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    Vokabeln: 2
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/234Inhaltsverzeichnis Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Siche- rung der Stabilität der Euro-Zone – Fi- nanzhilfe für Zypern . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag des Bundesministeriums der Fi- nanzen: Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanis- musgesetzes im Rahmen der Haftungs- anpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Num- Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 29154 A 29173 C 29174 A 29174 D 29175 D 29177 A 29178 B 29178 D 29183 B 29183 D Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 234. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 I n h a l t : Nachruf auf den Abgeordneten Ottmar Schreiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Herrn Heinz-Joachim Aris als Mitglied und der Frau Barbara Traub als stellvertretendes Mitglied des Stiftungsrates „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöh- nung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Paul Schäfer als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 7, 11, 16 und 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 29151 A 29151 D 29151 D 29151 D 29153 D 29153 D 29154 C 29158 A 29160 C 29161 D 29164 B 29167 A 29167 B 29168 D 29169 C 29170 A 29171 D mer 2 des Stabilisierungsmechanismus- gesetzes (Drucksache 17/13060) . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . .29154 A 29184 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Ekin Deligöz, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbindliche Quote für Aufsichtsräte einführen (Drucksache 17/13094) . . . . . . . . . . . . . . . b) – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Förderung gleich- berechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Drucksachen 17/11270, 17/12784) . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Eva Högl, Christel Humme, Elke Ferner, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Chan- cengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen (ChGlFöG) (Drucksachen 17/8878, 17/12784) . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Eva Högl, Sebastian Edathy, Ingo Egloff, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Renate Künast, Ekin Deligöz, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Drucksachen 17/11139, 17/12784) . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Monika Lazar, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einfüh- ren (Drucksachen 17/797, 17/1274) . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . Rita Pawelski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Güterkraftver- kehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/12856) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen Nr. 189 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. Juni 2011 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte (Drucksache 17/12951) . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Europäischen Übereinkom- men vom 8. November 2001 zum Schutz des audiovisuellen Erbes und zu dem Protokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes betref- fend den Schutz von Fernsehproduktio- nen (Drucksache 17/12952) . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Abkommens vom 29178 B, 29182 B 29183 A, 29183 A 29179 D, 29185 C 29187 D, 29190 C 29193 A 29193 A 29193 A 29193 A 29193 B 29193 C 29194 D 29196 C 29196 D 29197 A 29198 C 29200 A 29202 A 29203 A 29205 A 29206 C 29207 C 29208 D 29210 C 29212 B 29213 C 29214 D 29216 C 29216 B 29217 D 29220 B 29220 B 29220 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 III 11. April 1955 über die Internationale Finanz-Corporation (Drucksache 17/12953) . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 23. Juli 2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Öster- reich über die Nachnutzung der ehema- ligen deutsch-österreichischen gemein- schaftlichen Grenzzollämter (Drucksache 17/12954) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Drucksache 17/12955) . . . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung der Zu- ständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebe- nenversorgung nach dem Dritten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes auf den Bund (Drucksache 17/12956) . . . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes (Drucksache 17/12957) . . . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 3. April 2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Cookinseln über die Unterstützung in Steuer- und Steu- erstrafsachen durch Informationsaus- tausch (Drucksache 17/12958) . . . . . . . . . . . . . . . j) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 3. Februar 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Grenada über den In- formationsaustausch in Steuersachen (Drucksache 17/12959) . . . . . . . . . . . . . . . k) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfa- chungsgesetz – KJVVG) (Drucksache 17/13023) . . . . . . . . . . . . . . . l) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 259/2012 (Drucksache 17/13024) . . . . . . . . . . . . . . . m) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Treibhaus- gas-Emissionshandelsgesetzes (Drucksache 17/13025) . . . . . . . . . . . . . . n) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Straßen- verkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/13026) . . . . . . . . . . . . . . o) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesfern- straßenmautgesetzes (Drucksache 17/13027) . . . . . . . . . . . . . . p) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Verkehrsleis- tungsgesetzes (Drucksache 17/13028) . . . . . . . . . . . . . . q) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung des Luftverkehrs- rechts an die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung tech- nischer Vorschriften und von Verwal- tungsverfahren in Bezug auf das flie- gende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/ 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 (Drucksache 17/13029) . . . . . . . . . . . . . . r) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Ausfüh- rungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 1996 über die Samm- lung, Abgabe und Annahme von Abfäl- len in der Rhein- und Binnenschifffahrt (Drucksache 17/13030) . . . . . . . . . . . . . . s) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Fe- bruar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Ände- rung der Verordnung (EG) Nr. 2006/ 2004 (Drucksache 17/13031) . . . . . . . . . . . . . . t) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Schiffs- unfalldatenbankgesetzes (SchUnfDatG) (Drucksache 17/13032) . . . . . . . . . . . . . . u) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Seearbeitsübereinkommen 29220 D 29220 D 29220 D 29221 A 29221 A 29221 A 29221 B 29221 B 29221 C 29221 C 29221 C 29221 C 29221 D 29221 D 29221 D 29222 A 29222 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 2006 der Internationalen Arbeitsorga- nisation vom 23. Februar 2006 (Drucksache 17/13059) . . . . . . . . . . . . . . . v) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau und weiterer Gesetze (Drucksache 17/13061) . . . . . . . . . . . . . . . w) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Ausbau der Hilfen für Schwan- gere und zur Regelung der vertraulichen Geburt (Drucksache 17/13062) . . . . . . . . . . . . . . . x) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung arzneimittelrechtlicher und ande- rer Vorschriften (Drucksache 17/13083) . . . . . . . . . . . . . . . y) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Elke Ferner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Versorgung mit Arzneimitteln si- cherstellen (Drucksache 17/12847) . . . . . . . . . . . . . . . z) Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Karl Schiewerling, Paul Lehrieder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Sebastian Blumenthal, Heinz Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine humane Arbeitswelt – Psychi- sche Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken (Drucksache 17/13088) . . . . . . . . . . . . . . . aa) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten – Transparenz und Partizipation der Zi- vilgesellschaft ausbauen (Drucksache 17/13090) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Jerzy Montag, Agnes Krumwiede, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verhand- lung auf Augenhöhe – Das Urheberver- tragsrecht reformieren (Drucksache 17/12625) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Altöt- ting), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordne- ten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek, Hans-Werner Ehrenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Daniela Wagner, Claudia Roth (Augsburg), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ringen vor dem Ausschluss aus dem olympi- schen Programm bewahren (Drucksache 17/13091) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ringen vor dem Ausschluss aus dem olympischen Pro- gramm bewahren (Drucksache 17/13092) . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte der Mie- terinnen und Mieter stärken (Drucksache 17/13098) . . . . . . . . . . . . . . e) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Hightech-Strategie 2020 für Deutsch- land – Bilanz und Perspektiven – Stel- lungnahme der Bundesregierung zum Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013 (Drucksache 17/13075) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Anti-D-Hilfe- gesetzes (Drucksachen 17/5521, 17/13066 (neu)). . b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Stärkung des Ver- braucherschutzes im notariellen Beur- kundungsverfahren (Drucksachen 17/12035, 17/13137) . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs 29222 B 29222 B 29222 B 29222 C 29222 C 29222 C 29222 D 29223 A 29223 A 29223 B 29223 B 29223 C 29223 C 29224 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 V eines Gesetzes zur Änderung des Fi- nanz- und Personalstatistikgesetzes (Drucksachen 17/12640, 17/13114) . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: EU-Bildungspro- gramme modernisieren und ausbauen – Mobilität und Austausch im Lebenslan- gen Lernen für eine integrationsför- dernde europäische Bildungspolitik er- weitern (Drucksachen 17/9575, 17/13078) . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landbeschaffungsgesetz überprüfen (Drucksachen 17/12195, 17/12741) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem An- trag der Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme, Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Betroffenen Frauen nach dem Anti-D-Hilfegesetz zu mehr Verfahrens- sicherheit und Transparenz verhelfen (Drucksachen 17/10645, 17/13138) . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Anhaltender Handlungsbedarf beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Schlussbe- richt der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“ (Drucksache 17/12550) . . . . . . . . . . . . . . b) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Dritter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Urheberrecht (Drucksache 17/7899) . . . . . . . . . . . . . . . c) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Vierter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Netzneutralität (Drucksache 17/8536) . . . . . . . . . . . . . . . d) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Fünfter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Datenschutz, Persönlichkeits- rechte (Drucksache 17/8999) . . . . . . . . . . . . . . . e) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Sechster Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Bildung und Forschung (Drucksache 17/12029) . . . . . . . . . . . . . . f) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Siebter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Demokratie und Staat (Drucksache 17/12290) . . . . . . . . . . . . . . g) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Achter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Wirtschaft, Arbeit, Green IT (Drucksache 17/12290) . . . . . . . . . . . . . . h) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Neunter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Zugang, Struktur und Sicher- heit im Netz (Drucksache 17/12541) . . . . . . . . . . . . . . 29224 B 29224 C 29224 D 29225 A 29225 B 29225 B 29226 C 29227 D 29229 A 29230 B 29231 C 29233 C 29234 C 29236 A 29237 C 29238 C 29240 A 29241 C 29242 C 29242 D 29242 D 29242 D 29243 A 29243 A 29243 A 29243 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 i) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Zehnter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Interoperabilität, Standards, Freie Software (Drucksache 17/12495) . . . . . . . . . . . . . . . j) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Elfter Zwi- schenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – Internationales und Internet Gover- nance (Drucksache 17/12480) . . . . . . . . . . . . . . . k) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Zwölfter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Verbraucherschutz (Drucksache 17/12540) . . . . . . . . . . . . . . . l) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Drei- zehnter Zwischenbericht der Enquete- Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – Kultur, Medien und Öf- fentlichkeit (Drucksache 17/12542) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Gabriele Lösekrug- Möller, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Mehr Zeitsouveränität für Beschäftigte – Teilzeitarbeit gestalten (Drucksache 17/13084) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Drucksache 17/13057) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschut- zes bei unerlaubter Telefonwerbung (Drucksache 17/6482) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Renate Künast, Jürgen Trittin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens (Drucksache 17/12620) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 29243 B 29243 B 29243 B 29243 B 29243 C 29244 D 29246 B 29247 A 29248 B 29249 C 29250 D 29252 A 29253 A 29253 D 29254 D 29255 D 29257 A 29258 A 29259 B 29260 B 29260 C 29261 C 29262 D 29264 A 29265 A 29266 A 29267 A 29268 D 29270 A 29271 B 29272 A 29273 A 29274 C 29274 C 29274 C 29274 D 29276 A 29277 B 29278 C 29279 D 29280 C 29281 C 29282 C 29283 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 VII Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wohn- und Mietensituation von Studierenden verbessern (Drucksache 17/11696) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Körber (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus – zu dem Antrag der Abgeordneten Marlene Mortler, Ingbert Liebing, Dr. Michael Fuchs, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Jens Ackermann, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tourismus in länd- lichen Räumen – Potenziale erken- nen, Chancen nutzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Elvira Drobinski-Weiß, Hans-Joachim Hacker, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Tourismus in ländlichen Räumen durch schlüssiges Gesamtkonzept stärken (Drucksachen 17/9570, 17/9571, 17/12573) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sozial und regional – Touris- mus in ländlichen Räumen stärken (Drucksachen 17/11373, 17/12926) . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über befris- tete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (1. WissZeitVG-ÄndG) (Drucksache 17/12531) . . . . . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Neunzehntes Hauptgutachten der Mono- polkommission 2010/2011 (Drucksache 17/10365): hier: Stellungnahme der Bun- desregierung (Drucksache 17/12940) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ute Koczy, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Menschenrechtslage und humanitäre Situation in der Westsahara verbessern und Klärung des völkerrechtlichen Status voranbringen (Drucksachen 17/12822, 17/13144) . . . . . . . . in Verbindung mit 29284 C 29284 D 29285 C 29286 B 29287 C 29288 D 29290 A 29291 A 29292 A 29293 B 29293 C 29293 D 29294 D 29296 C 29298 A 29299 A 29299 D 29300 D 29302 A 29302 B 29304 B 29305 D 29306 D 29308 B 29309 C 29310 C 29310 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- ten Volker Beck (Köln), Ute Koczy, Hans- Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hal- tung der Bundesregierung zur Westsahara und zur Menschenrechtslage in den vom Königreich Marokko und von der Frente Popular de Liberacion de Saguía el Hamra y Río de Oro kontrollierten Gebieten (Drucksache 17/11453) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Beendigung der völkerrechtswidrigen Be- satzungspolitik Marokkos in der Westsa- hara und Lösung des Konflikts durch Refe- rendum unterstützen (Drucksache 17/13089) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundes- regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) (Drucksachen 17/12816, 17/13142) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Be- gleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon konsequent anwenden – Mit- wirkungsrechte des Bundestages in An- gelegenheiten der Europäischen Union weiter stärken (Drucksachen 17/8137, 17/13142) . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Michalk, Karl Schiewerling, Paul Lehrieder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriele Molitor, Dr. Heinrich L. Kolb, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Leis- tungspotenziale von Menschen mit Be- hinderung im Arbeitsleben ausschöpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Josip Juratovic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ausgleichsab- gabe erhöhen und Menschen mit Behin- derung fairen Zugang zum Arbeits- markt ermöglichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung (Drucksachen 17/12180, 17/9931, 17/9758, 17/12770) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst aus- scheidende Beamte, Richter und Solda- ten (Drucksachen 17/12479, 17/13132) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/13135) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Memet Kilic, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr anerkennen (Drucksache 17/13095) . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wettbe- 29310 D 29311 A 29311 B 29311 C 29312 A 29312 C 29312 D 29313 A 29313 A 29314 C 29315 B 29316 C 29317 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 IX werb und Innovationsdynamik im Soft- warebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen (Drucksache 17/13086) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Parla- mentsbeteiligung bei globaler Umwelt- Governance verbessern (Drucksache 17/12734) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Teilhabe ermöglichen – Forschung und Entwicklung von Technolo- gien und Design für alle intensivieren (Drucksache 17/13085) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der elek- tronischen Verwaltung sowie zur Ände- rung weiterer Vorschriften (Drucksachen 17/11473, 17/13139) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/13140) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Zugänge schaffen und Teil- habe erleichtern – Die Einfache Sprache in Deutschland fördern (Drucksache 17/12724) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Beseitigung so- zialer Überforderung bei Beitragsschul- den in der Krankenversicherung (Drucksache 17/13079) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, Bärbel Bas, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Keine überhöhten Säumniszu- schläge bei Beitragsschulden (Drucksache 17/12069) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Sport- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umfassende Teilhabe am Sport für Menschen mit Behinderung ermöglichen – UN-Behindertenrechtskon- vention umsetzen (Drucksachen 17/9190, 17/12915) . . . . . . . . . Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) . . . . . . Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29318 B 29318 C 29318 C 29318 D 29321 B 29322 C 29323 D 29324 C 29325 C 29326 C 29326 D 29327 A 29328 A 29328 B 29329 D 29331 B 29332 A 29333 C 29334 D 29335 A 29335 D 29336 C 29338 B 29339 C 29340 C 29341 B 29341 C 29341 D 29341 D 29343 D 29345 A 29346 A 29346 C 29347 C 29348 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesförderung der Investitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentli- chen nicht bundeseigenen Eisenbahnen im Schienengüterfernverkehrsnetz (Drucksache 17/13021) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Becker, Gerd Bollmann, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücknahmepflicht der Händ- ler für Alt-Energiesparlampen durch- setzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sammlung und Recycling von Elektro- nikschrott verbessern (Drucksachen 17/9058, 17/8899, 17/10866) . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Familienpflegezeit und zum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für Beamtinnen und Beamte des Bundes (Drucksachen 17/12356, 17/13133) . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Dagmar Enkelmann, Roland Claus, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fortsetzung der Braunkohlesanierung in den Ländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach dem Jahr 2012 (Drucksachen 17/3046, 17/5964) . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Professoren- besoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Professo- renbesoldungsneuregelungsgesetz) (Drucksachen 17/12455, 17/12662, 17/13134) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bienen und andere Insekten vor Neonicoti- noiden schützen (Drucksachen 17/12695, 17/13068) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines 29349 B 29349 B 29349 C 29350 C 29352 A 29353 B 29354 C 29355 C 29355 C 29356 B 29356 D 29357 D 29359 B 29359 B 29360 A 29361 B 29362 A 29363 B 29364 A 29365 B 29365 B 29366 B 29367 A 29368 A 29369 A 29371 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 XI Gesetzes zur Neuregelung des gesetzlichen Messwesens (Drucksachen 17/12727, 17/13115) . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko, Thomas Nord, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Einführung von Volksab- stimmungen bei Neufassung oder Ände- rungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union (Drucksache 17/11371) . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 98 a) (Drucksachen 17/1468, 17/13136) . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichts- barkeit auf Notare (Drucksachen 17/1469, 17/13136) . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter- Rosenheimer, Volker Beck (Köln), Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konse- quente Umsetzung des Public Corporate Governance Kodex (Drucksachen 17/9984, 17/12740) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Ar- beitnehmern (Drucksache 17/13022) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ressourcenschutz durch Vorgabe einer Mindestnutzungsdauer für technische Pro- dukte (Drucksache 17/13096) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 29371 C 29371 C 29372 D 29373 D 29374 B 29375 A 29375 C 29375 D 29376 B 29377 A 29378 B 29378 D 29380 B 29380 B 29380 C 29382 A 29382 D 29383 C 29384 C 29385 D 29386 A 29386 A 29387 A 29387 C 29389 B 29390 A 29391 A 29391 B 29392 B 29393 C 29394 B 29395 C 29396 C 29397 A XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen über die Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanis- musgesetzes im Rahmen der Haftungsanpas- sungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF- Rahmenvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisie- rungsmechanismusgesetzes (Tagesordnungs- punkt 4 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Funk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Lazar und Beate Müller-Gemmeke (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen über die Einho- lung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsge- setzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungs- mechanismusgesetzes im Rahmen der Haf- tungsanpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Sta- bilisierungsmechanismusgesetzes (Tagesord- nungspunkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Danckert, Ewald Schurer und Rolf Schwanitz (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über die Einholung eines zu- stimmenden Beschlusses des Deutschen Bun- destages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusge- setzes im Rahmen der Haftungsanpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmen- vertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsme- chanismusgesetzes (Tagesordnungspunkt 4 b) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Agnes Brugger, Viola von Cramon- Taubadel, Katja Dörner, Harald Ebner, Hans- Josef Fell, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Memet Kilic, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs, Oliver Krischer, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Lisa Paus, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augs- burg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Tressel, Arfst Wagner (Schleswig), Dr. Valerie Wilms, Josef Philip Winkler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Heinz- Joachim Barchmann, Elke Ferner, Dietmar Nietan, Manfred Nink, Axel Schäfer (Bo- chum) und Frank Schwabe (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über die Einho- lung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsge- setzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungs- mechanismusgesetzes im Rahmen der Haf- tungsanpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Sta- bilisierungsmechanismusgesetzes (Tagesord- nungspunkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungspunkt 4 b) Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE). . . . . . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 29397 C 29398 D 29399 B 29400 A 29400 C 29401 C 29401 D 29403 A 29403 A 29403 D 29404 B 29405 B 29406 C 29407 B 29408 A 29408 C 29408 D 29409 B 29410 A 29410 C 29411 A 29411 D 29412 B 29412 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 XIII Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Veronika Bellmann, Dr. Maria Böhmer, Ursula Heinen-Esser und Nadine Schön (St. Wendel) (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungspunkt 4 b) . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Ursula von der Leyen und Rita Pawelski (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberech- tigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungs- punkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Karin Binder, Heidrun Dittrich, Dr. Dagmar Enkelmann, Inge Höger, Ulla Jelpke, Dorothée Menzner, Cornelia Möhring, Kathrin Vogler und Johanna Voß (alle DIE LINKE) zur na- mentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberech- tigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungs- punkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Anti-D-Hilfegesetzes (Tagesord- nungspunkt 43 a) Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Menschenrechtslage und humani- täre Situation in der Westsahara verbes- sern und Klärung des völkerrechtlichen Status voranbringen – Große Anfrage: Haltung der Bundesregie- rung zur Westsahara und zur Menschen- rechtslage in den vom Königreich Ma- rokko und der Frente Popular de Liberacion de Saguía el Hamra y Río de Oro kontrollierten Gebieten – Antrag: Die Beendigung der völkerrechts- widrigen Besatzungspolitik Marokkos in der Westsahara und Lösung des Konflikts durch Referendum unterstützen (Tagesordnungspunkt 12 und Zusatztagesord- nungspunkte 7 und 8) Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) (Tages- ordnungspunkt 13) Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen – Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinderung fairen Zugang zum Ar- beitsmarkt ermöglichen – Gute Arbeit für Menschen mit Behinde- rung (Tagesordnungspunkt 14) Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 29413 B 29414 A 29414 C 29415 A 29415 C 29416 B 29418 C 29419 C 29420 D 29422 A 29423 B 29424 B 29425 D 29426 D 29427 C 29428 B 29429 B 29430 B 29431 C XIV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewäh- rung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten (Tagesordnungspunkt 15) Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wettbewerb und Innovationsdy- namik im Softwarebereich sichern – Patentie- rung von Computerprogrammen effektiv be- grenzen (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Parlamentsbeteiligung bei globa- ler Umwelt-Governance verbessern (Tages- ordnungspunkt 18) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschul- den in der Krankenversicherung – Antrag: Keine überhöhten Säumniszu- schläge bei Beitragsschulden (Tagesordnungspunkt 22) Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundes- förderung der Investitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentlichen nicht bundes- eigenen Eisenbahnen im Schienengüterfern- verkehrsnetz (Tagesordnungspunkt 26) Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Neunzehntes Hauptgut- achten der Monopolkommission 2010/2011 (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 29432 D 29434 C 29435 D 29436 C 29437 B 29438 A 29439 A 29439 C 29440 C 29441 B 29442 D 29443 B 29444 B 29444 D 29446 A 29447 A 29448 D 29449 C 29450 A 29451 A 29452 A 29452 D 29453 C 29454 C 29455 B 29456 A 29457 A 29457 C 29458 D 29459 C 29460 C 29461 A 29461 D 29462 C 29463 C 29467 A 29468 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 XV Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Bienen und andere Insekten vor Neonicotinoiden schützen (Zusatztagesord- nungspunkt 9) Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Konsequente Umsetzung des Pu- blic Corporate Governance Kodex (Zusatzta- gesordnungspunkt 10) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29469 A 29469 D 29470 B 29471 A 29471 D 29472 D 29474 A 29475 B 29476 C 29476 D 29477 B 29477 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29151 (A) ) )(B) (C (D 234. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29397 (A) ) )(B) Anlagen müssen dann die optimistischen Annahmen durch realis- tische Angaben ersetzt werden. Dies wird dann lediglich als Korrekturentscheidung deklariert, was wiederum zu Zapf, Uta SPD 18.04.2013 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über die Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Num- mer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanis- musgesetzes im Rahmen der Haftungsanpas- sungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rah- menvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmecha- nismusgesetzes (Tagesordnungspunkt 4 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Dem vorliegen- den Antrag des Bundesfinanzministeriums in der Druck- sache 17/13060 kann ich nicht zustimmen. Ich werde mich der Stimme enthalten. Die gesamte Rettungsschirmpolitik halte ich nach wie vor für den falschen Weg – inklusive der Handlungsli- nien der EZB –, die zwar noch nicht zur Inflation geführt hat, aber doch zu einer Entwertung von Werten über Niedrigstzinsen. Die Rettungspolitik ist aber bereits so weit fortgeschritten und durch einzelne Gegenstimmen nicht mehr aufzuhalten, dass berechtigte Kritiken im Einzelfall nur noch korrektiv wirken können. Dass hier- bei insbesondere die Kanzlerin das Möglichste tut, er- kenne ich voll an. Darin will ich sie und die gesamte Bundesregierung gerne unterstützen, da es gilt, die Op- position mit ihrem Vorhaben einer Haftungs- und Trans- ferunion im Euro-Raum durch Euro-Bonds, Schuldentil- gungsfonds und Ähnliches zu verhindern. Allerdings fordere ich bei allen verfassungsrechtlichen, wirtschaft- lichen und politischen Bewertungen mehr Realismus ein. Das erspart ständiges Nachbessern. Verlängerung der Laufzeiten der EFSF-Darlehen an Irland und Portugal durch den Bundestag: Die Laufzeit stellt einen der wesentlichen Bestand- teile einer Darlehensvereinbarung dar. Die beantragte Verlängerung um immerhin sieben Jahre führt dazu, dass ausstehende Summen deutlich länger garantiert werden müssen als ursprünglich vorgesehen. Wegen später ein- setzender Rückflüsse aus den Schuldnerländern müssen temporär höhere Anleihevolumina gegeben werden. Da- rüber hinaus steigt im Hinblick auf die EFSF unter ande- rem das Risiko der Erreichung der Höchstgrenzwerte des genehmigten Programmbeitrages. Mittlerweile kann man den Eindruck gewinnen, dass bei Erstbeschluss zu den Rettungsbeihilfen diese Höchstgrenzwerte und die Schuldentragfähigkeit der einzelnen Programmländer durch die Troika aus „opti- schen Gründen“ bewusst zu niedrig bzw. zu optimistisch angesetzt werden, um damit die Zustimmung der Parla- mente leichter zu erreichen. Nach einer gewissen Zeit Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 18.04.2013 Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 18.04.2013 Bleser, Peter CDU/CSU 18.04.2013 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 18.04.2013 Brand, Michael CDU/CSU 18.04.2013 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 18.04.2013 Gabriel, Sigmar SPD 18.04.2013 Glos, Michael CDU/CSU 18.04.2013 Grindel, Reinhard CDU/CSU 18.04.2013 Hagedorn, Bettina SPD 18.04.2013 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 18.04.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 Dr. Lindner, Tobias BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 von der Marwitz, Hans- Georg CDU/CSU 18.04.2013 Menzner, Dorothée DIE LINKE 18.04.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 18.04.2013 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 18.04.2013 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 18.04.2013 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.04.2013 29398 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D weniger Diskussionen in den Parlamenten führt, als wenn nach weiteren Hilfsprogrammen für die jeweiligen Länder gerufen würde. Das bestätigt der Vorsitzende der Unionsfraktion in seinem Bericht an die Fraktion vom 16. April 2013 in seiner Begründung zur Laufzeitverlän- gerung für Irland und Portugal: „Damit verbessern sich die Perspektiven, keine weiteren Hilfsprogramme für diese beiden Länder auflegen zu müssen.“ Wenn auch noch kein Irland oder Portugal II dahinter- steckt, so bedeutet die Laufzeitverlängerung aber den- noch einen geldwerten Vorteil für die Programmländer und einen geldwerten Nachteil für die Garantiegeber, was einer schleichenden Ausweitung der jeweiligen Pro- gramme bzw. Belastungen gleichkommt. Die vorgelegten Fakten, warum eine Verlängerung der Laufzeiten nötig ist, sind nicht erst seit der „Zypern- Krise“ bekannt. Bezüglich der Notwendigkeit auf die „erhöhten Marktunsicherheiten im Umfeld des Pro- gramms mit Zypern“ zu verweisen, ist meines Erachtens nicht zutreffend. Aus Sicht der beiden Programmländer sind die An- träge auf Laufzeitverlängerung durchaus verständlich, da sie Spielräume zu deutlich günstigeren Konditionen eröffnen, als sie sie durch die, wenn auch immer gerin- ger werdenden Risikoaufschläge bei freier Kapitalmarkt- finanzierung hätten. Eine Gewährung von Laufzeitver- längerung begünstigt die weitere Refinanzierung über den Markt, weil der jährliche Refinanzierungsbedarf deutlich gesenkt würde und Rückzahlungsspitzen besser aufgefangen werden können. Gemäß StabMechG Haftungsanpassung für die Repu- blik Zypern nach EFSF-Rahmenvertrag: Im Zuge des Antrags der Republik Zypern auf Haf- tungsanpassung bei Übernahme von Gewährleistungen der EFSF fällt auf, dass dafür die rechtliche Grundlage fehlt. Zypern soll eine Stabilitätshilfe in Form einer Fi- nanzhilfefazilität des ESM nach ESM-Vertrag gewährt werden. Warum die Haftungsanpassungen aber nach EFSF-Rahmenvertrag erfolgen sollen, nach dem ein EFSF-Mitgliedsstaat einen Antrag stellen kann, wenn er in ernste finanzielle Schwierigkeiten gerät, und nicht nach § 25 Abs. 2 des ESM-Vertrages, nach dem das Ka- pital der Ausfallstaaten durch die Geberländer übernom- men werden muss, erschließt sich mir nicht. Dieses „Stepping-out“ erhöht den deutschen Gewährleistungs- schlüssel von 29,07 auf 29,13 Prozent, was in etwa 38 Millionen Euro entspricht. Die Währungsunion muss ein sehr fragiles Gebilde sein, wenn schon ein Land mit einem Anteil von 0,2 Pro- zent am gesamten volkswirtschaftlichen Einkommen in der Euro-Zone für systemrelevant gehalten wird. Nach den ESM-Vertragsregeln darf ein Land nur unter der Be- dingung unterstützt werden, dass dies „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist“. Es reicht also nicht, wenn einem Land die Zahlungsunfähigkeit droht. Bei der vorliegenden, nicht durch konkrete Zah- len, sondern nur durch psychologische Argumente be- legten Argumentation verliert diese Systemrelevanz- klausel im ESM-Vertrag jeden Sinn – weil dann die Zahlungsunfähigkeit eines Landes immer und überall ei- nen Beistand rechtfertigt. Die Schuldentragfähigkeitsanalyse der Troika halte ich für zu optimistisch. Wenn bei Irland und Portugal schon nach reichlich einem Jahr in Form von Laufzeit- verlängerung nachgebessert werden muss, obwohl dort „nur“ korrektive Strukturreformen und Haushaltkonsoli- dierung vorgenommen werden mussten, wie soll das dann für ein Land aussehen, dessen gesamtes Geschäfts- modell infrage gestellt wird? Ein ganzes Land vom Kopf auf die Füße zu stellen, und sei es noch so klein, wird nicht ohne soziale Unruhen und weitere unerträgliche Schmähungen gegenüber den Gebern wie der EU und Deutschland abgehen – abgesehen davon, dass die zy- prischen Vorschläge zur Einnahmeverbesserung wie bei- spielsweise das Angebot der Staatsbürgerschaft gegen Geld mehr als nur abenteuerlich sind. Ich begrüße die Ehrlichkeit, dass jetzt erstmals von insolventen Staaten gesprochen wird. Ebenso begrüße ich die Beteiligung der Gläubiger, der Eigentümer und Anleger der Banken, sowie den geforderten eigenen Sa- nierungsbeitrag des Landes. Das bestärkt die europäi- schen Werte von Eigenverantwortung, Haftung und Rechtssicherheit. Da die Perspektiven, dass sich neue Wachstums- und Arbeitsmöglichkeiten in Bereichen der Erdgasförderung, der öffentlichen Daseinsvorsorge und des Tourismus allenfalls mittel- und langfristig eröffnen, sich die Schulden aber schon kurzfristig drastisch erhö- hen, scheint mir weder die Programmhöhe noch die Schuldentragfähigkeitsanalyse realistisch zu sein. Ver- mutlich werden wir deshalb alsbald über Programmauf- stockung oder andere Varianten wie Laufzeitverlänge- rung und dergleichen erneut debattieren. Dass Zypern nun gerettet ist, halte ich deshalb für eine zu forsche Aussage. Zu den 90 Prozent Schulden des Bruttoinlandsproduktes kommen noch 10 Milliarden Euro – und sicher bald noch mehr – hinzu. Die Staats- schulden werden damit 100 Prozent des BIP erreichen und den Rahmen des Erträglichen für alle Beteiligten sprengen. Dass ein Land seine Schulden zurückzahlen kann, ist aber die Voraussetzung für Hilfen bzw. die Ge- währung von Krediten. So heißt es dann auch in der ökonomischen Länder- analyse des Referates für EU-Grundsatzangelegenheiten des Deutschen Bundestages sehr treffend: „Als Fazit kann festgehalten werden, dass die zyprische Staatsver- schuldung bei Gewährung der vorgeschlagenen Finanz- hilfefazilität in Höhe von 10 Milliarden Euro eine He- rausforderung darstellt, dass sie aber tragfähig bleiben kann, sofern das makroökonomische Anpassungspro- gramm konsequent umgesetzt wird. Solche Tragfähig- keitsanalysen beruhen jedoch notwendigerweise auf Pro- gnosen.“ Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich stimme heute gegen die vier Anträge des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble. Denn die sogenannten Finanzhilfen helfen nicht der Bevölkerung in den betroffenen Staaten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29399 (A) ) )(B) (C (D Sie nutzen lediglich den Banken und Konzernen und sind mit einem massiven Sozialkahlschlag verbunden. Der geplante Raub an den Sparguthaben der Zyprio- ten führte zu Massenprotesten vor dem Parlament. Die Demonstranten skandierten am Tag der Abstimmung über die Annahme der Kreditbedingungen: „Ob Grie- chenland, ob Zypern oder Türkei – der Feind sitzt in den Banken und in den Ministerien.“ Der massive Widerstand hat zu einem Teilsieg für die Arbeitnehmer geführt: Sparguthaben unter 100 000 Euro blieben verschont. Doch die Bedingungen für die Kredit- vergabe treffen nach wie vor die kleinen Leute. Wie be- reits in Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien sol- len in Zypern sozialstaatliche Errungenschaften abgeschafft, der öffentliche Dienst zusammengespart, Löhne und Renten drastisch gekürzt und öffentliches Ei- gentum und Infrastruktur privatisiert werden. Angeblich ist Zypern eine Geldwaschanlage für russi- sche Oligarchen. Doch warum sollen dann einfache Zy- prioten bluten? Tatsächlich haben europäische Konzerne und Spekulanten jahrelang von den hohen Zinsen und niedrigen Steuern in Zypern profitiert. Doch sie kommen ungeschoren davon. Auch haben zypriotische Unterneh- mer, Regierungsmitglieder und internationale Finanz- haie im Vorfeld der Schließung der zweitgrößten zyprio- tischen Bank insgesamt mindestens 4,5 Milliarden Euro ins Ausland gebracht. Der Verhandlungspartner der Bun- desregierung, der konservative zypriotische Präsident Anastasiades, und mehrere Regierungsmitglieder sind in diesen Skandal verwickelt. Die Profiteure des bisherigen Steuerdumpings kommen davon. Die EU deckt diese kriminelle Kapitalflucht, die das Land weiter ausbluten lässt. Ich kritisiere zudem, dass die Bundesregierung die Kredite missbraucht, um Zypern unter Druck zu setzen und in das NATO-Programm „Partnership for Peace“ zu nötigen. Das Ziel der EU ist es, Zyperns Eintritt in die NATO zu erreichen – gegen den Willen der Mehrheit der zypriotischen Bevölkerung. Auch gegenüber Portugal und Irland wird die Verlän- gerung bestehender Kreditlinien nur unter der Bedin- gung bewilligt, dass die Regierungen dort am Sozial- kahlschlag festhalten. Doch in Portugal hat unter dem Druck der Gewerkschaften das Verfassungsgericht Teile des Sparpakets als verfassungswidrig abgelehnt. Dies betrifft Kürzungen bei Arbeitslosen, Rentnern und im öffentlichen Dienst. Doch die deutsche Bundesregierung und Finanzminister Schäuble interessiert das nicht, ebenso wenig wie die Troika aus EU, IWF und EZB. Meine Solidarität gilt der Bevölkerung in Zypern, in Irland und in Portugal, die sich gegen das von der Troika geforderte Verarmungsprogramm wehrt. Deshalb habe ich heute gegen die Anträge der Bundesregierung ge- stimmt. Marco Bülow (SPD): Der Bundestag berät am Don- nerstag, 18. April 2013, über den Antrag der Bundesre- gierung auf Finanzhilfe für Zypern. Namentlich abge- stimmt wird über die Finanzhilfe aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus – ESM – von bis zu neun Mil- liarden Euro, über eine entsprechende Vereinbarung nach dem ESM-Vertrag dazu sowie jeweils über die Ver- längerung der maximalen durchschnittlichen Laufzeit der Darlehen der Europäischen Finanzstabilisierungsfa- zilität – EFSF –, des vorläufigen Euro-Rettungsschirms, für Irland und für Portugal. Es ist gut, dass die SPD sich dafür eingesetzt hat, das Rettungspaket für Zypern an verschiedenen Stellen zu verbessern. Zum Beispiel, dass auf Bankguthaben von mehr als 100 000 Euro eine Zwangsabgabe von ungefähr 30 Prozent erhoben wird und dass zugleich Spargutha- ben unter 100 000 Euro verschont bleiben. Damit wird hoffentlich gewährleistet, dass sich in Zypern auch die Wohlhabenden an dem Rettungspaket beteiligen. Ich sehe allerdings verschiedene Punkte sehr kritisch, die ich nachfolgend stichpunktartig auflisten möchte: Wir betreiben mit diesem Rettungspaket eine ver- hängnisvolle neoliberale Politik. Diese Politikrichtung widerspricht diametral der SPD-Politik – auch im be- schlossenen SPD-Wahlprogramm. Diese Richtung in der Politik sorgt dafür, dass die Ärmeren in Zypern überpro- portional zur Kasse gebeten werden. Das ist sozial unge- recht. Dieses Paket wirkt wie eine reine Wachstumsbremse. In Zypern sind deshalb eine stark schrumpfende Wirt- schaft und steigende Arbeitslosigkeit zu erwarten. Wir brauchen zukünftig ein europäisches Investitionspro- gramm, das die Rezession im Euro-Raum überwindet und die jeweiligen Wirtschaften wieder ankurbeln kann. Die Konsolidierungsmaßnahmen von rund 4,5 Prozent des BIP in zwei Jahren sind ein immenser Brocken für die zyprische Wirtschaft, der kaum zu stemmen ist. Zum Vergleich: Würden diese 4,5 Prozent in Deutschland ge- spart werden müssen, wären das 112 Milliarden Euro! Zypern akzeptiert keine Finanztransaktionsteuer. In den Verhandlungen mit Zypern wäre das aber eine wich- tige Gegenleistung gewesen. Insgesamt müssen wir auf der europäischen Ebene die Finanzspekulationen ein- dämmen – das geht nur mit einer europaweiten Finanz- transaktionsteuer. Für mich stellt sich die Frage, ob es bei dem Ret- tungspaket bleibt oder ob nicht noch ein weiteres Paket kommen wird, das den deutschen Steuerzahler erneut Geld kosten wird. Bei Gesprächen der SPD mit dem Fi- nanzministerium, bei der Zentralbank und mit dem Fi- nanzausschuss des zyprischen Parlaments konnte man den Eindruck gewinnen, dass die nun vereinbarten Milli- ardenbeträge nach Überzeugung der zyprischen Ge- sprächspartner wohl nicht die letzten Finanzhilfen an Zypern bleiben werden. Trotz der Diskussionen bleiben zahlreiche Steuerre- gelungen, die Zypern für Steuertricks interessant mach- ten, offenbar in Kraft. Das halte ich für problematisch. Wir brauchen eine tatsächliche Bekämpfung der Ur- sachen. Unter anderem kein Lohndumping mehr und auch die Einführung von Reichensteuern. Ich werde deshalb das Rettungspaket ablehnen. 29400 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Alexander Funk (CDU/CSU): Aus guten ökonomi- schen und rechtlichen Gründen lehne ich seit Mai 2010 die Maßnahmen zur Bewältigung der Euro-Schulden- krise und die Übernahme von Haftungsrisiken für insol- vente Staaten der Euro-Zone ab. Einmal mehr bestätigen sich insbesondere in der Causa Zypern meine Bedenken und Bewertungen. Beide Maßnahmen lehne ich daher ab und warne vor einer weiteren Fortsetzung des einge- schlagenen Weges. Mit dem Europäischen Umschuldungsmechanismus – EUM – habe ich indes eine Alternative aufgezeigt, die sowohl den Bestand der Währungsunion, die Einhaltung europäischer Verträge als auch eine zielführende Mittel- verwendung aus Hilfsmechanismen ermöglichen würde. Mit der Übernahme von Garantieleistungen für den insolventen Staat Zypern und der Verlängerung von Ga- rantieleistungen für Irland und Portugal setzt die Bun- desregierung ihren bisher eingeschlagenen Weg fort: Bürgschaften ersetzen die Kreditfinanzierung am Markt, andere Mitglieder der Euro-Zone garantieren für exorbi- tante Staatsschulden de facto zahlungsunfähiger Staaten, und die Berufung auf die strikte Konditionalität bei der Übernahme von Milliardenrisiken erweist sich einmal mehr als nicht einhaltbar bzw. durchsetzbar in den kon- kreten Verhandlungen. Wenn der Zweck des ESM laut Vertrag darin besteht, Finanzmittel zu mobilisieren, sofern dies für die Wah- rung der Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt un- abdingbar ist, so muss hier nach meiner Bewertung von einer nicht zweckgemäßen Mittelverwendung ausgegan- gen werden: Sowohl hinsichtlich der realen BIP-Größe im Vergleich zur Euro-Zone als auch hinsichtlich der po- tenziellen Auswirkungen eines zypriotischen Default mit entsprechenden Abschreibungen kann keine Rede von einer Gesamtgefährdung der Euro-Zonen-Finanzstabili- tät sein. Ebenso kritisch sehe ich die der Entscheidung zu- grunde liegende Bewertung der Schuldentragfähigkeit Zyperns. Selbst bei den optimistischen Basisannahmen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Jahren und bei passgenauer Umsetzung aller Programm- vereinbarungen wird die Schuldenquote auch nach Ende des Programms mit 126 Prozent des BIP keine Aussicht auf einen Zugang zu den Kapitalmärkten bieten können. Die detailliert seitens der Troika dokumentierten Risiken werden nach meiner festen Überzeugung zu weiteren Stützungsmaßnahmen bzw. Zahlungsausfällen führen. Inwiefern die Mischung aus rezessiv wirkenden In- strumenten bei gleichzeitig fortgesetztem Schulden- dienst sich realwirtschaftlich auswirkt, lässt sich gut an den Programmländern Portugal und Irland absehen: In- sofern belegt die Laufzeitverlängerung der Kreditlinie für beide Länder die Hinfälligkeit von Zusagen und Be- dingungen, die als notwendig und unerlässlich zum Zeit- punkt der Beschlussfassung zugrunde gelegt worden sind. Die daraus entstehende deutlich längere Garantie der Summen ebenso wie das Risiko, die Höchstwertgrenze des Programmbeitrags zu erreichen, lehne ich dement- sprechend ab. Ungeachtet dessen stelle ich klar, dass sich meine Entscheidung nicht gegen die Bemühungen der Programmländer und ihrer Bürgerinnen und Bürger richtet. Vor diesem Hintergrund begrüße ich auch die Bemü- hungen der Bundesregierung bei den Verhandlungen auf eine größtmögliche Beteiligung des Privatsektors bei gleichzeitiger Wahrung der Einlagensicherung für Nor- malsparer hinzuwirken. Ich stelle dennoch fest: Europa und seine Einigung werden auf der Basis des eingeschlagenen Weges nicht gefördert. Die Trennung in Bürgen und Gläubiger ge- fährdet die Weiterentwicklung eines starken, solidari- schen und auf Eigenverantwortung basierenden Europas, wie es von seinen Gründungsvätern zu Recht ersonnen worden ist. Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Ich lehne den An- trag auf Stabilitätshilfen aus dem ESM für die Republik Zypern ab, da die innerstaatliche Umsetzung des ESM- Vertrags nach wie vor auf erhebliche verfassungsrechtli- che Bedenken stößt. Insbesondere sind für die Zahlungs- verpflichtungen Deutschlands an den ESM in dreistelli- ger Milliardenhöhe bis heute keinerlei Rückstellungen gebildet. Diese meine Einwände sind derzeit in der Hauptsache Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bun- desverfassungsgericht – Aktenzeichen 2 BVR1390/12. Darüber hinaus ist die Art und Weise der Zypern-Ret- tung mit den vom Bundestag beschlossenen Regelungen des ESM-Gesetzes und des ESM-Finanzierungsgesetzes nicht vereinbar. In den dauernd wechselnden Spielzügen der Euro- Rettung gibt es eine Konstante: die Selbsttäuschung. Da- mit diese immer wieder gelingt, müssen die „Rettungs- vokabeln“ immer öfter das Gegenteil von dem bezeich- nen, was ihr Begriffssinn vorgibt. Dies betrifft bei der Zypern-Rettung die sogenannten Ultima-Ratio-Klausel im ESM-Vertrag und die in den ESM-Zustimmungsge- setzen vorgeschriebene „doppelstufige“ Befassung des Deutschen Bundestages, die verhindern sollte, dass der Bundestag vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Zur „Ultima-Ratio-Klausel“: Die führenden EU-Ret- tungspolitiker haben von Anfang an versichert, dass die finanzielle Hilfe für insolvenzgefährdete Euro-Staaten eine restriktiv zu handhabende Ausnahme bleiben müsse. Das Bail-out-Verbot solle nicht abgeschafft wer- den. Nur in extremen Notsituationen, in denen durch Fi- nanzprobleme in einem Euro-Staat die Euro-Zone im Ganzen in einen Strudel gezogen zu werden drohe, dürfe das Bail-out-Verbot durchbrochen werden. „Ultima Ra- tio“ war die Formel, die der Bundesfinanzminister im- mer wieder beschworen hat. Und diese Formel ist in den ESM-Vertrag geschrieben und von allen Euro-Staaten ratifiziert worden. „Stabilitätshilfe“, so heißt es in Art. 12 des ESM-Vertrages, dürfe nur geleistet werden, wenn dies „zur Wahrung der Finanzstabilität“ des Euro- Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar“ ist. Mit dieser rechtlichen Einschränkung soll sichergestellt werden, dass die Eigenverantwortlich- keit der Staaten für ihre Haushalte grundsätzlich beste- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29401 (A) ) )(B) (C (D hen bleibt und dass finanzielle Hilfe nur als „Ultima Ra- tio“ geleistet wird – nämlich dann, wenn ohne diese Hilfe die Krise des betreffenden Staates auf andere Staa- ten übergreifen und schließlich die Finanzstabilität der ganzen Euro-Zone erschüttern müsste. Das hat auch den Europäischen Gerichtshof beeindruckt, der im soge- nannten Pringle-UridA – EUGh, Urteil vom 27. Novem- ber 2012 – Rs. C-370/12 – dieses Kriterium besonders hervorgehoben hat. Die Finanzhilfe muss zu dem genannten Zweck „un- abdingbar“ sein. Sie soll also nur erlaubt sein, wenn es als sicher oder zumindest als höchstwahrscheinlich er- scheint, dass ohne sie – auch in der geplanten Höhe – die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes und der Mitgliedstaaten nicht gewahrt werden kann. Schon im Falle Griechenlands war die systemische Relevanz des Problemstaates für die gesamte Euro-Zone unglaubwürdig. Im Falle Zyperns aber ist es völlig evi- dent, dass die Insolvenz dieses Staates das Euro-Wäh- rungsgebiet im Ganzen nicht in ernsthafte Probleme brächte. Bei der Mitteilung von Kommission und EZB, auf die der Bundestag jetzt seine Abstimmung stützt, handelt es sich nur um ein politisches Statement, das mit gefühls- starken Behauptungen und spekulativen Vermutungen arbeitet, aber keine durch Fakten und Zahlen belegten Beweise für die angeblich befürchteten Auswirkungen einer Zahlungsunfähigkeit Zyperns enthält. Statt kon- krete Zahlen zu nennen, ziehen sich Kommission und EZB in ihrer Mitteilung auf psychologische Erwägungen zurück. Selbst für das mit Zypern wirtschaftlich eng ver- bundene Griechenland vermögen Kommission und EZB letztlich nicht mehr zu sagen, als dass die griechischen Banken „mit unmittelbaren Vertrauensverlusten kon- frontiert“ wären. Und was die Finanzstabilität des Euro- Währungsgebiets insgesamt angeht, kommen Kommis- sion und EZB nicht über die These hinaus, von Zypern könne eine „negative Signalwirkung“ ausgehen. Wenn der Bundestag der Zypern-Rettung zustimmt, dann stimmt er der These zu, dass schon eine „negative Signalwirkung“ ausreicht, Rettungsmaßnahmen zu er- zwingen. Dann wirft er die von ihm zum Schutz der deutschen Steuerzahler geforderte und groß herausge- stellte „Ultima-Ratio-Konzeption“ über Bord. So wird bei jeder regional begrenzten Krise die Ultima Ratio be- nutzt, um die nächsten Rettungsmilliarden auf den Weg zu bringen. Zur doppelstufigen Befassung des Deutschen Bun- destages: Auch verfahrensrechtlich setzen sich die Zy- pern-Retter über den ESM-Vertrag hinweg. Wie Profes- sor Dietrich Murswiek, mein Prozessbevollmächtigter im ESM-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, darauf hinweist, sieht der Vertrag ein mehrstufiges Ent- scheidungsverfahren vor: Zuerst trifft der Gouverneurs- rat – nach Feststellung einer Gefahr für die Finanzstabi- lität des Euro-Währungsgebiets und auf der Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse – den Grundsatzbe- schluss, dass dem betroffenen ESM-Mitglied Stabilitäts- hilfe gewährt werden soll. Sodann werden die mit der Fi- nanzhilfe verbundenen Auflagen – also insbesondere das Reformprogramm, mit dem die Finanzkrise überwunden werden soll – ausgehandelt und in einem Memorandum of Understanding, MoU, formuliert – Art. 13 ESMV. Die- ses bedarf wiederum der Zustimmung des Gouverneurs- rats. Hinsichtlich der Zypern-Hilfe wurde hingegen das MoU bereits ausgehandelt, bevor der Gouverneursrat überhaupt beschlossen hat, Stabilitätshilfe zu gewähren. Der Grundsatzbeschluss und der Beschluss über das MoU sollen jetzt in einer einzigen Entscheidung getrof- fen werden. Wäre dem Bundestag korrekterweise zunächst die Grundsatzfrage der Hilfegewährung zur Entscheidung vorlegt worden und hätte der Bundestag dies abgelehnt, dann hätten die Verhandlungen über das MoU gar nicht beginnen können. Nun aber werden dem Bundestag Be- schlussanträge über die Zustimmung zur Hilfe und zu den im MoU festgelegten Bedingungen gleichzeitig zur Entscheidung vorgelegt. Dadurch wird ein massiver Zu- stimmungsdruck zulasten Deutschlands aufgebaut: Der Bundestag soll die Hilfe – mangels systemischer Rele- vanz Zyperns – nicht mehr ablehnen können, da die Troika – ohne jedes parlamentarisches Mandat – in mo- natelangen Verhandlungen sich mit Zypern bereits auf die Bedingungen dieser Hilfe geeinigt hat. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Dem Antrag der Bundesregierung für die Finanzhilfe für Zypern werde ich mit erheblichen Bedenken zustimmen. Meine Bedenken sind, dass Zypern in dem vorgege- benen Zeitraum die Finanzhilfe nicht zurückzahlen kann, da es zusätzlich auch einen russischen Kredit von 2,5 Milliarden Euro zurückzahlt. Daneben soll es auch wirtschaftlichen Aufschwung ab 2015 geben. Ich halte alle diese Vorstellungen für Wunschdenken. Diese Bedenken meinerseits konnten in den Vorge- sprächen und im Haushaltsausschuss nicht ausgeräumt werden. Meine Zustimmung ist eher ein Vertrauensvorschuss, dass sich insgesamt die Situation für Zypern verbessern wird. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Ich habe dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Gewährung von Finanzhilfen für Zypern nach langer und eingehender Abwägung der ein- zelnen Aspekte des Hilfsprogrammes letztendlich unter Hintanstellung noch bestehender Bedenken aus nach- folgenden Erwägungen zugestimmt. Erstens. Ich habe dem ersten Hilfspaket auf Ersuchen Griechenlands vor ziemlich genau drei Jahren im Deut- schen Bundestag ebenfalls meine Zustimmung erteilt, da ich europäische Solidarität im Falle einer Schieflage ei- nes Landes zum Erhalt unserer gemeinsamen Währung für unabdingbar erachte. Lediglich bei Nichteinhalten von Sparauflagen und Zusagen von eigenen Bemühun- gen, die Schuldenproblematik in den Griff zu bekom- men, habe ich in den Folgepaketen bei Griechenland mangels eigener Anstrengungen des Empfängerlandes eine Zustimmung nicht mehr verantworten können. 29402 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Zweitens. Unstreitig hat Zypern in den vergangenen Jahren gravierende Fehler in seiner Bankenstrukturie- rung zugelassen. Mit exorbitant niedrigen Unterneh- menszinsen hat das Land jahrelang versucht, Unterneh- men – nicht nur aus dem europäischen Ausland – zur Gründung von sogenannten Briefkastenfirmen und Ver- steuerung des Betriebsgewinnes in Zypern zu veranlas- sen. Dies hat in Verbindung mit circa 300 Prozent über- setztem Zinsniveau für eingelegte Spargelder dazu geführt, dass aus vielen Ländern Europas und darüber hinaus in erheblichem Umfang Gelder in Zypern inves- tiert wurden. Dies hatte zur Folge, dass der Finanzbe- reich nahezu die Hälfte des zyprischen Wirtschaftsrau- mes ausmachte, was eine inhomogene, aufgequollene und ausgesprochen anfällige volkswirtschaftliche Struk- tur bedingt hat. Auch nach Beantragung der Hilfen im Juni 2012 hat Zypern zunächst Anstrengungen unterlassen, diese Fehl- entwicklungen zu korrigieren. Der zyprische Bankensektor soll nunmehr umstruktu- riert, verschlankt und die Kreditversorgung stärker an der Realwirtschaft ausgerichtet werden. Die Bilanzsumme der zyprischen Banken betrug bis- her rund 716 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – ver- gleiche Deutschland: 311 Prozent. Mit Aufspaltung der zweitgrößten zyprischen Bank Laiki gemäß den Verein- barungen zwischen der Euro-Gruppe, dem IWF und der zyprischen Regierung vom 24./25. März 2013 werden Guthaben oberhalb von 100 000 Euro in einer Auffang- gesellschaft für schlechte Kredite – „Bad Bank“ – ge- sammelt, die Guthaben bis zu 100 000 Euro bei der größten zyprischen Bank, der Bank of Cyprus, unterge- bracht. Hiervon sind geschätzt 19 000 Kontoinhaber betrof- fen, darunter auch viele Nicht-EU-Bürger. Mit Ausgliederung der griechischen Geschäfte aus den größten zyprischen Banken und Übertragung auf die griechische Piräus-Bank wurde der zyprische Banken- sektor nach Angabe der Kommission und des IWF be- reits auf rund 350 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verkleinert. Mit dem Schuldenschnitt auf Sparguthaben oberhalb von 100 000 Euro hat Zypern die bisher bestehende Steueroase nach meiner jetzigen Einschätzung bereits in einem erheblichen Umfang „ausgetrocknet“: 60 Prozent der Einlagen bei zyprischen Banken oberhalb von 100 000 Euro werden einbehalten. Davon werden 37,5 Prozentpunkte in Aktien der Bank of Cyprus um- getauscht, 22,5 Prozentpunkte werden für drei Monate eingefroren, bis der Finanzbedarf Zyperns genauer feststeht. Die übrigen 40 Prozent werden nur dann aus- gezahlt, wenn sich die Bank positiv entwickelt. Die bisherige Sogwirkung der zyprischen Banken für aus- ländische Anlegegelder ist somit weitestgehend hinfäl- lig. Etwa ein Drittel der in Zypern angelegten Gelder in Höhe von 68,31 Milliarden Euro entfielen auf ausländi- sche Anleger – 25,61 Milliarden Euro. Von allen Einla- gen auf zyprischen Konten liegen auf Konten mit bis zu 100 000 Euro insgesamt 31,5 Milliarden Euro, auf Kon- ten mit mehr als 100 000 Euro 36,9 Milliarden Euro. Somit ist für mich festzustellen, dass über die Hälfte der auf zyprischen Konten betroffenen Sparguthaben vom Volumen her betrachtet von der erheblichen Eigen- beteiligung betroffen ist. Vom gesamten Sparpaket über circa 17 Milliarden Euro leistet Zypern somit mit der Einbeziehung hoher Sparguthaben selbst einen Finanzie- rungsanteil von circa 52 Prozent. Mit der vom IWF pro- gnostizierten Entwicklung des Staatshaushaltes über ei- nen Rückgang von 8,7 Prozent in 2013 bis zur Erwirtschaftung eines Primärüberschusses in Höhe von 1,2 Prozent im Jahr 2016 ist in Verbindung mit der An- hebung der Zinsertragsteuer, der Erhöhung des Körper- schaftsteuersatzes von 10 auf 12,5 Prozent sowie der Pri- vatisierung von Staatsbetrieben und Veräußerung von Goldreserven ein erheblicher Eigenanteil an der Rettung der zyprischen Banken bereits erbracht, sodass eine Ban- kenrettung von außen, wie in anderen Fällen vorliegend, nicht erfolgt, da insbesondere vorrangig zyprische Mittel zur Sanierung und Umstrukturierung des Bankensektors in Zypern eingesetzt sind. Drittens. Eine Gefahr für die Finanzstabilität wird im Fall von Zypern von der Kommission im Benehmen mit der Europäischen Zentralbank mit Schreiben vom 18. März 2013 bestätigt – EUFIN Nr. 42/2013 DE –: „Obwohl Zypern mit seinem Bruttoinlandsprodukt von weniger als 18 Mrd. Euro, gemessen am Euro-Wäh- rungsgebiet, eine kleine Volkswirtschaft ist, würde ein ungeordneter Zahlungsausfall eine hohe Gefahr der sys- temischen Ansteckung in sich bergen und hätte das Po- tenzial, die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu gefährden.“ Gleichwohl wird man bei Systemrelevanz einer Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von 18 Milliarden Euro davon ausgehen müssen, dass jede volkswirtschaftlich drohende Insolvenz in Zukunft Sys- temrelevanz entfalten wird und dieses Kriterium schlicht immer unterstellt werden muss. Viertens. Die Schuldentragfähigkeitsanalyse durch die Kommission geht davon aus, dass die erstellten Pro- gnosen nahelegen, dass die Staatsverschuldung Zyperns zwar eine Herausforderung darstellt, aber tragfahig blei- ben kann, sofern das Anpassungsprogramm konsequent umgesetzt wird. Anders als im Fall von vorherigen Hilfspaketen stellt Zypern erstmalig einen Antrag und hat mit der Beteili- gung hoher Sparguthaben zu erkennen gegeben, dass es mit dem Risiko des Verlustes seines Images als inter- nationaler Bankenplatz bereit ist, erhebliche eigene Aufwendungen auf sich zu nehmen. Damit gehe ich davon aus, dass Zypern eine realisti- sche Chance hat, das Anpassungsprogramm konsequent umzusetzen. Unter Abwägung sämtlicher für und wider sprechen- den Aspekte habe ich mich letztendlich für die Bewilli- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29403 (A) ) )(B) (C (D gung eines Hilfspaketes für Zypern im Bundestag ausge- sprochen. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Der heute zur Abstimmung gestellte Antrag kann meine Zweifel an der Rettungsstrategie des Zeitkaufens nicht ausräumen. In meinen Augen sind im Falle Zyperns gleich drei ent- scheidende Kriterien nicht erfüllt. Dies betrifft die Sys- temrelevanz für die Euro-Zone, die Notwendigkeit der Schuldentragfähigkeit sowie das Vorliegen eines zu- kunftsfähigen Geschäftsmodells. Zusammengefasst hat Zypern kein kurzfristiges Liquiditäts-, sondern ein Sol- venzproblem. Dennoch kennt der Rettungsmechanismus – Europäi- scher Stabilitätsmechanismus, kurz ESM – keine andere Antwort als die Hilfegewährung. Einmal mehr befinden wir uns in der Rettungspolitik in einer Sackgasse. Bis heute gibt es keinen Fahrplan, wie wir mit Staaten umge- hen, die ein Solvenzproblem haben und daher den ver- einbarten Reformmaßnahmen nicht mehr nachkommen können. Ohne ein Verfahren kontrollierter Sanierung mit klaren Haftungsregeln, das bis zum Ausscheiden aus der Euro-Zone führen kann, wird uns kein Hilfsprogramm aus dem grundsätzlichen Rettungsdilemma befreien. Ich kann aus den genannten Gründen dem Hilfspaket nicht zustimmen. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Nachdem seit dem Frühjahr 2010 die „Euro-Retter“ Milliarden in der griechischen Ägäis versenkt haben, geht es nun munter weiter auf der nach unten offenen Systemrelevanzskala. Die zyprische Wirtschaftsleistung ist gerade einmal 10 Prozent der griechischen. Mit einem Bruttoinlands- produkt, BIP, von unter 18 Milliarden Euro hat Zypern nicht mehr Wirtschaftskraft als eine deutsche Großstadt wie zum Beispiel Essen. Essens Anteil am BIP der Euro- Zone ist ebenfalls 0,2 Prozent; aber niemand würde auf die Idee kommen, dass von Problemen im städtischen Haushalt von Essen auch nur ansatzweise die Stabilität der Euro-Zone abhängen könnte. Gleichwohl wird Zy- pern Systemrelevanz attestiert Ein solches Ergebnis kann nur zustande kommen, wenn die Diagnose schon vor der Untersuchung feststeht. Konkrete Zahlen werden nicht geliefert, nur Schreckensszenarien. Und ohnehin: Wie soll denn Vertrauen in eine Währung entstehen, wenn ein Währungsraum einen (Teil-)Ausfall von 0,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung nicht verkraften kann. Bei der Attestierung von Systemrelevanz erwarte ich ökonomische Analysen und keine konstruierten poli- tischen Papiere. Das „Rettungspaket“ für Zypern offen- bart, dass im Prinzip jeder Mitgliedstaat der Euro-Zone systemrelevant ist. Bei Zypern geht es einzig und allein um die Stabilisierung des zyprischen Bankensektors auf Kosten der Steuerzahler. Ob der zyprische Bankensektor überdimensioniert ist oder nicht, hat nicht zu interessie- ren. Der Eigentümer geht das Risiko ein, der Eigentümer hat für das eingegangene Risiko zu haften. Und auf europäischer Ebene wird fleißig daran gear- beitet, einen Rettungsschirm für Nicht-Euro-Staaten zu konstruieren. Wer denkt und hofft, dass mit Zypern ein Ende erreicht ist, irrt. Eher ist der heutige Tag das Ende einer Etappe. Ein erneuter Tabubruch. Und auch die Konstruktion des Hilfspakets ist nicht stimmig. Selten war die Augenwischerei so offensicht- lich. Noch vor wenigen Wochen sah sich Zypern unter größten Anstrengungen in der Lage, sich mit höchstens 5,8 Milliarden Euro an seiner „Rettung“ zu beteiligen. Nun sollen es über 10 Milliarden Euro sein. Ankündi- gungen von Privatisierungsbemühungen sind – wie uns das Beispiel Griechenlands gezeigt hat – kritisch zu se- hen: Die 2010 mit einem Wert von 50 Milliarden Euro veranschlagten Privatisierungserlöse sind inzwischen auf rund 11 Milliarden neu festgelegt worden, realisiert ist – im vierten Jahr des Programmes! – gerade mal eine gute Milliarde. Kein „Rettungspaket“ lief bisher ohne Nachverhandlungen und Nachbesserungen. Parallel zu Zypern sollen Portugal und Irland mehr Zeit bekommen, die milliardenschweren Kredite zurückzuzahlen. Seit der Auszahlung der jeweils ersten Tranche aus den Ret- tungspaketen sind die Schuldenstände der Programmlän- der immer weiter gestiegen. Eine Besserung wird immer für die Folgejahre angenommen und dann jährlich aufs nächste Jahr verschoben. So sind die offiziellen Aussich- ten immer heiter, auch wenn es für jedermann erkennbar aktuell regnet und gewittert. Am Ende stehen entweder neue Hilfspakete oder ein Schuldenschnitt der öffentli- chen Gläubiger. Es kann nicht anders kommen. Die europäische Einigung ist eine großartige Leistung der Politik im Europa der Zeit nach dem Zweiten Welt- krieg. Die Währungsunion ist politisches Symbol der höchsten Ausprägungsstufe dieses Prozesses. Für uns Deutsche war es wichtig, die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank durch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auf den gesamten Euro-Raum zu übertragen. Durch Errichtung des Stabilitätspakts hofften wir, Vorsorge dafür zu treffen, den gesamten Euro-Raum auf das Ziel der nachhaltigen Haushaltspoli- tik und der Preiswertstabilität zu verpflichten. ln den eu- ropäischen Verträgen ist hierzu festgelegt, dass im Euro- Raum kein Staat für die Schulden des anderen aufkom- men muss, ja nicht einmal darf – Bail-out-Verbot. Dies ist der Kern des Vertrauens in den Euro angesichts der sehr unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Volkswirt- schaften in diesem gemeinsamen Währungsraum. Die vorgesehene Hilfe für Zypern verstößt aufs Neue gegen Buchstaben und Geist der gültigen europäischen Ver- träge. So wird die langfristige Stabilität des Euro nicht gesichert, sondern gefährdet. Deshalb kann und will ich diesen Weg nicht mitgehen und stimme erneut mit Nein. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Ich habe dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, wenn auch mit Vorbehalten. Diese beziehen sich weniger auf die ökono- mischen Argumente; hier bin ich davon überzeugt, dass die Bundesregierung ebenso wie die anderen internatio- nalen Akteure nach bestem Wissen und Gewissen han- delt. Zur Idee Europas gehört auch die Idee der Solidarität. Dies bedeutet, das die europäische Familie sich in Not- 29404 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D zeiten Beistand leistet. Für die fiskalische Dimension gilt, dass Hilfen nicht voraussetzungslos sind. Sie wer- den mit der Erwartung geleistet, dass sie rückerstattet werden. Darüber hinaus müssen die Ursachen, die zu der Hilfebedürftigkeit geführt haben, aktiv angegangen wer- den, damit in Zukunft eine ähnliche Situation nicht er- neut entsteht. Die Bundesrepublik Deutschland trägt da- bei ein Ausfallrisiko. Darüber wird auch innenpolitisch kontrovers diskutiert. Zu meinem Verständnis europäischer Solidarität ge- hört, dass wir diese Diskussionen führen und unsere Ar- gumente vortragen. Ein starkes Argument ist dabei die europäische Idee als das große Friedensprojekt in der eu- ropäischen Geschichte. Es gehört zu der Würde des Ge- bens, dass wir dies in der Überzeugung tun, dass Europa unser gemeinsames Projekt ist. Europa war nie eine rein betriebswirtschaftliche Idee und darf auch nicht darauf reduziert werden. Mit der Würde des Nehmens ist es meines Erachtens nicht vereinbar, die Betonung des Zusammenhangs von Freiheit und fiskalischer Verantwortung als neokolonia- les Projekt der Bundesrepublik zu schmähen, die han- delnden deutschen Politiker als Wiedergänger des Drit- ten Reiches zu diskreditieren oder gar von einer Erpressung zu sprechen. Solche Töne spalten Europa und schaden der Idee der Solidarität. Das Verhalten maß- geblicher Politiker in Zypern und von Teilen der zyprio- tischen Bevölkerung für sich alleine genommen wäre Anlass, die Hilfe für Zypern abzulehnen. Ich stimme dem Hilfspaket aber aus übergeordneten Gründen zu. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Lazar und Beate Müller-Gemmeke (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmun- gen über die Einholung eines zustimmenden Be- schlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzie- rungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisie- rungsmechanismusgesetzes im Rahmen der Haftungsanpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages sowie nach § 3 Ab- satz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisie- rungsmechanismusgesetzes (Tagesordnungs- punkt 4 b) Wir stehen heute vor der Frage, ob wir als Mitglieder des Deutschen Bundestages die Zypern-Hilfe parlamen- tarisch legitimieren oder nicht. Wie bereits bei früheren Entscheidungen können wir die Details des Hilfspakets, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Euro- Gruppe ausgehandelt wurden, nicht mehr mit aus unse- rer Sicht notwendigen Verbesserungen versehen. Aber die Alternative, nämlich ein Staatsbankrott Zyperns, wäre für die Menschen in Zypern und für die Europäi- sche Union insgesamt wesentlich schlimmer. Obwohl wir auch an der Zypern-Hilfe Kritik haben, stimmen wir dennoch zu. Denn die Menschen in Zypern brauchen Hilfe und unsere europäische Solidarität. Wir bewerten es als positiv, dass bei diesem Rettungs- paket die Gläubiger stärker beteiligt werden, die Kun- dengelder unter 100 000 Euro aber unangetastet bleiben. Der überdimensionale Bankensektor wird schrumpfen, und eine große Bank wird komplett abgewickelt. Es liegt ein Schwerpunkt auf der Steuereintreibung und auf Transparenz. Die praktizierte Geldwäsche wird als Pro- blem anerkannt, und als Konsequenz wird es umfangrei- che Untersuchungen der effektiven Geldwäschebekämp- fung geben. Entsprechende Empfehlungen müssen umgesetzt werden. Es müssen insbesondere auch die Einnahmen bei der Unternehmensteuer, Zinsertragsteuer und bei den Erträgen der Vermögensteuer erhöht wer- den. All diese Maßnahmen sind notwendig und entspre- chen unserer Vorstellung von Gerechtigkeit. Wir haben aber auch Kritik, denn der Spardruck mit Blick auf die Ausgaben besteht weiterhin, auch wenn die Troika die Sparbedingungen mittlerweile vorsichtiger formuliert. Das Anpassungsprogramm ist dennoch weit- reichend. So wird es Maßnahmen im Bildungsbereich geben. Mit einer Rentenreform werden das Rentenmin- destalter erhöht, die Renten gekürzt und Frührentenab- züge eingeführt. Im Gesundheitswesen werden Gebüh- ren erhöht und die Kosten optimiert. Neben Lohnkürzungen wird es weitere Eingriffe bei der Lohn- indexierung geben, und der Mindestlohn kann nur nach Beratung mit den Programmpartnern erhöht werden. Ins- gesamt soll es im Einvernehmen mit den Programmpart- nern eine Reform des Sozialsystems geben. In der Kon- sequenz müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass das Anpassungsprogramm erhebliche soziale Lasten mit sich bringt, die für uns nicht akzeptabel sind. Einsparun- gen bei Sozialausgaben, Sozialversicherungen, im Ge- sundheits- und Bildungsbereich werden gerade die Men- schen treffen, die die Krise nicht verschuldet haben. Selbstverständlich müssen die Staatshaushalte konso- lidiert werden. Erneut droht aber die Gefahr, dass die Sparmaßnahmen Zypern die Handlungsmöglichkeiten nehmen. Wenn ein Staat zum falschen Zeitpunkt kürzt, dann verlieren Firmen Aufträge, die Binnennachfrage bricht ein und die Krise verschärft sich. Wenn Löhne und staatliche Transfers gekürzt werden, können Be- schäftigte, Erwerbslose und Bedürftige weniger Geld ausgeben. Damit verlängert dieser Nachfrageentzug im Abschwung die wirtschaftliche Talfahrt. In der Folge sinken Wachstum und Steuereinnahmen – Arbeitslosig- keit und Schulden aber steigen. Die katastrophalen Fol- gen dieser Sparmaßnahmen werden in Südeuropa schon heute, beispielsweise durch eine extrem hohe Jugend- arbeitslosigkeit, sichtbar. Profitiert von Miss- und Günstlingswirtschaft und Spekulationen haben nur wenige. Jetzt folgen weniger Investitionen, weniger Nachfrage und auch kein ökolo- gischer Umbau von Wirtschaft und Tourismus. Auch Zy- pern steht vor einer jahrelangen Rezession, die sich na- türlich auch auf den Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Schon heute liegt die Arbeitslosenquote bei 14,7 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit bei 28,5 Prozent. Auch in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29405 (A) ) )(B) (C (D Zypern werden die Verlierer bestimmt nicht nur jene sein, die die Misere mit zu verantworten haben. Konsolidieren heißt für uns auch investieren. Das Sparpaket wird Zypern aber tiefer in die Rezession trei- ben und realwirtschaftlich weiter bremsen. Die Men- schen in Zypern brauchen Perspektiven. Nur wenn in eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft inves- tiert wird, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze ge- sichert und Schulden abgetragen werden. Eine Sparpoli- tik schwächt hingegen das wirtschaftliche und soziale System in Zypern zulasten der Menschen. Das Rettungspaket für Zypern hat positive und nega- tive Bedingungen und Vorgaben. Bei unserer Entschei- dung müssen wir abwägen. Trotz aller Kritik und Be- fürchtungen überwiegt für uns schlussendlich, dass erstmals die Einnahmeseite beim Anpassungsprogramm eine zentrale Rolle spielt. Entscheidend ist für uns insbe- sondere auch die europäische Solidarität und politische Verantwortung – auch weil das desaströse Krisenmana- gement der Euro-Gruppe in den letzten Wochen auf allen Seiten viel Vertrauen gekostet hat: Vertrauen in die Soli- darität zwischen den Euro-Staaten, Vertrauen in die Pro- blemlösungskompetenz der Finanzminister und Finanz- ministerinnen, Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit selbst geringer Ersparnisse bei Banken in der Euro-Zone. Die Republik Zypern ist und bleibt Mitglied der Europäischen Union und der Euro-Zone. Daran darf kein Zweifel mehr bestehen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Danckert, Ewald Schurer und Rolf Schwanitz (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über die Einho- lung eines zustimmenden Beschlusses des Deut- schen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgeset- zes im Rahmen der Haftungsanpassungen nach Artikel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages sowie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Num- mer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (Tagesordnungspunkt 4 b) Wir haben in der heutigen Abstimmung zu den oben benannten Fragen aus zwei Gründen mit Nein votiert. Zum einen, weil die Bundesregierung nicht hinreichend darlegen konnte, dass die ESM-Finanzhilfe für Zypern unabdingbar ist, da ohne sie die Finanzstabilität der Euro-Währungsunion insgesamt nicht gewahrt werden kann. Zum anderen, weil die Bundesregierung einen Be- schluss des Bundestages nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESM-Fi- nanzierungsgesetz, ESMFinG, entgegen ihren Verpflich- tungen über Monate verschleppt und dadurch die Beteiligungsrechte des Parlaments grob missachtet hat. Unsere Ablehnungsgründe erläutern wir im Einzelnen wie folgt: Erstens. Der ESM kann laut ESM-Vertrag Stabilitäts- hilfen an ESM-Mitgliedsländer nur dann gewähren, wenn dies über die Gefährdung des beantragenden Lan- des hinaus unabdingbar ist, um die Finanzstabilität der gesamten Währungsunion zu bewahren – Systemrele- vanz. Der ESM ist damit kein Mechanismus für Hilfe bei jeder auftretenden finanziellen Instabilität eines Mit- gliedslandes oder dafür, bei finanziellen Instabilitäten einzelner Mitgliedsländer generell aktiv zu werden und Staatsinsolvenzen grundsätzlich zu verhindern. Wer dies ändern will, wer den ESM zu einem generellen Hilfein- strument in der Währungsunion ausweiten möchte, muss zuvor den ESM-Vertrag und das ESMFinG entsprechend ändern. Tatsächlich war die Systemrelevanz der finanziellen Gefährdung Zyperns von Beginn an hochumstritten. Der Bundesfinanzminister stellte im Blick auf die geringen Ansteckungsgefahren der zypriotischen Finanzkrise für den Euro-Raum die Systemrelevanz selbst über Monate in Abrede. Auch nachdem die EU-Kommission ihrer- seits in Zusammenarbeit mit der EZB gegenüber der Euro-Gruppe die Gefährdung der Finanzstabilität der Euro-Zone bestätigt hatte, blieb der Bundesfinanzminis- ter erkennbar bei seiner eine Systemrelevanz ablehnen- den Bewertung. So äußerte der FDP-Fraktionsvorsit- zende Rainer Brüderle noch am 21. März 2013, nachdem das zypriotische Parlament das erste Hilfspaket abge- lehnt hatte, „er halte einen möglichen zyprischen Staats- bankrott mit Blick auf die Folgen für den Euro-Raum, für durchaus beherrschbar‘. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte nach dem ablehnenden Votum des zyprischen Parlaments, „die Stabilität der Euro-Zone gerate dadurch nicht in Gefahr.“ Es bleibt festzuhalten, dass die Bundesregierung we- der hinreichend noch überzeugend darlegen konnte, dass die ESM-Finanzhilfe für Zypern unabdingbar ist, da ohne sie die Finanzstabilität der Euro-Währungsunion insgesamt nicht gewahrt werden kann. Eine solche Sys- temrelevanz ist nach unserer Meinung im Falle Zyperns tatsächlich auch nicht gegeben. Damit fehlt dem vorge- legten Antrag jedoch eine Grundvoraussetzung dafür, dass nach dem ESM-Vertrag sowie nach dem ESMFinG zustimmend über eine Finanzhilfe entschieden werden kann. Das Votum in der Abstimmung kann deshalb nach unserer Überzeugung nur „Ablehnung“ lauten. Andern- falls würde zugleich ein Präzedenzfall geschaffen, der dazu führt, dass in der Zukunft faktisch überhaupt kein Hilfeersuchen eines ESM-Mitgliedes mehr aus Gründen einer nicht gegebenen Systemrelevanz abgelehnt werden kann. Zweitens. Der ESM-Vertrag sieht, anders als der Rah- menvertag zum EFSF, in der Vorbereitungsphase einer Finanzhilfe ein zweistufiges Entscheidungsverfahren vor. Nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag beschließt der ESM-Gouverneursrat zunächst darüber, ob einem betrof- fenen Land grundsätzlich Stabilitätshilfe gewährt wer- den soll. Dieser Beschluss ist Voraussetzung dafür, dass der Europäischen Kommission die Aufgabe zur Ver- handlung eines Memorandum of Understanding – als Teil der Troika – übertragen werden und der Geschäfts- führende Direktor des ESM zugleich einen Vorschlag ei- 29406 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D ner Finanzhilfevereinbarung ausarbeiten kann. Diese erste, vorgelagerte Entscheidung des Gouverneursrates steht also am Beginn einer jeden ESM-Hilfe, denn diese Entscheidung hat eine konstitutive Funktion. Sie schafft erst die Legitimation der Europäischen Kommission für die sich daran anschließenden Verhandlungsprozesse. Sind das MoU und die Finanzhilfevereinbarung am Ende der Verhandlungen dann konsentiert, benötigen sie zur Inkraftsetzung nach Art. 13 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 ESM-Vertrag jeweils die Zustimmung des Gouverneurs- rates – zweite Stufe des Entscheidungsprozesses. Da es sich bei diesen insgesamt drei Entscheidungen des deut- schen Vertreters im Gouverneursrat – dem Bundes- finanzminister – um Entscheidungen handelt, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deut- schen Bundestages betreffen, stehen beide Entschei- dungsstufen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESMFinG unter dem Zustimmungsvorbehalt des Parlamentes. Der Bundesfinanzminister kann im Gouverneursrat bei die- sen Abstimmungen nur zustimmen oder sich der Stimme enthalten, wenn hierzu das Plenum des Deutschen Bun- destages zuvor einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Tatsächlich ist die vorgelagerte, konstitutive Be- schlussfassung des Gouverneursrates über eine grund- sätzliche Stabilitätshilfe des ESM für Zypern nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag – erste Entscheidungsstufe – und ein den deutschen Vertreter hierfür legitimierender zu- stimmender Beschluss des Bundestages bisher unterblie- ben. Dieser Parlamentsbeschluss wird erst heute, viele Monate nach Beginn der Troika-Verhandlungen, im Ple- num des Bundestages nachgeholt. Entgegen den Rege- lungen des ESM-Vertrages wurden stattdessen ein MoU und eine Finanzhilfevereinbarung entworfen, verhandelt und konsentiert, ohne dass die im Vertrag hierfür vorge- sehene Legitimation durch einen Beschluss des Gouver- neursrates erteilt worden ist. Die Bundesregierung recht- fertigt dieses vom ESM-Vertrag abweichende Verfahren damit, dass die Republik Zypern ihren Antrag auf Fi- nanzhilfe vor dem Inkrafttreten des ESM-Vertrages so- wie des ESMFinG bereits am 25. Juni 2012 gestellt und darin sowohl Hilfe der EFSF als auch des ESM beantragt hatte. Diese Rechtfertigungsgründe sind spätestens seit Oktober 2012 irrelevant. Das ESMFinG ist am 13. September 2012 in Kraft ge- treten, der ESM-Vertrag ist seit dem 27. September 2012 geltendes Recht. Am 4. Oktober 2012 begann in Zypern offiziell eine buchhalterische und wirtschaftliche Über- prüfung des Wertes von Kreditportfolios ausgewählter zypriotischer Banken – Due-Diligence-Prüfung –, die von einem Lenkungsausschuss beaufsichtigt wurde. In diesen Lenkungsausschuss wurden auch Vertreter des ESM als Mitglied entsandt; die EFSF war daran nicht beteiligt. Spätestens seit Anfang Oktober 2012 war dem- nach klar, dass der Hilfeantrag von Zypern kein „EFSF- Fall“ werden wird, sondern dass die Regelungen des ESM-Vertrages sowie des ESMFinG Anwendung finden müssen. Darüber hinaus ist in dieser Woche bekannt ge- worden, dass unter den ESM-Mitgliedern immer Einig- keit darüber bestanden hat, dass das Ersuchen Zyperns als ein an den ESM gerichtetes Finanzhilfeersuchen zu betrachten ist. Die Bundesregierung wäre deshalb ver- pflichtet gewesen, ab Inkrafttreten des ESM-Vertrages, spätestens aber ab Anfang Oktober 2012, auf eine Be- schlussfassung des Gouverneursrates nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag zu drängen und eine Abstimmung des Deutschen Bundestages nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESMFinG zu beantragen. Stattdessen hat die Bundesregierung, of- fensichtlich auch aus politischem Kalkül, diesen Antrag über sechseinhalb Monate verschleppt und damit auch elementare Beteiligungsrechte des Parlamentes missach- tet. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Katja Dörner, Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Memet Kilic, Sven- Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs, Oliver Krischer, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Lisa Paus, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Tressel, Arfst Wagner (Schleswig), Dr. Valerie Wilms, Josef Philip Winkler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie Heinz- Joachim Barchmann, Elke Ferner, Dietmar Nietan, Manfred Nink, Axel Schäfer (Bochum) und Frank Schwabe (alle SPD) zu den namentli- chen Abstimmungen über die Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bun- destages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes, nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes im Rahmen der Haftungsanpassungen nach Arti- kel 8 Absatz 2 des EFSF-Rahmenvertrages so- wie nach § 3 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Num- mer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (Tagesordnungspunkt 4 b) Die Republik Zypern ist und bleibt Mitglied der Euro- päischen Union und der Euro-Zone. Daran darf kein Zweifel mehr bestehen. Das desaströse Krisenmanage- ment der Euro-Gruppe hat in den letzten Wochen auf al- len Seiten viel Vertrauen gekostet: Vertrauen in Solidari- tät zwischen den Euro-Staaten, Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Finanzminister und Fi- nanzministerinnen, Vertrauen der Bevölkerungen in die Sicherheit selbst geringer Ersparnisse bei Banken in der Eurozone. Viel zu lange wurde die zyprische Bevölkerung mit ihren teils existentiellen Ängsten im Unklaren gelassen. Die Bundesregierung und der Stil der öffentlichen De- batte in Deutschland haben nicht nur zu dieser Verunsi- cherung, sondern auch zu Wut und Ablehnung beigetra- gen. Teils ist die Reaktion mancherorts in Zypern zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29407 (A) ) )(B) (C (D Unrecht entstanden, weil die Wirtschaftskrise dort weit- gehend auf eigene Fehler zurückzuführen ist und die vorherige zyprische Regierung die Verhandlungen über Monate verschleppt hat. Doch war und ist diese Re- aktion auch eine Antwort auf die innenpolitisch scharf- gemachte Debatte in Deutschland: Es darf nicht zum akzeptierten Allgemeingut werden, populistisch und de- spektierlich übereinander zu reden, ein einseitiges, un- differenziertes Bild von der Insel zu erzeugen und die existenziellen Sorgen der Menschen nur unzureichend zu erwähnen. Deutliche Kritik an der Krisenpolitik der Bundesregierung ist daher angebracht. Vergleiche oder gar Gleichsetzungen der Kanzlerin mit der nationalso- zialistischen Vergangenheit lehnen wir entschieden ab. Gegenseitige Diffamierung darf nicht der Kommuni- kationsstil unter europäischen Partnern sein. Zypern und der europäische Zusammenhalt sind keine wahlkampf- politischen Spielbälle. Wir müssen schleunigst zurück- kehren zu mehr gegenseitigem Verständnis und Respekt. Auch die deutsche Politik muss sich dieser Verantwor- tung bewusst sein. Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Maßnahmenpakets sind hart. Die EU muss der zy- prischen Bevölkerung nun jedwede Unterstützung zu- kommen lassen, damit das Land schnellstmöglich wie- der auf wirtschaftlich gesunde Beine kommt. Zypern muss sich auf die europäische Solidarität verlassen kön- nen. Investitionen in nachhaltiges Wachstum wie Solar- energie, Tourismus und Landwirtschaft müssen unter- stützt, die sozialen Auswirkungen der Krise abgefedert und bizonale sowie bikommunale Projekte gefördert werden. Dafür müssen unter anderem der Zugang zu Strukturfonds erleichtert sowie schnellstmöglich zusätz- liche Mittel der Europäischen Investitionsbank zur Be- kämpfung von Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt wer- den. Die vergangenen Wochen haben die Freundschaft zwischen Deutschland und Zypern auf eine harte Probe gestellt. Wir wollen nicht, dass diese wertvolle Bezie- hung irreparable Schäden davonträgt. Daher müssen alle Beteiligten aus ihren Fehlern lernen. Gerade jetzt ist es unser Anliegen, den deutsch-zyprischen Dialog nicht nur fortzusetzen, sondern bewusst zu stärken. Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Förderung gleichbe- rechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungs- punkt 4 b) Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich stimme heute für den Gesetzentwurf des Bundesrates, weil Frauen in den Führungsgremien der freien Wirtschaft tatsächlich deutlich unterrepräsentiert sind. Es sagt viel über die FDP und den Wirtschaftsflügel der Union, dass sie die Frauenquote mit der gleichen Härte bekämpfen wie den vollständigen Atomausstieg. Die Frauen der CDU sind für einen harmlosen Kompromiss einge- knickt. Sie sind im Zweifel solidarisch mit der deutschen Wirtschaft und ordnen die Frauenrechte den Wirtschafts- interessen unter. Aber ich verbinde mit dem Gesetzentwurf nicht die falschen Hoffnungen von SPD und Grünen, dass Frauen in Führungsgremien ein Unternehmen familienfreundli- cher gestalten würden, Einkommensdefizite der Frauen gegenüber den Männern ausgeglichen, Kinderbetreuung gefördert und die Umgangsformen innerhalb des Unter- nehmens sich positiv verändern würden. Tatsächlich kam eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2011 zu fol- gendem Ergebnis: „Es ließ sich für Deutschland kein sta- tistisch signifikanter allgemeiner (undifferenzierter) po- sitiver Performance-Effekt von Frauen in Aufsichtsräten nachweisen.“ Das bedeutet, dass mehr Frauen in Auf- sichtsräten nicht die entscheidenden Veränderungen bringen. Nein, Lohngleichheit, Arbeitnehmerrechte und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen in der Realität von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hart gegen die Unternehmensleitungen und Aufsichtsräte erkämpft werden. Ich bin zudem für eine Begrenzung der Gehälter innerhalb von Unternehmen. Auch ge- schlechtergerecht besetzte Aufsichtsräte müssen einer Einkommensbegrenzung unterliegen: Vorstandsmit- glieder sollten nicht mehr als das Zwanzigfache des durchschnittlich gezahlten Gehalts im jeweiligen Un- ternehmen erhalten. Ist denn tatsächlich die Frauenquote in Aufsichtsräten und Führungsgremien unser Problem? Im europäischen Vergleich gehört Deutschland zu den Schlusslichtern bei der Gleichstellung der Geschlechter. Obwohl Frauen Männer in den letzten Jahren bildungspolitisch ein- und überholt haben, sind sie immer noch mit struktureller Diskriminierung und einer traditionellen Geschlechter- ordnung konfrontiert. Was ist mit gleichen Löhnen für gleiche Arbeit? Ich wünsche mir eine ähnlich intensive Debatte über den Kampf gegen Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen und über die Vereinbarkeit von Kindern und Be- ruf. Frauen verdienen hierzulande bei gleicher Qualifika- tion durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer, in Hessen sind es sogar 25 Prozent. Frauen bilden mit 65 Prozent die größte Gruppe im Niedriglohnsektor. Wäre nicht die zuverlässige Betreuung von Kindern durch hochqualifizierte und gut bezahlte Erzieherinnen ein Thema für einen Gesetzesentwurf des Bundesrates? Aber das passt natürlich nicht mit der Schuldenbremse zusammen, für die die ganz große Koalition von CDU, FDP, SPD und Grünen steht. Ich stimme diesem Gesetzentwurf zu. Aber: Wirkli- che Gleichberechtigung für Arbeitnehmerinnen in Deutschland sieht anders aus. 29408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Frauen sind in Füh- rungspositionen der Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Übernahme von Führungsverantwortung geht. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die 2001 von der SPD angestoßen wurden, haben nicht den notwendigen Durchbruch gebracht. Der Bundesvorstand der Frauen Union der CDU hat sich daher bereits 2010 nach einer Expertenanhörung und intensiver Diskussion für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Durch einen Beschluss des Bundesdele- giertentages 2011 wurde diese Position bekräftigt. Kon- kret treten wir für eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten und eine flexible Quotenregelung in Vorständen ein. Als Zielmarke für die Aufsichtsräte for- dert die Frauen Union längerfristig eine Geschlechter- quote von 40 Prozent. Das Eintreten der Bundesministe- rin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für eine Flexiquote und ein breites Bündnis von Politikerinnen und Frauenverbänden haben das Bewusstsein für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch in Füh- rungspositionen der Wirtschaft gestärkt und viele Unter- nehmen dazu bewogen, ihre Anstrengungen dafür zu verstärken. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräfte- mangels und angesichts des großen ungenutzten Poten- zials von Frauen erkennen immer mehr Unternehmen, dass gemischte Führungsteams erfolgreicher sind und Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Die „Berliner Erklärung“ habe ich als Erstunterzeich- nerin bewusst unterstützt, um der Forderung nach einer festen Quote für Aufsichtsräte Nachdruck zu geben. Die Entwicklung zeigt: Es gibt Fortschritte. Insge- samt zeigen die geringen Steigerungsraten aber auch, dass der Verfassungsauftrag von Art. 3 Abs. 2 GG – „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberech- tigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Besei- tigung bestehender Nachteile hin“ – ohne verbindliche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzusetzen ist. Nach Angaben von „Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ lag der Anteil der Frauen in 160 DAX-Unterneh- men zum Stichtag 31. März 2013 bei 16,2 Prozent. In den Vorständen liegt er bei 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frau in der Unternehmensführung. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsmandaten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheide ich mich für eine solche gesetzli- che Regelung, die ich in der kommenden Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unmittelbar umsetzen will. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstimmung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich habe für die Einführung einer festen Quote in Führungspositionen gestimmt. In Deutschland verdienen Frauen fast ein Viertel we- niger als Männer, und zwar auf allen Ebenen: Die Arbeit einer Physikerin ist im Schnitt 32 Prozent weniger Lohn „wert“ als die eines Physikers, eine Verkäuferin verdient 26 Prozent weniger als ihr männlicher Kollege, eine In- genieurin 22, eine Köchin 20 Prozent. Im Niedriglohn- bereich, in Mini- und Midijobs arbeiten zu 70 Prozent Frauen, ihre Altersarmut ist vorprogrammiert. Viele von ihnen wünschen reguläre, sichere, anständig bezahlte Arbeitsverhältnisse. Auch auf Teilzeit geht ein Großteil von Frauen unfreiwillig. Die neoliberale Wirtschaft mit ihrem Streben nach Profitmaximierung hat diese Ungleichheiten seit Jahr- zehnten eher zementiert als egalisiert. Spätestens jetzt ist die Politik verpflichtet, die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung der Geschlechter durchzusetzen, auch in der Wirtschaft. Doch wo bleibt die parteiübergrei- fende mutige, kämpferische Gesetzesinitiative für Ent- geltgleichheit? Der Druck für eine verbindliche Frauenquote ist not- wendig. Sie müsste allerdings eine Quote von mindes- tens 50 Prozent – für Leitungspositionen, Ämter und Mandate – fordern, um Diskriminierungen von Frauen qua Geschlecht zu überwinden. In Norwegen gilt eine solche Quote seit 2006. Dort haben Frauen bewiesen: Sie schaden der Wirtschaft ebenso wenig wie in der Poli- tik eine Bundeskanzlerin Angela Merkel von Nachteil ist. Auch Frauen in Berufsarmeen machen aus dem Mili- tär keine Friedenskraft. Den aggressiven und patriarcha- len Charakter von Machtzentren in Politik, Wirtschaft und Militär ändern Frauen an deren Spitze nicht. Daran ändert die Quote grundsätzlich nichts. Diese Ungerechtigkeiten gehen die Fraktionen von SPD und Grünen nicht an, sie haben sie vielmehr durch die Hartz-Gesetze mitverursacht, durch die auch immer mehr Männer arm und rechtlos werden. Ich setze mich für Emanzipation und Selbstbestimmung ein. Die sind etwas qualitativ Anderes als das gleiche Recht von Män- nern und Frauen auf Ausbeutung am oberen Rand der Gesellschaft und die gleiche Pflicht zur Armut an der breiten unteren Basis. Ich habe mit Wut für die Einführung einer festen Quote in Aufsichtsräten gestimmt, mit Wut deshalb, weil die eigentlichen Ungerechtigkeiten nicht thematisiert werden. Monika Grütters (CDU/CSU): Frauen sind in Füh- rungspositionen der Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Übernahme von Führungsverantwortung geht. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29409 (A) ) )(B) (C (D die 2001 von der SPD angestoßen wurden, haben nicht den notwendigen Durchbruch gebracht. Der Bundesvorstand der Frauen Union der CDU hat sich daher bereits 2010 nach einer Expertenanhörung und intensiver Diskussion für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Durch einen Beschluss des Bundesdele- giertentages 2011 wurde diese Position bekräftigt. Kon- kret treten wir für eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten und eine flexible Quotenregelung in Vorständen ein. Als Zielmarke für die Aufsichtsräte for- dert die Frauen Union längerfristig eine Geschlechter- quote von 40 Prozent. Das Eintreten der Bundesministerin für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend für eine „Flexi-Quote“ und ein breites Bündnis von Politikerinnen und Frauenver- bänden haben das Bewusstsein für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch in Führungspositionen der Wirtschaft gestärkt und viele Unternehmen dazu bewo- gen, ihre Anstrengungen dafür zu verstärken. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und angesichts des großen ungenutzten Potenzials von Frauen erkennen immer mehr Unternehmen, dass gemischte Füh- rungsteams erfolgreicher sind und Innovationskraft so- wie Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Die „Berliner Erklärung“ habe ich als Unterzeichne- rin bewusst unterstützt, um der Forderung nach einer festen Quote für Aufsichtsräte Nachdruck zu verleihen. Die Entwicklung zeigt: Es gibt Fortschritte. Insge- samt zeigen die geringen Steigerungsraten aber auch, dass der Verfassungsauftrag von Art. 3 (2) GG, „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, ohne verbindliche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzusetzen ist. Nach Angaben von „Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ lag der Frauenanteil in Aufsichtsräten der 160 DAX-Unternehmen zum Stichtag 31. März 2013 bei 16,2 Prozent. In den Vorständen liegt er bei 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frau in der Unternehmensführung. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt einen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsgremien von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheide ich mich für eine solche gesetzli- che Regelung, die ich in der kommenden Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion unmittelbar umsetzen möchte. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Deutschen Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Katharina Landgraf (CDU/CSU): In Deutschland gibt es einen weitgehenden gesellschaftlichen und von allen Parteien getragenen Konsens darüber, dass der An- teil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst zu gering ist. Dieser Erkennt- nis müssen wirksame Maßnahmen folgen. Ziel muss es daher sein, verbindlich und verlässlich mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirt- schaft einzubeziehen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Der Anteil von Frauen in Führungspositio- nen muss daher maßgeblich erhöht werden. In der jüngsten Vergangenheit hat es verschiedene Ini- tiativen gegeben, die dieses gemeinsame Anliegen unter- stützen. Die Intention des Gesetzesantrages zur Förde- rung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien begrüße ich, da er für Aufsichts- und Verwaltungsräte börsennotierter und mit- bestimmter Unternehmen erstmals angemessene gesetz- lich verpflichtende Regelungen vorsieht, die das gesetzte Ziel praxisgerecht befördern. Bereits im Dezember 2011 hatten sich Abgeordnete aller sechs im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in ihrer „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Diese Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die in der „Berliner Er- klärung“ in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung des bislang unterrepräsentierten Geschlechts bei der Zusam- mensetzung von Aufsichtsgremien deutlich zu verbes- sern, ohne dass dadurch die Seite der Anteilseigner oder die der Arbeitnehmer überfordert werden. Daher werden wir – in der nächsten Legislaturperiode – gesetzlich re- geln, dass ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von mitbestim- mungspflichtigen und/oder börsennotierten Unterneh- men gilt. Die gesetzliche Verpflichtung zum Jahr 2020 lässt für alle Unternehmen ausreichend Zeit, um der ge- setzlichen Verpflichtung nachzukommen. Für die deutsche Wirtschaft ist dies ein Gewinn, der sich in der Führungskultur und im Erfolg der Unterneh- men niederschlagen wird. Für die Frauen in Deutschland bedeutet diese Festlegung eine Verbesserung von Ver- wirklichungs- und Teilhabechancen. Die Zeit ist reif, die notwendigen Entscheidungen rechtzeitig und im breiten politischen Konsens vorzube- reiten. Dazu sind in den letzten Tagen kraftvolle Schritte unternommen worden, auf die man vertrauen kann und hinter denen ein großes Engagement entscheidender politischer Kräfte steht. Die Quote ist unabdingbar, das Verfahren zur Quote sollte aber das in den letzten Tagen erreichte Ziel, ein deutliches Votum pro Quote im Bun- desvorstand der CDU, nicht vorführen. Auch insoweit gilt Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Wir haben viel erreicht und stehen zu unserem Wort. Es wird die Quote geben. Die CDU wird das Ziel mit aller Konsequenz ver- folgen. Diesen Weg will ich mitgehen und gestalten. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. 29410 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): In Deutschland gibt es einen breiten gesellschaftlichen und von allen Parteien getragenen Konsens darüber, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst zu gering ist. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Über- nahme von Führungsverantwortung geht. Dieser Er- kenntnis müssen wirksame Maßnahmen folgen. Unser Anliegen ist es daher, verbindlich und verläss- lich mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirt- schaft einzubeziehen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Ich bin daher der Überzeugung, dass wir ei- nen Schritt weiter gehen müssen. In der jüngsten Vergangenheit hat es verschiedene Ini- tiativen gegeben, die dieses gemeinsame Anliegen unter- stützen. Die Intention des Gesetzesantrages des Bundes- rates zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien, der auch von CDU-geführten Bundesländern mitgetragen wurde, wird daher von uns begrüßt, da er für Aufsichts- und Verwal- tungsräte börsennotierter und mitbestimmter Unterneh- men erstmals angemessene gesetzlich verpflichtende Re- gelungen vorsieht, die das gesetzte Ziel praxisgerecht befördern. Bereits im Dezember 2011 hatten sich Abgeordnete aller sechs im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in ihrer „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Diese Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die in der „Berliner Er- klärung“ in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung des bislang unterrepräsentierten Geschlechts bei der Zusam- mensetzung von Aufsichtsgremien deutlich zu verbes- sern, ohne dass dadurch die Seite der Anteilseigner oder die der Arbeitnehmer überfordert werden. Daher werden wir als Bestandteil unseres Regierungsprogramms für die Bundestagswahl 2013 klar und unmissverständlich regeln, dass wir ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von voll mitbe- stimmten und börsennotierten Unternehmen wollen. Das wollen und werden wir auch in Koalitionsverhandlungen nach der Wahl durchsetzen. Die Zeit ist reif, die notwendigen Entscheidungen rechtzeitig und im breiten politischen Konsens vorzube- reiten. Dazu sind in den letzten Tagen kraftvolle Schritte unternommen worden, auf die man vertrauen kann und hinter denen ein großes Engagement entscheidender politischer Kräfte steht: Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Parteitagsbeschluss vom Dezember 2012 im Sinne einer verbindlichen gesetzlichen Quote ab 2020 weiterentwickelt. Wir haben also eine klare Richtung und ein klares Ziel. Dieses Ziel – 30 Prozent als verbindliche Quote – ist das, was auch in der „Berliner Erklärung“ festgehal- ten ist. Diese Erklärung haben viele Kolleginnen und, ich betone: auch männliche Kollegen aus allen Fraktio- nen unterzeichnet. Auch ich habe sie unterschrieben. Das – und nicht die Hamburger Gesetzesinitiative – war und ist Maßstab meines Abstimmungsverhaltens. Für mich ist daher klar: Ich trete weiter ein für mehr Frauen in Führungspositionen – aber ich will, dass wir dies durch eigene Initiativen erreichen. Wir lassen uns daher hier und heute nicht von der Opposition ausein- anderdividieren, sondern wir stehen zusammen. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung heute aus, dass ich den dem Bundestag vorliegen- den Gesetzentwürfen der Opposition zustimme. Karin Maag (CDU/CSU): Frauen sind in Führungs- positionen der Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Übernahme von Führungsverantwortung geht. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die 2001 von der SPD angestoßen wurden, haben nicht den notwendigen Durchbruch gebracht. Der Bundesvorstand der Frauen Union der CDU hat sich daher bereits 2010 nach einer Expertenanhörung und intensiver Diskussion für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Durch einen Beschluss des Bundesdele- giertentages 2011 wurde diese Position bekräftigt. Kon- kret treten wir für eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten und eine flexible Quotenregelung in Vorständen ein. Als Zielmarke für die Aufsichtsräte for- dert die Frauen Union längerfristig eine Geschlechter- quote von 40 Prozent. Das Eintreten der Bundesministerin für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend für eine „Flexi-Quote“ und ein breites Bündnis von Politikerinnen und Frauenver- bänden haben das Bewusstsein für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch in Führungspositionen der Wirtschaft gestärkt und viele Unternehmen dazu bewo- gen, ihre Anstrengungen dafür zu verstärken. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und angesichts des großen ungenutzten Potenzials von Frauen erkennen immer mehr Unternehmen, dass gemischte Füh- rungsteams erfolgreicher sind und Innovationskraft so- wie Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Die „Berliner Erklärung“ habe ich bewusst unter- stützt, um der Forderung nach einer festen Quote für Aufsichtsräte Nachdruck zu geben. Die Entwicklung zeigt: Es gibt Fortschritte. Insge- samt zeigen die geringen Steigerungsraten aber auch, dass der Verfassungsauftrag von Art. 3 (2) GG, „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, ohne verbindliche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzusetzen ist. Nach Angaben von „Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ lag der Anteil der Frauen in 160 DAX-Unterneh- men zum Stichtag 31. März 2013 bei 16,2 Prozent. In den Vorständen liegt er bei 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frau in der Unternehmensführung. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29411 (A) ) )(B) (C (D höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsmandaten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheide ich mich für eine solche gesetzli- che Regelung, die ich in der kommenden Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion unmittelbar umsetzen will. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): In unserem Land gibt es inzwischen erfreulicherweise einen weitgehenden gesellschaftlichen Konsens darüber, dass der geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft nicht länger hinnehmbar ist. Frauen stoßen nach wie vor viel zu oft an eine „gläserne Decke“, wenn es um die Übernahme von Führungsverantwortung in der Wirt- schaft geht. Ebenso ist inakzeptabel, dass Frauen nach wie vor häufig für ihre Leistung schlechter bezahlt wer- den als Männer in vergleichbaren Positionen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ha- ben bezüglich der Führungsverantwortung nicht den not- wendigen Durchbruch gebracht. Es gibt zwar Fort- schritte, aber die geringen Steigerungsraten zeigen, dass der Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz, Frauen und Männer sind gleichberechtigt, ohne verbind- liche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzu- setzen ist. Nach Zahlen von „Frauen in die Aufsichtsräte e.V.“ lag der Anteil der Frauen in den 160 DAX-Unter- nehmen per 31. März 2013 bei gerade einmal 16,2 Pro- zent. In den Vorständen liegt er gar bei nur 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frauen in der Untemehmensführung. Es ist also überfällig, wirksam zu handeln. In der jüngeren Vergangenheit hat es verschiedene Initiativen gegeben, die dieses Anliegen vorantreiben. Beginnend im Dezember 2011 haben sich neben vielen weiteren Engagierten Abgeordnete der im Bundestag vertretenen Parteien und Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in der „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Die Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die dort in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung bei der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien großer Kapitalgesellschaften deutlich zu verbessern, ohne dass dadurch Anteilseigner überfor- dert werden. Ursula von der Leyen gehörte zu den Erstunterzeich- nern der Initiative. Ihr gebührt Dank, dass sie für dieses wichtige Thema kraftvoll eingetreten ist. Die „Berliner Erklärung“ habe auch ich als Unter- zeichner bewusst unterstützt. Ich bin überzeugt: Für die Frauen in Deutschland wird es eine Verbesserung von Verwirklichungs- und Teilhabechancen. Für die deutsche Wirtschaft wird es ein Gewinn, der sich in der Führungs- kultur und im Erfolg der Unternehmen niederschlagen wird. Die Intention des heute zur Abstimmung stehenden Bundesratsgesetzentwurfs begrüße ich dem Grunde nach, da für Aufsichts- und Verwaltungsräte börsenno- tierter vollmitbestimmter Unternehmen angemessene ge- setzlich verpflichtende Regelungen der richtige Weg sind. In den letzten Tagen sind kraftvolle Schritte für die notwendigen Entscheidungen unternommen worden, auf die ich vertraue. Der Bundesvorstand der CDU hat den einschlägigen Parteitagsbeschluss aus dem Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichts- räten erhöht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi-Quote“ soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von zunächst 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsratsman- daten von vollmitbestimmten börsennotierten Unterneh- men gelten. Ich entscheide mich für eine gesetzliche Regelung, die ich in der kommenden Legislaturperiode des Deut- schen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Frak- tion unmittelbar umsetzen will. Das schließt trotz der weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung im Verfah- ren heute eine Zustimmung zum Bundesratsgesetzent- wurf aus. Mit wechselnden Mehrheiten ist keine Regierung handlungsfähig. Dazu, dass Angela Merkel weiterhin als Bundeskanzlerin erfolgreiche Politik für unser Land ge- stalten kann, will ich beitragen. Auch das oben genannte Thema „equal pay“ ist dabei auf der politischen Tages- ordnung. Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): In Deutsch- land gibt es einen weitgehenden gesellschaftlichen und von allen Parteien getragenen Konsens darüber, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirt- schaft und im öffentlichen Dienst zu gering ist. Dieser Erkenntnis müssen wirksame Maßnahmen folgen. Unser Anliegen ist es daher, verbindlich und verläss- lich mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirt- schaft einzubeziehen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Der Anteil von Frauen in Führungspositio- nen muss daher maßgeblich erhöht werden. In der jüngsten Vergangenheit hat es verschiedene Initiativen gegeben, die dieses gemeinsame Anliegen unterstützen. Die Intention des Gesetzesantrages zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien wird daher dem Grunde nach von uns begrüßt, da er für Aufsichts- und Verwal- tungsräte börsennotierter und mitbestimmter Unterneh- men erstmals angemessene gesetzlich verpflichtende Re- gelungen vorsieht, die das gesetzte Ziel praxisgerecht befördern. Bereits im Dezember 2011 hatten sich Abgeordnete aller sechs im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in ihrer 29412 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Diese Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die in der „Berliner Er- klärung“ in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung des bislang unterrepräsentierten Geschlechts bei der Zusam- mensetzung von Aufsichtsgremien deutlich zu verbes- sern, ohne dass dadurch die Seite der Anteilseigner oder die der Arbeitnehmer überfordert werden. Daher werden wir – in der nächsten Legislaturperiode – gesetzlich re- geln, dass ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von mitbestim- mungspflichtigen und/oder börsennotierten Unterneh- men gilt. Die gesetzliche Verpflichtung zum Jahr 2020 lässt für alle Unternehmen ausreichend Zeit, um der ge- setzlichen Verpflichtung nachzukommen. Für die deutsche Wirtschaft ist dies ein Gewinn, der sich in der Führungskultur und im Erfolg der Unterneh- men niederschlagen wird. Für die Frauen in Deutschland bedeutet diese Festlegung eine Verbesserung von Ver- wirklichungs- und Teilhabechancen. Die Zeit ist reif, die notwendigen Entscheidungen rechtzeitig und im breiten politischen Konsens vorzube- reiten. Dazu sind in den letzten Tagen kraftvolle Schritte unternommen worden, auf die man vertrauen kann und hinter denen ein großes Engagement entscheidender politischer Kräfte steht. Die Quote ist unabdingbar, das Verfahren zur Quote sollte aber das in den letzten Ta- gen erreichte Ziel, ein deutliches Votum pro Quote im Bundesvorstand der CDU, nicht vorführen. Auch inso- weit gilt Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Wir haben viel erreicht und stehen zu unserem Wort. Es wird die Quote geben. Die CDU wird das Ziel mit aller Konse- quenz verfolgen. Diesen Weg werden wir mitgehen und gestalten. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstimmung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Frauen sind in Führungspositionen der Wirtschaft stark unterreprä- sentiert. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Übernahme von Führungsverant- wortung geht. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die 2001 von der SPD angestoßen wurden, haben nicht den notwendigen Durchbruch gebracht. Der Bundesvorstand der Frauen Union der CDU hat sich daher bereits 2010 nach einer Expertenanhörung und intensiver Diskussion für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Durch einen Beschluss des Bundesdele- giertentages 2011 wurde diese Position bekräftigt. Kon- kret treten wir für eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten und eine flexible Quotenregelung in Vorständen ein. Als Zielmarke für die Aufsichtsräte for- dert die Frauen Union längerfristig eine Geschlechter- quote von 40 Prozent. Das Eintreten der Bundesministerin für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend für eine „Flexi-Quote“ und ein breites Bündnis von Politikerinnen und Frauenver- bänden haben das Bewusstsein für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch in Führungspositionen der Wirtschaft gestärkt und viele Unternehmen dazu bewo- gen, ihre Anstrengungen dafür zu verstärken. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und angesichts des großen ungenutzten Potenzials von Frauen erkennen immer mehr Unternehmen, dass gemischte Füh- rungsteams erfolgreicher sind und Innovationskraft so- wie Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Die „Berliner Erklärung“ habe ich als Unterzeichne- rin bewusst unterstützt, um der Forderung nach einer festen Quote für Aufsichtsräte Nachdruck zu geben. Die Entwicklung zeigt: Es gibt Fortschritte. Insge- samt zeigen die geringen Steigerungsraten aber auch, dass der Verfassungsauftrag von Art. 3 (2) GG, „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, ohne verbindliche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzusetzen ist. Nach Angaben von „Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ lag der Anteil der Frauen in 160 DAX-Unterneh- men zum Stichtag 31. März 2013 bei 16,2 Prozent. In den Vorständen liegt er bei 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frau in der Unternehmensführung. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsmandaten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheide ich mich für eine solche gesetzli- che Regelung, die ich in der kommenden Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion unmittelbar umsetzen will. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): In Deutschland gibt es einen weitgehenden gesellschaftli- chen und von allen Parteien getragenen Konsens da- rüber, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst zu gering ist. Dieser Erkenntnis müssen wirksame Maßnahmen folgen. Unser Anliegen ist es daher, verbindlich und verläss- lich mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirt- schaft einzubeziehen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Der Anteil von Frauen in Führungspositio- nen muss daher maßgeblich erhöht werden. In der jüngsten Vergangenheit hat es verschiedene Initiativen gegeben, die dieses gemeinsame Anliegen unterstützen. Die Intention des Gesetzesantrags zur För- derung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien wird daher dem Grunde Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29413 (A) ) )(B) (C (D nach von uns begrüßt, da er für Aufsichts- und Verwal- tungsräte börsennotierter und mitbestimmter Unterneh- men erstmals angemessene gesetzlich verpflichtende Re- gelungen vorsieht, die das gesetzte Ziel praxisgerecht befördern. Bereits im Dezember 2011 hatten sich Abgeordnete aller sechs im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in ihrer „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Diese Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die in der „Berliner Er- klärung“ in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung des bislang unterrepräsentierten Geschlechts bei der Zusam- mensetzung von Aufsichtsgremien deutlich zu verbes- sern, ohne dass dadurch die Seite der Anteilseigner oder die der Arbeitnehmer überfordert wird. Daher werden wir – in der nächsten Legislaturperiode – gesetzlich re- geln, dass ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von mitbestim- mungspflichtigen und/oder börsennotierten Unterneh- men gilt. Die gesetzliche Verpflichtung zum Jahr 2020 lässt für alle Unternehmen ausreichend Zeit, um der ge- setzlichen Verpflichtung nachzukommen. Für die deutsche Wirtschaft ist dies ein Gewinn, der sich in der Führungskultur und im Erfolg der Unterneh- men niederschlagen wird. Für die Frauen in Deutschland bedeutet diese Festlegung eine Verbesserung von Ver- wirklichungs- und Teilhabechancen. Die Zeit ist reif, die notwendigen Entscheidungen rechtzeitig und im breiten politischen Konsens vorzube- reiten. Dazu sind in den letzten Tagen kraftvolle Schritte unternommen worden, auf die wir vertrauen und hinter denen ein großes Engagement entscheidender politischer Kräfte steht. Es ist nun konkret absehbar, dass wir eine verbindliche Regelung gemeinsam mit der Union umset- zen können. Dies ist aus unserer Sicht die zielführendste Option, um zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen. Wir haben viel erreicht und stehen zu unserem Wort. Es wird die Quote geben. Die CDU wird das Ziel mit aller Konsequenz verfolgen. Diesen Weg werden wir mitge- hen und gestalten. Auch insoweit gelten beiderseits Ver- lässlichkeit und Verbindlichkeit. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstimmung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorlie- genden Gesetzentwürfen aus. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Veronika Bellmann, Dr. Maria Böhmer, Ursula Heinen-Esser und Nadine Schön (St. Wendel) (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungs- gremien (GlTeilhG) (Tagesordnungspunkt 4 b) Frauen sind in Führungspositionen der Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Frauen stoßen nach wie vor an eine gläserne Decke, wenn es um die Übernahme von Führungsverantwortung geht. Freiwillige Selbstver- pflichtungen der Wirtschaft, die 2001 von der SPD ange- stoßen wurden, haben nicht den notwendigen Durch- bruch gebracht. Der Bundesvorstand der Frauen Union der CDU hat sich daher bereits 2010 nach einer Expertenanhörung und intensiver Diskussion für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Durch einen Beschluss des Bundesdele- giertentages 2011 wurde diese Position bekräftigt. Kon- kret treten wir für eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten und eine flexible Quotenregelung in Vorständen ein. Als Zielmarke für die Aufsichtsräte for- dert die Frauen Union längerfristig eine Geschlechter- quote von 40 Prozent. Das Eintreten der Bundesministerin für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend für eine „Flexi-Quote“ und ein breites Bündnis von Politikerinnen und Frauenver- bänden haben das Bewusstsein für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch in Führungspositionen der Wirtschaft gestärkt und viele Unternehmen dazu bewo- gen, ihre Anstrengungen dafür zu verstärken. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und angesichts des großen ungenutzten Potenzials von Frauen erkennen immer mehr Unternehmen, dass gemischte Führungs- teams erfolgreicher sind und Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Die „Berliner Erklärung“ haben wir als Erstunter- zeichnerinnen bewusst unterstützt, um der Forderung nach einer festen Quote für Aufsichtsräte Nachdruck zu geben. Die Entwicklung zeigt: Es gibt Fortschritte. Insge- samt zeigen die geringen Steigerungsraten aber auch, dass der Verfassungsauftrag von Art. 3 (2) GG, „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, ohne verbindliche gesetzliche Regelungen kaum in der Breite umzusetzen ist. Nach Angaben von „Frauen in die Aufsichtsräte e.V.“ lag der Anteil der Frauen in 160 DAX-Unternehmen zum Stichtag 31. März 2013 bei 16,2 Prozent. In den Vorständen liegt er bei 5,9 Prozent. Nach wie vor hat ein Viertel der DAX-Unternehmen überhaupt keine Frau in der Unternehmensführung. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsmandaten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheiden wir uns für eine solche gesetz- liche Regelung, die wir in der kommenden Legislatur- periode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion unmittelbar umsetzen wollen. Das schließt trotz der weitgehenden inhaltlichen Überein- stimmung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. 29414 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Ursula von der Leyen und Rita Pawelski (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Ta- gesordnungspunkt 4 b) In Deutschland gibt es einen weitgehenden gesell- schaftlichen und von allen Parteien getragenen Konsens darüber, dass der Anteil von Frauen in Führungspositio- nen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst zu ge- ring ist. Dieser Erkenntnis müssen wirksame Maßnah- men folgen. Unser Anliegen ist es daher, verbindlich und verläss- lich mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirt- schaft einzubeziehen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Der Anteil von Frauen in Führungspositio- nen muss daher maßgeblich erhöht werden. In der jüngsten Vergangenheit hat es verschiedene Ini- tiativen gegeben, die dieses gemeinsame Anliegen unter- stützen. Die Intention des Gesetzesantrags zur Förde- rung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien wird daher dem Grunde nach von uns begrüßt, da er für Aufsichts- und Verwal- tungsräte börsennotierter und mitbestimmter Unterneh- men erstmals angemessene gesetzlich verpflichtende Re- gelungen vorsieht, die das gesetzte Ziel praxisgerecht befördern. Bereits im Dezember 2011 hatten sich Abgeordnete aller sechs im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Vertreterinnen sechs großer Frauenverbände in ihrer „Berliner Erklärung“ für eine feste Quote von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien börsennotierter, mitbestimmungspflichtiger und öffentlicher Unterneh- men eingesetzt. Diese Initiative hat in der Gesellschaft breite Unterstützung gefunden. Die in der „Berliner Er- klärung“ in einem ersten Schritt geforderte Quote von 30 Prozent ist angemessen, um die Berücksichtigung des bislang unterrepräsentierten Geschlechts bei der Zusam- mensetzung von Aufsichtsgremien deutlich zu verbes- sern, ohne dass dadurch die Seite der Anteilseigner oder die der Arbeitnehmer überfordert wird. Daher werden wir in der nächsten Legislaturperiode gesetzlich regeln, dass ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von mitbestimmungspflich- tigen und/oder börsennotierten Unternehmen gilt. Die gesetzliche Verpflichtung zum Jahr 2020 lässt für alle Unternehmen ausreichend Zeit, um der gesetzlichen Ver- pflichtung nachzukommen. Für die deutsche Wirtschaft ist dies ein Gewinn, der sich in der Führungskultur und im Erfolg der Unterneh- men niederschlagen wird. Für die Frauen in Deutschland bedeutet diese Festlegung eine Verbesserung von Ver- wirklichungs- und Teilhabechancen. Der Bundesvorstand der CDU hat jetzt seinen Partei- tagsbeschluss vom Dezember 2012 weiterentwickelt. Wir wollen gesetzlich regeln, dass der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen er- höht wird. Neben einer unmittelbar geltenden „Flexi- Quote“ für Vorstände und Aufsichtsräte soll ab dem Jahr 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Auf- sichtsratsmandaten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten. Deshalb entscheiden wir uns für eine solche gesetzli- che Regelung, die wir in der kommenden Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion unmittelbar umsetzen wollen. Das schließt trotz der weitgehend inhaltlichen Übereinstim- mung im Verfahren heute eine Zustimmung zu den dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen aus. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Karin Binder, Heidrun Dittrich, Dr. Dagmar Enkelmann, Inge Höger, Ulla Jelpke, Dorothée Menzner, Cornelia Möhring, Kathrin Vogler und Johanna Voß (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur För- derung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) (Tagesordnungspunkt 4 b) Wir stimmen zwar für den Antrag für eine Frauen- quote, aber: Die Linke steht an der Seite der großen Mehrheit der Frauen. Wir stehen an der Seite der Mini- jobberinnen, der Erwerbslosen, der Alleinerziehenden, der Erzieherinnen, der Putzfrauen und Grundschullehre- rinnen, der Krankenschwestern und Verkäuferinnen. Wir sind nicht die Lobby der Banken und Konzerne. Wir sind nicht die Lobby der Aufsichtsräte und Vorstände – egal ob in den Chefetagen Frauen oder Männer sitzen. Wir sind die Lobby derjenigen, die endlich einen ge- setzlichen Mindestlohn von mindestens 10 Euro brau- chen, wir sind die Lobby derjenigen, die von prekärem Lohn leben müssen und die dem Hartz-IV-System aus- geliefert sind. Wir kämpfen an der Seite der Frauen, die sich für gute Arbeit und für gleichen Lohn einsetzen. Was heute abgestimmt wird, das mag ein winziger Schritt auf dem Weg zur Überwindung patriarchaler Strukturen sein, die Lebensverhältnisse für die große Mehrheit der Frauen wird eine Quote in den Chefetagen nicht ändern. Der Gesetzentwurf bleibt zudem überdeut- lich hinter den ursprünglichen Forderungen der Opposi- tionsfraktionen zurück. Die Übergangsfristen für das Inkrafttreten der Quoten sind auffällig lang, und im ersten Schritt ist lediglich eine erbärmliche Mindestquote von 20 Prozent vorgese- hen. Wer es wirklich ernst nimmt mit Gleichberechti- gung, der schließt Schlupflöcher, anstelle Ausnahmere- gelungen zu schaffen, und wer es ernst meint, der führt auch Sanktionen ein, die wirklich weh tun. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29415 (A) ) )(B) (C (D Der Antrag wird für die Lebenssituation von 99,9 Prozent der Frauen keinen Unterschied machen. Zwei winzige Vorteile bringt er jedoch, zum einen bringt er Unruhe in die Männerbünde der Chefetagen, und zum zweiten wird hier ein Präzedenzfall dafür geschaffen, dass es möglich ist, durch politische Entscheidungen verbindlich die Situation von Frauen auch in der Privat- wirtschaft zu verbessern. Grundsätzlich gilt jedoch: Feminismus und soziale Gerechtigkeit gehören untrennbar zusammen. Der we- sentliche Kampf ist nicht der um ein paar Frauen in den Chefetagen, sondern der für die Verbesserung der Rechte, der Arbeitsbedingungen und der Einkommen der großen Mehrheit der Frauen. Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung des Anti-D-Hilfegesetzes (Ta- gesordnungspunkt 43 a) Steffen-Claudio Lemme (SPD): Ich werde mich bei dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke enthalten und kann diesem nicht zustimmen. Ich möchte aber das Bemühen für die Belange der Betroffenen an dieser Stelle anerkennen. Das Schicksal der Betroffenen hat mich zutiefst berührt. Menschen, denen derartiges Un- recht zugefügt wird, muss die Politik stets zur Seite ste- hen. Dies habe ich als Berichterstatter für dieses Thema auch getan und mit dem Betroffenenverband der geschä- digten Frauen intensiv über ihre Probleme gesprochen. Von ihnen wird ausdrücklich auf nachgelagerte Umset- zungsprobleme des Anti-D-Hilfegesetzes verwiesen, die durch die von der Fraktion Die Linke vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht überwunden werden können. Ich möchte dies kurz begründen: Eine Beweislastumkehr, wie von der Fraktion Die Linke gefordert, wird von allen Expertinnen und Exper- ten zurückgewiesen. Denn nach geltendem Recht ist ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Anti-DHG in Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundesversorgungs- gesetz, BVG, bereits dann gegeben, wenn ein Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Infek- tion und den geltend gemachten Schädigungsfolgen er- bracht werden kann. Dieser Nachweis ist bereits geführt, wenn der Zusammenhang wahrscheinlich ist, das heißt, wenn mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammen- hang spricht, was hier ausdrücklich der Fall ist. Es han- delt sich hier um eine grundsätzliche Form der Beweis- erleichterung. Nicht die Betroffenen selbst haben den Nachweis einer Schädigung zu führen. Vielmehr haben die zuständigen Behörden der Versorgungsverwaltung bzw. im Verfahrensfall die Sozialgerichtsbarkeit nach dem allgemein geltenden Amtsermittlungsgrundsatz des Sozialrechts – § 20 SGB X, § 103 SGG – den Sachver- halt von Amts wegen aufzuklären. Entgegen dem Vorschlag der Fraktion Die Linke müs- sen sich die betroffenen Frauen vielmehr darauf verlas- sen können, dass die Bundesregierung darauf hinwirkt, dass das Gesetz einheitlich ausgeführt und gemeinsam mit den Bundesländern koordiniert und evaluiert wird. Sie wollen vor allem über den Fortgang der Entwicklun- gen stetig informiert werden. Darüber hinaus müssen ge- rade die Gutachterinnen und Gutachter der betroffenen Frauen über eine spezifische Fachqualifikation verfügen, damit letztlich die Betroffenen Vertrauen in die Begut- achtung ihrer Leiden haben können. Notwendig ist zu- dem, dass eine Begutachtung der Infektion und ihrer Folgeerkrankungen nach dem Stand der Wissenschaft er- folgt und eine in diesem Zusammenhang notwendige Überprüfung der Versorgungsmedizinverordnung umge- hend angegangen wird. Somit werde ich mich beim Entwurf der Fraktion Die Linke nur enthalten können. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich werde dem Gesetz- entwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen kön- nen, erkenne jedoch das Bemühen um die Belange der Betroffenen ausdrücklich an. Auch ich stehe seit Jahren in engem Austausch mit ihnen. Seit der Verabschiedung des Anti-D-Hilfegesetzes hat der Betroffenenverband auch mir gegenüber wiederholt auf spezifische Probleme hingewiesen, die jedoch mit dem von der Fraktion Die Linke eingebrachten Gesetzesänderungsvorschlag nicht gelöst werden können. Ich will kurz meine Abstimmung begründen: Die Forderung der Fraktion Die Linke nach einer Be- weislastumkehr ist rechtssystematisch falsch. Denn nach geltendem Recht ist ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Anti-DHG in Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz – BVG – bereits dann gege- ben, wenn ein Nachweis des ursächlichen Zusammen- hangs zwischen der Infektion und den geltend gemach- ten Schädigungsfolgen erbracht werden kann. Dieser Nachweis ist bereits geführt, wenn der Zusammenhang wahrscheinlich ist, das heißt, wenn mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht, was hier ausdrücklich der Fall ist. Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Form der Beweiserleichterung. Nicht die Betroffenen selbst haben den Nachweis einer Schädi- gung zu führen. Vielmehr haben die zuständigen Behörden der Versorgungsverwaltung bzw. im Verfahrensfall die Sozialgerichtsbarkeit nach dem allgemein geltenden Amtsermittlungsgrundsatz des Sozialrechts – § 20 SGB X, § 103 SGG – den Sachverhalt von Amts wegen aufzu- klären. Entgegen dem Vorschlag der Fraktion Die Linke müs- sen sich die betroffenen Frauen vielmehr darauf verlas- sen können, dass die Bundesregierung darauf hinwirkt, dass das Gesetz einheitlich ausgeführt und gemeinsam mit den Bundesländern koordiniert und evaluiert wird. Sie wollen vor allem über den Fortgang der Entwicklun- gen stetig informiert werden. Darüber hinaus müssen ge- rade die Gutachterinnen und Gutachter der betroffenen Frauen über eine spezifische Fachqualifikation verfügen, damit letztlich die Betroffenen Vertrauen in die Begut- achtung ihrer Leiden haben können. Notwendig ist zudem, dass eine Begutachtung der Infektion und ihrer 29416 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Folgeerkrankungen nach dem Stand der Wissenschaft er- folgt und eine in diesem Zusammenhang notwendige Überprüfung der Versorgungsmedizinverordnung umge- hend angegangen wird. Vor diesem Hintergrund werde ich mich bei der Ab- stimmung des Gesetzentwurfs der Fraktion Die Linke enthalten. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Menschenrechtslage und humani- täre Situation in der Westsahara verbessern und Klärung des völkerrechtlichen Status voranbringen – Große Anfrage: Haltung der Bundesregie- rung zur Westsahara und zur Menschen- rechtslage in den vom Königreich Marokko und der Frente Popular de Liberacion de Saguía el Hamra y Río de Oro kontrollierten Gebiet – Antrag: Die Beendigung der völkerrechts- widrigen Besatzungspolitik Marokkos in der Westsahara und Lösung des Konflikts durch Referendum unterstützen (Tagesordnungs- punkt 12 und Zusatztagesordnungspunkte 7 und 8) Frank Heinrich (CDU/CSU): Infolge des seit Jahr- zehnten ungeklärten völkerrechtlichen Status befindet sich die Lage der Menschenrechte in der Westsahara in einer gefährlichen Sackgasse. Man muss von einer dau- erhaften sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Dis- kriminierung der saharauischen Bevölkerung sprechen. Durch den Bürgerkrieg in Mali und die 70 000 Flüchtlinge, die in den anliegenden Sahara-Staaten und insbesondere in Mauretanien untergekommen sind, hat sich der Fokus der Weltöffentlichkeit neu der Region zu- gewandt – doch nach wie vor ist das Thema Westsahara dabei mehr als unterbelichtet. Vielleicht eröffnen sich Chancen zu neuem Handeln? Einige positive Signale lassen aufmerken. Doch dazu später mehr. Beginnen möchte ich mit einer Situationsbeschrei- bung: Bis heute leben, je nach Schätzung, zwischen 100 000 und 160 000 Sahauris in Flüchtlingslagern nahe der Stadt Tindouf in der algerischen Sahara. Das Gebiet der Westsahara ist aktuell durch eine befestigte und ver- minte Grenzanlage geteilt, die von Marokko entlang der Waffenstillstandslinie von 1991 errichtet wurde. Seit 1963 – und damit seit einem halben Jahrhundert! – steht die Westsahara auf der Liste der Vereinten Nationen als ein „Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung“. Die organi- sierte und international anerkannte Vertretung der Saha- rauis, die Polisario, tritt auf der Stelle. Die Afrikanische Union hat die Polisario als Vertretung der Saharauis an- erkannt, woraufhin Marokko aus der Union ausgetreten ist. Ein Status, an dem sich seit Jahren nichts ändert. Ebenfalls seit Jahren stagniert die konstruktive Unter- stützung für die Westsahara durch die Weltgemeinschaft. Sobald kleinere Fortschritte erzielt werden, geht es bald darauf wieder einen Schritt zurück. Seit Jahren beschul- digen sich Algerien und Marokko gegenseitig, ohne den Status quo anzutasten. Seit Jahren diskutieren wir ergeb- nislos hier im Bundestag. Das ist ernüchternd. Es ist er- schütternd. Und mehr noch: Es ist brandgefährlich. Schon wächst die zweite Generation Saharauis heran, die unter menschenunwürdigen Bedingungen lebt, die nicht das erhält, was ihr historisch und völkerrechtlich zusteht. Es brodelt unter diesen Menschen – wer will es ihnen verdenken? Es wächst eine Generation heran, die noch niemals in Freiheit gelebt hat. Gut ausgebildete junge Menschen haben keine Perspektive. Weder auf Ar- beit oder Wohlstand, noch auf freie demokratische Ge- staltungsmöglichkeiten in ihrem Land – ja, sie wissen nicht einmal, ob der völkerrechtliche Status der Westsa- hara zu ihren eigenen Lebzeiten geklärt werden wird. Dass hier ein Nährboden für extremistisches Gedanken- gut zumindest entstehen könnte, liegt auf der Hand. Die Westsahara liegt vor unserer Haustür, das Fische- reiabkommen zwischen der EU und Marokko, das die Befischung von Gewässern regelt, deren Status weiter- hin ungeklärt ist, da sie territorial zur Westsahara gehö- ren, aber von Marokko befischt werden, betrifft EU- Recht – und damit die Bundesrepublik ganz unmittelbar. Ich werde darauf noch näher eingehen. Es macht aber et- was deutlich: Wir dürfen die Augen nicht länger ver- schließen. Immerhin verabschiedete der Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen am 28. April 2011 einstimmig die Reso- lution 1979 zur Lage in der Westsahara und zur Verlän- gerung des Mandats der VN-Mission MINURSO. Diese Resolution bringt in der Präambel erstmals die Notwen- digkeit der Verbesserung der Menschenrechte in der Westsahara und den Lagern in Tindouf zur Sprache. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der ursprüng- lichen Formulierung der Resolution 690 vom 29. April 1991, in der ein Referendum über den völkerrechtlichen Status der Westsahara gefordert wird und welche die MINURSO-Mission der Vereinten Nationen begründet. Eine Umsetzung ist bis heute nicht erfolgt. Auch die Verbesserungen der neuen Resolution sind marginal, da diese den von vielen Seiten – von Menschenrechtsorga- nisationen ebenso wie von einzelnen Staaten und Staa- tengemeinschaften – geforderten Menschenrechtsme- chanismus nicht enthalten. Die Durchführung des Referendums scheitert an den verschiedenen Positionen und Interessen der Konflikt- parteien – vor allem Marokkos, Algeriens und der Poli- sario. Sie vertreten unterschiedliche Optionen für die Durchführung eines Referendums: Die Polisario fordert, eine Wahl zu haben zwischen der vollständigen Unab- hängigkeit Westsaharas, einer Autonomie innerhalb Ma- rokkos und einem Aufgehen in das Land Marokko. Das wird aber von Marokko abgelehnt; sie wollen nur ein Ja oder Nein zur Autonomie. In einem Gespräch im Februar 2013 mit der Deut- schen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, DGVN, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29417 (A) ) )(B) (C (D erläuterte der deutsche MINURSO-Beauftragte Weisbrod-Weber die Differenzen. Auf ihrer Internetseite führt die DGVN dazu aus: „Die Stellung und die Möglichkeiten von MINURSO sieht auch der MINURSO-Leiter Weisbrod-Weber durch ein Auseinanderklaffen der Realität und des De-jure- Mandates geprägt. Er berichtet, dass beide Konflikt- parteien, Marokko und Polisario, den Auftrag der MINURSO unterschiedlich deuteten. Während Marokko den Einsatz auf die Überwachung des Waffenstillstandes reduziert, beruft sich die Polisario auf UN-Resolution 690 (1991) und damit auf die Organisation und Gewähr- leistung eines freien und fairen Referendums. Der Waf- fenstillstand sollte in ihren Augen nur den Auftakt zur friedlichen Vorbereitung des Selbstbestimmungs-Refe- rendums darstellen. Außerdem leiten sie aus dem Man- dat MINURSO nicht nur eine Verantwortung für die in Westsahara lebenden Menschen, sondern für alle Saha- rauis und deren Recht auf ein menschenwürdiges Leben ab. Diese unterschiedlichen Haltungen würden sich, so Weisbrod-Weber, auch im Sicherheitsrat widerspiegeln. Zudem gäbe es, neben Befürwortern der marokkani- schen oder der saharauischen Sichtweise, eine Reihe von UN-Mitgliedstaaten, die keine Position zum Westsahara- Konflikt beziehen würden.“ Statt der ursprünglichen Hauptaufgabe von MINURSO, die Rahmenbedingungen für das Referen- dum zu erarbeiten, nimmt MINURSO daher de facto heute vor allem diese Aufgaben wahr: die Überwachung des Waffenstillstandes, die Unterstützung vertrauensbil- dender Maßnahmen, die unabhängige Berichterstattung. Immerhin fuhren nach Einschätzung Weisbrod- Webers die vertrauensbildenden Maßnahmen zu ersten Verbesserungen der Lage der Saharauis, deren primäres Ziel es ist, den Kontakt zwischen den in der Westsahara, und den in den Flüchtlingslagern in der Region Tindouf, Algerien, lebenden Saharauis zu erleichtern. Von den geplanten Maßnahmen wurden bereits einige umgesetzt, wie regelmäßige Familienbesuche, ein kos- tenloser Telefondienst und das Angebot nichtpolitischer Seminare, die das kulturelle Erbe der Saharauis behan- deln und stärken sollen. Als Leiter einer interfraktionel- len Delegation des Menschenrechtsausschusses habe ich mir im Juni 2011 ein eigenes Bild von den Lagern vor Ort machen können. Damals war die Lage, gelinde ge- sagt, bedrückend. Umso mehr begrüße ich die Fort- schritte – ohne mit dem Ergebnis bereits zufrieden zu sein. Viele der jungen Menschen, unter ihnen viele Frauen, haben uns mit ihrer Bildung und ihrem Ehrgeiz, sich zu entwickeln, beeindruckt. Hier liegen große menschliche Potenziale brach, die es für eine Entwick- lung der ganzen Region zu gewinnen gilt. Ein großes Problem in der Westsahara bleiben Men- schenrechtsverletzungen. Die Polisario und viele inter- nationale Beobachter sowie Menschenrechtsorganisatio- nen fordern daher von den Vereinten Nationen eine noch umfassendere Dokumentation und Aufklärung der Men- schenrechtsverletzungen, als dies etwa im Jahresbericht der VN vom April 2012 erfolgt ist. Im marokkanisch verwalteten Gebiet werden unter anderem das Folterver- bot und das Recht auf freie Meinungsäußerung der saha- rauischen Bevölkerung offensichtlich eingeschränkt. Um ein Beispiel zu nennen: 24 Saharauis, die 2010 im Camp Gdim Izik für mehr soziale Gerechtigkeit protes- tierten, wurden im Februar 2012 von einem Militärge- richt zu sehr langen oder lebenslangen – und damit völlig unangemessenen – Haftstrafen verurteilt. Ein anderes – brandaktuelles – Beispiel nennt der An- trag der Fraktion Die Linke: „Zuletzt ging die marokkanische Polizei am 25. März 2013 beim Besuch des UN-Beauftragten Christopher Ross brutal gegen sahrauische Demonstrationsteilneh- mer und -teilnehmerinnen in El Aaiún vor. In seinem Be- richt vom 28. Februar 2013 hat der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen Folter und andere grausame und unmenschliche Behandlungen, das große Ausmaß von Folter, insbesondere in den besetzen Gebieten durch Marokko, belegt (A-HRC-22-53-Add-2).“ Neben den Menschenrechtsverletzungen ist beson- ders die Ausbeutung der Ressourcen der Westsahara durch Marokko zu kritisieren: Das erwähnte EU-Fische- reiabkommen mit Marokko ist am 29. Juni 2011 für ein Jahr verlängert worden. Am 14. Februar 2012 wurde das Mandat zur Aushandlung eines neuen Protokolls erteilt – die Verhandlungen laufen noch. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Slowenien und Irland eine Erklärung zur Verpflichtung Marokkos, die Partizipation der Bevölkerung von Westsahara an den Rückflüssen aus dem Abkommen darzulegen, abge- geben. Die Zustimmung erfolgte auf Grundlage von Analysen der Europäischen Kommission über Rück- flüsse aus dem Abkommen an die Bevölkerung der Westsahara sowie der erstmaligen Verpflichtung Marok- kos, hierüber Bericht zu erstatten. In einem persönlichen Brief an mich hat Staatssekre- tär Dr. Gerd Müller am 5. April 2013 noch einmal darge- legt, dass die Bundesrepublik und die EU im Abkommen Marokko darauf verpflichten, regelmäßig Bericht zu er- statten, wie mit den Gewinnen verfahren wird, und eine Aufschlüsselung darzulegen, welche Anteile der sahau- rischen Bevölkerung zugutekommen. Ich anerkenne und begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung hier zu- gunsten der Westsahara und ihrer Bevölkerung agiert. Da unterscheide ich mich in der Einschätzung von den Antragstellern der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Dennoch sehe ich starken Handlungsbedarf auf EU- Ebene, kein einseitiges, die Saharauis benachteiligendes Abkommen zu schließen. Ich stehe dazu in persönlichen Gesprächen mit verschiedenen europäischen Abgeord- neten, die dieses Anliegen teilen. Erste – unverbindliche, aber deutliche – Signale, deuten an, dass auch Frank- reich mit Präsident Hollande den berechtigten Ansprü- chen der Westsahara im neuen Abkommen zustimmen könnte. Das findet meine volle Zustimmung. Eine Nebenbemerkung noch: Das Fischereiabkom- men enthält keine Definition des Rechtsstatus der West- sahara und soll nicht präjudizieren, wie Staatssekretär 29418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Dr. Müller ausführt. Eine notwendige Klärung des Rechtsstatus der Meeresgewässer der Westsahara hinge- gen sollte im Zuge des Referendums schnellstens erfol- gen. Auch weitere Ressourcen der Westsahara werden ein- seitig ausgebeutet, und es bedarf einer dringenden Über- prüfung der Verträge. Da sind die Tomaten der Marken Azura und Idyl, die im Rahmen des EU-Agrarabkom- mens mit Marokko auf dem europäischen Markt ver- kauft werden. Da ist ferner der Energiebereich: Die Firma Siemens liefert Windenergieanlagen in die besetz- ten Territorien. Auch die Erlöse aus der Desertec-Ener- gieanlage, die teilweise in der Westsahara errichtet wird, müssen entsprechend auch der sahrauischen Bevölke- rung zugutekommen. Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, endlich den völkerrechtlichen Status der Westsahara zu klären und nicht mehr nur den „Stillstand zu verwalten“ (Weisbrod- Weber)? Das scheint nahezu unmöglich, doch lassen Sie mich noch einmal den Bericht der DGVN zitieren: „Seit seinem Amtsantritt vor 8 Monaten bekam Weis- brod-Weber ein zunehmendes öffentliches Interesse am Westsahara-Konflikt zu spüren. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Maghreb-Region durch den Mali-Konflikt in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt ist. Es bleibt abzuwarten, ob diese neue interna- tionale Aufmerksamkeit ausreicht, um den Verhand- lungsprozess zwischen Marokko und Polisario voranzu- treiben.“ Die Anträge der Oppositionsparteien kann ich nicht in jedem Detail unterstützen und werde sie daher heute ab- lehnen: insbesondere die Linke formuliert auch zu scharfe Angriffe gegen Marokko – dieser Tonfall verhin- dert eher Verhandlungen, als sie möglich zu machen. Dennoch unterstütze ich das Anliegen. Ich werde mich weiter für eine Verbesserung der Menschenrechts- lage der Saharauis einsetzen. Ausdrücklich begrüße ich daher die internationalen Initiativen, die zeigen, dass aktuell Bewegung in die Angelegenheit kommt. Ich begrüße, dass sich die USA gerade in den vergangenen Tagen zugunsten der Aufnahme eines Menschenrechts- mechanismus in die UN-Resolution geäußert haben. Ich begrüßte ebenfalls, dass Frankreich sich unter Präsident Hollande weniger einseitig pro Marokko positioniert, was im besten Falle zu einer Wiederaufnahme der Ver- handlungen zwischen der Polisario und Marokko und zu einer Lösung des Stillstandes führen könnte. Weiterhin werde ich mich – gemeinsam mit der Bun- desregierung – im Rahmen der aktuellen Verhandlungen über die Abkommen zur Fischerei, zu Agrarprodukten und zur Energieerzeugung für Gerechtigkeit einsetzen. In neuen Verträgen müssen die Erträge in angemessener Weise den Saharauis zugutekommen. Bei all den kleinen Schritten dürfen wir das große Ziel nicht aus den Augen verlieren: Das Ziel all unserer Bemühungen muss die schnellstmögliche Durchführung des Referendums sein, damit der völkerrechtliche Status der Westsahara geklärt wird und damit aus Flüchtlingen wieder Menschen mit vollen Bürgerrechten werden. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Ich möchte Ih- nen drei Vorfälle im Zusammenhang mit der Problema- tik „Westsahara“ in Erinnerung rufen, die mich in den letzten zwei Monaten sehr erschüttert, aber doch nicht überrascht haben. Sie machen deutlich, wie wichtig ein ernst gemeintes Engagement von deutscher Seite im Westsahara-Konflikt ist. Worum geht es bei diesem Konflikt? Die ehemalige Kolonialmacht Spanien brachte den Transitionsprozess der Westsahara nicht zu Ende und hinterließ der Region ein Konfliktfeld. Das hat in der Vergangenheit zum ei- nen massiv die Rechte der Saharauis eingeschränkt und zum anderen viele Leben gekostet. Aktuell ist das Gebiet der Westsahara geteilt: Marokko kontrolliert den frucht- baren Westen, die Polisario den trockenen Osten und Sü- den. Entlang der Waffenstillstandslinie von 1991 hat Marokko eine 2 500 Kilometer lange Grenzbefestigung errichtet. Die internationale Gemeinschaft versprach, eine Volksbefragung über die politische Zukunft der Sa- harauis durchzuführen. Dies ist bis heute nicht gesche- hen. Gleichzeitig schuf Marokko durch die Ansiedlung nichtsaharauischer Marokkaner Fakten. Nach über 20 Jahren des Wartens auf eine gewaltfreie Konfliktlösung und angesichts der wachsenden Ungeduld junger Saha- rauis blicke ich mit Sorge in die Zukunft. Zu den eingangs angesprochenen konkreten Vorfällen aus jüngster Zeit: Erstens. Mein SPD-Kollege Norbert Neuser ist Vor- sitzender der Parlamentariergruppe für die Westsahara im Europäischen Parlament. Anfang März brachen er und drei weitere Abgeordnete sowie einige Mitarbeiter zu einer Fact Finding Mission zur Menschenrechtslage in die Westsahara auf. Die Reisepläne waren mit der ma- rokkanischen Botschaft in Brüssel in zahlreichen Brief- wechseln und Telefonaten abgesprochen worden. Ge- plant waren unter anderem ein Gesprächstermin mit MINURSO genauso wie mit marokkanischen Beamten vor Ort, der Besuch eines Fischerdorfes sowie ein Tref- fen mit Menschenrechtsorganisationen. Doch die Reise konnte nicht stattfinden. Die marok- kanischen Behörden überlegten es sich kurzerhand an- ders. Trotz Absprachen! Kaum gelandet, wurden den Kollegen die Reisedokumente abgenommen. Sie durften noch nicht einmal aussteigen und den Flughafen in Casablanca betreten, sondern mussten unverzüglich mit derselben Maschine wieder zurückfliegen. Unsere Kol- legen vom Europäischen Parlament wurden von unserem Partnerland Marokko also einfach ausgewiesen. Das ist diplomatisch nicht tragbar und aufs Schärfste zu verur- teilen! Was zeigt uns dieser Vorfall? Für mich kann das nur eines bedeuten, und ich schließe mich dem Urteil der Kollegen des Europäischen Parlaments an: Marokko fürchtet anscheinend wie nie zuvor kritische Berichte zur Menschenrechtssituation im besetzten Gebiet. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29419 (A) ) )(B) (C (D Zweitens. Erst zwei Wochen zuvor hatte ein marokka- nisches Militärgericht 24 Saharauis zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Schweiz und Kanada waren übrigens mit Vertretern aus ihren Missionen bei dem Tri- bunal vor Ort. Deutsche Vertreter wurden nirgendwo ge- sichtet. Das wäre ein wichtiges Signal für die Menschen- rechte gewesen. Doch zurück zum Prozess: Allein, dass dieser für die 24 Zivilisten vor dem Militärgericht in Ra- bat stattgefunden hat, verletzt die internationalen Stan- dards für ein faires Gerichtsverfahren. Die Verurteilten waren 2010 nach friedlichen Protesten und der gewaltsa- men Auflösung des Lagers von Gdeim Izik festgenom- men worden. Acht von ihnen müssen nun lebenslang ins Gefängnis, die anderen bis zu 30 Jahre. Diese harten Strafen ohne eindeutige Beweislage, bei Foltervorwürfen gegen das Gefängnispersonal, ohne Au- topsie der getöteten marokkanischen Sicherheitskräfte zeigen: Marokko versucht in Kolonialmanier durch ge- waltsame Räumungen und intransparente und politisch motivierte Prozesse, jegliche Aktivitäten der Saharauis zu unterbinden. Drittens hat mich die Nachricht bestürzt, dass die EU angeblich bei den Verhandlungen über ein neues Fische- reiabkommen mit Marokko die Befischung der Gewäs- ser vor den Küsten der Westsahara wieder mitdiskutiert. Erst 2011 hatte das Europäische Parlament eine Verlän- gerung des Abkommens vor diesem Hintergrund abge- lehnt. Eine Antwort der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Catherine Ashton, steht noch aus. Falls die Vermutung stimmen sollte, dass die EU diesmal nun wieder zustimmen wird, ist eine solch inkonsequente Linie der EU das Letzte, was wir brau- chen können, wenn wir den Prozess einer Einigung in der Region voranbringen wollen. Ich erwarte deshalb in dieser Debatte eine klare und deutliche Positionierung der deutschen Bundesregierung in Brüssel gegen das Abkommen und keine „Fähnchen-im-Wind-Dreherei“ wie bei den letzten Verhandlungen 2011. Ich selbst war vor zwei Jahren mit einer Delegation des Menschenrechtsausschusses in der Westsahara und in den Flüchtlingslagern in Algerien. Diese Reise hat mich sehr berührt. Der UNHCR versucht, die Flüchtlinge den Umstän- den entsprechend gut zu versorgen. Und auch die Polisa- rio kümmert sich um die Lebenssituation vor Ort. Aber die Bedingungen für die Flüchtlinge sind erschreckend. Einer der Hauptfinanziers, die krisengeschüttelten spani- schen Gemeinden, die bisher insbesondere die schuli- sche Ausbildung und den Austausch der Jugendlichen förderten, stellten in den vergangenen Jahren viele Zah- lungen ein. Aber vor allem bewegt mich die Frage: Welche Per- spektiven auf ein freies Leben unter gesicherten Be- dingungen haben die Menschen? Das Gleiche gilt für die Saharauis, die im marokkanisch verwalteten Ge- biet leben. Sie leiden täglich unter den Menschen- rechtsverletzungen und den Diskriminierungen durch die marokkanische Verwaltung. Die lokalen Men- schenrechtsorganisationen arbeiten unter schwierigen Bedingungen. Umso schöner ist die Nachricht, dass die bekannteste Organisation – CODESA – nun mit dem Bremer Solidaritätspreis ausgezeichnet wurde. Unser gemeinsames Ziel der Delegation, einen inter- fraktionellen Antrag zu schreiben, ist leider nicht zu- stande gekommen. Doch meinen Kollegen von den Grü- nen Volker Beck und mich haben die Eindrücke von dort nicht mehr losgelassen. In unserem Antrag kommen wir unserer menschenrechtlichen Pflicht nach, uns interna- tional für die Lösung des Konfliktes zu engagieren und gegebenenfalls Druck auf die Beteiligten auszuüben. Die Menschen in der Westsahara müssen endlich die Wahl bekommen: Wollen sie ein Teil Marokkos sein oder da- von unabhängig? Und Marokko muss stärker als bisher an seine menschenrechtlichen Verpflichtungen erinnert werden. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Bei dem Antrag der Linken, der uns ganz kurzfristig und überraschend heute zur Abstimmung noch vorgelegt worden ist, werden wir uns enthalten. Vielleicht hätten Sie mit uns reden sollen, liebe Kolleginnen und Kolle- gen von den Linken. Marina Schuster (FDP): Auch nach fast 40 Jahren ist der Westsahara-Konflikt ungelöst. Die Fronten zwi- schen den Parteien sind verhärtet; ein rund 2 500 Kilo- meter langer Sandwall zieht sich durch die Region. Las- sen Sie mich jedoch gleich zu Anfang festhalten: Vergessen ist der Konflikt dadurch noch lange nicht. Und deswegen begrüße ich es auch, dass wir hierzu eine Debatte führen. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPD und von den Grünen, Sie haben nicht im Antragstext selbst, sondern in der Begründung vieles aufgeschrieben. Doch diese Zusammenschau wird den tatsächlichen Gegeben- heiten in einigen Punkten nicht gerecht. Das wissen Sie auch. Sie erwähnen beispielsweise nicht, was die Bundesregierung bereits tut. Bundesaußenminister Westerwelle und Bundeskanzlerin Merkel thematisieren die humanitäre Lage in der Region regelmäßig auf bi- und multilateraler Ebene. Diplomatisches Spitzenperso- nal bemüht sich in Algier, Rabat und Laayoune um eine stetige Intensivierung des Dialogs. Die Besuche des VN- Sondergesandten Wolfgang Weisbrod-Weber und des persönlichen Gesandten des VN-Generalsekretärs Christopher Ross in Berlin zu Beginn dieses Jahres sind ein Ergebnis dieses Engagements. Und seien Sie versichert: Wir drängen auf eine rasche Lösung des Konflikts. Denn zu lange warten die Men- schen auf Bewegung. Seit 1991 überwachen die Vereinten Nationen mit der Mission MINURSO den Waffenstillstand zwischen Ma- rokko und der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisa- rio. Die sogenannte Übergangsperiode, die die Umset- zung des VN-Lösungsplans vorsieht, hat noch nicht einmal begonnen. Obwohl die Mission die Durchfüh- rung eines Referendums sogar in ihrem Namen trägt, steht dieses bis heute aus. Zu unterschiedlich sind die Positionen der beteiligten Parteien. 29420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Das heißt jedoch nicht, dass die Anwesenheit von MINURSO vergeblich ist. Und genau auf diesen Punkt geht Ihr Antrag überhaupt nicht ein: Ich vermisse eine Würdigung der Arbeit der Vereinten Nationen, von Ban Ki-moon, und von Herrn Weisbrod-Weber und Herrn Ross. Die Gesandten und die Mission MINURSO leisten unter sehr schwierigen Bedingungen einen wichtigen Beitrag, um eine Annäherung zwischen Marokko und Sahrauis zu fördern. Deutschland unterstützt diese Be- mühungen ausdrücklich. Das Auswärtige Amt trägt zum Beispiel zu den vertrauensbildenden Maßnahmen des UNHCR bei, die Familienbesuche oder Telefonkontakte ermöglichen. Und wir haben uns ja selbst im Menschen- rechtsausschuss mit Herrn Weisbrod-Weber darüber in- formieren können. Vergessen wird ebenfalls, wie leider so oft, der Euro- parat. Marokko ist seit fast zwei Jahren Partner for De- mocracy der Parlamentarischen Versammlung des Euro- parates. Die Idee hinter diesem Status ist, dass Marokko die Instrumente des Europarates, wie zum Beispiel die Venedig-Kommission, nutzen kann, um menschenrecht- liche und rechtsstaatliche Entwicklungen im eigenen Land zu fördern. Diesen Weg halte ich übrigens für konstruktiver, als beispielsweise jedwede Entwicklungszusammenarbeit in der Region Westsahara zu beenden. Ich denke, wir müs- sen bei einer solchen Forderung auch bedenken, ob es im Sinne der Menschen vor Ort wäre oder ob es nicht doch mögliche Projekte gibt, die unterstützungswürdig sind. Eines ist besonders wichtig: Wir müssen den Blick auf die teilweise gravierenden Menschenrechtsprobleme in der Region lenken. Anfang des Monats erschien der jährliche Bericht des VN-Generalsekretärs Ban Ki-moon zur Situation in Westsahara. Dieser thematisiert die fortdauernden Men- schenrechtsverletzungen im von Marokko kontrollierten Gebiet. Er kritisiert aber auch, dass es keinerlei Aufklä- rung über Menschenrechtsverletzungen in den Flücht- lingslagern der Frente Polisario in Tindouf gibt. In Bezug auf den marokkanischen Teil reichen die Menschenrechtsverletzungen von Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit über unfaire Gerichtsverfahren bis hin zu Folter sowie grausamer und unmenschlicher Behandlung. Gleichzei- tig gibt es Anschuldigungen über Menschenrechtsverlet- zungen in den Flüchtlingslagern in Tindouf, die mithilfe der UN aufgeklärt werden müssen. Im September 2012 hat Frente Polisario Kooperation zugesagt. Die Eröffnung zweier Büros des Nationalen Men- schenrechtsrates durch Marokko 2011 im Zuge einer Verfassungsreform sendete sicherlich ein positives Si- gnal. Dennoch sehe ich weiterhin besorgniserregende Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte, die sich negativ auf die ohnehin schon instabile Lage im Sahel auswirken können. Auch mir ist klar, dass die Konfliktparteien unter- schiedliche Ansätze verfolgen, die die Durchsetzung von Menschenrechten in der Region sicherstellen sollen. Gleichzeitig bin ich aber davon überzeugt, dass eine Ver- besserung der Menschenrechtslage inhärent notwendig für jedwede Lösung des Konflikts ist. Ban Ki-moon empfiehlt in seinem Bericht, einen unabhängigen Kon- trollmechanismus zur Überwachung der Menschen- rechtssituation in der Region einzurichten. Ein neutraler Mechanismus, der die Menschenrechts- lage sowohl in Westsahara als auch in den Flüchtlingsla- gern in Tindouf überwacht, ist lange überfällig. Hier würde sich vor allem die Chance bieten, das gegensei- tige Vertrauen zwischen den Parteien zu stärken und so- mit auch eine Grundlage für zukünftige Verhandlungen zu schaffen. Diesen Monat läuft das Mandat der VN-Mission MINURSO aus, eine Verlängerung steht an. Umstritten ist allerdings leider die Erweiterung des Mandats um eine Menschenrechtskomponente. Die „Freundesgruppe der Westsahara“, bestehend aus den USA, Großbritan- nien, Frankreich, Russland und Spanien, verhandelt der- zeit über die Ausgestaltung des neuen MINURSO- Mandats. Den Vorstoß, einen Entwurf für ein Menschen- rechtsmandat einzubringen, begrüße ich sehr. Ich bedau- ere umso mehr, dass sich Marokko – zumindest nach Presseberichten – bereits ausdrücklich gegen ein erwei- tertes Mandat von MINURSO um ein Menschenrechts- monitoring ausgesprochen hat. Ich appelliere hier ins- besondere an Frankreich, die Aufnahme eines Menschenrechtsmonitorings zu unterstützen. Und ich hoffe sehr, dass es zu einer einheitlichen Position inner- halb der EU kommt! Wir wissen leider, dass es diese seit vielen Jahren nicht gegeben hat. Denn in diesem Punkt stimme ich Ihrem Antrag zu: Wir brauchen dringend eine Ergänzung des MINURSO- Mandats um eine Menschenrechtskomponente. Die Mission leistet seit über 20 Jahren wichtige Ver- mittlungsarbeit vor Ort. Sie ist als unabhängige Instanz wie keine andere Partei geeignet, die Lage der Men- schenrechte in der Region zu überwachen. Ich glaube, dass eine Unterstützung durch die Hohe Kommissarin der VN für Menschenrechte maßgeblich für die Erweiterung des MINURSO-Mandats ist. Hier müssen wir unbedingt unsere Unterstützung zeigen. Ich habe mich daher in einem Brief an Navi Pillay gewandt und sie gebeten, sich für eine Menschenrechtskompo- nente im Mandat von MINURSO einzusetzen. Jetzt sind vor allem die Konfliktparteien gefragt, die einen gemeinsamen Nenner finden müssen, wie sie ihrer Verantwortung für den Menschenrechtsschutz der be- troffenen Bevölkerung gerecht werden. Wir tun alles, um dies zu unterstützen. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Die Kriege in Jugo- slawien, Afghanistan und Irak, die Propaganda gegen den Iran als Weltbedrohung, die uneingeschränkte Par- teinahme für die damalige libysche und die heutige syri- sche Opposition und das Hofieren dieser sogenannten Rebellen, die den Bürgerkrieg weiter zu eskalieren su- chen, um schließlich eine Intervention von außen zu be- fördern – all dem liegt die westliche Eigennützigkeit zu- grunde. Die angebliche Prämisse der Förderung von Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29421 (A) ) )(B) (C (D Demokratie und Menschenrechten spielt in Wahrheit – wenn überhaupt – nur eine nachgeordnete Rolle. Zu- meist wird sie gänzlich ignoriert, wie das Beispiel Ma- rokko sehr deutlich zeigt. Da kooperiert die Bundesregierung mit dem marok- kanischen Regime aufs Engste, an das sie Waffen liefert und dessen Soldaten und Polizisten sie ausbildet. Jene Soldaten und Polizisten, die vermutlich auch mit deut- schen Ausrüstungen am 8. November 2010 gewaltsam das „Camp der Würde“ in der Wüste vor den Toren der Stadt El Aaiún räumten. Dabei starben nach sahraui- schen Angaben zwölf Menschen, mehrere Hundert De- monstranten wurden schwer verletzt. Das Camp wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Zelte in Brand ge- steckt. Die Bundesregierung belohnt auch noch Ma- rokko dafür, dass es durch die Besatzung Völkerrecht bricht und sich kontinuierlich schwerster Menschen- rechtsverletzungen schuldig macht. Sie lässt die sahraui- sche Bevölkerung für die schmutzigen Dienste Marokkos bei der vermeintlichen Bekämpfung des inter- nationalen Terrorismus und der Flüchtlingsabwehr im wahrsten Sinne des Wortes „bluten“. Sonst unterstützt die Bundesregierung jede beliebige Gruppierung beim Streben nach Unabhängigkeit. Sie muss sich nur geostrategische Vorteile versprechen und das Interesse des deutschen Kapitals sehen. Menschen- rechte und Völkerrecht spielen da eine untergeordnete Rolle. Diese sieht die Bundesregierung offenkundig im Falle der Sahrauis und der Westsahara nicht. Denn sie stellt sich auch weiterhin nicht auf die Seite des Völker- rechts, sondern auf die Seite der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Marokkos. Sie stellt sich auf die Seite derer, die das geforderte Referendum verhindern bzw. auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben wollen und damit die sahrauische Bevölkerung der Westsahara dau- erhaft ihres Rechtes auf Selbstbestimmung berauben. Ihre Unterstützung für das marokkanische Besatzungsre- gime trägt dazu bei, eine endgültige Klärung des völker- rechtlichen Status der Westsahara zu behindern. Schlim- mer noch: Das offen und demonstrativ gezeigte absolute Desinteresse der Bundesregierung an einer Klärung setzt ein klares Zeichen für die Zukunft. Denn eine militäri- sche Konfrontation ist nicht mehr ausgeschlossen. Durch sofortige und konkrete Schritte zu einem Referendum könnte diese verhindert werden. Die Linke unterstützt alle dahin gehenden Schritte. Sie teilt in diesem Sinne auch einige der Forderungen des SPD-Grünen-Antrages. Der Antrag hat aber ein grundsätzliches Manko, weshalb wir als Linke auch nicht zustimmen können. Dieser An- trag lässt es in der zentralen Frage des Konflikts an Klar- heit fehlen. So ist nicht klar benannt, dass es sich um eine völkerrechtswidrige Besetzung und Besatzung der Westsahara handelt. Sehr verkürzend wird von einer „völkerrechtswidrigen Verwaltung“ geschrieben. Kein Wunder also, wenn eine wirtschaftliche Ausbeutung der Westsahara durch Marokko akzeptabel zu sein scheint, sofern sie „der sahrauischen Bevölkerung zu Gute“ komme. Diese Formulierungen deuten an, dass SPD und Grüne die jetzige Politik geradewegs fortsetzen wollen, wenn sie selbst wieder einmal an einer Regierung betei- ligt sind. Die Besatzung selbst ist schlicht illegal und muss beendet werden – daran ist eine Position für das Völkerrecht und die Menschenrechte zu messen. Die Linke will nicht einfach nur, dass die Sahrauis an der illegalen Ausbeutung im Nachgang irgendwie betei- ligt werden. Sie sind es, die darüber entscheiden können müssen, ob überhaupt eine Ausbeutung der Ressourcen stattfinden soll. Und wenn sie das wollen, sind auch sie es, die darüber entscheiden müssen, in welcher Art und Weise dies zu geschehen hat. So funktioniert Demokra- tie! So sieht es das internationale Recht vor! All das wird ihnen völkerrechtswidrig durch die marokkanischen Be- satzer verwehrt. Sahrauis, die sich wie damals im „Camp der Würde“ gegen diese völkerrechtswidrige Besatzung und ihre Folgen wehren, werden eingesperrt, gefoltert oder gar getötet. Mit diesen Menschenrechtsverletzun- gen und mit der systematischen Diskriminierung der Sahrauis muss endlich Schluss sein! Und Schluss sein muss auch damit, dass die Bundesregierung das marok- kanische Regime bei jeder Gelegenheit hofiert und damit das Königshaus gegen die Protestbewegungen unter- stützt. Sie muss endlich alles tun, Marokko von der völ- kerrechtswidrigen Besatzung der Westsahara und den dort stattfindenden Menschenrechtsverletzungen abzu- halten, auch um eine weitere Eskalation in der gesamten Region zu vermeiden. Und dazu bedarf es eben wesent- lich stärkerer Maßnahmen als derjenigen, die im SPD- Grünen-Antrag formuliert sind. Hauptziel muss sein, das marokkanische Regime zu bewegen, endlich die Resolu- tion 690 des UN-Sicherheitsrats vom 29. April 1991 um- zusetzen und das Referendum über die Zukunft der Westsahara unter UN-Aufsicht nicht weiter zu blockie- ren. Die Linke fordert deshalb unter anderem: dafür Sorge zu tragen, dass die Begünstigungen Marokkos im Rah- men der Europäischen Nachbarschaftspolitik und des „fortgeschrittenen Status“, advanced status, sowie das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ma- rokko so lange ausgesetzt werden, bis das Referendum über die Zukunft der Westsahara unter UN-Aufsicht stattgefunden und Marokko die völkerrechtswidrige Be- satzung der Westsahara beendet hat; die Beteiligung deutscher Unternehmen an Abbau, Abtransport und Wei- terverarbeitung von Ressourcen wie Phosphaten in der Westsahara oder Fischfang sowie an Explorationen zum Beispiel von Öl und Gas nicht weiter zu decken, sondern zur Anzeige zu bringen; sich dafür einzusetzen, dass ein Agrarabkommen zwischen der EU und Marokko nicht im Widerspruch zum Völkerrecht steht, indem die Ge- biete der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara aus- drücklich ausgenommen werden; darauf hinzuwirken, dass bei Verlängerung der UN-Mission MINURSO das Mandat auf die Beobachtung und Meldung von Men- schenrechtsverletzungen in der Westsahara erweitert wird, solange unabhängige Menschenrechtsbeobachter und -beobachterinnen keinen freien Zugang zu den be- setzten Gebieten haben; jegliche Ausbildungs- und Aus- stattungshilfe für marokkanische Polizei- und Armee- kräfte einzustellen. 29422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Es wird Zeit, die Unterstützung gegenüber autoritären Regimen endlich zu beenden und die deutsche Außen- politik auf Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie auf das Völkerrecht zu orientieren. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist jetzt gut zwei Jahre her, dass ich gemeinsam mit anderen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen in der Westsahara war. Zudem haben wir damals das riesige sahrauische Flüchtlingslager in Tindouf in Algerien be- sucht. Was wir dort gesehen, gehört und erlebt haben, hat uns alle betroffen gemacht. Vor über 20 Jahren, am 29. April 1991, setzte der UN- Sicherheitsrat mit der Resolution 690 die UN-Mission MINURSO ein, die ein Referendum über die Zukunft der Westsahara absichern sollte. Nach jahrzehntelangen Kämpfen hatte sich die Regierung von Marokko mit der Polisario, der Befreiungsbewegung der maurischen Sahrauis, auf eine Volksabstimmung geeinigt. Diese Ab- stimmung hat es bis heute nicht gegeben. Stattdessen durchzieht von Nordost nach Südwest eine befestigte Grenzanlage die Westsahara, die das Gebiet ziemlich ge- nau nach der wirtschaftlichen Nutzbarkeit aufteilt: in eine marokkanisch besetzte Speckschwarte zur Küste hin samt Fischreichtum und Phosphatvorkommen und in ein der Polisario überlassenes Knochenstück mit viel Wüste und Dürre. Als ich diese krassen Unterschiede in den Lebensverhältnissen gesehen habe, habe ich begrif- fen, dass es sich hier tatsächlich um den wohl letzten ko- lonialen Konflikt der Welt handelt. Was völkerrechtlich noch als schwerwiegendes Ver- säumnis durchgehen könnte, hat katastrophale men- schenrechtliche Konsequenzen. Einem Großteil der sahrauischen Bevölkerung in dem von Marokko besetz- ten Gebiet werden wesentliche Menschenrechte vorent- halten. Sie darf weder ihre Meinung äußern noch sich frei versammeln, sie wird staatlich diskriminiert und be- nachteiligt. Die Bevölkerung in dem von der Polisario kontrollierten Teil leidet unter der von Marokko bewusst herbeigeführten schlechten wirtschaftlichen Lage und zahlreichen Aktivitäten des marokkanischen Geheim- dienstes. In beiden Teilen verschwinden Aktivistinnen und Aktivisten, werden willkürlich verhaftet und zum Teil in den Gefängnissen gefoltert. Eine Strafverfolgung dieser Menschenrechtsverletzungen findet nicht statt. Katastrophal ist nach wie vor die Lage in den Flücht- lingslagern auf algerischer Seite, wo weit über 100 000 Menschen zum Teil seit über 30 Jahren und in dritter Ge- neration unter erbärmlichen Umständen leben müssen, ohne eine Aussicht darauf zu haben, jemals in ihre Hei- mat zurückzukönnen und ein normales Leben zu führen. Die schlechten humanitären Bedingungen im Lager Tindouf, der Wassermangel und die Hitze sind mir noch in guter Erinnerung. Die Perspektivlosigkeit an diesem Ort hat mich tief getroffen. Dass der Westsahara-Konflikt immer noch nicht ge- löst ist, liegt in erster Linie an den wirtschaftlichen Inte- ressen und der Sturköpfigkeit Marokkos. Aber es liegt auch daran, dass weder die UN über MINURSO noch die EU noch Deutschland genügend Willen und Elan zeigen, diese Situation wirklich zu ändern. Die UN nutzen ihre Möglichkeiten, um das überfäl- lige Referendum endlich gegen den marokkanischen Wi- derstand durchzusetzen, nicht, weil wohl in erster Linie französische Interessen dagegen stehen. Frankreich sieht sich in einer traditionellen Schutzpflicht für Marokko und unterhält dorthin enge politische, wirtschaftliche und persönliche Beziehungen. Als im Jahre 2009 ange- dacht wurde, dem MINURSO-Mandat einen Menschen- rechtsmechanismus hinzuzufügen, scheiterte dies an der Androhung Frankreichs, notfalls ein Veto einlegen zu wollen. Eine entsprechende Vorlage zur Änderung des Mandats kam somit erst gar nicht zur Abstimmung. Frankreich stellt sich eins zu eins hinter die Regierung des Königreichs Marokko und unterstützt damit die fak- tische Annexion dieses Gebietes der Westsahara durch Marokko. Nach den zwei nahezu verschenkten Jahren im Sicherheitsrat sollte Deutschland nun zumindest im UN-Menschenrechtsrat seinen Einfluss geltend machen, um die französische Blockade zu überwinden und zu- mindest der MINURSO das Recht einzuräumen, über die Achtung der Menschenrechte in Westsahara zu wa- chen. Und auch in der EU sollte Deutschland sein Ge- wicht nutzen, um eine neue europäische Position zu Westsahara zu erwirken. Im Gespräch mit Wolfgang Weisbrod-Weber vor we- nigen Wochen im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe wurde deutlich, dass das Mandat der MINURSO nach wie vor zwei gewichtige Probleme hat: Erstens mangelt es an der Unterstützung der Konflikt- parteien für eine Durchführung des Referendums – vor allem von der marokkanischen Seite, die daran keinerlei politisches Interesse hat. Zweitens hat MINURSO als einzige aktuelle VN-Mission kein Mandat zur Überprü- fung der Menschenrechtslage. Sicher: Es gibt auch an- dere Möglichkeiten der Vereinten Nationen. Das hat uns Herr Weisbrod-Weber – nicht zuletzt aus Loyalität zu seinem Mandat – dargelegt: etwa Berichte des VN-Son- derberichterstatters für Folter oder der Hochkommissa- rin für Menschenrechte. Oder auch die Befassung des UN-Menschenrechtsrates, wie wir es in Forderung 3 ste- hen haben. Wir denken dennoch, dass ein Menschen- rechtsmechanismus in das Mandat hineingehört, und for- dern dies daher in unserem Antrag explizit. Wichtig ist uns aber auch, dass sich die Bundesregie- rung viel stärker als bislang bemühen sollte, Marokko zur Einhaltung seiner völkerrechtlichen Pflichten zu ermahnen. Dies gilt insbesondere für die Verteilung der Einnahmen aus der Ausbeutung von natürlichen Res- sourcen auf dem Gebiet der Westsahara. Die sahrauische Bevölkerung profitiert davon derzeit nahezu gar nicht. Infrastrukturmaßnahmen kommen vor allem dem ma- rokkanischen Militär zugute, schädigen die Position der Sahrauis also eher. Dies gilt etwa auch für die Neuver- handlung eines Fischereiabkommens der EU mit Ma- rokko, die Phosphatgewinnung oder den Aufbau von So- larkraftwerken. Es war richtig, dass das Europäische Parlament auf die Initiative der europäischen Grünen hin dafür gesorgt hat, dass das Fischereiabkommen zwi- schen der EU und Marokko nicht verlängert werden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29423 (A) ) )(B) (C (D konnte. Zuvor verkaufte Marokko die reichen Fischbe- stände vor der Küste Westsaharas an die Europäer. Gut 36 Millionen Euro war dieser Fang wert. Völkerrechtlich müssten diese Beträge eigentlich der Bevölkerung der besetzten Gebiete dienen, denn die wirtschaftliche Ver- wertung der Bodenschätze auf dem Gebiet der West- sahara und der Fischbestände vor der Küste durch Marokko ist völkerrechtswidrig, solange sie der sahrau- ischen Bevölkerung nicht zugutekommt. Abgeleitet aus dem Recht auf Selbstbestimmung besitzen alle Völker auch das Recht, ihre eigene ökonomische, kulturelle und soziale Entwicklung zu fördern, was die Freiheit ein- schließt, über die Bodenschätze und natürlichen Res- sourcen auf ihrem Gebiet selbst zu verfügen. Art. 73 der VN-Charta besagt zudem, dass die ökonomische Aus- beutung von natürlichen Ressourcen in nicht selbstbe- stimmten Gebieten nur mit der Zustimmung der lokalen Bevölkerung gestattet werden kann und in Übereinstim- mung mit deren wirtschaftlichen Interessen erfolgen muss. Beides ist in dem von Marokko besetzten Gebiet der Westsahara nicht der Fall. Sicherlich ist es zu kurz gesprungen, das Königreich Marokko als alleinigen Missetäter in diesem Konflikt darzustellen. Zwar gehen durch die Besatzungspolitik viele der in Westsahara verübten Menschenrechtsverlet- zungen von Marokko aus. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass man der Polisario bei dem Umgang mit ihren eigenen Leuten 100-prozentig vertrauen kann. Gerade deshalb braucht MINURSO einen Menschen- rechtsmechanismus. Leider aber hat die schwarz-gelbe Koalition auch diese einzelne Forderung – die wir ges- tern im Menschenrechtsausschuss getrennt haben ab- stimmen lassen – abgelehnt. Die Koalitionsräson, nicht mit Anträgen der Opposition zu stimmen, stand einmal mehr über dem Einsatz für die Menschenrechte. Dabei wäre es wichtig gewesen, endlich zu einer eigenständi- gen und menschenrechtsorientierten deutschen Westsa- hara-Politik zu kommen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) (Tagesord- nungspunkt 13) Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Hartnäckig be- gegnet mir im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern das Missverständnis, der Deutsche Bundestag habe in den vergangenen Jahren europapolitisch an Einfluss ver- loren. Dabei ist das Gegenteil richtig: Zunächst durch den parlamentarisch geprägten Konvent zum Europäi- schen Verfassungsvertrag und später durch den Vertrag von Lissabon wurde eine umfassende Parlamentarisie- rung der Europapolitik eingeleitet. Mit frühzeitigen In- formationsrechten direkt aus der Europäischen Kommis- sion und den neuen Instrumenten der Subsidiaritätsrüge und der Subsidiaritätsklage erhielten die nationalen Par- lamente einen sehr viel stärkeren Einfluss auf europa- politische Entscheidungen, die lange die Domäne der Exekutive gewesen waren. Gleichzeitig hat auch das Eu- ropäische Parlament in den vergangenen Jahrzehnten an Einfluss auf europäische Gesetzgebungsprozesse ge- wonnen; es ist zu einem echten Parlament gereift. Kurzum: So viel parlamentarische Mitbestimmung in Europa wie heute gab es noch nie! Daher ist es nur richtig, diese Informations- und Ent- scheidungsrechte auch gegenüber der eigenen Regierung gesetzlich zu verankern. Doch geschieht dies heute ja mitnichten zum ersten Mal: Der Deutsche Bundestag hat allen Grund, heute auch stolz auf seine eigene gesetzge- berische Arbeit zurückzublicken. Was 2005 mit der da- maligen „Zusammenarbeitsvereinbarung“ zwischen Bundestag und Bundesregierung begann, findet heute in einem neuen EUZBBG seinen Abschluss. Mein Dank gilt daher den Berichterstattern aller Fraktionen, die an diesem überfraktionellen Antrag mitgewirkt haben. Während wir bei der Verabschiedung des alten EUZBBG lediglich die alte Zusammenarbeitsvereinba- rung in ein Gesetz umformuliert haben, wurde der heute vorliegende Text vollkommen neu verfasst. Damit konnte erstmals eine Gesetzessystematik geschaffen werden, wie wir und wie sie auch Gerichte und die Wis- senschaft gewohnt sind. Zugleich wurde nun erstmals vollumfänglich ausformuliert, was aus Sicht des Deut- schen Bundestages unter dem Begriff der „Angelegen- heiten der Europäischen Union“ zu verstehen ist. Hier gab es in der Vergangenheit Unterschiede in der Inter- pretation zwischen der Bundesregierung und dem Parla- ment, die teilweise erst vom Bundesverfassungsgericht – übrigens im Sinne des Parlaments! – geklärt werden konnten. Jetzt ist klar, dass künftig sämtliche neu zu schaffenden Instrumente zur Weiterentwicklung der Euro-Zone zu diesen „Angelegenheiten der Europäi- schen Union“ zu zählen sind und der Deutsche Bundes- tag entsprechend zu informieren ist. Die Erfahrung mit dem alten EUZBBG hat gezeigt, dass der Bundestag seine europapolitische Rolle selbstbewusst, aber auch verantwortungsbewusst wahrnimmt. Wir gerieren uns nicht als bessere Exekutive, sondern wahren auch in die- sem Gesetz die Balance zwischen parlamentarischer Kontrolle und europapolitischer Handlungsfähigkeit der Regierung. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe werden wir von der Bundestagsverwaltung – namentlich der neu ge- schaffenen Unterabteilung Europa – und dem Verbin- dungsbüro in Brüssel unterstützt. Auch ihnen sei an die- ser Stelle ein herzliches Dankeschön gesagt. Bereits die alte Zusammenarbeitsvereinbarung fand im Übrigen bei unseren Kolleginnen und Kollegen in den übrigen Mitgliedstaaten der EU großes Interesse. Mehrfach musste unser Sprachendienst dieses Doku- ment übersetzen, weil die zunehmende Beteiligung des Deutschen Bundestages an der deutschen Europapolitik mit sehr großem Interesse wahrgenommen wurde. Dies fand nach Verabschiedung des alten EUZBBG seine Fortsetzung. Auch dieses Gesetz hatte ich mehr als ein- mal in übersetzter Fassung in meinem Reisekoffer, wenn ich andere Hauptstädte, die Sitzungen der COSAC, der Konferenz der nationalen Europaausschüsse, oder auch 29424 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D das Europäische Parlament besuchte. Überall stieß ich auf sehr großes Interesse an der europapolitischen Arbeit des Bundestages, und überall wurde sehr aufmerksam registriert, dass das Parlament in einem zentralen Mit- gliedstaat der EU seine Kompetenzen in der Europapoli- tik deutlich ausweiten konnte. Und unser EUZBBG wurde auch als Vorbild für die Formulierung eigener Be- teiligungsrechte genutzt: Kürzlich informierte mich bei- spielsweise das dänische Parlament darüber, dass die dortigen Kolleginnen und Kollegen sich bei ihrem Betei- ligungsgesetz eng an unserer Vorlage orientieren. Daher bin ich mir ganz sicher, dass das heute zu verabschie- dende neue EUZBBG ebenfalls weit über die Beziehun- gen zwischen Bundestag und Bundesregierung hinaus in ganz Europa unter den Parlamentariern große Beachtung finden wird. Und ich würde mir wünschen, wenn es unsere Kolle- ginnen und Kollegen in jenen Ländern, in denen die Eu- ropapolitik noch immer weitgehend von der Exekutive ausgeht, ebenfalls zu mehr Selbstbewusstsein ermuntert. Denn wir als nationale Parlamentarier können unsere Aufgaben, die uns in der Europapolitik mit dem Vertrag von Lissabon ausdrücklich zugewachsen sind, nur dann vollumfänglich wahrnehmen, wenn wir zugleich über entsprechende Beteiligungsrechte verfügen. Aufgrund der unterschiedlichen parlamentarischen Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU wird naturgemäß auch die Beteiligung in europapolitischen Fragen nie- mals vollkommen harmonisiert werden können. Verglei- chen wir nur einmal die Parlamente, ihre Traditionen und die den Abgeordneten zur Verfügung stehenden Ressourcen in unseren Nachbarländern Österreich, Frankreich, Polen und Dänemark! Denken wir an das britische Parlament und seine ganz eigene Debattenkul- tur! Es ist gut, dass es diese Unterschiede gibt, denn Demokratie lebt auch von der Verwurzelung in eigenen Traditionen. Ich wünsche aber trotzdem dem neuen EUZBBG eine große Verbreitung unter unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen, um Ideen für die eigene Arbeit anzustoßen. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Heute wurden im Deutschen Bundestag weitreichende und in ihren Konse- quenzen noch nicht vollständig absehbare Entscheidun- gen getroffen, die mit Zypern, Irland und Portugal zwar auf Partnerländer in der Europäischen Union bezogen sind, die aber natürlich auch Deutschland elementar be- rühren. Unabhängig von ihrem Inhalt zeigen diese Ent- scheidungen zum einen, wie eng verflochten die euro- päischen Partner heute schon sind, wie Entwicklungen, die sich an den äußersten Rändern unseres Kontinents abspielen, uns ebenso intensiv beschäftigen müssen wie manche Fragen der Innenpolitik. Die Entscheidungen machen aber zum anderen noch einmal sehr deutlich, wie eng das Handeln der Bundesre- gierung auf europäischer Ebene und unser eigenes hier im Deutschen Bundestag inzwischen miteinander ver- flochten sind. Von Deutschland wird häufig gefordert, seiner Führungsverantwortung in Europa gerecht zu werden. Eine starke Position in Brüssel beruht aber heute nicht mehr darauf, dass eine Exekutive quasi im Verborgenen – ungestört und losgelöst von Positionen der heimischen Parlamentarier – handeln und verhandeln kann. Um eine führende Rolle in Verhandlungen spielen zu können, bedarf die Bundesregierung vielmehr eines klaren Mandats des Parlaments, auf das sie sich stützen und an dem sie sich orientieren kann. Auch die europäi- schen Partner sind von deutschen Positionen eher zu überzeugen, wenn sie wissen, dass hier in wesentlichen Punkten Parlament und Exekutive mit einer Stimme sprechen. Auswirkungen eines Auseinanderklaffens von Verhandlungspositionen und parlamentarischer Rücken- deckung konnten im Rahmen der Verhandlungen in der Zypernkrise ja besichtigt werden. Nach einer begrüßenswerten Entwicklung, in der ne- ben der Eigeninitiative des Deutschen Bundestages auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Selbsterkenntnis der Bundesregierung zusammen- spielten, haben wir mit dem neuen Gesetz über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union nun einen Punkt erreicht, an dem über umfassende und präzise Unterrichtungs- und Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages eine solide Basis für ein solches koordiniertes Vorgehen von Regierung und Parlament in europäischen Angelegenheiten gelegt ist. Der Deutsche Bundestag hat Beteiligungsrechte erreicht, deren Aus- maß und Ausgestaltung uns zu einem Vorreiter im Kreis der Parlamente in Europa machen. Diese Rechte gelten, wie das Bundesverfassungsge- richt in seinem Urteil vom 19. Juni 2012 entschieden hat, nicht nur für die klassischen Angelegenheiten der Europäischen Union, sondern ebenso für völkerrechtli- che Verträge und intergouvernementale Vereinbarungen, wenn diese in einem Ergänzungs- oder sonstigen Nähe- verhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi- schen Union war schon seit längerem dieser Auffassung und hatte eine Unterrichtung in diesem Bereich bereits vor dem Urteil mit Erfolg eingefordert. Nach Klarstel- lung in Urteil und Gesetz sind wir nun aber zu Recht nicht mehr auf die „Kulanz“ der Bundesregierung ange- wiesen. Ein koordiniertes Vorgehen zwischen Bundestag und Bundesregierung kann freilich nicht bedeuten, unter- schiedliche Rollen im Verfassungsgefüge einzuebnen. „Checks and Balances“ setzen selbstständige Akteure mit abgegrenzten Bereichen der Eigenverantwortung vo- raus. Der Bundestag muss seine Mitwirkungs- und Kon- trollfunktion gegenüber der Bundesregierung gerade auch bei deren Wirken auf europäischer Ebene zum Tra- gen bringen können. Die Abgeordneten dürfen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern müssen rechtzeitig und wirkungsvoll Einfluss auf die Positionie- rung der Bundesregierung in europäischen Angelegen- heiten nehmen können. Ein Verhandeln auf internationaler Ebene braucht an- dererseits eine gewisse Flexibilität. Auch spontane Zu- geständnisse müssen manchmal möglich sein. Zudem dürfen nicht alle internen Vorabstimmungen und Ver- handlungslinien gleich so breit gestreut werden, dass sie Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29425 (A) ) )(B) (C (D fast zwangsläufig den europäischen Partnern ebenfalls bekannt werden. Die Bundesregierung darf nicht ge- zwungen sein, als Einzige stets ihre Karten auf den Tisch zu legen. Die interfraktionelle Arbeitsgruppe hatte daher die schwierige Aufgabe, die Informations- und Mitwir- kungsrechte des Bundestages sicherzustellen, ohne zu- gleich die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung un- nötig zu beschränken. Die gefundene Lösung trägt den berechtigten Interessen beider Seiten Rechnung. Die Bundesregierung wird den Bundestag in Angele- genheiten der Europäischen Union umfassend, zum frü- hestmöglichen Zeitpunkt und fortlaufend unterrichten, und zwar so, dass auf Grundlage dieser Unterrichtung eine Befassung des Bundestages in der Sache ermöglicht wird. Dies entspricht im Wesentlichen gängiger Praxis, ist aber im neuen Gesetz insbesondere im Hinblick auf Institutionen wie den Euro-Gipfel, die Euro-Gruppe und vergleichbare Einrichtungen in einem Ergänzungs- oder Näheverhältnis zur Europäischen Union präzisiert wor- den. Die Unterrichtungspflichten haben nach dem Gesetz aber auch Grenzen: Damit die Bundesregierung auf eu- ropäischer Ebene in der Lage bleibt, einer Verhandlungs- strategie zu folgen, ohne im Vorfeld in die Öffentlichkeit zu geraten und damit den Gesamterfolg ihrer Verhand- lungen infrage zu stellen, bleibt nach dem neuen Gesetz der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung von den Unterrichtungspflichten unbe- rührt. Dies fordert der Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Bundesregierung soll nicht schon vor Abschluss ih- res Meinungsbildungsprozesses zu einer Mitteilung ge- zwungen sein. Solange also die interne Willensbildung der Bundesregierung nicht abgeschlossen ist, besteht kein Anspruch des Parlaments auf Unterrichtung. Ent- scheidend für den Deutschen Bundestag ist es, dass er in die Lage versetzt wird, den politischen Prozess in euro- päischen Angelegenheiten rechtzeitig zu begleiten, sich eine eigene Meinung zu bilden und die Entscheidungs- findung durch eine eigene Stellungnahme zu beeinflus- sen. Wir alle kennen den Umfang von Dokumenten und Unterlagen, die uns bereits jetzt in Angelegenheiten der Europäischen Union tagtäglich zugehen. In der Fülle an Informationen dürfen die wirklich wichtigen, heiklen Punkte nicht untergehen. Das sicherzustellen, ist Sache des Deutschen Bundestages selbst. Es liegt an uns Abge- ordneten, die Auswahl zu treffen, welche Informationen für die Meinungsbildung im Deutschen Bundestag tat- sächlich von Bedeutung sind. Der Bundestag hat daher in Bezug auf seine Informationsrechte auch die Möglich- keit, auf Unterrichtungen im Einzelfall zu verzichten, wenn nicht eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages widersprechen. Hierdurch kann zielgenau einer Überflutungsgefahr entgegenge- wirkt werden. Die Minderheitsrechte einer Fraktion blei- ben trotzdem gewahrt. Nochmals: Nicht die Menge an Papier ist für eine verantwortungsvolle politische Be- wertung entscheidend, sondern die Qualität und der rich- tige Zeitpunkt, zu dem eine Information erfolgt. Es wäre im Übrigen auch problematisch und einem selbstbewussten Parlament nicht angemessen, wenn die Verantwortung für die Informationsbeschaffung und -übermittlung allein bei der Bundesregierung läge. Der Bundestag wird über sein im Gesetz verankertes Verbin- dungsbüro in die Lage versetzt, unmittelbare Kontakte zu Einrichtungen der Europäischen Union zu pflegen, soweit dies der Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte dient. Auch die Fraktionen des Bundestages entsenden Vertreter in das Verbindungsbüro. Sie sind damit gesetz- lich abgesichert in ihrer eigenen Verantwortung zur In- formationsbeschaffung und in ihrer Position gestärkt. Das neue Zusammenarbeitsgesetz kann nur den recht- lichen Rahmen dessen setzen, was von uns im Hinblick auf die Begleitung europäischer Politik verlangt wird. Mit Leben und Inhalt füllen müssen wir es in unserer täglichen Arbeit als Abgeordnete. Kenntnis bedeutet in- sofern auch Verantwortung. Das Gesetz gibt uns nicht nur das Recht auf Information in europäischen Angele- genheiten, es konstituiert auch eine Pflicht, diese Infor- mationen zu bewerten und die erforderlichen Schlussfol- gerungen im deutschen Interesse zu ziehen. Es gibt uns damit auch die Mittel an die Hand, die vom Bundesver- fassungsgericht verdeutlichten Grenzen der Integration aus dem Grundgesetz im Auge zu behalten und Verant- wortung für unsere Verfassung zu übernehmen. Gerade schleichende Kompetenzerweiterungen der Europäi- schen Union, die über die europäische Gesetzgebung drohen, können wir so besser verhindern. Angesichts der Fülle an Informationen und der Komplexität vieler Dossiers ist eine solche dauernde Achtsamkeit natürlich manchmal nicht ganz leicht. Dieser Herausforderung müssen und werden wir uns stellen. Christian Lange (Backnang) (SPD): Es kommt nicht oft in einer Legislaturperiode vor, dass wir von ei- ner Sternstunde des Parlaments sprechen können. Nein, nicht deswegen, weil der Entwurf des Gesetzes, das die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bun- destag in Angelegenheiten der Europäischen Union re- gelt, zu so später Stunde auf der Tagesordnung steht. Es ist eine Sternstunde gleich in mehrfacher Hinsicht: Erstens. Es ist der erste und wohl einzige Gesetzent- wurf in dieser Wahlperiode, der von allen Fraktionen in diesem Hause gemeinsam erarbeitet, eingebracht und nun auch in zweiter und dritter Lesung einvernehmlich verabschiedet wird. Ganz abgesehen davon, dass dies auch noch so kurz vor Ende der Legislaturperiode gelun- gen ist. Zweitens. Bei diesem Gesetzentwurf konnte das „Struck‘sche Gesetz“, wonach kein Gesetz den Bundes- tag so verlässt, wie es eingebracht wurde, außer Kraft gesetzt werden. Drittens. Es ist fraktionsübergreifend gelungen, die Rechte des Parlaments gegenüber der Bundesregierung in allen Angelegenheiten der Europäischen Union zu stärken. Zugegeben, es bedurfte dafür des Urteils des Bundes- verfassungsgerichts und damit des Drucks eines anderen 29426 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Verfassungsorgans. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass es der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu verdanken ist, da sie vor dem Verfassungsgericht geklagt hatte und dieses Urteil erwirkt hat. Inzwischen sind wir alle klüger geworden. Und so fügt es sich, dass wir heute alle gemeinsam und einver- nehmlich ein sehr gutes Gesetz verabschieden. Es ist ein Kompromiss, aber kein fauler! Alle Fraktionen hatten ganz eigene Punkte, die in dem Gesetz verwirklicht sein sollten. Jede Fraktion konnte die ihr wichtigen Punkte realisieren. Meiner Fraktion war es zum Beispiel sehr wichtig, dass wir Parlamentarier umfassend und früher als bisher über alle europäischen Aktivitäten der Bun- desregierung informiert werden, um auch Einfluss auf die Willensbildung der Bundesregierung nehmen zu können. Nunmehr regelt der Gesetzentwurf, dass wir ei- nen grundsätzlichen Unterrichtungsanspruch in Bezug auf inoffizielle Dokumente und die vorbereitenden Gre- mien und Arbeitsgruppen haben. Aber auch die Einführung eines Minderheitenrechts von einem Viertel der Abgeordneten, um eine Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages über die Gründe für eine Nichtumsetzung einer Stellungnahme durch die Bundesregierung zu erwirken, war für uns Sozialdemo- kraten wichtig. Auf Maximalforderungen wurde von allen Fraktionen verzichtet. Und so könnte die Erarbeitung dieses Geset- zes auch als Blaupause für die weitere Zusammenarbeit im Bundestag dienen. Mit diesem EUZBBG wird die künftige Zusammen- arbeit zwischen Bundesregierung und Bundestag auf eine neue Grundlage gestellt. So muss die Bundesregie- rung bereits wesentlich früher als bisher und umfassen- der über ihre Willensbildung zu anstehenden Entschei- dungen auf europäischer Ebene unterrichten. Das umfasst auch Dokumente und Unterlagen der vorberei- tenden Gremien, um auf die Willensbildung der Bundes- regierung durch den Deutschen Bundestag Einfluss neh- men zu können. Gleichwohl wird im § 3 Abs. 4 der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bun- desregierung gewährleistet. In der Begründung zum Ge- setzentwurf wird erläutert – ich zitiere –: „Innerhalb der Funktionenordnung des Grundgeset- zes kommt der Regierung ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbe- reich einschließt. Solange die interne Willensbildung der Bundesregierung nicht abgeschlossen ist, besteht kein Anspruch des Parlaments auf Unterrichtung. Der Bun- destag muss die Informationen der Bundesregierung spä- testens zu einem Zeitpunkt erhalten, der ihn in die Lage versetzt, sich fundiert mit dem Vorgang zu befassen und eine Stellungnahme zu erarbeiten, bevor die Bundesre- gierung nach außen wirksame Erklärungen, insbeson- dere bindende Erklärungen zu unionalen Rechtsetzungs- akten und intergouvernementalen Vereinbarungen, abgibt.“ Die Handlungsfähigkeit in Europaangelegenheiten der Bundesregierung wird damit gewährleistet, und gleichzeitig werden die Beteiligungsrechte des Parla- ments erweitert. Das EUZBBG wird aber auch Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung europäischer Themen haben. Denn je öfter, je frühzeitiger und je intensiver wir hier im Bundestag über europäische Themen künftig disku- tieren und Entscheidungen mitgestalten, desto größer werden auch die Transparenz und das Verständnis in der Bevölkerung für diese Themen und Entscheidungen werden. Mit diesem Gesetz holen wir ein großes Stück Europa in den Bundestag und damit in die öffentliche Debatte. Angesichts der am letzten Sonntag gegründeten Anti- Europa-Partei Alternative für Deutschland, die populis- tisch die Stimmung gegen den Euro und damit auch ge- gen die Europäische Union schürt, ist das EUZBBG ein aktiver Beitrag für mehr Akzeptanz der Europäischen Union in unserem Land. Zu viele Menschen stehen europäischen Themen re- serviert gegenüber. Europäische Errungenschaften, die hart erkämpft werden mussten, werden sehr schnell als selbstverständlich genommen. Auf grenzenloses Reisen, die freie Wahl des Wohnortes und regionale Förderpro- gramme der Europäischen Union will doch niemand mehr verzichten. Dennoch wird Europa von vielen mit einer undurchschaubaren Bürokratie und einem extre- men Kostenfaktor gleichgesetzt. Mit der Europäischen Union verbinden die Menschen immer noch mehr nega- tive Gefühle als positive Erwartungen. Unwissenheit und das Gefühl der Lebensferne von europäischen Ent- scheidungen sind meines Erachtens die häufigsten Ursa- chen für diese Empfindungen. Wir alle hier im Parlament können und wollen dem entgegenwirken. Mit der heutigen Verabschiedung des EUZBBG wird dafür ein weiterer Grundstein gelegt. Ich würde mich freuen, wenn auch die Bundesländer die Er- arbeitung ihres Gesetzes zur Zusammenarbeit der Bun- desregierung mit den Bundesländern, EUZBLG, jetzt rasch abschließen und verabschieden könnten. Auch das wäre das richtige Signal für die Stärkung der europäi- schen Perspektive. Jetzt wird es darauf ankommen, das EUZBBG mit Leben zu erfüllen. Brigitte Zypries (SPD): Zunächst ein Blick zurück: Europa steht 2010 und 2011 mitten in einer massiven Fi- nanz- und Wirtschaftskrise. Griechenland hat bereits umfangreiche Finanzhilfen erhalten. Es ist absehbar, dass Rettungsmaßnahmen für weitere Mitgliedstaaten in ungeahntem, anfänglich unvorstellbarem Ausmaß not- wendig werden. Ein Euro-Land nach dem anderen braucht Unterstützung. Die immer wieder einzeln aufge- spannten Rettungsschirme sollen durch einen Europäi- schen Stabilitätsmechanismus abgelöst werden. Die Bürgerinnen und Bürger sind besorgt, das Parla- ment alarmiert. Ist das Ganze überhaupt zu stemmen? Was kommt auf Deutschland zu? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29427 (A) ) )(B) (C (D In dieser Situation hat die Bundesregierung den Deut- schen Bundestag nur unzureichend informiert. Das Bun- desverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Juni 2012 wunderbar geschildert, wie das bewerkstelligt wurde. Die Abgeordneten haben immer wieder bei der Regierung nachgefragt, weil sie in der Presse lesen mussten, welche Vorschläge die Regierung diskutierte. Wenn sie diese Papiere angefordert haben, hat die Bun- desregierung zum Beispiel erklärt: Maßstab der Unterrichtungspflicht seien nicht Presse- berichte, sondern offizielle Dokumente; vorbereitende Papiere für den europäischen Rat seien nicht vorzulegen, weil die Bundesregierung ergebnisoffen in die Gesprä- che gehe, innerhalb der Regierung abgestimmte Papiere nicht vorlägen und nicht abgestimmte Papiere nicht vor- lagepflichtig seien; über informelle Treffen der Euro- Gruppe müsse die Regierung dem Bundestag nichts be- richten; Nonpapers des Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates zum Pakt für Wettbewerbsfähigkeit seien nicht vorzulegen; was die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem französischen Prä- sidenten dem Europäischen Rat in Sachen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit vertraulich und informell beim Mittagessen vorschlagen wolle, ohne dass es auf der Ta- gesordnung stehe, darüber gebe es keine abgestimmte Position der Bundesregierung. Deshalb müsse das Par- lament darüber nicht informiert werden. Am Ende hat sich sogar der Bundestagspräsident schriftlich bei der Kanzlerin über diese mangelhafte In- formation beschwert. Heute wissen wir, wie das Ganze geendet hat: mit ei- nem Europäischen Stabilitätsmechanismus, an dem Deutschland sich mit 21 Milliarden Euro am einzuzah- lenden Kapital beteiligt hat und aus dem eine auf 190 Milliarden Euro begrenzte Haftung Deutschlands folgt. Beim Bundesverfassungsgericht hat die Regierung dann vorgetragen, es stimme wohl, dass der Bundestag nach Art. 23 GG in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirke und deshalb umfassend und zum frü- hestmöglichen Zeitpunkt unterrichtet werden müsse. Aber es sei ja gar nicht um die Europäische Union, son- dern nur um die Euro-Gruppe gegangen, und die sei völkerrechtlich außerhalb der Europäischen Union or- ganisiert. Deshalb gelte Art. 23 Grundgesetz nicht. Hier hat das Bundesverfassungsgericht für Klarheit gesorgt. Auch völkerrechtliche Verträge, die in einem besonderen Näheverhältnis zur Europäischen Union ste- hen, sind Angelegenheiten der Europäischen Union. Jetzt wissen wir also, dass auch der Europäische Stabili- tätsmechanismus eine Angelegenheit der Europäischen Union ist. Der Deutsche Bundestag muss in diesen An- gelegenheiten mitwirken, und zwar in voll und jederzeit informierter Weise. Etwas anderes hätten wir auch nie- mandem erklären können. Das Gesetz, das wir heute fraktionsübergreifend be- schließen werden, ist gut. Es ist wichtig. Es ist weitge- hend so, wie das Bundesverfassungsgericht es vorgege- ben hat. Es erfasst inoffizielle Dokumente, die der Bundesregierung vorliegen. Es erfasst informelle Tref- fen, Vorschläge, Programme, Initiativen, mit und ohne Tagesordnung, mit und ohne Mittagessen. Ein Blick in die Zukunft. In der Vergangenheit hat der Bundestagspräsident die Regierung ermahnt, sie möge besser informieren. Jetzt hat der Bundestagspräsident uns daran erinnert, wir mögen uns doch etwas mehr be- schränken, sonst müssten wir mit bis zu 800 Papieren monatlich rechnen, die wir weder benötigen würden, noch verarbeiten könnten. Der Hinweis ist berechtigt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei Aufgabe des Parlaments, im Rahmen seiner Ge- schäftsordnungsautonomie für eine sachgerechte Sich- tung und Bewertung der eingehenden Informationen zu sorgen und die Voraussetzungen für deren sachgemäße Verarbeitung zu schaffen. Hier gibt es nach meiner Überzeugung noch einiges zu tun. Joachim Spatz (FDP): Die im Deutschen Bundes- tag vertretenen Parteien haben sich auf eine Neufassung des EUZBBG verständigt, mit der das bisherige Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union ersetzt wird. Das EUZBBG in seiner bishe- rigen Fassung wird damit aufgehoben. Das Ergebnis nach langen Verhandlungen stellt aus unserer Sicht einen ausgewogenen Gesamtkompromiss dar. Ich finde es wichtig und richtig, dass sich alle Frak- tionen in dieser bedeutenden Frage auf einen sinnvollen Konsens haben verständigen können. Nicht nur weil das Bundesverfassungsgericht uns im vergangen Juni den unmissverständlichen Auftrag zur Überarbeitung der bisherigen Regelungen aufgetragen hat, sondern auch aus wohlverstandenem eigenem Interesse können wir als Parlamentarier mit der nun zu verabschiedenden Rege- lung sehr zufrieden sein. Es geht letztlich um die Frage, inwieweit der Deut- sche Bundestag vor dem Hintergrund der zunehmenden Europäisierung – und wir als Liberale stehen eindeutig hinter der Idee einer verantwortungsvollen Vertiefung der Europäischen Union – seiner verfassungsrechtlich aufgetragenen Integrationsverantwortung in Zukunft ge- recht werden kann. Diesem Anspruch kann der Deutsche Bundestag durch das nun vorliegende Instrumentarium zweifelsohne nachkommen. Letztlich ermöglicht das neue EUZBBG uns Volksvertretern zum einen, in Ange- legenheiten der Europäischen Union direkt wie indirekt effektiv mitzuwirken, und zum anderen versetzt es uns in die Lage, das Handeln der Bundesregierung auf euro- päischer Ebene zu kontrollieren und damit letztlich auch demokratisch zu legitimieren. Die Neufassung des EUZBBG ist damit mittel- bis langfristig eine der bedeu- tendsten Entscheidungen für die zukünftige Rolle des Deutschen Bundestages und damit auch für unser parla- mentarisches Selbstverständnis der jüngeren Geschichte unseres Hohen Hauses. Auch die Organisation und Ver- waltung des Deutschen Bundestages muss sich diesen neuen Entwicklungen anpassen. Die Schaffung der neuen Unterabteilung Europa ist ein erstes Anzeichen dafür, welche Bedeutung das Thema Europa in der nächsten Wahlperiode einnehmen wird. 29428 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf haben wir das Ziel erreicht, die erweiterten Beteiligungs- rechte des Deutschen Bundestages in der Weise sinnvoll gesetzgeberisch umzusetzen, dass die frühestmögliche und umfassende Beteiligung des Deutschen Bundestages erfolgen kann und zugleich auch die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung bei der Durchsetzung der deutschen In- teressen in der Europäischen Union in vollem Umfang gewahrt bleibt. Damit haben wir den Anspruch der Prak- tikabilität beibehalten. Zudem konnte durch mehrere Konkretisierungen und einen stringenteren Regelungsaufbau eine Reihe von bis- herigen Unklarheiten beseitigt werden. Besonders her- vorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die De- finition, bei welchen Angelegenheiten es sich um Vorhaben der Europäischen Union handelt und welche Unterrichtungs- und Mitwirkungsrechte damit konkret und im Einzelnen verbunden sind. Festgehalten wurde ferner, dass darunter auch Vorgänge, Verhandlungen und Verfahren im Bereich der Eurogruppe fallen. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen: Als Haushaltsgesetzgeber müssen wir Parlamentarier der uns aufgetragenen Bud- getverantwortung in besonderem Maße nachkommen. Dafür bedarf es allerdings auch einer hinreichenden In- formationsbasis, die uns frühzeitig in die Lage versetzt, zu einem geeigneten Zeitpunkt Einfluss auf die anste- henden Entscheidungen auf europäischer Ebene zu neh- men. Gleiches gilt etwa auch für Fragen, die im Zusam- menhang mit der Einführung des Euros in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stehen. Der Deutsche Bundestag kann sich künftig in ver- stärktem Maße proaktiv an Vorhaben der Europäischen Union beteiligen, anstatt – wie bislang leider viel zu häu- fig – Dinge erst im Nachhinein nachzuvollziehen. Der Deutsche Bundestag ist damit auch Vorbild für viele Par- lamente anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die sich bei Debatten immer wieder explizit auf die Rolle sowie die Mitwirkungs- und Beteiligungs- rechte unserer Volksvertretung beziehen. Darauf können wir als Parlamentarier zu Recht stolz sein. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Seit mehreren Jah- ren nimmt die Zustimmung zur Europäischen Union kontinuierlich ab. Einer der Hauptgründe dafür ist das Empfinden von immer mehr Menschen, dass die Ent- wicklung der europäischen Integration an den Bürgerin- nen und Bürgern, aber auch an den Parlamenten vorbei- gegangen ist. Die Europäische Union wird als undemokratisches, von den Menschen weit entferntes Konstrukt wahrgenommen und von vielen Menschen skeptisch gesehen. Wie bereits in der ersten Lesung des vorliegenden Ge- setzentwurfes möchte ich auch heute wieder betonen, dass es die Fraktion Die Linke begrüßt, dass es gelungen ist, fraktionsübergreifend einen gemeinsamen Gesetzent- wurf über die Zusammenarbeit zwischen Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in EU-Angelegenheiten vorlegen zu können. Dieser Gesetzentwurf baut die par- lamentarischen Rechte in EU-Fragen aus, die die Linke mit ihrer Klage zum Vertrag von Lissabon mit erstritten hat. Der vorliegende Entwurf stärkt die bestehenden par- lamentarischen Rechte weiter und stellt damit zweifels- ohne einen wichtigen Fortschritt dar. Parlamentarische Demokratie setzt ein selbstbewuss- tes Parlament voraus, das sich auch gegenüber den je- weiligen Regierungen eigenständig für die Entwicklung von Positionen einsetzt: ein Parlament, das seine Gestal- tungskompetenz proaktiv wahrnimmt, sie gegen jegliche Angriffe verteidigt und an die neuen Entwicklungen fortdauernd anpasst. Ein kritischer Rückblick auf die letzten Jahre zeigt, dass dies dem Bundestag leider nur teilweise gelungen ist. Und auch diesmal wurden die parlamentarischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte nicht auf Grundlage einer selbstständigen Initiative dieses Hauses gestärkt, sondern es war erneut das Bundesverfassungsgericht, das mit seinen Vorgaben die parlamentarische Verant- wortung für die EU-Politik ermahnt hat und die Überar- beitung des Zusammenarbeitsgesetzes angestoßen hat. Hier würden wir uns als Fraktion Die Linke mehr Selbstbewusstsein des Parlamentes wünschen, auch weil wir die Integration auf europäischer Ebene weiterentwi- ckeln und neu gestalten wollen. Eine Europäische Union, die demokratisch, sozial, ökologisch und fried- lich ausgestaltet sein soll, wird nur entstehen, wenn sie nicht mehr nur von den Regierungen und der EU-Kom- mission maßgeblich gestaltet wird, sondern die Parla- mente der unterschiedlichen Ebenen, in direktem Kon- takt mit den Bürgerinnen und Bürgern, die Richtung der Europäischen Union maßgeblich mitgestalten können. Die Fraktion Die Linke unterstützt den vorgelegten Gesetzentwurf. Trotzdem bedauern wir es sehr, dass un- sere Vorschläge, die demokratischen Rechte des Parla- ments auch im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auszubauen, bei den anderen Fraktionen keine Unterstützung gefunden haben. Mit der Ablehnung unserer Anträge, die Verbindlich- keit der Stellungnahmen des Bundestages gegenüber der Bundesregierung zu stärken, haben die anderen Fraktio- nen im Deutschen Bundestag unseres Erachtens eine Chance vertan, die parlamentarische Demokratie weiter zu stärken. Für die Fraktion Die Linke ist nicht nachvoll- ziehbar, warum diese Position von den anderen Fraktio- nen nicht aufgegriffen wurde, da die demokratische Entwicklung der EU selbstbewusste und real mitbestim- mende Parlamente braucht. Denkt man daran, dass die Politik der Bundesregie- rung von der parlamentarischen Mehrheit getragen wird, ist es kaum zu erwarten, dass eine mehrheitliche Position des Bundestages, die von der Bundesregierung abge- lehnt wird, zustande kommen kann. Gleichzeitig aber wäre die Position der Regierungsfraktionen gegenüber ihrer eigenen Regierung gestärkt und damit mehr demo- kratische parlamentarische Mitbestimmung festgeschrie- ben worden. Es ist im Interesse aller Parlamentarier, gleich ob sie zu Oppositions- oder zu Regierungsparteien gehören, dass die Dominanz der Regierung in außenpolitischen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29429 (A) ) )(B) (C (D und europapolitischen Fragen durch eine stärkere parla- mentarische Kontrolle und Mitbestimmung einge- schränkt wird. Gleichzeitig hätte die Verbindlichkeit von parlamentarischen Entscheidungen in Fragen der EU die Rolle des Parlaments für die demokratische Legitimation der Europapolitik zumindest symbolisch hervorgehoben und die Europapolitik des Deutschen Bundestages deut- lich gestärkt werden müssen. Mit dem neuen Gesetz wird ein weiterer Schritt ge- gangen, damit das Parlament nicht nur über Entschei- dungen der Bundesregierung informiert wird, sondern auch bei der Festlegung dieser Entscheidungen mit ein- bezogen wird. Entscheidend ist hierbei die Möglichkeit, den Prozess der Fassung europapolitischer Entscheidun- gen möglichst transparent zu gestalten. Je mehr in die- sem Saal über europapolitische Entscheidungen gestrit- ten wird, desto verständlicher werden sie auch für die Öffentlichkeit. Die Fraktion Die Linke ist der Überzeugung, dass wir bei weitem noch nicht am Ende des Weges angekommen sind: In dem Maße, in dem die Europapolitik komplexer wird und die Entscheidungsbefugnisse der EU-Ebene immer mehr erweitert werden, sind erweiterte Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Bundestages und der Lan- desparlamente notwendig, um die demokratische Legiti- mation dieser Entscheidungen sicherzustellen. Auch Möglichkeiten direkter demokratischer Ent- scheidung müssen geschaffen werden. Volksabstimmun- gen in Angelegenheiten der Europäischen Union müssen verfassungsrechtlich ermöglicht werden. Grundlegenden Entscheidungen, wie zum Beispiel über den Fiskalpakt, über den ESM-Vertrag und über die Änderung der EU- Verträge, sollten auch durch die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar mitentschieden werden. Nur so kann die de- mokratische Legitimation der EU gewährleistet werden. Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf heute eine für alle tragbare Lösung verabschiedet wird. Gleichzeitig möchte ich Ihnen jedoch versprechen, dass die Fraktion Die Linke auch in den nächsten Legis- laturperioden weiter für die Erweiterung der Rechte des Parlaments in allen Fragen der Europäischen Union ein- treten wird und die jetzt gefundene Lösung für einen wichtigen Etappenschritt hin zu mehr demokratischen Rechten des Parlaments gegenüber der Regierung an- sieht. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Deutschen Bundes- tages mit der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union wird heute einstimmig und von al- len Fraktionen getragen beschlossen werden. Für unser Parlament ist dies ein überaus wichtiger Tag. Zwei zentrale Forderungen werden mit diesem Gesetz erfüllt: Um unseren Verpflichtungen zur effektiven und ver- antwortlichen Mitwirkung des Bundestages an der Eu- ropäischen Gesetzgebung zu genügen, müssen wir frü- hestmöglich und vollständig informiert werden. Die Bundesregierung ist hier in der Pflicht. Und zu den Angelegenheiten der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Grundgesetz gehören nicht nur die europäischen Verträge selbst, sondern auch alle völker- rechtlichen Verträge, die in einem Näheverhältnis zur Europäischen Union stehen: namentlich alle Verträge und Vereinbarungen, die die gemeinsame Währung, den Euro, betreffen. Dieses Gesetz ist aus der Mitte des Parlaments heraus entstanden. Indem es tatsächlich und vollständig von Abgeordneten und nicht von der Ministerialbürokratie ausgearbeitet wurde, beweist dies, dass das Gesetzesini- tiativrecht zu Recht auch beim Parlament selbst liegt. Wir haben allen Grund, hervorzuheben, dass das vor- liegende Gesetz das Ergebnis einer sachlich-konstrukti- ven Zusammenarbeit zwischen Abgeordneten über frak- tionelle Grenzen hinweg ist. Wir demonstrieren damit die Leistungsfähigkeit der parlamentarischen Demokra- tie in unserem Land. Aber es gibt keinerlei Anlass zu einer verklärenden Betrachtungsweise im Sinne eines „Wir Parlamentarier von Koalition und Opposition wollen alle immer nur das Beste für unsere Demokratie und unser Parlament“. Tat- sächlich war die Ausgangslage weniger romantisch und auch weniger harmonisch. Denn so wunderbar konsen- sual der Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenar- beit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union auch heute präsentiert wird, klar muss sein: Ohne das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte es diesen Entwurf und dieses Gesetz nicht gegeben. Und klar ist ebenso: Ohne die Klage der Grünen vor dem Bundesverfassungsge- richt hätte es das Urteil nicht gegeben. Und nicht zuletzt muss auch Folgendes in aller Klar- heit zum Ausdruck gebracht werden: Ohne das überaus unkooperative Verhalten der Bundesregierung hätte es auch keiner Verfassungsbeschwerde der Grünen bedurft. Von Dezember 2010 bis weit ins Jahr 2011 hinein ver- langten Abgeordnete immer wieder Unterlagen zu den verhandelten Verträgen über die EFSF und den ESM. Weder Vorlagen der Europäischen Kommission noch Vorlagen der Bundesregierung wurden dem Bundestag überlassen. Die Bundesregierung vertrat die verfas- sungswidrige Auffassung, Maßnahmen zur Stabilisie- rung der Währung Euro seien keine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Grundgesetz. Informationen wurden dem Bundestag und den Abge- ordneten nur mündlich und immer wieder unter Bestrei- ten jeglicher Rechtspflicht zur Information erteilt. Die Bundesregierung wollte das Parlament im Ergeb- nis aus allen Maßnahmen zur Stabilität und Rettung des Euro heraushalten, obwohl die Abgeordneten die Verant- wortung für die beschlossenen Maßnahmen zu tragen haben. Die Bundesregierung wollte das Parlament ge- rade nicht fortlaufend und umfassend über Maßnahmen und Handlungen auf europäischer Ebene informieren. Beispielhaft hierfür ist die Aussage von Finanzminister Schäuble, er wolle das Parlament nicht „kleckerweise“, sondern eben nur über das Gesamtpaket informieren, wenn dieses bereits ausverhandelt sei. Damit hat die 29430 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Bundesregierung verhindert, dass sich der Bundestag mit den Maßnahmen beschäftigen, sich eine Position hierzu erarbeiten und die Bundesregierung lenken konnte. Aber genau das Gegenteil hierzu braucht das Parla- ment: eine zeitnahe, fortlaufende und umfassende Infor- mationspolitik, weil der Deutsche Bundestag auch nur so seiner Integrationsverpflichtung aus Art. 23 Grundgesetz nachkommen kann. Es ist gut, dass im EUZBBG nun die Rechte des Par- laments und der Abgeordneten auf der einen Seite und die Pflichten der Bundesregierung auf der anderen Seite festgeschrieben sind. Es wird nun darauf ankommen, das Gesetz mit Leben zu füllen und die Möglichkeiten der Beteiligung zu nutzen. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Leistungspotenziale von Menschen mit Be- hinderung im Arbeitsleben ausschöpfen – Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinderung fairen Zugang zum Ar- beitsmarkt ermöglichen – Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung (Tagesordnungspunkt 14) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Art. 27 der UN-Behin- dertenrechtskonvention gewährleistet eine gleichberech- tigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung an einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarkt. Betrachtet man die Entwicklung am deutschen Ar- beitsmarkt in den vergangenen Jahren, könnten die Rah- menbedingungen eigentlich nicht besser sein. Mit über 41,5 Millionen waren im vergangenen Jahr so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie nie zuvor. Auch die durchschnittliche Zahl der Erwerbslosen ist mit 2,897 Millionen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gefallen. Und blickt man über die Grenzen hinaus, so steht Deutschland im europäischen Vergleich – insbe- sondere was die geringe Jugendarbeitslosigkeit anbe- langt – mit Abstand am besten da. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit ist gesunken, und die Ver- mittlung in Arbeit verläuft wesentlich zügiger. Um unse- ren soliden und äußerst robusten Arbeitsmarkt werden wir im gesamten europäischen Ausland beneidet. Doch bei einem genaueren Blick auf die aktuellen Ar- beitslosenstatistiken – nämlich im Bereich der Menschen mit Behinderung – wird deutlich, dass bei weitem nicht alle Menschen in unserem Land von dieser erfreulichen Entwicklung profitieren. Für eine gleichberechtigte Teil- habe von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeits- markt sind weitere Anstrengungen vonnöten. Zwar set- zen zunehmend mehr Unternehmen auf Menschen mit Behinderung als hochmotivierte und leistungsfähige Ar- beitnehmer und profitieren von ihren Fähigkeiten; den- noch finden viele von ihnen ohne zusätzliche Unterstüt- zung nicht den Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Mit dem vorliegenden Koalitionsantrag „Leistungs- potenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsle- ben ausschöpfen“, der auf Initiative von Maria Michalk, der Beauftragten für Menschen mit Behinderung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in enger Abstimmung mit unserem Koalitionspartner FDP und mit Hubert Hüppe, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, erarbeitet wurde, wollen wir dieser Gegebenheit wirksam entgegentreten. Der Antrag nimmt Menschen mit Behinderung in den Fokus, formuliert die wichtigsten behindertenpolitischen Ak- zente, zeigt die bestehenden Unterstützungsmöglichkei- ten für einen erleichterten Zugang zum ersten Arbeits- markt auf und unterstützt die Bundesregierung bei ihren bisherigen behindertenpolitischen Aktivitäten. Er zielt insbesondere auf die Vorlage einer differenzierten Da- tenlage, um zu analysieren, welche Maßnahmen wirk- sam sind, um sodann passgenaue Fördermaßnahmen zur Steigerung der Teilhabechancen weiterentwickeln zu können. Dazu gehört auch, dass das Wunsch- und Wahlrecht von werkstattberechtigten Menschen zwischen Werk- stätten und alternativen Leistungsanbietern bei harmoni- sierter sozialer Absicherung – auch unter Nutzung des persönlichen Budgets – gestärkt und bestehende Unter- stützungsmaßnahmen vereinfacht werden. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 25. Fe- bruar 2013 haben die Sachverständigen bestätigt, dass der Koalitionsantrag in die richtige Richtung geht. Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion Die Linke und der Fraktion der SPD, mit den in Ihren Anträ- gen formulierten Forderungen nach einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe und neuen Schutzvorschriften sowie der Überregulierung im Behindertenrecht vermitteln Sie nicht nur ein schlechtes Signal an die Betroffenen selbst, sondern sorgen zudem für eine zusätzliche Belastung der Unternehmen und eine zusätzliche Bürokratisierung des Behindertenrechts. Das System von Beschäftigungspflicht und gestaffel- ter Ausgleichsabgabe hat sich bewährt. So ist die Be- schäftigungsquote von 3,8 Prozent im Jahr 2002 immer- hin auf 4,5 Prozent im Jahr 2010 gestiegen. Änderungen in diesem Bereich erscheinen nicht angezeigt, zumal eine Dynamisierung der Ausgleichsabgabe gesetzlich bereits vorgesehen ist und mit Wirkung zum 1. Januar 2012 zum Tragen gekommen ist. Der Ansatz der christlich-liberalen Koalition ist es, Arbeitnehmer und Arbeitgeber für einen inklusiven Ar- beitsmarkt zu sensibilisieren. Um unserem Auftrag, eine inklusive Arbeitswelt zu gestalten, gerecht zu werden, setzen wir nicht auf eine erhöhte Abgabe, mit der sich die Unternehmen von der Verpflichtung zur Einstellung behinderter Menschen freikaufen können, sondern auf Kooperation und das gezielte Setzen von Anreizen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29431 (A) ) )(B) (C (D Insbesondere in Anbetracht des drohenden Fachkräf- temangels sowie des demografischen Wandels müssen wir dafür Sorge tragen, die Vorbehalte und Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber und auch der Arbeitnehmer abzubauen, um behinderten Menschen eine bessere Chance zu geben. Qualifizierte Arbeitskraft wird zuneh- mend zu einem kostbaren Gut. Dennoch sind viele der aktuell arbeitslosen Behinderten in diesem Land trotz ih- rer fachlichen Qualifikation und Fähigkeiten zum Teil schon lange arbeitslos. Oftmals mangelt es potenziellen Arbeitgebern an Informationen hinsichtlich der Kompe- tenzen und Qualifikationen von Arbeitnehmern mit Be- hinderung; Fördermöglichkeiten zur beruflichen Einglie- derung sind ihnen meist nicht hinreichend bekannt. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen müssen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung informiert, beraten und unterstützt werden. Bedauerlicherweise ist es häufig noch so, dass sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitskollegen schwertun, sich behinderte Menschen als Mitarbeiter bzw. Kollegen vorzustellen. Es darf nicht sein, dass bei vielen Betrieben erst der Fachkräftemangel dazu führt, sich ernsthaft mit dem Be- schäftigungspotenzial behinderter Arbeitnehmer ausein- anderzusetzen. Hier benötigen wir dringend einen Men- talitätswechsel. Dies zu ändern, ist jedoch eine gesamtgesellschaftli- che Aufgabe. Wir können und wollen auf die Qualifika- tionen von Menschen mit Behinderung nicht verzichten. Es muss ganz selbstverständlich werden, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Allerdings kann die Politik hier auch nur die notwen- digen Rahmenbedingungen schaffen – die Unternehmen schaffen die Arbeitsplätze. Unser Antrag „Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen“ macht unmissverständlich klar, dass Menschen mit Behinde- rung auf dem ersten Arbeitsmarkt gebraucht werden und wir sie auf dem Weg dahin in jeglicher Hinsicht tatkräf- tig unterstützen werden. Gerne möchte ich neben unseren geplanten Anstren- gungen in diesem Zusammenhang auch nochmals die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen, aus denen sich ein Anspruch auf gesellschaftliche Partizipation und Teilhabe am Arbeitsleben ergibt, in Erinnerung rufen. Mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichstel- lungsgebot sollen explizit Benachteiligungen für Men- schen mit Behinderung verhindert werden. Des Weiteren möchte ich die Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsle- ben nach dem SGB III oder dem Neunten Buch Sozial- gesetzbuch nennen, die die selbstbestimmte Teilhabe be- hinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben betreffen und dabei helfen, Hindernisse, die der Chan- cengleichheit entgegenstehen, zu beseitigen. So enthält beispielsweise das SGB IX verpflichtende Sonderrege- lungen für Arbeitgeber, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben ist eine der Hauptgrundlagen für eine eigenverantwortliche Lebens- gestaltung und Grundvoraussetzung für die Entfaltung der Persönlichkeit – das gilt für behinderte und nichtbe- hinderte Menschen gleichermaßen. Arbeit zu haben, be- deutet wirtschaftliche Unabhängigkeit und aktive Teil- nahme am gesellschaftlichen Leben. Für Menschen mit Behinderung gibt es in vielen Bereichen des ersten Ar- beitsmarktes Arbeit – den Wettbewerb können sie jedoch nur dann bestehen, wenn sie gut ausgebildet sind. Wirk- same Maßnahmen und Konzepte sind also gefragt, um einerseits behinderte Menschen für den allgemeinen Ar- beitsmarkt zu qualifizieren und andererseits potenzielle Arbeitgeber umfassend zu informieren, um die Beschäf- tigungsfähigkeit fördern zu können. Ein nahtloser Wech- sel in die betriebliche Ausbildung und auf den ersten Ar- beitsmarkt stellt für viele Menschen mit Behinderung noch die Ausnahme dar. Daher sind für einen erfolgrei- chen Übergang von der Schule in die Berufsausbildung und die betriebliche Übernahme die Rahmenbedingun- gen entscheidend. Das Ziel der christlich-liberalen Koalition ist es, die Rahmenbedingungen in allen Lebensbezügen so zu ge- stalten, dass behinderte Menschen ohne Ausgrenzung in allen Bereichen des Lebens und der Arbeitswelt teilha- ben können. Dies setzt ein Umdenken und gezieltes Handeln der Gesellschaft voraus. Menschen mit Behin- derung müssen nicht nur bei der Arbeitssuche immer noch gegen Vorurteile ankämpfen. Um eine vollständige Teilhabe an allen Bereichen des Lebens zu ermöglichen, gilt es, diese hartnäckigen Vorbehalte auf lange Sicht endgültig auszuräumen. Daran werden wir auch weiter- hin arbeiten. Maria Michalk (CDU/CSU): Uns liegt heute die Be- schlussempfehlung aus dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu drei Anträgen vor, die sich allesamt damit auseinandersetzen, wie wir die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt besser gestalten können, um ihnen mit ihrem sehr individuellen Leis- tungspotenzial bessere Chancen für die Teilhabe in der Arbeitswelt einzuräumen. Die SPD fordert die Erhöhung der Ausgleichsabgabe. Das lehnen wir ab. Die Fraktion Die Linke sieht den Weg ebenfalls in der Anhebung der Ausgleichsabgabe und will zusätzlich Assistenzleistun- gen aus Steuermitteln, entgegen europäischen Bestim- mungen die Zurücknahme der Ausschreibungspflicht für die BA und Reha-Träger und noch einiges mehr. Der Antrag der Koalitionsfraktionen geht davon aus, dass für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt weiterhin Anstren- gungen notwendig sind, da sie trotz wirtschaftlichen Aufschwungs deutlich stärker von Arbeitslosigkeit be- troffen sind als Menschen ohne Behinderung. Nach wie vor haben schwerbehinderte Arbeitslose größere Schwierigkeiten, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Un- ser Grundansatz ist aber nicht die Verschärfung von Sanktionen gegenüber den Arbeitgebern bzw. den Un- ternehmungen, sondern das Werben um ihre Gunst und das Abbauen von Vorurteilen und Vorbehalten, sowohl bei den Unternehmern, als auch bei den Belegschaften. Notwendig sind flexible Sachleistungen für die Leis- tungsempfänger, denn gerade hier ist jede Situation sehr 29432 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D individuell. Das gilt nicht nur für den Einstieg bzw. Wie- dereinstieg in das Berufsleben, sondern auch für beste- hende Arbeitsverhältnisse von Menschen mit einer Be- hinderung. Oftmals ist der Verbleib am Arbeitsplatz nach einer Krankheit oder einem Unfall mit dauerhaften Beeinträchtigungen sehr differenziert zu entscheiden. Gleichmacherei führt sehr oft in die Arbeitslosigkeit und viel zu oft in die Grundsicherung. Hier haben die Reha- bilitationsträger eine große Verantwortung, vor allem in der Eingliederungsphase. Fakt ist, dass aktuell die be- reits reduzierten Eingliederungsmittel nicht verbraucht werden; denn die Rahmenbedingungen auf dem Arbeits- markt haben sich in den letzten Jahren entscheidend ver- ändert. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2005 zum Bei- spiel in Sachsen nahezu halbiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg und ist auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Das Stellenangebot bewegt sich auf hohem Niveau. Deshalb werden viele Arbeitnehmer auch ohne Förderleistungen bzw. mit deutlich verringertem Förder- bedarf eingestellt. In meinem Wahlkreis hat allein im Dezember letzten Jahres die Zahl der Langzeitleistungs- bezieher um acht Prozent abgenommen. Deshalb wird auch das verfügbare Eingliederungsbudget nicht in vol- lem Umfang in Anspruch genommen. Was will ich damit sagen? Es fehlt nicht an finanziel- len Mitteln zur stärkeren Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Was fehlt, ist die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen. Viele Einstellungswillige sind unsicher, was sie zum Beispiel mit Blick auf den stärke- ren Kündigungsschutz von Menschen mit Behinderung erwartet. Deshalb sind Beratung und Information not- wendig. Auch wird befürchtet, die Belastbarkeitsgrenze nicht zu erkennen. Hier ist ein betriebliches Praktikum oder die zeitweise Arbeit auf einem Außenarbeitsplatz aus der Werkstatt heraus oder die unterstützte Beschäfti- gung hilfreich. In der Anhörung und in der anschließen- den Ausschussberatung zu den vorliegenden Anträgen wurde erneut deutlich, dass es uns auch nicht an Instru- menten fehlt. Was fehlt, ist die individuelle Herange- hensweise und das Aufeinanderzugehen. Allerdings muss die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Instrumenten verbessert werden. Wer zum Beispiel zu- nächst in einer unterstützen Beschäftigung einen Ar- beitsplatz findet und später feststellt, dem Leistungsan- spruch nicht gerecht zu werden, der muss zum Beispiel die Möglichkeit einer Beschäftigung in einer Werkstatt erhalten und auch umgekehrt. In jedem Fall ist aber das Abstrafen von Unternehmen, die sich diesem Thema nicht stellen, durch eine höhere Ausgleichsabgabe kont- raproduktiv. Den inklusiven Arbeitsmarkt werden wir nicht durch mehr und höhere Sanktionen erreichen, son- dern allein durch gegenseitiges Verständnis und Mut, sich mit Sachverhalten auseinandersetzten, für die man bisher „kein Ohr“ hatte. Noch etwas ist erneut deutlich geworden: Je früher die Teilhabe am Arbeitsmarkt in den Blick genommen wird, desto größer die Erfolge. Das Ausüben einer quali- fizierten Erwerbstätigkeit versetzt Menschen mit Behin- derung nämlich in die Lage, Anteil am gesellschaftli- chen Leben zu nehmen, eigene Netzwerke aufzubauen, Anerkennung zu erfahren und ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen zu erzielen. Es ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für unsere Gesellschaft wichtig, Jugendliche mit einer Behinderung stärker in die betriebliche Berufsausbildung zu führen. Der Ab- gang aus der Schule ohne eine Berufsausbildung, und das sind in Deutschland immer noch mehr als 10 Pro- zent, ist die sichere Fahrkarte in die Langzeitarbeitslo- sigkeit. Deshalb plädieren wir dafür, stärker als bisher auch Jugendlichen mit einer Behinderung einen betrieb- lichen Ausbildungsplatz zu geben. Auch können wir uns allein aus dem drohenden Fachkräftemangel keine un- ausgeschöpften Potenziale in der Gesellschaft leisten. Junge Menschen mit einer Behinderung vom Arbeitsle- ben auszugrenzen, ist nicht nur unsozial, sondern auch gesetzeswidrig. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet uns alle gemeinsam, die allumfassende Teilhabe zu organisieren und zu leben. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt am Ende uns alle mehr kostet als die Unterstützung zur Teilhabe. Deshalb stehen wir in der Union dafür, den Übergang in die Ausbildung und Beschäftigung durch Hilfestellungen in Form von Integrationsmaßnahmen der Arbeitsagenturen oder berufsvorbereitenden Maßnah- men zu forcieren und die Kompetenzen zu stärken und die Unternehmen für ein Berufsausbildungsverhältnis zu gewinnen. Wir müssen die Ansicht überwinden, dass es hier um Fürsorge geht. Vielmehr haben wir die Notwen- digkeit der Verstärkung des Arbeitsmarktangebotes. Das haben viele Fachveranstaltungen gerade in den letzten Monaten sehr deutlich herausgearbeitet. Wir brauchen für jede konkrete Situation, die sich bei jedermann im Lauf des Lebens einstellen kann und erst recht bei Men- schen mit einer mehrfachen bzw. dauerhaften Behinde- rung, ein stärkeres Übergangsmanagement statt Schubla- dendenken und Polarisierung. In dieser Hinsicht werbe ich noch einmal für unseren Antrag und bitte alle Akteure, an der Umsetzung mitzu- wirken. Ich habe nach wie vor die Überzeugung, dass vorausschauende Unternehmen im Rahmen ihrer Unter- nehmensstrategie die Vorteile des inklusiven Arbeits- marktes und das Lern- und Weiterbildungspotenzial so- wie die Arbeitsbereitschaft der Menschen mit einer Behinderung nutzen werden. Politisch wollen wir die Einstellungsneigung der Betriebe zugunsten schwerbe- hinderter Menschen stärken. Das ist das Signal, das von unserem Antrag ausgeht. Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Aus Anlass dieser Debatte über die Anträge der Fraktionen sowie zum Ausklang der 17. Wahlperiode gilt es, Bilanz darüber zu ziehen, wie sich die Teilhabe am Arbeitsleben für Men- schen mit Behinderung entwickelt hat. Es ist begrüßenswert, dass auch die Koalition zum Ende dieser Legislatur Interesse an diesem wichtigen Thema zeigt. Wobei ich an der Ernsthaftigkeit dieses In- teresses meine Zweifel habe, wenn ich mir den Inhalt des Antrags anschaue. Die UN-Behindertenrechtskonvention haben wir 2009 in der Großen Koalition gemeinsam unterzeichnet und ratifiziert. Der Anspruch der Konvention war und ist Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29433 (A) ) )(B) (C (D es, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemein- sam auf einem inklusiven und durchlässigen Arbeits- markt ihren Lebensunterhalt mit selbst gewählter Arbeit verdienen können, dass sie gesunde Arbeitsbedingungen vorfinden und dass sie ihre gewerkschaftlichen Rechte gleichberechtigt ausüben können. Die Konvention for- dert auch, dass die Regierungen die Beschäftigung im privaten Sektor fördern und dafür geeignete Anreize set- zen. Soweit zu dem, wo wir alle hinwollen. Nun zu dem, wo wir stehen und was wir auf diesem Wege erreicht oder eben nicht erreicht haben. Da muss man leider feststellen, dass die vergangenen Jahre der schwarz-gelben Koalition – gemessen an den genannten Zielen – verlorene Jahre waren. Wohin man auch schaut: Von Ihrer Koalition ist bisher nur Stillstand ausgegangen. Auf den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mussten wir bis zum Frühjahr 2012 warten. Gesetzgeberische Konzepte im Bereich Arbeitsmarkt: Fehlanzeige! Da sollen vor allem Arbeitgeber sensibilisiert werden, man will sich einset- zen für mehr Personenzentrierung, und man macht vor allem viele Modellprojekte. Es wurde ein Programm aufgelegt mit dem Titel „Initiative Inklusion“, das vor al- lem besondere Gruppen – nämlich Schüler, Jugendliche und ältere Schwerbehinderte – fördern soll. Das ist alles nicht falsch, aber schlicht unzureichend. Man muss bei all dem doch festhalten, dass sich die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den vergangenen vier Jahren nicht wesentlich verringert hat; sie ist sogar gestiegen. Waren im März 2009 noch circa 171 000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos, waren dies im März 2013 180 000 Menschen. Die meisten schwerbe- hinderten Menschen – mittlerweile über 110 000 – sind mittlerweile langzeitarbeitslos und damit im Bereich des SGB II angekommen. Das ist eine Katastrophe für diese Menschen; denn wir wissen, dass die Jobcenter und optierenden Kommu- nen nicht das Potenzial für eine dauerhafte Eingliede- rung dieser besonderen Personengruppe haben. Man muss festhalten: Schwerbehinderte Menschen sind mehr denn je von Arbeitslosigkeit betroffen und erfahren ei- nen Verschiebebahnhof in das SGB II. Viele andere Bereiche, die hier genannt werden müs- sen, haben Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, leider vollkommen vernach- lässigt. Werkstätten haben ungebremsten Zulauf, es gibt keine Weiterentwicklung der Ausgleichsabgabe, keine zusätzliche Förderung der Beschäftigung in Integrations- unternehmen, keine Weiterentwicklung der betrieblichen Schwerbehindertenvertretungen oder der Mitwirkung in Werkstätten, keine Weiterentwicklung des SGB IX, kein Konzept für die Erwerbsminderungsrente und bis heute keine Erweiterung des sogenannten Rehadeckels der Rentenversicherung. Das ist die rehabilitations- und arbeitsmarktpolitische Bilanz dieser Regierung in Bezug auf behinderte Men- schen. Und das, obwohl Ihnen die Opposition und die Fach- und Betroffenenverbände unzählige Vorschläge gemacht haben. Sie bleiben weiterhin untätig und legen hier stattdes- sen einen Antrag vor, der nur einen Ausschnitt des ge- samten vorhandenen Spektrums anreißt; er kratzt an der Oberfläche und lässt wichtige und für den Arbeitsmarkt grundlegende Bereiche außen vor. Er steht damit in guter Tradition zum Nationalen Ak- tionsplan, der auch nichts weiter als ein Sammelsurium bereits bestehender Maßnahmen und oberflächlich ge- schönter Problemaufrisse ist. Das haben nicht nur wir, sondern in der Anhörung zum Beispiel auch die Schwer- behindertenvertretungen festgestellt. Das können die in- teressierten Bürgerinnen und Bürger in der Berichterstat- tung des Ausschusses nachlesen. Es geht eben nicht nur darum, Arbeitgeber und Ar- beitnehmer für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu sensibi- lisieren, sondern wir müssen klare Kriterien einziehen, damit dieser inklusive Arbeitsmarkt entstehen kann. Den Marktkräften hier alles Gestalterische blind zu überlas- sen, das passt zur FDP und ihrer Klientelpolitik, wird aber unserer Verantwortung nicht gerecht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben unsere Haus- aufgaben gemacht, und wir wollen nach der Bundes- tagswahl diese Politik des Stillstands ablösen und gemeinsam mit den Betroffenen endlich konkrete Ver- besserungen erreichen. Menschen mit Behinderung ha- ben ohne Unterstützung keine Chance auf unserem der- zeitigen Arbeitsmarkt. Es ist deshalb die Aufgabe des Gesetzgebers, Anreize für Beschäftigung zu setzen und nicht nur gut auf die Arbeitgeber einzureden. Da hilft es keinem weiter, wenn man – wie Sie es mit ihrem Antrag tun – der Regierung einen Merkzettel schreibt, was sie alles noch tun könnte – man muss kon- kret werden! Nehmen wir einmal die Beschäftigungszahlen: Sie stellen es so dar, als wenn immer mehr Unternehmen Menschen mit Behinderung beschäftigen und das ein Fortschritt sei. Auf die Entwicklung der Arbeitslosen- zahlen bin ich schon eingegangen. Die Beschäftigungs- quote in der privaten Wirtschaft hat sich zwischen 2003 und 2010 nur um 0,4 Prozent verbessert. Die öffentli- chen Arbeitgeber machen das wett – aber auch hier gibt es noch Potenzial; denn immerhin 5 400 öffentliche Ar- beitgeber erfüllten die Pflichtquote von 5 Prozent im Jahr 2010 nicht. Durch die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt werden heute viele Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft gar nicht mehr mitgezählt; insofern ist die bereinigte Quote wahrscheinlich noch geringer. Diesem Effekt könnte man mit einer Reform des Be- rechnungsmodus der Pflichtquote begegnen, zum Bei- spiel indem man zukünftig Arbeitsverhältnisse unter 18 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit grundsätzlich mit- zählt. So könnte man auch den Effekt beseitigen, dass Unternehmen mit im Wesentlichen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deutliche Vor- teile bei der Berechnung ihrer Pflichtarbeitsplätze haben. 29434 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Dafür müssen wir der Ausgleichsabgabe aber auch zu einer wirksamen Anreizfunktion verhelfen, die sie der- zeit nicht hat. Unternehmen nehmen die Abgabe in Kauf, weil sie so gering ist und man damit vermeintlich be- quem die Beschäftigungspflicht umgehen kann. Die Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Men- schen hat sich zwischen 2005 und 2010 sogar verringert. Waren 2005 bundesweit noch 142 700 Schwerbehinderte in Arbeit, waren dies 2010 nur noch 138 300. Der DGB hat in der Anhörung deutlich gemacht, dass eine Arbeits- losenquote von 14 Prozent bei Schwerbehinderten ge- genüber 7,9 Prozent allgemeiner Arbeitslosenquote auf eine Benachteiligung dieser Gruppe hinweist. Gleichzei- tig hat sich auch die Zahl derjenigen, die als – per Defi- nition – „voll erwerbsgeminderte“ Menschen die Werk- stätten besuchen, fast verdoppelt. Darunter sind viele Menschen, die als sogenannte Leistungsträger mit richti- ger Förderung durchaus schon heute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Die Zahl der Firmen, die 2 Prozent und weniger schwerbehinderte Menschen beschäftigen, hat sich im selben Zeitraum aber kaum verändert. Das heißt, dass sich die Bereitschaft zur Einstellung behinderter Men- schen im privaten Sektor kaum verbessert hat und Alter- nativen zur Werkstatt offenbar fehlen oder nicht attraktiv genug sind. Ich denke nicht, dass man dieses Gesamtbild als „Fortschritt“ bezeichnen kann, so wie Sie es in Ihrem Antrag tun. Hier müssen endlich konkrete Vorschläge auf den Tisch, und das haben wir mit unserem Antrag „Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinde- rung fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen“ ge- tan. Wir fordern eine Wiedererhöhung der Pflichtquote auf 6 Prozent und die Erhöhung der Ausgleichsabgabe- beträge, besonders für die Unternehmen, die anhaltend eine geringe Quote unter 2 Prozent aufweisen. Wir for- dern für diese Unternehmen eine deutliche Erhöhung der Beträge von 290 auf 750 Euro pro nichtbesetztem Pflichtarbeitsplatz. Noch einmal: Den Arbeitgebern gut zuzureden, hilft nicht weiter. Das muss man nach zehn Jahren einfach einmal feststellen und konsequente Schlüsse daraus zie- hen. Deshalb müssen Verstöße gegen die Beschäfti- gungspflicht auch als Ordnungswidrigkeiten konsequent verfolgt und die Nichterfüllung der Mindestbeschäfti- gung geahndet werden. In der Anhörung hat die Bundesagentur für Arbeit un- seren Vorschlag, die Verfolgung der Beschäftigungs- pflichtverstöße zu verlagern, begrüßt. Dies würde den Interessenkonflikt lösen, den die derzeitige Regelung hervorruft. Als weitere Maßnahme schlagen wir vor, die institu- tionelle Förderung in Höhe von derzeit circa 40 Millio- nen Euro jährlich aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zu- künftig nicht mehr für Werkstätten und Wohnheime, sondern für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt zu ver- wenden. Das ist wichtig; denn nur so bekommen wir eine Trendwende von der alternativlosen Werkstatt zu mehr Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Integrationsunternehmen leiden momentan nicht darunter, dass es zu wenige tragfähige Geschäftsideen oder zu wenig geeignetes Personal gäbe, sondern vor al- lem darunter, dass das Aufkommen der Ausgleichsab- gabe in einigen Ländern enorm begrenzt ist und daraus keine neuen Förderungen erfolgen können. Die Auftei- lung des Aufkommens der Ausgleichsabgabe muss des- halb so neu geregelt werden, dass mehr Mittel für die Förderung von Integrationsunternehmen bereitstehen. Auch die Rücklagemittel im Ausgleichsfonds des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – nach un- seren Informationen fast 300 Millionen Euro – sind für eine neue Beschäftigungsinitiative für schwerbehinderte Arbeitslose zu verwenden. Die Integrationsunterneh- men könnten in Jahresfrist mehrere Tausend neuer so- zialversicherungspflichtiger Jobs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen. Wir werden im Falle einer Regierungsübernahme die Inklusion am Arbeitsmarkt aktiv und mit Nachdruck för- dern und wieder Bewegung hineinbringen, damit die Be- troffenen endlich Perspektiven erhalten und wir mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention voran- kommen. Gabriele Molitor (FDP): Wollen wir Inklusion um- setzen, müssen Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit haben, sich zu begegnen. Besonders gut geht das am Arbeitsplatz. Hier verbringen wir einen Großteil unserer Zeit. Hier finden sich Möglichkeiten, inklusive Prozesse voranzubringen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern. Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik von Menschen mit Schwerbehinde- rung macht den Handlungsbedarf deutlich. Denn Men- schen mit Behinderung sind in Deutschland deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als nichtbehin- derte Menschen. Dabei haben viele Unternehmen bereits gezeigt, wie erfolgreich die Zusammenarbeit mit behinderten Mitar- beitern verläuft. Globetrotter, Daimler AG, Metro Group oder die Deutsche Telekom stellen Menschen mit Behin- derung ein und leisten so einen wertvollen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft. Der Effekt, der dabei ent- steht, ist elementar für eine tolerante und solidarische Gemeinschaft: Menschen mit Behinderung und ihre Be- dürfnisse werden wahrgenommen und ernst genommen. Diese Wahrnehmung wollen wir mit unserem gemein- samen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP fördern. Inklusion auf dem Arbeitsmarkt ist ein wechselseiti- ger Prozess. Nicht nur die Arbeitgeberseite, sondern auch Menschen mit Behinderung leisten einen wichtigen Beitrag und zeigen, dass Inklusion, Leistungsfähigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sich nicht ausschließen. So- wohl die Unternehmen als auch die Menschen mit Be- hinderung und die nichtbehinderten Kollegen zeigen, worauf es bei der Inklusion ankommt: eine Win-win-Si- tuation für alle zu schaffen. Dieser Prozess verläuft nicht automatisch. Dafür braucht es Instrumente und Unterstützungssysteme. Diese wur- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29435 (A) ) )(B) (C (D den bereits entwickelt und erfolgreich angewendet. Zum Beispiel ermöglichen technische Hilfen die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Auch eine Arbeitsassistenz ist hilfreich. Sie führt Handgriffe aus, die der schwer- behinderte Arbeitnehmer selbst nicht ausführen kann. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen profitieren von der „Unterstützten Beschäftigung“, bei der eine Fachkraft den Mensch mit Lernschwierigkeiten anleitet und die Arbeitsaufgaben mit ihm trainiert. Aber auch Integrationsfachdienste und andere Dienst- leister sind wichtig. Sie fungieren als Vermittler zwi- schen dem Menschen mit Behinderung und dem Unter- nehmen. Sie beraten und helfen bei der Hilfsmittelbeschaffung. Institutionen wie Berufsbil- dungs- und Berufsförderungswerke unterstützen Men- schen mit Behinderung bei der Eingliederung oder Wie- dereingliederung in den Arbeitsmarkt. Diese beispielhaften Instrumente zeigen, dass wir be- reits ein breites Spektrum an Hilfsmöglichkeiten ge- schaffen haben. Diese gilt es bekannter zu machen. Denn nach wie vor stellen Betriebe Menschen mit Behinde- rung nicht ein, weil sie viele Nachteile befürchten. Dabei werden die Hilfen, die die Behinderung ausgleichen, vom Integrationsamt finanziert. Daher ist Aufklärung wichtig. Arbeitgebern muss die Inklusion so leicht wie nur möglich gemacht werden. Entgegen den Forderun- gen der Opposition werden eine erhöhte Ausgleichsab- gabe oder zusätzliche Sanktionen nicht zu mehr Men- schen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt führen. Kein Arbeitgeber lässt sich zu einer Anstellung zwingen. Wir müssen Unternehmer vom Potenzial von Menschen mit Behinderung überzeugen. Konkret heißt das: ermutigen und Anreize schaffen, statt strafen und mahnen. Seit Jahren wirbt die FDP mit der Botschaft, dass be- hinderte Menschen, am richtigen Platz in der richtigen Weise eingesetzt, wertvolle Mitarbeiter sind. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention betont ausdrücklich den uneingeschränkten Zugang behinderter Menschen zum allgemeinen Arbeitsmarkt (Art. 27). Hierfür setzen wir uns mit unserem gemeinsamen Antrag ein. Mit dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Um- setzung der UN-Behindertenrechtskonvention und mit der Initiative Inklusion sind wir auf einem guten Weg. Vor allem ältere und junge Menschen mit Behinderung profitieren von der Initiative Inklusion. Die Inklusions- kompetenzen bei den Kammern zu fördern, schwerbe- hinderten Jugendlichen den Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung zu erleichtern und ältere Menschen mit Behinderung (über 50 Jahre) wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind genau die richtigen Schritte. Gerade der Fachkräftemangel und der demografische Wandel stellen den Arbeitsmarkt vor die Herausforde- rung, Arbeitnehmer zu finden. Den Blick dabei auch auf Menschen mit Handicap zu richten, ist nicht nur loh- nenswert, sondern eine reelle Chance auf einen gut qua- lifizierten Mitarbeiter. Auch Selbstständigkeit muss als weitere Option stär- ker in den Blick genommen werden. Für viele Menschen mit Behinderung ist die Selbstständigkeit die einzige Möglichkeit der Beschäftigung, da sie sich so flexible und auf ihre Behinderung zugeschnittene Arbeitsbedin- gungen schaffen können. Auch Menschen mit psychischen und geistigen Ein- schränkungen müssen in den Fokus der Debatte genom- men werden. Viele Menschen mit diesen Behinderungen sind in Werkstätten für Menschen mit Behinderung be- schäftigt. Die Zahl dieser Gruppe steigt kontinuierlich an. In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Werk- stattbeschäftigten fast verdoppelt. Für viele Menschen mit schweren Behinderungen ist die bezahlte Arbeit in Werkstätten der Behindertenhilfe die einzige Möglich- keit, zu arbeiten. Deshalb müssen Werkstätten erhalten bleiben. Jedoch muss hier zukünftig mit mehr Augen- maß vorgegangen werden. Auch das Wunsch- und Wahl- recht von Menschen mit Behinderung muss stärker be- rücksichtigt werden. Ich habe mit Menschen mit psychischen Behinderun- gen gesprochen, die gerne in einer geschützten Werkstatt arbeiten und diese Form der Beschäftigung dringend brauchen. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Werk- stattbeschäftigten, die sich eine Arbeit außerhalb der Werkstatt vorstellen können. Diesen Menschen muss der Zugang zu inklusiver Beschäftigung ermöglicht werden. Zurzeit sind zu viele Leistungen immer noch an eine Werkstatt gekoppelt. Wichtig ist auch, mehr Außenar- beitsplätze zu schaffen. So können Werkstattbeschäf- tigte, die ein gewisses Maß an Selbstständigkeit besit- zen, außerhalb der Werkstatt in Betrieben arbeiten, ohne die Unterstützung der Werkstatt aufzugeben. So kann nach und nach der Weg in den ersten Arbeitsmarkt geeb- net werden. Ein Rückkehrrecht in die Werkstatt und die soziale Absicherung fördert den Übergang zum ersten Arbeitsmarkt. Unser gemeinsamer Antrag zielt darauf ab, Sonder- welten abzubauen und den Zugang von Menschen mit Behinderung zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleich- tern. Die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten stärker zu nutzen und an den richtigen Stellen zu verbes- sern, ist der richtige Weg. Denn dadurch werden Men- schen mit Behinderung auch im Arbeitsleben stärker wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen in Deutschland einen Kollegen mit Behinderung haben. Mit unseren Maßnahmen wollen wir das mehr und mehr selbstverständlich machen. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): So selten wir uns über das Thema Menschen mit Behinderung am Ar- beitsmarkt hier im Plenum unterhalten, könnte man viel- leicht denken, alles sei bestens und es gäbe keinen um- fassenden Handlungsbedarf. Das mögen Sie vielleicht glauben, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Lage von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ist eines der größten Trauerspiele in Ihrer Regierungszeit, und das kann man Ihnen nicht oft genug sagen. Seit Jahren ändert sich nichts an der hohen Arbeitslo- sigkeit von Menschen mit Behinderung. Aktuell sind es 29436 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D in der Statistik über 180 000 schwerbehinderte Men- schen; ähnlich sah es in den letzten Jahren aus. Im Ver- gleich zu 2009 sind es sogar rund 8 Prozent mehr. Auch der jährliche Blick auf die Statistik zur Pflicht- quote für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen ist immer wieder ernüchternd, denn von Jahr zu Jahr werden die 5 Prozent nicht erfüllt. Nun könnte die Regierungskoalition sagen, in den letzten Jahren ist sie zumindest um ein paar Quäntchen gestiegen. Darauf würde ich Ihnen antworten: Dieser mi- nimale Anstieg beruht oft überwiegend nicht auf der ge- stiegenen Bereitschaft der Arbeitgeber zur Einstellung von Menschen mit Behinderungen, sondern vielmehr da- rauf, dass bereits Beschäftigten der Status der Schwerbe- hinderung neu zugesprochen wurde. Verschiedene Studien zeigen auch, dass in manchen Betrieben die Erfüllung der Beschäftigungsquote über- wiegend aus den im Laufe einer langjährigen Beschäfti- gung angefallenen Krankheits- und Unfallfolgen in der Belegschaft resultiert. Zynisch ausgedrückt, könnte man auch sagen: Wer lange genug wartet und keine Men- schen mit Behinderung einstellt, erfüllt schon irgend- wann die Pflichtquote. Und das kann und darf so nicht länger sein! Und noch ein weiterer Aspekt, der verdeutlicht, wie wenig Chancen für Menschen mit Behinderung auf ei- nen neuen Job bestehen: Nur bei rund jedem sechsten schwerbehinderten Arbeitslosen ist der Grund der Been- digung der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, bei den nicht schwerbehinderten Arbeitslosen in rund jedem dritten Fall. Vor dem Hintergrund der schlechten Jobchancen von arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist es deshalb überhaupt nicht nachvollziehbar, dass bei der Förderung dieser Personengruppe durch arbeitsmarktpolitische In- strumente drastisch gespart wird. In den letzten drei Jah- ren hat es hier einen Rückgang um 27 Prozent gegeben. Hier werden die geringen Chancen noch einmal zusätz- lich geschmälert. Das ist nicht länger hinnehmbar! Die Bundesregierung und Arbeitgeberverbände be- klagen alle paar Wochen den vermeintlichen Fachkräfte- mangel. Doch wie passt das zusammen mit den Daten und Fakten zur schlechten Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung? Viele wirklich gut qualifi- zierte und hochmotivierte Menschen mit Behinderung haben mir erzählt, wie schwer bis unmöglich es für sie ist, einen Job zu bekommen. Und das macht einen wirk- lich betroffen. Damit sich die Teilhabe von Menschen mit Behinde- rung am Arbeitsleben nachhaltig verbessert, möchte die Linke dies nicht dem Zufall und dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Dazu haben wir einen Antrag vorge- legt, der entscheidende Weichenstellungen, etwa Erhö- hung der Pflichtquote, Erhöhung der Anreize für Unter- nehmen oder eine bessere Förderung, vornimmt. Damit gute Arbeit für viele Menschen mit Behinderung nicht länger ein unerfüllter Traum bleibt. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor etwas mehr als einem halben Jahr waren hier im Bun- destag zwei Tage lang knapp 300 Menschen mit Be- hinderung zu Gast, um mit uns Abgeordneten über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu sprechen. Eines der vielen Themen, über die wir uns ausgetauscht haben, war selbstverständlich auch die Si- tuation am Arbeitsmarkt. Für Menschen mit Behinde- rung ist sie wenig befriedigend. Es ist häufig schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, und auf der Suche nach Unterstützung gibt es häufig Probleme, wenn Anträge gestellt werden müssen und die Kommunikation mit Be- hörden ansteht. Entsprechend eindeutig waren die For- derungen unserer Gäste: Die Verantwortlichen müssen im Interesse der Menschen mit Behinderung besser zu- sammenarbeiten, und der Fokus muss dabei weg von den Werkstätten für Menschen mit Behinderung und hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehen. Die Selbstbestim- mungsrechte von Menschen mit Behinderung müssen gestärkt werden. Was heißt das für die Politik? Was können wir tun, um diese Ziele zu erreichen? Ich möchte hier insbeson- dere auf einen Punkt näher eingehen: auf die Frage nach der Möglichkeit des Übergangs von der Werkstatt für be- hinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden vom Sozialhilfeträger gegenwärtig nur finanziert, sofern die leistungsberechtigte Person nicht erwerbsfähig ist. In diesem Fall finanziert der Sozialhilfeträger die Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Men- schen. Möchte eine Person aus der Werkstatt auf den all- gemeinen Arbeitsmarkt wechseln, ist der Sozialhilfeträ- ger nicht mehr zuständig. Selbst wenn er im Sinne der leistungsberechtigten Person eine Maßnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finanzieren möchte, kann der Sozialhilfeträger die Leistung nicht erbringen. Zur Fi- nanzierung dieser Leistungen kommen andere Träger in Betracht, unter anderem die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter. Deren Interesse, Leistungen für einen immer größeren Personenkreis zu erbringen, der zudem noch dauerhaft auf Unterstützungsleistungen sowie Lohnkostenzuschüsse angewiesen sein wird, ist natürlich nicht besonders ausgeprägt. Insofern sind auch die Bemühungen, hier Angebote für Menschen mit Be- hinderung zu schaffen, überschaubar. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe ist eine Möglichkeit, zumindest die Budgets der Integrationsämter zu stabilisieren und neue Jobs – etwa in Integrationsunternehmen – zu fördern. Trotzdem sind wir in der sehr unerfreulichen Situation, dass zwar Geld im System ist, aber nicht an den richti- gen Stellen. Diese Situation entspricht weder den Be- dürfnissen von Menschen mit Behinderung noch der UN-Behindertenrechtskonvention. Denn die Konvention formuliert in Art. 27 ganz unmissverständlich das Recht behinderter Menschen, ihren Lebensunterhalt durch Ar- beit zu verdienen, die in einem offenen und für Men- schen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarkt frei gewählt wird. Auch dem Wunsch- und Wahlrecht behin- derter Menschen wird die Situation gegenwärtig nicht gerecht. Denn wirklich wählen kann man nur, wenn es die entsprechenden Angebote gibt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29437 (A) ) )(B) (C (D Wenn wir den Übergang aus der Werkstatt in den ers- ten Arbeitsmarkt wirklich erleichtern wollen, müssen wir zu besseren Regelungen kommen. Es ist nicht nach- vollziehbar, warum sich durch den Sozialhilfeträger ein Werkstattplatz finanzieren lässt, nicht aber die nötige Unterstützung im Rahmen einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ist bisher nur in zwei Bundesländern einigermaßen gelungen, die Leistungs- ansprüche von der Werkstatt auf den allgemeinen Ar- beitsmarkt zu übertragen. In Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen gibt es das sogenannte Budget für Ar- beit. Dort haben wir eine Leistungsform, die sich an den Interessen des behinderten Menschen orientiert und fle- xibel eingesetzt werden kann. Zu solchen und ähnlichen Lösungen müssen wir endlich auch bundesweit kom- men und vor allem das Jobangebot an unterstützter Be- schäftigung quantitativ ausweiten, ohne dass die Qualität der Unterstützung auf der Strecke bleibt. Nur wenn alle Träger, die für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben infrage kommen, an einem Strang ziehen, werden wir gute Lösungen finden. Die Reform der Eingliederungs- hilfe bietet die Möglichkeit zur Veränderung in diese Richtung. Ich hoffe sehr, dass wir bald ein politisches Kräfteverhältnis vorfinden, mit dem wir entscheidende Schritte vorankommen: für eine bessere Zusammenar- beit im Interesse eines starken Selbstbestimmungsrechts behinderter Menschen. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten (Tagesordnungspunkt 15) Florian Hahn (CDU/CSU): Der demografische Wan- del und der internationale Kampf um die besten Köpfe verändern den Arbeitsmarkt zunehmend. Viele Unter- nehmen finden nicht genügend Lehrlinge, geschweige denn Fachkräfte. Dieser Mangel an gutausgebildeten Ar- beitskräften wird auch am öffentlichen Dienst nicht vor- beigehen. Wenn der Bund als Arbeitgeber der neuen Ar- beitswelt, die auf Flexibilität und Mobilität beruht, gewachsen sein will, muss er ein zukunftsorientiertes Angebot vorlegen. Die schwarz-gelbe Regierung hat in den letzten Jah- ren hierfür wichtige Impulse gesetzt. Die Gewährung ei- nes Altersgeldes ist nun ein weiterer Schritt in die rich- tige Richtung. Sie reduziert die Mobilitätshindernisse zwischen Privatwirtschaft und Beamtenlaufbahn und macht einen Eintritt in den öffentlichen Dienst für viele junge High Potentials erst interessant. So sollen freiwillig aus dem Bundesdienst ausschei- dende Beamte, Richter und Soldaten künftig gegenüber den vormaligen Dienstherren einen Anspruch auf die Gewährung eines Altersgeldes haben. Dies bedeutet eine wesentliche Besserstellung der Beamten und Berufssol- daten, als dies gegenwärtig in der Nachversicherung der gesetzlichen Rente der Fall ist. Durch den Abzug von 15 Prozent des dynamisierten Altersgeldes ist jedoch auch der Bund entschädigt, der sich durch das neue Gesetz mit zusätzlichen Kosten für die Einarbeitung und Rekru- tierung neuen Personals konfrontiert sieht. Ich denke, so ist beiden Seiten geholfen. Ich möchte deshalb auch den Bedenkenträgern sagen, dass wir dieses neue Gesetz nicht als Bedrohung und Aushöhlung der Bundesdienste sehen dürfen. Die Ge- fahr, dass uns sämtliche Beamte nach einer gewissen Zeit davonlaufen, ist sehr gering. Sie steht auch in kei- nem Verhältnis zu dem Attraktivitätsgewinn, den die Be- amtenlaufbahn mit dem Gesetz erfährt. Die wirtschaftli- chen Nachteile bei einem vorzeitigen Ausscheiden, die viele junge gutausgebildete Menschen bisher abschre- cken, fallen weg. Als Verteidigungspolitiker liegt mir natürlich nicht nur das Wohl unserer Beamtenschaft, sondern speziell die Zukunftsfähigkeit des Soldatenberufs am Herzen. Das Altersgeld ist deshalb eine wichtige Etappe, um das Berufsfeld des Soldaten noch attraktiver und moderner zu gestalten. Die schwarz-gelbe Regierung hat ohnehin ein beispielloses Maßnahmenpaket im Rahmen der Bun- deswehrreform verabschiedet: Erstens. So haben wir zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Dienst durch die Schaffung von mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die Reduzierung der Versetzungen verbessert. Zweitens werden durch das Einsatzversorgungs-Ver- besserungsgesetz die im Einsatz Geschädigten und die Hinterbliebenen wesentlich bessergestellt. Neben der materiellen Verbesserung haben wir mit diesem Gesetz auch die politische und soziale Verantwortung der Poli- tik für die Bundeswehr unterstrichen. Drittens. Außerdem ist es uns auch gelungen, dafür zu sorgen, dass eine besondere Auslandsverwendung von 180 Tagen bereits für eine Doppelanrechnung der ruhe- gehaltsfähigen Dienstzeit ausreicht. Des Weiteren kann bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Pro- zent grundsätzlich ein Anspruch auf die Ernennung zum Berufssoldaten bestehen. Damit wird anerkannt, dass Soldaten im Einsatz in Situationen kämpfen, die sich durch Intensität und Bedrohungslage nachhaltig von nichtmilitärischen Tätigkeiten unterscheiden, und dass ein höheres Risiko für Posttraumatische Belastungsstö- rungen vorliegt. Viertens. Zuletzt möchte ich noch das Bundeswehrre- form-Begleitgesetz erwähnen. Entgegen sämtlicher trü- ber Prognosen hat dieses Gesetz viel Positives gebracht. Die vorzeitige Zurruhesetzung für Berufssoldaten ab 50 Jahren sowie das bessere Wehrdienstverhältnis für Reservisten, die ehrenamtliche Aufgaben übernehmen, sind nur einige Beispiele. Ich denke, wir haben einiges auf den Weg gebracht, um die Attraktivität der Bundeswehr als zukunftsorien- tierten Arbeitsgeber zu steigern. Das Gesetz zur Gewäh- rung eines Altersgeldes ist da nur konsequent und gilt es deshalb zu bewilligen. 29438 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Heute erhielt ich einen Anruf von einem Naturwissen- schaftler: Er hat das Angebot erhalten, in einem Bundes- ministerium als Referent zu arbeiten. Er ist unschlüssig: Will er wirklich Beamter auf Lebenszeit werden? Des- halb hat er mich gefragt, was es mit dem Projekt Alters- geld auf sich habe. Es stellte sich im Gespräch heraus, dass die Aussicht auf einen Ausstieg ohne große finan- zielle Verluste für ihn ein starkes Argument für den Ein- stieg in die Bundesverwaltung ist. Und genau das ist un- sere Intention: Das Altersgeld ist ein Modell zum Einstieg! Der demografische Wandel ist für die Arbeitgeber in Deutschland heute schon spürbar, es mangelt bereits jetzt an Fachkräften, und dieser Mangel wird sich weiter verschärfen. Wenn der Arbeitgeber Bund im Wettbewerb um Fachkräfte mithalten will, muss er auch etwas bieten. Immerhin bewerben sich heute die Bundesbehörden im- mer öfter bei den Fachkräften und nicht umgekehrt. Bei den Gehältern kann die öffentliche Verwaltung mit der freien Wirtschaft sicher selten mithalten. Deshalb muss der Bund als Arbeitgeber andere attraktive Angebote machen können. Unsere beamtenpolitischen Initiativen in den vergan- genen gut drei Jahren stellen in dieser Hinsicht eine Er- folgsbilanz der christlich-liberalen Koalition dar, wie sie sich übrigens viele Beamtinnen und Beamte in einigen rot-grün geführten Bundesländern wünschen würden. Und wir wollen heute, sozusagen auf der Zielgeraden dieser Legislaturperiode, eine weitere Gesetzesinitiative verabschieden, die es guten Bewerbern noch attraktiver macht, in der Bundesverwaltung anzuheuern. Wir wol- len den Wechsel zwischen Öffentlichem Dienst und der Privatwirtschaft zukünftig in beide Richtungen erleich- tern. In der Koalition haben wir uns auf den vorliegen- den Gesetzentwurf zur Mitnahme von Versorgungsan- wartschaften geeinigt, ein Gesetzentwurf, mit dem wir die bundesweit wegweisende Dienstrechtsreform aus dem Jahr 2009 komplettieren. Wir wollen den Austausch zwischen Staat und Wirtschaft beleben und die besten Köpfe für den Öffentlichen Dienst gewinnen, ihnen da- bei aber nicht den Eindruck vermitteln, sie müssten sich von Beginn an für ihr ganzes Leben unwiderruflich ver- pflichten. Wenn ein aktiver Beamter bisher den Wechsel in die Privatwirtschaft erwogen hat, musste er innerhalb der dann fälligen gesetzlichen Nachversicherung mit derart hohen Abschlägen in der Alterssicherung rechnen, dass die meisten von diesem Schritt abgehalten wurden. Die- jenigen Berufseinsteiger, die sich eine berufliche Flexi- bilität nicht von vorneherein verbauen wollen, entschei- den sich deshalb heute nicht für die Verwaltung. Genau diesen Bewerbern möchten wir die Option offen lassen, möglicherweise nur einen Teil des beruflichen Lebens als Beamter zu arbeiten und die damit erworbenen Ver- sorgungsansprüche wie auch in der Privatwirtschaft quasi mitzunehmen. Mitnehmen heißt in diesem Fall, der Anspruch wird mit Erreichen der gesetzlichen Alters- grenze wirksam. Ich bin davon überzeugt, dass diese Re- gelung nicht nur mehr Gerechtigkeit bringt, sondern auch mehr interessierte Bewerber. Und von diesen Neu- gewonnenen werden deutlich mehr bleiben als gehen. Erfahrene Fachkräfte aus der Wirtschaft, aber auch junge Studienabsolventen werden den Öffentlichen Dienst als attraktiven Arbeitgeber erleben und sich wohlfühlen. Deshalb ist das Altersgeld für uns ein Modell zum Ein- stieg. Das Lebenszeitprinzip bleibt für uns gleichwohl ein wichtiger Grundsatz. Deshalb wollen wir auch keine fal- schen Anreize setzen und haben einen Abschlag in Höhe von 15 Prozent der Altersgeldansprüche und eine Min- destverwendungszeit von sieben Jahren im Gesetz ver- ankert. Ebenso sollen entstandene Ausbildungskosten vom Staat gegebenenfalls zurückgefordert werden kön- nen. Die Oppositionsparteien wollten dieses Vorhaben schon immer machen, geschafft haben sie es nicht. Wir machen es jetzt, und ich denke, dieses Modell wird – wie die Dienstrechtsreform der letzten Wahlperiode – als Vorbild dienen, weitere werden folgen. Der einzige Dienstherr, der bei der Portabilität schneller war als wir, waren die Baden-Württemberger – wohlgemerkt aber die schwarz-gelbe Landesregierung. In der öffentlichen Anhörung haben wir viel Lob für die Initiative bekommen. Herr Dauderstädt vom Deut- schen Beamtenbund sprach von der Quadratur des Krei- ses, die gelungen sei, Herr Niesen von der Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft begrüßte die Lösung als tragfähigen Kompromiss. Herr Dr. Schneider vom DGB sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Herr Weber von Verdi nannte die Gewährung eines Altersgel- des vom Grundsatz her positiv. Er wies auch darauf hin, dass wir klarmachen müssen, dass es sich bei diesem Gesetz nicht um eine Erhöhung von Versorgungsansprü- chen handelt. Dafür möchte ich mich bedanken. Keiner der Sachverständigen sah eine Gefahr für ein Ausbluten des Öffentlichen Dienstes. Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion greift drei Punkte auf, die auch in der Anhörung angesprochen wurden. Nach unserem Entwurf müssen Bundesbeamte mindestens sieben Jahre im Öffentlichen Dienst beschäf- tigt sein, um beim Ausscheiden einen Anspruch auf Al- tersgeld mitnehmen zu können. Ich bin von dieser Rege- lung überzeugt, weil die Verpflichtung auf einen Dienstherren nicht so schnell ohne Konsequenzen aufge- löst werden sollte. Ich würde sogar eine noch längere Mindestdienstzeit befürworten. Zudem entstehen Kosten für den Dienstherren, wenn ein Wechsel ansteht. Dies war auch einer der Gründe für den Abschlag von 15 Pro- zent. Liebe Kolleginnen und Kollegen Sozialdemokra- ten: Sie lieben ja Klartext, deshalb: Das war kein einfa- ches Gesetzesvorhaben. Ich denke, das können Sie sich vorstellen, schließlich haben Sie es ja vorher auch nicht geschafft. Die Spatzen pfeifen es ja vom Reichstags- dach, dass es auch bei Ihnen sehr unterschiedliche Mei- nungen zum Altersgeld gibt. Der 15-prozentige Ab- schlag und die Mindestwartezeit waren in unseren Reihen Zugeständnisse an die Skeptiker, die den Aus- stieg nicht zu attraktiv gestalten und zudem die Kosten- frage geklärt sehen wollten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29439 (A) ) )(B) (C (D Uns allen ist klar, dass es damit nicht getan ist. Wei- tere Schritte müssen folgen. Wir werden deshalb prüfen, in welcher Form Zeitsoldaten zukünftig berücksichtigt werden können. Aufgrund der Komplexität dieses The- mas werden wir uns gesondert damit befassen. Wir müs- sen uns auch darüber Gedanken machen, wie wir externe Bewerber zukünftig zu den Erfahrungstufen einordnen, welche Qualifikations- und Ausbildungszeiten, aber auch sonstige berufliche Erfahrungen wir dabei berück- sichtigen. Um die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes zu steigern, haben wir schon einiges getan. Ich erinnere an dieser Stelle nur an den Wegfall der pauschalen Stel- lenkürzung. Weitere Maßnahmen zur Fachkräftegewin- nung werden folgen. Diese Koalition hat jedenfalls be- wiesen: Wir gestalten nicht wie andere schöne Prospekte, wir nehmen das Thema Demografie ernst und setzen konsequent das Erforderliche um. Ich bitte Sie heute um Ihre Zustimmung zum vorlie- genden Gesetzentwurf. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Nun ist es endlich soweit: Nach jahrelanger Diskussion wird die Mitnahmefähigkeit der Beamtenversorgung bzw. das, was manche darunter verstehen wollen, heute nun wohl endlich abschließend beraten und beschlossen. Nur zu gerne hätten auch wir Sozialdemokraten heute zu diesem von uns seit Jahren offensiv und intensiv verfolgten Vor- haben Ja gesagt. Doch das ist uns nicht möglich. Es ist nämlich bestenfalls ein Halbfertigprodukt, das die Koali- tion heute als Patentlösung verkaufen will. Für so etwas reichen wir jedoch nicht die Hand. Erstaunlich, dass überhaupt eine Einigung erzielt wurde; denn die Widerstände im Bundesinnenministerium wa- ren und sind gewaltig. Das Ende des öffentlichen Diens- tes, dessen Ausbluten nach kurzem Siechtum wird als Weltuntergangsszenario an die Wand gemalt. Welch eine Denke! Wie verstaubt und vorgestrig! So funktioniert die Welt eben nicht mehr! Große Teile des Hauses würden doch zu Recht mit Empörung reagieren, wollten wir Beschäftigten in der gewerblichen Wirtschaft den Wechsel von einem Arbeit- geber zum anderen unmöglich machen, indem sie ihre Zusatzversorgung in diesem Falle verlören. Bei den Be- amtinnen und Beamten des Bundes aber sehen manche diese Hürde als eine besondere Tugend an: einmal Be- amter, immer Beamter. So aber lockt man junge Menschen nicht in den öf- fentlichen Dienst, vielmehr schreckt man sie ab. Wir brauchen aber qualifizierte Nachwuchskräfte. Wir sind angewiesen auf flexible Hochqualifizierte, die gerne eine Weile – zumeist ja dann doch dauerhaft – ihrem Land dienen, dann aber in ihrem Berufsleben noch eine andere Tätigkeit ausüben wollen. Immer mehr Bundesländer öffnen sich daher der Mit- nahmefähigkeit und leiden eben nicht unter einem Exo- dus. Begrenzt und maßvoll sind die Abwanderungsbe- wegungen von Beschäftigten dort. Diese Wenigen erhalten übrigens nur selten Spitzenbesoldungen. Auch da können alle Ängstlichen beruhigt werden. Daher ist es schade, dass die Bedenkenträger im In- nenministerium gegenüber den wenigen Aufgeschlosse- nen in der Koalition so stark waren, dass heute nur scheinbar die Mitnahmefähigkeit beschlossen wird. Halbherzig ist der Schritt, den Sie gehen. Deshalb gehen wir nicht mit. Sie wollen nur mit erheblichen Abschlä- gen und erst nach sieben Jahren den Wechsel ermög- lichen, anstatt nach fünf Jahren und ohne Abschläge, wie wir im Innenausschuss forderten und es in Baden-Würt- temberg und anderswo schon praktiziert wird. Das ist auf zynische Weise übrigens konsequent. Be- reits in der Großen Koalition wollten wir Sozialdemo- kraten nämlich die Mitnahmefähigkeit. Doch auf den letzten Metern bremste uns der damalige Bundesinnen- und heutige Finanzminister mit seiner Denke von vor- gestern aus. Nun nötigt man das Bollwerk des Denkens in obrigkeitsstaatlichen Kategorien zu einem Schritt. Er ist ein Schrittchen. Da geht mehr. Das werden wir nach der Bundestagswahl unter Beweis stellen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Im Wahljahr 2013 kann die FDP-Bundestagsfraktion auf vier gute Jahre für das deutsche Berufsbeamtentum zurückschauen. Unsere Bi- lanz fällt positiv aus: Deutschland verfügt über einen funktionierenden und leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Nach Umfragen der forsa, Gesellschaft für So- zialforschung und statistische Analysen, aus dem Jahr 2012 genießen die Beamten bei den Bundesbürgern nach wie vor ein gutes Ansehen. Die weit überwiegende Zahl der Befragten hält die Staatsbediensteten für pflichtbe- wusst, zuverlässig und kompetent. Der öffentliche Dienst ist ein positiver Standortfaktor für Deutschland. Im 2012 veröffentlichten internationa- len Vergleich von 45 Industrienationen und Schwellen- ländern im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums liegt Deutschland auf dem fünften Platz und damit ledig- lich hinter den USA, Schweden, Dänemark und der Schweiz. Gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion haben wir in dieser Wahlperiode für den Bund zahlreiche wichtige Reformen für die Beamten, Richter und Soldaten des Bundes umgesetzt: von der Gleichstellung von Le- benspartnerschaften mit der Ehe im Dienstrecht über die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes mit dem Fachkräftegewinnungsgesetz und die Wiederge- währung der Sonderzahlung bis hin zur Übertragung der Tarifergebnisse auf Aktivbezüge und Pensionen. Gleichwohl steht außer Frage, dass die Modernisie- rung des öffentlichen Dienstes vorangehen muss. Der demografische Wandel stellt nicht nur die Gesellschaft und die Privatwirtschaft, sondern auch den öffentlichen Dienst angesichts knapper werdender Fachkräfte vor neue Herausforderungen. Aus diesem Grund hat die FDP-Bundestagsfraktion im Koalitionsvertrag 2009 mit der CDU/CSU-Fraktion vereinbart, den Bund als Arbeit- geber weiter zu stärken und seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Privatwirtschaft um qualifiziertes Fach- personal zu stärken. 29440 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Die FDP fordert im Zusammenhang mit der Moderni- sierung des öffentlichen Dienstes des Bundes seit lan- gem die Einführung der Portabilität von Versorgungsan- wartschaften für Beamte, Richter und Soldaten. Für uns ändert die Portabilität nichts daran, dass das Beamten- verhältnis auf Dauer angelegt ist. Der öffentliche Dienst braucht dauerhafte und zuverlässige Beschäftigungsver- hältnisse, um die Erledigung seiner Aufgaben in den Ministerien, Gerichten und Behörden zu gewährleisten. Wir sind aber davon überzeugt, dass die Portabilität für viele junge und motivierte Fachkräfte zu einem Attrakti- vitätsmerkmal werden wird. Ihnen wird leichter fallen, sich für eine auf Dauer angelegte Laufbahn im öffentli- chen Dienst zu entscheiden, wenn sie sich im Ernstfall – ob aus persönlichen oder anderen Gründen – mit gerin- gen Einbußen für den Ausstieg entscheiden können. Zu- dem sorgen wir für mehr Wissens- und Erfahrungsaus- tausch zwischen Wirtschaft und öffentlichem Dienst. Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzent- wurfes setzen wir die alte FDP-Forderung der Portabili- tät nun um und erreichen damit, was die Große Koalition in der vergangenen Wahlperiode verpasst hat. Schon 2008 hätte die Portabilität im Rahmen des Dienstrechts- neuordnungsgesetzes eingeführt werden können. Die FDP hatte in einem Entschließungsantrag das Fehlen der Portabilität im Gesetzentwurf beanstandet. Mit der vorliegenden Regelung ist uns aus meiner Sicht ein guter Kompromiss gelungen. Anstelle der obli- gatorischen Nachversicherung in der gesetzlichen Ren- tenversicherung können freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Berufssoldaten künftig das Altersgeld beantragen. Mit der Nachversi- cherung waren für ausscheidende Beamte bisher erhebli- che Einbußen in der Altersversorgung verbunden, und sie wurden behandelt wie strafrechtlich verurteilte Be- amte auch. Diese Ungerechtigkeit schaffen wir nun ab. Der vorliegende Gesetzentwurf unterscheidet sich deutlich von einem Regelungsvorschlag des Bundesin- nenministeriums von November 2012, der erheblich höhere Hürden für die Inanspruchnahme des Altersgel- des vorsah. Auf Druck der FDP-Fraktion legt der Ge- setzentwurf der Koalition nun weitaus günstigere Kondi- tionen fest. Danach kann das Altersgeld nach einer Mindestdienstzeit von sieben Jahren im öffentlichen Dienst beantragt werden, von denen fünf im Bundes- dienst absolviert sein müssen. Das Altersgeld wird ge- mäß der Beamtenversorgung bis hin zur Rente regelmä- ßig dynamisiert, das heißt an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung angepasst. Der Gesetzentwurf sieht einen Abschlag von 15 Prozent im Vergleich zur vollen Versorgung vor, den wir später nochmals prüfen werden. Grundlage dieses Kompromisses war die Regelung aus Baden-Württemberg, wo das Altersgeld Anfang 2011 eingeführt wurde. Die FDP-Bundestagsfraktion hätte die Bundesregelung gern noch enger am Modell aus Baden-Württemberg ausgerichtet, musste aber in den parlamentarischen Beratungen mit dem Koalitionspart- ner Kompromisse eingehen. Eine für 2016 vorgesehene Evaluation des Gesetzentwurfs wird ergeben, ob Nach- besserungen durch den Wegfall des Abschlags oder eine geringere Mindestdienstzeit geboten sind. Der Ände- rungsantrag der SPD-Fraktion ist insofern überflüssig und daher abzulehnen. Lassen Sie mich abschließend einige Worte zu den Soldaten auf Zeit sagen. Die FDP-Fraktion hat sich dafür eingesetzt, sie bei der Portabilität zu berücksichtigen. Bei der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf im März dieses Jahres wurde diese Forderung durch den Deutschen BundeswehrVerband einmal mehr bekräftigt. Leider konnten wir dies beim Koalitionspartner nicht durchsetzen. Wir werden uns weiterhin für eine Verbes- serung der Altersversorgung der Soldaten auf Zeit ein- setzen. Es kommt nun darauf an, dass möglichst viele Bun- desländer dem Beispiel des Bundes folgen und wie Ba- den-Württemberg den Einstieg in die Portabilität finden. Hessen hat den Anfang ebenfalls gemacht. Ich freue mich, dass die Fraktion Die Linke ihre Ver- antwortung für das Berufsbeamtentum heute einmal wahrnimmt und diesen Gesetzentwurf gemeinsam mit der Koalition verabschiedet. Bedauerlich bleibt, dass die SPD-Fraktion dies aus wahltaktischen Gründen nicht tut und an dem Meilenstein keinen Anteil hat, den die Ko- alition heute für ein modernes Berufsbeamtentum setzt. Frank Tempel (DIE LINKE): Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung: Eigentlich gibt es zum Gesetzent- wurf in der zweiten und dritten Beratung auch nichts an- deres zu sagen als in der ersten Lesung. Die Regierungs- koalition hat es nicht für nötig empfunden, einen Änderungsvorschlag einzubringen und wenigstens ei- nige der Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfes auszu- bessern, die in der Anhörung des Innenausschusses Mitte März zur Sprache kamen. Unzulänglichkeiten gibt es einige: die siebenjährige Wartezeit für die Gewährung des Altersgeldes, die vor- gesehene Kürzung des ermittelten Altersgeldes um 15 Prozent und die Anrechnung von möglicherweise er- worbenen Rentenbezügen auf das Altersgeld. Die siebenjährige Wartezeit soll laut Ihrer Gesetzes- begründung einen übermäßigen Anreiz für das Verlassen des Bundesdienstes ausschließen. Dieser Beweggrund ist nachvollziehbar. Diese Grenze von sieben Jahren ist aber willkürlich gezogen. In Ableitung von den Rege- lungen in den anderen Alterssicherungssystemen ist eine fünfjährige Frist angemessener. Die pauschalen Kürzungen des ermittelten Altersgel- des von 15 Prozent sind nicht nachvollziehbar. Der DGB schlägt eine sozial gestaffelte Kürzung vor. Damit hätte sich auch die Linke anfreunden können. Bei der geplanten Anrechnung von vor dem Beamten- verhältnis erworbenen Rentenanwartschaften an das Al- tersgeld hat die Regierungskoalition dann offensichtlich ihr eigenes Konzept zum Altersgeld nicht verstanden. Es ging um die Mitnahmefähigkeit von Versorgungsansprü- chen zwischen den verschiedenen Alterssicherungssys- temen. Erklären Sie mir bitte, wieso Ansprüche nur in Richtung Rentensystem mitgenommen werden können, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29441 (A) ) )(B) (C (D aber nicht in Richtung des Versorgungssystems der Be- amtenschaft. Des Weiteren wurde auch die Anregung des DGB zur Korruptionsvorbeugung nicht aufgegriffen. Der Deut- sche Gewerkschaftsbund hatte vorgeschlagen, dass „das Altersgeld nicht gewährt wird, wenn eine Beamtin oder ein Beamter zu einem Arbeitgeber wechseln wird, zu dem in Ausübung ihres bzw. seines Amtes Geschäftsbe- ziehungen bestanden, über dessen Anträge sie bzw. er entschieden hatte oder gegenüber welchem sie bzw. er einer Aufsichtstätigkeit nachging.“ Als ehemaliger Er- mittler in Korruptionsfällen kann ich die Notwendigkeit einer solchen Regelung nur ausdrücklich unterstreichen! Um noch einmal auf meine Rede zur ersten Lesung des Gesetzes zurückzukommen: Wir begrüßen grund- sätzlich die Einführung eines Altersgeldes, aber Sie ha- ben sich die Chance vergeben, einen ausgereiften Ge- setzentwurf vorzulegen. Wir werden Ihrem Vorschlag dennoch zustimmen, ergeben sich doch trotz aller Män- gel Verbesserungen für die Beschäftigten. Alle drei am heutigen Tag zur Abstimmung stehenden Gesetze zu Fragen des öffentlichen Dienstrechtes, zum Altersgeld, zur Familienpflegezeit und zur Professoren- besoldung kranken an dem gleichen Problem: Die Ge- setzentwürfe ändern das Recht des öffentlichen Dienstes in vielen Details, aber sie folgen keinem durchdachten Konzept, das für eine Reform zur Modernisierung des Dienstrechts – nicht zuletzt angesichts des demografischen Wandels – notwendig wäre. Ihnen fehlt eine Vision, und Ihnen fehlt der Mut über Ihre selbstgesetzte Grenze der Kosten- und Planstellenneutralität hinwegzuschreiten. Mit Stückwerk kann man sich über die Zeit retten, aber die Probleme holen Sie über kurz oder lang unweigerlich ein. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gemeinsam haben wir über das Altersgeld in der ersten Lesung ja durchaus lebhaft diskutiert. Das ist bei einem zuweilen etwas hölzern daherkommenden Thema wie dem Beamtenrecht ja doch auffällig. Ich sage Ihnen, warum das so war – ich wiederhole das gern –: Die Auf- regung auf Koalitionsseite bezog sich, neben der späten Stunde vielleicht, auch darauf, dass Sie von uns nicht da- ran erinnert werden wollten, dass die Koalition sich zum einen hinsichtlich der grundsätzlichen Einführung des Instruments mit fremden Federn schmückt, denn natür- lich geht es auf die Anregung der Gewerkschaften zu- rück und war bereits in der Vorgängerkoalition gewisser- maßen versandfertig gemacht. Zum anderen wollten Sie dann nicht erinnert werden, dass Wolfgang Schäuble selbst es war, der eine Umsetzung vor fünf Jahren per- sönlich zunichtemachte. Man kann also sagen, dass da- mit Jahre der Gerechtigkeit für die Beamten gezielt ver- schenkt worden sind. Dass ein Instrument zur Frage der Versorgung beim freiwilligen Verlassen des Beamtenverhältnisses überfäl- lig erscheint angesichts der erheblichen Benachteiligung durch die bloße Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, das ist Konsens. Und doch – das ist uns allen wohl auch klar – eine Gratwanderung: Flexibi- lisieren des Dienstrechts, aber gleichzeitig doch den Sonderstatus des Beamtentums unberührt lassen. Die Bindung durch das Lebensarbeitszeitverhältnis und das damit verbundene Treueprinzip durch den gesellschaftli- chen Wandel zumindest in Teilbereichen wegkorrodie- ren sehen und doch eisern daran als „privilegiertem Nor- malfall“ festhalten. Gute Leute ziehen lassen müssen, ohne sie bestrafen zu können, weil sie es gewagt haben, den privilegierten Status des Beamtendaseins zu verlas- sen. Die Verhältnisse zwingen das Beamtentum weiter in die gesellschaftliche Öffnung und die Einnahme einer externen Perspektive, die danach fragt, wie das alles auf Bewerber, auf die fachlich besonders Qualifizierten wirkt, die wir zukünftig gewinnen müssen. Man merkte diese Gratwanderung besonders ein- dringlich am „Einerseits-andererseits-Sprech“ des DBB- Vorsitzenden in der Ausschussanhörung, der davon sprach, den Eindruck vermeiden zu wollen, es handele sich beim Beamtensystem um ein „Einmal drin, mehr oder weniger gefangen“; man wolle dem Argument ent- gegentreten, man nehme dann erhebliche Abstriche in der Altersversorgung in Kauf. Andererseits gehe es um ein Bleibeargument; es sollte mit Nachdruck ein Aus- stiegssignal vermieden werden. Ich betone den Gerechtigkeitsaspekt dieses an und für sich vernünftigen Instruments gerne vorrangig, denn Ih- nen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koali- tion, scheint die Zuordnung zur Demografiepolitik und zur Fachkräftegewinnung wichtig. Sie und ich wissen aber, dass es mit den erwarteten Zahlen für die Inan- spruchnahme des Altersgeldes – vergleichen Sie auch die moderaten Zahlen von Baden-Württemberg – zu den von Ihnen gebotenen Konditionen nicht so weit her ist. Und komplexe Großentwicklungen wie der demografi- sche Wandel und deren Folgen werden mit dem von Ih- nen vorgelegten Instrument ohnehin nicht steuerbar. Vor allem aber lehnen Sie ja gerade wirkliche Anreize – das hat die Fachanhörung ja deutlich herausgearbeitet – mit Ihrem Entwurf letztlich ab. Genau deshalb handelt es sich nicht um eine Maßnahme zur Steigerung der Attrak- tivität des öffentlichen Dienstes, wie Ihnen der DGB und auch Verdi vorgehalten haben. Das ist keine Flexibilisie- rung des Wechsels in den öffentlichen Dienst oder aus ihm hinaus, das ist schon ein Wechsel-Abschreckungs- programm. Es erscheint wichtig, zu betonen, dass es zunächst durchaus schlicht einem Gebot der Fairness entspricht, dass ein Dienstherr die über Jahre ihm gegenüber er- brachten Leistungen auch versorgungsfest mitnahmefä- hig macht, ein gebotener Nachteilsausgleich eben. Der Verweis auf das Versprechen der Lebenszeitverbeam- tung greift an dieser Stelle deshalb nicht mehr, weil das Ausmaß dessen, was die Gesellschaft heute von den Bürgern und deren Familien an Flexibilität verlangt, mit diesem Grundprinzip und der dahinterstehenden Denke oft nicht mehr vereinbar erscheint. Es sind heute genug Lebenssituationen denkbar, wo es schlicht nicht zumut- bar erschiene, Beschäftigte weiter festzuhalten, ihnen aber gleichwohl gewissermaßen zur Bestrafung die Ver- sorgungsansprüche vorzuenthalten. 29442 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Wie übrigens bei der Familienpflegezeit auch kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass diese Ko- alition des Stillstandes die Lorbeeren für ein strukturell wirkendes „Instrument der Flexibilisierung“ einheimsen wollte, ohne sich je auf ein entsprechendes Instrument geeinigt zu haben. Anders sind die von Ihnen eingebau- ten Hindernisse für die Beschäftigten, verehrte Kollegin- nen und Kollegen von der Koalition, nämlich nicht zu verstehen. Geradezu akribisch haben Ihnen die Gewerk- schaften das in der Anhörung des Innenausschusses auch dargelegt. An erster Stelle rangiert die Mindestdienst- zeit, die entgegen der Empfehlung der Großen Merkel- Koalition von 2009 und entgegen den Landesregelungen von Baden-Württemberg und Niedersachsen statt auf fünf auf sieben Jahre hochgeschraubt wurde. Dabei ist es meines Erachtens auch schon nach vier Jahren nicht zu rechtfertigen, Beschäftigte derart abzustrafen, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, weiterziehen wollen. Der 15-prozentige Abschlag zählt ebenfalls zu den eher harschen Abstandsgeboten der Beamtenschaft für dieje- nigen, dies es wagen, dem Bund die Treue aufzukündi- gen. Die Länder haben solche Abschläge nicht und wur- den gleichwohl nicht überrannt. Wie sehr wir die Durchlässigkeit der Systeme und die „Transportfähigkeit“ des Erfahrungswissens der Be- schäftigten brauchen werden – in beide Richtungen: in den öffentlichen Dienst hinein und aber auch aus ihm wieder heraus –, wird in den kommenden Jahren vermut- lich eine zentrale Debatte werden. Für manche Bereiche wie die IT oder ingenieurtechnischen Berufe ist es schon jetzt mehr als offenkundig. Vor diesem Hintergrund ist der vorgelegte Entwurf schlicht zu zaghaft. Zur Gewinnung von Personal aus der Wirtschaft für den öffentlichen Dienst wird es weitere Schritte brau- chen. Verdi hat – nur um hier einmal die Fantasie für wirkliche Reformdiskussionen anzuregen – einen, wie wir meinen, diskussionswürdigen Vorschlag vorgelegt: Der spätere Wechsel in den öffentlichen Dienst darf nicht durch Bedenken wegen möglicher Verluste bei den zuvor und außerhalb des öffentlichen Dienstes erbrach- ten Leistungen behindert werden. Deshalb könnte etwa die erweiterte Anerkennung von Ausbildungszeiten, wissenschaftlichen Qualifikationszeiten etc. als ruhege- haltsfähige Dienstzeiten einen wichtigen Anreiz für Inte- ressierte bieten. Wie gesagt: nur wenn man bereit ist, über den morgigen Tag hinauszudenken. Mit dieser Ko- alition war und ist das nicht mehr zu erwarten. Hinsichtlich der Soldaten auf Zeit, die sich bis zu 25 Jahre und damit ja quasi lebenslänglich verpflichten, leuchtet auch mir nicht ein, weshalb es keinerlei Rege- lung der Portabilität geben soll. Dass diese wiederum sui generis ausgestaltet werden müsste, erscheint vor dem formalen Hintergrund der Unvergleichbarkeit mit der Lebenszeitverbeamtung ebenfalls naheliegend, sollte aber die weitere Ausarbeitung nicht hindern. Die Zu- rückhaltung der Koalition erklärt sich hier einzig aus den hohen erwarteten Zahlen, wie diese etwa in der Stellung- nahme der Bundesregierung aus der letzten Wahlperiode dokumentiert wurden. Es käme dann aber eben auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung an, um eine finan- zierbare Alternative aufzuzeigen. Einen weiteren interessanten Vorschlag des DGB, der ebenfalls in engem Verhältnis zur Thematik steht, sind die Wechsel von Spitzenbeamten in die Wirtschaft. Beim Wechsel zu einem Arbeitgeber, zu dem in Ausübung ei- nes Amtes eine Geschäftsbeziehung bestand, über des- sen Anträge entschieden wurde oder der beaufsichtigt wurde, könnte danach ein Anspruch auf Altersgeld aus- geschlossen werden. Es wäre ein gutes Signal gewesen, wenn diese Regierung im Kontext des Altersgeldes eine entsprechende Regelung mit aufgenommen hätte. Die vielen kleinteiligeren fachlichen Kritikpunkte, von der GdP verdienstvollerweise höchst akribisch auf- gelistet, die sich angesichts des konkreten Regierungs- entwurfs anschließen, habe ich hier nicht weiter auf- greifen können. Vielleicht nur so viel: Auch der Familienzuschlag wird nicht als altersgeldfähig aner- kannt. Eine weitere Hürde zu viel bei einem Instrument, dessen eigentliche Zielrichtung anerkennenswert er- scheint. Wir werden deshalb dem Gesetzentwurf in die- ser Form nicht zustimmen können, enthalten uns aber mit Blick auf den zutreffenden Grundansatz. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich si- chern – Patentierung von Computerpro- grammen effektiv begrenzen (Tagesordnungs- punkt 17) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Im Kern der vor- liegenden Debatte geht es darum, welches Rechtsinstitut – Patentschutz oder Urheberschutz – das geeignetere In- strument der Innovationspolitik ist, um mehr Erfindun- gen und vor allem mehr innovative Produkte und Dienst- leistungen am Markt zu etablieren und so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu behaupten. Vor ziemlich genau einem Jahr veröffentlichten For- scher der TU München einen Bericht über die innova- tivsten Regionen Deutschlands. Hierbei untersuchten sie Unternehmen und ihre Patentanmeldungen. Es darf Sie – mich allerdings weniger – verwundern, dass bei dieser Untersuchung zum Vorschein kam, dass mein Wahlkreis – der Märkische Kreis auf Platz eins und der Kreis Olpe auf Platz neun – mit seinen mittelständischen Familien- unternehmen ganz vorne dabei war. Danach ist es sehr bezeichnend, dass nicht nur die Großindustrie, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen die Champions der forschungsintensiven Branchen sind. Patente sind mit Sicherheit kein Selbstzweck, sondern Gradmesser für Innovationen und Erfindungen. Die Innovationsfähigkeit eines Landes misst sich an ihren Patentanmeldungen. Hier ist Deutschland europaweit Spitzenreiter und weltweit auf Platz drei. Seit Jahren schon gibt es eine heftige Diskussion um die Patentierbarkeit von Software und die Folgen für die Innovationsdynamik. Während meiner Recherchen bin ich auf eine Internetpräsenz gestoßen, die ihre Seite mit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29443 (A) ) )(B) (C (D dem Titel „Gedanken sind frei! – Wir wollen keine Soft- warepatente!“ einleitet. Hier ist die Rede von Patentma- fia und Patentlobbying der Großindustrie. Auf einer ebenfalls sehr meinungsmachenden Seite wird sogar von einem „krassen Kulturbruch“ gesprochen. Hier zeigt sich wieder einmal – wie bei vielen The- men rund um das geistige Eigentum –, dass mit harten Bandagen hochemotional gekämpft wird. Leider wird viel zu oft das Wesentliche aus dem Auge gelassen und zu wenig darauf geachtet, was genau geregelt werden soll. Es geht um die Möglichkeit der Patentierungen von Softwareerfindungen bzw. computerimplementierten Er- findungen und nicht um ein Monopol auf reine Compu- terprogramme. Die Software als Sprache, die uns hilft, mit Computern in Verbindung zu treten, ist genauso we- nig patentierbar wie Musik, Bücher oder Filme. Sie alle unterliegen einzig dem Urheberrecht. Das soll auch so bleiben! Software hat auch eine technische Funktion: Das Neue am Antiblockiersystem war nicht die Bremse, son- dern vielmehr ihre computerunterstützte Steuerung. Das Aufrechterhalten einer konstanten Spannung unserer Stromnetze wäre ohne eine Softwareunterstützung nicht denkbar. Auch unsere Handys und Smartphones wären bei gleicher Kompaktheit nicht so leistungsstark, wie sie sind. Von diesem patentrechtlich geschützten Entwick- lungs- und Forschungseifer profitieren wir alle! Gerade wegen des Doppelcharakters von Software gibt es erhebliche Schwierigkeiten in der Praxis. Beson- ders betroffen hiervon sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie selbstständige Erfinder und Ent- wickler. Für sie stellt sich immer auch die Frage nach Schutzrechten, was eine klare Abgrenzung zwischen ur- heberrechtlich geschützter Computersoftware und pa- tentrechtlich geschützten computerimplementierten Er- findungen notwendig macht. Dieser Aufgabe stellt sich der vorliegende Antrag. Computerimplementierte Erfindungen lassen sich nicht immer leicht von reiner Software abgrenzen. Bei dem heutigen rasanten technischen Fortschritt tauchen immer wieder neue Sachverhalte auf, sodass Abgrenzungskrite- rien nicht statisch sein dürfen. Anknüpfungspunkt ist der in der Rechtsprechung des BGH verwandte Technizitäts- begriff. Der BGH macht in seinen jüngsten Entscheidun- gen klar, dass der Technikbegriff nicht statisch gesehen werden darf. Er muss Modifikationen zugänglich sein, die durch die technische Entwicklung bewirkt sind. Ich wünsche mir in den sich nun anschließenden wei- teren Beratungen, dass sich alle Beteiligten dafür einset- zen, dass dort, wo sich das Patentrecht schützend mit Blick auf den internationalen Wettbewerb auswirkt, die- ser auch beibehalten wird und gleichzeitig den Soft- wareentwicklern ausreichend Rechtssicherheit vermittelt wird, um dem Wettbewerbsgedanken und der Innovati- onsdynamik hinreichend Rechnung zu tragen. Ansgar Heveling (CDU/CSU): Wir beraten heute den interfraktionellen gemeinsamen Antrag der Koali- tionsfraktionen sowie von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung von Wettbewerb und Innovations- dynamik im Softwarebereich. Dieses Thema ist nicht ganz neu und beschäftigt uns in diesem Hause wiederkehrend seit längerer Zeit. Be- reits in der 15. Wahlperiode gab es einen fraktionsüber- greifenden Antrag (Drucksache 15/4403), im dem die Patentierbarkeit von Software abgelehnt wurde. In Europa besteht derzeit eine uneinheitliche Situa- tion, was Patentierungen angeht. Ein Richtlinienvor- schlag der EU-Kommission von 2002 mit dem Ziel, eine einheitliche Patentierungspraxis innerhalb der EU zu schaffen, wurde vom Europäischen Parlament abgelehnt und danach nicht weiter verfolgt. Diese Situation hat ins- gesamt zu Unsicherheit bei Unternehmen und Soft- wareentwicklern geführt. Der Deutsche Bundestag hat sich daher in dieser in- terfraktionellen Initiative des Themas Softwarepatente nochmals angenommen. Die Möglichkeiten zur Paten- tierung von Software sind international insgesamt sehr unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich ist Software nach dem TRIPS-Abkommen weltweit geschützt. In den USA etwa ist aber auch ein Schutz über das Patentrecht möglich. Dieser doppelte Schutz ist aus unserer Sicht jedoch zu weitgehend. Den urheberrechtlichen Schutz für Software halten wir für ausreichend. Dafür haben wir verschie- dene Gründe: Zum einen würde durch einen zusätzlichen Schutz durch das Patentrecht letztendlich der urheberrechtliche Schutz der Software beschränkt. Der Schutz von Soft- ware durch das Urheberrecht entspricht auch dem gel- tenden § 2 UrhG, insbesondere Abs. 1. Ohne Software- patente bleibt dem Urheber die Freiheit und vor allem Rechtssicherheit. Er kann selbst darüber entscheiden, was er mit der von ihm geschriebenen Software machen möchte. Mit Softwarepatenten wird demgegenüber die Wahrscheinlichkeit schon bei kleinen Softwareprojek- ten sehr hoch, dass diese ein Patent verletzen könnten. Denn Software ist sehr komplex und besteht aus vielen Teilalgorithmen. Daher wäre es annähernd unmöglich, neue Software unter Rücksichtnahme auf bestehende Pa- tente zu entwickeln. So würden im Ergebnis Innovatio- nen erschwert und Kreativität gehemmt. Zum anderen soll der Begriff der „Technizität“ als Unterscheidungskriterium dafür, ob Patentrecht oder Ur- heberrecht anwendbar ist, konkretisiert werden. Ist die Technizität gegeben, ist die Software patentierbar. Ist dies nicht der Fall, ist das Urheberrecht anwendbar. Dies stellen wir mit dem vorliegenden Antrag klar. Die Rechtspolitiker meiner Fraktion haben sich seit langem dafür eingesetzt, dass Software durch das Urhe- berrecht geschützt werden soll. Der vorliegende Antrag ist deshalb auch im Positionspapier der CDU/CSU-Frak- tion zum Urheberrecht beschlossen worden. Es ist rich- tig, dass Computerprogramme durch das Urheberrecht geschützt sind. Denn der urheberrechtliche Schutz bietet Flexibilität und fördert dadurch Innovation. Ein aufwen- diges und teures Patentierungsverfahren ist nicht not- 29444 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D wendig. Der weitreichende Ansatz des Patentrechts kann aus unserer Sicht hingegen der Programmierung neuer Software im Wege stehen und damit Innovationen und neue Produkte verhindern. Der individualistische Ansatz des Urheberrechts sorgt hier für einen Schutz der Inte- ressen des Softwareentwicklers. Zudem dient das Urhebervertragsrecht dazu, die Posi- tion der Programmierer, also der Urheber, gegenüber den Softwarefirmen zu stärken. Das Beispiel der Software- patente macht deutlich, dass es stets darum geht, einen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen herzustel- len – zwischen den Kreativen auf der einen und den Nut- zern auf der anderen Seite. Denn schließlich wollen möglichst viele von den Innovationen profitieren und sie im Allgemeininteresse nutzen. Das Ziel des Schutzes geistigen Eigentums muss aus unserer Sicht immer sein, Kreativität und damit auch Innovation zu fördern. Wir setzen uns deshalb dafür ein, den Rechtsrahmen zum Schutz des geistigen Eigentums so zu ziehen, dass der Anreiz groß genug ist, möglichst viele Innovationen hervorzubringen. Klar festzuhalten ist, dass bestehende Patente durch den Antrag nicht eingeschränkt werden. Auf der Grund- lage der bestehenden Schutzrechte kann weiterhin ge- forscht und können Patente entwickelt werden. Gleichzeitig stärken wir insbesondere kleine und mit- telständische Softwareunternehmer, die in unserem Land ansässig sind. Aber auch größere Softwareunternehmen müssen keine Einschränkung des Patentschutzes be- fürchten. Die Patentierbarkeit softwareimplementierter Erfindungen wird weiterhin möglich sein. Denn das gel- tende Recht ändert sich durch diesen Antrag nicht. Vielmehr setzen wir mit diesem Antrag ein Zeichen gegen rechtliche Unsicherheit und für einen starken Schutz der kreativen Leistung. Ingo Egloff (SPD): Die Patentierbarkeit von Soft- ware stellt eine Einschränkung des Urheberschutzes dar, die zu erheblichen Rechtsunsicherheiten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen führt. Während das Urheberrecht die konkrete Ausgestaltung der kreativen Leistung schützt, die sich zum Beispiel im Quellcode ei- nes Computerprogramms niederschlägt, werden Patente auf die bloße Idee einer Erfindung erteilt – mit fatalen Folgen für jede Softwareentwicklung, die kaum noch möglich ist, ohne eines der zahlreichen patentierten Rechte zu verletzen. Wenn das Werk eines Softwareentwicklers von frem- den Patenten erfasst wird, kann er in der Folge sein urhe- berrechtlich geschütztes Verwertungsrecht nicht aus- üben. Die europaweit ausgeübte Praxis der Erteilung von Softwarepatenten greift damit in den Kernbereich des Urheberrechts ein. Die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen, gro- ßen wie kleinen, hängt maßgeblich vom Urheberrecht ab. Nur dadurch ist sichergestellt, dass den Softwareent- wicklern die wirtschaftlichen Erträge ihrer Programme zufließen. Gleichzeitig bezweckt das Softwareurheber- recht die Sicherung der Interoperabilität zwischen den Programmen. Nach dem deutschen Patentgesetz und dem Europäi- schen Patentübereinkommen sind Computerprogramme als solche vom Patentschutz auszunehmen. Hier gilt der Grundsatz, dass die Idee durch das Urheberrecht ge- schützt sei, während ein Patent eine technische Erfin- dung voraussetzt. Diesem Grundsatz handelt die Praxis der Erteilung von Patenten mit Wirkung auf Computer- programme zuwider. Die Anzahl der allein vom Euro- päischen Patentamt erteilten softwarebezogenen Patente liegt nach Schätzungen im hohen fünfstelligen Bereich. Wir wollen diese vor allem in den USA grassierende, mittlerweile aber auch beim Europäischen Patentamt im hohen fünfstelligen Bereich vermutete Praxis der Ertei- lung von Patenten auf triviale Ideen, die keine techni- sche Lösung darstellen, aus Europa zurückdrängen. Be- reits 2005 stellte der Deutsche Bundestag einen gemeinsamen Antrag für die Wiederherstellung der Rechtssicherheit aus Ansprüchen an das Urheberrecht. Wir freuen uns, dass es nun zu einer erneuten Initiative derselben Fraktionen aus CDU/CSU, FDP, Grünen und uns kommt, die wirtschaftliche Verwertung von Soft- ware den Urhebern zu ermöglichen, ohne dass sie von Patentrechten Dritter unterlaufen wird. Die 2005 ge- plante Richtlinie der EU-Kommission, gegen die der da- malige Antrag zielte, wurde nie umgesetzt. Seither herrscht ein nahezu unveränderter, jedenfalls aber unge- klärter Zustand, der dringend behoben werden muss. Die Rechtspolitiker unserer vier Fraktionen fordern außerdem eine wissenschaftliche Evaluation der Ertei- lungspraxis von Softwarepatenten beim Europäischen Patentamt, die von den Gepflogenheiten nationaler Pa- tentämter häufig stark abweicht. Manchmal siegt die Vernunft, wie bei der jüngst beschlossenen Aufhebung des Patentes für die Apple-Wischtechnik durch das Bun- despatentgericht in München; aber es gibt Tausende ähn- licher Fälle, die einer Überprüfung bedürfen. Jimmy Schulz (FDP): Heute sprechen wir über ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Bereits vor zehn Jahren habe ich meine erste Rede auf einer Demon- stration gegen Softwarepatente gehalten. Es freut mich deswegen sehr, dass wir den von mir und Günter Krings erarbeiteten Antrag heute hier diskutieren. Besonders freue ich mich auch, dass die SPD und Bündnis 90/Die Grünen diese Initiative aktiv mittragen. Alle Fraktionen haben mittlerweile erkannt, dass das Problem der Soft- warepatente noch immer nicht gelöst ist. Jetzt haben wir die Chance, dem Thema im Parlament neuen Schwung zu geben! Das Thema Softwarepatente wurde zum ersten Mal publik, als auf EU-Ebene Vorgaben des Europäischen Ministerrats diskutiert wurden, mit dem Ziel, die Paten- tierung von softwarebezogenen Lösungen zu legitimie- ren. Bereits 2003 und 2004 gab es in ganz Europa große Demonstrationen sowie eine Onlinedemo und eine Peti- tion gegen das Vorhaben des EU-Ministerrats. Aller- dings ist die FDP schon seit viel längerer Zeit hiermit befasst. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29445 (A) ) )(B) (C (D Die Gefahr, dass eine Legalisierung von Ideenmono- polen entsteht, trifft den Kern des liberalen Gedankens. Bereits 2001 hat sich die FDP mit dem Thema be- schäftigt. Auf ihrem 52. Bundesparteitag, 4. bis 6. Mai 2001, wurde beschlossen: „Die Entwicklung in den USA zeigt schon heute deutlich, dass die Patentierung von Software sich negativ auf die Entwicklung neuer Pro- dukte und Geschäftsmodelle auswirken kann. Denn ein- zelne Softwarepatente können im Bereich der sogenann- ten Individualsoftware ganze Märkte blockieren.“ Diese Aussage gilt heute noch immer. Im November 2004 hat die FDP Bayern meinen An- trag mit Unterstützung einer Stellungnahme des Euro- päischen Parlaments und gegen den EU-Ministerrat auf ihrem Landesparteitag mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Der Antrag forderte, der Freiheit von Kommunikation Vorrang einzuräumen, und erkannte die Notwendigkeit, Patente zu beschränken, um Innovation und freien Wettbewerb zwischen Softwareunternehmen zu gewährleisten. Auch die Liberalen im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag haben gegen das Vorhaben des EU-Ministerrats gekämpft. Und zwar mit großem Er- folg! Im Februar 2005 wurde ein interfraktioneller An- trag im Bundestag verabschiedet, und am 6. Juli 2005 scheiterte die EU-Richtlinie endgültig im Europäischen Parlament. Insgesamt haben 648 von 680 Abgeordneten gegen die Richtlinie gestimmt – ein solches Ergebnis im Europäischen Parlament sagt einiges aus. Obwohl der Bundestag bereits 2005 die Bundesregie- rung aufgefordert hat, die Patentierungspraxis des Euro- päischen Patentamts, EPA, einzudämmen, hat sich die Lage nicht verbessert. Im Gegenteil: Immer noch wer- den, insbesondere vom EPA, softwarebezogene Patente sehr großzügig erteilt. Auch der Bundesgerichtshof hat sich in seinen letzten Urteilen der großzügigen Patentie- rungspraxis des EPA angenähert. Computerprogramme als solche dürfen laut Deut- schem und europäischem Patentschutz nicht patentiert werden. Urheberrechtliche Verwertungsrechte aus dem Urheberrechtgesetz stellen sicher, dass Softwareent- wicklungsunternehmen ihre wirtschaftlichen Erträge er- halten. Allerdings hat die unklare Definition der Techni- zität – also: die softwarebasierte Lösung muss ein konkretes technisches Problem mit konkreten techni- schen Mitteln lösen, und die Lösung muss neu sein – zu immer großzügigeren Urteilen des Bundesgerichtshofs, BGH, und immer großzügigerer Erteilung des EPA ge- führt. Zum Beispiel hat der BGH 2010 entschieden, dass auch rein konzeptionelle Überlegungen unter bestimm- ten Umständen ein technisches Problem lösen können und somit prinzipiell schutzwürdig sind. Abgesehen da- von, dass dieses Urteil sehr besorgniserregend ist, hat es zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und einer Aus- hebelung der wirtschaftlichen Verwertungsrechte der Softwareentwickler geführt. Es hat auch zu vielen sogenannten Trivialpatenten ge- führt. Beispiele sind der Onlinedruckauftrag, Web-to- Print, der Link auf Bild, Vorschaufenster, der Waren- korb, elektronischer Warenkorb, oder auch das bekannte Beispiel des Fortschrittsbalkenpatents. Und es gibt noch viel mehr Beispiele! Solche Patente würden zwar oft in einem Rechtsstreit bestehen können; allerdings haben kleine und mittlere Unternehmen nicht die finanziellen Mittel, gegen ein Patent zu klagen. Zusätzlich sind lang- jährige Verfahren im technologischen Bereich sehr schädlich. Ein gutes Beispiel ist das Verfahren Print24 GmbH und unitedprint.com AG gegen Vistaprint Tech- nologies ab dem Jahr 2006. Das Patent wurde schließlich 2008 aufgehoben, aber der Schaden war schon angerich- tet. Ein großer Anteil der vom EPA erteilten softwarebe- zogene Patente gehört ausländischen Großunternehmen. Monopolstellungen und Wettbewerbsverzerrungen sind die Folge! Die vor allem in den USA stattfindenden Pa- tentstreitigkeiten bezüglich Smartphonefunktionen las- sen auch negative Folgen für die deutsche Wirtschaft be- fürchten. Softwarepatente für Computerprogramme als solche, Geschäftsmethoden und Algorithmen sind abzulehnen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich glaube, dass Patente grundsätzlich einen wichtigen Baustein in der Forschung und Produktentwicklung zum Schutz der Rechte darstellen. Patente können sinnvoll sein, wenn hohe Entwicklungskosten entstehen und Nachahmungs- kosten niedrig sind. Allerdings ist das im Softwarebe- reich nicht der Fall. Das Urheberrecht bietet hier den richtigen Schutz – es schützt das fertige Produkt und nicht die Methode oder sogar ein Geschäftsmodell. Ohne bürokratische Schritte oder weitere Kosten wird ein gleichberechtigter Marktzugang und Wettbewerb für alle Teilnehmer gesichert. Im Bereich der Softwareentwick- lung hat sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ein reichhaltiger und gut funktionierender Markt kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen herausgebil- det. Diese sichern ihre Rechte an den entwickelten Pro- grammen über das vorhandene Urheberrecht. Eine zu- sätzliche, marktverzerrende und innovationshemmende Regelung für Softwarepatente sehe ich sehr kritisch. Auch die gerade abgeschlossene Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesellschaft“ hat in ihrer Pro- jektgruppe „Arbeit, Wirtschaft, Green IT“ empfohlen, „zu evaluieren, ob die Ziele des Gesetzgebers, auch vor dem Hintergrund der Erteilung von Trivialpatenten, entsprechenden Eingang in die Rechtsprechung gefun- den haben. Sollte dies nicht der Fall sein, sind gesetz- geberische Maßnahmen vorzunehmen, um eventuelle Rechtsunsicherheiten und wirtschaftliche Gefahren ins- besondere für kleine und mittlere Unternehmen auszu- schließen …“ Dies unterstützt unsere Forderung an die Bundesregierung, „sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, eine unabhängige wissenschaftliche Eva- luierung der Entscheidungspraxis der Patentämter, ins- besondere des EPA, durchzuführen“. Ich möchte abschließend gerne zwei weitere wichtige Forderungen des Antrags betonen. Zuerst zur Definition der Technizität. Es wäre sinnvoll, die Technizitätsdefini- tion um folgende Klarstellung zu ergänzen: Nur wenn die softwarebezogene Lösung von einer mechanischen oder elektromechanischen Komponente ausgeführt wer- 29446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D den kann, ist sie patentierbar. Wenn die Lösung nur von einem Computer ausgeführt werden kann, ist sie rein softwarebezogen und nicht patentierbar. Diese sinnvolle Ergänzung der Definition würde zu erheblich mehr Rechtssicherheit für Softwareentwickler führen. Der zweite wichtige Punkt ist, dass im Softwarebe- reich die Nutzung flexiblerer Lizenzen oder Open Source Software wichtig ist für Innovation – also für die Weiterentwicklung von Software. Deswegen muss gesi- chert werden, dass Softwareentwickler ihre Werke unter Open-Source-Lizenzbedingungen veröffentlichen kön- nen. Das stellt das Urheberrecht sicher; es ist aber oft mit einer Patentierung unvereinbar. Das langfristige Ziel wäre in diesem Sinne, wie im Antrag formuliert, dass „ein möglichst umfassendes patentrechtliches Interope- rabilitätsprivileg europaweit normiert wird“. Und zum Schluss kann ich nur noch die Wichtigkeit der IT-Branche, die laut BITMi zu 85 Prozent in mittel- ständischen Unternehmen stattfindet, betonen. Wir soll- ten auf diese Branche hören; denn, wie die FDP schon 2001 erkannt hat, ist „die Innovationsfähigkeit der Soft- wareindustrie künftig mitentscheidend für das Schicksal der Volkswirtschaften“ (FDP BPT 2001). Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Nicht für alle politi- schen Probleme haben wir die komfortable Situation, die Auswirkungen der Alternative beim Blick über einen Ozean direkt vor Augen zu haben. Bei Softwarepatenten ist es so. Die Absurditäten von Patentstreitigkeiten vor US-amerikanischen Gerichten kann jeder tagtäglich in der Zeitung nachverfolgen, ob sich nun Google mit Mi- crosoft oder mit Apple vor Gericht trifft, ob kleinere Konkurrenten ausgeschaltet werden, ob Unternehmen andere Unternehmen nur wegen deren Patentportfolios als Schutzwall gegen Klagen kaufen. Aber auch im Alltag vieler Menschen schlagen sich die Auswirkungen dieses Patentsystems nieder. Wer heute etwa ein Smartphone mit dem Betriebssystem ei- nes bestimmten Anbieters kauft, bezahlt die Betriebssys- teme anderer Anbieter aufgrund gerichtlicher Vergleiche und Entscheidungen in relevanter Höhe mit. Softwarepatente dienen in der Regel nicht der Vorfi- nanzierung neuer Innovationen, sondern der Sicherstel- lung der eigenen Marktposition. Sie sollen verhindern, dass andere Entwickler überhaupt in die Nutzung und Weiterentwicklung bestimmter Anwendungen eintreten können. Diese Funktion befördert Innovationen nicht, sondern blockiert diese eher. Besonders die Konzepte freier und offener Software werden durch Patente behin- dert. Für Kreative, die Software entwickeln und bauen, und für ihre Auftrag- und Arbeitgeber würde eine sol- che Situation eine starke Rechtsunsicherheit bedeuten. Kaum ein Entwickler kann bei der Entwicklung kom- plexer Softwareanwendungen realistischerweise ein- schätzen, wann er ein Patent im Softwarebereich ver- letzt. Die Patentrecherche ist aufwendig und sehr teuer und führt trotzdem nur selten zum Ziel. Denn diese Frage entscheiden zum Schluss zumeist Gerichte, die ih- rerseits nicht immer ausreichend technisch kompetent sind, um triviale von relevanten Patenten zu unterschei- den. Dazu kommt eine expansive Eigendynamik des Pa- tentwesens, das sich in der Regel aus den Gebühren selbst finanziert. Dieses absurde System der Abschottung vernichtet Milliardenwerte, etwa wenn Firmen nur noch sogenann- tes „Geistiges Eigentum" besitzen und als Geschäftsmo- dell Innovatoren auf eine unberechtigte Nutzung verkla- gen. Eine Studie der Universität Boston geht von einem volkswirtschaftlichen Schaden durch diese sogenannten Patenttrolle im Softwaresektor von 20 Milliarden Dollar jährlich aus. Aber auch die ganz normalen Auseinander- setzungen zwischen IT-Firmen schaden der volkswirt- schaftlichen Weiterentwicklung. Weil Softwarepatente Innovationsbremsen sein kön- nen, soll der uns hier vorliegende Antrag von vier Frak- tionen die bisherige Ablehnung dieser Patente auf euro- päischer Ebene bestätigen und vor allem präzisieren. Das Problem: Das bisherige grundsätzliche Verbot ist derart weich formuliert, dass das Europäische Patentamt trotzdem bisher mehrere zehntausend Patente im Soft- warebereich erteilt hat. So dürfen Patente, die Soft- wareentwicklungen eine „technische Verbindung“ nach- weisen, nach dem geltenden deutschen und europäischen Recht erteilt werden. Diese Technizität ist in der Recht- sprechung immer wieder weit ausgelegt worden. Die vorliegende Initiative will diese Erweiterung der Paten- tierbarkeit von Software nun wieder einhegen und den Begriff „Technik“ klarer definieren. Das wäre sicher ein erster Schritt, wenn er denn gelänge. Wir fragen aber auch: Was spricht eigentlich gegen ein umfassenderes Verbot von Softwarepatenten? Die Probleme etwa für die Entwickler von softwaregestützten Steuerungsmodu- len von Geräten und Maschinen dürften gering sein, da diese Software ohnehin eng mit der Hardware verbun- den ist. Wir kämen jedoch durch ein echtes Verbot um die bereits erwähnte Eigendynamik des Patentwesens herum, die jede Regulierung zu erweitern und zu umge- hen sucht. Dies würde innovative Dynamik freisetzen, die derzeit in Tricks zur kreativen Auslegung des Pa- tentrechts investiert wird. Was im Antrag zudem fehlt, ist ein Verweis auf die angemessene Vergütung der Kreativen. Die Regelung von Software im Urheberrecht sollte nicht nur der Ab- schottung gegen Ansprüche dienen, sondern auch Ver- pflichtung zu einer guten Bezahlung der oft freiberuflich Tätigen in der Softwarebranche sein. Hier könnten sich zumindest die einen Mindestlohn fordernden Unter- zeichnerinnen des Antrags noch stärker engagieren. Ein zweiter fehlender Punkt wäre eine präzisere Be- schreibung der Zweckbindung bei Überlassung von Nut- zungsrechten. Es ist das gute Recht der Urheberinnen und Urheber, selbst über die weitere Nutzung ihrer Ar- beitsergebnisse zu entscheiden. Trotzdem ist diese gemeinsame Initiative ein guter Schritt in die richtige Richtung, der nur ohne unsere Un- terschrift hier eingebracht wird, weil Union und FDP sich selbst bei Zukunftsthemen nicht von den Reflexen des Kalten Krieges lösen können. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29447 (A) ) )(B) (C (D Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Einzelentwickler und Unternehmen riskieren bei der Entwicklung neuer Software durch eine heute in Tei- len unklare Rechts- und eine häufig unüberschaubare Pa- tentlage unbeabsichtigt, die Patente Dritter zu verletzen. Anders als das Urheberrecht, das eine konkrete Pro- grammierung schützt, ist der Patentschutz wesentlich weiter gehender, indem er auch Ideen schützt, ganz un- abhängig von der konkreten Umsetzung in ein bestimm- tes Programm. Aufgrund schneller Innovationszyklen, einer ganz er- heblichen Anzahl von gewährten Softwarepatenten und der unklaren Formulierung vieler Patentansprüche ist es für zahlreiche, vor allem kleine und mittlere Unterneh- men heute praktisch ausgeschlossen, die derzeitige Pa- tentlage zu überblicken. Gilt dies mittlerweile sogar für große Unternehmen mit eigenen – oftmals auf das Paten- recht spezialisierten – Rechtsabteilungen, gilt es für kleine und mittlere Unternehmen umso mehr. Die Folge einer oftmals unüberschaubaren Patentlage sind die Pa- tentklagen, von denen wir regelmäßig lesen können. Die immer weiter ausufernden Patentstreitigkeiten im Markt der Smartphones und Tablets sind Zeuge dieser Entwick- lung und gleichzeitig nur die Spitze des Eisbergs. Während es sich große Unternehmen eventuell sogar leisten können, angesichts – oftmals nur schwer zu veri- fizierenden – Patentansprüchen Dritter und angesichts der Unwägbarkeit eines langwierigen Rechtsstreits Pa- tentlizenzgebühren oftmals auch dann zu zahlen, wenn ein entsprechender Anspruch durchaus zweifelhaft ist, können dies kleine und mittelständige Unternehmen ohne große Rechtsabteilungen nicht. Die direkte Folge der derzeitigen, oftmals völlig unüberschaubaren Patent- lage ist ein parasitäres System sogenannter Patenttrolle. Die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise liegen auf der Hand. Als Grüne streiten wir daher seit langem für Offenheit statt Patentkriege. Seit Jahren setzen sich meine Fraktion und ich gegen Softwarepatente ein. Als Grüne lehnen wir die Patentfähigkeit von softwarebezogenen Lösun- gen ab. Dies gilt für Software, softwarebasierte Verfah- ren sowie für neue Eigenschaften von Computern, wenn diese augenscheinlich nur durch ein neues Programm be- wirkt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Urhe- berrechte der Programmierer und Programmiererinnen vor der wirtschaftlichen Entwertung durch Patentan- sprüche Dritter geschützt werden. Wir fordern daher, die Erteilung von softwarebezogenen Patenten zu ver- bieten sowie ihre rechtliche Durchsetzbarkeit im Verlet- zungsprozess zu unterbinden. Auch vor dem Hintergrund so manch anderer Diskus- sionen, die wir in dieser Legislatur in diesem Hohen Haus geführt haben, waren wir hocherfreut, als sich ab- zeichnete, dass wir in diesem Bereich eine interfraktio- nelle Initiative, die der immer weiter ausufernden Paten- tierung im Softwarebereich klare Grenzen aufzeigt, gemeinsam vorlegen. Unsere gemeinsame Initiative mit dem Titel „Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von Computer- programmen effektiv begrenzen“ liegt nun vor. Dass es, wie bereits in der vergangenen Legislatur auch in dieser Legislatur gelungen ist, tatsächlich hier erneut eine inter- fraktionelle Initiative zu verabschieden, freut uns sehr. Die heute vorliegende Initiative ist gewiss auch ein Stück weit der guten Zusammenarbeit im Rahmen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesell- schaft“ zu verdanken, die sich nicht nur zuvor bereits in einer eigenen Projektgruppe sehr intensiv mit den Frage- gestellungen, die nun auch Gegenstand des gemeinsa- men Antrags sind, auseinandersetzte, sondern sich zu- dem – ebenso interfraktionell – bereits gegen die immer weiter ausufernde Patentierung im Softwarebereich aus- sprach. Doch nun zur Initiative selbst. Sicher hätte man, hätte man eine eigene Initiative vorgelegt, manches anders formuliert. Dennoch können wir mit dem nun vorliegen- den Ergebnis, auch vor dem Hintergrund der eigenen Be- schlüsse, die wir als Partei zum Thema Softwarepatente bereits mehrfach beschlossen haben, sehr gut leben. So ist es uns Grünen gelungen, die ohnehin schon in die richtige Richtung zielende Initiative an entscheidenden Stellen weiter zu verbessern und so manche Formulie- rung zu konkretisieren. Das freut uns. Bedauernswert finden wir es, dass es aufgrund einer Weigerung der Koalition erneut nicht gelungen ist, auch die letzte bislang nicht auf dem Antrag stehende Frak- tion mit auf die gemeinsame Initiative zu nehmen. Das hatten wir angeregt und sind nach wie vor der Meinung, dass das von der Initiative ausgehende Signal ein noch stärkeres gewesen wäre. Der interfraktionelle Antrag trägt den Titel „Wettbe- werb und Innovationsdynamik im Softwarebereich si- chern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen“. Im Titel wird die Intention des Antrags be- reits deutlich. In der Initiative stellen wir gemeinsam fest, dass innovative, leistungsfähige und sichere Infor- mationssysteme heute eine „unverzichtbare Grundlage der Wissens- und Informationsgesellschaft“ sind. Weiter verweist die Initiative darauf, dass das deut- sche Patentgesetz, PatG, und das Europäische Patent- übereinkommen, EPÜ, der Schutzregelung von Software über das Urheberrecht Rechnung tragen, indem sie Com- puterprogramme „als solche“ vom Patentschutz ausneh- men. Trotz dieser eigentlichen Intention, hierauf macht unser Antrag aufmerksam, werden und wurden in der Praxis – insbesondere vom Europäischen Patentamt, EPA – wiederholt Patente mit Wirkung auf Computer- programme erteilt, bei denen die Patentierung von Leh- ren zur reinen Datenverarbeitung in einer nur formalen Einkleidung als „technische Verfahren“ oder „technische Vorrichtungen“ erfolgte und entsprechende Ansprüche auch explizit auf diese Verfahren bzw. Vorrichtungen re- alisierenden Computerprogramme erhoben werden. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass auch der Bun- desgerichtshof, BGH, in Referenzurteilen wiederholt die Patentfähigkeit softwarebezogener Lehren in weiten Tei- len anerkannt und die Technizitätsanforderung als Krite- rium für eine Patentierbarkeit weit ausgelegt hat, womit sich der Bundesgerichtshof der großzügigeren Patentie- rungspraxis des Europäischen Patentamtes – leider, muss 29448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D man in diesem Zusammenhang sagen – sukzessive ange- nähert hat. Dies ist umso bedauerlicher, als dass die Pra- xis, softwarebezogene Patente zu erteilen, im Wider- spruch zu dem 1991 mit der Richtlinie 1991/250/EWG eingeschlagenen Weg des „copyright approach“ steht und mit dem in der Richtlinie niedergelegten Willen des europäischen Gesetzgebers nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Hierdurch entsteht nicht nur eine erhebliche Rechts- unsicherheit für die betroffenen Unternehmen, sondern genauso für die Entwicklerinnen und Entwickler, welche faktisch die Verwertungsrechte an ihren selbst geschaffe- nen Computerprogrammen verlieren, wodurch unkalku- lierbare Kosten- und Haftungsrisiken bei der wirtschaft- lichen Verwertung entstehen. Auch verweisen wir in der vorliegenden Initiative da- rauf, dass patentbehaftete Bestandteile von Softwarelö- sungen mit den Lizenzbedingungen der überwiegenden Open-Source-Software grundsätzlich unvereinbar sind und Monopolisierungstendenzen im Softwaresektor mit entsprechend negativen Folgen sowohl für die Innova- tionsdynamik als auch für den Arbeitsmarkt einhergehen. Das Ansinnen, die bestehenden Defizite hinsichtlich der Unterbindung selbstständiger Programmansprüche, der Gewährleistung der praktischen Anwendbarkeit des urheberrechtlich verankerten Interoperabilitätsprivilegs, des Schutzes von Softwareentwicklungen unter Lizenz- modellen freier und Open-Source-Software und der Un- terbindung der Patentierung von softwarebasierten Ge- schäftsmethoden im Rahmen eines Richtlinienentwurfes des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen (KOM(2002)92) zu beheben, blieb leider erfolglos. Somit bleibt nach Meinung aller antragstellenden Fraktionen die Aufgabe bestehen, dem „copyright ap- proach“ aus der Softwarerichtlinie auf europäischer Ebene die gehörige Geltung zu verschaffen und die ent- sprechenden gesetzlichen Konkretisierungen auch im deutschen Recht vorzunehmen. Dementsprechend for- dert die vorliegende Initiative, zu gewährleisten, dass die wirtschaftlichen Verwertungsrechte des Softwarewerkes im Urheberrecht geschützt bleiben und nicht durch Soft- warepatente Dritter leerlaufen, weiter sicherzustellen, dass Softwarelösungen auf dem Gebiet der reinen Daten- verarbeitung, der softwarebasierten Wiedergabe von In- formationen und von programmgestützten Steuerungs- aufgaben ausschließlich urheberrechtlich geschützt werden, und dass darüber hinaus kein Patentschutz für abstrakte Lösungen auf diesen Gebieten gewährt wird, des Weiteren Nutzungs- und Verbotsrechte für soft- warebasierte Lösungen auch weiterhin urheberrechtlich zu regeln, den patentrechtlichen Schutz auf softwareun- terstützbare Lehren zu beschränken, bei denen das Com- puterprogramm lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt, wie zum Beispiel eine softwarebasierte Wasch- maschinensteuerung ein elektromechanisches Pro- grammschaltwerk aus drehbaren Walzen, die Steue- rungsschaltkreise für einzelne Waschprogrammschritte aktivieren, ersetzen kann, und schließlich sicherzustel- len, dass der Softwareentwickler sein Werk auch unter Open-Source-Lizenzbedingungen rechtssicher veröf- fentlichen kann. Hinsichtlich einer etwaigen neuen Initiative zu einer Reform des Urheber- oder Patentrechts auf europäischer Ebene, die als notwendig erachtet wird, fordern wir die Bundesregierung des Weiteren gemeinsam auf, darauf hinzuwirken, dass die Definition des technischen Bei- trags möglichst konkret gefasst und eine Definition des Begriffs „Technik“ in die bestehenden Regelungen auf- genommen wird. Durch diese Definition muss sicherge- stellt werden, dass Computerprogramme „als solche“, Geschäftsmethoden und Algorithmen zukünftig nicht patentiert werden können, wodurch der patentrechtliche Schutz auf softwareunterstützbare Lehren beschränkt werden soll, bei denen das Computerprogramm lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt. Des Weiteren fordern wir die Bundesregierung gemeinsam dazu auf, darauf hinzuwirken, dass ein möglichst umfassendes pa- tentrechtliches Interoperabilitätsprivileg europaweit nor- miert wird, und sich dafür einzusetzen, dass alternative Entwicklungskonzepte wie insbesondere Open-Source- Projekte durch patentrechtliche Bestimmungen mög- lichst nicht beeinträchtigt werden. Darüber hinaus muss sich die Bundesregierung, so der Wille aller Fraktionen, auf europäischer Ebene dafür einsetzen, eine unabhän- gige wissenschaftliche Evaluierung der Entscheidungs- praxis der Patentämter, insbesondere des Europäischen Patentamts durchzuführen und zu guter Letzt darauf hin- wirken, dass Abweichungen in der Erteilungspraxis zwi- schen dem EPA und den nationalen Patentämtern zu- künftig unterbleiben und Erteilungen von Patenten für softwareunterstützbare Lehren vermieden werden. Dass der Rechts- und Wirtschaftsausschuss am 13. Mai gemeinsam eine Anhörung zur vorliegenden Ini- tiative durchführen werden, begrüßen wir ausdrücklich, bekommt das Thema doch so noch einmal die Aufmerk- samkeit, die es verdient. So erfreulich es ist, dass es auch in dieser Legislatur gelungen ist, erneut eine gemeinsame Initiative vorzule- gen, so deutlich sagen wir an dieser Stelle, dass wir von der nächsten Bundesregierung erwarten, dass sie in die- sem Bereich die notwendigen Korrekturen auf nationaler Ebene selbst vornimmt und entsprechende Initiativen auf europäischer Ebene anstößt. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Parlamentsbeteili- gung bei globaler Umwelt-Governance verbes- sern (Tagesordnungspunkt 18) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir sprechen heute über das Thema, welche Rolle dem Deutschen Bundestag bei internationalen umweltpolitischen Konfe- renzen beigemessen wird. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29449 (A) ) )(B) (C (D Die größten Herausforderungen unserer Zeit, wie etwa der Klimawandel, die Erhaltung der Artenvielfalt oder die Ressourcenschonung, sind globale Herausfor- derungen. Sie müssen deshalb auch in einem globalen Maßstab bewältigt werden. Deshalb sind diese interna- tionalen Großkonferenzen, wie sie in regelmäßigen Zy- klen stattfinden, auch so wichtig. Wir benötigen interna- tionale und globale Antworten auf diese wichtigen Zukunftsfragen. Die Welt muss an einem Tisch zusam- menkommen, diese Probleme besprechen und Lösungen erarbeiten. Auch wenn der Aufwand enorm ist und nicht immer die gewünschten Ergebnisse erzielt werden, führt an dieser Verfahrensweise kein Weg vorbei. Klar ist auch, dass die internationale Politik in erster Linie Aufgabe der Regierungen ist. Es stellt sich also die Frage, welches Engagement für die nationalen Parla- mente in diesem globalen Prozess vorgesehen ist. Inner- halb der Europäischen Union gibt es klare gesetzliche Vorgaben über die Parlamentsbeteiligung. Wir haben diese im Zusammenhang mit der europäischen Staats- schuldenkrise gerade neu justiert. Solche klaren Beteiligungsvorgaben gibt es aber auf der Global-Governance-Ebene unter den umweltpoliti- schen Konventionen nicht. Eine umfassende Beteili- gungspflicht des Parlaments hängt letztlich vom Good- will der Bundesregierung und deren Informationspolitik ab. Unbestritten ist allerdings, dass die Ergebnisse der internationalen Konferenzen regelmäßig Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden. Hier sind Parlament und Ausschüsse in der entscheidenden Funktion. Des- halb ist deren frühe Einbindung und aktive Teilnahme an diesen Prozessen von großer Bedeutung. Ich selbst war bislang bei den Klimakonferenzen in Kopenhagen, Cancún, Durban und zuletzt in Doha dabei und begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die wertvolle Informationspolitik des Bundesumweltminis- teriums. Hervorheben möchte ich insbesondere Bundes- umweltminister Peter Altmaier: Er hat die Mitglieder des Deutschen Bundestages vor, während und nach der Kon- ferenz umfassend informiert und eingebunden und aktiv den Austausch gesucht. Ich denke, die Beteiligten aller Fraktionen können mir hier zustimmen. Zuletzt wurde nun darüber diskutiert, ob die Teil- nahme an solchen Konferenzen im originären Interesse des gesamten Deutschen Bundestages liegt. Ja, dies ist der Fall! Ich möchte hier am Beispiel der Klimakonfe- renzen zwei Beispiele nennen, weshalb dies so ist. Erstens. Der Austausch mit den Parlamentariern an- derer Länder ist enorm wertvoll. Man gewinnt neue Sichtweisen und ein tieferes Verständnis für bestimmte Problemlagen. Daraus erwachsen wiederum neue Lö- sungsmöglichkeiten, die in nationalen Parlamenten ent- schieden werden. Der auf diesen Konferenzen stattfin- dende Austausch ist für die „Politik zu Hause“ unersetzlich. Ich möchte es an einem Beispiel deutlich machen: Wir hatten zahlreiche Gespräche mit Vertretern aus anderen Ländern, die heute schon massiv vom Kli- mawandel betroffen sind. Sie haben uns ganz konkrete Auswirkungen geschildert. Mit aus diesen Gründen ha- ben wir im Deutschen Bundestag die Weichen auch im Bereich der Klimafinanzierung und Entwicklungszu- sammenarbeit so gestellt, dass die Anpassung an den Klimawandel ebenso ernst genommen wird wie die Be- kämpfung des fortschreitenden Klimawandels selbst. Zweitens. Der Deutsche Bundestag hat die deutsche Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Ener- gien entschieden. Diese Entwicklung hat eine enorme in- ternationale Aufmerksamkeit erfahren. Die Welt schaut auf Deutschland und will wissen, wie der Umbau der Energieversorgung auf regenerative Energien innerhalb unserer Industrienation vonstattengeht. Wenn es uns als Abgeordneten gelingt, diese Entscheidung auch im inter- nationalen Maßstab zu begründen, kann der eingeschla- gene Weg verstärkt auch in anderen Staaten Schule ma- chen. Aus der Energiewende können sich im Übrigen auch ungeheure wirtschaftliche Chancen für unser Land ergeben. Dies betrifft sowohl den Export dieser Techno- logien als auch die Sicherung der Arbeitsplätze in die- sem Bereich. Ich plädiere dafür, dass die Umweltpolitiker der Frak- tionen auch künftig die Möglichkeit seitens des Bundes- tages erhalten, an den Konferenzen unter den internatio- nalen Konventionen teilzunehmen. Es ist im originären Interesse der deutschen Politik, und es ist aus demokrati- schen, aber auch aus sachlichen Gründen geboten. Ich werbe deshalb um Ihre Zustimmung. Josef Göppel (CDU/CSU): Ich freue mich sehr, dass wir heute endlich einen interfraktionellen Antrag zur besseren Beteiligung des Bundestags in der globalen Umweltpolitik beraten und beschließen können. Zur gu- ten Regierungsführung gehört heute unbestritten die Be- teiligung gewählter Abgeordneter an internationalen Entscheidungen der Regierungsvertreter. Das verlangen wir von den Entwicklungsländern, und deswegen muss dies auch für unser eigenes Regierungshandeln gelten. Bei den Euro-Rettungsschirmen hat sich der Bundestag diese Mitwirkung erfolgreich erkämpft. Was den meisten Verhandlungen zum internationalen Klimaschutz immer noch fehlt, ist die Einbindung der gewählten Volksvertreter. Während die Zusammenarbeit zwischen Bundestag und EU klar geregelt ist, fehlt eine ausreichende Einbindung bei vielen Entscheidungen auf UN-Ebene. Hier bleibt den nationalen Parlamenten oft nur die Möglichkeit, internationale Beschlüsse ohne jede Änderung zu ratifizieren. Ich meine deshalb, dass wir in der globalen Umwelt- politik mehr Demokratie brauchen. Der Deutsche Bun- destag und damit die Wählerinnen und Wähler müssen die internationalen Beschlüsse stärker mitbestimmen können. Meine eigenen Erfahrungen bei der Teilnahme an den UN-Klimakonferenzen sind positiv. Gerade das direkte Gespräch mit Vertretern anderer Länder hilft dem gegen- seitigen Verständnis. Hier sprechen wir bilateral oder multilateral über die Gründe für Entscheidungen, über die Möglichkeiten der Umsetzung und der effektiven Zusammenarbeit. Hier lernen wir Parlamentarier an ganz konkreten Beispielen, wo der Schuh drückt und welche 29450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Maßnahmen Erfolg versprechen. Ähnliches gilt auch für den Austausch bei Delegationsreisen in andere Länder und beim Besuch ausländischer Parlamentarier in Deutschland. Viele Maßnahmen, die wir im Bundestag beschließen, haben Auswirkungen auf andere Staaten und umgekehrt. Deshalb ist es wichtig, dass wir gut informiert und ein- gebunden sind. Unser gemeinsamer Antrag gibt der Bundesregierung klare Aufgaben auf den Weg, um das Ziel von mehr Be- teiligung der gewählten Volksvertreter in der globalen Umweltpolitik zu erreichen. Ganz ausdrücklich möchte ich mich hier noch einmal beim Umweltministerium für die frühzeitige und ausführliche Information bei den Verhandlungen zur UN-Klimarahmenkonvention bedan- ken. Dies ist ein Beispiel für gute Zusammenarbeit, dem nach unserem heutigen Beschluss hoffentlich auch der Ältestenrat des Bundestages folgt. Frank Schwabe (SPD): Umweltverschmutzung macht nicht an von Menschen gezogenen Grenzen halt. Lösungen und Umweltpolitiken müssen deswegen im- mer international gedacht werden. Gerade in der Klima- politik, für die ich zuständig bin, werden wir nur Erfolg haben, wenn möglichst viele Länder mitmachen. Dies gilt natürlich auch für die internationalen Verhandlungen zum Schutz der Biodiversität, den Rio-Nachfolgever- handlungen und die vielen weiteren Konferenzen zu Umweltproblemen. Heute existieren über 1 000 multilaterale Umweltab- kommen, darunter fast 500 zwischenstaatliche Verträge, knapp 400 Änderungsabkommen und beinahe 200 Pro- tokolle. Dazu gehören neben der Klimarahmenkonven- tion sowohl die Biodiversitäts-Konvention als auch das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht oder das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung. Zu den Protokollen zählen unter anderem das Kioto-Protokoll, welches seit 1997 die UNFCCC ergänzt, das Montreal-Protokoll der multilateralen Ozonpolitik und schließlich das Carta- gena-Protokoll sowie das Nagoya-Protokoll zum Schutz der Artenvielfalt. Als Mitglied des Deutschen Bundestages ist mir na- türlich bei Verhandlungen und Abschlüssen von interna- tionalen Abkommen die Beteiligung des Parlamentes wichtig. Während wir als Bundestag bei Diskussionen auf europäischer Ebene durch klare Regelungen einge- bunden sind, können wir beim Abschluss internationaler Abkommen nur der Ratifizierung zustimmen oder diese ablehnen. Wobei die Mehrheit des Hauses niemals ein durch die eigene Regierung verhandeltes Abkommen verweigern wird. Der Antrag, den wir heute interfraktionell eingebracht haben, beleuchtet die Beteiligung des Bundestages bei internationalen Verhandlungen und zeigt Lösungen auf, wie das Parlament besser beteiligt werden kann. Dabei geht es nicht nur um die intensive und frühzeitige Be- richterstattung der Bundesregierung über kommende und laufende Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen, sondern auch um die Präsenz von Abgeordne- ten des Deutschen Bundestages bei Regierungs- und Par- lamentarierkonferenzen zur Umwelt- und Nachhaltig- keitspolitik. Dass diese Präsenz immer noch keine Selbstverständ- lichkeit ist, zeigt die Klimakonferenz in Doha, die im letzten Dezember stattgefunden hat. Zwar waren Mit- glieder des Deutschen Bundestages vor Ort, es gab je- doch keine Delegationsreise. Das Präsidium des Deut- schen Bundestages erteilte den Mitgliedern des Umweltausschusses keine Reisegenehmigung für eine Ausschussreise. Es sei eine Regierungskonferenz, auf der Parlamentarier nicht dabei sein müssten, so die Be- gründung. Auch wenn die Entscheidung schlicht dem Geldmangel am Ende eines Jahres geschuldet sein mag, so ist sie doch irgendwie symbolhaft für den Stellenwert des Klimaschutzes. Dabei reisen viele Länder mit gro- ßen Delegationen an. Parlamentarier sind ganz selbstver- ständlich dabei, um die nationalen Positionen zu erklä- ren und in den Meinungsaustausch zu treten. Und ausgerechnet die Anwesenheit deutscher Parlamentarier soll überflüssig sein? Es soll keine Notwendigkeit beste- hen, die „Energiewende“ zu erklären, deutsche Klima- schutzprojekte in der ganzen Welt zu bewerben und an- dere Länder zu mehr Engagement im Klimaschutz zu bewegen – oder auch die deutsche Position direkt beein- flussen und bewerten zu können? Einige Mitglieder des Bundestages waren dann doch vor Ort in Doha – finanziert über die einzelnen Fraktio- nen. Doch uns ist klar geworden, dass wir zu diesem Thema eine Entscheidung brauchen, damit klar ist, wie Parlamentarier bei Regierungsverhandlungen beteiligt werden. Dabei geht es nicht nur um die Präsenz auf den Konferenzen, sondern auch um Informationspflichten der Bundesregierung, um die Förderung des Austau- sches mit Abgeordneten anderer Parlamente und auch um die Berücksichtigung der Empfehlungen und Wün- sche der zuständigen Ausschüsse und Gremien des Deut- schen Bundestages. All diese Punkte spricht unser inter- fraktioneller Antrag an. Er stellt die Beteiligung des Parlamentes bei internationalen Verhandlungen zur Um- weltpolitik auf eine neue Grundlage. Ich freue mich sehr, dass es möglich ist, dass wir hierzu interfraktionell eine Meinung haben und eine gemeinsame Position gefunden haben. Bei den Regierungskonferenzen sind Parlamentarier – und auch Michael Meyer – kein schmückendes Bei- werk, sondern führen von morgens bis abends wichtige Gespräche und Verhandlungen. In Doha hatten wir zum Beispiel Gesprächstermine mit Ministern aus Kolum- bien, Peru und El Salvador, mit Parlamentariern aus Großbritannien, Italien, Dänemark, Brasilien und Boli- vien, internationalen Vertretern der am wenigsten entwi- ckelten Länder, der russischen Zivilgesellschaft usw. Wir müssten 15 bis 20 Reisen in die einzelnen Länder unserer Gesprächspartner unternehmen, um all diese Ge- spräche führen zu können und all die wichtigen Erkennt- nisse und Informationen zu erhalten. Es ist deutlich günstiger, dies alles konzentriert auf einer Konferenz zu machen. Da es auf internationalen Klimakonferenzen nicht nur um den weltweiten Klimaschutz, sondern auch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29451 (A) ) )(B) (C (D um zentrale Fragen der Weltgemeinschaft und um viele wirtschaftliche Fragen geht, sind auf den Konferenzen nicht nur die Verhandler der Regierungen anwesend, sondern natürlich sind auch Parlamentarier, Umwelt- und Entwicklungsverbände sowie Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Unternehmen dabei. Gerade für Vertreterinnen und Vertreter kleiner Länder sind diese Konferenzen wichtig, um Gespräche mit möglichst vielen Delegationen zu führen. Seit acht Jahren bin ich nun in meiner Fraktion für die internationale Klimapolitik zuständig und war auf all den Klimakonferenzen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig eine neue Regelung zur Beteiligung des Par- lamentes ist. Deshalb möchte ich herzlichst um Zustim- mung für unseren Antrag werben. Michael Kauch (FDP): Globale Probleme müssen global gelöst werden. Das gilt gerade für die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik. Denn etwa der Klimawandel und seine Folgen machen keinen Halt vor Staatsgrenzen, und Verursacher und Geschädigte sind oft Kontinente voneinander entfernt. Auch der Meeresschutz ist ein Feld, in dem nationale Maßnahmen kaum greifen. Vor diesem Hintergrund haben sich für mehr Umwelt- schutz und Nachhaltigkeit Strukturen und Prozesse inter- nationaler Politik oberhalb der nationalstaatlichen Ebene entwickelt: als Global Governance. Wir alle kennen die Beispiele überstaatlicher Zusam- menarbeit: Die UN-Klimarahmenkonvention, UNFCCC, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, CBD, das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, CITES, der Nachfolgeprozess zur Rio-Konferenz über nachhal- tige Entwicklung und die Aarhus-Konvention über die Beteiligung der Öffentlichkeit in Umweltfragen. Staatenübergreifend werden auf Grundlage internatio- naler Konventionen Verhandlungsprozesse entwickelt, deren Entscheidungen die nationale und europäische Umweltpolitik erheblich beeinflussen. Verbandsklage- recht und Emissionshandel sind zwei Beispiele, wo Glo- bal Governance unmittelbare Auswirkungen auf die eu- ropäische und deutsche Rechtsordnung hatte. Das ist richtig und wichtig. Globaler Umweltprobleme muss sich die Staatengemeinschaft gemeinsam annehmen. Allerdings findet sich hier ein Wermutstropfen: So- wohl der Deutsche Bundestag als auch das Europäische Parlament werden oft genug vor Ergebnisse von Ver- handlungen der Regierungen gestellt, zu denen sie nur noch Ja oder Nein sagen können. Und hier stellt sich die Demokratiefrage. Denn die Ablehnung der Ratifizierung kommt aus übergeordneten politischen Gründen in der Regel nicht infrage. Das kann und darf nicht so bleiben, wollen wir nicht die Akzeptanz dieser Prozesse und ihrer Ergebnisse aufs Spiel setzen. Entscheidungen im Rahmen der EU zeigen, dass es auch anders geht. Dort ist der Deutsche Bundes- tag durch klare gesetzliche Regelungen in die Entschei- dungsprozesse eingebunden. Die Mitwirkungsrechte wurden deutlich gestärkt. Wir brauchen auch bei interna- tionalen Entscheidungsprozessen im Umweltbereich mehr Demokratie und die Möglichkeit, aktiv Einfluss zu nehmen. Deshalb fordern wir fraktionsübergreifend, dass das Parlament, namentlich die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages, regelmäßig, selbstständig, früh- zeitig und umfassend über kommende und laufende Ver- handlungen zur Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen informiert werden. Als gelungenes Beispiel will ich die Informationspolitik des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Re- aktorsicherheit über Verhandlungen unter der UN-Kli- marahmenkonvention nennen. Wir fordern weiter, dass Empfehlungen und Wünsche dieser Ausschüsse und Gremien im Verhandlungspro- zess erkennbar berücksichtigt werden. Neben formalen Informations- und Beteiligungsrech- ten kann das Parlament aber auch eine wichtige Funktion zum Gelingen von UN-Prozessen für mehr Umwelt- schutz und Nachhaltigkeit übernehmen – sehr wohl auch in dem Sinne, die Verhandlungslinie der Bundesregie- rung zu unterstützen. Erforderlich ist dazu ein direkter fachlicher Aus- tausch mit Abgeordneten anderer Parlamente. Es ist gut und wichtig, von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden, Standpunkte auszutauschen und Verständnis für die eigenen Positionen zu vermitteln. Abgeordnete, die weniger an formelle Verhandlungspositionen gebunden sind als die Regierungsvertreter, können auf Kompro- misse hinwirken, können ein Gespür entwickeln für die politischen Bedürfnisse der Verhandlungspartner. Sie können den öffentlichen Diskurs in ihren Heimatländern beeinflussen – und letztlich auch das Regierungshandeln des entsprechenden Landes. Deshalb ist es ein Gewinn für Deutschland und seine progressive Haltung in der Umweltpolitik, wenn deutsche Abgeordnete auf interna- tionaler Ebene präsenter sind als bisher. Foren für solchen Austausch unter Abgeordneten sind zum Beispiel die Parlamentarierdialoge von GLOBE, Global Legislators Organisation for a Balanced Environ- ment, EUFORES, European Forum for Renewable Energy Sources, und des internetbasierten Climate Par- liament. Es ist gut, dass diese Bundesregierung solche internationalen Foren seit dieser Wahlperiode auch erst- mals aktiv fördert. Ein zentrales Forum zum Dialog, aber auch zur Ein- bindung der Abgeordneten des Bundestages in konkrete Verhandlungsprozesse sind Regierungs- und Parlamen- tarierkonferenzen zur Umwelt- und Nachhaltigkeitspoli- tik. Auf den Regierungskonferenzen kann es noch wäh- rend des Verhandlungsprozesses zu Rückkopplungen mit den zuständigen Fachpolitikern der Fraktionen kommen. Deshalb ist die Teilnahme von Abgeordneten etwa an der UN-Klimakonferenz im Interesse des Deutschen Bundestages. Dies war zwischen den Fachausschüssen und dem Präsidium des Bundestages zuweilen strittig. Dieser Beschluss des Plenums, den wir heute treffen, stellt klar: Die Reisen sind im Interesse des Bundestages und sind im Grundsatz zu genehmigen. 29452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Denn durch die Teilnahme von Delegationen des Deutschen Bundestages bei Regierungskonferenzen un- ter der UNFCCC und des CBD sowie im Rahmen des UN-Nachhaltigkeitsprozesses wird es ermöglicht, dass die zuständigen Fachausschüsse Einfluss nehmen kön- nen – Einfluss auf Entscheidungen, die der Deutsche Bundestag am Ende in die deutsche Rechtsordnung um- setzen wird. Wir sollten die Arbeit, die wir in den vergangenen Jahren gewonnen haben, fortsetzen, im Interesse unseres Landes wie auch im Interesse der internationalen Staa- tengemeinschaft. Wie ich bereits anfänglich sagte: Um- weltprobleme machen vor Staatsgrenzen keinen Halt, und sie erfordern internationale Zusammenarbeit. Ge- fragt sind gemeinsame Lösungen. Es ist an uns, die not- wendigen Weichenstellungen für einen erfolgreichen Dialog zu setzen. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Zunächst möchte ich begründen, warum wir uns bei diesem An- trag, dem wir inhaltlich weitgehend zustimmen, enthal- ten. Diese Initiative zur Parlamentsbeteiligung in UN-Pro- zessen ist ein fraktionsübergreifender Gruppenantrag. Hier geht es um die Einbeziehung des gesamten Parla- ments, nicht nur der fünf bürgerlichen Parteien. In alter Kalte-Kriegs-Manier wurde die Linke jedoch bei diesem Antrag ausgeschlossen. Das ist so lächerlich wie absurd, dass wir selbstverständlich einem auf einer solchen Grundlage erarbeiteten Dokument nicht zustimmen wer- den. 23 Jahre nach der Einheit sollten sich die anderen Par- teien eigentlich langsam daran gewöhnt haben, dass es in Deutschland nun eine gesamtdeutsche linke Partei gibt. Aber Ewiggestrige und Arroganz bei Union, FDP, SPD und Grünen führen hier zu Ignoranz. Das ist zugleich ein Fingerzeig darauf, wie ernst es diese Parteien nehmen, wenn es darum geht, eine Vielfalt von Meinungen pro- duktiv nutzbar zu machen. Gerade bei Themen wie Klima- schutz und biologische Vielfalt, wo es besonders geboten erscheint, Parteigrenzen auch einmal zu überspringen. Hier wird gerade von SPD und Grünen immer viel Wind gemacht. In der Realität grenzen sie regelmäßig den Wil- len von gut 5 Millionen Wählerinnen und Wählern aus. Zum Inhalt kann ich es kurz machen: Selbstverständ- lich müssen Bundestagsabgeordnete weiterhin zu UN- Regierungskonferenzen fahren können. Das ist kein von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanzierter Tourismus, wie bei manch anderer Reise von Abgeord- neten gelegentlich vermutet wird. Ganz im Gegenteil. Es gibt aus meiner Sicht kaum andere derart fruchtbare und effiziente Parlamentsreisen wie die zu solchen Gipfeln. Zum einen, weil es die im Antrag erwähnte Beteili- gungslücke gibt. Während die Beziehungen und Beteili- gungsrechte zwischen deutschem Parlament, Bundesre- gierung und Europäischer Union mit Verträgen geregelt sind, geht der Wille und die Kontrolle des Bundestages bei Verhandlungen auf UN-Ebene eigentlich nur sehr indirekt in die jeweiligen Verhandlungen ein, und zwar über das Handeln der Bundesregierung. Hier gab es bislang ein informelles Korrektiv: Abgeordnete der fe- derführenden Ausschüsse waren häufig Bestandteil der jeweiligen deutschen Delegation. So hat das Bundes- umweltministerium immer sehr kollegial Abgeordnete des Umweltausschusses in die UN-Klimaverhandlun- gen integriert. Mit gutem Grund, denn die Entscheidun- gen etwa in Kioto oder Marrakesch hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische und deutsche Kli- magesetzgebung. Aber genau dieses Korrektiv will das Präsidium des Bundestages am liebsten abschaffen. Regierungskonfe- renzen seien, wie der Name schon sagt, Konferenzen von Regierungen, so die seltsam formale Begründung. Da sollten Abgeordnete zu Hause bleiben oder auf ei- gene Kosten fahren. Ich denke, hier bestehen vielleicht beim Präsidium einige Defizite bezüglich der Rolle und Funktion solcher Konferenzen. Zum anderen sind viele Regierungskonferenzen ein informeller Treffpunkt von Parlamentarierinnen und Par- lamentariern aus aller Welt. Gerade Entwicklungsländer haben in den letzten Jahren Ihre Parlamentsdelegationen deutlich aufgestockt. Denn mit vergleichbar wenig Auf- wand können sie hier in einer Woche Dutzende Gesprä- che mit Abgeordneten und NGOs anderer Länder durchführen: gut vorbereitet in Besprechungsräumen, verabredet oder auch spontan auf den Fluren oder in der Cafeteria. Auch wir deutschen Abgeordneten haben diese Chancen umfangreich genutzt. Vergleichbares als Einzelreisen zu organisieren, wäre extrem aufwendig und gerade für Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus dem Süden finanziell gar nicht zu stemmen. Aus diesem Grund müssen Delegationsreisen des Bundestages zu Regierungskonferenzen wieder möglich sein. Insofern müsste sich der Kern des Antrags eigent- lich an die Spitze des Bundestages selbst richten. Denn die Bundesregierung ist hier weniger das Problem. Natürlich sollten auch die zuständigen Ministerien die genannten Abläufe weiter unterstützen und sie dort ver- bessern, wo es in der Vergangenheit Probleme gab. Nach dem Antrag soll die Bundesregierung zudem „Empfehlungen und Wünsche der zuständigen Aus- schüsse und Gremien des Deutschen Bundestages er- kennbar im Verhandlungsprozess berücksichtigen“. Das unterstützen wir natürlich, obwohl offenbleibt, wie so et- was im Einzelfall konkret zu handhaben wäre. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor zwei Tagen ist mit der Abstimmung zum Backloa- ding-Vorschlag im Europaparlament eine wichtige Frage der Umwelt-Governance gescheitert. Die Verhinderung der Reform des Emissionshandels ist der Tiefpunkt der europäischen Klimapolitik. Diese Abstimmungspleite ist aber auch der Höhepunkt des klimapolitischen Schei- terns unserer Kanzlerin. Denn anscheinend hatte Angela Merkel keine Lust darauf, die Kabbeleien ihrer Minister Altmaier und Rösler zu beenden und stattdessen für eine gemeinsame Positionierung der Regierung zum Emissionshandel zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29453 (A) ) )(B) (C (D sorgen. Einst hat sich Angela Merkel als Klimakanzlerin feiern lassen. Solange aber Frau Merkel beim Klima- schutz bremst und blockiert, statt das Klima zur Chefin- nensache zu machen, so lange schreitet der Klimawandel mit seinen fatalen Folgen weiter voran, und Deutschland und Europa sind als klimapolitischer Vorreiter ausge- bremst. Mit Blick auf den uns vorliegenden Antrag zur Um- welt-Governance gibt es heute ausnahmsweise einmal etwas Positives zu berichten – auch das ist möglich. Fraktionsübergreifend wurde festgehalten, dass zum ei- nen die Bedeutung internationaler Umwelt-Governance stark zugenommen hat. Denn nur so kann auf die He- rausforderungen der Umweltpolitik in einer globalisier- ten Welt reagiert werden. Zum anderen wurde von den Fraktionen festgestellt, dass wir „vor diesem Hinter- grund ... auch im Blick auf die internationalen Entschei- dungsprozesse im Umweltbereich mehr Demokratie und ihre aktive Beeinflussung“ durch den Deutschen Bun- destag brauchen. Ein Erfolg, über den wir Grüne aller- dings gerne noch etwas hinausgegangen wären mit mehr Konkretion und Verbindlichkeit. Zunächst hätten wir Grünen uns bei einem solchen Antrag die Einbeziehung der Fraktion der Linken ge- wünscht. So wäre es möglich gewesen, ein noch stärke- res politisches Signal zu setzen. Auch die Beteiligung von Abgeordneten in Regie- rungs- und Parlamentarierkonferenzen über den UN- Prozess hinaus kommt uns in diesem Antrag zu kurz. Dies vernachlässigt die Bedeutung wichtiger Konferen- zen wie IRENA oder dem Weltwasserforum. Die im Antrag aufgeführte Mitsprachemöglichkeit des Deutschen Bundestages lässt die ausreichende Weite und Verbindlichkeit vermissen. Hier wäre eine stärkere und ausdrücklich genannte Orientierung an den Verfah- ren der EU wünschenswert. Und – wie so häufig – nicht zuletzt wurde auf die Frage „Wer trägt die Kosten?