haushalte, die diese Technologien nutzen, hat sich ver- vielfacht, und die Tendenz geht weiter nach oben . Mit der Einbeziehung dieser Datenerhebung in den Mikrozensus wird die Aussagekraft der Statistik weiter erhöht . Und auch hier wird die Auskunft für die Befragten verpflich- tend mit allen Vorteilen für die Qualität der Erhebung . Der Mikrozensus liefert damit künftig auch zentrale In- formationen zum Stand und den weiteren Anforderungen des Breitbandausbaus . Zu den Kernänderungen kommen noch einige weitere kleinere Maßnahmen hinzu, die das Verfahren der statis- tischen Erhebungen zum Mikrozensus weiter verbessern sollen . Die Umsetzung der erheblichen Änderungen wird in zwei Stufen vorgenommen, die insgesamt bis 2021 dau- ern . Im Zeitraum von 2017 bis 2020 werden zunächst einige Anpassungen bei den Erhebungsmethoden und den Erhebungsmerkmalen vorgenommen, bevor dann ab 2020 die Integration der EU-Statistiken erfolgen wird . Der Zeitaufwand rührt dabei vor allen Dingen daher, dass das gesamte IT-System umgestellt werden muss . Das Vorhaben nimmt somit einige Zeit in Anspruch und stellt dabei grundlegende Weichen der Datenerhebung zum Mikrozensus neu . Und diese Weichenstellung wer- den wir in den Ausschussberatungen sicher noch einmal eingehend beleuchten . Auch eine Anhörung ist geplant . Lassen Sie mich zum Schluss noch eine letzte Facette betrachten, die bei dem Gesetzentwurf selber keine Er- wähnung findet. Mit Verbesserungen der statistischen Erhebungsverfahren tragen wir auch zur Erleichterung der Arbeit der Menschen bei, die tagtäglich damit befasst sind – der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Statisti- schen Bundesamtes und der statistischen Ämter der Län- der . Auch das ist ein wichtiger Impuls für die anstehen- den Beratungen . Ich freue mich darauf . Jan Korte (DIE LINKE): In regelmäßigen Abständen debattieren wir hier über die kleine Volkszählung, wie der Mikrozensus ja von vielen zu Recht genannt wird . Nun hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur generellen Neuregelung des Mikrozensus und zur Än- derung weiterer Statistikgesetze vorgelegt, der das zum Ende dieses Jahres auslaufende Gesetz ersetzen soll . Er sieht im Unterschied zu den bisherigen Mikrozensusge- setzen, in deren Rahmen seit 1957 bisher jeweils rund 1 Prozent der Bevölkerung, aktuell also 830 000 Personen in 390 000 privaten Haushalten und Gemeinschaftsun- terkünften, in vier aufeinanderfolgenden Jahren stellver- tretend für die ganze Bevölkerung mit endlosen Frage- bögen und sehr differenzierten Fragen zu nahezu allen Lebensbereichen interviewt wurden, eine unbefristete Fortführung des Mikrozensus vor . Bisher wurde der Mi- krozensus stets zeitlich befristet, um in regelmäßigen Abständen den Erhebungsbedarf überprüfen und das Ge- setz gegebenenfalls anpassen oder gar auslaufen lassen zu können . Von einer generellen Infragestellung oder der Mög- lichkeit einer Evaluation will die Bundesregierung nun nichts mehr wissen . Sie begründet dies einerseits mit unbefristeten Datenlieferverpflichtungen der EU. Denn „durch die Integration der Stichprobenerhebung über Ar- beitskräfte, der Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen und der Gemeinschaftsstatistik zur Informationsgesellschaft in den Mikrozensus werden europäische Verpflichtungen zur Lieferung statistischer Angaben erfüllt“ . Andererseits hätte sich die Befristung „in der Vergangenheit nicht bewährt“ . Das kann man so sehen, muss man aber ganz sicher nicht . Aus unserer Sicht steht eine Zwangserhebung wie der Mikrozensus im Widerspruch zum Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung . Natürlich ist auch meine Fraktion nicht prin- zipiell gegen die Grundidee, durch Befragung einer klei- nen, repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung nach mathematisch-statistischen Verfahren ein annähernd wirklichkeitsgetreues Abbild der sozioökonomischen Verhältnisse in diesem Land zu bekommen . Allerdings setzen wir uns dafür ein, dass das Erfassungsverfahren so grundrechtsschonend und realitätsgerecht wie nur irgend möglich erfolgt . Und da müsste dann zumindest erst ein- mal nachgewiesen werden, dass das Ziel repräsentativer Daten über die Bevölkerung nur mit zwangsweiser Ver- pflichtung zu erreichen ist. 17 von 28 EU-Staaten füh- ren ihre Erhebungen auf freiwilliger Basis durch . Von mangelhafter Datenqualität hört man außer hierzulande nichts . Viel gravierender als die Entfristung erscheint mir da- her, dass Sie mit dem neuen Konzept des Mikrozensus gleichzeitig auch die Teilnahmepflicht auf die EU-Er- hebungen ausweiten, an denen die Teilnahme bislang freiwillig war . Dies ist überhaupt nicht hinnehmbar . In diesem Zusammenhang fand ich die Stellungnahme des Bundesrates sehr bemerkenswert, der diesen Punkt völlig zu Recht ebenfalls kritisiert . Dort heißt es: Nach den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr . 1177/2003 sind die Angaben zu Einkommen und Lebensbedingungen für die zu Befragenden freiwillig. Die Einführung einer Auskunftspflicht in der Bundesrepublik Deutschland geht insoweit weit über die EU-Vorgaben hinaus . Aufgrund der hohen Sensibilität der EU-rechtlich vorgegebenen Erhebungsmerkmale in Bezug auf Einkommen und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19005 (A) (C) (B) (D) Lebensbedingungen ist mit einer Zunahme von Auskunftsverweigerungen und erheblicher Verärge- rung seitens auskunftspflichtiger Privatpersonen zu rechnen . An anderer Stelle stellt der Bundesrat richtigerweise fest, dass „eine auskunftspflichtige Erhebung sehr priva- ter, sehr sensibler und vielfach subjektiv geprägter Fra- gen einen Paradigmenwechsel in der amtlichen Statistik darstellt“ . Der Bundesrat befürchtet einen Imageschaden, „der negative Auswirkungen für die Durchführung und den Zielverwirklichungsgrad auch anderer Statistiken haben und entsprechende Erhebungen erschweren könn- te“ . Dass Sie diese Befürchtungen nicht ernst nehmen, ist höchst bedauerlich . Sie halten stattdessen weiter an Ihrem Mantra fest, wonach Befragungen auf Zwang basieren müssten, weil sie ansonsten nicht zu verwert- baren Daten führen würden . So schreiben Sie in Ihrer Begründung einmal mehr, dass „bei freiwilligen Erhe- bungen, wie derzeit zum Beispiel EU-SILC, … in der Regel systematische Verzerrungen vor[liegen] . Personen im unteren und oberen Einkommensbereich weisen nach bisherigen Untersuchungen geringere Teilnahmequoten auf, sodass die Indikatoren mit keiner hinreichenden Prä- zision für die anvisierte Evaluation bereitgestellt werden können“ . Dies ist einigermaßen gewagt, da in der Bun- desrepublik Deutschland bislang keine einzige Machbar- keitsstudie durchgeführt worden ist und auch in nahezu allen anderen EU-Mitgliedstaaten EU-SILC als freiwilli- ge Erhebung durchgeführt wird . Und man kann auch mal fragen, was denn die präzise Erfassung von Armut und Reichtum bringen soll, solange ohnehin systematisch eine Politik betrieben wird, die die Reichen reicher und die Armen noch ärmer macht . Auch die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten, die Anonymisierung der Daten zumindest zeitweise wieder aufzuheben, trifft auf datenschutzrechtliche Bedenken . Der Gefahr der Erstellung weitgehender Profile der be- troffenen Bürgerinnen und Bürger muss aus unserer Sicht durch eine strenge Zweckbindung und absolute Anony- misierung der Daten Rechnung getragen werden . Schon am 16 . Juli 1969 hat sich das Bundesverfas- sungsgericht in seinem Beschluss zu einer Klage gegen den Mikrozensus intensiv mit der Frage beschäftigt, inwieweit es dem Staat gestattet sein darf, seine Bürge- rinnen und Bürger zu erfassen, zu kategorisieren oder in ihre innersten Rückzugsräume einzudringen . Dabei spricht das Gericht vom „Recht auf Einsamkeit“ . Ge- meint ist damit ein „Recht, alleine gelassen zu werden“ . Das Gericht führt dazu Folgendes, wie ich meine, auch heute noch hoch Aktuelles, aus: Es widerspricht der menschlichen Würde, den Men- schen zum bloßen Objekt im Staat zu machen . Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch neh- men könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu kata- logisieren, sei es auch in der Anonymität einer sta- tistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist . Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse sei- ner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwort- lichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein ‚Innenraum‘ verbleiben muß, in dem er ‚sich selbst besitzt‘ und ‚in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt‘ . Es wäre schön, wenn auch Sie sich künftig im Gesetz- gebungsverfahren an diesen Worten orientieren würden . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die vorgelegte Reform des Mikrozensus und wei- terer Statistikgesetze bedeutet, wie auch in den Jahren zuvor, eine weitere Vertiefung der Belastung der vom Mikrozensus betroffenen Bürgerinnen und Bürger . Un- ter den Schlagworten von Effizienz und Synergieeffekten findet eine nochmalige Erweiterung der Fragenkataloge statt, ohne dass diese zumindest in Teilen noch freiwillig gestellt werden . Das ist buchstäblich „liberty dying by inches“, und wir sollten uns schon fragen, wie lange das mit der Statistik noch auch und gerade mit Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre so weitergehen kann . Nie- mand, lassen Sie mich das noch einmal in aller Deutlich- keit sagen, bestreitet ernsthaft den Zweck des Statistik- wesens und seine Bedeutung für eine effektiv arbeitende Verwaltung . Unsere Verantwortung als Gesetzgeber liegt aber im Allgemeinen und bezüglich des Statistikwesens im Speziellen vor allem darin, den Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit zum Maßstab zu nehmen und die Bür- gerinnen und Bürger vor einer übermäßigen und sachlich nicht mehr vertretbaren Inanspruchnahme zu bewahren . Durch die rein statistisch-wissenschaftliche Brille be- trachtet, wird es immer gute Gründe geben, warum diese oder jene bestehenden Statistiken inhaltlich noch einmal erweitert gehören, eine nochmals größere Gruppe be- treffen sollten und/oder zwangsweise zu erfolgen haben . Wie weit wir dabei gehen sollten, ist unsere gemeinsame politische Entscheidung, die wir verantwortungsvoll fäl- len müssen . Der Mikrozensus ist keine Volkszählung in dem Sinne, dass die Bevölkerung, ähnlich etwa wie es bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung der Fall ist, in ihrer Gesamtheit erfasst würde . Doch sie ist auch kei- nesfalls eine Petitesse . Denn sie betrifft alljährlich rund 1 Million Mitbürgerinnen und Mitbürger . Neben dem Mikrozensus laufen zudem weitere Haus- haltsbefragungen durch Statistikbehörden, die de fac- to den Kreis der in der Bevölkerung Betroffenen noch einmal erweitern . Der Mikrozensus stellt für diese Be- troffenen, die nach einem statistischen Zufallsverfahren ausgewählt werden, einen erheblichen Eingriff in ihre Grundrechte dar . Denn zunächst einmal gilt es festzu- halten, dass sie per Gesetz und ordnungsgeldbewehrt auskunftspflichtig sind. Sie sind verpflichtet, sich durch einen 70-seitigen Fragenkatalog zu quälen, der sie zu na- hezu jeder Lebenslage befragt und – im wahrsten Sinne des Wortes – ausforscht . Und sie müssen wiederholte, erneut der Auskunftspflicht unterfallende unterjährige Nachfragen –bis zu viermal – hinnehmen, das heißt, das Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619006 (A) (C) (B) (D) ohnehin extrem aufwändige Verfahren ist demnach kei- nesfalls mit der einmaligen Beantwortung beendet . Dieser Mikrozensus, Sie erinnern sich sicher an die Debatten, die wir darum in der Vergangenheit bereits ge- führt haben, war von Beginn an umstritten . Er führte zu einem der ersten und bis heute bedeutsamen Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu Umfang und Reichweite des Grundrechts auf Privatsphäre, Mikrozensus-Urteil . Und der Mikrozensus ist bis heute umstritten, darüber könnte uns eine Umfrage bei den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder sicherlich Auskunft geben, die alljährlich viele Eingaben und Nachfragen der von den Statistikämtern ausgewählten Betroffenen zu be- arbeiten haben . Doch die in diesen Fragen oft wankel- mütige Akzeptanz in der Bevölkerung bleibt nicht der alleinige Prüfungspunkt, wenn wir uns als legislatives Kontrollorgan Gesetze des Bundesinnenministers mit Berührung zum Datenschutz anschauen . Es liegt viel- mehr in unserer Verantwortung, die Gewährleistung ganz wesentlicher Gesichtspunkte der Verfassungsmäßigkeit wie auch der Wahrung der Grund- und Bürgerrechte ins- gesamt kritisch und vor allem hinsichtlich ihrer Verhält- nismäßigkeit zu prüfen . Bislang war der seit Jahrzehnten etablierte Mikro- zensus befristet geregelt . Diese Befristung hat sich in meinen Augen durchaus bewährt, eröffnet sie doch die Chance, immer auch andere, zusätzliche Belastungen für die informationelle Selbstbestimmung der Bürge- rinnen und Bürger bei der durch uns vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Blick zu nehmen . Nun soll der Mikrozensus also nach ihrem Willen in eine unbefristete gesetzliche Regelung überführt werden . In- tegriert in den aus Sicht der Betroffenen ohnehin endlos langen Fragenkatalog, werden zusätzlich noch die nach EU-Recht erforderlichen Statistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen, EU-SILC, sowie zur Informations- gesellschaft, IKT, erhoben . Das informatorische Sonderopfer, das die vom Mikro- zensus Betroffenen zu erbringen haben, ist somit aus unserer Sicht alles andere als unerheblich . Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Bundesregierung sich of- fenbar darum bemüht hat, Belastungen der Betroffenen zumindest zum Teil zu vermeiden . Danach soll der Merk- malskatalog des Kernprogramms nur noch die Hälfte des heutigen Katalogs umfassen . Und thematisch abgrenzba- re Erhebungsteile sollen auf die Betroffenen derart ver- teilt werden, dass nicht alle Ausgewählten alle – nunmehr aus anderen Haushaltsstatistiken integrierte – Fragenteile zu beantworten haben . Gleichwohl bedeutet die Integration von vormals ge- trennt ablaufenden und damit andere Bürgerinnen und Bürger betreffenden Fragenkataloge natürlich eine Er- höhung des Gesamtumfangs der Befragung, auch wenn offenbar nicht alle Ausgewählten im gleichen Maße be- troffen sein werden . Noch gravierender erscheint uns, dass die nunmehr integrierten Teile EU-SILC und EI-IKT zukünftig eben- falls unter die Auskunftspflicht fallen. Der Wechsel von Freiwilligkeit auf Zwang erfolgt wenige Jahre nach der letzten Debatte zum Mikrozensus doch ziemlich überra- schend und aus unserer Sicht nicht ausreichend begrün- det . Das bloße Argument der Vermeidung inhaltlicher Unschärfen wirkt angesichts des damit verbundenen Grundrechtseingriffes bislang, lassen Sie mich das deut- lich sagen, wenig überzeugend . Auffällig ist, dass die Bundesregierung bei der Ab- wägung der möglichen Alternativen das bestehende In- strument des Zensus, der nächste ist ja bereits in Vorbe- reitung, gänzlich unterschlägt . Der Mikrozensus ist auch keineswegs ein Naturgesetz oder in der Gestalt, wie wir ihn praktizieren, aus Brüssel vorgegeben . Beim Bundes- tag also eine in der Werbesprache sogenannte Verlusta- version dadurch zu produzieren, dass hier der Eindruck des Going dark bei Verlust des Mikrozensus entsteht, er- scheint ungerechtfertigt . Interessanterweise hatte unter anderem die BILD-Zei- tung den vorliegenden Gesetzentwurf, vermutlich erst- malig in seiner langen Geschichte, thematisch aufge- griffen . Thematisiert wurde, dass der Entwurf auch Erweiterungen bei den Fragen zum möglichen Migrati- onshintergrund der Betroffenen enthält . Über die Weite dieses Begriffes ist aber inzwischen eine Debatte entstan- den, die im Rahmen der Diskussion über diesen Entwurf nicht ignoriert werden sollte . Grundsätzlich befürworten wir aussagekräftige Antworten, mit denen etwa gezielte Förderungen im Bereich der Schul- oder Arbeitsmarkt- politik gesteuert werden können . Doch wir wollen mit Fragen in diesem Bereich Menschen auch nicht auf eine bestimmte Identität festschreiben, Umfang und Tiefe sind daher stets diskussionswürdig . Wir regen deshalb in der Gesamtschau der