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    Plenarprotokoll 18/73 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 73. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber . . . . . . . . . . . . 6873 A Wahl der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Kerstin Andreae als Mitglieder des Ver- waltungsrates der Kreditanstalt für Wie- deraufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6873 B Wahl der Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff und Elvira Drobinski-Weiß als Mitglieder des Verwaltungsrates des Deutsch-Französischen Jugendwerkes . . . . 6873 B Wahl des Abgeordneten Norbert Müller (Potsdam) als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . 6873 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6873 C Absetzung des Tagesordnungspunktes 6 . . . . . 6874 B Aufhebung einer Ausschussüberweisung . . . . 6874 B Tagesordnungspunkt 4: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Die neue Hightech-Strategie – Innova- tionen für Deutschland Drucksache 18/2497 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6874 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bundesbericht Forschung und Innova- tion 2014 Drucksache 18/1510 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6874 C c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2014 Drucksache 18/760 (neu) . . . . . . . . . . . . . 6874 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6874 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6877 C René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6879 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6881 B Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6884 A Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 6886 B Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6887 A Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6889 B Gabriele Katzmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6891 B Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . 6892 B Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6894 D Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Solidari- tät zeigen – Aufnahme von syrischen und irakischen Flüchtlingen ausweiten Drucksache 18/3154 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6895 C b) Beratung der Großen Anfrage der Abge- ordneten Luise Amtsberg, Beate Walter- Rosenheimer, Dr. Franziska Brantner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Situation unbegleiteter minderjähriger Flücht- linge in Deutschland Drucksache 18/2999 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6895 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6895 D Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6897 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6899 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 Aydan Özoğuz, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6900 B Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6902 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 6904 A Christina Kampmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6905 B Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6907 A Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6908 A Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6909 D Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6911 C Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6912 C Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6913 B Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Entlastung von Län- dern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung Drucksachen 18/2586, 18/3008, 18/3443 . . . . 6915 A Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 6915 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 6916 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6918 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6919 D Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6920 D Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6922 C Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6923 C Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6925 B Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Bundesbeamten- gesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/3248 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6927 B b) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Entwicklung einer zivilgesellschaftlich ausgerichteten Präventions- und Deradikalisierungs- strategie im Bereich des gewaltbereiten Islamismus Drucksache 18/3417 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6927 B Tagesordnungspunkt 33: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften zur Durchführung unions- rechtlicher Vorschriften zur Durchset- zung des Verbraucherschutzes Drucksachen 18/3253, 18/3448 . . . . . . . . 6927 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesteilhabegesetz zügig vorlegen – Volle Teilhabe ohne Ar- mut garantieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fünf Jahre UN-Behin- dertenrechtskonvention – Sofortpro- gramm für Barrierefreiheit und ge- gen Diskriminierung – zu dem Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Beate Müller- Gemmeke, Doris Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schluss mit Sonderwelten – Die inklusive Gesellschaft gemeinsam gestalten Drucksachen 18/1949, 18/977, 18/2878, 18/3208 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6927 D c)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126 und 127 zu Petitionen Drucksachen 18/3338, 18/3339, 18/3340, 18/3341, 18/3342, 18/3343, 18/3344, 18/3345 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6928 B Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absichern Drucksachen 18/1673, 18/2904. . . . . . . . . 6929 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 III der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Kohleausstieg einleiten – Überfäl- ligen Strukturwandel im Kraftwerks- park gestalten Drucksachen 18/1962, 18/2906 . . . . . . . . 6929 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zum Erreichen der Kli- maschutzziele 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6929 C Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6929 C Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6930 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 6932 A Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6932 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6935 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6936 A Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6937 A Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6938 B Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 6939 B Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6940 C Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6942 B Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6943 C Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6944 D Tagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbar- keit von Familie, Pflege und Beruf Drucksachen 18/3124, 18/3157, 18/3449 . 6946 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/3450 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6946 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6946 B Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 6947 C Astrid Timmermann-Fechter (CDU/CSU) . . . 6948 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6949 C Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6950 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 6951 A Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6952 A Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6953 B Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 6954 B Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Statt Rente erst ab 67 – Altersgerechte Übergänge in die Rente für alle Versicherten er- leichtern Drucksache 18/3312 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6955 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbe- sondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nach- haltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Renten- versicherungsbericht 2014) Drucksache 18/3260 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6956 A c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Bericht der Bundesregierung gemäß § 154 Absatz 4 des Sechsten Bu- ches Sozialgesetzbuch zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre Drucksache 18/3261 (neu). . . . . . . . . . . . . 6956 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die ge- setzliche Rentenversicherung, insbeson- dere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrück- lage sowie des jeweils erforderlichen Bei- tragssatzes in den künftigen 15 Kalender- jahren (Rentenversicherungsbericht 2014) Drucksache 18/3260 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6956 B hier: Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2014 Drucksache 18/3387 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6956 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 6956 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6958 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6959 B Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6960 C Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 6961 D Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD) . . . . . . . . . 6963 A Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6964 A IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 Tagesordnungspunkt 15: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Ab- gabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steu- erlicher Vorschriften Drucksachen 18/3017, 18/3158, 18/3441 . 6965 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/3442 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6965 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6965 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 6967 D Dr. Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6969 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6970 B Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) . . . . . . 6971 C Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6973 A Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübingen), Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Energie- wende durch Energieeffizienz voranbrin- gen – EU-Energieeffizienzrichtlinie unver- züglich umsetzen Drucksachen 18/1619, 18/2716 . . . . . . . . . . . 6974 B Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6974 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 6975 D Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . 6976 C Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6978 B Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6979 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . 6980 B Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6981 A Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6982 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6982 B Tagesordnungspunkt 11: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Erneuerbare-Energien-Ge- setzes Drucksachen 18/3321, 18/3440 . . . . . . . . . 6983 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur zweiten Ände- rung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien Drucksachen 18/3234, 18/3440 . . . . . . . . 6983 D Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6984 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 6985 A Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6986 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6987 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . 6988 B Florian Post (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6989 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6990 A Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeord- neten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bun- destages – hier: Ausschussöffentlichkeit Drucksache 18/3045 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6992 A Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6992 B Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6993 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6994 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6995 A Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6996 D Tagesordnungspunkt 13: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung der Rechtsstellung von asylsu- chenden und geduldeten Ausländern Drucksachen 18/3144, 18/3444 . . . . . . . . 6997 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern Drucksachen 18/3160, 18/3444 . . . . . . . . 6997 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6998 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 6999 D Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7000 B Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7002 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 V Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue Dynamik für nukleare Abrüstung – Der Humanitären Initia- tive beitreten Drucksache 18/3409 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7003 B b) Antrag der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: VN-Resolution zu Uranmu- nition zustimmen Drucksache 18/3410 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7003 B c) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: In UN-Generalversammlung der Uranwaffen-Resolution zustimmen Drucksache 18/3407 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7003 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7003 C Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 7004 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 7005 D Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 7006 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7007 B Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7007 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . 7008 C Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Entscheidung der Konferenz von Doha vom 8. Dezember 2012 zur Änderung des Protokolls von Kyoto vom 11. Dezember 1997 zum Rahmen- übereinkommen der Vereinten Natio- nen über Klimaänderungen (Doha-Än- derung des Protokolls von Kyoto) Drucksache 18/3123 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7008 D b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Klimakonferenz in Lima zum Er- folg führen Drucksache 18/3406 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7009 A c) Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Klimakonferenz von Lima als Wegbereiter für ein neues globales Kli- maabkommen und eine nachhaltige glo- bale Entwicklung nutzen Drucksache 18/3411 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7009 A Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7009 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 7010 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 7011 D Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7012 C Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 7013 D Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskrimi- nierungen aufgrund des Gesundheitszu- standes Drucksache 18/3315 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7014 D Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Ope- ration ACTIVE ENDEAVOUR im Mittel- meer Drucksache 18/3247 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7015 A Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7015 B Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 7016 A Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7017 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7018 B Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7019 B Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE sowie den Abgeordneten Tabea Rößner, Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Achten Gesetzes zur Änderung des Ur- heberrechtsgesetzes (Leistungsschutzrechts- aufhebungsgesetz – LSR-AufhG) Drucksache 18/3269 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7020 A VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 Tagesordnungspunkt 20: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Abga- benordnung und des Einführungsgeset- zes zur Abgabenordnung Drucksachen 18/3018, 18/3161, 18/3439 . 7020 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Klaus Ernst, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbst- anzeige abschaffen Drucksachen 18/556, 18/1035 . . . . . . . . . 7020 C Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vor- schriften für Opfer der politischen Ver- folgung in der ehemaligen DDR Drucksachen 18/3120, 18/3251, 18/3445 . 7021 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Verbesserung re- habilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR Drucksachen 18/3145, 18/3445 . . . . . . . . . 7021 A – Berichte des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksachen 18/3446, 18/3447 . . . . . . . . 7021 A Tagesordnungspunkt 22: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch Drucksachen 18/3122, 18/3437 . . . . . . . . . . . 7021 C Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschafts- registern in der Europäischen Union Drucksachen 18/2137, 18/3438 . . . . . . . . . . . 7021 D Tagesordnungspunkt 24: Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: Stellung- nahme des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung zum Bericht des Peer Review 2013 zur Nationalen Nachhal- tigkeitsstrategie „Sustainability – Made in Germany“ Drucksache 18/3214 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7022 A Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 7022 B Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 7023 B Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7024 B Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7025 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 7026 D Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. März 2009 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union über die zentrale Zollabwick- lung hinsichtlich der Aufteilung der natio- nalen Erhebungskosten, die bei der Bereitstellung der traditionellen Eigenmit- tel für den Haushalt der Europäischen Union einbehalten werden Drucksache 18/3125 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7027 D Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7028 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 7029 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Heil (Peine) (SPD) zu den Abstim- mungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Ge- setzes zur Änderung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes – den von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur zweiten Änderung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . 7029 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 VII Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Richard Pitterle und Halina Wawzyniak (beide DIE LINKE) zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenord- nung und des Einführungsgesetzes zur Abga- benordnung (Tagesordnungspunkt 20 a) . . . . . . 7030 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen auf- grund des Gesundheitszustandes (Tagesord- nungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7030 C Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU). . . . . 7030 C Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 7031 C Dr. Matthias Bartke (SPD). . . . . . . . . . . . . . 7032 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . 7033 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7034 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Achten Gesetzes zur Änderung des Urhe- berrechtsgesetzes (Leistungsschutzrechtsauf- hebungsgesetz – LSR-AufhG) (Tagesord- nungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7035 A Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 7035 A Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 7036 A Christian Flisek (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . 7036 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 7037 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7038 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsge- setzes zur Abgabenordnung – Antrag: Straffreiheit bei Steuerhinterzie- hung durch Selbstanzeige abschaffen (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 7039 B Bettina Kudla (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . 7039 B Uwe Feiler (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . . . 7040 A Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 7040 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 7041 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7042 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Verbesserung re- habilitierungsrechtlicher Vorschriften für Op- fer der politischen Verfolgung in der ehemali- gen DDR (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . 7043 A Dr. Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 7043 A Arnold Vaatz (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . . 7044 A Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 7045 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 7045 D Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7046 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- kommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Ta- gesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7046 D Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 7046 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7048 B Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 7049 B Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7050 B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Ge- sellschaftsregistern in der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 23). . . . . . . . . . . 7051 A Sebastian Steineke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 7051 A Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . 7052 A Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 7052 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7053 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- kommen vom 10. März 2009 zwischen den VIII Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die zentrale Zollabwicklung hinsichtlich der Aufteilung der nationalen Erhebungskosten, die bei der Bereitstellung der traditionellen Eigenmittel für den Haushalt der Europäi- schen Union einbehalten werden (Tagesord- nungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7054 A Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 7054 A Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . 7054 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 7055 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7055 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 6873 (A) (C) (D)(B) 73. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7029 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 4.12.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 4.12.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 4.12.2014 Freese, Ulrich SPD 4.12.2014 Freitag, Dagmar SPD 4.12.2014 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 4.12.2014 Gabriel, Sigmar SPD 4.12.2014 Jung, Xaver CDU/CSU 4.12.2014 Kermer, Marina SPD 4.12.2014 Dr. Launert, Silke CDU/CSU 4.12.2014 Lenkert, Ralph DIE LINKE 4.12.2014 Liebich, Stefan DIE LINKE 4.12.2014 Lutze, Thomas DIE LINKE 4.12.2014 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 4.12.2014 Mortler, Marlene CDU/CSU 4.12.2014 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 4.12.2014 Müntefering, Michelle SPD 4.12.2014 Roth (Heringen), Michael SPD 4.12.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4.12.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 4.12.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 4.12.2014 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 4.12.2014 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 4.12.2014 Tillmann, Antje CDU/CSU 4.12.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4.12.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 4.12.2014 Zollner, Gudrun CDU/CSU 4.12.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Heil (Peine) (SPD) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes – den von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur zweiten Ände- rung des Gesetzes für den Ausbau erneuer- barer Energien (Tagesordnungspunkt 11) Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, greift ein tatsächliches Problem auf. Auch weil Messan- lagen teuer sind und in der Vergangenheit bei anteiliger Direktvermarktung nicht die Notwendigkeit einer ge- trennten Messung gesehen wurde, wird in manchen Fäl- len die Stromerzeugung von mehreren Anlagen – zum Beispiel mehrerer Windräder in einem Windpark – über ein- und dieselbe Messeinrichtung gemessen. Dies ent- sprach der gängigen Praxis unter dem EEG 2012. Im EEG 2014 gibt es hierzu widersprüchliche Aussa- gen, die im Ergebnis dazu führen, dass eine anteilige Di- rektvermarktung nicht mehr zulässig ist, wenn der von einer Messeinrichtung gemessene Strom aus mehreren Anlagen stammt, von denen einige direkt vermarkten und andere die Einspeisevergütung erhalten. Der Anla- genbetreiber wird sanktioniert, indem er Vergütungsan- sprüche verliert. Dieses Ergebnis widerspricht der Geset- zesbegründung des EEG 2014. Daher sollte die bisherige Praxis wieder ermöglicht und eine anteilige Direktver- marktung über einen Zähler zugelassen werden. Dass ich dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimme, liegt zum einen an dem Um- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 7030 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) stand, dass der Gesetzentwurf rechtlich nicht ausgereift ist und zu Folgeproblemen führen könnte, und zum an- deren daran, dass es bei unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage der Rückwirkung gibt. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner den Fehler korrigieren und zeitnah eine rechtssichere Lösung finden. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Richard Pitterle und Halina Wawzyniak (beide DIE LINKE) zur Abstim- mung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung der Abgabenordnung und des Einfüh- rungsgesetzes zur Abgabenordnung (Tagesord- nungspunkt 20 a) Wir haben uns bei dem Antrag der Fraktion Die Linke „Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstan- zeige abschaffen“ enthalten. Ziel des Antrages ist es, die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterzie- hung gemäß § 371 AO abzuschaffen und Bagatelldelikte künftig als Ordnungswidrigkeiten zu behandeln. Wir halten Steuerhinterziehung für ein nicht zu ent- schuldigendes Delikt. Wer Steuern hinterzieht, entzieht sich der Verantwortung für die Gemeinschaft. Es ist des- halb richtig, die Regelungen zur strafbefreienden Selbst- anzeige bei Steuerhinterziehung zu verschärfen. Es ist deshalb auch richtig, den zu zahlenden Geldbetrag beim Absehen von Strafe und dessen Staffelung nach § 398 a AO deutlich anzuheben sowie den Hinterziehungsbetrag, ab dem eine Straffreiheit nicht mehr möglich ist, von 50 000 Euro auf 25 000 Euro zu senken. Das findet un- sere Zustimmung. Die ersatzlose Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige halten wir allerdings nicht für sinnvoll. Wir enthalten uns bei dem Antrag der Linken deshalb, weil wir der Meinung sind, dass eine Ausweitung der strafbefreienden Anzeige auf andere Bereiche ausge- dehnt werden sollte. Es könnte dann ein Mensch, der zum Beispiel einen Diebstahl, eine Sachbeschädigung begangen hat, oder jemand, der sich unerlaubt vom Un- fallort entfernt hat, soweit er noch nicht als Täter ent- deckt wurde, sich durch eine Selbstanzeige von der Strafbarkeit befreien. Dies würde zur Entkriminalisie- rung beitragen und die Gerichte entlasten. Außerdem kennt das Strafrecht in einigen Bereichen die sogenannte tätige Reue. Der Abschaffung der Straf- freiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige hät- ten wir dann zustimmen können, wenn zumindest die Möglichkeit der tätigen Reue an ihre Stelle getreten wäre. Dies würde keine zwingende Straffreiheit bedeu- ten, sondern hätte lediglich dem Gericht im Rahmen ei- ner Ermessensentscheidung die Möglichkeit gegeben, die Strafe im konkreten Einzelfall zu mildern oder von der Strafe abzusehen. Die tätige Reue gibt es beispiels- weise über den § 314 a Absatz 2 Nummer 2 d StGB auch für das Freisetzen ionisierender Strahlen (§ 311 StGB). Dieser Straftatbestand stellt unter Strafe, wenn jemand unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten ioni- sierende Strahlen freisetzt oder Kernspaltungsvorgänge bewirkt, die unter anderem geeignet sind, Leib oder Le- ben eines anderen Menschen zu schädigen. Wir halten es für unverhältnismäßig, bei Gefährdung von Leib und Le- ben die tätige Reue zu ermöglichen, bei der Hinterzie- hung von Steuern hingegen nicht. Sinnvoll ist es aus unserer Sicht, dafür zu sorgen, dass tatsächlich Steuern gezahlt werden. Die Linke hat des- halb in der 17. Wahlperiode die Einrichtung einer Bun- desfinanzpolizei als Wirtschafts- und Finanzermittlungs- behörde (vergleiche http://dip21.bundestag.de/dip21/ btd/17/127/1712708.pdf) gefordert. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminie- rungen aufgrund des Gesundheitszustandes (Tagesordnungspunkt 16) Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Um den Schutz vor Diskriminierungen im Sinne des Artikels 3 des Grundgesetzes zu verbessern, hatte die Große Koali- tion in der 16. Wahlperiode das Allgemeine Gleichbe- handlungsgesetz beschlossen. Dank des AGG wurden und werden Diskriminierungen erfolgreich beseitigt und verringert. Dies erkennt auch die Linksfraktion an, die dem Gesetz damals nicht zugestimmt hatte. Der Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung be- raten, ist ein modifizierter Antrag der Linksfraktion aus der letzten Wahlperiode. Sein Ziel ist die Aufnahme chronischer Erkrankungen als Diskriminierungsmerkmal ins AGG. Damit soll „klargestellt“ werden, dass auch chronisch kranke Menschen durch das AGG geschützt werden. Begründet wird die angestrebte Änderung des Geset- zes im Wesentlichen mit der Kündigungsschutzklage ei- nes an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankten Klägers gegen ein Pharmaunternehmen. Diese sei in den ersten beiden Instanzen erfolglos und erst vor dem Bun- desarbeitsgericht erfolgreich gewesen. Was war der Sachverhalt? Ein Pharmaunternehmen, das intravenös zu verabreichende Arzneimittel herstellt, hatte den Kläger für eine Tätigkeit in einem Reinraum eingestellt. Wenige Tage nach Arbeitsbeginn hatte der Kläger den Betriebsarzt auf seine HIV-Infektion hinge- wiesen. Der Betriebsarzt hatte Bedenken gegen den Ein- satz des Klägers im Reinraum. Daraufhin kündigte das Pharmaunternehmen den Arbeitsvertrag unter Berufung auf seine Standard Operating Procedures. Nach diesen betriebsinternen Regeln sei die Beschäftigung von Mit- arbeitern mit ansteckenden Krankheiten im Reinraum verboten. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7031 (A) (C) (D)(B) urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landes- arbeitsgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückverwiesen, denn das Instanzgericht habe insbe- sondere nicht geprüft, ob das beklagte Pharmaunterneh- men durch angemessene Vorkehrungen einen Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Tatsächlich wäre eine unterschiedliche Behandlung aufgrund beruflicher Anforderungen unter den Voraus- setzungen des § 8 Absatz 1 AGG zulässig. Dies ist dann der Fall, wenn der Diskriminierungsgrund gerade wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingun- gen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und sowohl der Zweck rechtmäßig als auch die Anforderungen angemessen sind. Vom Bundesarbeitsgericht wurde entschieden, dass eine symptomlose HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG zur Folge hat. Eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG liegt nach BAG vor, wenn die kör- perliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Ge- sundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen so- zialen Kontextfaktoren – die Teilhabe an der Gesellschaft, einschließlich der Teilhabe am Berufsleben, substanziell beeinträchtigt sein kann (sogenannter bio-psycho-sozia- ler Behindertenbegriff). Eine symptomlose HIV-Infek- tion sei eine Behinderung in diesem Sinne, denn eine solche Infektion führe zu einer chronischen Erkrankung, die sich auf die Teilhabe des Arbeitnehmers an der Ge- sellschaft auswirke. Das gelte so lange, wie das gegen- wärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten sowie die darauf beruhen- den Stigmatisierungen andauern. Aus den Ausführungen des BAG kann man den Schluss ziehen, dass künftig grundsätzlich jedwede chronische Erkrankung eine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sein kann. Dies gilt grundsätzlich sogar für weitverbreitete Volks- krankheiten wie Diabetes mellitus, Arthrose, Rheuma oder Depressionen, an denen laut BAG etwa 40 Prozent der Deutschen leiden. Im Zeitpunkt, als die Linke in der letzten WP den Vorgängerantrag gestellt hatte, lag das BAG-Urteil noch nicht vor. Insofern war der Vorschlag grundsätzlich nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund des jetzt vorliegenden BAG- Urteils werden wir uns im Ausschuss mit der Frage be- fassen müssen, ob die ausdrückliche Aufnahme von chronischen Krankheiten in den Katalog der in § 1 AGG aufgezählten Gründe zur Klarstellung grundsätzlich sinnvoll und erforderlich ist. Unabhängig davon ist der Gesetzentwurf der Linken – ebenso wie der damalige Antrag – unzureichend, denn er definiert den Begriff der chronischen Erkrankung nicht. Diese Abgrenzungsfrage, welche Krankheiten „chronische Erkrankungen“ im Sinne des Gesetzes sind, muss für den Anwendungsbereich aber klar beantwortet werden, zumal es eine Vielzahl von chronischen Erkran- kungen und unterschiedliche Definitionen hierfür gibt. Die in Artikel 2 des Gesetzentwurfs vorgeschlagene Änderung des Gesetzes über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten und ihre Begründung über- zeugt nicht. Die Behauptung, behinderte Soldatinnen und Soldaten seien „gänzlich schutzlos“ gestellt, ist schlicht falsch. Es liegt auch keine sachlich ungerecht- fertigte Ungleichbehandlung vor. Sowohl mit dem AGG als auch mit dem SoldGG wurden EU-Richtlinien zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes um- gesetzt. Ebenso wie andere Staaten auch haben wir in Deutschland aus militärischen Gründen von der Mög- lichkeit Gebrauch gemacht, die Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer Behinderung nicht für die Streitkräfte der Bundeswehr umzusetzen. Auf- grund des Erfordernisses der Einsatzbereitschaft und der Schlagkraft der Streitkräfte ist es gerechtfertigt, dass die Streitkräfte keine Personen einstellen oder weiterbe- schäftigen müssen, die hinsichtlich ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, die je- weiligen Anforderungen an sämtliche ihnen zu stellende militärische Aufgaben zu erfüllen. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Mit der Verabschie- dung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist Deutschland seiner Verpflichtung nachgekommen, vier Richtlinien der Europäischen Union umzusetzen, die den Schutz vor Diskriminierung regeln. Daraufhin trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, am 14. Au- gust 2006 in Kraft. Mit dem Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands“ fordert die Opposi- tion nun, das Tatbestandsmerkmal „Gesundheitszustand“ in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufzuneh- men, da andernfalls eine Schutzlücke für chronisch kranke Menschen und Menschen mit Pflegebedarf be- stünde. So heißt es in § 1 AGG: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Grün- den der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschau- ung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuel- len Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Bereits in der letzten Wahlperiode ist ein gleichlau- tender Antrag von der Fraktion Die Linke – Drucksache 17/9563,17/13765 – mit gleicher Forderung eingebracht worden. Dieser wurde mit guten Argumenten abgelehnt. Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, BAG, mit Urteil vom 19. Dezember 2013 – Az. 6 AZR 190/12 – ist der vorgelegte Gesetzentwurf darüber hi- naus obsolet. Denn chronische Erkrankungen können seither unter das Tatbestandsmerkmal „Behinderung“ subsumiert werden. Gegenstand der Entscheidung des 6. Senats war die Wirksamkeit einer sogenannten Wartezeitkündigung. Der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankte Arbeit- nehmer wurde von der Beklagten, einem Pharmaunter- nehmen, das intravenös zu verabreichende Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, als chemisch-techni- scher Assistent für eine Tätigkeit im sogenannten Rein- 7032 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) raumbereich eingestellt. Bei einer Einstellungsuntersu- chung wenige Tage nach Arbeitsbeginn wies der Arbeitnehmer den Betriebsarzt auf seine Infektion hin. Dieser äußerte Bedenken gegen einen Einsatz des Ar- beitnehmers im Reinraum und informierte die Arbeitge- berin, nach Entbindung von seiner Schweigepflicht, über die Infektion des Arbeitnehmers. Die Arbeitgeberin kün- digte noch am selben Tag ordentlich und berief sich auf ihr internes Regelwerk, das eine Beschäftigung von Mit- arbeitern mit ansteckenden Krankheiten im Reinraum verbiete. Dieses Regelwerk geht auf Leitlinien der EU- Kommission über eine „gute Herstellungspraxis“ zurück und sieht unter anderem vor, dass Vorkehrungen getroffen werden sollten, „die, soweit es praktisch möglich ist, si- cherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit lei- det oder offene Verletzungen an unbedeckten Körper- stellen aufweist“. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungs- schutzklage und machte eine Entschädigung geltend. Da seine HIV-Infektion alleiniger Kündigungsgrund sei, sah er sich durch die Kündigung wegen seiner Behinderung diskriminiert. Auch unter Berücksichtigung seiner indi- viduellen Krankheitsmerkmale sei ein risiko- und ge- fahrloser Einsatz des Arbeitnehmers im Reinraumbe- reich möglich gewesen. Das BAG führt dazu aus, dass die Kündigung des Ar- beitnehmers unmittelbar am Maßstab des AGG zu mes- sen sei. § 2 Absatz 4 AGG stehe dem nicht entgegen, da diese Vorschrift nur das Verhältnis zwischen dem AGG und speziell auf Kündigungen zugeschnittener Vor- schriften wie insbesondere dem KSchG regele. Die symptomlose HIV-Infektion des Arbeitnehmers stelle als chronische Krankheit eine Behinderung im Sinne des AGG dar. Dies gelte jedenfalls, wenn und soweit das auf solche Infektionen zurückzuführende soziale Vermei- dungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisie- rungen andauerten und eine gesellschaftliche Partizipa- tion der HIV-Infizierten damit unmöglich gemacht würde. Der Gesetzentwurf ist demnach folgerichtig abzuleh- nen. Denn im Ergebnis steht fest, dass Behinderungen im Sinne des AGG grundsätzlich auch chronische Krankheiten sind, sofern die erforderliche Beeinträchti- gung der Teilhabe vorliegt. Es besteht keine Regelungs- lücke und für die von der Opposition genannte Personen- gruppe ein gesetzlicher Diskriminierungsschutz. Das begrüßen wir ausdrücklich, denn mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland – also rund 27 Millionen Menschen – leiden an einer oder an mehreren chroni- schen Erkrankungen, und die Zahl der Betroffenen nimmt immer weiter zu. Dr. Matthias Bartke (SPD): Am Montag dieser Wo- che war Welt-Aids-Tag. Seit 1988 wird er jedes Jahr am 1. Dezember begangen. Die rote Schleife ist eines der sichtbarsten Zeichen an diesem Tag. Sie ist ein Zeichen für Toleranz und Solidarität mit den Menschen, die von HIV oder Aids betroffen sind. In diesem Jahr gibt es au- ßerdem eine Schwerpunktkampagne unter dem Motto „Positiv zusammen leben“. Es geht dabei um Gewis- sensfragen. Was würdest du zu einem HIV-positiven Bä- cker sagen? Dürfte dein Kind mit HIV-positiven Kindern spielen? Würdest du mit einem HIV-positiven Kollegen in die Kantine gehen? Vertrauen wir auf unser Wissen um HIV und Aids, wenn es darauf ankommt? Oder ist die Angst größer? Im Sommer veröffentlichte die Deutsche Aids-Hilfe eine Studie zur Diskriminierung von Menschen mit HIV. Mehr als drei Viertel aller Befragten gaben an, solche Erfahrungen im letzten Jahr gemacht zu haben. Das ging von Gerede über Beleidigungen bis hin zu tätlichen An- griffen. Bei diesem Ergebnis verwundert es nicht, dass Berater und Experten einen neuen Trend zum Verschwei- gen und Verstecken von HIV-Infektionen beobachten. Umso wichtiger ist die Aufklärung! Meine Damen und Herren von der Linken, ich gehe hier deshalb so umfänglich auf HIV und Aids ein, weil Sie in Ihrem Antrag einen HIV-infizierten Chemielabo- ranten zum Beispielfall machen. Diesem Laboranten wurde gekündigt, als der Arbeitgeber von der Infektion erfuhr. In der letzten Legislaturperiode haben Sie einen ähnlichen Gesetzentwurf wie den heutigen vorgelegt. Schon in diesem war der Chemielaborant Ausgangs- punkt Ihrer Forderungen. Zum Zeitpunkt Ihres damali- gen Antrags lagen nur die Gerichtsurteile des Berliner Arbeitsgerichts und des Berliner Landesarbeitsgerichts vor. Diese bestätigten beide die Kündigung. Das ist unter den gegebenen Umständen ein Unding. Das Bundes- arbeitsgericht aber hat die Kündigung bereits vor etwa einem Jahr für rechtswidrig erklärt. Ich frage mich wirk- lich, ob Sie das Urteil gelesen haben. Das Urteil nämlich nimmt der Kündigung zwar definitiv nichts an Brisanz. Es begründet aber auch sicher nicht die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals Gesundheitszustand. Das Landesarbeitsgericht hat eben nicht festgestellt, ob der Kläger behindert ist, sondern dies ausdrücklich offen gelassen. Dem Chemielaborant war durch das zu- ständige Versorgungsamt aber ein GdB von 10 zuerkannt worden. Das ist der geringste GdB, den es gibt. Doch das spielt keine Rolle: Auch mit diesem geringen GdB war der Chemielaborant selbstverständlich behindert und fiel unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG. Bei der Kündigung handelte es sich also klar um eine Ungleichbehandlung, auch wenn nach einem scheinbar objektiven Kriterium entschieden wurde. Kurz und gut: Das Landesarbeitsgericht hat die Kün- digung bestätigt, obwohl ein Diskriminierungsmerkmal des AGG vorlag. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil daher zu Recht aufgehoben. An diesem Beispielfall soll aber nicht entschieden werden, ob die Aufnahme des Diskriminierungsmerk- mals Gesundheitszustand unsere Ablehnung oder Zu- stimmung erfährt. Zumal es bei chronischen Krankhei- ten nicht nur um HIV und Aids geht. Es geht auch um Diabetes, Krebs und Adipositas, es geht um Hautkrank- heiten oder psychische Erkrankungen. Dennoch wirft der Fall eine sehr wichtige Frage auf. Das ist die Frage: Wird chronische Erkrankung von Behinderung erfasst? Nicht jeder chronisch kranke Mensch gilt heute als behindert. Schon gar nicht gilt der Umkehrschluss, dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7033 (A) (C) (D)(B) jeder Behinderte chronisch krank ist. Und es ist auch nicht so, dass jede chronische Erkrankung einen beson- deren, besseren Schutz nötig macht. Ob Menschen mit chronischen Krankheiten unter den Schutz des AGG fallen, hängt heute davon ab, ob ihre Erkrankung als Behinderung gilt. Sie sind also nicht grundsätzlich vom AGG ausgeschlossen Im AGG sind chronische Erkrankungen erfasst, wenn sie zu Behinderungen werden. Das ist keineswegs erst dann der Fall, wenn eine Schwerbehinderung mit einem GdB von mindestens 50 vorliegt. Eine Behinderung liegt dann vor, wenn die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abwei- chen und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesell- schaft beeinträchtigt ist. So steht es im SGB IX. Und von diesem Behinderungsbegriff sind die allermeisten chro- nisch kranken Menschen erfasst. Ich habe einige Zeit das Hamburger Versorgungsamt geleitet und weiß, wovon ich spreche. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dieser Behinde- rungsbegriff in Bezug auf chronische Erkrankungen an seine Grenzen stößt. Das ist dann der Fall, wenn mit der chronischen Erkrankung eine relativ geringe Funktions- beeinträchtigung einhergeht, die Erkrankung selbst aber in der Gesellschaft besonders stark stigmatisiert wird. Auch diese Betroffenen müssen vor Diskriminierung ge- schützt werden. Diesen Schutz gilt es zu verankern, und der Weg dafür ist schon vorgegeben: Es geht uns um eine Weiterentwicklung des Behinderungsbegriffs im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Danach folgt das AGG einem sozialen Modell und erfasst chro- nische Krankheiten immer dann, wenn sie zu elementa- ren Teilhabestörungen führen. In diesen Fällen fallen sie grundsätzlich unter den Behinderungsbegriff und wer- den damit durch das jetzige AGG voll erfasst. Das AGG ist die Grundlage, um allen Menschen in Deutschland Schutz vor Diskriminierung zu bieten. Für eine echte Kultur der Nichtdiskriminierung – im Alltag und in unseren Köpfen – ist Aufklärung notwendig. Un- ser Ziel muss am Ende sein: Gewissensfragen sollen von allen in der Gesellschaft im Sinne von Solidarität und Toleranz beantwortet werden. Ohne Unterscheidung zwi- schen Behinderung und chronischer Erkrankung! Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Meine Fraktion hat Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Ver- besserung des Schutzes gegen Diskriminierungen vorge- legt. Der letzte Auslöser dafür war ein Urteil des Bundes- arbeitsgerichts im Zusammenhang mit der Kündigung gegen einen HIV-infizierten Chemielaboranten. Diesem jungen Mann war aufgrund seiner HIV-Infektion gekün- digt worden, nachdem sein Arbeitgeber von der Infek- tion erfahren hatte. Als er gegen diese Kündigung klagte, verlor er sowohl in der ersten Instanz vor dem Berliner Arbeitsgericht als auch in der zweiten Instanz vor dem Berliner Landesarbeitsgericht. Erst das Bundesarbeitsge- richt erklärte die Kündigung für rechtswidrig. Schicksale wie dieses könnte ich Ihnen ohne Unter- brechung darlegen. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei einer der Brandenburger Aids-Hilfen ist mir bei- spielsweise ein Mann – ich nenne ihn hier einmal R. – begegnet, der in einem sehr großen, ehemals öffentlichen Unternehmen arbeitet. Auf einer Betriebsfeier rutschte ihm im leicht angeheiterten Zustand vor den Kollegen heraus, dass er HIV-positiv sei. Er selbst hatte sein dies- bezügliches Test-Ergebnis erst wenige Tage vorher er- fahren. Deshalb war er noch in einer Art seelischen Aus- nahmezustands. Von diesem Moment an war plötzlich nichts mehr wie vorher. Seine Kollegen – und ich be- nutze bewusst die männliche Form – behandelten ihn von einer Sekunde auf die andere, als ob er plötzlich ein Monster geworden wäre. Sie weigerten sich beispiels- weise, gemeinsam mit ihm noch dasselbe Diensttelefon zu benutzen. Andere Kollegen lehnten es ab, von ihm gefahren zu werden. Die absurdesten Dinge passierten. Die Wochen nach diesem eher unfreiwilligen Coming- out waren für R. die Hölle. Er wurde schwer depressiv und war lange krankgeschrieben. Es drohte eine Kündi- gung aufgrund dieser langen gesundheitsbedingten Aus- fallzeiten und Krankschreibungen. Glücklicherweise ge- lang es uns seitens der Aids-Hilfe, im Unternehmen Personalräte zu finden, die sich für den Kollegen ein- setzten. So konnten wir gemeinsam eine Kündigung ver- hindern. R. wurde versetzt und in einem anderen Betriebsteil eingesetzt. Das war in dem großen Unter- nehmen glücklicherweise möglich. In einem kleinen Un- ternehmen hätte es mit Sicherheit keine derartige Chance der Konfliktdämpfung gegeben. Sein altes Team weigert sich bis heute trotz Aufklärung und Gespräch strikt, wei- ter mit R. zu arbeiten. Nun ist mir natürlich bewusst, dass sich durch ein Ge- setz an dieser Haltung der Kollegen gar nichts ändern würde. Und die aktuelle Kampagne der Deutschen Aids- Hilfe und der Bundeszentrale für Gesundheitliche Auf- klärung machen deutlich, wie wichtig es ist, Verhalten und Einstellung zu hinterfragen. Denn genau darum geht es: Würde ich mit einem HIV-positiven Kollegen mit- fahren? Na klar, warum denn nicht? Wenn er pünktlich ist? Aber rechtlich wäre R. erheblich besser vor Diskrimi- nierung und Mobbing geschützt als zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Und dies müssen wir erreichen und sicher- stellen, auch ohne dass ein Bundesarbeitsgericht erst durch entsprechende Rechtsprechung dafür sorgt, dass vorherige Kündigungen oder andere Diskriminierungen für rechtswidrig erklärt werden. Wenn eine Kündigung oder Diskriminierung aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder einer chronischen Krankheit rechtswidrig ist, dann kann und sollte dies auch in dem Gesetz klar und deutlich benannt und geregelt werden, das dieser Bundestag zum Schutz vor Diskriminierungen beschlossen hat – dem Allgemeinen Gleichbehandlungs- gesetz, AGG. Nicht mehr, aber auch nicht weniger schla- gen wir Ihnen heute vor und werben um Ihre Zustim- mung dafür. Im Übrigen haben wir damit auch eine Forderung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgegriffen, die seit ihrem Bestehen darauf hinweist, dass chronische Er- 7034 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) krankungen ebenso wie Behinderung ausdrücklich im AGG benannt werden sollten. Und wenn die Bundesre- publik es ernst meint mit der Anerkennung der UN-Be- hindertenrechtskonvention, wie sie es mit ihrer Unter- schrift bekundet hat, dann muss sie sich auch von ihrem bisher eingeschränkten Behindertenbegriff verabschie- den. Denn in dieser UN-Behindertenkonvention heißt es: „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Men- schen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ Dieser Begriff hätte im AGG benutzt werden müssen. Am vergangenen Montag war Welt-Aids-Tag. Eine Gruppe Abgeordneter aus allen Fraktionen dieses Hau- ses hat gemeinsam mit der Berliner Aids-Hilfe Spenden- gelder gesammelt und Rote Schleifen als Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen verteilt. Das ist ein star- kes politisches Signal: Menschen mit HIV und Aids sind uns hier nicht egal. Und es gibt in allen Fraktionen Ver- bündete in Sachen Solidarität. Das ist gut so! Es wäre zu wünschen, dass diese Gemeinsamkeit in der tätigen Solidarität auch zu einer Gemeinsamkeit in der konkreten politischen Unterstützung für Menschen mit chronischer Krankheit oder gesundheitlicher Beein- trächtigung – für Menschen mit HIV und Aids – führen könnte. Angesichts der Tatsache, dass es in anderen Mit- gliedsländern der EU – in Belgien, Finnland, Frankreich, Lettland, Slowenien, Tschechien und Ungarn – einen ge- setzlichen Diskriminierungsschutz gibt, der auch den Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Gesund- heitszustandes ausdrücklich benennt, sollten wir sofort aktiv werden und handeln. Auch die Internationale Ar- beitsorganisation ILO empfiehlt dies ausdrücklich. Groß- britannien benennt HIV als chronische Krankheit. Und Rumänien und Holland benennen chronische Krankhei- ten als eigenes Diskriminierungsmerkmal. Wie man es also dreht und wendet, eine Verbesserung des gesetzli- chen Diskriminierungsschutzes ist für chronisch Kranke und Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung mehr als überfällig. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Wochenanfang warnte Manuel Izdebski von der Deutschen Aids-Hilfe, dass Diskriminierung heute das wichtigste Thema sei, wenn wir von HIV und Aids spre- chen. Ihm sei es wichtig, deutlich zu machen, dass man heute auch mit HIV ein langes und erfülltes Leben füh- ren kann. Diskriminierung mache dagegen das Leben schwer und könne tödlich sein. Die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion ha- ben mit ihrem Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen aufgrund des Ge- sundheitszustands ein richtiges Problem erkannt, da es auch HIV-positive Menschen einschließt. Der Diskrimi- nierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen muss verbessert werden; das sehen Bündnis 90/Die Grünen genauso. Leider ist der vorliegende Gesetzentwurf aber dringend überarbeitungsbedürftig. Nachdem die EU dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinde- rungen beigetreten war, hatte der Europäische Gerichts- hof in Luxemburg im April 2013 den Begriff der Behin- derung im Sinne des AGG neu definiert. Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht Ende 2013 angeschlossen. Da- nach stellt eine heilbare oder unheilbare Krankheit eine Behinderung dar, wenn sie die Betroffenen an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben hindert und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist. Mit Blick auf die Werbekampagnen für mehr Akzeptanz von HIV-positiven Menschen in dieser Woche, die mit dem Welt-Aids-Tag begann, ein richtiger Punkt. Das AGG enthält Lücken, die geschlossen werden müssen. Das haben die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion erkannt. Ihr Gesetzentwurf ist zweifels- ohne gut gemeint. Leider aber ist er schlecht gemacht. Er führt in das Antidiskriminierungsrecht drei unterschied- liche Begriffe ein. Während im Zivilrecht Benachteili- gung wegen „des Gesundheitszustands“ unzulässig sein sollte, schlagen die Linken vor, im Arbeitsrecht die Be- nachteiligung wegen einer „chronischen Erkrankung“ zu verbieten, und im Gesetz über Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten wird zusätzlich der Begriff der „gesundheitlichen Beeinträchtigung“ benutzt. Ob das ein Versehen war oder nicht und welche Absicht dahinter- steckt, kann man leider der Begründung nicht entneh- men, die fälschlicherweise stets von „Folgeänderungen“ spricht. Eine Linie in einheitlichen Begrifflichkeiten fehlt völlig. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein Er- folg der langjährigen Arbeit der grünen Bundestagsfrak- tion, die unter Rot-Grün die Einführung und Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien vorangetrieben hat. Wegen der vorgezogenen Wahlen 2005 ist das Ge- setz erst unter Schwarz-Rot und in einer leider verwäs- serten Version verabschiedet worden. Das AGG hat nicht nur die Rechte der Betroffenen, die Benachteiligungen aus Gründen der ethnischen Her- kunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschau- ung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfahren haben, gestärkt. Vielmehr hat das Ge- setz eine Antidiskriminierungskultur in deutschen Unter- nehmen etabliert. Dennoch bleibt noch einiges zu tun. Außer der Ver- besserung des Diskriminierungsschutzes müssen fol- gende Punkte noch umgesetzt werden: Wir fordern die Einführung des Klagerechts für Anti- diskriminierungsverbände. Wir müssen Sanktionen verschärfen, damit sie – wie in der europäischen Vorgabe vorgesehen – „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind, und wir müs- sen die Fristen für Geltendmachung der Ansprüche aus dem AGG verlängern. Außerdem sollten wir die Chance nutzen und über die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale nachden- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7035 (A) (C) (D)(B) ken, beispielsweise beim Familienstand und der Kinder- zahl, was beides jeweils zum Nachteil im Bewerbungsver- fahren ausgelegt werden kann und zweifelsohne dann eine Diskriminierung darstellen würde. Last, not least muss die Ausnahmeklausel der Kirchen explizit nur auf den Kernbereich der Glaubensverkün- dung beschränkt werden. Wir sind beim Antidiskriminierungsschutz auf halber Strecke stehen geblieben. Es ist Zeit für einen neuen Schwung. Für ein Berichterstattergespräch stehen wir gerne zur Verfügung. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Achten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Leistungsschutz- rechtsaufhebungsgesetz – LSR-AufhG) (Tages- ordnungspunkt 18) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Derzeit ist einer der meistdiskutierten Beiträge zum breiten Themenkomplex Google der Gastbeitrag von Jeff Jarvis in der Zeit. Las- sen Sie mich daraus ein Zitat herausgreifen: „So sehr Dr. Döpfner Google auch fürchten mag: Erstaunlicher- weise verhält sich gerade Google oft wie ein scheues, verschrecktes Tier.“ Erstaunlich, dass Google, dessen Suchmaschine allein in Deutschland bereits einen Marktanteil von rund 96 Prozent erreicht, von Herrn Jarvis hier als „scheu“ und „verschreckt“ charakterisiert wird. Vor zwei Jahren, als die Einführung eines Leistungsschutzrechts für die Presseverlage heiß diskutiert und vom Bundestag be- schlossen wurde, war ich mitten im Geschehen, und ich muss sagen, dass mir in dieser Debatte keiner der Betei- ligten als verhalten, scheu oder vorsichtig begegnet ist – nicht die Verlage, am allerwenigsten jedoch Google selbst. Um noch eine Bemerkung zu dem zitierten Beitrag von Jeff Jarvis anzufügen: Es ist erstaunlich, wie wenig er Politikern und ihrem Einfluss offenbar zutraut. Die Resolution des Europäischen Parlaments, die in der ver- gangenen Woche verabschiedet wurde, hat zwar keine bindende Funktion, wie mehrfach betont wurde. Den- noch zeigt die Debatte um und über diese Resolution, dass Parlamentarier als demokratisch legitimierte Ent- scheider Akzente setzen, Debatten anstoßen und Ent- scheidungslinien für ihre jeweilige Exekutive vorzeich- nen können. Die Debatte über die Marktmacht von Google ist je- doch nur die eine Seite. Die andere Seite betrifft das Ur- heberrecht und damit den Schutz geistigen Eigentums allgemein. Bei der Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage, das im August vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, ging es eben gerade nicht um ein Ge- setz zur Regulierung eines einzelnen Unternehmens. Vielmehr ging es uns darum, für den Bereich der Presse einen ordnungspolitischen Rahmen im Internet herzu- stellen. Mit diesem Gesetz haben wir eine seinerzeit be- stehende Schutzlücke im Urheberrecht geschlossen und die technisch-organisatorischen Leistungen der Presse- verleger auch für den digitalen Markt anerkannt. Leis- tungsschutzrechte sind dabei keineswegs eine Neuerfin- dung, sondern fast so alt wie das Urheberrecht selbst. Die ordnungspolitische Rahmensetzung haben wir also mit der Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage begonnen. Vor allem war auch Kern des Gesetzes, was derzeit Gegenstand der eher kartellrechtli- chen Debatten ist: ein Gleichgewicht zwischen Beteilig- ten eines Marktes herzustellen, der bislang weitestge- hend unreguliert ist. Die parlamentarische Opposition schlägt im vorlie- genden Gesetzentwurf nunmehr die Aufhebung des ge- nannten Gesetzes vor. Detailliert wird in der Problembe- schreibung der bisherige Verlauf der Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes beschrieben. Genau darin liegt das Problem des Gesetzentwurfs: Nicht nur das Ur- heberrecht, sondern jedwede abstrakt-generelle gesetzli- che Regelung besteht seit jeher auch aus unbestimmten Rechtsbegriffen, die üblicherweise durch die Rechtspre- chung ausgelegt und konturiert werden. Insofern läuft derzeit das vollkommen übliche Verfahren: dass die Wahrnehmung und Durchsetzung der Leistungsschutz- rechte einer Verwertungsgesellschaft übertragen wurden und diese dem Deutschen Patent- und Markenamt einen aufgestellten Tarif zur Prüfung vorgelegt hat. Auch das zivilrechtliche Vorgehen der VG Media bei der Schieds- stelle des Patent- und Markenamts ist daher nicht unüb- lich. Und wahrscheinlich wird nach der Schiedsstellen- entscheidung auch der gesamte weitere zivilrechtliche Instanzenweg ausgeschöpft werden. Insofern hat die Wahrnehmung des Leistungsschutzrechts für Pressever- lage gerade erst begonnen. Da das Recht bisher nicht durchgesetzt werden konnte, können weder zulässige Snippetlängen benannt noch Urheber an zu erwartenden Einnahmen beteiligt werden. Schließen möchte ich ebenfalls mit einem Zitat, und zwar aus dem vorliegenden Gesetzentwurf: Es sei „nach wie vor nicht nachvollziehbar, was genau geschützt wer- den soll und weshalb“. Zu diesen Fragen ist zu empfehlen, den Text des Ur- heberrechtsgesetzes, namentlich den § 87 f, nachzulesen. Im Übrigen füllen sich die Ergebnislisten von Suchma- schinen, anders als es der Gesetzentwurf annimmt, nicht von selbst. Hinter griffigen Überschriften sowie Inte- resse weckenden Textanreißern stecken die geistigen Leistungen von Redakteurinnen und Redakteuren ebenso wie die technisch-organisatorischen Leistungen der Verlage, die die Inhalte auf ihren Internetseiten ent- sprechend aufbereiten. Daher stehen wir nach wie vor zur Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage und werden die weiteren Entwicklungen der Wahrnehmung und Durch- setzung des Gesetzes mit großem Interesse verfolgen. 7036 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Michael Frieser (CDU/CSU): Das Leistungsschutz- recht für Presseverleger hat uns bereits intensiv in der vergangenen Legislaturperiode beschäftigt, und offen- sichtlich können die Kolleginnen und Kollegen aus den Oppositionsfraktionen gar nicht genug davon bekom- men. Schließlich haben sie seit Beginn der neuen Legis- laturperiode schon wieder mehrere Anfragen zu diesem Thema an die Bundesregierung gestellt. Ein weiterer Be- weis für ihre Ungeduld ist der heute zu debattierende Antrag, der eine Abschaffung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger beinhaltet. Dabei sind seit dem In- krafttreten gerade einmal 16 Monate vergangen. Nach der intensiven Diskussion vor der Verabschie- dung des Leistungsschutzrechts in der vergangenen Le- gislaturperiode war zudem allen Beteiligten klar, dass es nicht bereits mit dem oder unmittelbar nach dem Inkraft- treten des Gesetzes zu schnellen Lizenzverträgen zwi- schen den Presseverlegern und den Nutzern ihrer Ange- bote kommen würde. Schließlich mussten sich beide Seiten zunächst auf den neu geschaffenen Rechtsrahmen einstellen und orientieren. Dies haben sie – im Gegensatz zu der Darstellung in Ihrem Antrag – auch gemacht. Mehrere große Verlage haben sich in der VG Media zusammengeschlossen, um zukünftig ihr vom Gesetzgeber zugewiesenes Recht ge- genüber Nutzern ihrer Erzeugnisse geltend machen zu können. In der Folge hat die VG Media im Juni 2014 nach den Vorgaben des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes ei- nen Tarif über die Vergütung für die öffentliche Zugäng- lichmachung von Ausschnitten aus Onlinepresseerzeug- nissen zu gewerblichen Zwecken gemäß § 87 f Absatz 1 Satz 1 UrhG veröffentlicht und diesem dem Deutschen Patent- und Markenamt zur Prüfung vorgelegt. So wie dies in der Vergangenheit übrigens auch andere Verwer- tungsgesellschaften – wie beispielsweise die VG Wort oder die GEMA – in vergleichbaren Situationen bereits gemacht haben. Der Tarif liegt seitdem der Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften beim Deutschen Patent- und Markenamt vor und wird dort derzeit am Maßstab des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes überprüft. Die zwi- schenzeitlich von einigen Verlagen unter Widerruf er- teilte Nutzungserlaubnis für einige Suchmaschinen, un- entgeltlich auf veröffentlichte Texte zuzugreifen, berührt das laufende Verfahren eben gerade nicht. Mit einer Entscheidung durch das Deutsche Patent- und Markenamt ist im kommenden Jahr zu rechnen. Dies mag zwar Ihren Bogen der Geduld überspannen, ist aber angesichts der rechtlichen Vorgaben und der derzei- tigen personellen Ausstattung beim Deutschen Patent- und Markenamt zumindest derzeit noch die Realität. Ich sage bewusst „derzeit“, denn wir beabsichtigen, das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Marken- amt zu beschleunigen. Eine entsprechende Initiative werden wir im nächsten Jahr vorstellen. Ich würde mich freuen, wenn diese dann auch mit der Unterstützung der Opposition vom Deutschen Bundestag beschlossen wer- den könnte. Schließlich scheint die Ungeduld bei Ihnen – gerade in Fragen der angemessenen urheberrechtlichen Vergütung – oftmals überhandzunehmen. Wie Sie angesichts des von mir geschilderten Sach- verhalts erkennen können, besteht derzeit kein Grund, als Gesetzgeber erneut tätig zu werden. Angesichts dessen, dass es noch keine rechtsverbind- liche Entscheidung durch das Deutsche Patent- und Mar- kenamt gibt, kann es selbstverständlich auch noch keine abschließenden Regelungen dazu geben, wie, und vor al- lem in welcher Höhe, die Urheberinnen und Urheber von den möglichen Einnahmen aus dem Leistungsschutz- recht profitieren werden. Auch die immer wieder zitierte „Verwirrung“ bei den betroffenen Unternehmen vermag ich angesichts des eingeschlagenen Weges durch die VG Media nicht nachzuvollziehen. Da es sich bei dem Leis- tungsschutzrecht für Presseverleger um eine neue Rechtsmaterie handelt, ist es keinesfalls ungewöhnlich, dass im Rahmen der Regelung auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgegriffen wurde. Falls diese in der Praxis tatsächlich in der Auslegung zwischen den betrof- fenen Marktteilnehmern streitig werden sollten, was der- zeit meines Erachtens noch nicht erkennbar ist, ist in die- sen Fällen die Rechtsprechung gefordert. Auch dies ist weder etwas Besonderes noch gar etwas Verwerfliches. Nach alledem, auch nach der gestrigen Sachverständi- genanhörung im Ausschuss Digitale Agenda, scheint mir der wahre Grund für Ihren Antrag nicht die Entwicklung in den vergangenen Monaten zu sein, sondern die bereits in der letzten Legislaturperiode vertretene Auffassung, dass es eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger nicht bedarf. Mit dieser Meinung stehen Sie sicher nicht allein, aber Sie müssen eben auch akzeptieren, dass die Mehr- heit des Deutschen Bundestages dies bereits in der ver- gangenen Legislaturperiode aus anderen Gründen anders gesehen hat und ein vollständiger Meinungsumschwung angesichts der derzeitigen tatsächlichen Entwicklung auch nicht erkennbar ist. Im Gegenteil, die jüngsten Ent- wicklungen auf europäischer Ebene bestätigen sogar un- sere damalige Entscheidung. Spanien hat Ende Oktober 2014 ebenfalls eine gesetz- liche Regelung zum Schutz der Presseverleger erlassen, und der neue EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, hat in einem Interview gegenüber dem Handelsblatt am 28. Oktober ausgeführt, dass er nicht nur eine Modernisierung des Urheberrechts beabsichtige, sondern dass Teil dieser Modernisierung auch die Einführung einer Abgabe für intellektuelle Werte sein müsse, wenn diese bezogen und weiterverar- beitet würden. Wir sollten daher am bisherigen Plan festhalten und zunächst die im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluie- rung des Leistungsschutzrechts abwarten, bevor wir er- neut als Gesetzgeber tätig werden. Christian Flisek (SPD): Im gestrigen Fachgespräch des Ausschusses Digitale Agenda zum Urheberrecht wurde eines sehr deutlich und die Bewertungen der Sachverständigen dazu waren einstimmig: Alle plädier- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7037 (A) (C) (D)(B) ten für eine Überprüfung, gar für eine Abschaffung des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger, und zwar in der Form, wie es in der letzten Legislatur verabschiedet wurde. Nach gerade einem Jahr kommen die Wissen- schaftler zu dem klaren Urteil, diese Gesetzesänderung sei „kurzatmig und lobbygetrieben“. Das bestärkt mich als Berichterstatter meiner Fraktion für das Urheber- recht, hier zukünftig tätig zu werden. Ich sage es ganz klar: Wir benötigen eine zeitnahe Evaluierung, um zu ei- ner Lösung der offensichtlichen Probleme zu kommen. Und dies ist ganz im Sinne unseres Koalitionsvertrages. Bereits zu Beginn gab es an der Idee, einen gesonder- ten Schutz für presseverlegerische Leistungen auch für „kleine“ und „kleinste“ Textausschnitte zu gewähren, viel Kritik aus den verschiedenen Fachrichtungen. Wis- senschaftler wie Rechtsgelehrte waren sich bereits wei- testgehend darin einig, dass die nun bestehende Norm des Leistungsschutzrechtes bezüglich ihres Wirkungs- grades und ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit höchst kri- tisch zu betrachten sei. Das aktuell bestehende Leistungsschutzrecht für Pres- severleger schützt weder die journalistische Qualität noch kleine Verlage vor deren Sterben. So ist die damals eingebrachte Begründung auch heute noch dahin gehend fragwürdig, welche Elemente des bestehenden Leis- tungsschutzrechts tatsächlich zu einer qualitativ hoch- wertigeren Arbeit im redaktionellen Bereich beitragen könnten. An dieser Stelle möchte ich gerne anfügen, dass die von uns, der SPD-Fraktion, zur Einführung dieses Geset- zes geforderten Bestimmungen, was „Teile“, „kleine Teile“ und „kleinste“ Teile von Presserzeugnissen seien, nach wie vor fehlen. Auch diese Pflichtvergessenheit ist einer positiven Bewertung dieses Gesetzes nicht zuträg- lich. Jedoch möchte ich ein bestehendes Gesetz nicht gänz- lich verurteilen, ohne dessen Wirksamkeit tatsächlich geprüft zu haben. Deshalb kommt zuvorderst die Geset- zesevaluierung, um dann daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Es kann jedoch angenommen werden, dass die An- wendbarkeit des Leistungsschutzrechtes für Presseverle- ger durch die aktuell erteilten Sondergenehmigungen eines Großteiles der Verleger an Google, Kurzdarstellun- gen ihrer Texterzeugnisse kostenlos zu nutzen und on- line zur Verfügung zu stellen, ausgehebelt wurde. Es gibt nicht wenige Menschen, die sprechen hier von einem Offenbarungseid. Nicht nur als Mitglied im Rechtsausschuss, sondern auch als Existenzgründungsbeauftragter meiner Frak- tion, beschäftigt mich die Frage der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes. So ist beispielsweise in Bezug auf Start-up- Unternehmen und innovative Internetfirmen auch zu prüfen, ob dieses Gesetz gar ein Innovationshemmnis darstellt und damit der wirtschaftlichen Entwicklung un- seres Landes schadet. Gleichwohl leugne ich nicht, dass Verwerter geeig- nete Gesetzesinstrumente zur Durchsetzung der urheber- rechtlichen Schutzrechte für ihre Mitglieder benötigen, um sich besser gegen die unstrittig vorkommenden Ur- heberrechtsverletzungen wehren zu können. Es muss jedoch in einer Demokratie das Interesse be- stehen, eine freie Verbreitung von Nachrichten und Be- richten zu ermöglichen. Deshalb muss kritisch hinter- fragt werden, inwieweit, „kleine“ bis „kleinste“ Teile – gar einzelne Wörter – eines Presseerzeugnisses unter den urheberechtlich schutzwürdigen Bereich fallen. Die in den Begründungen erwähnten Ziele des im Fe- bruar 2013 verabschiedeten Gesetzes zum urheberrecht- lichen Schutz der Presseverleger, nicht den Informa- tionsfluss im Internet behindern zu wollen, wurden durch die aktuellen Entwicklungen gar ausgehöhlt. Es scheint, dass durch die Auslistung der VG Media angehöriger Verlage auf Plattformen von Telekom und Anbietern wie 1&1, zu welchen beispielsweise beliebte kostenlose E-Mail-Plattformen wie GMX und web.de gehören, diese Presseverleger einen erheblichen Scha- den erleiden; denn die Zugriffe, der sogenannte „traffic“, sind seitdem auf diesen Seiten bis zu 80 Prozent rückläu- fig. Somit könnte man schlussfolgern, dass sowohl das eingeführte Leistungsschutzrecht als auch die Klage der VG Media ihren Mitgliedern bisher mehr Schaden als Nutzen eingebracht hat. Deshalb sage ich hier nochmals: Lassen Sie uns das Leistungsschutzrecht für Presseverleger zuerst zeitnah evaluieren und dann gemeinsam eine vernünftige Lö- sung finden; dies entspricht auch den Vereinbarungen unseres Koalitionsvertrages. Der Antrag von den Linken und Bündnis 90/Die Grünen kommt dabei etwas zu früh in die Diskussion und in die sich anschließenden Aus- schussberatungen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Das in der vergan- genen Wahlperiode von der damaligen schwarz-gelben Koalition eingeführte Leistungsschutzrecht für Pressever- leger war, ist und bleibt falsch. Es schafft Rechtsunsi- cherheit, es ist innovationsfeindlich, und es verbessert die Lage von Urheberinnen und Urhebern an keiner Stelle. Weil das so ist, kann eine im Koalitionsvertrag vorgesehene Evaluierung nicht abgewartet werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlagen die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vor, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger aufzuheben. Worum geht es eigentlich? Sie alle nutzen Suchma- schinen. Wenn Sie nicht nach etwas Bestimmtem su- chen, sondern sich einen Überblick über aktuelle Ereig- nisse verschaffen wollen, dann nutzen Sie sogenannte Newsaggregatoren, Internetseiten also, die Artikel von Nachrichtenseiten sammeln und sortieren. Im Regelfall – Sie kennen das alle – sehen Sie auf diesen Seiten Über- schriften und Anrisse von Texten. Vermutlich wählen Sie danach aus, was Sie lesen. Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger sollte es nun so sein, dass die Newsaggregatoren und Anbieter von Suchmaschinen für die Darstellung der Überschriften und Textanrisse Gebühren an die Verlage zahlen. Wenn nicht gezahlt wird, dann ist eben weniger zu lesen, zum Beispiel nur Überschriften oder gar nur 7038 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Links oder gar nichts, weil die Artikel von den Verlagen komplett aus der Suchmaschine genommen wurden. Für den Nutzer oder die Nutzerin wird dadurch der Wert der Suchergebnisse eingeschränkt, da anhand von Über- schriften deutlich schwerer bewertet werden kann, ob ein Artikel relevant ist oder nicht. Darum sollen laut dem Leistungsschutzrecht kleinste Textausschnitte ausge- nommen sein. Doch wie lang ein solcher Textausschnitt sein darf, ist nicht geklärt und Gegenstand langer Debat- ten. Davon profitiert ironischerweise genau der Anbieter einer Suchmaschine, dessentwegen das Leistungsschutz- recht überhaupt erst eingeführt wurde. Ausgerechnet Google bekam von den Verlagen, die auf eine Durchset- zung des Leistungsschutzrechts bestehen – das sind längst nicht alle; viele namhafte Verlage verzichten aus guten Gründen komplett darauf –, einen Freifahrtschein, ihre Artikel mit Überschrift und kleinen Textausschnit- ten anzuzeigen – ohne irgendetwas dafür zu bezahlen. Offensichtlich hat sich auch hier die Erkenntnis durchge- setzt, dass Google so viele Nutzerinnen und Nutzer auf die Seiten der Verlage bringt – und damit bares Geld –, dass ein Verzicht auf Textanreißer finanzielle Einbußen bedeuten würde. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Zahlen der Nutzer, die Google News auf Seiten des Springer-Verlages führte, um 80 Prozent eingebro- chen sind, nachdem nur noch Überschriften angezeigt wurden. So jammerte zumindest Mathias Döpfner. Das hätte ich ihm auch früher sagen können. Leider scheint diese Erkenntnis nur für Google zu gelten. Kleinere An- bieter von Suchmaschinen oder Newsaggregatoren sol- len auch weiterhin die Gebühren bezahlen. Das Anti- Google-Gesetz wird zum Google-Stärkungs-Gesetz. Kleinere Anbieter werden geschwächt. Google wird sich bedanken. Innovationen bleiben auf der Strecke. Das Ganze klingt zu absurd, um wahr zu sein. Nun wird oft argumentiert, dass das Leistungsschutz- recht verlegerische Leistungen schützen soll. Aber bei den Suchmaschinenanbietern und Newsaggregatoren werden kleine Ausschnitte einzelner Artikel angezeigt, weder ganze Artikel noch ganze Publikationen. Um diese lesen zu können, muss man immer noch auf die Seiten der Verlage. Verlage müssen daher nicht ge- schützt werden. Geschützt werden muss der unabhän- gige Journalismus. Es sollte daher vielmehr um den Schutz der Journalistinnen und Journalisten gehen. De- ren Rechte gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern sind aber über das Urheberrecht gewahrt. Dazu bedarf es kei- nes zusätzlichen Leistungsschutzrechts. Wenn etwas ei- ner Stärkung bedarf, dann die Rechte der Journalistinnen und Journalisten gegenüber den Verlagen. Zum Beispiel, indem Total-Buy-out-Verträge deutlich eingeschränkt werden. Total-Buy-out-Verträge bedeuten, dass der Ur- heber bzw. die Urheberin seine bzw. ihre Rechte an Ver- werter oder Verlage komplett abtritt, welche das journa- listische Werk dann so oft veröffentlichen können, wie sie wollen – ohne den Urheber oder die Urheberin für jede einzelne Veröffentlichung zu bezahlen. Eine ange- messene Vergütung wird so mit Sicherheit nicht erreicht. Hier gibt es also wirklich etwas zu tun. Das Leis- tungsschutzrecht ist dagegen verzichtbar. Also lassen Sie uns ein unsinniges Gesetz abschaffen und uns Gedanken über ein sinnvolles Urhebervertragsrecht machen. Ein innovationsfeindliches Gesetz, das Rechtsunsicherheit schafft, ist ein unsinniges Gesetz. Deshalb kann es auch aufgehoben werden. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Vorbereitung auf diese Debatte habe ich noch einmal die Protokolle der früheren Leistungsschutzrechtsdebatten gelesen. Da findet man manch Spannendes. Zum Bei- spiel dieses Zitat von Montesquieu: „Wenn es nicht not- wendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Zitiert hat dies Brigitte Zypries von der SPD bei der abschließenden Lesung. Heute ist die geschätzte Kollegin Staatssekretärin im Wirt- schaftsministerium, und mit dem vorliegenden Aufhe- bungsgesetz verlangen wir von ihr und ihren Kollegen der schwarz-roten Koalition genau das, was Montes- quieu sagt: dass ein unnötiges Gesetz wieder rückgän- gig gemacht wird. Wie unsinnig das Leistungsschutzrecht ist, hat die Posse rund um Google und die VG Media bewiesen. Zuletzt haben die meisten der in der VG Media zusam- mengeschlossenen Verlage, darunter auch Springer als Leistungsschutzrechtvorantreiber, entschieden, dass sie auf Google weiterhin auch mit den Snippets ihrer Texte gefunden werden wollen. Warum? Weil sie sonst erheb- liche Rückgänge ihrer Klickzahlen zu verbuchen hätten. Darum haben diese Verlage eine widerrufliche Einwilli- gung an Google erteilt, dass ihre Verlagsinhalte in Snip- pets weiterhin wie üblich angezeigt werden dürfen – und zwar gratis. Erinnern wir uns doch noch mal kurz an die Begrün- dung des Leistungsschutzrechts. Damals sagte Günter Krings von der CDU: „Das Leistungsschutzrecht allein wird die Pressevielfalt in Deutschland nicht sicherstel- len. Aber es ist ein wichtiger Beitrag für den Erhalt einer lebendigen Presselandschaft in unserem Land.“ – De- batte zum Leistungsschutzrecht, erste Lesung am 29. November 2012. Ich konstatiere: Das Leistungs- schutzrecht hat exakt null zum Erhalt der Presseland- schaft beigetragen. Bisher flossen unseres Wissens nach keine Lizenzgebühren von Suchmaschinen an die Verlage. Die Aggregatoren wie bei web.de oder Rivva haben etliche Verlagsangebote vorsorglich aussortiert. Andere stellen Google ihre Snippets wieder gratis zur Verfügung. Verdient haben bisher nur Anwälte. Und war das überraschend? Nein, denn wie Kollegin Zypries in der selben Rede sagte: „Denn ich garantiere Ihnen: Vor allem Gerichte werden sich mit dem Leistungsschutz- recht befassen, bevor auch nur irgendein Verlag Geld für sein Angebot im Internet bekommt.“ Oder Thomas Oppermann, heute Fraktionsvorsitzender der SPD: „Es ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte, und das dürfen wir als Bundestag nicht beschließen.“ Oder Kollege Lars Klingbeil, auch von der SPD: „Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwalts- kanzleien. Gerichte müssen nachher klären, wie es mit diesem Leistungsschutzrecht weitergeht. Sie schaffen Rechtsunsicherheit, und ich sage Ihnen: Sie verhindern auch Innovationen.“ – Debatte am 1. März 2013. Recht Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7039 (A) (C) (D)(B) hatte und hat er. Es kam die Wahl, das Leistungsschutz- recht blieb, trotz aller Mängel. Lediglich eine Evaluie- rung versprach der Koalitionsvertrag. Wir aber geben zusammen mit der Linken den Kolleginnen und Kolle- gen der SPD die Möglichkeit, eine verpasste Chance doch noch zu nutzen und das Leistungsschutzrecht auf- zuheben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie müs- sen nicht die Suppe auslöffeln, die Ihnen maßgeblich von der Union eingebrockt wurde. Denn die Union – das muss man klar sagen – war bis auf wenige Abgeordnete geschlossen für das Leistungsschutzrecht und hat es re- gelrecht durchs Parlament geprügelt. Gestern in der Anhörung zum Urheber- und zum Leistungsschutzrecht haben ausnahmslos alle Experten, auch die von der Koalition benannten, die Abschaffung des Leistungsschutzrechts gefordert. Hören wir doch mal auf die Fachleute! Ich finde, als Mitglieder des Bundestages haben wir die Pflicht, unsere Arbeit kritisch zu hinterfragen. Wenn etwas so offensichtlich schiefläuft wie das Leistungs- schutzrecht, ist es keine Schande, einen Fehler zuzuge- ben und zu korrigieren. Es wäre aber eine Schande, trotz besseren Wissens weiterzumachen wie bisher. Es ist ganz einfach: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf von Linken und uns zu – oder legen Sie einen eigenen zur Abschaffung des Gesetzes vor. Sie haben über die Weih- nachtspause Zeit, sich darüber Gedanken zu machen und sich einen Ruck zu geben. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsge- setzes zur Abgabenordnung – Antrag: Straffreiheit bei Steuerhinterzie- hung durch Selbstanzeige abschaffen (Tagesordnungspunkt 20) Bettina Kudla (CDU/CSU): Das vorliegende Gesetz ist ein wichtiger Eckpfeiler in der Absicht der Koalition, die Steuerhinterziehung wirksamer zu bekämpfen. Die Grundaussage ist klar: Für Steuerunehrliche wird es deutlich teurer, für Steuerehrliche schaffen wir mehr Rechtssicherheit. Für die CDU/CSU-Fraktion muss eine gute Finanz- politik immer dreierlei beachten: Erstens gilt es, für ei- nen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen – dies verlangt nicht die wirtschaftliche Vernunft, sondern allein schon die Schuldenbremse des Grundgesetzes von uns. Zwei- tens darf die Belastung für die Bürger nicht zu hoch sein. Drittens ist dafür zu sorgen, dass die Steuergesetze auch eingehalten werden, Steuerhinterziehung also wirksam bekämpft wird. Gerade die derzeitige Finanzpolitik von Bundes- minister Wolfgang Schäuble zeigt, dass ein ausgegliche- ner Haushalt auch ohne eine höhere Belastung der Bür- ger möglich ist. Die Zahlung der Steuern ist für viele Bürger, aber auch mittelständische Betriebe eine große Last. Die Zah- lung von Steuern wird häufig als ein notwendiges Übel angesehen, damit der Staat hiermit viele wichtige Aufga- ben finanzieren kann. Wie so oft ist es aber auch hier eine Frage des Maßes. Deswegen muss gerade in einem sich abkühlenden konjunkturellen Umfeld Rücksicht ge- nommen werden. Zukunftsweisende Politik sollte folg- lich keine Erhöhung der Steuerlast betreiben, sondern muss perspektivisch die Entlastung von Steuern in den Blick nehmen. Die hohe Steuer- und Abgabenlast führt leider dazu, dass manche versuchen, sich dem Zugriff des Staates zu entzie- hen. Das kann durch Steuerhinterziehung – die natürlich nicht entschuldigt werden darf –, aber auch beispielsweise durch Wegzug geschehen. Durch Abwanderung fähiger und zahlungskräftiger Einwohner und Unternehmen ent- steht ein nicht zu unterschätzender kurz- und langfristi- ger volkswirtschaftlicher Schaden. Das zeigt, dass wir, die wir den Bürgern die Steuern auferlegen, bei aller Notwendigkeit des wirksamen Eintreibens von Steuern auch immer wieder hinterfragen sollten, ob die Belas- tung angemessen ist. Hier geht es bei weitem nicht nur um die Höhe der Belastung, die – ich habe es erwähnt – perspektivisch moderat sinken sollte. Es geht auch darum, dass der Steuermoral der Bürger und Unternehmen eine Besteue- rungsmoral des Staates gegenüberstehen muss. Das heißt, der Staat muss ein verlässlicher Partner sein. Er muss Rechtssicherheit, Kontinuität und Planbarkeit so weit wie möglich sicherstellen. Hier komme ich wieder zum vorliegenden Gesetzent- wurf. Er kommt nämlich beidem zugute: Auf der einen Seite hält er die Bürger zu mehr Steuermoral an. Auf der anderen Seite soll er dazu dienen, dass der Fiskus ein verlässlicherer Partner der Steuerbürger ist. Mehr Steuermoral wird dadurch entstehen, dass Selbstanzeigen nicht nur schwieriger, sondern auch deut- lich teurer werden. Ein Taktieren mit dem Entdeckungs- risiko wird es nicht mehr geben. Dies gilt umso mehr in Verbindung mit dem hoffentlich bald reibungslos funktio- nierenden automatischen Informationsaustausch zahlrei- cher Staaten. Der Anreiz, mutwillig Steuern zu hinterzie- hen, sinkt noch weiter. Damit wird auch die Akzeptanz der Steuerlast bei den ehrlichen Steuerzahlern, die die deutliche Mehrheit stellen, erhöht. Sie sehen: Unsoziales Verhalten lohnt sich nicht. Auf der anderen Seite bleibt aber die Selbstanzeige als Instrument des Steuerstrafrechts bestehen. Die Hand des Staates bleibt ausgestreckt. Wer Steuern hinterzogen hat, kann nach wie vor in die Legalität zurückkehren und damit Straffreiheit oder zumindest ein Absehen von Strafverfolgung erreichen, wenn er den fälligen Preis hierfür zahlt. 7040 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Außerdem, mindestens ebenso wichtig, wird im un- ternehmerischen Bereich Rechtssicherheit wiederherge- stellt. Zu weitgehende Wirkungen des Schwarzgeldbekämp- fungsgesetzes von 2011, insbesondere im Bereich der Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen, werden korri- giert. Fehler in der Buchhaltung sind keine kriminellen Handlungen. Hier zeigen wir ganz klar: Wir haben die Praxis im Blick. Wir sind bereit, uns auch zu korrigieren, wenn sich bestimmte Regelungen als unpraktikabel er- wiesen haben. Die Berichterstattergespräche habe ich als sehr konstruktiv empfunden. Wichtig war, dass wir in der abschließenden Ausschussberatung noch einmal ver- deutlicht haben, dass wir seitens des Bundesfinanzminis- teriums in Abstimmung mit den Finanzbehörden der Länder eine Verwaltungsanweisung erbitten, die die Ab- grenzung von einer reinen Berichtigung nach § 153 AO zur Selbstanzeige klarstellt. Uwe Feiler (CDU/CSU): Nach einer anfangs hefti- gen und kontroversen Debatte beraten wir heute ab- schließend über einen Entwurf, der es meines Erachtens verdient hat, als gut und ausgewogen bezeichnet zu wer- den. In vielen gemeinsamen Gesprächen – sei es unter den Berichterstattern oder auch im Nachgang zur öffentli- chen Anhörung – ist es in guter und enger Zusammen- arbeit mit dem BMF gelungen, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der das bewährte Mittel der strafbefreienden Selbstanzeige sowie die Möglichkeit des Absehens von Verfolgung in besonderen Fällen beibehält und gleich- zeitig den deutlich geäußerten Wunsch nach Verschär- fung aufnimmt. Im politischen Raum gibt es Stimmen – leider auch vom Finanzminister meines Heimatbundeslandes Bran- denburg –, die in einem Reflex auf die öffentliche De- batte zu bekannt gewordenen Einzelfällen die Abschaf- fung dieses seit fast 100 Jahren bewährten Mittels der Finanzbehörden fordern. Hierbei wird verkannt, dass wir in keinem anderen Rechtsgebiet eine derart umfangrei- che Mitwirkung verlangen. Gleichzeitig wird für die Aufdeckung von Steuerstraftaten hochqualifiziertes Per- sonal benötigt, das mit großem Ermittlungsaufwand tätig ist, da im Unterschied zu Diebstählen oder Gewaltver- brechen die Tat erst im Nachgang aufgedeckt werden kann und nicht unmittelbar augenscheinlich ist. Ich halte es auch für äußerst fragwürdig, wenn der Staat sich dauerhaft sogenannter Steuer-CDs aus zwei- felhaften Quellen bedienen soll. Genau deshalb ist es richtig, dem Steuersünder den Weg zurück in die Ge- meinschaft der ehrlichen Steuerzahler zu eröffnen, als Staat die hinterzogenen Steuern nebst Zinsen und einem angemessenen Zuschlag zu erhalten und im Umkehr- schluss unter gewissen Voraussetzungen Straffreiheit zu gewähren. Für mich war es interessant, in den Gesprächen zu er- fahren, dass nunmehr auch Italien und Frankreich zu die- sem Instrument greifen wollen, anstatt im regelmäßigen Abstand von Jahren Steueramnestien auszurufen, die ohne jede Gegenleistung gewährt werden. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist vorgese- hen, den Betrag bis zu dem eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages straffrei bleibt, von 50 000 Euro auf 25 000 Euro zu reduzieren. Ferner ist der Zuschlag zukünftig vom Volumen der ver- kürzten Steuer abhängig. Auch die Zinsen müssen nun nachgezahlt worden sein, wenn die strafbefreiende Wir- kung eintreten soll. Der Zeitraum für nicht erklärte aus- ländische Kapitalerträge wird erweitert und durch die Anlaufhemmung sichergestellt, dass niemand mehr da- rauf vertrauen kann, im Nachgang nicht mehr belangt zu werden, wenn er sein Geld in Ländern „parkt“, die nicht dem Informationsaustausch angeschlossen sind. Dass wir hier mit Augenmaß vorgegangen sind, zeigt der Umstand, dass wir Verwerfungen, die mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingetreten sind, lösen konnten. Durch die wieder eingeführte Möglichkeit der Teilselbstanzeige für die Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung sind Korrekturen möglich, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müs- sen. Mit dem Verzicht auf die Ausdehnung der strafrecht- lichen Verjährung ist den Bedenken des Bundesjustizmi- nisteriums Rechnung getragen worden, um die Fristen mit ähnlich gelagerten Delikten zu synchronisieren. Abschließend darf ich mich für die gute Zusammen- arbeit mit dem BMF und den Kollegen und das Engage- ment meiner Kollegin Kudla bedanken. Andreas Schwarz (SPD): Heute schließen wir eine monatelange Debatte ab, an deren Ende ein großer Er- folg steht: die deutliche Verschärfung der strafbefreien- den Selbstanzeige – ein großer Erfolg für all diejenigen, denen das Gemeinwohl am Herzen liegt. Von Beginn an haben Bund und Länder an einem Strang gezogen: Steuerbetrug muss konsequenter und härter bestraft werden. So ist es! Deshalb haben wir als SPD-Bundestagsfraktion diesen Gesetzgebungsprozess auch immer nach Kräften gefördert und unterstützt. Wir danken allen Beteiligten aus Bund und Ländern, auch parteiübergreifend, für das Zustandekommen die- ses Gesetzes. Es spricht für den Gesetzentwurf, dass über SPD und Union hinaus auch grüne Landesministe- rinnen eine so konstruktive Rolle bei der Vorbereitung des Beschlusses der Finanzministerkonferenz im Mai 2014 hatten, der ja die Grundlage für die Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs darstellt. Dabei waren der AG Finanzen der SPD-Bundestags- fraktion die nachfolgenden Punkte besonders wichtig: Ausdehnung des Berichtigungszeitraums von fünf auf zehn Jahre; Absenkung der Straffreiheitsgrenze von 50 000 auf 25 000 Euro; Erhöhung und Staffelung des Strafzuschlags von bislang 5 Prozent bei 50 000 Euro Hinterziehungsvolumen auf jetzt 15 Prozent bei 100 000 Euro und 20 Prozent ab einer Hinterziehungs- summe von Millionen Euro; Zahlung der Hinterzie- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7041 (A) (C) (D)(B) hungszinsen ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Selbst- anzeige; Wiedereinführung der Teilselbstanzeige bei den Anmeldesteuern für Unternehmen. Wir haben eine gemeinsame Botschaft an all diejeni- gen, die ihr Geld immer noch an der Steuer vorbei ins Ausland schaffen und weiter mit Steuerhinterziehung ihr Glück versuchen: Das Netz zum Durchschlüpfen wird immer engmaschiger. Deshalb offenbaren sich auch immer mehr Steuerbe- trüger den Steuerbehörden. Damit ist dieses Gesetz be- reits vor seiner Verabschiedung überaus erfolgreich, wo- bei die Reue wohl eher der Aussicht auf deutlich höhere Strafzinsen oder gar eine Haftstrafe geschuldet ist und nicht der wiedergewonnenen Einsicht, dem Staat die Finanzmittel zuzuführen, die ihm zustehen und die er für die Erfüllung seiner Aufgaben braucht. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes lehnen wir uns keinesfalls selbstzufrieden zurück nach dem Motto: Ein gutes nationales Gesetz reicht uns jetzt erst einmal. – Nein, im Gegenteil! Unseren Kampf gegen Steuerhinter- ziehung setzen wir auf allen Ebenen konsequent fort. Die Steueroasen werden weiter ausgetrocknet. Beim Da- tenaustausch kommen wir sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene immer weiter voran, und zwar in einem Maße, wie es sich vor einem Jahr nur ganz we- nige hätten vorstellen können. Die Bundesregierung kann sich bei ihren Bemühungen um weitere internationale Erfolge im Kampf gegen Steu- erbetrug und -vermeidung weiterhin voll auf die SPD- Bundestagsfraktion verlassen. Dieses Gesetzgebungsver- fahren verlief so erfolgreich, dass wir sogar eine parla- mentarische Regel verletzen mussten: Dieser Gesetzent- wurf verlässt den Bundestag genauso, wie er hineinkam. Das Struck’sche Gesetz kam hier also nicht zur Anwen- dung. Der Gesetzentwurf war einfach zu überzeugend. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt ihn einhellig. Ich komme zum Schluss. Persönlich möchte ich mich vor allem bei der zuständigen Berichterstatterin der Unionsfraktion, Frau Kollegin Kudla, herzlich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Wir senden heute gemeinsam von dieser Stelle aus ein starkes Signal an alle Steuerbetrüger: Sie haben von heute an noch knapp drei Wochen Zeit, reinen Tisch zu machen und mit der aktuell noch gültigen Regelung günstiger davonzukommen. Machen Sie davon Ge- brauch! Heute ist ein schwarzer Tag für alle Steuervermeider, -betrüger und -hinterzieher und ein guter Tag für alle ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Mit der Verabschiedung sorgen wir wieder für ein Stück mehr Gerechtigkeit in diesem Land. Richard Pitterle (DIE LINKE): Steuerhinterziehung gilt für viele Leute immer noch als Kavaliersdelikt, aber das ist es nicht. Im Gegenteil, Steuerhinterziehung ist hochgradig gemeinschädlich. Sie hat nämlich nicht nur in finanzieller Hinsicht negative Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft, wenn Geld in den Kassen fehlt, das dringend zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, für Schulen, Straßen, Krankenhäuser, gebraucht würde. Steuerhinterziehung hat auch erhebliche soziale Aus- wirkungen. Bei ungleicher Verteilung des Wohlstandes in einem Land und einer Gesellschaft, wie es in der Bun- desrepublik mehr und mehr der Fall ist, verstärkt Steuer- hinterziehung auch soziale Spannungen. Häufig ist es nämlich eine finanziell ohnehin privilegierte Ober- schicht, sind es die Reichen und Superreichen, die durch Steuerhinterziehung ihre üppigen Pfründe dem Zugriff der Allgemeinheit vorenthalten wollen. Uns muss doch allen klar sein: An dieser Stelle fragt sich der Großteil der Bevölkerung, die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, stets, warum sie ei- gentlich die Hauptlast der Finanzierung unseres Landes tragen müssen, während diejenigen, die in Reichtum schwelgen, diesen auch noch mehr oder weniger unbe- helligt am Fiskus vorbeischleusen können. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass in den letz- ten Jahren über die Fälle eines bekannten Fußballvereins- präsidenten und einer bekannten Frauenrechtlerin ein Umdenken begonnen zu haben scheint, dessen Auswir- kungen wir nun auch im vorliegenden Gesetzentwurf und in einer nach 2011 erneuten Verschärfung der Rege- lungen zur strafbefreienden Selbstanzeige sehen können. Da es die Option der strafbefreienden Selbstanzeige allerdings nur für den Bereich der Steuerhinterziehung gibt, stellt sie letztlich immer noch eine strafrechtliche Privilegierung von Steuerkriminellen dar. Einfache Be- trüger, die nicht zuerst den Staat, sondern ihre Mitmen- schen direkt schädigen, haben diese Option nicht. Die Fraktion Die Linke stellt daher heute auch ihren Antrag zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige zur Abstimmung. Zu diesem Schritt konnten Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, sich nicht durchringen. Meine Fraktion wird Ihrem Entwurf daher auch letztlich nicht zustimmen, sondern sich der Stimme enthalten. Aber ich will Ihnen trotzdem zugutehalten, dass mit der geplanten Neuregelung wenigstens eine deutliche Ver- schärfung der bisherigen Regelungen einhergeht. Hervorzuheben ist hier die deutliche Anhebung und Staffelung des zu zahlenden Geldbetrages beim Absehen von der Strafverfolgung nach § 398 a der Abgabenord- nung. Wer Steuern hinterzogen hat, muss hier künftig tief in den Geldbeutel greifen, um eine strafbefreiende Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus war es sinnvoll, die Problematik der Umsatzsteuervoranmeldung und der Lohnsteueranmel- dung gesondert zu berücksichtigen, indem nachträglich korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldun- gen und Lohnsteueranmeldungen zukünftig wieder als wirksame Teilselbstanzeige gelten. Für die kleine Unter- nehmerin oder den kleinen Unternehmer herrscht hier- durch nun Rechtssicherheit. Sie müssen zum Beispiel nicht mehr fürchten, bei versehentlich zu niedrig ange- setzten Umsatzsteuervoranmeldungen gleich Gefahr zu laufen, wegen Steuerhinterziehung verurteilt zu werden. 7042 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Am Ende müssen wir aber trotz dieser Verschärfun- gen und Verbesserungen nach wie vor immer noch eines feststellen: Die Regelung der strafbefreienden Selbst- anzeige ist letztlich auch Ausfluss einer Steuerhinterzie- hungskultur, die sich in dieser Form überhaupt erst aus ungleicher Verteilung und intransparenter, ineffizienter und teils auch schlicht ungerechter Besteuerung ent- wickeln konnte. Hier liegt der eigentliche Kern des Pro- blems, und die Fraktion Die Linke wird diese Debatte auch weiterhin vorantreiben. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich freue mich über dieses Gesetz. Mit der Verschärfung der straf- befreienden Selbstanzeige demonstrieren wir die Gestal- tungskraft des Parlaments. Durch die nunmehr hohen Kosten für Steuerhinterzieher begegnen wir dem weit verbreiteten Schicksalsglauben, wonach eine sehr gut verdienende Elite nach ihren eigenen Regeln spielt und sich dem Zugriff des Gesetzgebers leichtfertig entzieht. In diesem Jahr haben bereits über 32 000 Personen eine strafbefreiende Selbstanzeige gestellt. Spätestens mit den prominenten Fällen der letzten Zeit hat sich der Wind gedreht. Steuerhinterziehung belastet zwar weiter die öffentlichen Haushalte, aber sie wird zunehmend auch zur finanziellen und psychischen Belastung für diejenigen, die sich vor kurzem noch für besonders trickreich und risikofreudig gehalten haben. Es ist ein Ausrufezeichen der demokratischen Kultur, dass wir der Globalisierung des Steuerbetrugs endlich mit der gebote- nen Konsequenz begegnen. Nach wie vor ist uns nicht jedes Auslandskonto deut- scher Staatsbürger bekannt. Dennoch gibt es sehr kon- krete Informationen über den Umfang der hinterzogenen Gelder. Gabriel Zucman, ein Schüler des berühmten Thomas Piketty, ist zu erstaunlichen Ergebnissen ge- langt. Die Euro-Zone ist weltweit der zweitgrößte Schuldner, aber nur solange man die Milliarden unbe- rücksichtigt lässt, die in Steuersümpfen versunken sind. Bezieht man dieses Geld in die Zahlungsbilanzen ein, dreht sich das Bild. Vom Schuldner wird die Euro-Zone auf diese Weise zu einem Gläubiger gegenüber dem Rest der Welt. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung steht demnach der Wohlstand Europas auf dem Spiel – er sollte deshalb auch mit dem nötigen Engagement geführt werden. Um Peer Steinbrück einmal vom Kopf auf die Füße zu stellen: Aus diesem verborgenen Nix müssen Deutschland und die EU endlich eine gerechtes X ma- chen. Das nun vorliegende Gesetz leistet einen Beitrag zu diesem Vorhaben. Wie wurde dabei vorgegangen? Die bisherige Syste- matik der strafbefreienden Selbstanzeige ist im Kern erhalten geblieben, aber die Voraussetzungen für die strafbefreiende Wirkung sind verschärft worden. Unver- zichtbar für den effektiven Kampf gegen Steuerhinter- ziehung ist aber etwas, das nicht in diesem Gesetz steht: Um Steuerhinterzieher überhaupt erst zum Geständnis zu bewegen, muss es ein ernstzunehmendes Entde- ckungsrisiko geben. Wer nicht den Atem des Gesetz- gebers im Nacken spürt, wird kaum als Kronzeuge im ei- genen Verfahren auftreten – deswegen ist das von uns Grünen unerbittlich eingeforderte Abkommen für den automatischen internationalen Informationsaustausch ein wegweisender Durchbruch gewesen. Das vorlie- gende Gesetz hat wiederum zum Ziel, die Kosten der Selbstanzeige wohl zu dosieren. Sie müssen einerseits den Steuerehrlichen finanziell eindeutig besser stellen, andererseits müssen sie auch den Hinterziehern einen Anreiz bieten, ihr Versteck aufzugeben. Die strafbefrei- ende Selbstanzeige darf kein wohlkalkulierter Abschrei- bungstrick sein, sie muss dem zweifelnden Steuerbetrü- ger aber auch einen gangbaren Notausgang anbieten. Was bedeutet das neue Gesetz im Detail für die Selbstanzeige? Ich möchte ihnen kurz die einschneidens- ten Maßnahmen darstellen: Die Grenze zur Selbstanzeige ohne Strafzuschlag sinkt von 50 000 auf 25 000 Euro. Damit wird die Schwelle zur schweren Steuerhinterziehung gesenkt, die ein heftiges Vergehen an der Finanzierung des Gemein- wesens ist und zu Recht mit einer Geldstrafe geahndet wird. Der Erklärungszeitraum für eine wirksame Selbstan- zeige verlängert sich von fünf auf zehn Jahre. Die Steu- erverwaltung hat ein langes Gedächtnis, deswegen ist es sinnvoll, den strafrechtlichen Erklärungszeitraum damit zu harmonisieren. Die Geldzuschläge auf hinterzogene Steuern werden kräftig angehoben und deutlich gestaffelt. Wer über 25 000 Euro hinterzieht zahlt 10 Prozent zusätzlich, bei über 100 000 Euro sind es schon 15 Prozent und bei über 1 Million Euro sogar 20 Prozent. Das nunmehr größer gewordene Entdeckungsrisiko macht neben einer Reform der Selbstanzeige weitere Maßnahmen dringend erforderlich. Die Abgeltung- steuer hat ihre Rechtfertigung endgültig verloren. Eine Besserstellung von Kapitaleinkünften, die pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, ist prinzipiell fragwürdig, mit dem verbesserten Informationsaustausch haben ihre Befürworter nun ihr zentrales Argument eingebüßt. Nur durch den Widerstand von uns Grünen konnten die ursprünglichen Pläne für ein Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert und Finanzminister Schäuble zu wirkungsvolleren Maßnahmen gedrängt werden. Offen- sichtlich hat sich aber noch nicht in der ganzen konser- vativen Parteienfamilie rumgesprochen, wie wichtig der Erhalt der staatlichen Einnahmebasis ist. Internationale Zahlungsströme sind nicht nur anfällig für Steuerhinter- ziehung, sondern auch für Steuervermeidung. Wie seit kurzem gut dokumentiert ist, hat Luxemburg in der Amtszeit von Jean-Claude Juncker großen Konzernen dabei geholfen, ihre Steuerlast teilweise auf unter ein Prozent zu drücken. Wir müssen diese Entdeckungen als sehr präzisen Handlungsauftrag begreifen. Neben der steuerlichen Strafgesetzgebung müssen wir auch die Steuerverwaltung neu ordnen. Auf europäischer Ebene sind momentan gerade einmal acht Mitarbeiter damit be- fasst, tausende Deals, die neben Luxemburg auch die Niederlande und Irland geschlossen haben, daraufhin zu prüfen, inwieweit es sich um illegale Beihilfen handelt. Die EU muss sich hier besser aufstellen und Deutschland muss es auch. Wir brauchen eine Steuerverwaltung, die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7043 (A) (C) (D)(B) auf Augenhöhe mit den Konzernen agieren kann. Es geht hier um komplexe Geschäfte und weitverzweigte Geldflüsse. Diese außerordentlichen Finanzbeziehun- gen rechtfertigen auch besondere Fahndungsmethoden: Eine Spezialeinheit auf Bundesebene muss sich der Steuerfälle von international agierenden Konzernen und extrem reichen Bürgern und Bürgerinnen annehmen. In ihr kann die Steuerverwaltung besondere Kompetenzen bündeln. Fachleute aus Steuerberatungsgesellschaften, der Wissenschaft und der Wirtschaft selbst plus erfah- rene Kräfte der bestehenden Verwaltung kommen zu- sammen, um politische Empfehlungen zu entwickeln und das geltende Steuerrecht international durchzuset- zen. Nur eine solche Spezialeinheit wird den Anforde- rungen des weltweiten Geldverkehrs auch gewachsen sein. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Verbes- serung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehe- maligen DDR (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Stefan Heck (CDU/CSU): „Menschlich unzu- mutbar und rechtsstaatlich unerträglich wäre es, über die Stasiherrschaft einen Mantel des Vergessens zu breiten. Recht und Gesetz nehmen ihren Lauf.