aufgewor- fenen Fragen zum Für und Wider des Mikrozensus an, zumindest in einem erweiterten Berichterstattergespräch die für die Bewertung möglicher Alternativen zum Mik- rozensus notwendigen Fragen gemeinsam ergebnisoffen zu diskutieren . Dr. Ole Schröder, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Der vorliegende Gesetzentwurf regelt den Mikrozensus ab dem Jahr 2017 . Der Mikro- zensus wird seit 1957 als Haushaltsstichprobe über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt sowie die Wohnsi- tuation der Haushalte durchgeführt . Dabei wird 1 Pro- zent der Bevölkerung befragt . Der Mikrozensus ist die zentrale Informationsquelle nicht nur für die Verwaltung und die Regierung, sondern insbesondere auch für die Parlamente in Bund und Ländern . Er stellt umfassende, aktuelle und zuverlässige Daten vor allem über die Be- völkerungsstruktur, die wirtschaftliche und soziale Lage der Familien und der Haushalte, die Erwerbstätigkeit, den Arbeitsmarkt, die berufliche Gliederung und die Aus- bildung der Erwerbsbevölkerung sowie die Wohnverhält- nisse bereit . Die Ergebnisse des Mikrozensus sind aber ebenso für politische und gesellschaftliche Institutionen sowie für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung eine wichtige Informationsquelle . Nicht zuletzt wird der Mi- krozensus auch als Hochrechnungs-, Adjustierungs- und Kontrollinstrument für eine Vielzahl anderer Erhebungen gebraucht und ist für diese von erheblicher Bedeutung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19007 (A) (C) (B) (D) Das geltende Mikrozensusgesetz sieht nur bis Ende 2016 Erhebungen vor . Ab dem 1 . Januar 2017 ist ein neues Gesetz als Grundlage für weitere Mikrozensus- erhebungen erforderlich . Der vorliegende Gesetzentwurf ist im Unterschied zu den bisherigen Mikrozensusge- setzen nicht mehr befristet . Aufgrund verschiedener EU-Verordnungen müssen wir den überwiegenden Teil der Daten aus dem Mikrozensus an die EU liefern . Diese Datenlieferverpflichtungen sind unbefristet. Es ist daher nicht sinnvoll, die nationale Rechtsgrundlage zu befris- ten . Außerdem hat sich gezeigt, dass die Mikrozensus- gesetze bei Bedarf geändert worden sind; auf den Frista- blauf kann bei einem dringenden Bedarf nicht gewartet werden . Die Überprüfung des Gesetzes allein aufgrund der zeitlichen Befristung hat eher zu Zuwächsen von Merkmalen im Gesetz als zum Abbau geführt . Das neue Mikrozensusgesetz regelt aber nicht einfach nur die Weiterführung des bisherigen Mikrozensus mit kleinen Änderungen, sondern regelt auch die Umstellung auf ein neues Konzept . Diese erfolgt in zwei Stufen: In der ersten Stufe von 2017 bis 2019 wird der bisherige Mikrozensus mit geringfügigen Anpassungen der Me- thoden und Erhebungsmerkmale weitergeführt . Das ist mit der bestehenden IT umsetzbar und verursacht keine Mehrkosten . In der zweiten Stufe ab 2020 wird der Mikrozensus aufgrund zusätzlicher europäischer Anforderungen um- gestellt . Die Arbeitskräftestichprobe, die schon bislang gemeinsam mit dem Mikrozensus erhoben wird, wird in den Mikrozensus als Modul integriert . Zusätzlich werden zwei weitere – bislang vom Mikrozensus separat erfolg- te – Erhebungen als Module integriert . Es handelt sich dabei zum einen um die Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen – EU-SILC –, und zum anderen um den Teil der Erhebung zur Informationsgesellschaft, IKT, der bei Privathaushalten erhoben wird . Diese Umstellung setzt neben tiefgreifenden methodischen und organisato- rischen Änderungen auch eine vollständige Neugestal- tung der IT voraus . Durch die Integration der genannten Erhebungen in den Mikrozensus sollen Synergieeffekte durch die Nut- zung einer gemeinsamen organisatorischen und techni- schen Infrastruktur in den statistischen Ämtern genutzt werden . Damit wird der Mehraufwand, der aufgrund der Änderungen der entsprechenden EU-Verordnungen zu erwarten ist, reduziert werden . Auch die Belastung für die Befragten wird im Gesetzentwurf berücksichtigt . Der Stichprobenumfang des Mikrozensus bleibt bei 1 Prozent der Bevölkerung . Er erhöht sich trotz der Integration der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen – EU-SILC – und der Erhebung zur Informationsgesell- schaft – IKT – in den Mikrozensus nicht. Demografische und sozioökonomische Angaben, die bislang in jeder der bisher separat durchgeführten Erhebung erfragt wurden, werden nur noch einmal erhoben . Das schon beim bisherigen Mikrozensus bewährte Prinzip der Auskunftspflicht wird ebenfalls grundsätzlich beibehalten. Eine Auskunftspflicht – insbesondere auch zu den Merkmalen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen – ist erforderlich . Die Bereitschaft in Deutschland, an freiwilligen Erhebungen teilzuneh- men, ist im Gegensatz zu vielen anderen Ländern leider sehr gering . Daher ist zu erwarten, dass ein Großteil der Befragten freiwillig keine Angaben machen würde . Das würde nicht nur zusätzliche Erhebungskosten verursa- chen . Es würde auch die Synergieeffekte, die mit der Integration in den Mikrozensus beabsichtigt sind, rela- tivieren . Die Inanspruchnahme von EU-Förderprogrammen hängt von Indikatoren ab, die sich unter anderem aus den Merkmalen der Erhebung zu Einkommen und Le- bensbedingungen ergeben . Um valide Zahlen an die EU liefern zu können, ist die Auskunftspflicht auch aus methodischen Gründen erforderlich . Bei freiwilligen Befragungen weisen Personen im unteren und oberen Einkommensbereich erfahrungsgemäß eine geringe Teil- nahmebereitschaft auf, was zu einer Verzerrung der Er- gebnisse zur Mitte hin führt . Frühere Mikrozensus-Testerhebungen, Untersuchun- gen des Statistischen Bundesamtes sowie Untersuchun- gen der empirischen Sozialforschung haben ergeben, dass die erforderliche Qualität der Daten für die genann- ten aber auch weitere Politikfelder und Datenlieferungs- verpflichtungen nur mit einer Auskunftspflicht erreicht werden kann . Der Gesetzentwurf sieht daher grundsätz- lich eine Auskunftspflicht vor. Anlage 28 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts (Tagesordnungspunkt 34) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Vor knapp hundert Jahren, im Jahr 1919, wurde in Deutschland das erste Zentralarchiv der obersten Reichsbehörden und -organe in Potsdam gegründet. Die Auflösung zahlreicher mili- tärischer Behörden nach dem Versailler Vertrag war der damalige Anlass zur Gründung . Seither übernimmt das Archiv die systematische Erfassung, Erhaltung und Be- treuung von Dokumenten des Bundes . Heute heißt es Bundesarchiv und hat seinen Hauptsitz in Koblenz . Hier arbeitet es nach dem Leitbild, Wissen bereitzustellen, Quellen zu erschließen und das Geschichtsverständnis zu fördern . So archiviert es Akten, Schriftstücke, Karten, Bilder, Plakate, Filme und Tonaufzeichnungen deutscher Bundesbehörden, aber auch Unterlagen nichtöffentlicher Einrichtungen und natürlicher Personen . Ob diese Unter- lagen einen bleibenden Wert für die Erforschung oder das Verständnis der deutschen Geschichte haben, ob sie der Sicherung berechtigter Belange der Bürger dienen oder eine Informationsquelle für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung seien können, das obliegt der fach- kundigen Einschätzung des Bundesarchivs . Bis in 80er-Jahre hinein wurde über die grundsätzliche Notwendigkeit von Archivgesetzen lebhaft diskutiert . Und so wurde tatsächlich erst 1987 ein Bundesarchivge- setz im Deutschen Bundestag verabschiedet, um die Auf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619008 (A) (C) (B) (D) gaben des Bundesarchivs gesetzlich zu verankern . Bis dahin arbeitete es lediglich auf der Grundlage von Ver- waltungsvorschriften . So sicherte das Gesetz erstmals in der deutschen Geschichte ein Recht jedes Bürgers auf die Nutzung von Archiven . Damals wie heute ist das Ziel, die Informations- und Wissenschaftsfreiheit zu fördern und rechtlich abzusichern . Gegenwärtig stehen wir vor der Aufgabe, das Bundes- archiv zukunftsfähig zu machen . Und so haben wir im Koalitionsvertrag das wichtige kulturpolitische Vorhaben vereinbart, das Bundesarchivgesetz neu zu regeln und es den Anforderungen des digitalen Zeitalters entsprechend anzupassen . So ist ein wesentlicher Bestandteil der Neu- fassung die Einführung von elektronischen Akten anstel- le von Papierakten bis zum Jahr 2020, also die Einfüh- rung der sogenannten E-Verwaltung . Weiter werden wir Regelungen zu einem – auch digitalen – Zwischenarchiv und zur Übernahme solcher elektronischer Unterlagen aufnehmen, die einer laufenden Aktualisierung, jedoch keinem Löschungsgebot unterliegen . Auch an der Ausgestaltung der Anbietungspflichten soll sich einiges ändern . Mit der Einführung einer als Sollvorschrift ausgestalteten Anbietungspflicht beispiels- weise sollen Unterlagen zukünftig spätestens 30 Jahre nach ihrer Entstehung dem Bundesarchiv zur Verfügung angeboten werden . Ein ganz besonderes Anliegen der Neufassung ist die Verbesserung der Nutzer- und Wissenschaftsfreundlich- keit des Bundesarchivs . So wird vorgesehen, die perso- nenbezogene Schutzfrist von dreißig auf zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person zu verkürzen . So hat es sich bereits in vielen Landesarchivgesetzen schon be- währt . Die personenbezogene Schutzfrist für Amtsträger in Ausübung ihrer Ämter und Personen der Zeitgeschich- te soll zukünftig ganz entfallen, wenn ihr schutzwürdiger privater Lebensbereich nicht betroffen ist . Weiter werden wir über die Verkürzung der Schutzfrist von sechzig auf dreißig Jahre für dasjenige Archivgut, welches Geheim- haltungsvorschriften des Bundes unterliegt, sprechen . Ich meine, dass wir mit dem nun vorliegenden Regie- rungsentwurf eine solide Arbeitsgrundlage haben, die wir nun im Spannungsverhältnis von Informationsfrei- heit und Datenschutz ausloten müssen . Darum wird es in den nächsten Wochen gehen . Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit . Hiltrud Lotze (SPD): In den Jahren 1942 und 1943 verteilt die Widerstandsbewegung Weiße Rose Flugblät- ter in Nazideutschland und ermutigt die Leser zum Wi- derstand gegen das Naziregime . Die Widerstandsgruppe junger Menschen macht ihren Mitbürgerinnen und Mit- bürgern deutlich, dass jeder etwas beitragen könne zum Sturz dieses Systems . Der Mut und die Aufrichtigkeit der jungen Studieren- den rund um Hans und Sophie Scholl sind bis heute vie- len Menschen ein Vorbild . Auch einige ihrer Flugblätter haben die Zeit überdauert – im Bundesarchiv . Dort, in der Hauptstelle in Koblenz und in den Au- ßenstellen, wird das Archivgut des Bundes und seiner Vorgängerinstitutionen aufbewahrt . Das Bundesarchiv hat den Auftrag, dieses Archivgut auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten . Das Bundesarchiv hat dabei eine nicht zu unterschät- zende Bedeutung für die Geschichte unseres Landes und seine Bürgerinnen und Bürger . Als „Gedächtnis unseres Staates“ und als Ort, in dem Zeugnisse der historischen Meinungsbildung für die Zukunft verwahrt werden, nimmt es die Aufgaben eines Nationalarchives wahr . Hier findet man Zeugnisse über die positiven und die ne- gativen Momente unserer Geschichte . Im Bundesarchiv werden Fotos und Zeichnungen verwahrt, Urkunden, Ak- ten, Karten und Tonstücke, die bei zentralen Stellen des Heiligen Römischen Reiches, des Deutschen Bundes, des Deutschen Reiches, der Besatzungszonen, der Deut- schen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind . Unter ihnen sind auch be- sagte Flugblätter der Weißen Rose . Dass ich heute davon berichten kann, habe ich der Tatsache zu verdanken, dass sie bis heute im Bundesarchiv aufbewahrt werden . Wie genau das Bundesarchiv beim Sammeln und Ar- chivieren vorgeht, wird im Bundesarchivgesetz geregelt . Die zentralen Regelungsinhalte des geltenden Bundesar- chivgesetzes stammen aus dem Jahre 1988 und wurden – im Gegensatz zur Archivgesetzgebung der Länder – seitdem nicht aktualisiert . Das BArchG war seinerzeit wegweisend, ist heute jedoch lückenhaft zum Beispiel im Hinblick auf die Digitalisierung . Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt, das Bundesarchivgesetz zu novellieren . Ziel der Novellierung ist daher nicht nur eine um- fassende Neustrukturierung, Straffung und sprachliche Überarbeitung des Gesetzes von 1988 . Es soll auch Neu- erungen geben, die die Nutzer- und Wissenschaftsfreund- lichkeit verbessern, die Arbeitsfähigkeit im digitalen Zeitalter erhalten und das Gesetz an die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft anpassen . Geplant sind zum Beispiel die Verkürzung der perso- nenbezogenen Schutzfristen von 30 Jahren auf zehn Jah- re nach dem Tod der betroffenen Person und der Wegfall der personenbezogenen Schutzfristen für Amtsträger in Ausübung ihrer Ämter und Personen der Zeitgeschichte . Es soll auch möglich sein, Schutzfristen für Archivgut, das Geheimhaltungsvorschriften des Bundes unterliegt, von 60 Jahren auf höchstens 30 Jahre zu verkürzen . Hier liegt ein guter Entwurf vor . Der Gesetzentwurf dient dazu, die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft zu befriedigen und das Archiv auch im digitalen Zeitalter gut nutzen zu können . Ich möchte an dieser Stelle aber auch auf ein paar kri- tische Punkte hinweisen: Unter anderem vor dem Hintergrund einer möglichen Überführung der Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv müssen wir darauf achten, dass der Anspruch aller Bür- gerinnen und Bürger gegenüber Behörden auf Zugang zu amtlichen Informationen nicht mit den Schutzfristen des BArchG in Konflikt kommt. Auch die Zugriffsrechte des Bundesarchivs müssen sorgfältig abgewogen werden . Das Bundesarchiv muss Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19009 (A) (C) (B) (D) weitreichende Rechte innehaben, keine Frage . Gleichzei- tig ist auch sicherzustellen, dass durch die Neuregelung dem Bundesarchiv keine zu weitreichenden Kompeten- zen zugesprochen werden, die zulasten von Regional- und beispielsweise Parteiarchiven gehen könnten . Unklar ist auch noch der Umgang mit Akten von Per- sonen mit mehreren Ämtern, zum Beispiel Ministern, die gleichzeitig wichtige Parteipositionen innehaben . Welches Amt zählt hier mehr, und wo werden die Akten aufbewahrt? Es muss auf jeden Fall verhindert werden, dass Bestände auseinandergerissen und infolgedessen historische Zusammenhänge nicht mehr erkannt werden können . Wie Sie sehen, gibt es noch ein paar offene Punkte, die wir klären müssen . Wir werden deswegen im Ausschuss für Kultur und Medien eine Fachanhörung mit Expertin- nen und Experten durchführen und den Gesetzentwurf an der einen oder anderen Stelle noch überarbeiten . Sigrid Hupach (DIE LINKE): Dass die Neuregelung des Archivgesetzes zu so später Stunde aufgesetzt ist, be- fördert leider das gängige Klischee der verstaubten Ak- ten, die sich in stickigen Kellern stapeln und für die sich bis auf ein paar wenige Archivare niemand interessiert . Diese Sicht verkennt jedoch, welche Bedeutung Archive haben und wie weitreichend das Bundesarchivrecht ist . Archive tragen für die Überlieferung all dessen Verant- wortung, worauf kommende Generationen ihre Interpre- tationen unserer Zeit, unseres Tuns gründen . Und nicht zuletzt ermöglichen Archive auch die Kontrolle von Re- gierungs- und Verwaltungshandeln . Welche Fragestellungen in 30, in 50, in 100 Jahren re- levant sein werden, das kann heute niemand wissen . Da- her ist es umso wichtiger, dass es qualifiziertes Personal an einer unabhängigen Stelle gibt, das die Bewertung der verschiedensten Unterlagen neutral vornehmen und ent- scheiden kann, was im Archiv verbleibt und was kassiert wird . Für diese verantwortungsvolle Arbeit braucht es eine gute Ausbildung und es braucht vor allem Unabhän- gigkeit, insbesondere von den Stellen, die die Unterlagen produziert haben . Dass die Novellierung des Archivgesetzes aus dem Jahr 1988 nun endlich angegangen wird, ist überfällig, erst recht im digitalen Zeitalter . Die Digitalisierung bietet ja nicht nur eine größere Benutzerfreundlichkeit, da die Bestände der Archive leichter zugänglich sind . Sie hat vor allem auch die gesamte Kommunikation beeinflusst und somit das Entstehen von Unterlagen, die in vielen Fällen nur noch digital vorliegen . Der Anpassungsbedarf ist