“ Diese Worte stammen aus der Ansprache des ehemaligen Bundesprä- sidenten Richard von Weizsäcker anlässlich des Staats- aktes zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 in Berlin. Im nächsten Jahr feiern wir den 25. Jah- restag dieses Ereignisses. Auch nach nun 24 Jahren Wiedervereinigung stellt der Umgang mit den Opfern des SED-Regimes eine wichtige Säule der Aufarbeitung dar. Aufarbeitung hat die Pflicht, die Vergangenheit zu verstehen, geschehenes Unrecht zu dokumentieren und den Opfern Gerechtig- keit widerfahren zu lassen. Sie soll uns jederzeit das Schicksal jener Menschen mahnend vor Augen halten, die für das Eintreten ihrer elementaren Rechte und für das Streben nach Freiheit verfolgt wurden. Wenn sich alte DDR-Grenzer alljährlich in Branden- burg treffen und dabei SED-Opfer vor laufender Kamera des Magazins Spiegel TV verhöhnt und verspottet wer- den, zeigt mir das, wie sehr wir die weitere Aufarbeitung benötigen. Es zeigt mir insbesondere, wie systemtreue Kader der SED jene Menschen betrachten, die sich nach einem anderen Leben sehnten. Aus Gründen wie diesem haben sich CDU und CSU stets für eine Aufarbeitung eingesetzt, und sie werden es auch weiterhin tun. Denn wir können und wir dürfen die Gräueltaten der SED nie- mals als ein „bloßes Ereignis“ in der deutschen Ge- schichte hinnehmen – insbesondere so lange nicht, wie ewiggestrige Ideologen weiterhin ihre kruden Ansichten verbreiten. Aufgrund der geschichtlichen und rechtsstaatlichen Verantwortung haben wir uns der im Koalitionsvertrag geplanten Erhöhung der Beiträge im Strafrechtlichen und Beruflichen Rehabilitierungsgesetz angenommen. Um den Betroffenen pünktlich zum 1. Januar des kom- menden Jahres einen erhöhten Betrag zu gewährleisten, haben wir uns zu einer zügigen Umsetzung entschlossen. Denn es ist für uns wichtig, dass unabhängig von ande- ren Forderungen, die in diesem Haus vorgetragen wur- den, die erhöhte „SED-Opferrente“ schnell und unbüro- kratisch mit Beginn des nächsten Jahres auf die Konten der Empfänger überwiesen wird. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns den Forderungen der SED-Opfer verschließen. Im Gegenteil: Wir haben uns die Zeit genommen, sowohl Vertreter der Opferver- bände als auch weitere Experten zu diesem Thema in ei- nem Berichterstattergespräch anzuhören. Dies war für uns als CDU/CSU-Fraktion besonders wichtig. Infolge des Berichterstattergesprächs haben wir uns entschieden, eine Entschließung zum Gesetzent- wurf einzubringen. Darin werden drei wesentliche Punkte der Experten aufgegriffen und an die Bundes- regierung herangetragen: Zum einen möchten wir, dass die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern das Verfahren dahin gehend erleichtert, dass die Opfer des SED-Regimes die Möglichkeit haben, ihr Anliegen auch mündlich vorzu- tragen. Ferner sollen Behörden für die Erstellung von medizi- nischen Gutachten auf einen Pool von Ärzten zurück- greifen können, die im Umgang mit DDR-Häftlingen be- sonders geschult sind. Und schließlich konnte unsere Fraktion eine Überprü- fung der Frist zu den Rehabilitierungsanträgen durchset- zen, die nach der derzeitigen Rechtslage am 31. Dezem- ber 2019 endet. Mit dieser Überprüfung können wir die möglichen Auswirkungen auf die Praxis besser einschät- zen. Das langfristige Ziel der Unionsfraktion ist es, diese Frist endgültig zu streichen. SED-Opfer, die bislang noch nicht in der Lage waren, einen Antrag für das Re- habilitierungsverfahren zu stellen, möchten wir damit den zeitlichen Druck nehmen. Sie sollen sich die not- wendige Zeit nehmen, um ihr persönliches Schicksal aufzuarbeiten. In seiner Rede betonte Richard von Weizsäcker: „Wie gut uns die Einheit menschlich gelingt, das entscheiden kein Vertrag der Regierungen, keine Verfassung und keine Beschlüsse des Gesetzgebers. Das richtet sich nach dem Verhalten eines jeden von uns, nach unserer eigenen Offenheit und Zuwendung untereinander.“ Ich stimme Herrn von Weizsäcker zu. Ich finde, un- sere Aufgabe als Staat ist es, die notwendigen Rahmen- bedingungen zu schaffen, um die Einheit unseres Landes voranzutreiben. Das schließt auch die Aussöhnung mit der Vergangenheit mit ein. Mit dem Gesetzesvorhaben und unserer Entschlie- ßung bewegen wir uns einen weiteren Schritt in die rich- tige Richtung. Den Opfern des überwundenen Regimes soll damit das Rehabilitierungsverfahren erleichtert wer- den. 7044 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Gemeinsam mit den Erhöhungen der „Opferrente“ bilden die aufgegriffenen Punkte ein sehr gutes Paket, um die Rehabilitierung zu erleichtern und die Aus- söhnung mit der DDR-Vergangenheit weiter voranzu- treiben – das ist und bleibt das Ziel der Fraktion von CDU und CSU. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Im 25. Jahr der friedli- chen Revolution wollen wir an die Menschen erinnern, die ihre persönliche Freiheit und ihre Unversehrtheit ge- opfert haben, um dem DDR-Regime entgegenzutreten. Es waren nicht materielle Beweggründe, sondern der Drang nach Freiheit vor Bevormundung, nach Rechts- staatlichkeit und persönlicher Selbstbestimmung, der die Ostdeutschen in Massen gegen die allmächtige Partei SED und ihr Unrechtsregime auf die Straße brachte. Die materiellen Gewinner der deutschen Einheit fin- den sich dann eher aufseiten der alten Nomenklatura: Di- rektoren und Parteiseilschaften, die ihre materielle und organisatorische Überlegenheit vielfach in die neue Zeit retten konnten. Mit der Erhöhung der SED-Opferrente wollen wir uns heute den Tausenden von Menschen zuwenden, die unter dem Unrecht der sowjetischen Besatzungsmacht oder der SED-Herrschaft großes persönliches Leid erlitten ha- ben. Im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die monatliche Zuwendung für ehemalige Haftopfer der DDR von maximal 250 Euro auf maximal 300 Euro an- gehoben. Im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz wird die monatliche Zuwendung für Verfolgte, die in der DDR berufliche Nachteile erlitten haben, von 184 Euro auf 214 Euro erhöht, sofern diese Personen in ihrer wirt- schaftlichen Lage heute besonders beeinträchtigt sind. Für Verfolgte, die bereits eine Altersrente beziehen, er- höht sich die monatliche Zuwendung von 123 Euro auf 153 Euro. Die gesetzliche Regelung soll bereits ab dem 1. Januar 2015 in Kraft treten. Mir ist wohl bewusst, dass die Opferverbände sich mehr gewünscht hätten. Ich verstehe, dass die Erhöhung der SED-Opferrente von 50 Euro auf 300 Euro viele als zu niedrig bemessen ansehen. Gemessen an dem erlitte- nen Unrecht ist gar kein Betrag hoch genug; das ist ganz klar. Aber ich bin davon überzeugt, dass insbesondere diejenigen, die mit einem geringen Einkommen auskom- men müssen, diese Erhöhung im Portemonnaie sehr wohl spüren. Bei der Erhöhung der SED-Opferrente ha- ben wir uns an dem orientiert, was wir für Opfer anderer Diktaturen getan haben. Daraus abgeleitet ergeben sich die Mindesthaftzeit von 180 Tagen, die Bedürftigkeits- prüfung sowie der Betrag in Höhe von bislang 250 Euro. Als die Wiedergutmachung für NS-Opfer erhöht wurde, haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Erhö- hung der monatlichen Zuwendungen für SED-Opfer im Koalitionsvertrag verankern können, woraus sich nun ein Betrag von 300 Euro im Monat ab dem 1. Januar 2015 ergibt. Der Antrag der Linksfraktion ist hingegen blanker Hohn für die Opfer des SED-Unrechtsregimes. Die ehe- maligen Täter und ihre heutigen Parteigänger fordern unter anderem eine Beweislastumkehr sowie keine Fest- legung einer Mindesthaftdauer. Die Forderung nach ei- ner Senkung der Mindesthaftdauer auf null hält dem Ver- gleich mit den Wiedergutmachungsleistungen gegenüber NS-Opfern nicht stand. Sie sind auch – wie alle ihre Zu- satzforderungen – aus dem Munde der Linkspartei wohl- feil und klingen sehr nach „Haltet den Dieb“. Die Links- partei ist die letzte politische Kraft in Deutschland, die ein Recht hätte, zu verlangen, dass für das von ihr allein verursachte Unrecht nun die ganze Gesellschaft aufzu- kommen hätte, und dies in einer Höhe und unter Bedin- gungen, die die Linkspartei selbst festlegt. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linken, eine Zusatz- leistung aus Ihrem eigenen Vermögen und den Einkom- men Ihrer Mitlieder für die SED-Opfer aufzubringen wünschen, so steht dem nichts entgegen. Aber dies for- dern Sie ja gerade nicht. Der wirkliche Hintergrund Ihres Antrags scheint auch nicht die Sorge um die SED-Opfer zu sein, weil sie die- sen in allen Ihren Verlautbarungen genauso feindselig gegenüberstehen wie zu SED-Zeiten. Nein: Ihr Antrag ordnet sich ein in Ihr permanentes Bestreben, diesen Staat, in den die DDR aufgegangen ist, durch Überforde- rung zu zerstören, um die Genugtuung zu haben, dass nicht nur Ihr Staatsgebilde, sondern auch die verhasste BRD am Ende scheitert. Dem dient auch Ihre Forderung nach einer Beweislastumkehr. Die Kausalität zwischen schädigendem Ereignis, Schädigung und Schädigungsfolge ist bereits jetzt in je- dem Einzelfall gesondert zu prüfen und festzustellen. Die Einführung einer Beweislastumkehr wäre ein Präze- denzfall, der sich nach und nach auf alle möglichen Fälle von Gemeinschaftshaftung ausdehnen ließe. Sie ist an- gesichts dieser bestehenden Erleichterungen weder er- forderlich noch vertretbar. Die Kausalität würde nicht mehr im Einzelfall geprüft, sondern für einen bestimm- ten Personenkreis automatisch unterstellt. Eine solche Unterstellung widerspricht den Erkenntnissen der medi- zinischen Wissenschaft, da jeder Mensch individuell auf schädigende Ereignisse reagiert. Sie würde mit dem Ver- zicht auf den Beweis der anspruchsbegründenden Tatsa- chen zudem einen Systembruch innerhalb des Sozialen Entschädigungsrechts darstellen und zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung von SED-Opfern gegenüber den anderen Personenkreisen der Sozialen Entschädigung – zum Beispiel Kriegsopfer, geschädigte Soldaten und Wehrdienstleistende, Gewaltopfer – füh- ren. Außerdem würde dies dem Grundsatz der Rechts- einheitlichkeit im Sozialen Entschädigungsrecht wider- sprechen, da hier wie im gesamten Sozialrecht die Grundsätze der objektiven Beweislast gelten. Die materielle Verbesserung können wir heute be- schließen. Aber damit ist es nicht getan. Die SED-Opfer haben darüber hinaus ein Recht der moralischen Würdi- gung ihres politischen Kampfes gegen das SED-Regime. Meine Damen und Herren von der Linkspartei: Sie sol- len sich wahrlich nicht einbilden, dass Sie sich mit Ihrer wohlfeilen Forderung, mehr Geld auf die Konten der SED-Opfer zu überweisen, das Recht erkaufen, mit Ihrer Unrechtsstaatsdebatte, die Sie zur Reinwaschung der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7045 (A) (C) (D)(B) DDR angezettelt haben, den SED-Opfern ins Gesicht spucken zu dürfen. Diese Menschen sind nicht käuflich. Dr. Matthias Bartke (SPD): 1989 waren es massen- haft Menschen, die in den ostdeutschen Städten auf die Straße gingen. Und es waren viele Menschen, die der SED-Diktatur mutig die Stirn boten und den Fall der Mauer herbeiführten – der Mauer, die die Welt in Ost und West teilte. Anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls sollten wieder viele Menschen auf die Straße gehen. Das war die Idee der Lichtgrenze hier in Berlin. Und es war auch so. 8 000 weiße, leuchtende Ballons markierten den ehe- maligen Mauerverlauf und stiegen am 9. November in den Himmel auf. Hinter jedem der Ballons steckte auch eine persönliche Geschichte. Was für eine großartige Symbolkraft! Anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls beschäf- tigen wir uns heute mit den Zuwendungen für Opfer des SED-Unrechts. Mehr als 45 000 ehemaligen politischen Häftlingen kommt die SED-Opferrente zugute. Hinter dieser Zahl an Menschen steckt jeweils eine ganz per- sönliche Geschichte. Das sind Geschichten von Behinderung im berufli- chen Weiterkommen, Geschichten von Haft und Ernied- rigungen aus politischen Gründen. Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf werden wir eine Erhöhung der Opferrente für die Menschen einführen, die nach den Stasidrangsalierungen wirtschaftlich nicht mehr auf die Beine gekommen sind. Eine Erhöhung im 25. Jahr des Mauerfalls – auch das hat immense Symbolkraft. Die Sachverständigenanhörung in der vergangenen Woche war sehr beeindruckend. Sie machte einmal mehr deutlich, dass erfahrenes Unrecht mit Geld nicht wieder- gutzumachen ist. Die Anhörung hat uns zu dem Ent- schließungsantrag bewegt, der Ihnen vorliegt. Darin ma- chen wir deutlich, was uns für die Opfer des SED- Unrechts überdies noch wichtig ist. Die Begutachtung in Rehabilitierungsverfahren führt bei Opfern immer wieder auch zu Retraumatisierungen. Das muss vermieden werden. Es darf nicht sein, dass Opfern durch Gutachter vollkommen unsensible Fragen gestellt werden. Es darf nicht sein, dass je weiter man nach Westen kommt, desto weniger Verständnis bei den Gutachtern vorhanden ist. Opfer mit gesundheitlichen Folgeschäden müssen mit Sachverstand und Einfühlungsvermögen der Gutachter rechnen können. Deswegen verweisen wir im Entschlie- ßungsantrag auf das Thüringer Modell eines Gutachter- pools. In diesem Pool sind besonders geschulte und zer- tifizierte Gutachter erfasst. Sie haben Erfahrungen im Umgang mit traumatisierten SED-Opfern und wissen um das Repressionssystem in der ehemaligen DDR. Die emotionale Belastung, die mit einem Antrag auf Rehabilitierung verbunden ist, wird jedoch nie gänzlich zu vermeiden sein. Es gilt daher, den Opfern Zeit zu ge- ben, Zeit, sich den eigenen Erfahrungen und dem erleb- ten Leid zu stellen. Die derzeitige Frist für Anträge endet 2019. Bis dahin werden 30 Jahre seit dem Mauerfall vergangen sein. Dennoch werden bis dahin noch längst nicht alle Stasi- opfer einen Antrag gestellt haben. Deswegen fordern wir die Bundesregierung in unserem Entschließungsantrag auf, eine Streichung der Frist in Abstimmung mit den Ländern zu prüfen. Die Linke fordert, weitere Opfergruppen einzubezie- hen und die Bedürftigkeitsprüfung abzuschaffen. Wir stimmen Ihnen in diesen Punkten nicht zu. Die von Ih- nen genannten Opfergruppen haben regelhaft die Mög- lichkeit einer Einzelfallprüfung und des Rückgriffs auf die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge. Hinsichtlich der Bedürftigkeit, kann ich nur immer wieder betonen: Die Ausgleichsleistungen und Zuwen- dungen, über die wir hier sprechen, sind nicht beliebig. Sie sind für diejenigen gedacht, die die traumatischen Erfahrungen der Haft und der Repression nicht verwun- den haben und wirtschaftlich nicht mehr auf die Beine gekommen sind. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würdigen wir die Menschen aus der ehemaligen DDR, die Vorkämpfer waren für Freiheit, Demokratie und für ein vereinigtes Deutschland. Dass wir hierzu einen interfraktionellen Konsens haben, ist sehr gut. Und ich will offen gestehen: Es freut mich besonders, dass die Linke angekündigt hat, dem Gesetz und der Entschließung zuzustimmen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Die LINKE wird heute dreimal „Ja“ sagen. Sie sagt „Ja“ zum Gesetzent- wurf der Bundesregierung, sie sagt „Ja“ zum Entschlie- ßungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD und sie sagt selbstverständlich „Ja“ zu ihrem eigenen Gesetzentwurf. Natürlich hätten wir uns gewünscht, die die Regie- rung tragenden Fraktionen nehmen unseren Gesetzent- wurf, setzen ihren Namen drauf und stimmen dann zu. Wir hätten es auch getan. Der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, ist derjenige, der den Opfern politischer Verfolgung in der DDR am gerechtesten wird. Denn wir heben unter anderem die Befristung der Antragstellung auf, wir beziehen die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen in die Regelungen des strafrechtlichen Rehabilitierungs- gesetzes ein und wir stellen klar: Die Leistungen nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz werden nicht mit dem Einkommen verrechnet. Wir sehen in dem Entschließungsantrag der Fraktio- nen von CDU/CSU und SPD Ansatzpunkte für eine wei- tere Verbesserung der Lage der Opfer politischer Verfol- gung in der ehemaligen DDR. Deshalb werden wir zustimmen, denn jede Verbesserung wird unsere Zustim- mung finden. Wir stellen aber fest, dass die Verbesserun- gen vor allem das Verfahren der Prüfung der Ansprüche betreffen. Es ist richtig, den Antragstellern und Antrag- stellerinnen auf eigenen Wunsch eine mündliche Anhö- rung einzuräumen. Es ist richtig, einen Gutachterpool einzurichten, in welchem besonders geschulte und zerti- fizierte Gutachter erfasst werden, und es ist richtig, zu prüfen, ob die Befristung der Antragstellung gestrichen werden kann. 7046 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Es ist bedauerlich, dass Sie von den Koalitionsfraktio- nen in Ihrem Entschließungsantrag nicht weiter gehen. Ich habe bereits darauf verwiesen. Wenn Sie unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen wollen, weil er von uns kommt, hätten Sie ihn einfach übernehmen können. Wenn Sie auch das nicht wollen, hätten Sie aber auch in dem von Ihnen vorgelegten Entschließungsantrag Forde- rungen aus unserem Gesetzentwurf aufnehmen können. Dies umso mehr, als sich unsere Forderungen mit denen der Opferverbände decken. Im erweiterten Berichterstattergespräch haben die Opferverbände eine Rente ab dem ersten Tag der Haft gefordert. Das steht in unserem Gesetzentwurf. Die Op- ferverbände fordern eine Rente für Opfer von Zerset- zungsmaßnahmen. Das steht in unserem Gesetzentwurf. Die Opferverbände fordern eine Beweislastumkehr im Hinblick auf den Grund der Gesundheitsschädigung. In unserem Gesetzentwurf schaffen wir eine kleine Beweis- erleichterung. Eine der wichtigsten Forderungen der Op- ferverbände war die Streichung der Bedürftigkeitsprü- fung bei der Auszahlung der Opferrente. Auch das steht in unserem Gesetzentwurf. Das Engagement und der Einsatz von Menschen in der ehemaligen DDR für Bürgerrechte und Freiheit be- dürfen größerer Anerkennung als bisher. Deshalb haben wir unseren Gesetzentwurf eingebracht. Wir wissen um die Verantwortung unserer Vorvorgängerpartei. Wir wer- den diese Verantwortung nicht los, das ist uns bewusst. Diese Geschichte gehört zu uns. Diese Geschichte hat Auswirkungen bis heute. Ich habe bereits in der ersten Lesung gesagt: Wir können Dinge nicht ungeschehen machen. Wir können aus ihnen lernen und Schlussfolge- rungen ziehen. Für uns bedeutet dies, uns dafür einzuset- zen, dass die Betroffenen eine Anerkennung und eine Entschädigung für ihr Engagement und ihren Einsatz er- halten. Wir Linke werden an dem Thema der Opferrente und der Entschädigungen für Opfer politischer Verfolgung in der DDR dranbleiben. Wir werden überlegen, wie syste- matisch auch die verfolgten Schülerinnen und Schüler sowie die Zwangsausgesiedelten, ein Anliegen der Op- ferverbände, einbezogen werden können. Wir müssen uns gemeinsam Gedanken machen, wie auch in diesen Fällen Ausgleichsleistungen ohne die Zusatzvorausset- zung weiterer Folgeschäden ermöglicht werden können. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gehört zu den beeindruckendsten zivilisatorischen und gesellschaftlichen Leistungen in unserem Land, sich der eigenen Geschichte, der Geschichte der Diktaturen auf deutschem Boden zu stellen, sie aufzuarbeiten und dabei die vielen Opfer staatlicher Willkür gegen kritisch Den- kende nicht zu vergessen. Der demokratische Rechts- staat sühnt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vergan- genes, systematisches, staatliches Unrecht, indem er für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR die Reha- bilitierung auch materiell vorantreibt. Das ist richtig, und deshalb kann man nur empfehlen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir sollten auch be- sonders unseren Kolleginnen und Kollegen danken, die sich in der Vergangenheit und heute für die straf- und rentenrechtliche Rehabilitation eingesetzt haben; stell- vertretend seien unsere bis heute aktiven Kollegen Arnold Vaatz für die CDU/CSU-Fraktion und Iris Gleicke für die SPD-Fraktion genannt. Ich möchte aus- drücklich anerkennen, dass sich in der Linksfraktion in den letzten Jahren zunehmend eine differenzierte Sicht- weise auf das DDR-Unrecht eingestellt hat und konkrete weiterführende Vorschläge zur Rehabilitation unterstützt bzw. unterbreitet wurden. Für uns hat die Rehabilitierung nicht vornehmlich ei- nen abstrakten symbolischen Wert, sondern ist in jedem gewährten Fall eine Anerkennung der je eigenen Verfol- gungs- und Leidensgeschichte. Und an diesem Punkt möchte ich uns alle davon überzeugen, die Diskussion mit dem Ziel weiterzuführen, bisher nicht berücksich- tigte, vergleichbar politisch Verfolgte einzubeziehen. Glauben Sie mir, es bedurfte nicht einer Haftstrafe von 180 Tagen und mehr, um körperlich und seelisch zu zerstören, die Menschenwürde zu rauben. Es gab viele Formen der behördlichen und staatssicherheitsdienstli- chen Zersetzung mit manchmal durchaus noch gravie- renderen Folgen für den Einzelnen als die Haft. Auch erzwungene stationäre psychiatrische Behandlungen ge- hörten zu den schweren Menschenrechtsverletzungen. Wir schlagen als Diskussionsgrundlage die Annahme unseres Entschließungsantrages vor. Danach sollte der Empfängerkreis um definierte Personengruppen erwei- tert werden. Für die Betroffenen selbst sind besonders die Bedürftigkeitsprüfung, die Beweislast für Gesund- heitsschädigung und dass die mündliche Anhörung nicht als Regel verankert ist, Hürden bei der Antragstellung und Gewährung. Auch sollten die Fristen nach § 7 und § 17 des Geset- zes gestrichen werden. Der Gesetzentwurf der Linken versucht, die darge- stellten Probleme zu lösen. Er zeigt darüber hinaus, dass es in der Fraktion offenbar konkrete Unrechtserfahrun- gen in der DDR im Umfeld der Weltfestspiele 1973 gibt. Allerdings gehörte eine Verurteilung wegen asozialen Verhaltens auch ansonsten zum Repertoire staatlicher Unterdrückung in der DDR. Deshalb sehen wir Verbes- serungsbedarf und werden uns zum Entwurf enthalten. Zustimmung also zum Gesetzentwurf der Koalition und Einladung zur Fortsetzung der Diskussion auf Grundlage unseres Entschließungsantrages, zu dem wir ebenfalls um Zustimmung bitten. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Miss- brauch (Tagesordnungspunkt 22) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Es kommt nicht oft vor, dass sich Opposition und Regierungskoalition bei einem Thema so einig waren wie wir bei der Aufar- beitung der Edathy-Affäre. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7047 (A) (C) (D)(B) Wir alle waren damals erschrocken, als zutage geför- dert wurde, dass sich mittlerweile ein ganzer Markt, eine ganze Branche gebildet hatte, die mit dem Handel von gerade noch legalen Kindernacktbildern Millionenum- sätze macht. Wir alle waren uns über eines einig und im Klaren: Dieser Markt muss trockengelegt werden! Insoweit passte es ganz gut, dass uns ohnehin über das Übereinkommen des Europarates vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch eine erhebliche Handlungs- verpflichtung traf. Heute beraten wir nun über die Ratifizierung dieses Gesetzes, und ich freue mich feststellen zu dürfen, dass wir unserer gemeinsamen Zielsetzung gerecht geworden sind. So haben wir mit der Erweiterung des Begriffes „Kin- derpornografie“ die bisherige obergerichtliche Recht- sprechung aufgegriffen und den Begriff im Sinne der Lanzarote-Konvention definiert. Neben Abbildungen sexueller Handlungen an oder von Kindern und Darstellungen von unbekleideten Kin- dern in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung ist nun auch die sexuell aufreizende Wiedergabe der un- bekleideten Genitalien bzw. des Gesäßes eines Kindes strafbar. Gerade mit der letzten Alternative schließen wir eine nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücke. An dieser Stelle darf ich mich für den wichtigen Vor- stoß des bayerischen Justizministers Professor Dr. Winfried Bausback bedanken, der diesen Punkt auch immer wieder gefordert hat. Ich denke, auch dieser Be- harrlichkeit ist es zu verdanken, dass wir hier zu so ei- nem guten Ergebnis gekommen sind. Dennoch ist es uns aber gleichzeitig gelungen, den Begriff der Jugendpornografie in § 184 c StGB von dem der Kinderpornografie in § 184 b StGB trennscharf ab- zugrenzen. Jugendliche verfügen eben bereits über eine andere Sexualität. Hier wäre es falsch, unreflektiert die- selben Maßstäbe anzulegen. Deshalb war es richtig, die Einwilligungsfähigkeit bezüglich entsprechender Bilder zum persönlichen Gebrauch zu etablieren. Nach dem Übereinkommen des Europarates, das wir heute hier in Gesetzesform gießen wollen, ist die Ziel- richtung, sexuellen Missbrauch und Ausbeutung von Kindern in jedweder Form zu unterbinden. Dies wäre uns aber nach den traurigen Erkenntnissen der Edathy-Affäre allein mit einer Novelle des § 184 b StGB nicht gelungen. Denn eine der wichtigsten Er- kenntnisse war, dass die Branche immer wieder Kunst- griffe unternahm, um Bilder und Filme zu fertigen, die sich gerade noch an der Grenze zur Illegalität befanden. Hierzu haben sich die Produzenten solcher Filme zum Beispiel das Vertrauen armer Familien und Kinder in Osteuropa erschlichen. Mit Geschenken, Geld und Süßigkeiten wurde hier Vertrauen aufgebaut, um dann Kinder unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit dazu zu bringen, nackt miteinander zu raufen, sich ge- genseitig einzuölen oder zu baden. Diese Szenen wurden dann aus allen möglichen Perspektiven gefilmt, um das Material später gewinnbringend in Pädophilenkreisen zu vermarkten. Alles gerade noch legal! Mögliche Täter gaben sich dann als Kunst- bzw. Na- turfreund aus. Alles sei unverfänglich, man habe nur seine Freude „am Anblick von spielenden, unbeschwer- ten Kindern“, waren da zum Beispiel Einlassungen im Rahmen der Ermittlungen. Deshalb war es richtig und wichtig, den Versuch zu unternehmen, im Zuge der Reform des § 201 a StGB hier jegliche Zweifel an der Illegalität solchen Handelns zu beseitigen. Wer solche Bilder und Filme fertigt, bzw. wer solche Bilder und Filme bezieht, der beutet Kinder sexuell aus, und er missbraucht sie. Deshalb kann ich die Kritik der Opposition an der Neuformulierung des § 201 a StGB, wonach sich derje- nige strafbar macht, der Nacktbilder einer Person unter 18 Jahren in der Absicht herstellt, diese einem Dritten entgeltlich zu verschaffen, oder der sich solche entgelt- lich verschafft, an dieser Stelle schlichtweg nicht nach- vollziehen. Wer ernstlich den oben dargestellten Markt trockenle- gen will, der muss auch bereit sein, dafür etwas zu tun. Und die hier bemühten Argumente taugen allesamt nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und Grünen. Denn auch hier gibt es weiterhin das Rechtsinstitut der rechtfertigenden Einwilligung, weshalb das Nackt- bild einer 17-Jährigen in einer Jugendzeitschrift unpro- blematisch ist. Hierfür konnten die Eltern einwilligen, denn im Gegensatz zu anzüglichen Nacktbildern raufen- der Knaben ist in diesem Fall die Zustimmung vom Sor- gerecht gedeckt. Ich hätte mir aber von Ihnen, Herr Justizminister Maas, an einer anderen Stelle einen genaueren Blick auf die Zielsetzung des hier zu beratenden Übereinkommens gewünscht, nämlich bei der Frage der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs beim sogenannten Cybergroo- ming. Cybergrooming ist ein Phänomen, was heutzutage tausendfach im Internet geschieht: Hier nehmen Erwach- sene – teilweise unter Vorspiegelung, selbst ein Kind zu sein – in Chatrooms oder anderen Foren für Kinder Kon- takt zu diesen mit dem Ziel auf, sexuellen Kontakt anzu- bahnen. Diesbezüglich berichten Kriminalbeamte aus der Praxis, dass es mittlerweile Foren gibt, in denen zum Beispiel eine „Julia2004“ binnen Minuten zehn bis 20 Anbahnungsversuche erhält. Nun ist die spannende Frage, wie man an solche Täter herankommt: In der Anhörung wurde uns verdeutlicht, dass das nur über Ermittler möglich ist, die sich im Netz als Kind aus- geben. Da dann aus juristischer Sicht ein sogenanntes „untaugliches Tatobjekt“ vorliegt, ist dieser untaugliche Versuch nicht strafbar. 