hier also besonders groß und besonders vielfältig . Nur zwei Aspekte sollen diese Breite umreißen: Ins Bundesarchivgesetz gehört für uns ein expliziter Auftrag zur Digitalisierung von Inhalten – und das gehört eingebettet in eine gesamtstaatliche Digitalisierungsstra- tegie, wie wir Linken sie seit langem fordern . Aber auch für den Datenschutz stellen sich durch die Digitalisierung neue Herausforderungen: Wir sind heute selbst sehr darauf bedacht, mit unseren persönlichen Da- ten zurückhaltend umzugehen . Das sollten wir auch im Umgang mit personenbezogenen Daten aus vergangener Zeit tun – erst recht, da sich durch die Digitalisierung ganz andere Möglichkeiten bieten, Informationen mitei- nander zu verknüpfen . Gerade in der pädagogischen Ar- beit hat es sich bewährt, anhand einzelner Schicksale die Dimension der NS-Verfolgung ganz konkret zu machen und den Opfern ihren Namen zurückzugeben . Jedoch heißt das nicht, dass man von der Person alles Private öf- fentlich machen darf, was in den zugänglichen Akten zu finden ist. Hier brauchen wir gerade auch für die vielen ehrenamtlichen Engagierten eine fundierte Begleitung durch ausreichend Personal in den Archiven . Maßgeblich ist, dass das neue Gesetz den Zugang zu den Akten erleichtert – im Sinne von mehr Transparenz und erst recht für wissenschaftliche Zwecke . Jedoch erweist sich der vorliegende Gesetzentwurf an so man- cher Stelle eher als forschungshemmend . Problematisch sind zum Beispiel die fehlende Definition der „Dritten“, so schwammige Formulierungen wie „Entstehung der Unterlagen“ oder „Menschenrechtsverletzung“ bei den Schutzfristenregelungen oder aber auch die Tatsache, dass die abgebende Stelle weiterhin mitreden darf, ob eine Sperrfrist verkürzt wird oder nicht . In den vergangenen 30 Jahren sind die Ansprüche an Transparenz und Informationsfreiheit enorm gewachsen, denen ein neues Bundesarchivgesetz genügen muss . Ge- nau das aber tut es in der vorliegenden Fassung nicht . Mit der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) wurde auch das Bundesarchivgesetz entsprechend geändert, indem eine Ausnahme von der Schutzfrist for- muliert wurde für Unterlagen, die bereits einem Infor- mationszugang nach IFG offengestanden haben . Im Un- terschied dazu bezieht sich der vorliegende Entwurf nun nur auf diejenigen Unterlagen, für die die Einsicht auch gewährt worden ist . Das heißt also, dass Unterlagen, für die das Recht auf Informationsfreiheit noch nicht genutzt wurde, nach Überführung ins Archiv 30 Jahre lang unzu- gänglich bleiben . Das darf im Sinne von mehr Transpa- renz auf keinen Fall so bleiben! Auch sollten wir uns über die Aufgabenbestimmung des Bundesarchivs noch genauer verständigen . Sicher, das Bundesarchiv ist ein Archiv für die Unterlagen des Bundes und seiner Behörden, und es ist gut, dass mit dem Gesetzentwurf klarere Pflichten an die abgebenden Stellen formuliert werden . Auch begrüßen wir, dass die Akten des Auswärtigen Amtes dem Bundesarchivgesetz unterstellt werden . Abgesehen vom Verwaltungshandeln ist das Bundes- archiv jedoch auch eine Gedächtnisinstitution der ge- samten Gesellschaft . So ist es positiv, dass sich in der Gesetzesbegründung auch der Bezug zur Sozial-, Kultur- und Geistesgeschichte findet, also auch Privatpersonen oder nichtstaatliche Organisationen ins Blickfeld rücken . Hierbei brauchen wir aber klare Regeln, welche Stellen ihre Unterlagen abgegeben müssen und welche es ledig- lich können, wenn sie denn wollen . Legt man dieses weite Verständnis zugrunde, sind die Aufgaben im Gesetzentwurf jedoch an vielen Stel- len zu eng gefasst, zum Beispiel beim filmischen Erbe. Der Film ist ein dem Buch gleichwertiges Kulturgut und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619010 (A) (C) (B) (D) das Filmerbe ein zentraler Teil unseres kulturellen Ge- dächtnisses . Daher fordern wir Linke seit Jahren eine Pflichtexemplarregelung ähnlich wie für Bücher bei der Deutschen Nationalbibliothek . Schon in der letzten Le- gislatur haben wir das thematisiert und auch in diesem Jahr in unseren beiden Anträgen zur Filmförderung und zur Sicherung des Filmerbes . Mit der Novellierung des Bundesarchivgesetzes sollten wir die Chance nun end- lich nutzen, den Film so wie das Buch zu schützen und den Zugriff auf alle öffentlich aufgeführten Filme, seien es nun Kurz- oder Spielfilme, Kultur- oder Dokumen- tarfilme, Animations- oder Werbefilme, mit Hilfe einer Hinterlegungspflicht zentral im Bundesarchiv zu ermög- lichen . Im vergangenen Jahr hatte sich auch die Experten- kommission zur Zukunft der Stasiunterlagenbehörde ausführlich mit den Anforderungen an ein neues Bundes- archivgesetz beschäftigt . Es ist sehr bedauerlich, dass die Koalition deren Empfehlungen sang- und klanglos in der Schublade hat verschwinden lassen . Mit der Überfüh- rung ins Bundesarchiv hätten sich die Akten gerade nicht geschlossen, sondern wären vielmehr einer umfassenden Analyse im Gesamtkontext der Überlieferung zur SBZ/ DDR erst geöffnet worden . Zuletzt noch zu einer Neuregelung, die wir Linke für unnötig und hoch problematisch halten und die das eingangs beschriebene Gebot zur Unabhängigkeit kon- terkariert, nämlich die Fachaufsicht der Beauftragten für Kultur und Medien . Im Entwurf ist nämlich nicht eindeu- tig geklärt, dass diese Fachaufsicht keinen Einfluss auf die Bewertungsentscheidungen im Bundesarchiv haben wird . Diese Neuregelung bekommt außerdem ein beson- deres Geschmäckle, wenn man sie in Beziehung zu den Ausnahmeregelungen für die Abgabe von Unterlagen der Nachrichtendienste setzt . Nachdem die Unabhängi- ge Historikerkommission zur Geschichte des BND ihre Arbeit abgeschlossen hatte, sollten die Akten aus der Frühzeit des BND eigentlich ins Bundesarchiv überführt werden . Nun wird im Gesetz aber formuliert, dass die Unterlagen der Nachrichtendienste dem Bundesarchiv nur anzubieten sind, wenn dem keine schutzwürdigen In- teressen der bei den Nachrichtendiensten beschäftigten Personen entgegenstehen . Diese sehr dehnbare Formu- lierung stellt einen verhängnisvollen Rückschritt dar und leistet der schon viel zu lange währenden Geheimhal- tungstaktik auch noch Vorschub . Gerade angesichts des vielfältigen Versagens der Nachrichtendienste bei der Aktenführung und Archivierung, wie es zuletzt auch im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex zutage getre- ten ist, ist diese Ausnahmeregelung völlig inakzeptabel . Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung, die die Akteneinsicht nach 30 Jahren auch bei Unterlagen der Nachrichtendienste sicherstellt . Im parlamentarischen Prozess sind also noch einige hochspannende Fragen zu klären . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ sang die deut- sche Hip-Hop-Band Freundeskreis . Der Gesetzentwurf für eine Neuregelung des Bundesarchivrechts soll theo- retisch genau dies ermöglichen: dass wir unser Ohr auf die Schiene der Geschichte legen . Dieser Gesetzentwurf ist überfällig . Die zahlreichen Informationsfreiheitsge- setze und die fortschreitende Digitalisierung in unserer Gesellschaft bedingen ein Update des Bundesarchivge- setzes . Als Filmpolitikerin schaue ich natürlich auch auf die Sicherung und Digitalisierung des nationalen Filmerbes . Viele Experten befürchten, dass die aktuell brennenden Fragen des Filmerbes im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht ausreichend berücksichtigt oder thematisiert wer- den . Ich teile diese Befürchtung . So ist beispielsweise die Definition „Kinofilm“ eine sehr enge. Was aber ist mit dokumentarischem Filmmaterial, das oft gar nicht für eine öffentliche Aufführung in einem Kino gedacht, aber als Zeitdokument von besonderer Bedeutung ist? Gera- de dieses sollte in einem Bundesarchiv für die Nachwelt verwahrt werden. Wenn nicht Dokumentarfilme, was denn dann? Und was ist mit DVD- oder Heimvideoma- terial, das auch nicht unter die Kategorie Kinofilm fällt? Bei meinem Besuch im Bundesarchiv in Koblenz Mit- te August kam die Kassationspraxis, also die kontinuier- liche Vernichtung von originalem Nitrofilmmaterial zur Sprache . Danach wurden bereits digitalisierte Filme ver- nichtet, ohne dass diese viele Jahre gängige Praxis infra- ge gestellt wurde . Im Bundesarchiv glaubte man, sie sei- en aufgrund der Explosionsgefahr von Nitrofilmen nach dem Sprengstoffgesetz zur Vernichtung verpflichtet. Erst aufgrund meiner Anfrage bei der Beauftragten für Kultur und Medien wurde diese Praxis gestoppt . Die rechtlichen Grundlagen für die Kassation werden jetzt geprüft . Es wurden aber auch Filme, die vom Bundesarchiv als nicht erhaltenswertes Filmerbe eingestuft, vernichtet . Das macht deutlich, dass wir uns dringend darüber ver- ständigen müssen: Welche Originale und wie viel Film- material soll erhalten werden? Wer entscheidet eigentlich darüber, welche Filme vernichtet werden und welche „ar- chivwürdig“ und „kultur- und filmhistorisch besonders bedeutsam“ sind? Ich teile die Haltung des deutschen Ki- nemathekverbunds, dass auch eine analoge Archivierung der Originale wünschenswert ist . Die Originale transpor- tieren Informationen, die digital verloren gehen . All diese drängenden Fragen werden in dem vorlie- genden Gesetzentwurf überhaupt nicht angesprochen . Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf . Und mit Digitalisierung alleine ist es ja auch nicht getan . In diesem Bereich lauern viele Probleme, auf die der Entwurf nicht eingeht, zum Beispiel, in welchem Format die Filme gespeichert werden sollen . Es gibt der- zeit in Deutschland kein Standardarchivformat für Filme . Nebenbei: Die Bundesregierung hat uns seit 2015 eine umfassende Digitalisierungsstrategie im Filmbereich versprochen . Auf die Umsetzung warten wir noch heute . Und die Frage der Finanzierung für die Digitalisierung ist auch immer noch ungeklärt . Das ist zu wenig . Nun geht es im vorliegenden Entwurf ja nicht nur um Filmerbe . In seinem Wesen ist das Bundesarchivrecht ein Informationszugangsgesetz . Und durch genau diese Brille müssen wir den Gesetzentwurf auch kritisch be- trachten . Ein besonders wichtiger Punkt hierbei ist die Schutzfrist für Archivgut . Unterlagen, die bereits mithil- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19011 (A) (C) (B) (D) fe des Informationsfreiheitsgesetzes für die Öffentlich- keit zugänglich waren, dürfen bei der Übergabe an das Bundesarchiv nicht wieder unzugänglich gemacht wer- den . Die Erstreckung der Zugangsregelungen auch auf das politische Archiv des Auswärtigen Amtes sollten wir zum Anlass nehmen, den Zugang zu anderen politischen Archiven und nachgeordneten Behörden von Bundesmi- nisterien zu ermöglichen . Das schließt das Archiv des BND ein . Wenn wir bedenken, wie viele Akten bereits in den Behörden unserer Geheimdienste auf ungeklärte Weise verschwunden oder vernichtet wurden, halte ich das für dringend erforderlich . Auch mit vielen weiteren Themen müssen wir uns noch beschäftigen, wie unter anderem mit der Privati- sierung von Akten und deren Auslagerung, Datenschutz- und E-Government-Fragen, Anbietungspflicht von Mel- deregistern und der Zugänglichmachung von Meldedaten für Big Data und vielen anderen . Sie sehen, es liegt noch einiges an Arbeit und Diskussion vor uns . Wir müssen bei der Behandlung der Novelle zum Bun- desarchivrecht große Sorgfalt walten lassen, damit am Ende nicht nur wir, sondern auch unsere Nachkommen ihr Ohr auf die Schiene der Geschichte legen können . Monika Grütters, Staatsministerin bei der Bundes- kanzlerin: Das Bundesarchiv, das in Deutschland die Aufgaben eines Nationalarchivs wahrnimmt, ist so etwas wie das Gedächtnis unseres Staates: Hier wird Schriftgut der Bundesbehörden aufbewahrt – Dokumente, Vorla- gen, Briefe und Akten –, und zwar nicht nur und nicht in erster Linie zur Dokumentation administrativer Prozesse, sondern auch und vor allem zum Zweck der Nachvoll- ziehbarkeit politischer Entscheidungen . Das Bundesarchiv stellt die Transparenz staatlichen Verwaltungshandelns sicher und hilft uns, den Kontext, die Motive und Gründe früherer politischer Entscheidun- gen und historischer Ereignisse zu verstehen . Das ist eine gewaltige Aufgabe – und eine große Verantwortung . Um dieser Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden, bedarf es einer soliden rechtlichen Grundlage, die auf der Höhe der Zeit ist, und das heißt insbesondere: die der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung trägt . Das be- stehende Gesetz aus dem Jahr 1988 ist dafür nicht länger geeignet . Im Arbeitsalltag des Bundesarchivs erweisen sich viele derzeit bestehende Regelungen als nicht mehr zeitgemäß, gerade mit Blick auf die technischen und da- tenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen . Union und SPD haben deshalb – einem fraktionsübergreifenden Be- schluss des Deutschen Bundestages in der vergangenen Legislaturperiode entsprechend – im Koalitionsvertrag vereinbart, das Bundesarchivgesetz zu novellieren und das Bundesarchiv dabei auch in die Lage zu versetzen, den Anforderungen gerecht zu werden, die sich aus der elektronischen Verwaltung ergeben . Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, brin- gen wir dieses wichtige kulturpolitische Vorhaben nun auf den Weg . Ich freue mich und danke allen Beteiligten, dass uns damit ein – wie ich meine – sachgerechter und ausgewogener Interessenausgleich gelungen ist . Lassen Sie mich die wesentlichen Neuerungen anhand einiger Beispiele erläutern: Erstens: das Bundesarchiv soll durch Überarbeitung der Zugangsregelungen nutzer- und wissenschafts- freundlicher werden . Dazu sieht der Gesetzentwurf zum einen Änderungen hinsichtlich der Schutzfristen vor . Personenbezogene Schutzfristen werden von 30 auf 10 Jahre nach dem Tod der betroffenen Person verkürzt . Sie sollen außerdem für Amtsträger und Personen der Zeitgeschichte wegfallen, soweit nicht ihr schutzwürdiger privater Lebensbereich betroffen ist . Darüber hinaus soll es künftig die Möglich- keit geben, die Schutzfrist für Archivgut, das Geheimhal- tungsvorschriften des Bundes unterliegt, von 60 Jahren auf höchstens 30 Jahre zu verkürzen . Die Ministerien und Ressorts können künftig eine allgemeine Vereinbarung mit dem Bundesarchiv schließen, in der sie auf die bis- her erforderliche Beteiligung im Verfahren der Schutz- fristverkürzung verzichten . Das wird die Bearbeitung der Benutzeranträge im Bundesarchiv vor allem im Interesse der wissenschaftlichen Forschung deutlich vereinfachen . Zum anderen sollen im Sinne einer verbesserten Nut- zerfreundlichkeit künftig nicht nur die Betroffenen selbst Recht auf Auskunft über Unterlagen zu ihrer Person im Archivgut des Bundes haben, sondern nach dem Tod der Betroffenen auch die Angehörigen, wenn sie ein be- rechtigtes Interesse nachweisen können . Das erleichtert beispielsweise die Aufarbeitung individueller Familien- geschichte . Zweitens: Die Arbeitsweise des Bundesarchivs soll zur Stärkung seiner Arbeitsfähigkeit an die Möglichkei- ten und Erfordernisse des digitalen Zeitalters angepasst werden . Dafür gibt es neue Regelungen zum Umgang mit elektronischen Unterlagen . Die Einführung des E-Gov- ernment-Gesetzes und der damit verbundene Übergang von der Papierakte zur elektronischen Akte stellt ja nicht nur die laufende Verwaltung in den Bundesbehörden vor neue Herausforderungen . Auch das Bundesarchiv muss sich mit Blick auf die Langzeitarchivierung originär di- gitaler Daten auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen . Die neuen Regelungen zum digitalen Zwi- schenarchiv des Bundes sind dabei für alle Beteiligten ein Gewinn: Die Bundesbehörden werden künftig bereits im Stadium der Zwischenarchivierung von IT-techni- schen Aufgaben entlastet, während das Bundesarchiv in die Lage versetzt wird, frühzeitig, nachhaltig und fach- gerecht für die digitale Langzeitarchivierung Sorge zu tragen . Mit diesen Neuregelungen machen wir das Bundes- archiv fit für das digitale Zeitalter und erleichtern Wis- senschaftlern und Journalisten, aber auch Privatperso- nen den Zugang zu dem ungeheuren Schatz an Wissen, der dort in Akten und Dokumenten gespeichert ist . „Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen“, hat Winston Churchill einmal gesagt . In diesem Sinne hoffe ich, dass die Novellierung des Bun- desarchivgesetzes uns dabei hilft, den Blick zurück wie auch den Blick voraus zu schärfen, und bitte um Ihre Zu- stimmung zu unserem Gesetzentwurf . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619012 (A) (C) (B) (D) Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes (Ta- gesordnungspunkt 35) Markus Koob (CDU/CSU): Wir haben in Deutsch- land 16 Millionen Kinder, die Kindergeld beziehen, das entspricht einem Auszahlungsvolumen von über 39 Mil- liarden Euro im Jahr . Zurzeit bearbeiten über 8 000 klei- ne und kleinste, dezentrale Familienkassen die Kinder- geldanträge von öffentlichen Bediensteten, also nur rund 13 Prozent aller zu bearbeitenden Anträge in Deutsch- land . Da keine gesetzliche Anmeldungs- und Registrie- rungspflicht besteht, sind keiner Behörde alle Familien- kassen bekannt . Die Bundesagentur für Arbeit verfügt über 14 Familienkassen, die 87 Prozent der Kindergeld- fälle bearbeiten, die restlichen 13 Prozent werden von den übrigen über 8 000 einzelnen Familienkassen des öf- fentlichen Dienstes bearbeitet . Hier besteht ein dringen- der Reformbedarf, um einen modernen und wirtschaft- lichen Verwaltungsvollzug zu schaffen, dem wir mit diesem Gesetzentwurf nur zu gerne nachkommen . Er ist als Maßnahme Teil des vom Bundeskabinett am 4 . Juni 2014 beschlossenen Arbeitsprogramms „Bessere Recht- setzung 2014“ für eine bürgerfreundlichere Verwaltung . Das uns heute vorliegende Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes ist hauptsächlich eine Strukturreform der Zu- ständigkeiten . So wird durch dieses Gesetz zum Beispiel die Zuständigkeit für das Bundesamt für Zentrale Diens- te und offene Vermögensfragen vom Bundesministerium des Innern auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen . Hauptziel des Gesetzes ist es aller- dings, die 100 Familienkassen des öffentlichen Dienstes bis 2022 an die Bundesagentur für Arbeit oder das Bun- desverwaltungsamt zu überführen . Im Zuge dessen wird den Ländern und Kommunen die Möglichkeit gegeben, die Zuständigkeiten ebenfalls abzugeben . Im Bereich der Länder kommt es zu keiner automatischen Übertragung, die Sonderzuständigkeit bleibt dort erhalten, und es liegt im Ermessen der Länder, wem sie die Aufgabe übertra- gen . Damit kann sichergestellt werden, dass Familienkas- sen ihre Zuständigkeiten und Aufgaben behalten können, jedoch die kleineren Familienkassen mit sehr geringen Fallzahlen die Zuständigkeit an die Bundesagentur für Arbeit oder das Bundesverwaltungsamt übertragen kön- nen . Durch die geringen Fallzahlen bei den Familienkas- sen des öffentlichen Dienstes sind keine standardisierten Arbeitsabläufe oder Erreichung von Mindeststandards möglich . Zudem muss ein bundesweites, einheitliches Datennetzwerk geschaffen werden, damit Kindergeldda- ten zentral gespeichert werden können und ein Abgleich zwischen den Familienkassen ermöglicht wird . Es wurden Bedenken an mich herangetragen, dass durch dieses Gesetz die Kindergeldbearbeitung von den Bürgerinnen und Bürgern weiter entfernt werde und es die Kontaktaufnahme mit den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern erschweren würde . Dazu kann ich nur sagen, dass die Agentur für Arbeit bereits jetzt schon da- für sorgt, dass von 8 bis 18 Uhr kompetente Sachbearbei- terinnen und Sachbearbeiter für Fragen und Auskünfte kostenlos zur Verfügung stehen . Durch den bundeswei- ten Zugriff auf die elektronischen Kindergeldakten müs- sen die Kindergeldberechtigten außerdem nicht mehr lange auf umfassende Auskunft über ihren Fall warten . Dadurch kann die Wartezeit pro Fall durchschnittlich auf elf Tage reduziert werden . Diese Bedenken muss ich da- her vehement als unbegründet zurückweisen . Der Bundesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht von 2015 veröffentlicht, dass alleine in den Jahren von 2007 bis 2009 1 306 Fälle ermittelt wurden, in denen Kindergeld für dasselbe Kind doppelt ausgezahlt wur- de . Dies entspricht einem Schaden von über 9 Millionen Euro . Diese Fälle werden künftig gerade durch die Zu- sammenlegung der Familienkassen verhindert werden . Es ist klar, dass durch die Überführung kurzfristig er- höhte Kosten entstehen können . Bei der Bundesagentur für Arbeit kommt es zu einem einmaligen Aufwand von rund 22,25 Millionen Euro, bei dem Bundesverwaltungs- amt werden die zusätzlichen Kosten 1,95 Millionen Euro betragen . Mittelfristig wird es jedoch zu Einsparungen von mindestens 8,5 Millionen Euro jährlich kommen – bei jedem Kindergeldfall, der übertragen wird, lassen sich somit 20 Euro einsparen . Der Gesetzentwurf bein- haltet somit nicht nur rein strukturelle Vorteile, sondern bietet auch ganz konkrete Einsparmöglichkeiten im Verwaltungsvollzug . Dies steht ganz im Zeichen einer transparenter organisierten, nachhaltigeren und effizi- enteren Verwaltungsstruktur in Deutschland und findet daher ebenso meine vollste Unterstützung wie das An- gebot webbasierter Antragsformulare, die sowohl dem Anspruch einer modernen, digitalisierten Verwaltung entsprechen als auch den Familien die Antragsstellung um ein Vielfaches erleichtern . Die Reform bietet nicht nur signifikante und zukunfts- orientierte Effizienzvorteile, sondern auch ein nachhalti- ges Einsparpotenzial und ist damit sowohl im Interesse der Familien als auch des steuerzahlenden Bürgers und der steuerzahlenden Bürgerin . Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zu diesem Ge- setzentwurf . Frank Junge (SPD): Was lange währt, wird endlich gut . Dieses bekannte Sprichwort trifft sehr gut auf den vorliegenden Gesetzentwurf zur Beendigung der Son- derzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes zu . An diesem Gesetz haben Bund und Länder fast fünf Jahre gearbeitet . Das Resultat beraten wir heute in erster Lesung im Deutschen Bundestag . Am 4 . Juni beschloss das Bundeskabinett das Arbeitsprogramm „Bessere Rechtssetzung 2014“ . Ziel dieser Maßgaben ist eine effiziente und wirtschaftliche sowie bürgerfreundliche Verwaltung . Das vorliegende Gesetz lässt sich unter diesen Gesichtspunkten nahtlos in dieses Programm einordnen . Wie stellt sich der gegenwärtige Stand dar? In Deutsch- land wird derzeit für mehr als 16 Millionen Kinder ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19013 (A) (C) (B) (D) Kindergeld gezahlt . Hierfür gibt es zwei Strukturebenen in den Verwaltungen, die parallel dafür verantwortlich sind, Kindergeld an die berechtigten Eltern auszuzahlen . Auf der einen Seite sind da 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, welche die Auszahlung für etwa 87 Prozent der Kinder veranlassen . Die übrigen 13 Prozent der Kindergeldfälle betreffen Kinder von Bediensteten des öffentlichen Dienstes . Und die werden von derzeit circa 8 000 einzelnen Familienkassen verwal- tet . Etwa 7 000 dieser Familienkassen bearbeiten weni- ger als 200 Kindergeldfälle, zum Teil sogar lediglich 20 oder 30 . Ein so aufgeblähter Apparat entspricht in keiner Weise einer zeitgemäßen und modernen Verwaltung . Un- tersuchungen zeigen, dass es 80 Prozent der Familien- kassen des öffentlichen Dienstes nicht möglich ist, die Kindergeldzahlungen in einer insgesamt zufriedenstel- lenden Qualität zu bearbeiten . Die Fallzahlen sind hierzu einfach zu gering . Diesen Missstand wollen wir mit dem vorliegenden Gesetz beheben, damit die Kindergeldzah- lungen zukünftig einfacher, effizienter und unbürokrati- scher vonstattengehen können . Erreichen wollen wir das dadurch, indem wir die Familienkassen, die für Angestellte des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes verantwortlich sind, in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesverwaltungsamtes überführen . Zusätzlich wollen wir den öffentlichen Arbeitgebern der Länder und Kom- munen ebenfalls die Möglichkeit geben, ihre Kindergeld- zahlungen an die Bundesagentur für Arbeit auszuglie- dern . Als Ziel haben wir uns das Jahr 2022 gesetzt – bis dahin soll die Überführung vollzogen sein . Drei wichtige Gründe sprechen für dieses Gesetz . Ers- tens entbürokratisieren wir unsere Verwaltung, machen sie effizienter und wirtschaftlicher. Zum Zweiten ist nach einer Zusammenlegung der Familienkassen mit deutlichen Kostenersparnissen zu rechnen . Sicher ist der bis dahin zu leistende Aufwand zum Teil immens . Insgesamt entstehen zum Beispiel für die Konzentration der Familienkassen zunächst Kosten von etwa 25 Millionen Euro, wovon circa 22 Millionen Euro auf die Bundesagentur für Arbeit entfallen . Auch steigen die Ausgaben der BA ab 2022 um insgesamt circa 7,5 Millionen Euro jährlich durch den Anstieg und den erhöhten Arbeitsaufwand in der Bearbeitung der Kinder- geldzahlungen . Dem gegenüber stehen mittelfristige Ein- sparungen bei den öffentlichen Arbeitgebern des Bundes von mindestens 8,5 Millionen Euro jährlich . Perspekti- visch wird die Bearbeitung des einzelnen Kindergeldfalls für die Verwaltung durchschnittlich um 20 Euro pro Jahr günstiger . Zum Dritten wollen wir damit die Betrugsanfälligkeit des aktuellen Systems bekämpfen . In den letzten Mona- ten sind mehrfach Enthüllungen von doppelten Kinder- geldzahlungen ans Licht der Öffentlichkeit gekommen . Heute ist es so, dass eine Familie, bei der der eine Ehe- partner öffentlich Bediensteter und der andere Ehepart- ner in der Privatwirtschaft tätig ist, zweimal Kindergeld für das gleiche Kind beantragen kann . Ob hier Vorsatz zugrunde liegt oder nicht, das ist unzulässig . Allerdings fällt dieser Betrug nicht auf, weil die zuständigen Fami- lienkassen ihre Datenbestände untereinander entweder gar nicht oder nur unzureichend abgleichen . Vor diesem Hintergrund können unrechtmäßige Doppelzahlungen auch immer wegen Systemfehlern passieren . Das geht so nicht . Das alles sind in meinen Augen wichtige Gründe, um mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in vernünftiger Art und Weise Hand anzulegen und die Situation zu verbes- sern . Insofern lade ich Sie alle herzlich ein, dies im par- lamentarischen Verfahren gemeinsam tun . Ich bin mir sicher, dass wir das vorliegende Gesetz über diesen Weg zu einem erfolgreichen Abschluss bringen werden . Susanna Karawanskij (DIE LINKE): In Deutsch- land erhalten Eltern von mehr als 16 Millionen Kindern Kindergeld . Dazu, ob das Kindergeld hoch genug ist oder nicht, kommen wir später noch . Im Jahr 2015 wurden über 39 Milliarden Euro von den Familienkassen ausgezahlt . Es gibt dabei 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, die das Kindergeld für rund 87 Prozent aller Kin- der hier in Deutschland bearbeiten . Daneben gibt es über 8 000 einzelne Familienkassen des öffentlichen Dienstes für die übrigen 13 Prozent . Sie bearbeiten das Kindergeld primär für Kinder von öffentlich Bediensteten . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine Struk- turreform bei den Familienkassen des öffentlichen Dienstes eingeleitet werden . Die Kindergeldbearbeitung in diesen Familienkassen soll zukünftig auf die Bundes- agentur für Arbeit übergehen . Es ist folglich eine Zusam- menführung der Kindergeldbearbeitung bei der Bundes- agentur für Arbeit geplant . Das klingt erst einmal sehr vernünftig . Obwohl man froh sein muss, hier im Hohen Haus kein Dauerschreien der FDP nach Bürokratieabbau hören zu müssen, ist zu konstatieren, dass die angestrebte Verwaltungsvereinfachung sicherlich wünschenswert ist . Zum einen ist eine gleichmäßigere Rechtsanwendung ist durch die Leistung aus einer Hand . Wir hoffen, dass es so zukünftig weniger fehlerhafte Kindergeldfestsetzungen geben wird . Zum anderen kann auf mittlere Sicht auch einiges an Geld eingespart werden . Der Gesetzentwurf sieht aber eine recht lange Übergangsphase vor . Ob der finanzielle Aufwand und die Einsparungen letzten Endes so sein werden, wie im Gesetzentwurf angegeben, wird sich noch zeigen . Doch wann immer von Bürokratieabbau und Kosten- senkungen die Rede ist, muss man auch die andere Seite der Medaille betrachten . Im Gesetz ist zu lesen, dass die Zahl der zuständigen Stellen reduziert wird . Es ist also nicht geplant, jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter auf eine andere Planstelle zu setzen . Schon in der Über- gangsphase drohen erste Entlassungen, getarnt als Um- strukturierungsmaßnahme . Kurzum: Bei Umsetzung die- ses Gesetzentwurfs fallen Arbeitsplätze weg . Dies ist ein sehr harter Preis für die gerade beschriebenen Einsparun- gen . Dies bereitet uns böse Bauchschmerzen und kann die Linke nicht dem Gesetzentwurf zustimmen lassen . Nun ging vor kurzem durch die Medien, dass Finanz- minister Schäuble das Kindergeld um 2 Euro monatlich erhöhen möchte . Das ist doch der blanke Hohn . Für Geringverdiener oder Alleinerziehende verpufft doch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619014 (A) (C) (B) (D) diese winzige Erhöhung geradezu . Hier verstärkt sich mein Eindruck, dass der Bundesregierung die aktuellen Zahlen zur Kinderarmut in Ost- wie in Westdeutschland überhaupt nicht geläufig zu sein scheinen. Im Osten Deutschlands kommen beispielsweise 21,6 Prozent der Kinder aus Hartz-IV-Haushalten, also rund jedes fünfte Kind . 2 Millionen Kinder leben in einem reichen Land wie Deutschland in Armut – Tendenz steigend . Setzen Sie doch auch dafür ihre gestern im Finanzausschuss so hoch gelobten „sprudelnden Steuereinnahmen“ ein . Aber das tun Sie gerade nicht . Ihre Politik folgt der Prämisse: „Arm bleibt arm. Basta.“ Doch damit finden wir als Lin- ke uns nicht ab . Aus diesem Grund haben wir nun einen Aktionsplan gegen Kinderarmut, Bundestagsdrucksa- che 18/9666, ganz frisch in den Bundestag eingebracht . Denn uns ist jedes Kind gleich viel wert . Lesen Sie sich einfach diesen Aktionsplan durch; es lohnt sich . Wir sprechen uns nicht nur für eine eigenständige Kinder- grundsicherung aus, sondern fordern auch flankierende Maßnahmen, die Eltern aus der Armut führen – denn Kinderarmut ist meist Einkommensarmut der Eltern –: einen höheren Mindestlohn, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine sanktionsfreie Mindestsi- cherung und eine deutliche Erhöhung des Kindergeldes, das dann die Familienkassen aus einer Hand auszahlen sollen . Dies ist ein kleiner Ansatzpunkt, den Reichtum unserer Gesellschaft gerechter zu verteilen . Und der tut dringend not . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 1 . September 2016 titelte die Bild-Zeitung: Staatsdiener kassierte 15,5 Jahre doppelt . Worum ging es dabei? Um Kindergeldbetrug . Elternpaare, bei denen einer von bei- den verbeamtet ist, hatten sich jahrelang das Kindergeld doppelt auszahlen lassen: einmal von der Familienkasse des öffentlichen Dienstes, zum anderen von der Bun- desagentur für Arbeit . Möglich war das, weil eben zwei Familienkassen für die Familie zuständig waren und sie nicht miteinander kommunizierten . Der eigentliche Skandal ist aber: Diese Betrugsfälle sind seit dem Jahr 2009 bekannt . Da hat der Bundesrech- nungshof darauf hingewiesen . Auch ich habe mehrmals danach darauf aufmerksam gemacht, aber die Bundesre- gierung hat nicht reagiert . Scheinheilig hat sie zwar dann 2014 das Gesetz zum Kindergeld geändert – aber das we- gen angeblichen Missbrauchs durch Ausländer, von Be- amten war keine Rede! Es wurde beschlossen, die Identi- fikationsnummer des Kindes abzugleichen, aber das erst ab 2016 – warum, ist völlig unverständlich! Es ist ein Skandal, dass der Kindergeld-Betrug noch so lange nach Bekanntwerden möglich war, nicht nur, weil das Gesetz so spät greift, sondern weil zwischen den verschiedenen Familienkassen nicht schon seit 2009 ein Datenabgleich erfolgte, um Missbrauch zu vermeiden . Die Bekämpfung des Betrugs durch die eigenen Beamten scheint bei der Regierung keine Priorität zu haben . Der nun vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Been- digung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes steht offensichtlich im Zusammen- hang mit dem Kindergeldbetrug . Denn er wurde durch den Wildwuchs bei den Familienkassen erst möglich . Während 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit den Löwenanteil aller Kindergeldfälle bearbeiten, sind für die Kinder von öffentlich Bediensteten tatsäch- lich 8 000 einzelne Familienkassen zuständig . Ich wie- derhole: 8 000 Kassen nur für Kinder von Beamten . Sie bearbeiten gerade einmal 13 Prozent der Kindergeldbe- rechtigten im Land . Das steht in einem grotesken Miss- verhältnis . Auch das monierte der Bundesrechnungshof im Hinblick auf die Effizienz bereits schon vor vielen Jahren . Deshalb halte ich die Richtung des Gesetzentwurfes – so spät er kommt – für unumgänglich . Die Vielzahl an Kassen ist nicht zu rechtfertigen . Die Auszahlung von Kindergeld ist keine besondere Dienstleistung . Das Ne- beneinander der Familienkassen ist nicht nur bürokra- tisch und ineffizient, es ist auch missbrauchsanfällig. Deshalb sollten die 8 000 Familienkassen für Beamte schließen . Natürlich geht das nicht von heute auf mor- gen – es braucht Zeit, das Personal in sinnvoller und so- zialer Weise umzuschichten . Aber tun Sie uns den Gefallen und vergeuden Sie nicht weitere sieben Jahre! Wenn ein Staat den Betrug seiner Staatsdiener nicht entschieden bekämpft, dann schadet er damit am meisten seinem eigenen Ruf . Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen: Das Bundeskabinett hat am 18 . Mai 2016 den Gesetzentwurf zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentli- chen Dienstes im Bereich des Bundes beschlossen . Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen die rund 100 Familienkassen im Bereich des Bundes bei der Bun- desagentur für Arbeit oder dem Bundesverwaltungsamt konzentriert werden . Der Bund geht damit den ersten Schritt zur Reduzierung der vielen in Deutschland tätigen Familienkassen . Dieser soll im Jahre 2021 abgeschlossen sein . Auch die Länder und Kommunen erhalten die Mög- lichkeit, die Kindergeldbearbeitung an die Bundesagen- tur für Arbeit abzugeben . Dazu wird gesetzlich eine Option aufgenommen, mit der Familienkassen der Kom- munen und der Länder auf ihre Zuständigkeit zugunsten der Bundesagentur für Arbeit verzichten können . Die Option gilt über das Jahr 2021 hinaus . Mit dem Zustän- digkeitswechsel wird die Bundesagentur für Arbeit mit ihrem Personal die Kindergeldbearbeitung für den öf- fentlichen Dienst der jeweiligen öffentlichen Einrichtung der Kommune oder des Landes übernehmen . Der Bund erstattet der Bundesagentur für Arbeit hierfür die Verwal- tungskosten . In Deutschland wird für mehr als 16 Millionen Kinder Kindergeld ausgezahlt . 87 Prozent aller Kindergeldfälle werden von den 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit bearbeitet . Daneben gibt es mehr als 8 000 Fami- lienkassen für die Beschäftigten des öffentlichen Diens- tes . Diese Sonderzuständigkeit wurde 1975 zunächst nur als Übergangslösung bis Ende 1976 eingeführt, hat sich jedoch bis heute als ausgesprochen „langlebig“ erwiesen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19015 (A) (C) (B) (D) In vielen kleinen Familienkassen ist wegen der gerin- gen Fallzahlen eine Standardisierung der Arbeitsabläufe und damit die Erreichung von Mindeststandards bei der Bearbeitungsqualität schwer . Daher besteht Reformbe- darf . Im Bereich des Bundes wollen wir deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und die Sonderzuständigkeit des öf- fentlichen Dienstes beim Kindergeld beenden . Ab 2022 soll es dann nur noch die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesverwaltungsamt geben . Die Länder und Kommunen werden eingeladen, sich an dieser Reform zu beteiligen . Das heißt, die Familien- kassen des öffentlichen Dienstes können auf ihre Zustän- digkeit verzichten und die Kindergeldbearbeitung auf die Bundesagentur für Arbeit übertragen . Um einen Anreiz hierfür zu setzen, übernimmt der Bund die durch die Übertragung entstehenden laufenden Verwaltungskosten für die Kindergeldbearbeitung bei der Bundesagentur für Arbeit . Länder und Kommunen werden also ganz erheb- lich von Verwaltungskosten entlastet . Neben der Einsparung von Verwaltungskosten ist es das Ziel des Gesetzentwurfs, die Kindergeldbearbeitung in Deutschland insgesamt zu vereinheitlichen sowie mo- derne und effiziente Strukturen der Familienkassen zu schaffen . Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Ände- rung weiterer Vorschriften im Bereich der rechts- beratenden Berufe (Tagesordnungspunkt 36) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Im Bereich der Rechtsberatung setzen wir in Deutschland auf hohe Stan- dards: Angefangen bei der Ausbildung bis hin zu den Rege- lungen des Berufszugangs und der Berufsausübung kön- nen wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir die Mess- latte hoch gesetzt haben . Nicht umsonst gilt insbesondere unsere juristische Ausbildung als eine der schwersten weltweit, und nicht umsonst können wir von einem ver- gleichsweise überdurchschnittlichen Qualitätsniveau in der rechtsberatenden Branche sprechen . Diese Standards gilt es aufrechtzuerhalten und für die Zukunft zu sichern . Gleichermaßen muss es aber auch unser Anspruch sein, unsere Regelungen weiterzuentwi- ckeln und anzupassen . Insbesondere müssen wir zum Ziel haben, die Potentiale des Europäischen Binnenmarkts und die Mobilität der EU-Bürger, die zweifelsohne im- mer mehr auf Bedeutung gewinnt, voll auszuschöpfen . Der vorliegende 248 Seiten umfassende Gesetzent- wurf wird diesen Ansprüchen gerecht . Ausweislich seiner Bezeichnung setzt er europäische Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie um und reformiert damit die berufsrechtlichen Vorschriften im Fall der grenzüber- schreitenden Rechtsberatung . Daneben modernisiert er „weitere Vorschriften“ betreffend das Anwaltsrecht und den Rechtsdienstleistungsmarkt, was tatsächlich die grö- ßeren Auswirkungen haben wird . Kurzum: Mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen sorgt er für die Zukunftsfähigkeit der rechtsberatenden Berufe in Deutschland . Neu geregelt auf Grundlage der Richtlinie wird un- ter anderem die Zulassung zur deutschen Rechtsanwalt- schaft: Wurde bisher zwingend die Ablegung einer Eignungs- prüfung verlangt, prüft das zuständige Landesjustizprü- fungsamt bei EU-Rechtsanwälten künftig, ob es dieser Prüfung tatsächlich bedarf oder ob gegebenenfalls die Qualifikation des Anwalts nicht bereits eine unmittelbare Feststellung der Gleichwertigkeit zulässt . Analog dazu wird auch die Zulassung zur deutschen Patentanwaltschaft künftig geregelt . Auch hier wird also nicht mehr zwangsläufig die Ablegung einer Eignungs- prüfung nötig sein, sondern kann eine gleichwertige Qualifikation vorab festgestellt werden. Ebenfalls auf die Richtlinie zurückzuführen ist die Einführung eines sogenannten „Vorwarnmechanismus“ . Dieser greift bei Berufsverboten und auch dann, wenn ein Gericht festgestellt hat, dass ein Berufsangehöriger zum Zwecke der Anerkennung seiner Berufsqualifikati- on einen gefälschten Berufsqualifikationsnachweis ver- wendet hat . In beiden Fällen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, innerhalb von drei Tagen die anderen Mit- gliedstaaten darüber zu informieren . Unter die „weiteren Vorschriften“, die neu geregelt werden, fällt insbesondere auch eine gesetzliche Klar- stellung in Sachen elektronisches Anwaltspostfach . War es bislang umstritten, inwieweit die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs für die Rechtsanwälte verpflichtend ist, steht nun fest, dass es ab dem 1 . Januar 2018 so ist . Der Gesetzentwurf bietet auch eine Lösung für solche Fälle, in denen ein Rechtsanwalt seine Tätigkeit in un- terschiedlichen rechtlichen Organisationsformen ausübt . Bislang waren die Angaben darüber bei der Rechtsan- waltskammer beschränkt auf die Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigniederlassung“ . Fortan wird es daneben auch den Begriff der „weiteren Kanzlei“ geben, sodass sämtliche Formen anwaltlicher Berufsausübung sachgerecht er- fasst werden können . Erfreulich ist auch, dass man bei den Wahlen zum Vor- stand der Berufskammern das Briefwahlrecht einführt . Diese soll auch elektronisch durchgeführt werden kön- nen . Bisher war die Wahl nur über die Kammerversamm- lung möglich, was regelmäßig zu geringen Beteiligungen führte und damit zu einem Mangel an demokratischer Legitimation . Kritisch sehe ich hingegen die Einführung einer Fort- bildungspflicht für junge Anwältinnen und Anwälte. Sie sollen innerhalb des ersten Jahres nach ihrer Zulassung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619016 (A) (C) (B) (D) hinreichende Kenntnisse über das anwaltliche Berufs- recht nachweisen . Vorgesehen ist dafür der Besuch einer Lehrveranstaltung von zehn Stunden . Kann sie oder er dies nicht nachweisen, droht ihr bzw . ihm eine berufs- rechtliche Sanktion . Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, ist die juristi- sche Ausbildung in Deutschland eine der anspruchsvolls- ten überhaupt . Wir investieren Jahre für das Studium und für den erfolgreichen Abschluss von zwei Staatsexami- na . Ehrlich gesagt, frage ich mich, warum man uns dann noch eine weitere Fortbildung abverlangen muss, damit wir endlich unseren Beruf ausüben dürfen . In anderen reglementierten Berufen ist dies nicht erforderlich . Außerdem erwirbt man mit Absolvierung der zweiten juristischen Staatsprüfung die Befähigung für alle regle- mentierten juristischen Berufe . Wenn man nun weitere Anforderungen an die Ausübung speziell der Anwaltstä- tigkeit stellt – auch wenn diese keine Bedingung für die Zulässigkeit darstellt – bricht man dieses bewährte Sys- tem unnötigerweise auf . Insgesamt handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein sehr umfassendes Paket, das eine gute Grundlage bildet, um das anwaltliche Berufsrecht zu modernisieren . Im weiteren Gesetzgebungsverfahren, das noch in die- sem Jahr abgeschlossen werden soll, kommt es jetzt da- rauf an, noch einmal genau hinzuschauen, wo wir den Entwurf noch nachzubessern haben . Detlef Seif (CDU/CSU): Wir befassen uns heute in erster Lesung mit einem Gesetzentwurf, mit dem Richt- linienvorgaben der Europäischen Union im Bereich der rechtsberatenden Berufe, also der Tätigkeiten der Rechtsanwälte, Patentanwälte und der unter das Rechts- dienstleistungsgesetz fallenden Berufe, in deutsches Recht umgesetzt werden sollen . Die sogenannte EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, um die es hier geht, regelt seit dem Jahr 2005 die Anerken- nung von Berufsqualifikationen, die in anderen Mitglied- staaten der Europäischen Union erworben wurden . Diese Richtlinie wurde vor drei Jahren noch einmal wesentlich überarbeitet . Die darin enthaltenen Vorgaben sollten von den Mitgliedstaaten eigentlich bereits bis zum 18 . Ja- nuar 2016 in nationales Recht umgesetzt werden, was Deutschland bislang versäumt hat . Das Gesetzgebungs- verfahren soll vor diesem Hintergrund nun mit der gebo- tenen Zügigkeit durchgeführt werden . Der Gesetzentwurf selbst sieht eine ganze Reihe von Neuregelungen im Berufsrecht vor, die sich aus der Um- setzung der Berufsanerkennungsrichtlinie ergeben . Er enthält darüber hinaus aber auch berufsrechtliche Rege- lungsvorschläge, die nicht durch EU-Recht vorgegeben sind . Folgende zentrale Änderungen sind hervorzuheben: Neuerungen ergeben sich zunächst im Bereich der Zu- lassung zur Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft . Nach geltendem Recht müssen Rechtsanwälte und Pa- tentanwälte aus anderen Mitgliedschaften, die unmittel- bar zur deutschen Rechtsanwaltschaft bzw . deutschen Patentanwaltschaft zugelassen werden möchten, zur Wahrung eines hohen Niveaus der anwaltlichen Tätigkeit in Deutschland eine Eignungsprüfung ablegen . Zukünf- tig muss vor der Auferlegung einer Eignungsprüfung von den deutschen Zulassungsbehörden geprüft werden, ob eine solche erforderlich ist . Der Zulassungsantrag des eu- ropäischen Rechtsanwalts bzw . des europäischen Paten- tanwalts bezieht sich dann nicht mehr unmittelbar auf die Ablegung einer Eignungsprüfung, sondern zunächst auf die Feststellung der Gleichwertigkeit seiner Berufsquali- fikation mit derjenigen, die für die Ausübung der anwalt- lichen Tätigkeit in Deutschland erforderlich ist . Die zu- ständige Behörde – im Fall der Zulassung zur deutschen Rechtsanwaltschaft ist dies das jeweilige Landesjustiz- prüfungsamt, im Fall der Zulassung zur deutschen Paten- tanwaltschaft ist das Deutsche Patent- und Markenamt zuständig – hat dann zu prüfen, ob die Qualifikationen tatsächlich gleichwertig sind . Konkret bedeutet dies, dass das Landesjustizprüfungsamt bzw . das Deutsche Patent- und Markenamt prüfen muss, ob bestehende Defizite in der Berufsqualifikation durch Berufspraxis oder Weiter- bildungsmaßnahmen vollständig ausgeglichen wurden . Da dies allerdings in der Praxis selten der Fall sein wird, soll die Auferlegung einer Eignungsprüfung für die Zu- lassung zur deutschen Anwaltschaft auch in Zukunft fast immer erforderlich sein . Im Bereich der Dienstleistungsfreiheit ist eine voll- ständig neue Umsetzung der Richtlinienvorgaben für Patentanwälte notwendig . Erstmals sollen die Vorausset- zungen für eine vorübergehende Tätigkeit europäischer Patentanwälte in Deutschland ausdrücklich geregelt wer- den . Die Vorschriften zur Dienstleistungsfreiheit und zur Niederlassungsfreiheit für Patentanwälte sollen in einem neuen Gesetz, dem Gesetz über die Tätigkeit europäi- scher Patentanwälte in Deutschland, zusammengeführt werden . Als Vorbild dient insoweit das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland . Hierzu sollen die Inhalte des Gesetzes über die Eig- nungsprüfung für die Zulassung zur Patentanwaltschaft in Teil 1 des neuen Gesetzes überführt werden . Die neuen Vorschriften über die vorübergehende und gelegentliche Erbringung von Dienstleistungen durch europäische Pa- tentanwälte in Deutschland sind dann in Teil 2 des neuen EuPAG enthalten . Bevor europäische Patentanwälte ihre Tätigkeit in Deutschland aufnehmen, müssen sie eine Meldung an die Patentanwaltskammer abgeben . Darüber hinaus erhalten Patentanwälte sowie rechts- beratende Inkassodienstleister, Rentenberater und Rechtsdienstleister im Zusammenhang mit der Richtlini- enumsetzung einen beschränkten Berufszugang . Dies be- trifft die Fälle, in denen aus deutscher Sicht vorliegende Teilbereiche der genannten Berufe in anderen Mitglied- staaten als eigenständige Berufe ausgeübt werden . Unter bestimmten Voraussetzungen soll der Berufsangehörige seine im EU-Ausland zulässige Tätigkeit zukünftig auch in Deutschland ausüben dürfen, allerdings auch nur die- se . Im Anwendungsbereich der Berufsanerkennungsricht- linie wird schließlich erstmals ein sogenannter Vorwarn- mechanismus geschaffen . Danach sind innerhalb einer Frist von nur drei Tagen alle Mitgliedstaaten vor solchen Rechtsanwälten, Patentanwälten und Berufsträgern nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu warnen, gegen die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19017 (A) (C) (B) (D) ein vorläufiges oder endgültiges Berufsverbot verhängt wurde oder bei denen eine gerichtliche Feststellung darü- ber vorliegt, dass sie im Zulassungsverfahren gefälschte Berufsqualifikationsnachweise vorgelegt haben – eine sinnvolle und wichtige Regelung, wie ich finde. Daneben sollen auch verschiedene Bereiche des Be- rufsrechts der Rechts- und Patentanwälte neu geregelt bzw . angepasst werden, ohne dass EU-Recht dies zwin- gend vorschreibt . Zu erwähnen sind in diesem Zusam- menhang vor allem folgende Regelungsvorschläge: Unterschiedlich beurteilt wird bislang die Frage, ob auch ohne eine gesetzliche Vorgabe in der Bundesrechts- anwaltsordnung eine Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach seitens der Anwaltschaft besteht, insbesondere, ob die Inhaber dieses Postfaches zumindest verpflichtet sind, die für die Nutzung notwen- digen technischen Einrichtungen bereitzustellen und den Empfang von Mitteilungen über das Postfach zu ermög- lichen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll für alle Beteiligten auch diesbezüglich Klarheit geschaffen wer- den: Ab dem 1 . Januar 2018 soll nun für jeden Postfachin- haber eine ausdrückliche berufsrechtliche Verpflichtung zur passiven Nutzung des besonderen elektronischen An- waltspostfaches bestehen . Die Bundesrechtsanwaltskam- mer hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass jedenfalls die technischen Voraussetzungen für die Inbetriebnahme des Systems vorliegen und der Erprobungsbetrieb eigent- lich in wenigen Tagen beginnen könnte, wenn nicht zwei einstweilige Anordnungen des Anwaltsgerichtshofes Berlin die Inbetriebnahme zum jetzigen Zeitpunkt unter- sagen würden . Die nun vorgesehene Einführung einer gesetzlichen Nutzungsverpflichtung ab dem Jahr 2018 dürfte gerade für diejenigen Anwälte von Bedeutung sein, die sich bis- her insbesondere wegen der haftungsrechtlichen Risiken mit Nachdruck gegen die Einführung eines solchen elek- tronischen Postfaches ausgesprochen bzw . sich sogar ju- ristisch gegen die Freischaltung des Postfaches zur Wehr gesetzt haben . Neu zugelassene Rechtsanwälte sollen zukünftig be- rufsrechtlich verpflichtet werden, an einer Lehrveranstal- tung von zehn Wochenstunden zum anwaltlichen Berufs- recht teilzunehmen . In diesem Zusammenhang erhalten die Satzungsversammlungen der Bundesrechtsanwalts- kammer und der Patentanwaltskammer die Befugnis, die Fortbildungspflichten in ihrer jeweiligen Berufsordnung näher auszugestalten . Der Gesetzentwurf schafft zudem die rechtlichen Vo- raussetzungen dafür, dass die Kammermitglieder die Vorstände der Rechtsanwaltskammern und Patentan- waltskammern in Zukunft mittels Briefwahl wählen kön- nen . Zudem soll die Option der elektronischen Briefwahl eingeführt werden . Bislang ist die Wahl des Kammervor- standes nur durch die Kammerversammlung selbst mög- lich . Mit der Briefwahl soll die demokratische Legitima- tion des gewählten Vorstandes gesteigert werden . Schließlich sollen auch einzelne Vorschriften der Bun- desnotarordnung überarbeitet werden . Die Änderungen sind teilweise klarstellend, teilweise aber auch substan- ziell neu . So sollen unter anderem die Vorgaben für An- waltsnotare, die sich mit nicht am Amtssitz tätigen Per- sonen verbunden haben, zur Angabe und zum Führen der notariellen Amtsbezeichnung in Geschäftspapieren und auf Amts- oder Namensschildern neu gefasst werden . Einige Berufsverbände und auch der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates haben sich zu den vorgeschlagenen Regelungen bereits zu Wort gemeldet . Ihre Anliegen, vor allem im Hinblick auf die Aspekte, die über den Umsetzungsauftrag der Europäischen Union hi- nausgehen, gilt es im nun anstehenden parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren eingehend zu prüfen . Hierfür werden wir uns trotz der Eilbedürftigkeit der Umsetzung die notwendige Zeit und Sorgfalt nehmen . Christian Flisek (SPD): Mit dem Umsetzungsge- setz zur Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe behandeln wir heute ein Gesetz, das zahlreiche unterschiedliche Themenfelder umfasst . Das Fehlen des einen bestimmenden Themas in diesem umfassenden Gesetz darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Umsetzungsgesetz – und dies sage ich auch als praktizie- render Rechtsanwalt – zahlreiche in der Praxis wichtige Fragen der Berufsanerkennung und des Berufsrechts um- fasst . Zunächst einmal setzen wir mit dem Umsetzungs- gesetz eine EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung um, deren Umsetzungsfrist leider schon im Januar dieses Jahr abgelaufen ist . Es besteht also ein gewisser Zeitdruck, dem wir uns stellen müssen . Das Ziel der Berufsanerken- nungsrichtlinie ist es, die Regeln für eine Anerkennung insbesondere als Rechtsanwalt in einem anderen Mit- gliedstaat der EU klarer und rechtssicherer zu gestalten, letztlich aber auch die Hürden für eine Anerkennung zu senken . Im Umsetzungsgesetz übernehmen wir dieses Ziel und tragen damit zur Verwirklichung der Grund- freiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfrei- heit bei . Der taxifahrende Rechtsanwalt sollte damit der Vergangenheit angehören. Davon profitiert einerseits der anerkannte Rechtsanwalt aus dem EU-Ausland, der sei- ne Fähigkeiten voll nutzen kann, andererseits aber auch Deutschland als Dienstleistungsstandort und attrakti- ves Ziel für hochqualifizierte EU-Ausländer. Nebenbei wird damit natürlich auch das Zusammenwachsen des EU-Wirtschaftsraums gefördert . Die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, die Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie mit zahl- reichen Änderungen weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe zu verknüpfen, um diese zu modernisieren . Dies ist teilweise auf Kritik gestoßen; von einem überhasteten Vorgehen war und ist teilweise die Rede . Ein zeitlicher Druck lässt sich sicher nicht leugnen, ich halte die Verknüpfung aber dennoch für sinnvoll und angemessen . Denn auch im berufsrechtlichen Bereich stehen wir unter Zeitdruck . Insbesondere zwei Entschei- dungen des Anwaltsgerichtshofs Berlin – die Anwälte in Deutschland haben das aufmerksam verfolgt – ha- ben dafür gesorgt, dass das System des elektronischen Anwaltspostfaches derzeit in ganz Deutschland nicht aktiviert werden kann . Das wäre aber dringend erforder- lich, um die Kommunikationsmethoden von Anwälten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619018 (A) (C) (B) (D) mit Gerichten, Behörden und untereinander endlich ins 21 . Jahrhundert zu befördern . Insofern ist es dann auch richtig, diese Materie zusammen mit anderen Aspekten im Rahmen des Umsetzungsgesetzes anzugehen . Gleich- wohl möchte ich natürlich darauf aufmerksam machen – und auch dies sage ich als Rechtsanwalt, der die Sorgen seiner Kolleginnen und Kollegen ernst nimmt und teilt –, dass wir die Neuerungen im weiteren parlamentarischen Verfahren genau prüfen und evaluieren werden . Eile soll nicht zulasten von Qualität und Sorgfalt gehen . Dies vorweggeschickt, möchte ich heute nur auf ei- nige wenige Einzelaspekte der geplanten Regelungen zum Berufsrecht eingehen, die bisher für besonders viel Gesprächsstoff und Diskussionen gesorgt haben . Dies schließt die Prüfung anderer Punkte im kommenden par- lamentarischen Verfahren natürlich nicht aus . Zunächst sollen Kurse zum Berufsrecht verpflichtend werden. Ich halte dies für sinnvoll . Das Berufsrecht ist bei rechtsbera- tenden stärker als bei anderen Berufen mit der beratenden Tätigkeit selbst verknüpft . Man kann ein guter Arzt sein, ohne sich im Arztrecht auszukennen; gute Anwälte ohne Kenntnisse vom anwaltlichen Berufsrecht sind hingegen kaum vorstellbar. Insofern glaube ich, dass verpflichten- de Kurse zum Berufsrecht essenziell sind für die Qualität der Rechtsberatung in Deutschland insgesamt . Nur am Rande sei bemerkt, dass ich – anders als der Bundesrat – nicht der Auffassung bin, diese Kenntnisse müssten be- reits vor dem zweiten Staatsexamen vermittelt werden, das schon jetzt extrem breit gefächert ist . Mit anwaltli- chem Berufsrecht sollten sich nur Anwälte beschäftigen müssen . Ferner soll der Umfang der verpflichtenden Fortbil- dung erweitert werden auf 40 Stunden pro Jahr, wobei eine Nachweispflicht nur für zehn Stunden pro Jahr be- stehen soll; bei fehlender Fortbildung sollen unter ande- rem Bußgelder drohen . Auch dies halte ich im Grunde für angemessen. Wenn man sich die Fortbildungsverpflich- tungen für Ärzte anschaut, wird man feststellen, dass die geplanten Regelungen moderat sind . Und eine Fortbil- dungspflicht ohne entsprechenden Druck zur tatsächli- chen Durchsetzung der Verpflichtung ist inkonsequent. Das Umsetzungsgesetz enthält darüber hinaus Klärun- gen zur Rentenbefreiung für Syndikusanwälte . Ihnen sol- len mit Blick auf ihre Rentenversicherungspflicht keine Nachteile darauf erwachsen, dass sich ihre Zulassungs- verfahren verzögern . Der Gesetzgeber hat Syndikus- rechtsanwälten vor nicht allzu langer Zeit die Versiche- rung in den anwaltlichen Versorgungswerken ermöglicht . Syndizi müssen bei Tätigkeitswechseln anders als nor- male Rechtsanwälte öfter ein kammerrechtliches Zulas- sungsverfahren durchlaufen; es ergibt keinen Sinn, sie während der Zulassungsverfahren zur Leistung von Ren- tenversicherungsbeiträgen zu zwingen, aus denen für sie aufgrund der Kürze der Leistungszeit keine Ansprüche erwachsen . Niemand wird von Syndikusrechtsanwälten verlangen können, Rentenversicherungsbeiträge gewis- sermaßen aus dem Fenster zu schmeißen . Gleichwohl ist es natürlich richtig, dass wir genau prüfen, welche Fol- gen sich aus der geplanten Rückwirkung der Mitglied- schaft in den Rechtsanwaltskammern für die sonstigen Rechten und Pflichten des Kammermitglieds ergeben. Lassen Sie mich schließlich auf die Nutzungspflicht für das elektronische Anwaltspostfach ab 2018 eingehen . Ich weiß, dass dieses Thema viele Anwälte umtreibt . Es handelt sich ja auch um einen äußerst sensiblen Bereich . Trotz der deswegen gebotenen Vorsicht unterstütze ich die Nutzungspflicht ab 2018. Andere Länder sind bei Di- gitalisierung der Kommunikation im Rechtswesen schon viel weiter als Deutschland . Wir haben hier erheblichen Nachholbedarf und sollten uns weitere Verzögerungen nicht erlauben . Und ich glaube, dass die Vorgaben mit gutem Willen auch umsetzbar sind . Insgesamt meine ich, dass wir zwar noch einige As- pekte in diesem Gesetz genauer prüfen müssen . Es han- delt es sich wie um einen hochsensiblen Bereich, und nicht umsonst sieht das Bundesverfassungsgericht ein funktionierendes Rechtswesen, zu dem auch ein sorg- fältig gestaltetes Berufsrecht gehört, als ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut an . Mit dem Regierungsent- wurf sind wir aber auf einem sehr guten Weg, und ich glaube, dass wir hieran in den kommenden Wochen bei den noch anzupackenden, eher rechtstechnischen Proble- men gut anknüpfen können . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Und wieder mal eine Protokollrede . Zugegeben, diese Rede sollte ich ei- gentlich in der Nacht zum Freitag bzw . Freitag früh um 4 .55 Uhr halten . Da sich erfahrungsgemäß dann kaum ein Zuschauer oder Hörer live informiert und die Anwe- senheit im Plenarsaal stark zu wünschen übrig lässt, habe ich mich dazu durchgerungen, noch einmal eine Proto- kollrede abzugeben . Ich hoffe, dass meine nachstehend angeführten Kritikpunkte in die Beratungen einfließen. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt . In erster Linie handelt es sich hier um ein begrüßens- wertes Vorhaben, das an vielen Stellen lange geforderte und auch sinnvolle Änderungen mit sich bringt . Auch können die vorgenommene sprachliche Straffung und verbesserte Gliederung positiv hervorgehoben werden . Bei den geplanten Änderungen in der Bundesrechts- anwaltsordnung, BRAO, ist insbesondere die neu ein- geführte Pflicht, im Zusammenhang mit der Zulassung Kenntnisse im anwaltlichen Berufsrecht nachzuweisen, erfreulich . Die Regelung wird dem Verbraucher qualita- tiv hochwertige Rechtsberatung durch Anwälte sichern . Um den Start in die Anwaltstätigkeit nicht zu sehr zu er- schweren, kann die Teilnahme an den Lehrveranstaltun- gen auch noch nach der Zulassung im ersten Jahr mög- lich sein . Dies scheint eine sinnvolle Regelung zu sein . Auch die geplante Einführung des Begriffes der weiteren Kanzleien neben den Begriffen der Kanzleien und der Zweigstelle ist begrüßenswert . Dies schärft die Möglich- keiten der Differenzierung . Genauer betrachtet wird man jedoch feststellen, dass der Gesetzentwurf noch zu viele Schwachpunkte auf- weist . Die vorgeschlagenen Änderungen des anwaltli- chen Berufsrechts verlangen eine intensivere Befassung mit den aktuellen und zukünftigen Regelungen und de- ren Umsetzung in der anwaltlichen Berufspraxis sowie durch die regionalen Rechtsanwaltskammern . So sollte das Verhältnis von dem Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger nach § 53a StPO-E zu der Verlet- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19019 (A) (C) (B) (D) zung des Privatgeheimnisses nach § 203 StGB konkreti- siert werden . Am 26 . Oktober 2015 entschied der Bun- desgerichtshof, dass ein Anwalt nicht verpflichtet ist, ein Schreiben des gegnerischen Anwalts entgegenzunehmen, wenn dies dem Interesse seines Mandanten zuwiderläuft . Begründet wurde dies mit der mangelhaften Kompetenz in der Satzungsversammlung . Mit dem Gesetzentwurf wird dieser nun die Kompetenz zur Regelung zugewie- sen . Jedoch sollte es dabei der Satzungsversammlung auch gerade möglich sein, zu regeln, dass eine Annahme- pflicht nicht besteht. Dies sollte im Gesetzentwurf klar- gestellt werden . Bezüglich der Änderungen des Gesetzes über die Tä- tigkeit der europäischen Rechtsanwälte, EuRAG, will ich insbesondere auf zwei Regelungen, neue Regelungen eingehen . Der Gesetzentwurf sieht hier vor, dass euro- päische Rechtsanwälte zukünftig nicht zwangsläufig eine Prüfung ablegen müssen, um zugelassen zu werden . Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass die deutschen Ex- amina umgangen werden, indem über ein anderes Land der Zugang gesucht werden kann . Die hohen Standards hier könnten so zum Nachteil der Verbraucher umgan- gen werden . Daneben sieht der Entwurf vor, für europä- ische Rechtsanwälte Postfächer auf Antrag einzurichten . Dies ist jedoch systemfremd und sollte daher abgelehnt werden . Nach der Konzeption ist die Einrichtung eines Postfaches allein aufgrund der Datenübertragung aus dem von Rechtsanwaltskammern geführten Verzeichnis- ses sinnvoll . Bei europäischen Anwälten ist keine Rück- kopplung mit der Heimatkammer möglich, sodass nicht nachvollzogen werden kann, ob der Inhaber des Postfa- ches auch tatsächlich noch als Anwalt zugelassen ist . Die bisher bestehende Sicherheit würde damit also verloren gehen . Es sollte bei der Errichtung über die Kammern bleiben, um die guten Standards zu erhalten . Alles in allem wird sich meine Fraktion daher zu einer Zustimmung nicht durchringen können . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Berufsanerkennungs- richtlinie und zur Änderung weiterer berufsrechtlicher Vorschriften soll das Berufsrecht von Rechtsanwälten, Patentanwälten und der unter das Rechtsdienstleistungs- gesetz fallenden Berufe an die Berufswirklichkeit ange- passt und zukunftsfähig gemacht werden . Dabei wird nicht nur der deutsche Rechtsdienstleistungsmarkt ins Auge gefasst, sondern auch die grenzüberschreitende Er- bringung von Rechtsdienstleistungen . Alles soll vernetz- ter und moderner werden . Das ist im Großen und Ganzen zu begrüßen . Aller- dings möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, dass es nicht sein kann, dass komplexe Gesetzentwürfe wie dieser im parlamentarischen Eilverfahren durchge- paukt werden, nur weil die Bundesregierung zuvor bei der Richtlinienumsetzung getrödelt hat . Schließlich um- fasst dieser Entwurf auch zahlreiche und gewichtige Än- derungen des anwaltlichen Berufsrechts . Bei dem Gesetzesvorhaben geht es darum, das Berufs- recht zukunftsfähig und praxisnah zu gestalten und die Selbstverwaltung der Anwaltschaft zu stärken . Es geht aber auch darum, den Verbraucherschutz zu gewährleis- ten und die hohe Qualität der Rechtsdienstleistungen zu sichern . Die diversen Neuregelungen sind komplex, daher will ich mich auf einige ausgewählte Aspekte beschränken . Künftig soll es eine allgemeine, kontinuierliche Fort- bildungspflicht für Anwälte geben, um die Qualität der anwaltlichen Beratung systemisch zu sichern . Die Kompetenz zur Regelung der fortlaufenden Wei- terbildungspflicht von Anwälten nach § 43a Absatz 6 BRAO liegt bei der Satzungsversammlung . Als Selbstverwaltungsorgan der Anwaltschaft obliegt es ihr, für die Fortbildung der Anwältinnen und Anwälte Sorge zu tragen und somit sowohl den Verbraucherschutz als auch einen bestimmten Qualitätsstandard von Rechts- dienstleistungen zu sichern . Die Zulassung zur Anwaltschaft soll außerdem künftig mit der sanktionsbewehrten Pflicht verbunden werden, eine Art Grundausbildung im anwaltlichen Berufsrecht zu absolvieren . Das ist in der Tat auch sehr sinnvoll, denn das anwaltliche Berufsrecht spielt in der juristischen Aus- bildung an deutschen Universitäten und im Referendariat bislang eine sehr untergeordnete Rolle . Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese Verpflichtung nun auch für in Deutschland nieder- gelassene ausländische bzw . europäische Rechtsanwälte gelten soll . So bleibt der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt, und es wird noch einmal klargestellt, dass jede in Deutschland praktizierende Anwältin bzw . jeder An- walt auch mit dem deutschen Berufsrecht vertraut sein muss . Andere vorgesehene Punkte sind erfreulich und un- kompliziert, wie etwa die Aufnahme des Begriffs der „weiteren Kanzlei“ in Abgrenzung zur „Zweigstelle“ in die Bundesrechtsanwaltsordnung und die Einführung der Möglichkeit, die Vorstände der Rechtsanwaltskammern elektronisch oder per Briefwahl zu wählen . Der letztge- nannten Änderung spricht der Gesetzgeber kurioserwei- se übrigens eine gleichstellungspolitische Bedeutung zu: Es sei zu erwarten, dass die Einführung der Briefwahl insbesondere Rechtsanwältinnen die Teilhabe an der Selbstverwaltung der Anwaltschaft erleichtert . Inwiefern Anwältinnen einen besonderen Hang zum Briefverkehr haben sollen, oder warum es ihnen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen weniger möglich sein soll, persön- lich zur Kammerversammlung zu erscheinen, erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht . Vielleicht sorgt die Bundesregierung ja in der geplanten Anhörung noch ein- mal für Erhellung . Es gibt aber auch Punkte, die – zumindest was ihre Umsetzung betrifft – nicht ganz unumstritten sind . Die Einrichtung der besonderen elektronischen Anwaltspost- fächer etwa wird die mit dieser Aufgabe betraute Bun- desrechtsanwaltskammer sicherlich noch vor einige He- rausforderungen stellen . Außerdem bleibt abzuwarten, wie sehr die neugeschaffenen gesetzlichen Grundlagen tatsächlich mit der beruflichen Wirklichkeit und Notwen- digkeit korrespondieren – und wie das Postfach von der Anwalt- und Mandantschaft angenommen wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619020 (A) (C) (B) (D) Nachdem die Einrichtung eines solchen Postfaches ursprünglich nur „für jedes eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer“ geplant war, soll es nun auch zwingend für „jede weitere Kanzlei“, in der das Kam- mermitglied tätig ist, ein besonderes elektronisches An- waltspostfach geben . Vor einer solch inflationären Einrichtung von elekt- ronischen Postfächern sollte man sich aber noch einmal ernsthaft Gedanken um die damit verbundenen Kom- plikationen und vor allem Haftungsrisiken machen . Schließlich trifft alle Postfachinhaber die Pflicht, dieses empfangsbereit zu halten und regelmäßig zu kontrollie- ren . Das kann für Inhaber mehrerer Postfächer zu einem echten Problem werden – denn je mehr Postfächer, desto höher auch das Haftungsrisiko . Vor allem bei Syndikusanwälten stellt sich die Frage nach dem Haftungsrisiko: Schließlich sind sie für ihre Tätigkeit als Syndikus von der Pflicht zum Abschluss ei- ner eigenen Berufshaftpflichtversicherung befreit. Nach allgemeinen Grundsätzen haften sie jedoch ge- genüber Dritten – genau wie ihre niedergelassenen Kol- leginnen und Kollegen – für ihr elektronisches Postfach . Es kann wohl kaum verhindert werden, dass Rechtsu- chende eine Fristsache in das Postfach eines Syndikus- anwaltes einwerfen . Wer haftet dann, wenn das Mandat nicht rechtzeitig abgelehnt wird? Der Arbeitgeber etwa? Wohl kaum . Der Gesetzentwurf lässt also noch einige praktische und bedeutsame Fragen offen . Ich bin gespannt, ob diese dann durch die Anhörung beantwortet werden können . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wir befassen uns heute in erster Lesung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungs- richtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe . Mit dem Gesetz- entwurf soll das Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe in zahlreichen Einzelfragen an die aktuellen Erforder- nisse angepasst werden . Ausgangspunkt des Gesetzge- bungsvorhabens war die Erforderlichkeit, die durch die Richtlinie 2013/55/EU erfolgten Änderungen der Be- rufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG im deutschen Recht umzusetzen . Diese Vorgaben werden insbesondere im Gesetz über die Tätigkeit der europäischen Rechts- anwälte in Deutschland, dem EuRAG, und im Rechts- dienstleistungsgesetz umgesetzt . Zudem wird bei den Patentanwälten anstelle des bisherigen Gesetzes über die Eignungsprüfung zur Patentanwaltschaft das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Patentanwälte in Deutsch- land, das EuPAG, neu eingeführt . Das EuPAG lehnt sich an das für die Rechtsanwälte geltende EuRAG an und führt so auch in diesem Teilbereich zu einem möglichst weitgehenden Gleichklang des Berufsrechts der Rechts- und Patentanwälte, der sich auch schon bei der Bundes- rechtsanwalts- und der Patentanwaltsordnung bewährt hat . Die durch die Richtlinie 2013/55/EU erforderlichen inhaltlichen Änderungen betreffen neben der Prüfung der ausländischen Berufsqualifikation insbesondere den partiellen Zugang zu einem Beruf und den sogenannten Vorwarnmechanismus . Letzterer wird durch den Gesetz- entwurf auch im strafprozessualen Bereich umgesetzt . Neben der Umsetzung der Berufsanerkennungsricht- linie widmet sich der Gesetzentwurf zahlreichen Einzel- fragen aus dem Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe . Anlass hierfür waren verschiedene Initiativen der Be- rufsverbände sowie höchstrichterliche Entscheidungen, aber auch aus fachlicher Sicht erforderlicher Modernisie- rungsbedarf . Abgesehen von wenigen Einzelpunkten, bei denen die Auffassungen der Beteiligten auseinanderge- hen, wird der Gesetzentwurf von den Berufsverbänden und den Ländern einhellig begrüßt und unterstützt . Auf einige Punkte des Gesetzentwurfs möchte ich beispielhaft hinweisen . Ab dem 1 . Januar 2018 soll je- der Rechtsanwalt das besondere elektronische Anwalts- postfach, das beA, nutzen müssen . Ist ein Rechtsanwalt nicht nur in einer Kanzlei tätig, soll dies künftig mit dem Begriff der weiteren Kanzlei umschrieben werden . Für diese soll der Rechtsanwalt dann auch ein weiteres beA erhalten . Zudem sollen dienstleistende europäische Rechtsanwälte ein beA erhalten können . Diese Maßnah- men sowie weitere Anpassungen in der Zivilprozessord- nung sollen die Einführung des elektronischen Rechts- verkehrs stärken . Darüber hinaus sollen die Fortbildungspflichten der Rechts- und Patentanwälte zukünftig durch die Anwalts- kammern näher geregelt werden können . Zudem soll sichergestellt werden, dass Rechtsanwälte über hinrei- chende Kenntnisse im Berufsrecht verfügen . Mit diesen Maßnahmen soll die hohe Qualität der Rechtsberatung nachhaltig und systemisch gesichert werden . Zudem soll bei Syndikusanwälten verhindert werden, dass sie für kurze Zeiten, in denen noch nicht über ihre Zulassung entschieden wurde, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen müssen . Hierzu soll eine Rückwirkung ihrer Mitgliedschaft in den Anwaltskam- mern vorgesehen werden . Darüber hinaus soll für die Wahlen zu den Vorständen der Anwaltskammern zukünftig grundsätzlich eine Brief- wahl vorgesehen werden . Damit soll die demokratische Legitimation der gewählten Vertreter gesteigert werden . Der Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungs- gesetzes soll gesetzlich definiert werden, um in dieser Frage für Klarheit zu sorgen . Und schließlich soll im Bereich der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte der Kreis der berechtigten Personen passgenauer definiert werden. Dies betrifft zum einen ausländische Rechtsanwälte und zum anderen die an der Tätigkeit des Rechtsanwalts mitwirkenden Perso- nen . Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen, aber dies würde den Rahmen dieser Rede sprengen . Die Bundesregierung hat mit diesem Gesetzentwurf den ersten Schritt gemacht, damit, wie bereits gesagt, insbesondere die EU-Richtlinie 2013/55/EU umgesetzt werden kann . Ich würde mich freuen, wenn dieser Ge- setzentwurf noch im Dezember 2016 verabschiedet wer- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19021 (A) (C) (B) (D) den kann – die EU-Richtlinie hätte bereits am 18 . Januar 2016 umgesetzt werden sollen . Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Wirt- schaftspartnerschaftsabkommen vom 15. Oktober 2008 zwischen den CARIFORUM-Staaten einer- seits und der Europäischen Gemeinschaft und ih- ren Mitgliedstaaten andererseits (Tagesordnungspunkt 37) Waldemar Westermayer (CDU/CSU): Heute geht es darum, über den Gesetzentwurf der Regierung für das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit den Mitgliedstaaten der karibischen Gemeinschaft CARIFO- RUM zu beraten und damit eine Wegmarke für fairen Handel als einem wichtigen Instrument der Entwick- lungszusammenarbeit zu setzen . Dieser Debatte heute liegt die grundsätzliche Frage zugrunde: Kann die Libe- ralisierung des Handels ein Motor für nachhaltige Ent- wicklung sein, ohne dabei ausschließlich ökonomische Interessen zu verfolgen? Die zunehmende Verzahnung der Weltwirtschaft führt zu einer Steigerung des Güter- und Dienstleistungshan- dels . Handelsschranken werden immer weiter abgebaut, und Handelsbeziehungen werden intensiviert . Daraus entstehen Chancen für ein verstärktes Wirtschaftswachs- tum, zunehmenden Wohlstand und eine verbesserte Le- benssituation der Menschen . So lautet die klassische Theorie der Handelsliberalisierung . Aber Theorie und Praxis sind bekanntlich nicht immer deckungsgleich . In vielen Fällen führt die zunehmende Liberalisierung des Handels genau zum Gegenteil: Sie kann auch Existenzen bedrohen und macht nicht alle zu Gewinnern . Sie ist kein Allheilmittel und erst recht kein Automatismus . Um nachhaltige Synergieeffekte für fairen Handel zu erzeugen, bedarf es bei Handelsliberalisierung und Wirt- schaftspartnerschaftsabkommen guter und nachhaltiger Rahmenbedingungen . Es geht um die faire Ausgestal- tung, damit alle Handel treiben können und dabei auch alle angemessen profitieren. Aus diesem Grund stellt das Wirtschaftspartner- schaftsabkommen der EU mit den 15 Staaten des CARI- FORUM seit 2008 ein Novum dar und gleichzeitig eine große Chance für die Entwicklungszusammenarbeit, da durch dieses ein neues Modell von Abkommen etabliert wird, das Faktoren der Nachhaltigkeit mit ökonomischen Interessen verbindet . Ziel ist es, nachhaltige Entwicklung und regionale Integration zu fördern und die Handelsbe- ziehungen auf eine WTO-konforme Grundlage zu stellen . Dieser Anspruch wird in dem Entwurf der Bundesregie- rung für die Umsetzung einer Wirtschaftspartnerschaft mit den karibischen Partnern anhand verschiedener Re- gelungen deutlich, und aus diesem Grund begrüßen wir den vorgelegten Entwurf zum Wirtschaftspartnerschafts- abkommen mit den CARIFORUM-Staaten . Gleich zu Beginn unterstreicht Artikel 1 die nachhal- tige Zielsetzung als Grundgedanken des Vertrags, indem die Eindämmung und Beseitigung von Armut zur obers- ten Priorität erklärt wird . Armutsbekämpfung steht vor dem Ziel der regionalen Integration und der wirtschaft- lichen Liberalisierung . Hierbei wird deutlich: Es bedarf vor allem politischer Reformen und Entscheidungen und nicht alleine handelspolitischer Maßnahmen . Ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung ist die in Artikel 7 festgehaltene Regelung der Entwick- lungszusammenarbeit . Dass Entwicklungszusammenar- beit in einem Freihandelsabkommen festgeschrieben ist, kann durchaus als ein wegweisender Ansatz bezeichnet werden. Diese kann finanzieller und nichtfinanzieller Art sein und so die CARIFORUM-Staaten bei der Durchfüh- rung des Abkommens unterstützen . Für eine tatkräftige Unterstützung hat die EU im 10 . Europäischen Entwick- lungsfonds bereits bedeutende Mittel zur Verfügung ge- stellt . Zusätzliche bilaterale Unterstützung für die Umset- zung des Abkommens und einen besseren Marktzugang zur EU erfolgte durch die Deutsche Gesellschaft für In- ternationale Zusammenarbeit von 2007 bis Dezember 2015 . Dabei ging es darum, die Koordinierungsprozesse nationaler und regionaler Institutionen zu stärken und das Bewusstsein für die Umsetzung des Wirtschaftspart- nerschaftsabkommen zu schärfen . Das eindeutige ver- tragliche Bekenntnis und die konkrete Projektarbeit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sind ein deut- liches Zeichen für den nachhaltigen und fairen Anspruch, der mit diesem Abkommen verfolgt wird . Die CARIFORUM-Staaten sollen einen zoll- und quo- tenfreien Marktzugang erhalten, wodurch sie eine deut- lich bessere Chance haben, ihre Produkte zu exportieren . Ein verbesserter Zugang heimischer Güter und Dienst- leistungen zu bedeutenden Wirtschaftsräumen gehört mit zu den wichtigsten Zielen unserer karibischen Partner . Im Gegenzug müssen die karibischen Staaten nur ei- nen Marktzugang einräumen, wie er für eine WTO-Kon- formität erforderlich ist . Dieser Marktzugang wird nicht sofort erfolgen, sondern schrittweise über eine Frist von 25 Jahren mit dem Ziel, über 80 Prozent der Importe von Beschränkungen zu befreien . Durch dieses etappenweise Öffnen des Marktes sollen die karibischen Staaten mit Augenmaß an das internationale Wirtschaftssystem her- angeführt werden, um so in die globale Wertschöpfungs- kette integriert zu werden . Hinzu kommt, dass es für die CARIFORUM-Staa- ten verschiedene „Schutzklauseln“ gibt, um sensible und weniger wettbewerbsfähige Wirtschaftszweige der heimischen Wirtschaft zu schützen . Beispielsweise wer- den landwirtschaftliche und Fischereiprodukte mit dem Ziel der Ernährungssicherung von einer Handelslibera- lisierung ausgeschlossen . Ein Indikator dafür, dass die Schutzklauseln funktionieren, ist die Tatsache, dass in den letzten neun Jahren, in denen das Abkommen bereits vorläufig angewendet wird, es nicht zur befürchteten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619022 (A) (C) (B) (D) Verdrängung der karibischen Produkte durch europäi- sche Produkte gekommen ist . Ebenfalls ein wichtiges Anliegen, das im Vertrag ver- ankert ist, betrifft die Umwelt- und Sozialstandards, wel- che in einem ausführlichen Kapitel im Vertrag definiert werden . Sie tauchen allerdings an verschiedenen Stellen im Vertragstext wieder auf . Beispielsweise werden in mehreren Artikeln Investitionsregelungen veranlasst, die zu einem explizit nachhaltigen Verhalten verpflichten. Dies macht deutlich, dass sie ein Querschnittsthema in allen Regelungsbereichen sind und so ebenfalls zu den nachhaltigen Rahmenbedingungen gehören . Das Kernanliegen des Wirtschaftspartnerschaftsab- kommens ist es, einen integrierten regionalen Markt in der Karibikregion zu schaffen . Dieser Prozess ist ein ambitioniertes, primär politisches Vorhaben, das Zeit verlangt und nicht von heute auf morgen Früchte trägt . Bereits durch die Verhandlungen dieses Wirtschaftspart- nerschaftsabkommens waren die karibischen Vertrags- partner intraregional gezwungen, sich über gemeinsame Handelsmaximen Gedanken zu machen . Allein dieser Dialog hat die Staaten einander nähergebracht . Das Abkommen will nicht nur Ziele postulieren, son- dern auch aktiv dessen Umsetzung überprüfen . In Arti- kel 5 ist ein regelmäßiges Überprüfen des Umsetzungs- prozesses in Form eines Monitorings festgeschrieben, um Entwicklungen, die in eine falsche Richtung laufen, rechtzeitig zu erkennen . In einem solchen Fall bietet die Revisionsklausel in Artikel 264 die Möglichkeit einer Anpassung der Zusammenarbeit . Durch diesen instituti- onellen und neuen Mechanismus in einem Freihandels- abkommen ist es möglich, auf Schwierigkeiten, die in der Praxis der schrittweisen Marktöffnung auftreten können, flexibel zu reagieren. Es sollte uns ein wichtiges Anliegen bleiben, im Dia- log mit unseren Partnern an ihren politischen Willen zu appellieren, Reformen durchzusetzen, ihre politisch-ad- ministrativen Strukturen zu stärken und private Akteure zu fördern, damit die im Wirtschaftspartnerschaftsab- kommen formulierten Ziele der Nachhaltigkeit konse- quent durchgesetzt werden und so soziale und Umwelt- standards bei der regionalen Integration der Karibik auch in der Praxis maßgeblich sind . Letztendlich sind die Entscheidungen für eine Ausgestaltung guter Rahmenbe- dingungen für fairen Handel politischer Natur . Dennoch setzt das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit seinen ausführlichen und ambitionierten Rahmenbedingungen zur Förderung von Nachhaltigkeit hier einen entschei- denden vertraglichen Ausgangspunkt und zeigt neue Wege auf, Nachhaltigkeit in einem Freihandelsabkom- men festzuschreiben . Das Wirtschaftsabkommen der EU mit den Mitglied- staaten der karibischen Gemeinschaft CARIFORUM macht in seiner jetzigen Form deutlich, dass Wirtschaft, Soziales und Umwelt Hand in Hand gehen können . Mit der Zustimmung zu dem Wirtschaftspartnerschaftsab- kommen wäre ein wichtiger und ambitionierter Schritt hin zu fairem Handel getan . Dr. Sascha Raabe (SPD): Wir beraten heute in ers- ter Lesung über das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und den CARIFO- RUM-Staaten . Das Abkommen ist bereits seit 2008 vor- läufig in Kraft und wird dem Deutschen Bundestag nun erst acht Jahre später zur Ratifizierung vorgelegt. Das ist ein bedenklicher Vorgang . Künftig müssen wir darauf achten, dass die Bundesregierung uns derartige Abkom- men früher zur Ratifizierung vorlegt. Oder wir müssen als Deutscher Bundestag selbst den Ratifizierungspro- zess in Gang setzen, was natürlich auch bedeuten kann, dass wir die Nicht-Ratifizierung ausdrücklich beschlie- ßen, um ein solches Abkommen wieder außer Kraft set- zen zu können . Mit Blick auf die aktuelle Debatte zu dem Handelsabkommen mit Kanada – CETA – beweist das Verfahren mit dem CARIFORUM-Abkommen, dass ge- mischte Handelsabkommen der EU sehr lange vorläufig in Kraft sein können, bevor sie endgültig demokratisch legitimiert vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden. Die jetzige Situation ist aus demokratischer und parla- mentarischer Sicht sehr unbefriedigend . Denn natürlich wäre es nun deutlich schwieriger, ein derartiges Abkom- men wieder insgesamt außer Kraft zu setzen, nachdem es bereits acht Jahre lang vorläufig angewendet wurde. Trotzdem sollte es für uns keine Denkverbote in dieser Hinsicht geben, denn es ist nicht das Verschulden des Deutschen Bundestages, dass uns dieser Vertrag erst jetzt zur Ratifizierung vorgelegt wird. Und wir müssen als Ge- setzgeber nach bestem Wissen und Gewissen entschei- den, ob wir dieses Abkommen verantworten können . Ich finde, wir sollten uns mit dem Abkommen des- halb sehr ausführlich beschäftigen . Denn das CARI- FORUM-Abkommen ist ja nur das erste von mehreren Handelsabkommen mit den sogenannten AKP-Staaten im Rahmen der neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkom- men . Früher hatten diese Länder ja einseitigen zollfreien Zugang in die EU, und jetzt sollen es WTO-konforme reziproke Handelsabkommen werden . Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir als Entwicklungspolitiker lieber gewesen wäre, die großteils sehr armen AKP-Staaten hätten auch weiterhin einseitig zollfreien Zugang zu den EU-Märkten haben können . An dieser Stelle verzichte ich aber auf weitere Ausführungen dazu, ob die EU wirk- lich seitens der WTO gezwungen war, solche neuen, ge- genseitigen Freihandelsabkommen abzuschließen . Fakt ist, dass uns jetzt ein Vertragstext vorliegt . Da das Ab- kommen schon acht Jahre in Kraft ist, eignet es sich sehr gut, nun genau zu prüfen, welche Auswirkungen sich auf die Partnerländer ergeben haben . Das erklärte ers- te Ziel dieses Wirtschaftspartnerschaftsabkommens ist es ja, „durch den Aufbau einer Handelspartnerschaft . . . zur Eindämmung und schließlich zur Beseitigung der Armut beizutragen .“ Ich habe deshalb dem federführen- den Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgeschlagen, dass wir ein Fachgespräch mit Experten durchführen sollten, um die bisherigen Auswirkungen des Abkommens mit speziellem Blick auf dieses Ziel der Armutsreduzierung zu evaluieren . Ich freue mich, dass alle Fraktionen dem zugestimmt haben . Wir sollten uns ausreichend Zeit für diese Beratungen nehmen, denn schließlich ist das Abkommen jetzt schon so lange vorläufig in Kraft, dass es auf ein paar Wochen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 2016 19023 (A) (C) (B) (D) mehr oder weniger bis zur Ratifizierung oder Nicht-Ra- tifizierung auch nicht mehr ankommt. Gründlichkeit sollte hier vor Schnelligkeit gehen, schließlich haben wir eine sehr wichtige Entscheidung zu treffen . Ich möch- te mich deshalb hier an dieser Stelle nicht länger über inhaltliche Aspekte auslassen . Das werde ich ausführ- lich in den Fachgesprächen, Ausschussberatungen und dann in der abschließenden Debatte zur zweiten/dritten Lesung machen . Ich möchte allerdings bereits jetzt da- rauf hinweisen, dass der Vertragstext für mich in einem sehr wichtigen Punkt Mängel aufweist . Ausgerechnet die Kapitel, in denen es um Umweltschutz und soziale As- pekte wie Arbeitnehmerrechte geht, sind nicht mit einem wirkungsvollen Sanktionsmechanismus versehen, so wie er für andere Kapitel des Abkommens gilt . Im Gegenteil wird selbst bei schwersten Verstößen gegen international vereinbarte ökologische und soziale Mindeststandards wie beispielsweise die acht ILO-Kernarbeitsnormen in Artikel 213 ausdrücklich ausgeschlossen, dass dies zur Aussetzung von Handelszugeständnissen führen darf . Meiner Meinung nach kann aber nur mit der Drohung ei- ner harten Sanktion bei Nichteinhaltung von grundlegen- den Arbeitnehmerrechten durchgesetzt werden, dass die Regierungen konsequent ihren Verpflichtungen aus den acht ILO-Kernarbeitsnormen nachkommen, um Kinder- arbeit und ausbeuterische, sklavenähnliche Arbeitsbedin- gungen zu beenden . Nur mit menschenwürdiger Arbeit zu fairen Löhnen lässt sich Armut beseitigen . Deshalb müssen wir den Vertragstext an dieser Stelle genau un- tersuchen und Nachbesserungen vor einer Ratifizierung einfordern . Ich danke für die Aufmerksamkeit und sehe den wei- teren Beratungen gespannt entgegen . Heike Hänsel (DIE LINKE): Heute, nach acht Jah- ren bereits vorläufig angewendetem Wirtschaftspartner- schaftsabkommen mit den karibischen Staaten, außer Haiti, will die Bundesregierung das Abkommen ratifizie- ren . Der Anlass erschließt sich nicht, warum jetzt? Wir waren damals, als es um den Abschluss des CARIFO- RUM-Abkommens ging, als ein regionales Abkommen der EPAs, der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten, gegen alle Abkommen, die Freihan- delsabkommen sind . Bis heute wehren sich ja einige afrikanische Länder, wie zum Beispiel Tansania, gegen den Abschluss und die Erpressungsmethoden der EU im Rahmen dieses langjährigen Verhandlungsprozesses . Es sind noch nicht alle EPAs unter Dach und Fach, und das aus gutem Grund . Die Hauptkritikpunkte sind: unverant- wortliche Öffnung der afrikanischen Staaten für europä- ische Produkte, vor allem im Lebensmittelbereich, durch massive Zollsenkungen, Streichung von Exportsteuern, die den Export von Rohstoffen in die EU erleichtern werden, gleichzeitig aber eine eigene industrielle Ent- wicklung in Afrika behindern, Rendezvousklauseln in den jetzt ausgehandelten Abkommen, um nach bestimm- ten Fristen wieder verhandeln zu müssen über sensible Bereiche wie öffentliche Beschaffung, Dienstleistungen, nichttarifäre Handelshemmnisse, Schutz privaten Eigen- tums, Wettbewerb und Investitionsschutz . Wir kennen diese Begriffe ja von den Auseinandersetzungen um CETA und TTIP, nichts anderes bedeuten die EPAs für die Länder des Südens . Deshalb haben wir uns dagegen ausgesprochen . Wir setzen uns für einen gerechten, ent- wicklungsförderlichen Handel mit dem Süden ein . Das CARIFORUM-Abkommen, das nun seit acht Jahren existiert, bietet ja eigentlich die Chance, bevor es nun von der Bundesregierung ratifiziert wird, dass man sich erst mal genauer anschauen kann, was sich dadurch in den karibischen Staaten positiv oder negativ verändert hat . Es wäre doch wichtig, dass solch eine Initiative das Entwicklungsministerium ergreift; schließlich wurden den Staaten damals ja versprochen: Wir setzen das Gan- ze vorläufig in Kraft und prüfen dann regelmäßig, ob die Menschen im Süden davon profitieren. – Das wäre doch Ihre Aufgabe als Entwicklungsminister, sich dafür ein- zusetzen . Davon ist nun nichts mehr zu hören, und das ist ty- pisch im Bereich der Handelspolitik . Erst mal vorläu- fig in Kraft setzen und dann, wenn Gras über die Sache beziehungsweise Aufregung gewachsen ist, dann das Ganze zu ratifizieren. Dies können Sie vielleicht bei den karibischen Staaten machen, da diese leider wenig Auf- merksamkeit haben, aber ganz bestimmt nicht bei CETA und TTIP! Das CARIFORUM-Abkommen hat bisher die Dienstleistungen, Visabestimmungen und kulturel- le Zusammenarbeit von der vorläufigen Anwendung ausgenommen, da hier die nationalen Parlamente ge- fragt sind . Binnen zehn Jahren ab Anwendung (das wäre Ende 2018) sollen 61 Prozent der EU-Exporte bei CARIFORUM zollfrei sein, in 25 Jahren 87 Prozent . Das EU-CARIFORUM-EPA geht in vielen Bereichen weit über WTO-Standards hinaus . Viele dieser Aspekte haben dazu geführt, dass sich die afrikanischen EPAs so lange verzögert haben . Im CARIFORUM-EPA ist es der EU gelungen, umfassende Regeln zu Investitionen in grundsätzlich allen Wirtschaftsbereichen zu verankern, insbesondere bei Direktinvestitionen und im Dienstleis- tungssektor . Der wirtschaftspolitische Spielraum, heimi- sche Unternehmen in den karibischen Staaten gezielt im Wettbewerb mit überlegener ausländischer Konkurrenz zu fördern, wird weitgehend eingeschränkt . Das ist ja auch ein Ziel bei CETA und TTIP . Die bisherige Bilanz zeigt eher geringe zusätzliche Exportchancen für CARIFORUM-Staaten durch einen freien EU-Marktzugang . Das CARIFORUM-EPA geht besonders weit, und die Linke lehnt es deshalb ab . Die Praxis der vorläufigen Anwendung ist ein Unding und muss gestoppt werden! Es muss ein Moratorium und ein Fenster für Neuver- handlungen für die weitere Anwendung des EU-CARI- FORUM-EPA geben, zumindest für die Rendezvous- klausel und weitere Liberalisierungsschritte . Wir fordern, dass sich die Bundesregierung dafür ein- setzt, dass die Europäische Union ihre Handelspolitik so ausrichtet, dass sie eine nachhaltige und eigenständige wirtschaftliche Entwicklung in der Karibikregion unter- stützt . Dabei muss sie insbesondere darauf hinwirken, dass von späteren Verhandlungen über die Liberalisie- rung der Investitions- und Wettbewerbsregeln, des öf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 190 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 22 . September 201619024 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de fentlichen Beschaffungswesens sowie von öffentlichen Dienstleistungen abgesehen wird . Die Länder des Südens brauchen Spielraum für den Aufbau eigener Wertschöpfung in den Bereichen Land- wirtschaft, Industrie und Dienstleistungen . Dagegen ste- hen genau die EPAs und das CARIFORUM-EPA! Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit acht Jahren ist nun das Wirtschaftspartnerschaftsabkom- men zwischen der EU und den Karibik-Staaten in Kraft getreten, allerdings nur vorläufig. Die eigentliche Ratifi- zierung soll erst jetzt durch das vorgelegte Gesetz durch- geführt werden . Immerhin legt die Bundesregierung dem Parlament überhaupt ein Ratifizierungsgesetz vor. Das ist bei dieser Bundesregierung ja leider keine Selbst- verständigkeit . Sie erinnern sich: das Abkommen zwi- schen der EU und den westafrikanischen Staaten sollte ursprünglich am Parlament vorbei und nur vom Kabinett ratifiziert werden. Aber der Druck aus der Opposition zeigte Wirkung, und das EPA, sollte es irgendwann von allen Vertragsparteien unterzeichnet sein, kommt zur Ab- stimmung in dieses Hohe Haus . Alles andere wäre auch verfassungswidrig gewesen, dafür wären wir auch nach Karlsruhe gezogen . Nun aber zum eigentlichen Abkommen . Es hat bis- her nicht Wort gehalten . Die versprochene nachhalti- ge Entwicklung durch das Handelsabkommen für die Karibik-Staaten ist nicht mal in den Ansätzen zu er- kennen . Die Handelsströme haben sich zwischen den beiden Regionen so gut wie nicht verändert, weder ha- ben sich die Exporte der EU noch die Importe aus der Karibik verändert . Ein ernsthaftes Resümee ist deshalb auch schwer zu ziehen . Die Karibik-Staaten können auf- grund der Übergangsfristen ihren Markt derzeit noch schützen . Selbst die EU hatte sich noch bis 2015 etwa vor Zuckerimporten aus Übersee geschützt . Was bleibt, sind aber Vereinbarungen, die drohen eine nachhaltige Entwicklung zu verhindern . Und sie kommen erst in den nächsten Jahren zum Tragen . Am Ende werden die Kari- bik-Staaten fast 90 Prozent ihres Marktes liberalisieren . Das ist angesichts eines solch divergierenden Kräftever- hältnisses zwischen den europäischen und karibischen Staaten wenig nachhaltig noch angemessen . Klassische Schutzinstrumente wie die Exportsteuern sind verboten . Dabei könnten gerade diese dazu beitragen, die festge- fahrene Exportstruktur aufzubrechen . Zwar gibt es eini- ge Schutzmechanismen, die negative Effekte verhindern oder korrigieren sollen . Der Schutz junger Industrien soll allerdings auf zehn Jahre beschränkt bleiben, das ist mehr als realitätsfern und industriepolitischer Wahnsinn . Der Aufbau einer robusten Industrie bedarf weit mehr Zeit . Seit einem Jahr wird gebetsmühlenartig die Bekämp- fung von Fluchtursachen vorgetragen . Nur hat diese Bundesregierung ein falsches Verständnis von Flucht- ursachen . Die Bundesregierung bekämpft lieber Flücht- linge statt die Ursachen . Wer ernsthaft Fluchtursachen bekämpfen will, muss sich für eine gerechte Handelsord- nung einsetzen und nicht für EPAs, wie sie derzeit ausge- handelt sind . Wir müssen gewaltig umdenken, wenn wir der knapp einen Milliarde an Hungernden, den Millionen von Menschen auf der Flucht, den Hunderttausenden in den Textilfabriken ernsthaft begegnen wollen . Dafür müssen wir die globalen Strukturen verändern . Gerade ungerechter Handel ist die treibende Kraft für Ungleich- heit innerhalb und zwischen den Staaten und der Kol- benfresser für eine nachhaltige Entwicklung . Mit solchen Verträgen erhöht die EU und damit auch Deutschland den Fluchtdruck in vielen Ländern . Es fällt mir schwer zu glauben, dass diese Erkenntnis der Regierung und der Kommission nicht vorliegt . Nur fairer Handel ist freier Handel, nur dieser trägt dazu bei, die Fluchtursachen zu bekämpfen . 190. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 4 Bundesverkehrswegeplan 2030 TOP 5, ZP 2 Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes TOP 6, CETA-Abkommen ZP 3 CETA-Abkommen TOP 39 a und c CETA-Abkommen TOP 43, ZP 4 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 44, ZP 5 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 7 Bundesteilhabegesetz ZP 6 Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi TOP 8, ZP 7 Gesetz zu dem Übereinkommen von Paris TOP 13 Menschenrechtsverteidiger in Russland TOP 10 Gewinnkürzungen und -verlagerungen TOP 11 Kinderarmut TOP 12 Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer TOP 17 Förderung des Schienenverkehrs – Deutschland-Takt TOP 14 Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz TOP 15 Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft TOP 16 Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen ZP 8 Auskunftsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden TOP 18 Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften TOP 19 Verwendung des Solidaritätszuschlages TOP 20 Elektronische Akte in Strafsachen TOP 21 Steuerliche Förderung von Elektromobilität TOP 22 Psychiatrische und psychosomatische Versorgung TOP 23 Verfahrensrechte von Beschuldigten imStrafverfahren TOP 25 Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes TOP 26 Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung TOP 27 Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch TOP 28 Bekämpfung neuer psychoaktiver Stoffe TOP 29 Abfallverbringungsrechtliche Vorschriften TOP 30 Gesetz zur Europäischen Kontopfändungsverordnung TOP 31 Änderung der Chemikalien-Klimaschutzverordnung TOP 32 Deutsch-indische Wissenschaftskooperation TOP 33 Neuregelung des Mikrozensus TOP 34 Neuregelung des Bundesarchivrechts TOP 35 Familienkassen des öffentlichen Dienstes TOP 36 Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie TOP 37 Partnerschaftsabkommenmit denCARIFORUM-Staaten Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31
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    Rede von Johannes Singhammer


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    Herr Kollege Schummer, gestatten Sie eine weitere

    Zwischenfrage, und zwar der Kollegin Krellmann?



Rede von Uwe Schummer
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Wenn es nicht zu verhindern ist .


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    Sie können es entscheiden .