7048 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Genauso verhält es sich, wenn zum Beispiel die Mut- ter das Treiben bemerkt, die Konversation mit dem Ge- genüber weiterführt und sich als das Kind ausgibt. Selbst wenn der Täter eindeutige Bilder schickt, eindeutige Aufforderungen formuliert oder Ähnliches, die Tat bleibt straflos. Vertreter aus der Praxis haben deshalb in der Anhö- rung ausdrücklich die Bitte formuliert, den untauglichen Versuch unter Strafe zu stellen, da diese Konstellationen quasi die einzige Möglichkeit darstellen, solcher Täter habhaft zu werden. Denn das Anzeigeverhalten in diesen Fällen geht gen null. Die Kinder vertrauen sich oftmals den Eltern nicht an – sei es aus Scham oder mangels aus- reichender Fähigkeit zur Bewertung des Vorgangs. Leider konnten wir uns hier mit unserer Forderung, den untauglichen Versuch unter Strafe zu stellen, weder bei der SPD noch beim Justizminister durchsetzen. Auch das Ministerium sieht hier keinen Handlungsbedarf. Allerdings muss man feststellen: Wenn man den Handlungsauftrag aus diesem Übereinkommen ernst nimmt, führt an einer Strafbarkeit in solchen Fällen kein Weg vorbei. Denn Herr Minister, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Die Welt hat sich schlichtweg verändert! Früher mussten mögliche Täter mit entsprechenden Nei- gungen Anbahnungsversuche vor Kindergärten, Schulen oder Kinderspielplätzen vornehmen. Dies barg zum ei- nen das erhebliche Risiko der Aufdeckung, und es war zum anderen wesentlich zeitintensiver. Heute geschieht das in Deutschland täglich hundertfach, im Sekunden- takt und im Schutze der Anonymität des Netzes. Deshalb werden wir als CDU/CSU hier von unserer Forderung nicht abweichen. Diesbezüglich bin ich froh, dass sich aus den Bericht- erstattergesprächen zumindest die Möglichkeit ergeben hat, in einem weiteren Fachgespräch nochmals die For- derung aus der Praxis ergebnisoffen zu diskutieren. Hie- rauf setzten wir große Hoffnung. Dennoch bleibt festzustellen: Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Mit Nacktbildern von Kindern werden in Zukunft in unserem Land keine Geschäfte gemacht. Deshalb stimmen wir dem Gesetz gerne zu. Dirk Wiese (SPD): Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines „Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“. Die Zustimmung des Deut- schen Bundestages zu diesem Gesetz ist gemäß Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Voraussetzung für dessen Ratifikation durch die Bundesrepublik Deutsch- land. Für diese Zustimmung möchte ich hier und heute werben. Aber Deutschland hat seine Umsetzungspflichten aus dem Abkommen bereits erfüllt. Letzter und entscheiden- der Schritt waren dabei die von uns in der letzten Sitzungswoche verabschiedeten Änderungen im Sexual- strafrecht. Es würde den Rahmen sprengen, die Ände- rungen vorzutragen, deshalb beschränke ich mich kurz auf die wichtigsten Punkte und verweise ansonsten auf die Debattenbeiträge der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Sexualstrafrechts. Kernstück dieser Reform ist dabei, dass wir das Straf- maß für den Besitz von Kinderpornografie von zwei auf drei Jahre erhöht haben und genau definiert haben welche Bilder und Aufnahmen unter Strafe fallen und welche nicht. Daneben haben wir Strafbarkeitslücken bei dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen ge- schlossen. Zur Verdeutlichung auch in der heutigen Debatte folgendes Beispiel: Das OLG Koblenz musste im Dezember 2012 einen Lehrer, der sich gezielt an eine 14-jährige Schülerin her- angemacht hatte und das Mädchen über fünf Monate und letztendlich erfolgreich zum Sex gedrängt hatte, vom Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen frei- sprechen. Grund für den Freispruch war einzig und allein, dass der Lehrer das Mädchen nicht regelmäßig unterrichtete und er damit als Vertretungslehrer in kei- nem sogenannten Obhutsverhältnis zu der Neuntklässle- rin stand. Mit der Neufassung bzw. Ergänzung des § 174 Absatz 2 StGB schließen wir diese Regelungslücke nun. Ganz klar: Niemand soll seine Vertrauensstellung unge- straft missbrauchen dürfen. Ferner haben wir den Straftatbestand des „Cybergroo- mings“ konkretisiert, um Kinder und Jugendliche im In- ternet besser vor Sexualstraftätern schützen zu können. Ein äußerst wichtiger Teil der Reform des Sexualstraf- rechts, denn die Fälle des „Cybergroomings“ nehmen deutlich zu. Allein in NRW gab es eine Steigerung im Jahr 2013 von 54,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Außerdem haben wir die Genitalverstümmelung, ei- nes der abscheulichsten Verbrechen an jungen Frauen und Kindern, in den Katalog der Auslandsstraftaten auf- genommen, um Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder im Urlaub beschneiden zu lassen. Darüber hinaus haben wir auch ein starkes Signal an die Opfer von sexuellem Missbrauch gesandt, indem wir die Verjährungsfristen deutlich erhöht haben. Denn Opfer von sexuellem Missbrauchs können oftmals erst viele viele Jahre später über die Taten sprechen, deren Opfer sie einst wurden. Mit der Erhöhung der Verjäh- rungsfristen setzen wir ein Zeichen dafür, dass wir diese Menschen mit ihrem Leid nicht alleine lassen. Wenn wir über den Schutz von Kindern und Jugendli- chen reden, dürfen wir aber nicht nur über Strafrecht reden. Denn in dem Moment, wo es zur Anwendung kommt, ist es für die Opfer bereits zu spät. Sie sind mit- unter ein Leben lang gezeichnet oder traumatisiert. Da- rum müssen wir vorher ansetzen, also bevor die Taten geschehen. Wir müssen also dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu sexueller Gewalt kommt. Deshalb möchte ich hier noch auf das Präven- tionskonzept von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt“, hin- weisen. Es stützt sich auf fünf Säulen, von denen die erste die bereits von mir dargestellte Reform des Sexual- strafrechts und der Verjährungsfristen beinhaltet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7049 (A) (C) (D)(B) Die zweite Säule bilden der Schutz und die Beglei- tung von Opfern im Strafverfahren. Nach einem Referentenentwurf zur 3. Opferrechtsreform aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird künftig ein Anspruch auf psychosoziale Prozess- begleitung bestehen, um die Belastung der Kinder und Jugendlichen im Strafprozess deutlich zu reduzieren. Zusätzlich soll durch eine Ergänzung des Kinderschutz- gesetzes eine engere Kooperation von Ermittlungsbehör- den und Jugendämtern ermöglicht werden. Eine weitere Säule des Gesamtkonzepts von Ministe- rin Schwesig bildet die Schaffung eines für Kinder uneingeschränkten Beratungsanspruchs gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe – auch ohne Kenntnis der El- tern –, flankiert durch Einführung von Schutzkonzepten in Schulen und anderen Einrichtungen. Ein klares Signal für mehr Kinderschutz! Die vierte Säule bilden Beratung, Hilfen und Thera- pien für Betroffene. Auf Bundesebene wird eine Koordi- nierungsstelle geschaffen werden, um die Beratungs- strukturen für Betroffene zu verbessern und sie leichter an die spezialisierte Fachberatung überweisen zu kön- nen. Daneben werden auch mögliche und potenzielle Täter mit entsprechenden Neigungen ins Auge gefasst: Präventionskonzepte werden gestärkt, damit diese erst gar nicht straffällig werden. Abgerundet wird das Gesamtkonzept durch die fünfte und letzte Säule, nämlich den Schutz von Kindern und Jugendlichen in den digitalen Medien. In Zusammen- arbeit mit dem Zentrum für Kinderschutz im Internet soll ein Netzwerk einrichtet werden, um Grauzonen von Missbrauchsdarstellungen im Netz national und interna- tional besser bekämpfen zu können. Zusätzlich werden Eltern und Kinder über Risiken beim Umgang mit digi- talen Medien aufgeklärt und sensibilisiert. Durch eine gesetzliche Informationsverpflichtung soll dabei sicher- gestellt werden, dass diese Aufklärung auch wirklich stattfindet. Sie sehen, die Bundesregierung hat sich sowohl des strafrechtlichen als auch des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch angenommen. Wir haben dabei die Zielvorgaben des Übereinkommens des Europarates erfüllt und gewährleisten in manchen Bereichen sogar einen weitaus besseren Schutz, als er im Abkommen gefordert wird. Deshalb werbe ich heute hier um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Entwurf des Vertrags- gesetzes, damit die Bundesrepublik Deutschland nach der Zustimmung dieses Hohen Hauses das Abkommen auch ratifizieren kann. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Die Bundesrepu- blik Deutschland hat das Übereinkommen des Europa- rats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch – Lanzarote-Konvention – am 25. Oktober 2007 unter- zeichnet. Der Bundestag muss nun die nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes erforderliche Zustim- mung zum Vertragsgesetz beschließen. Diese Ratifizierung setzte nach Auffassung der Bun- desregierung eine Änderung des Strafgesetzbuches vo- raus, die von der Mehrheit des Bundestages vor wenigen Wochen mit der Änderung des Sexualstrafrechtes be- schlossen wurde. Die Linke hat aus verschiedenen Grün- den diesen Gesetzentwurf abgelehnt. Ich will all die Gründe heute nicht wiederholen, zumal diese bei Inte- resse im Plenarprotokoll nachgelesen werden können. Das Ziel des Vertragswerks, die Verhütung und Be- kämpfung der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern, teilen wir ausdrücklich. Die in der Konvention enthaltenen Regelungen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Prävention in Bezug auf Täter und Opfer und auf die Unterstützung von Opfern stellen eine sinnvolle und begrüßenswerte Verbesserung im Ver- gleich zu bisherigen internationalen Vorgaben dar und fördern auch in Deutschland den Ausbau der Prävention. Das finden wir richtig und gut. Die in der Konvention enthaltenen Vorgaben für präventive Maßnahmen, etwa verpflichtende Maßnahmen zum Schutz und zur Unter- stützung der Opfer sowie Bestimmungen zu Präven- tions- und Interventionsprogrammen und Maßnahmen für Sexualstraftäterinnen und -täter, sind sinnvoll. Es ist ebenfalls gut, dass Kinder in der Schule über sexuellen Missbrauch aufgeklärt werden und Beratung erhalten sollen. Auch die zwingende flächendeckende Einrich- tung von Beratungsstellen für Opfer und potenzielle Op- fer oder Ratsuchende sowie die Auflegung von Täterprä- ventionsprogrammen findet unsere Zustimmung. Wenn wir uns dennoch enthalten, dann hat dies damit zu tun, dass wir einen Teil der Vorgaben im Strafrecht für problematisch halten. Kind im Sinne des Überein- kommens nach Artikel 3 a ist eine Person unter 18 Jah- ren. Gerade im Bereich der Sexualität finden wir es aber ausgesprochen richtig, einen Unterschied zu machen, ob es sich um unter 14-jährige und um über 14-jährige, aber unter 18-jährige Personen handelt. Dieser Konflikt zieht sich durch die gesamten straf- rechtlichen Regelungen im Übereinkommen. Da ist zum Beispiel der Artikel 20. Dieser fordert, gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um die Herstellung von Kin- derpornografie, das Anbieten oder die Verfügbarma- chung von Kinderpornografie, das Verbreiten oder Über- mitteln von Kinderpornografie, das Beschaffen von Kinderpornografie für sich selbst oder einen anderen, den Besitz von Kinderpornografie und den wissentlichen Zugriff auf Kinderpornografie mithilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien unter Strafe zu stel- len. Selbst bei einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Strafrecht dürfte unstreitig sein, dass in den aufge- zählten Fällen das Strafrecht eingreifen sollte – wenn es sich um unter 14-Jährige handelt. Nach Artikel 20 Ab- satz 2 ist Kinderpornografie jedes Material mit der bild- lichen Darstellung eines Kindes – und nach dem Über- einkommen meint dies eben Personen unter 18 Jahren – bei wirklichen oder simulierten eindeutig sexuellen Handlungen oder jede Abbildung der Geschlechtsteile eines Kindes zu vorwiegend sexuellen Zwecken. Wir ha- ben uns bei der Verschärfung des Sexualstrafrechtes schon trefflich darüber gestritten, ob wir nicht zumindest 7050 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) mit der zweiten Tatbestandsalternative in einen Bereich des Motivstrafrechts kommen. Wie soll denn bitte ge- klärt werden, ob die Aufnahme einer bildlichen Darstel- lung eines Geschlechtsteiles aus vorwiegend sexuellen Motiven stattgefunden hat? Aber unabhängig davon gilt dies nach dem Überein- kommen ja auch für Abbildungen von Geschlechtsteilen von zum Beispiel 16-Jährigen oder 17-Jährigen. Wir lau- fen hier durch die Definition, wer als Kind gelten soll, Gefahr, die Sexualität von Jugendlichen zu kriminalisie- ren. Aus unserer Sicht führt dies aber auch zu Wertungs- widersprüchen. Denn sowohl nach dem Übereinkommen als auch nach deutschem Recht dürfen Personen ab 14 Jahren mit Volljährigen einvernehmliche sexuelle Handlungen vornehmen. Sie dürfen sich aber nicht dabei fotografieren oder die Bilder besitzen. Eine Heraus- nahme aus der Strafbarkeit ist für die Unterzeichnerstaa- ten nicht möglich für den Fall, dass eine 18-Jährige, die ihren 17-jährigen Freund bei sexuellen Handlungen – die sie vornehmen dürfen – fotografiert und das Bild behält oder gar Freunden zeigt oder ihnen per E-Mail sendet. Wir sind nicht davon überzeugt, dass ein solches Verhal- ten dem Strafrecht unterliegen soll. Wir glauben, diese von der Konvention betriebene Kriminalisierung jugend- lichen Sexualverhaltens ist nicht gerechtfertigt und ver- letzt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Wir hal- ten es tatsächlich für besser, zwischen Kinder- und Jugendpornografie und sexuellen Handlungen mit Kin- dern und Jugendlichen zu unterscheiden, wie dies in Deutschland der Fall ist. Insofern hätten wir uns Rege- lungen gewünscht, die sicherstellen, dass in keinem der Unterzeichnerstaaten die einvernehmliche Sexualität – und entsprechende Fotos – von Jugendlichen mit He- ranwachsenden oder Erwachsenen unter Strafe gestellt werden kann. Wir sehen viele gute Ansätze in der Lanzarote-Kon- vention; angesichts der aufgezeigten Probleme bleibt uns allerdings nur die Stimmenthaltung. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Als der Europarat im Oktober 2007 seine Kon- vention verabschiedete, war dies ein Meilenstein. Es war ein Schritt zum besseren Schutz von Kindern vor sexuel- ler Ausbeutung und vor Missbrauch. Dies ist inzwischen mehr als sieben Jahre her, und erst heute verabschiedet der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Ratifizierung der sogenannten Lanzarote-Konvention. Wir werden diesem Gesetz zustimmen, obwohl – und darauf muss ich hin- weisen – wir die Definition von Kind differenzierter se- hen als die völkerrechtliche Definition von Kind. Wir unterscheiden zwischen Kindern und Jugendlichen, zum Teil sogar zwischen 14- und 16-Jährigen. Viele der strafrechtlichen Regelungsbedarfe wurden jüngst mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetz- buchs – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexual- strafrecht“ umgesetzt. Das Gesetz aus dem Hause von Bundesminister Maas hat öffentlich große Aufmerksam- keit erfahren. Dies wurde meiner Auffassung nach aller- dings vor allem durch zwei Punkte beeinflusst. Zum einen wurde durch die Ermittlungen gegen einen ehema- ligen Bundestagsabgeordneten eine öffentliche Debatte über sogenannte Posingbilder ausgelöst. Diesem Vorfall ist es quasi zu verdanken, dass viele der sexualstrafrecht- lichen Vorgaben der Konvention vor wenigen Wochen umgesetzt wurden. Zum anderen erfuhr das Thema so viel Aufmerksamkeit, da der Entwurf aus dem Bundes- justizministerium im Bereich der Persönlichkeitsverlet- zung derart über das Ziel hinausgeschossen ist. Ich sage nur: „bloßstellende Aufnahmen“. Gerade die Medien- vertreter wurden da natürlich aufmerksam, schließlich wären sie durchaus Betroffene dieses Gesetzes gewor- den, wenn es in dieser Form durch den Bundestag ge- kommen wäre. Nun: Die mediale Konzentrationsfähigkeit ist schnell dahin. Vermutlich will die Bundesregierung uns und den Menschen im Lande auch suggerieren, dass mit der Ver- abschiedung des Gesetzes nun alles getan ist, was getan werden musste. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Ratifizierung der so wichtigen Lanzarote-Konvention in dieser Sitzungswoche praktisch unter Ausschluss der Öf- fentlichkeit stattfindet. Es sind jedoch insbesondere die Präventionsmaßnah- men, auf die die Konvention großen Wert legt und die bisher völlig unzureichend umgesetzt sind. Ich will nur drei Beispiele nennen: Die Schulungsmaßnahmen für alle Berufsgruppen, die mit potenziellen minderjährigen Opfern des sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen Ausbeutung in Kontakt kommen, sind in Deutschland weiterhin unzureichend. Ebenso gibt es in Deutschland keine bedarfsgerechte Betreuung und Therapie von min- derjährigen Betroffenen – vor allem in ländlichen Regio- nen. Auch wären gesetzliche Regelungen, wie „privacy by design“ als Grundeinstellung, womit höhere Daten- schutzstandards vor allem bei sozialen Netzwerken im Internet erreicht werden, ein Beitrag zur Umsetzung der Konvention. Auf viele der Punkte, die noch umzusetzen sind, ha- ben wir in unserem Antrag „Kinder schützen – Präven- tion stärken“ – Drucksache 18/2619 – hingewiesen. Auch das Gesamtkonzept für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt, das Bundes- familienministerin Schwesig am 22. September 2014 in Anwesenheit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Rörig, auf einer Pres- severanstaltung vorgestellt hat, beabsichtigt, Forderun- gen aus der Konvention umzusetzen. Ich bin froh, dass Konventionen mit ihrer Ratifizie- rung innerstaatlich verbindlich werden. Dies erhöht den Umsetzungsdruck. Diesen Druck werde auch ich künftig machen. Deswegen habe ich mit meiner Fraktion in die- ser Sitzungswoche die Bundesregierung mit einer Klei- nen Anfrage um Antwort gebeten, was denn bei der Um- setzung der Präventionsmaßnahmen Stand der Dinge ist. In einigen Wochen werden wir dann hoffentlich etwas schlauer sein. Ich kann nur hoffen, dass nach den vielen Ankündigungen dann konkrete Umsetzungsschritte zu erkennen sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7051 (A) (C) (D)(B) Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern in der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 23) Sebastian Steineke (CDU/CSU): Durch die Schaf- fung des EU-Binnenmarkts ist der Handel innerhalb der Europäischen Union deutlich einfacher geworden. Heut- zutage gehört es für Verbraucher zur Normalität, Waren aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen, und für Unter- nehmen zur Normalität, Waren in diese Länder zu expor- tieren. Zudem errichten viele Unternehmen mittlerweile Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dennoch bestehen nach wie vor Barrieren, die Ver- braucher und Unternehmer häufig vom internationalen Handel abhalten. Zu diesen Barrieren gehört auch das schwierige und umständliche Verfahren zur Beschaffung von Informationen über seinen ausländischen Geschäfts- oder Vertragspartner. Zur Überwindung von Sprachpro- blemen und zur Verbesserung des Zugangs zu solchen Unternehmensinformationen bedarf es daher einer grenzüberschreitenden Lösung. Der vorliegende Gesetzentwurf, der der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verknüpfung von Zentral-, Han- dels- und Gesellschaftsregister in der Europäischen Union (RL 2012/17/EU) dient, soll diese Barrieren be- seitigen. Der Gesetzentwurf sieht entsprechende Ände- rungen des Handelsgesetzbuches sowie der Handels- registerverordnung vor. Mit der Richtlinie soll der grenzüberschreitende Zu- gang zu Unternehmensinformationen über das europäi- sche Justizportal verbessert und die genauen Kanäle für die Kommunikation zwischen den nationalen Registern der Mitgliedstaaten über eine zentrale europäische Platt- form festgelegt werden. Zukünftig bilden folgende drei Teile gemeinsam das europäische System der Register- vernetzung: die Register der Mitgliedstaaten, die zen- trale europäische Plattform und das europäische Justiz- portal. Bisher musste man sich für die Informationsbeschaf- fung beim ausländischen Register anmelden und die dor- tige Gerichtssprache beherrschen. Der Gesetzentwurf sieht vor, den Zugang zu diesen Registern im grenzüber- greifenden Kontext erheblich zu vereinfachen und da- durch sichere Rahmenbedingungen für den innereuropä- ischen Handel zu schaffen. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutli- chen: Ein Verbraucher, der nach dem Onlinekauf im Ausland aufgrund von mangelhafter Warenlieferung eine Klage gegen den Lieferanten anstrebt, kann dies zwar – dank der Verbrauchergerichtsstandregelung – in Deutschland tun. Dennoch benötigt er für die Klageerhe- bung verlässliche Angaben zum Sitz, zur Anschrift und zum gesetzlichen Vertreter des Prozessgegners. Dies stellt ihn bislang vor eine schwierige Prozedur. Oftmals führte dies dazu, dass Betroffene den Schaden lieber in Kauf nahmen, da es zu umständlich erschien, die not- wendigen Schritte zur Ermittlung der anderen Vertrags- partei einzuleiten. Durch die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu Unternehmensinformationen soll sich dies ändern. Beispielsweise sind nun Änderungen in der Re- gel innerhalb von 21 Tagen ab Vorliegen der vollständi- gen Anmeldung in das Handelsregister einzutragen und bekannt zu machen. Diese Verbesserung wird durch die Vernetzung der nationalen Register zu einem europäi- schen Justizportal erreicht werden. Darüber hinaus wird durch die Schaffung von zeitge- mäßen Kommunikationskanälen und die Ergänzung des europäischen Justizportals um alle Sprachen der EU das Registerverfahren beschleunigt sowie Bürokratie abge- baut. Alle in Deutschland tätigen Kapitalgesellschaften erhalten eine einheitliche europäische Kennung, damit sie problemlos zugeordnet werden können. Die weiteren technischen Details des Datenverkehrs kann das Bundes- ministerium für Justiz und Verbraucherschutz in einer Rechtsverordnung regeln, für die wir ihm mit dem vor- liegenden Gesetzentwurf eine Ermächtigungsgrundlage schaffen. Da der Gesetzentwurf viele technische Regelungsde- tails hinsichtlich der Verknüpfung der einzelnen Register beinhaltet, führte der Ausschuss für Recht und Verbrau- cherschutz auf Initiative der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD am 5. November 2014 eine öffentli- che Anhörung durch, in der der Gesetzentwurf von allen anwesenden Sachverständigen im Grundsatz begrüßt wurde. Trotzdem erlebten wir hier ein Paradebeispiel, dass Anhörungen des Bundestags nicht nur für das Schaufenster gedacht und wirkungslos sind. Denn ge- rade weil dieser Gesetzentwurf viele technische Details berücksichtigen musste, haben uns die Experten auf ver- meintliche Kleinigkeiten hingewiesen, die aber für die Praxis und insbesondere für die handelnden Personen der Rechtspflege von immenser Bedeutung sind. Unter anderem ging es um Begrifflichkeiten, die das Einrei- chen von Dokumenten zum Handelsregister betreffen. Wir als Union haben die Hinweise der Sachverständigen aufgegriffen und im Anschluss gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium erörtert. Die nun eingearbeite- ten Änderungen werden in der Praxis für Rechtssicher- heit sorgen und für den Anwender eine Erleichterung sein. Dass das System der Registervernetzung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten notwendig ist, wird auch daran deutlich, dass es nach Erhebungen der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2013 rund 31 Millionen Un- ternehmen in der Europäischen Union gibt, die in den Handelsregistern der Mitgliedstaaten erfasst sind. Der Gesetzentwurf trägt zukünftig nicht nur zur Stär- kung des grenzüberschreitenden Handels und Informations- austauschs innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft im internationalen Ver- 7052 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) gleich bei, sondern schafft auch mehr Rechtssicherheit in diesem Bereich. Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz be- schlossenen Fassung zustimmen. Dr. Johannes Fechner (SPD): Mit diesem Gesetz tragen wir dazu bei, dass Richtlinien ins deutsche Recht umgesetzt werden, die den Wirtschaftsverkehr innerhalb der Europäischen Union wesentlich erleichtern werden. Mit dem Gesetz sollen Änderungen der Publizitäts- richtlinie, der Zweigniederlassungsrichtlinie und der Fu- sionsrichtlinie umgesetzt werden, die auf Verknüpfung der Handelsregister abzielen. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, dass alle Unions- bürgerinnen und Unionsbürger einen europaweiten Zu- griff auf wichtige Unternehmensdaten der Kapitalgesell- schaften erhalten – und zwar einfach und schnell über das Internet. Viele Unternehmen innerhalb der EU nut- zen längst die Möglichkeit, über Ländergrenzen hinweg zu expandieren, Zweigniederlassungen zu gründen oder stehen mit Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten in geschäftlichem Kontakt. Die Handels- bzw. Unternehmensregister sind in die- sem grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr wichtige Informationsquellen. Über die Handelsregister können Unternehmen, aber auch Verbraucherinnen und Verbrau- cher relevante Informationen über die Unternehmen er- halten, die ihre potenziellen Geschäftspartner sein könn- ten oder mit denen sie bereits Geschäfte machen. Mit dem schnellen zentralen Onlinezugriff auf Han- delsregisterdaten haben wir in Deutschland bereits beste Erfahrungen gemacht. Wir haben schon vor Jahren die Daten von 130 Registergerichten aus allen Bundeslän- dern auf nationaler Ebene miteinander vernetzt. Jeder- mann kann seit 2007 über das gemeinsame Register- portal der Länder unter www.handelsregister.de Unternehmensdaten abrufen, aber auch wichtige Doku- mente wie Gesellschaftervertrag, Jahresabschluss oder Gesellschafterliste einsehen. Die Register sind zwar ver- netzt, die Daten bleiben aber bei den Ländern. Der On- linezugriff hat hier bereits zu steigender Nachfrage ge- führt. Genau dieses Erfolgsmodell wird jetzt auf europäi- scher Ebene ebenfalls eingeführt. Jeder Mitgliedstaat be- hält auch hier die Herrschaft über seine Register, die aber miteinander vernetzt werden. So wird über das Eu- ropäische Justizportal ein zentraler und europaweiter Zu- griff für Bürgerinnen und Bürger, Rechtspraktiker, Un- ternehmen und Gerichte installiert. Das ist eine ausgesprochen erfreuliche Entwicklung. Denn Millionen Unternehmen in der EU sind mittler- weile in verschiedenen Handelsregistern der Mitglied- staaten registriert. Nun erhalten Kapitalgesellschaften sowie deren Zweigniederlassungen eine einheitliche eu- ropäische Kennung. Das ermöglicht einen besseren Da- tenaustausch und mehr Transparenz. Veränderungen wie Insolvenz, Liquidation, Löschung oder Verschmelzung von Kapitalgesellschaften werden den betroffenen Registern mitgeteilt. Außerdem haben die zuständigen Registerstellen nun eine Frist von 21 Tagen für die Bekanntmachung oder Änderung der Registerangaben einzuhalten, eine Frist, die in Deutschland kein Problem darstellen wird. Die Eintragungen erfolgen bei uns regelmäßig sehr viel schneller. Der Suchservice über das Europäische Justiz- portal wird kostenlos sein und in 23 Sprachen zur Verfü- gung stehen. Dieser verbraucherfreundliche Ansatz soll an dieser Stelle besonders betont werden. Das Vorhaben, ein europäisches Handelsregisterportal zu installieren, mag ambitioniert sein. Aber dieses Ge- setz ist ein notwendiger Schritt dahin. Und ich bin über- zeugt, dass es zur Harmonisierung des Wirtschaftsver- kehrs beitragen, den Informationsaustausch vereinfachen und in Zukunft von vielen Menschen und Unternehmen genutzt werden wird. Richard Pitterle (DIE LINKE): Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf wird eigentlich ein unterstützenswer- tes Ziel verfolgt. Denn bei den mehr und mehr europa- weit vernetzten Handelsbeziehungen, Warenströmen und Dienstleistungserbringungen macht eine Vernetzung auch der verschiedenen Handels- und Unternehmens- register durchaus Sinn. So soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gemäß der zugrunde liegenden EU-Richt- linie gewährleistet werden, dass die Register der Mit- gliedstaaten, die zentrale Europäische Plattform und das Europäische Justizportal künftig gemeinsam das Euro- päische System der Registervernetzung bilden. Um die Register der Mitgliedstaaten hier kompatibel zu machen, soll eine einheitliche europäische Kennung für alle Kapitalgesellschaften eingeführt werden. Und hier liegt auch schon der erste Knackpunkt in Ihrem Ge- setzentwurf, meine Damen und Herren von der Bundes- regierung. Warum nur Kapitalgesellschaften? Was ist mit den Personengesellschaften? Auch diese nehmen am Wirtschaftsleben in der Europäischen Union teil, bei- spielhaft möchte ich hier Aldi nennen – ein Unterneh- men in der Form einer offenen Handels- und somit Per- sonengesellschaft. Ein weiterer Schwachpunkt in dem vorliegenden Gesetzentwurf liegt in dem nicht sonderlich verbrau- cherfreundlich geprägten Zugang zu den relevanten Informationen. Wichtige Angaben wie ladungsfähige Anschriften oder Vertretungsberechtigungen bei den Ge- sellschaften sind nicht zwingend vorgeschrieben. Das sind aber genau jene Angaben, die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Verfolgung ihrer Ansprüche zu allererst benötigen – wenn Sie ein Unternehmen verkla- gen wollen, müssen Sie auch wissen, an wen die Klage zu richten ist. Wenn man die geplante praktische Umsetzung be- trachtet, fällt zudem auf, dass die Richtlinie und leider auch die vorliegende Umsetzung ins deutsche Recht kei- nen Zwang zur Übersetzung in die europäischen Amts- sprachen enthalten. Zur Überwindung der jeweiligen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7053 (A) (C) (D)(B) Sprachbarrieren wäre eine solche aber durchaus notwen- dig. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch kleiner und mittlerer Unternehmen ist überdies zu bemängeln, dass der Zugang zu den entsprechenden Unterlagen nicht kostenlos sein soll. Wir müssen daher feststellen, dass die Gestaltungs- spielräume, die hier bei der Umsetzung der Richtlinie zum Beispiel zugunsten der Verbraucherinnen und Ver- braucher gegeben gewesen wären, von der Bundesregie- rung leider nicht genutzt wurden. Zwar ist es richtig, dass hier widerstreitende Interes- sen in Einklang gebracht werden müssen. Da ist das Recht auf den Zugang zu Informationen auf der einen und die Rechte der diese Informationen zur Verfügung stellenden Kapitalgesellschaften auf der anderen Seite. Dennoch wäre eine effektivere Ausgestaltung des Infor- mationsflusses hier wünschenswert gewesen. Zuletzt muss ich Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, noch an einer weiteren Stelle ta- deln. Die Bundesrepublik hinkt bei der Umsetzung der hier zugrunde liegenden EU-Richtlinie nämlich wieder einmal hinterher. Eigentlich hätte die Richtlinie nämlich bis zum Juli dieses sich dem Ende zuneigenden Jahres in das nationale Recht implementiert sein müssen. Das ist nicht geschehen, und somit hat Deutschland wieder ein- mal kein gutes Beispiel bei der Beachtung europarechtli- cher Vorgaben abgegeben. Hier wäre zukünftig etwas mehr Disziplin durchaus wünschenswert. Abschließend bleibt mir zu vorliegendem Gesetzent- wurf letztlich nur Folgendes zu sagen: Der zugrunde lie- gende Ansatz ist gut, aber bei der Umsetzung hakt es mal wieder. Die Fraktion Die Linke wird sich daher ent- halten. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit die- sem Gesetzentwurf geht Deutschland den ersten Schritt zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU, mit der mit- telfristig das Europäische System der Registervernet- zung auf den Weg gebracht werden soll. Künftig sollen die Register verknüpft werden und alle Kapitalgesell- schaften eine einheitliche Kennung erhalten. Die Voraus- setzungen hierfür sollen im Handelsgesetzbuch geschaf- fen werden. Der immer weiter zusammenwachsende europäische Binnenmarkt führt zu einem zunehmenden Anglei- chungsdruck in rechtlicher Hinsicht. Wir erleben dies im verbraucherrechtlichen Bereich genauso wie im Gesell- schaftsrecht oder im Handelsrecht. Und eben auch bei den Handelsregistern. Grenzüberschreitende Anfragen gewinnen in der täglichen Arbeit der Handelsregister stetig wachsendes Gewicht. Es wird immer wichtiger, sich auch in den Registern der anderen EU-Mitgliedstaa- ten zu informieren. Hierbei stößt der Anwender in der Praxis leider häufig auf Hindernisse. Meist setzt zum Beispiel der Zugang zu einem nationalen Register schlicht die Kenntnis der Landessprache voraus. Ein In- formationsaustausch zwischen den Registern erfolgt bis- her nicht. Dabei setzen bestimmte Sachverhalte dringend einen besseren Informationsaustausch zwischen den Registern voraus. Dies ist aber im grenzüberschreitenden Rechts- verkehr bisher nicht möglich. Es ist zum Beispiel so, dass die inländische Eintragung einer Zweigniederlas- sung eines ausländischen Unternehmens häufig gewis- sermaßen die Eintragung der Hauptniederlassung im Ausland spiegelt. Das Register der Hauptniederlassung meldet Veränderungen aber nicht automatisch an das Re- gister der Zweigniederlassung und das Register der Zweigniederlassung kann nicht unentwegt die Eintra- gung im Register der Hauptniederlassung überprüfen. Eine elektronische Kommunikation zwischen den Regis- tern ist bisher nicht möglich. Dies kann zu unschönen Missverständnissen führen! Die deutschen Handelsregister und das deutsche Unternehmensregister sollen mittels der zentralen Euro- päischen Plattform mit den Registern der übrigen europäi- schen Mitgliedstaaten verbunden werden. In Deutschland sind die Daten der 130 Registergerichte bereits seit 2007 miteinander vernetzt. Die Daten liegen dabei nicht auf einem zentralen Server, sondern die einzelnen Landes- server werden miteinander vernetzt. Dieses System soll nun auch auf europäischer Ebene angewendet werden, ohne dass dabei die bisherigen Plattformen mit ihren un- terschiedlichen Schwerpunktangeboten abgelöst werden. Es werden weiterhin das gemeinsame Registerportal der Länder, das Unternehmensregister und zusätzlich das Europäische Justizportal verfügbar sein. Es ist gut, dass hierbei der Mindestdatensatz kosten- los zur Verfügung gestellt wird. Die Zugangshürden zu den Informationen des Registers sollten möglichst nied- rig gehalten werden. Die zentrale Europäische Plattform wird die Verbin- dung zwischen den Daten sicherstellen und das Europäi- sche Justizportal dient als zentrale Suchplattform, spei- chert aber selbst auch keine Daten. Diese Lösung halten wir für sinnvoll. Die Nutzer werden die mehrsprachige Suche schät- zen. Registereintragungen sollen in allen Amtssprachen der EU recherchiert werden können. Das hilft dabei, Sprachbarrieren zu überbrücken. Als Indexdaten sollen erfasst werden: der Name der Gesellschaft, ihre Rechts- form, der Sitz der Gesellschaft, der Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, sowie die Registernum- mer der Gesellschaft. Die Sachverständigen haben in ih- ren Stellungnahmen für die Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz noch die Frage aufgewor- fen, ob es nicht eventuell auch sinnvoll wäre, die Regis- terinformationen selbst in übersetzter Form zur Verfü- gung zu stellen. Das finde ich einen sinnvollen Hinweis, dem man nachgehen sollte. Es würde mich freuen, wenn die Kommission diesen Gedanken aufnehmen würde. In der Handelsregisterverordnung soll künftig festge- legt werden, dass Änderungen im Register in der Regel innerhalb von 21 Tagen ab Vorliegen der vollständigen Anmeldung in das Handelsregister einzutragen und be- kannt zu machen sind. Die Sachverständigen haben hier in ihren Stellungnahmen zu bedenken gegeben, dass die deutsche Regelung sich bei der 21-Tage-Frist nicht nur 7054 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) auf die notwendigen Daten beschränkt und die Richtlinie übererfüllt wird. Es sei außerdem so, dass die Frist von 21 Tagen in der deutschen Registerpraxis in aller Regel unterschritten würde. Hier verstehe ich nicht, wieso auf diese Bedenken nicht eingegangen wurde, vor allem da es in der Praxis offensichtlich kein Problem gibt, das diese weite Interpretation der Richtlinie notwendig ma- chen würde. Dies ist für uns zwar kein Grund, das Ge- setz abzulehnen, aber wieder ein Beweis dafür, dass die Koalition im Gesetzgebungsverfahren den Sachverstän- digen nicht genug Gehör schenkt. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. März 2009 zwi- schen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die zentrale Zollabwicklung hin- sichtlich der Aufteilung der nationalen Erhe- bungskosten, die bei der Bereitstellung der tra- ditionellen Eigenmittel für den Haushalt der Europäischen Union einbehalten werden (Ta- gesordnungspunkt 25) Uwe Feiler (CDU/CSU): Heute beraten wir über den Gesetzentwurf zur Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union, der zu einer Anpassung der Gesetzeslage an einige der Bestimmungen des neuen Unionszollkodex führen wird. Durch das Gesetz werden die Voraussetzun- gen im innerstaatlichen Zustimmungsverfahren nach Ar- tikel 59 Absatz 2 Satz 1 GG für die Ratifikation des Übereinkommens geschaffen. Der Zollunion, eine der ersten Errungenschaften der EU, kommt im Zeitalter der Globalisierung eine wich- tige Rolle zu. Sie schützt den Binnenmarkt der EU mit seinem freien Warenverkehr und kontrolliert dabei die Ein- und Ausfuhr von Waren an den Außengrenzen der EU. Unabhängig davon, wo in der EU die Waren verzollt werden, gelten dank der Zollunion dieselben Regeln. Die Zollbeamten in den 28 Mitgliedstaaten arbeiten in Hä- fen, an Flughäfen und Grenzübergängen. Durch ihre Ar- beit werden die Verbraucher geschützt, der unlautere Wettbewerb vermieden und ein Teil der EU-Einnahmen gesichert. 2012 machten die Zölle als Einnahmequelle mit einer Summe von 16,3 Milliarden Euro beinahe 13 Prozent des EU-Haushalts aus. Die Zollbehörden der EU wickeln fast 16 Prozent der weltweiten Importe ab – das sind über 2 Milliarden Tonnen Waren pro Jahr. Dazu bearbeiten sie über 260 Millionen Zollanmeldungen im Jahr. Mit der EU-Verordnung Nr. 952/2013 vom 9. Oktober 2013 wird endlich auch die Möglichkeit einer zentralen Zollabwicklung geschaffen. Damit können zugelassene Wirtschaftsbeteiligte ihre Waren elektronisch anmelden und Zölle am Ort ihrer Niederlassung entrichten, unab- hängig von dem Mitgliedstaat, in dem die Waren vom Zollgebiet der EU ausgeführt, in das Gebiet eingeführt oder in dem sie verbraucht werden. Die Änderung ist zu begrüßen, da sie die Arbeit der Unternehmen vereinfacht und zu einem Bürokratieabbau beiträgt. Ziel der zentra- len Zollabwicklung ist es, Buchführung, Logistik und Vertrieb zu zentralisieren und zu integrieren, damit die Wirtschaft Verwaltungs- und Transaktionskosten spart. Wir wollen das Zollverfahren modernisieren, den Han- del vereinfachen und die Unternehmen entlasten, ohne auf die Sicherheit der Außengrenzen zu verzichten. Die neuen Regelungen führen jedoch auf der anderen Seite dazu, dass nicht nur ein Mitgliedstaat, sondern zwei an der Zollabwicklung beteiligt sind. Folglich ent- stehen in beiden Ländern Verwaltungskosten, die mit der Zollabwicklung verbunden sind. Die Zölle werden von den Mitgliedstaaten als Ein- fuhrabgaben erhoben, die sie der Europäischen Union als deren Eigenmittel bereitzustellen haben. Für den Ver- waltungsaufwand erhalten die Mitgliedstaaten eine soge- nannte Erhebungskostenpauschale. Bis zum sogenann- ten Eigenmittelbeschluss aus dem Jahr 2000 durften die Mitgliedstaaten 10 Prozent der von ihnen bereitzustel- lenden Zölle behalten. Nunmehr sind es 25 Prozent. Im letzten Jahr nahm Deutschland rund 4,2 Milliarden Euro an Zöllen ein. So durfte Deutschland von den im Jahr 2013 eingenommenen 4,2 Milliarden Euro gut 1 Mil- liarde Euro behalten. Die Erhebungskostenpauschale wird bisher vom je- weiligen Mitgliedstaat einbehalten, in dem die Abgaben entrichtet werden. Nach dem Übereinkommen darf die Pauschale geteilt werden. 50 Prozent der Erhebungskos- tenpauschale werden vom Mitgliedstaat einbehalten, in dem die Ware zum zollrechtlich freien Verkehr angemel- det wurde, die andere Hälfte bleibt in dem Staat, in den die Ware tatsächlich eingeführt wurde. Dadurch werden die in beiden Mitgliedstaaten entstandenen Verwaltungs- kosten angemessen gedeckt. Darüber hinaus enthält das Übereinkommen Regelun- gen über den Anwendungsbereich, die Ermittlung und Weiterverteilung der Erhebungskosten, die Streitbeile- gung bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Auslegung oder des Funktionierens des Übereinkom- mens sowie Durchführungs- und Schlussbestimmungen. Durch den neuen Unionszollkodex wird der Zollbe- reich für die Wirtschaftsbeteiligten vereinfacht und wirt- schaftsfreundlicher gestaltet. Der Warenfluss soll durch die Zollabwicklung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Auch der Zoll gehört mit seiner Anpassung an die Bedürfnisse der Unternehmen und die globalen Ent- wicklungen durch die Implementierung der modernen Möglichkeiten zu einer wirtschafts- und serviceorientier- ten Verwaltung. Die Folgen der Vorschriftenänderung für die Mitgliedstaaten werden unter anderem in dem vorliegenden Abkommen behandelt und müssen ins deutsche Recht umgesetzt werden. Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Der heute eingebrachte Gesetzentwurf mit dem sperrigen Titel „Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. März 2009 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 7055 (A) (C) (D)(B) über die zentrale Zollabwicklung hinsichtlich der Auftei- lung der nationalen Erhebungskosten, die bei der Bereit- stellung der traditionellen Eigenmittel für den Haushalt der Europäischen Union einbehalten werden“ ist sehr technischer Natur. Er regelt die gerechte Verteilung des Verwaltungsaufwandes bei der Erhebung von Zöllen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Der Gesetzentwurf setzt mit dem Unionszollkodex eine entsprechende EU- Verordnung aus dem Jahr 2013 um. Verordnungen sind Rechtsakte der Europäischen Union, die wir als Gesetz- geber eins zu eins in deutsches Recht übernehmen müs- sen. Der vorliegende Gesetzentwurf schließt eine Rege- lungslücke. Hintergrund ist die Zollerhebungspraxis in der EU. Die Mitgliedstaaten erheben Zölle als Einfuhr- abgaben, die sie an die Europäische Union abführen müssen. Für ihren Verwaltungsaufwand erhalten die Mitgliedstaaten eine Pauschale – Erhebungskostenpau- schale – in Höhe von derzeit 25 Prozent, die sie von den abzuführenden Zöllen einbehalten dürfen. Durch den sogenannten Unionszollkodex wird das In- strument der zentralen Zollabwicklung in allen EU-Län- dern eingeführt. Danach können Waren in einem Mit- gliedstaat zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet, aber in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich einge- führt werden. Einfuhrstaat und Anmeldestaat fallen in der Praxis mitunter auseinander. Dadurch sind also nicht nur ein, sondern zwei Staaten beteiligt. Wenn nun zwei Staaten an einem Einfuhrvorgang beteiligt sind, entsteht auch in beiden Staaten ein Verwaltungsaufwand. Bislang wurde die Erhebungskostenpauschale aber von dem Mitglied- staat einbehalten, in dem die Abgaben entrichtet werden. Mit der zukünftig zentralen Zollabwicklung wird auch der Verwaltungsaufwand des anderen Staates berück- sichtigt. Die Mitgliedstaaten haben beschlossen, mithilfe eines multinationalen Übereinkommens zwischen allen EU- Mitgliedstaaten ein geeignetes Instrument für die Rege- lung der Aufteilung der Erhebungskostenpauschale zu schaffen. Ziel ist es, die Pauschale zwischen den tatsäch- lich an der Einfuhr beteiligten Mitgliedstaaten gleichmäßig aufzuteilen. In dem Übereinkommen haben sich die Mit- gliedstaaten auf eine Aufteilung im Verhältnis 50 zu 50 ge- einigt. Diese Regelung ist für mich plausibel und ange- messen. Zusätzlich enthält der Gesetzentwurf weitere Rege- lungen des multinationalen Übereinkommens, die es umzusetzen gilt, so zum Beispiel verfahrenstechnische Fragen zur Ermittlung und Weiterverteilung der Erhe- bungskosten oder der Streitbeilegung bei Meinungsver- schiedenheiten: Ist bei einem Streit zwischen zwei Mit- gliedstaaten nach drei Monaten noch keine Einigung erzielt worden, wird ein Vermittler eingeschaltet. Ich begrüße es, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Umsetzung in Deutsch- land auf den Weg gebracht hat, und gehe von einem zü- gigen parlamentarischen Verfahren aus. Richard Pitterle (DIE LINKE): Der vorliegende Entwurf trägt den sehr umständlichen Namen „Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. März 2009 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die zen- trale Zollabwicklung hinsichtlich der Aufteilung der na- tionalen Erhebungskosten, die bei der Bereitstellung der traditionellen Eigenmittel für den Haushalt der Europäi- schen Union einbehalten werden“. Kurioserweise ist der Titel damit fast so lang, wie der Inhalt des Gesetzes. Es handelt sich hierbei nämlich nur um zwei kleine Artikel, mit denen dem zugrunde liegenden Übereinkommen zu- gestimmt wird. Kommen wir daher also zum Inhalt des Übereinkom- mens. Die von den Mitgliedstaaten erhobenen Zölle der EU werden dieser nach Einzug zur Verfügung gestellt. Die Mitgliedstaaten können für den angefallenen Ver- waltungsaufwand von den an die EU abzuführenden Be- trägen eine Erhebungskostenpauschale in Höhe von der- zeit 25 Prozent einbehalten. Durch die Einführung der zentralen Zollabwicklung in der EU können die erforder- lichen Zollanmeldungen für Waren, die in einen Mit- gliedstaat eingeführt werden, auch in einem anderen Mitgliedstaat abgegeben werden. Da somit in diesen bei- den Staaten jeweils Verwaltungsaufwand entsteht, die Erhebungskosten für den Verwaltungsaufwand jedoch nur von dem Staat einbehalten werden, in dem die An- meldung stattfindet und die Abgaben auch entrichtet werden, soll mit dem Übereinkommen ein Ausgleich ge- schaffen werden. Dieser sieht vor, dass die einbehaltene Erhebungskostenpauschale hälftig an den Staat weiterge- leitet wird, in dessen Gebiet die Waren gestellt werden. Damit wäre so weit auch schon alles gesagt. Auf den ersten Blick erscheint das dem Entwurf zugrunde liegende Übereinkommen zur Aufteilung der Erhebungskosten konsequent und in Anbetracht des wohl tatsächlich an- fallenden Aufwandes in verschiedenen Staaten auch sachlich gerechtfertigt. Weshalb sollte nur der Staat von der Erhebungskostenpauschale profitieren, in dem die Waren angemeldet werden, obwohl in dem Staat, in den sie eingeführt werden, ebenfalls Verwaltungsaufwand entsteht? Nun gilt es natürlich, in den kommenden Ausschuss- beratungen noch einmal ins Detail zu gehen, zum Bei- spiel hinsichtlich der hälftigen Teilung oder des genauen Prozedere der Weiterverteilung. Ob hier weiterer Dis- kussionsbedarf besteht, weil sich in dem Übereinkom- men und somit hinter den zwei einsamen Artikeln des Gesetzentwurfs vielleicht doch noch das ein oder andere Problem versteckt, wird sich dann zeigen. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich um Formali- täten zur Aufteilung der Zollerhebungskostenpauschale. Sind zwei EU-Mitgliedstaaten an der Zollerhebung einer Einfuhr von Waren in die EU beteiligt und haben beide aus diesem Grund Erhebungskosten, so wird auch bei- den Staaten ein Anteil von 50 Prozent an der Erhebungs- pauschale gewährt. Die Aufteilungsregelung ist daher zur Vorbeugung von Konflikten zwischen den Mitglied- staaten grundsätzlich als sinnvoll anzusehen. 7056 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 (A) (C) (B) Diesem Gesetzentwurf wollen wir als Grüne nicht entgegenstehen. Die einzige Frage, die wir in diesem Zu- sammenhang aufwerfen, ist, warum dieser Gesetzent- wurf gesondert und nicht im Rahmen des Zollkodexge- setzes eingebracht und diskutiert worden ist. (D) Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 73. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 4 Forschungs- und Innovationspolitik TOP 5 Aufnahme von Flüchtlingen TOP 9 Ausbau der Kindertagesbetreuung TOP 32 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 33, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Aktuelle Stunde zu den Klimaschutzzielen 2020 TOP 7 Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf TOP 8, ZP 5 Altersgerechte Übergänge in die Rente TOP 15 Anpassung der Abgabenordnung an EU-Zollkodex TOP 10 Energieeffizienz TOP 11 Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes TOP 12 Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit TOP 13 Rechtsstellung asylsuchender Ausländer TOP 14 Nukleare Abrüstung TOP 17 Doha-Änderung des Protokolls von Kyoto TOP 16 Diskriminierungsschutz chronisch Erkrankter TOP 19 Bundeswehreinsatz Operation Active Endeavour (OAE) TOP 18 Leistungsschutzrecht für Presseverleger TOP 20 Änderung der Abgabenordnung (Selbstanzeige) TOP 21 Rehabilitierung Opfer politischer Verfolgung in der DDR TOP 22 EU-Übereinkommen zum Schutz von Kindern TOP 23 Verknüpfung von Handelsregistern in der EU TOP 24 Nationale Nachhaltigkeitsstrategie TOP 25 Aufteilung der nationalen Zollerhebungskosten Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herlind Gundelach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Liebe Damen und Herren auf der Tribüne! Ich glaube, es
    gibt kaum ein Thema, über dessen Bedeutung sich die
    im Bundestag vertretenen Parteien in der Zwischenzeit
    so einig sind. Die Steigerung und Förderung der Ener-
    gieeffizienz ist ein zentraler Bestandteil der Energie-
    wende. Die Energieeffizienz ist der schlafende Riese,
    und wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir diesen
    schlafenden Riesen wecken müssen. Denn ohne eine si-
    gnifikante Steigerung der Effizienz ist die Energiewende
    nicht zu schaffen.

    Der vorliegende Antrag, über den wir heute zum
    zweiten Mal debattieren, reicht schon eine Weile zurück.
    Er fordert die unverzügliche Umsetzung der EU-Ener-
    gieeffizienz-Richtlinie. Die Umsetzungsfrist – ich nehme
    an, darauf werden Sie noch eingehen – ist am 5. Juni
    2014 abgelaufen. Es ist verständlich, und ich finde es
    auch in Ordnung, dass die Grünen als Oppositionsfrak-
    tion darauf reagiert haben. Das hätten wir an Ihrer Stelle
    vermutlich auch getan.


    (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das glaube ich nicht!)


    – Doch, das glaube ich schon.


    (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Thema Energieeffizienz nicht!)


    – Da sind Sie völlig falscher Auffassung. Denn wir sind
    der Überzeugung, dass die Energieeffizienz ein ganz
    zentraler Bestandteil ist. Das wird gleich in meiner Rede
    noch an manchen Stellen deutlich.


    (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren schon ein bisschen länger, und da haben Sie nichts gemacht!)


    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 6977

    Dr. Herlind Gundelach


    (A) (C)



    (D)(B)

    – Wir haben eine ganze Menge gemacht. Deswegen sind
    wir in Europa immer noch mit die Besten, was diese
    Frage angeht.


    (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mehr!)


    Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Bundesregie-
    rung – das ist gerade schon angeklungen – mit Hoch-
    druck gearbeitet hat und deshalb gestern den Nationalen
    Aktionsplan Energieeffizienz und auch das Klimapaket
    im Kabinett verabschiedet hat.

    Energieeffizienz ist aus vielen Gründen wichtig. Zu-
    nächst einmal gilt: Was nicht verbraucht wird, muss auch
    nicht produziert werden. Gleichzeitig leistet die Förde-
    rung der Energieeffizienz einen wesentlichen Beitrag zu
    anderen energiepolitischen Kernaufgaben wie die Stei-
    gerung der Versorgungssicherheit, die Sicherstellung der
    Bezahlbarkeit von Energie, die Reduzierung des Netz-
    ausbaubedarfs, die Unterstützung der Wettbewerbsfähig-
    keit deutscher Unternehmen und damit auch die Schaf-
    fung und Erhaltung von Arbeitsplätzen.

    Außerdem leistet sie einen erheblichen Beitrag zur
    Erreichung der Klimaschutzziele. So reduziert sich bei-
    spielsweise allein durch die energetische Sanierung des
    Gebäudebestandes in Deutschland der jährliche Ausstoß
    des Treibhausgases CO2 infolge der geförderten Bau-
    maßnahmen um 7 Millionen Tonnen.


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ein Bruchteil von dem, was wir noch schaffen müssen!)


    Deutschland ist in Sachen Energieeffizienz in Europa
    Vorreiter; dazu gibt es hinreichend Studien. Unsere Er-
    gebnisse finden weltweit Beachtung. Uns ist es als In-
    dustrienation gelungen, das Wirtschaftswachstum vom
    Energieverbrauch zu entkoppeln, und das schon seit vie-
    len Jahren. Wir verzeichnen in den letzten Jahrzehnten
    – sei es das Gewerbe, der Handel oder die Industrie – er-
    hebliche Effizienzgewinne, in Zahlen: rund 12 Prozent
    jährlich. Aber durch einen unangepassten Umgang, un-
    seren nach wie vor steigenden Bedarf und einige andere
    Faktoren wurden diese Gewinne leider fast gänzlich neu-
    tralisiert. Deswegen war für die schwarz-rote Koalition
    von Anfang an klar, dass wir neue Lösungen finden müs-
    sen, dass wir Energieeffizienz zum Teil neu denken soll-
    ten, um insbesondere bisher zu wenig beachtete Fakto-
    ren und Akteure stärker in den Blick nehmen zu können,
    und dass wir vor allem auch die Einbeziehung der Be-
    völkerung signifikant steigern wollen.

    Wie ich eingangs erwähnte, bin ich fest davon über-
    zeugt, dass wir uns alle über die Bedeutung der Energie-
    effizienz einig sind. Aber es gibt einen Unterschied. Wir
    alle haben das gleiche Ziel, aber unsere Lösungswege
    gehen zum Teil recht weit auseinander, wie der Antrag
    der Grünen abermals zeigt und die gestrige Regierungs-
    befragung erneut unter Beweis gestellt hat. Energieeffi-
    zienz funktioniert nach unserer Auffassung nur, wenn sie
    als Chance und Ansporn verstanden wird; das hat die
    Vergangenheit gezeigt. Zwang hingegen führt in der Re-
    gel zu Stillstand. Da musste auch meine Partei in einem
    Bundesland durchaus schlechte Erfahrungen machen.
    Aber Sie verfallen in die gleichen fehlerhaften Verhal-
    tensweisen.

    Wir setzen auf Ansporn, Freiwilligkeit und Eigenver-
    antwortlichkeit. Darauf setzt auch der Nationale Ak-
    tionsplan Energieeffizienz. Mit dem NAPE schreiben
    wir letztendlich eine Erfolgsgeschichte in Sachen Ener-
    gieeffizienz fort. Das ist das krasse Gegenteil von dem,
    was Sie gerade behauptet haben. Der NAPE setzt aber
    auch erhebliche neue Akzente. Er setzt vor allem drei
    wesentliche Pfeiler zum Marktanreiz: Energieeffizienz
    im Gebäudebereich voranbringen, Energieeffizienz als
    Geschäftsmodell etablieren und für mehr Eigenverant-
    wortung sorgen, verbunden mit mehr Information und
    Beratung. Im Bereich der Energieeffizienz lohnen sich
    die meisten Investitionen. Sie sind wirtschaftlich. Unsere
    Aufgabe ist, hier verlässliche und gute Rahmenbedin-
    gungen zu schaffen sowie sinnvolle Anreize zu setzen.

    Ich will hier nicht alle geplanten Maßnahmen des
    NAPE wiedergeben, da sie heute schon genannt wurden;
    das würde auch zu lange dauern. Die Sofortmaßnahmen
    wie die Aufstockung der Mittel für das CO2-Gebäude-
    sanierungsprogramm und die steuerliche Förderung der
    energetischen Gebäudesanierung will ich ebenfalls nicht
    extra erwähnen. Ich möchte viel lieber auf die geplanten
    weiterführenden Arbeitsprozesse zu sprechen kommen,
    die der NAPE ebenfalls formuliert. Es gibt Bereiche
    – das ist mir wichtig –, die man zusätzlich beleuchten
    könnte. Dazu gehört für uns zum Beispiel die Verbesse-
    rung der Rahmenbedingungen für Contracting. Wir alle
    haben schon viel über das Investor-Nutzer-Dilemma dis-
    kutiert. Darüber hinaus wissen wir, dass es auch für Ei-
    genheimbesitzer zum Teil finanziell nicht machbar oder
    nur schwer machbar ist, eine energetische Sanierung
    durchzuführen. Selbst wenn sich die Kosten amortisie-
    ren, fehlt oft der Anreiz oder schlicht und ergreifend das
    Geld für eine Finanzierung. Hier könnten wir zum Bei-
    spiel über eine Ausweitung von Mini-Contracting-Mo-
    dellen nachdenken. Durch diese Form der Finanzierung
    könnte ohne eigenes Kapital eine Modernisierung durch-
    geführt werden. Sogar eine vom Mieter angeregte ener-
    getische Sanierung wäre hier denkbar. Bisher sind die
    Rahmenbedingungen für derartige Ansätze allerdings
    nicht zufriedenstellend ausgestaltet.

    Der zweite Punkt, der mir auch persönlich sehr wich-
    tig ist, ist: Deutschland war immer ein Land der Forscher
    und Entwickler. Um Innovationen im Bereich der Ener-
    gieeffizienz hervorbringen zu können, müssen die Hoch-
    schul- und Forschungseinrichtungen über ausreichend
    Mittel verfügen. Das ist vor allem ein Appell an die Län-
    der – das sage ich als ehemalige Wissenschaftssenatorin
    ganz bewusst –, hier ihrer Verantwortung gerecht zu
    werden.

    Außerdem ist es wichtig, die Unternehmen stärker
    einzubeziehen, insbesondere auch die kleinen und mit-
    telständischen; das ist ein grundlegender Gedanke, der
    den NAPE durchzieht. Dann müssen wir aber auch die
    Rahmenbedingungen für die Forschungs- und Entwick-
    lungskosten im Sinne der kleinen und mittelständischen
    Unternehmen anpassen; denn nicht jedes Forschungs-
    vorhaben ist von Erfolg gekrönt. Es muss daher endlich

    6978 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014

    Dr. Herlind Gundelach


    (A) (C)



    (D)(B)

    möglich sein, diese Kosten steuerlich geltend zu ma-
    chen. Sonst werden wir vermutlich auf lange Sicht inter-
    national abgehängt werden.

    Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Lösungs-
    ansätze für die Förderung der Energieeffizienz in
    Deutschland sind vielfältig. Es gibt nicht nur die eine
    ideale Lösung. Unterschiedliche Voraussetzungen und
    Gegebenheiten erfordern nun einmal unterschiedliche
    Lösungen. Energieeffizienz ist nichts für die Gießkanne.

    Mit der Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie und
    der Verabschiedung des NAPE werden wir ein ganz ent-
    scheidendes Stück weiterkommen. Wir bauen Barrieren
    und Hemmnisse ab. Wir regen an, sich mit dem Thema
    intensiv auseinanderzusetzen und dann auch die entspre-
    chenden Konsequenzen zu ziehen. Wir fördern Initiati-
    ven, und wir unterstützen auch monetär, wo es nötig ist.
    Dabei steht eines für die CDU/CSU-Fraktion immer au-
    ßer Frage: Energieeffizienz funktioniert am besten ohne
    Zwang.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Im Übrigen kann ich mich den Ausführungen der
    Kollegin Scheer nur anschließen: Der Antrag von Bünd-
    nis 90/Die Grünen ist durch die Beschlüsse des Kabi-
    netts in den letzten Wochen und in den letzten Tagen
    überholt. Deswegen lehnen wir ihn ab.

    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)




Rede von Petra Pau
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Das Wort hat die Kollegin Dr. Julia Verlinden für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Julia Verlinden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

    Damen und Herren! Wir Grüne haben im Juni dieses
    Jahres diesen Antrag eingebracht, weil wir wollen, dass
    in der Energieeffizienzpolitik endlich etwas passiert, und
    weil wir wollen, dass die EU-Energieeffizienzrichtlinie
    endlich vollständig und korrekt umgesetzt wird.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    In der Zwischenzeit ist ein blauer Brief aus Brüssel ge-
    kommen, und es ist wirklich wenig passiert. Sie erzählen
    uns immer, Sie seien die größten Freunde der Energie-
    effizienz. Aber die Frage ist doch, ob Sie auch Energie-
    effizienzpolitik machen. Bisher ist Ihre Liebe zur Ener-
    gieeffizienz eher im Verborgenen geblieben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich weiß, was Sie von der SPD und der Union zum
    Teil schon gesagt haben und gleich wieder sagen wer-
    den: Nun warten Sie doch erst einmal ab, Frau
    Verlinden; das kommt schon alles noch. – Das erzählen
    Sie mir nun seit einem Jahr. Aber ich sage Ihnen: Ich
    habe es satt, abzuwarten.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ehrlich gesagt, habe ich nicht für den Bundestag kandi-
    diert, um abzuwarten. Die Klimakrise wartet auch nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das Kabinett hat gestern den NAPE, also den Natio-
    nalen Aktionsplan Energieeffizienz, vorgestellt, wobei
    die Aktion aus dem Wort „Aktionsplan“ erst noch folgen
    muss. Bisher sind das alles nur Ankündigungen. Sie ha-
    ben sich heute Mittag in der Klimadebatte gewünscht,
    dass wir Grüne das kritisch im Parlament begleiten. Ja,
    Sie können sich darauf verlassen, dass wir Sie daran er-
    innern, dass bei der Energieeffizienzpolitik etwas passie-
    ren muss. Deswegen steht unser eigener Antrag heute
    wieder auf der Tagesordnung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Im Aktionsplan Energieeffizienz stehen viele ge-
    plante Maßnahmen und keine großen Überraschungen.
    Überrascht und auch wirklich geärgert hat mich aber,
    dass die Bundesregierung nicht bereit war, diese
    Maßnahmen im Haushalt für 2015, der ja letzte Woche
    beschlossen wurde, auch mit Geld zu hinterlegen. Des-
    wegen frage ich mich: Geht bei Ihnen die Energieeffi-
    zienzpolitik eigentlich erst 2016 los? Wollen Sie wirk-
    lich noch ein Jahr warten?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Mit dem Aktionsplan Energieeffizienz werden Sie das
    Ziel, das Sie sich selbst gesteckt haben, selbst dann nicht
    erreichen, wenn all Ihren Worten darin noch Taten fol-
    gen werden. Denn im Vergleich zum Jahr 2008 wollen
    Sie ja 20 Prozent Energie einsparen bis 2020. Die Hälfte
    der Zeit ist herum, und Sie haben nicht einmal 4 Prozent
    geschafft. Wie wollen Sie also in der restlichen Zeit Ihr
    Ziel noch erreichen? Die im NAPE angekündigten Maß-
    nahmen werden dazu nicht reichen; das hat Minister
    Gabriel gestern selbst zugegeben. Das magere Ergebnis
    bisher, die knapp 4 Prozent Energieeinsparung seit 2008,
    muss sich vor allem die Union zuschreiben; denn sie hat
    ja die letzten Jahre regiert. Wenn ich dann lese, dass Ab-
    geordnete aus der Union – auch Frau Gundelach, die hier
    eben sprach und sagte, wie wichtig die Energieeffizienz
    doch ist – den Aktionsplan Energieeffizienz sogar noch
    verwässern oder noch einmal verschieben wollen, dann
    frage ich mich wirklich, wie ernst Sie es mit dem Ener-
    gieeinsparziel und mit der Energiewende eigentlich mei-
    nen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich stehe mit meiner Kritik übrigens nicht allein da.
    Neben dem Aktionsprogramm Klimaschutz und dem
    NAPE ist gestern auch der Fortschrittsbericht zur Ener-
    giewende veröffentlicht worden. Ich zitiere hier jetzt aus
    der Stellungnahme der Experten, die Sie selbst beauf-
    tragt haben:

    Die Expertenkommission kann nicht nachvollzie-
    hen, wie die Regierung bei Festhalten am Effizienz-
    ziel ein großes Defizit feststellen kann, dann aber
    Maßnahmen vorschlägt, die kaum mehr als ein
    Drittel des Defizits ausgleichen können. Die Exper-
    tenkommission hätte eine Aussage dazu erwartet,
    wie mit der verbleibenden Deckungslücke umge-
    gangen werden soll.

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2014 6979

    Dr. Julia Verlinden


    (A) (C)



    (D)(B)

    Das hätte ich von der Bundesregierung auch erwartet,
    und zwar ganz konkret.

    Ich will hier keine Sonntagsreden hören; ich will wis-
    sen, wie Sie Politik gestalten wollen, wie Sie politische
    Maßnahmen umsetzen. Ich will hier im Parlament mit
    Ihnen über Finanzierung und konkrete gesetzliche
    Rahmenbedingungen diskutieren. Das ist doch keine
    Talkshow hier! Das Parlament muss gestalten!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])


    Das, was Sie gestern mit dem NAPE vorgelegt haben,
    sind vor allem Maßnahmen für die Nachfrageseite – und
    das ist auch sehr wichtig, da wir den Endenergiever-
    brauch reduzieren wollen. Der Wirtschaftsminister hat
    gestern aber auch gesagt, dass er die verbliebene Lücke
    zum Effizienzziel mit Einsparungen auf der Erzeugungs-
    seite decken will – ein richtiger Ansatz; jedoch: Wirklich
    konkret ist er nicht geworden.

    Wenn Sie den Strukturwandel konsequent in Richtung
    eines Kohleausstiegs vorantreiben und den Ausbau der
    erneuerbaren Energien wieder ambitioniert in den Mit-
    telpunkt rücken würden, dann würde das dem Klima und
    auch Ihrem Primärenergieeinsparungsziel nützen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Stattdessen haben Sie den Ausbau der Erneuerbaren ge-
    deckelt und wollen läppische 22 Millionen Tonnen CO2
    im Kraftwerkspark sparen, was in etwa 150 Petajoule
    entsprechen würde. Selbst wenn Sie hoffen, im Verkehr
    noch was einsparen zu können: Sie brauchen dann im-
    mer noch 550 Petajoule, um Ihr eigenes Ziel zu errei-
    chen. Ein Drittel Ihres selbst gesteckten Energieeinspar-
    ziels bleibt also offen – nach all den Maßnahmen, die Sie
    hier bisher angekündigt haben.

    Helfen würde auch, wenn Sie Ihr Ziel zur Kraft-
    Wärme-Kopplung ernsthaft verfolgen würden. Aber das
    Streichen des KWK-Indikators im Monitoringbericht zur
    Energiewende lässt mich befürchten, dass Sie die KWK
    schon abgeschrieben haben.

    Was lange währt, wird endlich gut? Ich weiß nicht.
    Bei Ihrer Effizienzpolitik hat sich das leider noch nicht
    bewahrheitet. Wenn Sie im Parlament selbst keine
    Anträge zu dem Thema stellen, dann stimmen Sie doch
    einfach unserem Antrag zu. Der ist überhaupt nicht über-
    holt, sondern packt das Thema jetzt konsequent und kon-
    kret an.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)