“ nur ausweichend einge- gangen. Hier wäre uns die Nennung der zuständigen Ressorts ein wichtiges Ziel. Dies alles sind Aufgaben, die wir in die nächste Le- gislaturperiode mitnehmen werden. Um diesen Fort- schritt zu einem wirklichen Erfolg für mehr Demokratie in der internationalen Umweltpolitik zu machen! Zuletzt sei mir aber noch eine doch recht kritische Anmerkung zu der Praxis der Parlamentsbeteiligung bei Umwelt-Governance durch diese Bundesregierung er- laubt. Während wir hier heute die Verbesserung der Par- lamentsbeteiligung bei globaler Umwelt-Governance fordern, will Schwarz-Gelb dem Bundestag die Ratifi- zierung der zweiten Verpflichtungsperiode des Kioto- Protokolls in dieser Legislaturperiode verweigern und damit den internationalen Klimaschutz auf Eis legen. Ich halte dies schlichtweg für einen Skandal! Noch ungeheuerlicher wird dies, wenn man sich die Argumente der Bundesregierung für diese Verzöge- rungstaktik anhört. Genannt wird der Grundsatz der Dis- kontinuität und dass man abwarten wolle, wie die EU die Lasten durch das Kioto-Protokoll aufteilen wolle. Tat- kraft und Ehrgeiz in der Klimapolitik sieht anders aus, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb! So ist keine Klimapolitik zu machen. Die Backloading-Pleite im Europaparlament hat viel- mehr gezeigt: Was wir in der Klimapolitik stärker als je zuvor brauchen, ist eine Vorreiterrolle Deutschlands. Mit nationalen, europäischen und internationalen Klimaini- tiativen. Geben Sie sich daher einen Ruck, Frau Merkel, und leisten Sie einen Beitrag zu wahrer Parlamentsbetei- ligung: Lassen Sie diesem Haus in dieser Legislatur- periode das Ratifizierungsgesetz zum Kioto-Protokoll zur Abstimmung zukommen! Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung so- zialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung – Antrag: Keine überhöhten Säumniszu- schläge bei Beitragsschulden (Tagesordnungspunkt 22) Karin Maag (CDU/CSU): Eine der ganz großen ge- sundheitspolitischen Leistungen der Großen Koalition war die Versicherungspflicht für alle. Unter anderem ist damit eine Kündigung wegen Beitragsrückständen nicht mehr möglich. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde zum 1. April 2007 geregelt, dass sich alle, die einmal Mitglied der GKV waren oder ihr zuzuordnen sind, bei einer Krankenkasse versichern müssen. Zum 1. Januar 2009 wurde diese Regelung ergänzt: Wer nicht der GKV zuzuordnen war, musste sich ab sofort in der PKV absi- chern. Um zu verhindern, dass es insbesondere für freiwillig Versicherte attraktiv werden könnte, zulasten der Soli- dargemeinschaft keine Beiträge zu zahlen und stattdes- sen Schulden in Kauf zu nehmen, haben wir damals ge- meinsam in der Großen Koalition die hohen Säumniszuschläge eingeführt. Die damit verknüpften Erwartungen haben sich allerdings nicht erfüllt. Zudem hat die Rückkehr der betroffenen „Nichtversi- cherten“ in die gesetzliche Krankenversicherung einen hohen Preis. Es geht nicht nur um die Säumniszuschläge sondern auch darum, dass bereits bei Versicherungsbe- ginn für den vergangenen Zeitraum ohne Versicherungs- schutz eine entsprechende Beitragsforderung entsteht. Diese Fehlentwicklung gilt es nun zu korrigieren. Un- ser Entwurf sieht vor, dass für freiwillig Versicherte so- wie für vormals Nicht-Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung künftig nur noch der reguläre mo- natliche Säumniszuschlag in Höhe von monatlich einem Prozent des rückständigen Betrags gilt. Damit werden die Versicherten nicht nur vor weiterer Überforderung 29454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D geschützt. Ihnen wird damit auch der Abbau entstande- ner Beitragsschulden erleichtert. Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Klarstellung im SGB V, dass sogenannte Halteeffekte bei der Kalku- lation von Wahltarifen nicht durch die Krankenkassen berücksichtigt werden dürfen. Ich will mich hier aber vor allem auf die Situation in der PKV und den Notlagentarif konzentrieren. Kollege Spahn hat zur GKV das Notwendige ausgeführt. Seit der Einführung der Krankenversicherungspflicht im Jahr 2009 für alle sind die Beitragsrückstände und die Nichtzahler auch Thema in der PKV. Nach Angaben des PKV-Verbandes haben sich die Verluste von rund 155 000 Nichtzahlern, die länger als drei Monate im Zahlungsrückstand sind, bereits auf 745 Millionen Euro summiert. Gerade junge Selbstständige, die sich bei Ge- schäftsgründung übernommen hatten, machen in der PKV das Gros der Nichtzahler aus. Auch den vielen kleinen Selbstständigen, den Kioskbesitzern und Knei- penwirten, die wirtschaftliche Engpässe meistern müs- sen und deshalb auch ihrer Beitragsverpflichtung nicht nachgekommen sind, geben wir eine Perspektive. Die Versicherten der PKV schützt künftig dieser Not- lagentarif mit einer deutlich niedrigeren Prämie besser vor Überforderung. Nach einem obligatorischen Mahnverfahren werden die säumigen Zahler gegebenenfalls in diesen Notlagen- tarif überführt; ihr bisheriger Versicherungsvertrag ruht währenddessen. Gleichzeitig bleibt ihre Versorgung bei akuten Erkrankungen sichergestellt. Die seitherige Rechtslage, dass PKV-Versicherte in den Basistarif überführt werden, wenn sie ihre Beitrags- schulden innerhalb eines Jahres nicht begleichen kön- nen, ist den Versicherten keine Hilfe. Aufgrund der wei- terhin hohen Beiträge kam es häufig zu weiterer Überschuldung, das heißt die bisherige Regelung erfüllt ihren Zweck nicht. Dies ändert der neue Notlagentarif. Im Notlagentarif entfallen Risikozuschläge, Leis- tungsausschlüsse und Selbstbehalte. Unter der Fachauf- sicht des Bundesministeriums der Finanzen geben wir dem PKV-Verband auf, Art, Umfang und Höhe der Leis- tungen des Notlagentarifs festzulegen. Altersrückstellungen werden im Notlagentarif nicht gebildet. Sogar weitergehend werden bis zu 25 Prozent der monatlichen Prämie durch Entnahmen aus der Al- tersrückstellung geleistet. Damit erreichen wir, dass die Prämie circa 100 Euro bis 120 Euro niedriger ausfällt als in einem regulären Tarif. Die Motivation und die Möglichkeit, vorhandene Rückstände abzubauen, wird für Betroffene damit deut- lich erhöht, ja erst möglich gemacht. Für Versicherte, deren Vertrag nur die Erstattung ei- nes Prozentsatzes der entstandenen Aufwendungen ge- währt, sieht der Notlagentarif Leistungen in Höhe von 20, 30 oder 50 Prozent der versicherten Behandlungs- kosten vor. Auf der Leistungsseite bleibt es im Notlagentarif wie bisher bei der Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen. Die Versicherten werden auch in diesem nicht einfa- chen Verfahren nicht alleine gelassen, sondern umfäng- lich und zeitnah über diese Veränderungen informiert. Ziel der geplanten Neuregelung im Versicherungsver- trags- sowie im Versicherungsaufsichtsgesetz ist natür- lich auch der Schutz der übrigen Beitragszahler in der privaten Krankenversicherung. Es wird so ein weiterer Prämienanstieg verhindert, der durch die Zahlungsunfä- higkeit einer wachsenden Zahl von Versicherten bei gleichzeitiger Inanspruchnahme aller versicherten Leis- tungen droht. Denn diese Beitragsverluste sind von den übrigen, vertragstreuen Versicherten wirtschaftlich mit- zutragen. Jeder Beitragsausfall geht zulasten der Mittel, die zur Senkung und Stabilisierung der Beiträge im Alter zusätzlich zu den Altersrückstellungen zur Verfügung stehen. Das Nichtzahlerproblem ist damit auch ursäch- lich für Beitragssteigerungen. Alles in allem schützen wir die Menschen vor Über- forderung, die ohne ihr Zutun in eine wirtschaftliche Schieflage gekommen sind. Wir zeigen eine Perspektive auf, die allen Versicherten, unabhängig ob GKV- oder PKV-versichert zugutekommt. Anders als im SPD-Vor- schlag wird niemand ausgegrenzt. Uns liegt jeder Versi- cherte unabhängig von der Art seiner Versicherung glei- chermaßen am Herzen. Jens Spahn (CDU/CSU): Heute ist ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger. Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Beseitigung so- zialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Kran- kenversicherung machen wir einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg, jeder Bürgerin und jedem Bürger einen Zugang zu einem bezahlbaren Krankenversiche- rungsschutz, auch in individuell finanziell schwierigen Zeiten, zu ermöglichen. Mit dem GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz haben wir bereits zu Zeiten der großen Ko- alition im Jahr 2007 den Weg zu einer Absicherung im Krankheitsfall für alle eröffnet. Seit diesem Zeitpunkt ist ein Ausschluss aus der Krankenversicherung bei Nicht- zahlung der Beiträge nicht mehr möglich. Gleichzeitig wurde jedem erstmals die Möglichkeit eröffnet, in sein ursprüngliches Versicherungssystem zu- rückzukehren. Dabei sahen wir damals die Notwendig- keit im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, bei der es sich um eine solidarische Versicherung han- delt, einen hohen Säumniszuschlag einzurichten, um Missbrauch entgegenzuwirken. Denn das Ziel der Absi- cherung in einem Solidarsystem kann nicht zur Folge ha- ben, dass der Versicherungsschutz erst dann gesucht wird, wenn es zum Krankheitsfall kommt. Eine solidari- sche Versicherung beinhaltet den Grundsatz, dass Ge- sunde für Kranke und Gutverdienende für Geringverdie- nende einstehen, mit dem Ziel, jeden vollumfänglich im Falle einer Erkrankung abzusichern. Dieser Grundge- danke beinhaltete auch die Regelung, dass bei einem späteren Eintritt in das Versicherungsverhältnis der Bei- trag rückwirkend ab dem 1. April 2007 zu zahlen ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29455 (A) ) )(B) (C (D Wir stehen zu diesen gesetzlichen Regelungen und se- hen auch weiterhin die Notwendigkeit einer Absiche- rung im Krankheitsfall für jeden. Dennoch haben wir im Laufe der Zeit feststellen müssen, dass immer mehr Ver- sicherte mit der Nachzahlung von Beiträgen, insbeson- dere aufgrund der hohen Säumniszuschläge, die 60 Pro- zent im Jahr betragen, dem avisierten Ziel der Beitragszahlung nicht mehr nachkommen können. Vor diesem Hintergrund werden wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf die Säumniszuschläge auf nicht gezahlte Beiträge von 5 Prozent auf künftig 1 Prozent reduzieren. Damit soll den rund 638 000 Mitgliedern der gesetzli- chen Krankenversicherung, die derzeit mit ihren Bei- tragszahlungen im Rückstand sind oder als sogenannte Nichtversicherte gelten, die Rückkehr zum vollen Leis- tungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Denn ein Großteil dieser Betroffenen ist durchaus gewillt, die säumigen Beträge zurückzuzah- len; durch die ständige Erhöhung aufgrund der hohen Säumniszuschläge kommen sie aber aus ihrer Situation nicht heraus. Wir sind uns aber auch bewusst, dass das Problem der säumigen Beiträge und der Nichtversicherten nicht aus- schließlich dem hohen Säumniszuschlag geschuldet ist. Denn auch wenn wir diesen für die Zukunft reduzieren, bleiben die hohen Forderungen der letzten Jahre beste- hen. Auch dieses Problem werden wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu diesem Gesetzentwurf beraten. Darüber hinaus werden wir die Beitragsbemes- sung von freiwillig versicherten Mitgliedern in der ge- setzlichen Krankenversicherung, was vorrangig Selbst- ständige betrifft, prüfen, um auch für diesen Versichertenkreis das Ziel einer bezahlbaren, aber gleichzeitig im Sinne der Solidarversicherung leistungs- gerechten Beitragsbemessung zu erzielen. Nicht nur die Solidargemeinschaft der GKV, auch die Versicherten bei den privaten Krankenversicherungen haben immer mehr mit Beitragsrückständen zu kämpfen. Da wir das Ziel der Absicherung im Krankheitsfall selbstverständlich auch für Versicherte der privaten Krankenversicherung gesetzlich vorgegeben haben, wer- den wir auch in diesem Bereich einen sogenannten Not- lagentarif einführen. In diesen werden die Versicherten nach einem gesetzlich festgelegten Mahnverfahren über- führt. Gleichzeitig erhalten sie aber die Option der Rück- kehr in ihren ursprünglichen Versicherungsvertrag. Mit dieser Maßnahme schützen wir die Beitragsschuldner in der PKV vor finanzieller Überforderung, gewährleisten aber gleichzeitig, dass das Kollektiv der Versichertenge- meinschaft finanziell nicht belastet wird und die Rück- kehr in den Ursprungstarif wieder realisiert wird. Dieser Gesetzentwurf bedeutet keine Rolle rückwärts, sondern er beinhaltet wichtige Maßnahmen zur Erlan- gung des, wie ich glaube, unumstrittenen Ziels, dass jede Bürgerin und jeder Bürger einen umfänglichen Kranken- versicherungsschutz haben sollte. Dr. Karl Lauterbach (SPD): Das Thema, zu dem wir heute beraten, bedeutet für viele Menschen in Deutsch- land ein großes Armutsrisiko. Gründe für ein Leben am Existenzminimum oder an einer Privatinsolvenz sind heutzutage nicht mehr nur eine Wirtschaftskrise oder persönliche Schicksale, sondern immer öfter auch Schul- den bei der Krankenversicherung. Für viele Menschen, gerade für junge, mutige Selbstständige, aber auch für ältere Menschen, die ihren Ruhestand hart erarbeitet ha- ben, kann die private Krankenversicherung schnell zur Schuldenfalle werden. Bei Säumniszuschlägen in Höhe von 5 Prozent im Monat – das sind mit Zinseszins rund 80 Prozent im Jahr – können so in kurzer Zeit riesige Schuldenberge in fünf- bis sechsstelliger Höhe entstehen. Diesen Wucher darf sich keine einzige Bank erlauben – die gesetzlichen Krankenkassen müssen dies aber tun. Schlimmer noch steht es um Versicherte in der priva- ten Krankenversicherung. Bei jungen Selbstständigen, die hart daran arbeiten, ihre Träume zu verwirklichen und Existenzen aufzubauen, übersteigen die Beiträge oft unerwartet die finanziellen Kapazitäten. Viele Rentne- rinnen und Rentner geraten wegen ihrer hohen Beiträge in Altersarmut. Der neue Notlagentarif, den die privaten Versicherungsunternehmen jetzt einführen müssen, hilft gerade den häufig betroffenen Rentnerinnen und Rent- nern kaum. Die hohen Beitragsschulden bleiben beste- hen, chronische Erkrankungen werden aber nicht mehr behandelt. So wird die private Krankenversicherung für viele Rentnerinnen und Rentner, die die hohen Prämien von 800 Euro und mehr im Monat nicht bezahlen kön- nen, nicht nur zum Armutsrisiko, sondern gefährdet auch ihre Gesundheit. Beinahe täglich erhalte ich Zuschriften von verzweifelten Bürgerinnen und Bürgern, die keinen Ausweg aus der Schuldenfalle mehr sehen und vor allem die Hoffnung verloren haben, die Hoffnung auf Hilfe von der Regierung und die Hoffnung auf eine solidari- sche Lösung. Das kann und darf so nicht weitergehen. Es geht hier um Existenzen, um die Gesundheit der Bürge- rinnen und Bürger und vor allem um die Sicherstellung des Zugangs zum Gesundheitswesen für jeden Einzel- nen. Keiner darf künftig aus dem System fallen, und kei- nem darf eine notwendige Behandlung verwehrt werden. Um das Problem zeitnah und kurzfristig zu lösen, hal- ten wir die Senkung der Säumniszuschläge im Gesetz- entwurf auf die Höhe von 1 Prozent pro Monat richtig. Damit wird eine Forderung aus unserem Antrag erfüllt. Allerdings greift der Gesetzentwurf der Koalitionsfrak- tionen viel zu kurz. Wir halten darüber hinaus auch eine Begrenzung der Rückwirkung für sinnvoll. Verschuldete Bürgerinnen und Bürger sollen die Chance bekommen, aus der Schuldenfalle herauszukommen, um so auch ge- gebenenfalls eine Rückkehr in eine reguläre Erwerbstä- tigkeit zu ermöglichen. Hier sollte künftig eine einheit- liche Regelung für die private und die gesetzliche Krankenversicherung gelten. Dabei wird ein Monatsbei- trag für jeden angefangenen Monat der Nichtversiche- rung fällig und ab dem sechsten Monat der Nichtversi- cherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Für die vorhandenen Altfälle, bei denen sich bereits Schulden im fünf- bis sechsstelligen Bereich angesammelt haben, muss unbedingt eine sozialpolitische Lösung gefunden werden. Hier ist es unabdingbar, dass nachzuzahlende Beiträge angemessen ermäßigt werden, in besonders 29456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D schwerwiegenden Fällen sogar gänzlich von einer Ein- treibung abgesehen wird. Eine langfristige und vor allem solidarische Lösung kann hier aber einzig und allein die Bürgerversicherung sein, um für alle Bürgerinnen und Bürger einen zuverläs- sigen und sicheren Zugang zum Gesundheitswesen zu gewährleisten; denn die Absenkung des Säumniszu- schlags und die Einführung des Notlagentarifs lösen nicht die strukturellen Probleme des zweigeteilten, unge- rechten Versicherungssystems. Die Bürgerversicherung ist eine klare, gute und vor allem die einzige Alternative zum bisher bestehenden Versicherungssystem. Wir wollen nicht, dass es Menschen in der Bundesre- publik gibt, die aufgrund von Beitragsschulden bei ihrer Krankenkasse Privatinsolvenz anmelden müssen und nur noch einen eingeschränkten Zugang zu einer notwendi- gen medizinischen Versorgung haben. Es ist Aufgabe der Politik, Menschen aus der Schuldenfalle zu helfen und ihnen wieder Hoffnung zu geben. Keiner sollte da- für bestraft werden, in wirtschaftliche Probleme bei ei- ner Selbstständigkeit zu geraten oder nach einer Schei- dung oder im Alter überhöhte Beiträge nicht zahlen zu können. Keiner darf künftig aus dem System fallen. Harald Weinberg (DIE LINKE): Viel Schatten und wenig Licht steckt in diesem schwarz-gelben Gesetzent- wurf. Ich fange mit dem Schatten an, um zum Schluss noch ein kleines Lob übrig zu haben. Der Notlagen- oder Nichtzahlertarif, den die Bundes- regierung gemeinsam mit den Lobbyisten der privaten Krankenversicherung hier ausgetüftelt hat, schafft ein neues Gesundheitsprekariat. Es ist ja nicht so, dass ich die bestehenden Regelun- gen gut finde. Momentan ist es so, dass Privatversi- cherte, zum Beispiel kleine Selbstständige, die die stän- dig steigenden Beiträge nicht mehr aufbringen können, bei zwei Monatsbeiträgen Zahlungsverzug nur noch stark abgespeckte Leistungen bekommen. Sie bleiben trotzdem ein Jahr voll zahlungspflichtig und kommen dann in den Basistarif. Dort geht es dann gleich mit der Verschuldung weiter, denn die Versicherung verlangt Beiträge von über 600 Euro im Monat. Die Bundesregierung tut nun so, als ob sie den Ver- sicherten helfen wolle. Dabei setzt sie nur das um, was die private Krankenversicherung ihr in die Feder dik- tiert hat. Die noch bestehende Regelung ist nämlich ein Problem für die PKV. Sie darf – richtigerweise – die säumigen Beitragszahler seit 2009 nicht mehr ein- fach rauswerfen, sondern ist gesetzlich gezwungen, den Versicherungsschutz der Menschen, die sich in ihre Obhut begeben haben, aufrechtzuerhalten. Wir können mittlerweile feststellen: Mit einkom- mensunabhängigen Beiträgen geht das nicht. Menschen, die in eine finanzielle Notlage kommen und zudem noch Beitragssteigerungen aufgedrückt bekommen, können nicht entsprechend ihrem Krankheitsrisiko bezahlen. Die Lösung der Bundesregierung und der PKV-Lobby ist simpel: Die Beiträge werden auf rund 100 Euro gesenkt, dafür bekommen die Versicherten aber auch nur noch Leistungen auf Entwicklungsland-Niveau. Nur noch bei Schmerzzuständen und akuten Krankheiten gibt es eine Versorgung. Ich bin mir sicher: Es wird Gerichtsverfahren geben, die Menschen mit chronischen Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder Diabetes anstrengen müssen, um über- haupt versorgt zu werden. Klar ist: Früherkennung von Krankheiten wird nicht mehr bezahlt. Man nimmt diesen prekär versicherten Menschen bewusst Gesundheits- chancen und nimmt hin, dass Zehntausende kleine Selb- ständige sich in dieser billigen Krankenversicherung vierter Klasse einrichten müssen. Es werden zwar finan- zielle Verpflichtungen von den Betroffenen genommen, aber auf Kosten der notwendigen medizinischen Versor- gung. Ich bin bereits gespannt auf die sicher kommen- den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Das hat letztes Jahr entschieden, dass Asylbewerber nicht weniger Anspruch auf das Existenzminimum haben als Menschen mit festem Aufenthaltsstatus. Es wäre nur konsequent, wenn dieses Urteil auch auf die Gesund- heitsversorgung ausgeweitet würde, denn auch die ge- hört zum Existenzminimum klar dazu. Der PKV nutzt diese Regelung, weil sie dann erstens weniger uneinbringliche Forderungen abschreiben muss, zweitens nicht so viele Versicherte in den von den Versi- cherungskonzernen ungeliebten Basistarif abwandern, drittens weil im Nichtzahltarif im Gegensatz zu heutigen säumigen Beitragszahlern keine Alterungsrückstellun- gen aufgebaut werden müssen, sondern bestehende Rücklagen abgeschmolzen werden und zusätzlich zu den Beiträgen auf das Konto der Versicherung gebucht wer- den. Kurzum: Dieser Tarif nutzt der PKV und schadet der Gesundheit der Versicherten und ihrer Angehörigen. Die Linke lehnt ihn deshalb klar ab. Für uns besteht die ein- zig sinnvolle Lösung darin, Beiträge zu verlangen, die sich nach dem tatsächlich erzielten Einkommen richten. Das ist mit der Privatversicherung nicht zu machen. Des- halb wollen wir die Abschaffung der Privatversicherung und die Schaffung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in der alle versichert sind. Besser, aber nicht gut ist das, was die Bundesregie- rung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung mit diesem Gesetzentwurf unternimmt. Hier werden die Säumniszuschläge von 5 Prozent im Monat (!) auf 1 Pro- zent gesenkt. Inklusive Zinseszins ist das eine Absen- kung von etwa 79 Prozent im Jahr auf 12,7 Prozent. Das wird vielen helfen, das ist ein guter Schritt, beseitigt aber nicht das Grundproblem. Denn weiterhin werden von vielen Versicherten, insbesondere Selbstständigen, Beiträge verlangt, die sie nicht zahlen können. Auch hier wieder unsere Forderung: Alle sollen entsprechend ihres tatsächlichen Einkommens Beiträge zahlen müs- sen. Dann gäbe es das Problem der Beitragsschulden nicht, und es wären dann auch keine Zinsen zu zahlen. Die dritte Regelung, die zu den Wahltarifen, begrüßen wir, auch wenn die Bundesregierung ganz andere Gründe dafür hat. Worum geht es? Krankenkassen bieten Wahltarife an, zum Beispiel Beitragsrückerstattungsta- rife. In diesen bekommen Versicherte Geld zurück, wenn Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29457 (A) ) )(B) (C (D sie das Glück haben, mindestens ein Jahr lang keinen Arzt zu brauchen. Das widerspricht der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn das Geld fehlt in der Versorgung der Kranken. Die Kassen müssen zwar nachweisen, dass die Tarife nicht von den anderen Versicherten quersubventioniert sind, sie müssen sich also selbst tragen. In diesem Nachweis waren die Kassen aber sehr erfinderisch. Sie können über die zu erwar- tende Änderung der Versichertenstruktur, dass sie also durch diese Tarife mehr Gesunde versichern werden und damit weniger Geld ausgeben müssen, diesen Nachweis führen. Krankenkassen sollen aber für Kranke da sein, nicht für Gesunde. Im Endeffekt fehlt also trotzdem das Geld. Das wird nun geändert, und das ist gut so. Das reicht aber nicht aus, dass wir diesem Gesetzent- wurf zustimmen könnten. Da müsste sich in der parla- mentarischen Beratung noch viel ändern und da fehlt mir der Glaube. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Strafzinsen von 5 Prozent pro Monat oder 60 Prozent pro Jahr für freiwillig Versicherte und zuvor Nichtversi- cherte haben nach der Analyse der Koalition „das Pro- blem der Beitragsrückstände eher verschärft“. Welch eine Erkenntnis sechs Jahre nach ihrer Einführung! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen Sie die Wu- cherzinsen der Krankenkassen auf rückständige Beiträge also abschaffen. Das ist das Gute an Ihrem Entwurf. Al- les andere gehört in die Tonne bzw. deutlich nachgebes- sert. Denn Sie suchen weder nach einer Lösung für die Beitragsschulden – für bisherige und künftige –, noch kümmern Sie sich um die angesammelten Zinsschulden. Ein Leichtes wäre es, für die Beitragsschulden eine Re- gelung aus der PKV zu übernehmen, wie es der vorlie- gende SPD-Antrag fordert. Danach müssten die Versi- cherten die Beiträge rückwirkend nur für die ersten sechs Monate zahlen, ab dem siebten Monat nur noch jeweils ein Sechstel des Monatsbeitrags. Offensichtlich haben Sie aber kein Interesse daran, eine gelungene Regelung auch einmal vom PKV-System ins GKV-System zu übertragen, sondern nur umgekehrt. Ich kann Ihnen sa- gen: Viel häufiger werden Sie die Möglichkeit nicht ha- ben, denn viele gelungene Regeln gibt es im PKV-Sys- tem nicht. Die Forderungen im SPD-Antrag sind zu ergänzen um eine angemessene Regelung für die ange- sammelten Schulden aus Beiträgen und Zinsen. Das sollte man nicht dem Gutdünken der Krankenkassen überlassen. Ein neuer Notlagentarif der PKV soll die Zahlungs- moral der Versicherten erhöhen und die Versicherungs- unternehmen finanziell entlasten. Auch hier denken Sie weder an die Versicherten noch nachhaltig. Denn wenn keine Altersrückstellungen mehr aufgebaut und sogar die bisher angesparten Altersrückstellungen im Not- lagentarif abgeschmolzen werden, dann schaffen Sie ein neues Problem. Die Altersrückstellungen reichen schon heute nicht aus, Prämiensteigerungen im Alter zu ver- meiden. Das Versprechen einer „demografieresistenten PKV“ ist nichts als ein Luftschloss. Das System der Al- tersrückstellungen versagt bereits heute; also wird sich deren Abschmelzung für die betroffenen Versicherten dramatisch auswirken. Sie geraten in einen Teufelskreis; am Ende sind sie womöglich auf Jahre gefangen in ei- nem Notlagentarif, in dem nur die Notfälle bezahlt wer- den – das sind dann amerikanische Verhältnisse. Sie nehmen also der PKV ein Finanzierungsproblem ab, nicht aber den Versicherten. Ihr selbstformuliertes Nachhaltigkeitsziel, allen Versicherten einen finanzier- baren umfassenden Leistungskatalog zu ermöglichen, verfehlen Sie auf ganzer Linie: Weder für die heutigen noch für die künftigen Beitragsschuldner haben Sie eine Lösung – für die Betroffenen ist Ihr Gesetzentwurf eine einzige Enttäuschung. Ihre Klientelpolitik für die private Versicherungsbran- che toppen Sie noch durch den Ausschluss von Halteef- fekten in der Kalkulation von Wahltarifen der Kranken- kassen. Das würde die Attraktivität der GKV für hohe Einkommen senken. Wettbewerb also nur dort, wo er nicht zulasten der PKV geht? Auch Sie haben wohl in- zwischen gemerkt, dass die PKV ohne solche Schutz- zäune nicht mehr überlebensfähig ist. Wir wollen keinen Biotopschutz für die PKV, sondern eine nachhaltige und gerechte Finanzierung für alle Ver- sicherten. Deshalb setzen wir auf die Bürgerversiche- rung! Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Gesundheit: Mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf geht diese Koalition ein Thema an, das – lassen Sie mich das betonen – mittlerweile wohl über die Frak- tionsgrenzen hinweg als Problem erkannt worden ist: die Beitragsschulden in der Krankenversicherung. Hier be- steht dringender Handlungsbedarf, und wir sind fest ent- schlossen, jetzt zu angemessenen Lösungen zu kommen. Die Wurzeln des Problems liegen – auch das muss man so deutlich sagen – in einer anderen Wahlperiode: Hintergrund war die grundsätzlich sinnvolle Einführung der Versicherungspflicht für Personen ohne anderweiti- gen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Ab April 2007 konnten Betroffene in der gesetzlichen Krankenversi- cherung nach Verlust ihres Versicherungsschutzes wie- der dorthin zurückkehren. In der PKV gilt die Versiche- rungspflicht seit Januar 2009. Um seinerzeit zu verhindern, dass Versicherte zwar den vollen Versicherungsschutz genießen, aber keine Beiträge entrichten, wurden Regelungen getroffen, die entsprechende Anreize zur Beitragszahlung setzen soll- ten. Diese Regelungen haben sich teilweise als nicht zielführend erwiesen. Sie haben vielmehr dazu beigetra- gen, dass sich bei einem kleinen Teil der Versicherten hohe Beitragsschulden gebildet haben. Lassen Sie sich mich eines vorneweg und ganz un- missverständlich sagen: Selbstverständlich wollen wir, dass alle Versicherten ihre Beiträge zahlen – darauf ist eine Versichertengemeinschaft auch angewiesen. Und es ist nach unserer Auffassung auch sachgerecht, dass je- mand, der keine Beiträge zahlt, nicht den vollen Versi- cherungsschutz erhält. 29458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Aber die Anreize, Beiträge zu entrichten, dürfen nicht dazu führen, dass Menschen, die sich in einer vorüberge- hend schwierigen finanziellen Situation befinden – den- ken Sie an den kleinen Selbstständigen mit unstetigen Einnahmen – Beitragsschulden aufbauen, die sie auch dann nur schwer abbauen können, wenn es ihnen finan- ziell wieder etwas besser geht. Anders gesagt: Die An- reize zur Beitragszahlung dürfen nicht ein Auslöser für eine Verschärfung oder gar Verstetigung der Notlage sein. Ein zentraler Aspekt im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung waren hier sicherlich die erhöhten Säumniszuschläge in Höhe von fünf Prozent. Das damit verfolgte Ziel, dass die Beiträge ordnungsgemäß gezahlt werden sollen, will ich dabei gar nicht in Abrede stellen. Aber wir müssen heute ganz klar feststellen: Dieser erheblich erhöhte Säumniszuschlag hat dieses Ziel nicht nur nicht erreicht, sondern im Gegenteil zur Verschlim- merung des Problems bei den Betroffenen geführt. Die Betroffenen können oft nur verminderte oder sogar gar keine Beiträge zahlen. Deshalb machen wir das jetzt rückgängig. Der Gesetzentwurf sieht also vor, dass für freiwillig Versicherte sowie für nachrangig Versicherungspflich- tige in der gesetzlichen Krankenversicherung anstelle des auf fünf Prozent erhöhten Säumniszuschlags künftig nur noch der reguläre monatliche Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent des rückständigen Betrags gilt. Damit wird ein erster wesentlicher Schritt unternommen, um die finanzielle Überforderung bei Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beseitigen. Ich gehe davon aus, dass diese Maßnahme einhellig be- grüßt wird. Im Bereich der privaten Krankenversicherung galt seit Einführung der Versicherungspflicht, dass Verträge säumiger Beitragszahler ruhend gestellt bzw. auf ein Notfallniveau herabgesetzt wurden. Nach Ablauf eines Jahres wurden sie dann in den Basistarif überführt. Da- mit wurden säumige Beitragszahler in der Praxis jedoch nicht wirksam vor weiterer Verschuldung geschützt. Die hohen Beiträge des Basistarifs haben hier im Gegenteil zu einem schnelleren Anwachsen der Beitragsschulden geführt. Der Gesetzentwurf sieht nun die Einführung eines Notlagentarifs in der privaten Krankenversicherung vor. Beitragsschuldner in der PKV werden nach Durchfüh- rung eines gesetzlich festgelegten Mahnverfahrens in diesen Notlagentarif überführt; ihr bisheriger Versiche- rungsvertrag ruht währenddessen. Die Prämie im Notlagentarif wird mit vermutlich rund 100 bis 120 Euro je Versichertem deutlich niedriger ausfallen als eine durchschnittliche Prämie in einem re- gulären Tarif. Dabei wird für alle Versicherten im Not- lagentarif eine einheitliche Prämie kalkuliert. Alterungs- rückstellungen werden nicht aufgebaut. Der Versicherte wird damit seiner Beitragspflicht leichter nachkommen können und so besser vor Überforderung geschützt. Durch die Neuregelungen wird es den Versicherten zudem deutlich erleichtert, nach Zahlung aller ausste- henden Beiträge wieder in ihre ursprünglichen Tarife zu- rückzukehren – ohne Gesundheitsprüfung, ohne zusätz- liche Risikozuschläge. Dies ist für die Betroffenen eine ganz wichtige Perspektive. Zudem wird künftig unbürokratisch und verbindlich für alle Versicherungsunternehmen festgelegt, welche Leistungen zu erbringen sind, wenn der volle Versiche- rungsschutz ruht. Streitfälle, wie sie heute vereinzelt auf- treten, werden damit künftig ausgeschlossen. Insgesamt dürfen wir feststellen, dass wir mit den vorgeschlagenen Regelungen des Gesetzentwurfs sicher- stellen, dass zukünftig jeder, der – aus welchem Grund auch immer – über einen bestimmten Zeitraum seine Beiträge nicht entrichten konnte, vor untragbarer Ver- schuldung geschützt wird. Bereits heute existierende Möglichkeiten zur Vereinbarung von Ratenzahlungen bei bestehenden Beitragsschulden haben sich als sinn- voll erwiesen und gelten weiter. Außerdem ist es immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch künftig alle Menschen in Deutschland die medizinischen Leis- tungen erhalten, die sie benötigen. Damit ist aber – auch das muss man offen sagen – noch nicht die schwierigere Frage beantwortet, wie sinn- vollerweise mit dem Problem der Altschulden umgegan- gen werden soll. Daher werden wir im Gesetzgebungs- verfahren Maßnahmen prüfen, um das Problem bereits bestehender Beitragsschulden anzugehen. Dabei wird nach Lösungen gesucht, welche die Belange der – in un- terschiedlicher Weise – betroffenen Versicherten stärker berücksichtigen, aber auch die Belange der Versicherten- gemeinschaften nicht außer Acht lassen. Ein radikaler und gänzlich undifferenzierter Schuldenschnitt, wie er bisweilen vorgeschlagen wird, kann meines Erachtens nicht die Lösung sein. Mit einem reinen Schuldenerlass insbesondere von ausstehenden Krankenversicherungsbeiträgen würden wir allen Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht, die ihre Beiträge immer rechtzeitig und ordnungsgemäß zahlen. Das Gleiche gilt aber auch gegenüber jenen, die es unter zum Teil großen persönlichen Anstrenungen ge- schafft haben, ausstehende Beiträge nachzuzahlen. Eine Solidargemeinschaft beruht maßgeblich auf der Bereit- schaft ihrer Mitglieder, sich an die Regeln zu halten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sorgen wir dafür, dass die Sanktionsmechanismen, die beim Regelverstoß grei- fen, wieder verhältnismäßig sind. Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im Aus- schuss. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesförderung der Investitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentlichen nicht bundeseigenen Eisenbahnen im Schienengüter- fernverkehrsnetz (Tagesordnungspunkt 26) Ulrich Lange (CDU/CSU): Der Schienenverkehr hat in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt eine wich- tige Funktion für die gesamte Gesellschaft. Der Trans- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29459 (A) ) )(B) (C (D port von Menschen, aber auch von Gütern ist eine wich- tige Leistung für unsere Wirtschaft. Je freizügiger und großzügiger die Möglichkeiten sind, desto besser für die gesamte Gesellschaft. Für Deutschland als Exportnation ist eine gut ausge- baute Verkehrsinfrastruktur überlebensnotwendig. Maß- nahmen zugunsten einer exzellenten Verkehrsinfrastruk- tur sind Investitionen in unsere Zukunft, weil gut ausgebaute und vernetzte Verkehrswege das Rückgrat unserer Exportwirtschaft sind. Je ungehinderter und schneller die Waren an die Zielorte gelangen können, desto günstiger ist dies für die Produzenten und desto konkurrenzfähiger ist der Wirtschaftsstandort Deutsch- land. Die Eisenbahn als besonders umweltfreundliches Ver- kehrsmittel muss in die Lage versetzt werden, eine füh- rende Rolle bei der Bewältigung der ständig wachsenden Nachfrage nach Güterfernverkehrsleistungen zu über- nehmen. Bislang erfolgte die Förderung auf der Grund- lage des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, das aber nur eine Förderung der Investitionen bundeseigener Ei- senbahnen vorsieht. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und wollen mit dem Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz, SGFFG, die Förderung des Bundes auf die nicht bun- deseigenen Schienenwege ausdehnen. Aus meiner Sicht ist dieser Schritt dringend notwendig. Der Gesetzentwurf dient der Ermächtigung des Bun- des, Investitionen in Ersatz der Schienenwege der öf- fentlichen NE-Bahnen zu fördern. Der Bund verschafft sich damit die Möglichkeit, Redundanzen für den Schie- nengüterfernverkehr zu schaffen und den Verkehrsnut- zen der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnen des Bun- des zu verstärken. Da dem Schienenfernverkehr nur mit leistungsfähigen Schienenwegen gedient ist, werden im Gesetzentwurf Mindestvoraussetzungen festgelegt. Der Bund gewährt auf Antrag Zuwendungen auf der Basis von Zuwendungsbescheiden nach dem Zuwen- dungsrecht des Bundes. Bewilligungsbehörde ist das Ei- senbahn-Bundesamt, EBA. Fördergrundlage ist das Ge- setz; es wird keine Verordnung oder Förderrichtlinie unterlegt. Wie läuft die Förderung ab? Der Bund gewährt nicht rückzahlbare Baukostenzu- schüsse in Höhe von 50 Prozent der jeweiligen per Zu- wendungsbescheid genehmigten Investitionssumme. Der Bund finanziert ebenfalls anteilig mit 50 Prozent die zuwendungsfähigen Planungskosten, sofern die ge- samten Planungskosten 13 Prozent an der Gesamtinves- titionssumme nicht übersteigen. Die Finanzierung erfolgt mit nicht rückzahlbaren Baukostenzuschüssen als Anteilfinanzierung im Wege der Projektförderung. Der Zuwendungsempfänger muss nachweisen, das vollständige Eigentum an den geförderten Anlagen zu halten. Ich gebe zu, ich hätte mir noch eine weitergehende Förderung gewünscht, aber wir sind ja erst am Anfang dieses Gesetzgebungsverfahrens, und ich habe die Hoff- nung, dass im Rahmen der anstehenden parlamentari- schen Beratungen eine intensive Prüfung der einzelnen Modalitäten erfolgt und an der einen oder anderen Stell- schraube gedreht wird, auch um die Umsetzung der För- derung für die NE-Bahnen praktikabler zu machen. Jetzt möchte ich die Opposition dazu auffordern, die- sem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit die NE-Bahnen ertüchtigt werden und in das Gesamtnetz des Schienen- güterverkehrs integriert werden können. Martin Burkert (SPD): Ungewöhnlich aber wahr: An erster Stelle hätte ich ein Lob an die Bundesregierung und den eingebrachten Gesetzentwurf zur „Bundesförde- rung der Investitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentlichen nicht bundeseigenen Eisenbahnen im Schienengüterfernverkehrsnetz“ ausgesprochen, wenn die 25 Millionen Euro nicht an anderer Stelle der Schiene entzogen worden wären. Ein Lob habe ich aber für die Erkenntnis, dass die Schiene das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist und nun auch eine erste, kleine Anerkennung im Handeln der aktuellen Bundesregierung gefunden hat. Gerade der Schienengüterverkehr ist gelebte Elektromobilität – heute schon. Deswegen sind die bereitgestellten 25 Mil- lionen Euro für die Förderung von nicht bundeseigenen Eisenbahnen für den Schienengüterfernverkehr ein rich- tiger und wichtiger Ansatz. Mit den im Gesetzentwurf festgeschriebenen Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre ab 2014 wird auch für eine Kontinuität in der För- derung gesorgt. Das ist ein wichtiger Schritt, um den Schienengüterverkehr zu stärken. Die Bundesregierung trägt mit der Mittelbereitstel- lung für nicht bundeseigene Infrastrukturen im Bundes- haushalt auch ansatzweise der Tatsache Rechnung, dass sowohl der Personenverkehr als auch der Güterverkehr in den nächsten Jahren massiv steigen wird. Verkehrs- wissenschaftler gehen davon aus, dass beim Schienengü- terverkehr mit einer Steigerung der Verkehrsleistung von 65 Prozent zu rechnen ist. Gerade der Containerumschlag an den deutschen See- häfen wird massive Steigerungsraten zu verzeichnen haben. Denken Sie nur an den weltweit größten See- hafenbahnhof Hamburg oder an den JadeWeserPort Wil- helmshaven. Wenn die neue Containerschiffsklasse mit rund 18 000 Containern Fracht die Häfen anlaufen, ist eines klar: In Deutschland brauchen wir für den Abtrans- port von Gütern aus den Häfen eine gut funktionierende und für die Zukunft gerüstete Schieneninfrastruktur. Dazu gehören auch die Strecken, die von nicht bun- deseigenen Eisenbahnunternehmen betrieben werden. Diese bewirtschaften inzwischen mehr als 10 Prozent al- ler deutschen Schienenwege, was einer Streckenlänge von rund 4 000 Kilometern entspricht. Circa 65 Prozent dieser Strecken werden ausschließlich vom Güterverkehr genutzt. Wie man sehen kann, ist dies kein unbedeuten- der Teil für den Schienengüterverkehr. Im Gesetzent- 29460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D wurf selbst wird angeführt, dass rund 200 Unternehmen als mögliche Zuwendungsempfänger in Betracht gezo- gen werden können. Dies verdeutlicht nicht nur, dass in Deutschland der Wettbewerb auf der Schiene funktio- niert, sondern auch, dass von dem Gesetzentwurf zur Förderung der Schienenwege der öffentlichen nicht bun- deseigenen Eisenbahnen für den Schienengüterfernver- kehr ein breites Spektrum an Unternehmen profitieren kann; denn eines muss uns bewusst sein: Eisenbahnin- frastrukturunternehmen leisten einen wesentlichen Bei- trag zum Funktionieren ganzer Wirtschaftsräume. Ich möchte dies konkret an einem Beispiel verdeut- lichen. In Oberfranken gibt es eine Firma, die Walzdraht herstellt. Dieser wird über den Streckenabschnitt Strul- lendorf–Schlüsselfeld dem Netz der Deutschen Bahn AG, DB AG, zugeführt. Der besagte Streckenabschnitt ist seit 2007 von der DB-AG-Tochter DB NETZ an einen priva- ten Infrastrukturbetreiber verpachtet. Der Zustand der circa 32 Kilometer langen Strecke ist jedoch sehr be- denklich. Nicht zuletzt zeigt sich dies darin, dass die Strecke seit Monaten gesperrt ist und der komplette Gü- terverkehr von der umweltfreundlichen Schiene auf die Straße verlagert wurde. Es fehlte an der finanziellen Un- terstützung, um die nötige Instandhaltung zu gewährleis- ten. Bereits seit dem Jahr 2010 habe ich versucht, durch Gespräche mit allen Beteiligten, sei es mit der betroffe- nen Firma, dem Landkreis, dem Freistaat Bayern oder dem Bund, namentlich dem Bundesverkehrsministe- rium, eine Lösung dieser Problematik herbeizuführen. Nun bin ich persönlich froh, dass mit dem vorliegen- den Gesetz ein Baukostenzuschuss in Höhe von 50 Pro- zent gewährleistet werden kann. Jedoch halte ich die in § 1 Abs. 4 angeführten Kriterien in der Gesamtheit noch für diskutierenswert. Die Regelgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern schließt von vornherein viele nicht bundeseigenen Infrastrukturbetreiber aus. So fallen zum Beispiel Häfen und Rangierbahnhöfe weg. Gerade diese Abschnitte von Güterverkehrsketten sind extrem wichtig, und die Instandhaltung dieser Infrastrukturen ist essenziell. Auch die durchgängig zulässige Radsatzlast von 22,5 Tonnen, Streckenklasse D 4, schließt viele Strecken aus. Vielmehr sollte dies als Zielvorgabe gelten. Gerade für regionale Wirtschaftszentren ist das ein verheerendes Zeichen und gegen das Prinzip „mehr Güter auf die Schiene“, das auch immer wieder von der Bundesregie- rung angeführt wird. Das Kriterium: „auf denen in den letzten drei Jahren vor Antragstellung Schienengüter- fernverkehr stattgefunden hat“ ist kritisch zu bewerten. Dadurch werden neu gegründete Eisenbahnverkehrs- unternehmen benachteiligt, und der Anreiz, Güter auf die Schiene zu verlagern, wird klar unterbunden. Welche Bedeutung die in § 1 Abs. 3 angeführte Defi- nition von Schienengüterfernverkehr hat, wird sich noch zeigen müssen. Zu überlegen ist grundsätzlich, ob eine solche Klassifizierung überhaupt sinnhaft ist. Ich begrüße es sehr, dass in dem uns vorliegenden Gesetzentwurf nach der Verbandsanhörung und Stel- lungnahme des Bundesrates aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf das Förderkriterium über das unbelastete Eigentum der nicht bundeseigenen Eisenbahnen wegge- fallen ist. Mit dem Eisenbahn-Bundesamt wurde auch die rich- tige Behörde zur Prüfung der Förderfähigkeit von Schienenwegen der öffentlichen nicht bundeseigenen Ei- senbahnen für den Schienengüterfernverkehr gewählt. Jedoch muss eines deutlich werden: Nur wenn das Ei- senbahn-Bundesamt mehr Personal bekommt, kann es seine vom Gesetzgeber definierten Aufgaben umfäng- lich leisten. Aus diesem Grund appelliere ich an die Bundesregierung, das Eisenbahn-Bundesamt mit genü- gend Personal auszustatten, damit alle Aufgaben durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geleistet werden können. Nicht zuletzt wird mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf der Tatsache Rechnung getragen, dass die DB AG bis heute Eigentümerin eines Großteils der nicht bundes- eigenen Güterverkehrsstrecken ist und damit der Bund seiner grundsätzlichen Verantwortung zur Gewährleis- tung des Eisenbahnnetzes nachkommt. Die SPD Bundestagsfraktion bewertet das Gesetz als einen positiven Ansatz, jedoch wollen wir im weiteren parlamentarischen Verfahren Nachbesserungen errei- chen. Werner Simmling (FDP): Ein weiteres verkehrspo- litisches Projekt dieser Koalition ist auf den Weg ge- bracht: Der Verkehrsträger Schiene wird weiter gestärkt; denn mit diesem Gesetzentwurf wird endlich der rechtli- che Rahmen geschaffen, um die Finanzierung für den Erhalt von nicht bundeseigener öffentlicher Eisenbahn- infrastruktur zu ermöglichen. Die Einbindung einer sicheren und nutzungsfähigen Schieneninfrastruktur der nicht bundeseigenen Güter- bahnen in das gesamte Schienengüterverkehrsnetz ist unser Ziel. Hiermit wird ein zusätzlicher infrastrukturel- ler Baustein gelegt, um den bedeutsamen volkswirt- schaftlichen und ökologischen Schienengüterverkehr zu stärken; denn es ist in manchen Fällen sinnvoller, ein Teilstück privater Schienenstrecken zu ertüchtigen, um einen positiven Effekt im Gesamtnetz zu bewirken, als mit sehr viel mehr Aufwand zusätzliche Bundesschie- nenwege zu schaffen. Es geht dabei vor allem um Ergän- zung und Lückenschlüsse im Gesamtnetz. Dieses Gesetz berücksichtigt die technischen Erfor- dernisse an ein modernes, belastbares Schienengüterver- kehrsnetz ebenso wie es die Besonderheiten der nicht bundeseigenen Eisenbahnen für den Schienengüterver- kehr in Deutschland beachtet. So wird klar definiert, dass förderungswürdige Schienenwege den Belastungen des Güterverkehrs mit einer Radlast von 22,5 Tonnen und einem Fahrzeuggewicht je Längeneinheit von 8 Tonnen pro Meter standhalten müssen. Schienenstre- cken, die mit einer zugelassenen Streckengeschwindig- keit von mindestens 40 Kilometern pro Stunde befahren werden können, sind ebenso förderungswürdig. Hiermit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bestimmte Strecken von nicht bundeseigenen Eisenbahnen auf- grund der vorhandenen Leit- und Sicherungstechnik Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29461 (A) ) )(B) (C (D oder aufgrund der bestehenden Trassierungsparameter nur mit geringer Geschwindigkeit befahren werden kön- nen. Das Gesetz regelt, dass die zur Verfügung gestellten Mittel für das Streckennetz der nicht bundeseigenen Gü- terbahnen zweckgebunden verwendet werden sollen. Außerdem ist vorgegeben, dass Bahnstrecken auch von anderen Schienenverkehren genutzt werden. Der Gesetz- entwurf soll damit letztlich auch den Wettbewerb auf der Schiene stärken. Die im Rahmen dieses Gesetzes zur Verfügung ste- henden Bundesmittel leisten somit insgesamt einen Bei- trag zum Erhalt und zur Erneuerung des gesamten Schie- nenverkehrsnetzes. Der Verkehrsträger Schiene wird damit weiter in seiner Bedeutung für eine deutschland- weite leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur gestärkt. Wir Liberale unterstützen insgesamt diesen Gesetz- entwurf; denn er stärkt die infrastrukturellen Rahmenbe- dingungen für den Wettbewerb im Schienengüterverkehr ohne die Erfordernisse an ein sicheres und modernes Schienennetz zu vernachlässigen. Wir freuen uns auf die hoffentlich konstruktiven Beratungen in den Ausschüs- sen. Sabine Leidig (DIE LINKE): Es gibt in Deutschland nicht nur 33 505 Kilometer Bahnnetz der DB AG, son- dern es gibt auch viele kleinere Bahnen, die zusammen- genommen so klein nicht sind: Mit immerhin 4 300 Ki- lometern machen sie gut 11 Prozent des gesamten Netzes aus. Die Verkehrsleistung, die diese Bahnen er- bringen, hat in den letzten Jahren erfreulicherweise stark zugenommen. Anders als die DB AG erhalten diese Bahnen jedoch bislang kein Geld aus Bundesmitteln für Investitionen in ihre Strecken, obwohl viele von ihnen eine wichtige Rolle insbesondere für den Schienengüterverkehr spie- len. Wir alle wissen: Es muss mehr Verkehr von der Straße und aus der Luft auf die Schiene verlagert wer- den, und dafür muss unser Bahnnetz an vielen Stellen ausgebaut werden. Gerade die nicht bundeseigenen Bah- nen könnten wichtige zusätzliche Trassen bieten. Daher ist es aus Sicht der Bundestagsfraktion Die Linke über- fällig, diesen Bahnen ebenfalls Mittel für Ersatzinvestiti- onen in ihre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Diese Gelder können dabei helfen, Bahnkapazität auszu- bauen und damit mehr Güter- und teilweise auch mehr Personenverkehr abzuwickeln. Dies kann aus unserer Sicht aber nur ein kleiner Schritt beim Ausbau der Bahn für einen zukünftig wach- senden Bahnverkehr sein: An vielen Stellen im deut- schen Bahnnetz gibt es schon jetzt erhebliche Engpässe. Diese führen dazu, dass die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene überhaupt nicht in dem Maße möglich ist, wie wir uns dies wünschen würden. Zu diesen Kapazi- tätsengpässen haben beispielsweise Streckenstilllegun- gen und der Abbau von Überholgleisen beigetragen, die ganz besonders in Hinblick auf den geplanten Bahn-Bör- sengang vorangetrieben worden sind. Seit der Bahnre- form 1994 sind fast 7 000 km Bahnstrecken stillgelegt worden, und dies, obwohl wir alle wissen, dass wir die Bahn für einen nachhaltigen Verkehr der Zukunft ver- stärkt brauchen. Hier müssen also viele Fehler aus der Vergangenheit wieder gutgemacht werden. Oft sind es eher kleine Maßnahmen wie ein zusätzli- ches Überholgleis oder ein neues Stellwerk, die im Bahnbetrieb tatsächlich einen großen Nutzen entfalten könnten, die aber nur schleppend umgesetzt werden. Oder es könnten stillgelegte Strecken mit einem vertret- baren Aufwand reaktiviert werden, und Unternehmen könnten ihre Gleisanschlüsse zurückerhalten, die die DB AG ihnen in den letzten Jahren gekappt hat. Stattdessen werden aber immer wieder milliardenteure Neubaustre- cken geplant und gebaut, die oft einen sehr zweifelhaften Nutzen haben. Ich erinnere nur an die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm oder die Neubaustrecke durch den Thüringer Wald. Diese Schnellstrecken dienen nur ei- nem kleinen Teil der Reisenden und sind für den Güter- verkehr meist sogar komplett nutzlos, auch wenn in den Nutzen-Kosten-Berechnungen immer wieder angenom- men wird, dass diese Strecken auch vom Güterverkehr genutzt würden, was dann jedoch nicht geschieht. An- dere, viel wichtigere Ausbauprojekte wie die Rhein- schiene kommen stattdessen nur langsam voran, obwohl sie tatsächlich die Netzkapazitäten an entscheidenden Punkten erhöhen und nicht zuletzt auch Entlastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner schaffen würden. Außerdem muss auch der Rückzug der Bahn aus dem Güterverkehr auf kurzen und mittleren Entfernungen – unter 300 Kilometer – und aus dem Einzelwagenver- kehr rückgängig gemacht werden. Mit der Fokussierung der DB AG auf Ganzzüge über große Entfernungen überlässt die Bahn ganze Transportsegmente dem Stra- ßengüterverkehr. Stattdessen muss das Gegenteil passie- ren: Die Bahn muss auch auf kurzen Entfernungen und für kleinere Einheiten wieder ein attraktives Angebot bieten, nur so kann deutlich mehr Verkehr auf die Bahn kommen. In diesem Sinne sollten wir mehr Geld in die Schie- neninfrastruktur investieren, sowohl in die NE-Bahnen als auch in das bundeseigene Netz. Diese Investitionen müssen aber sinnvoll sein und sich nicht nur an der Ma- xime „schneller, höher, weiter“ orientieren. Außerdem muss der Lärmschutz für die Anwohnerinnen und An- wohner dabei eine zentrale Rolle spielen. Wenn wir un- seren Verkehr klima- und sozialverträglich umgestalten wollen, dann brauchen wir mehr Bahn und weniger Straße und ganz besonders weniger Flugverkehr. Dafür müssen wir jetzt die richtigen Investitionsentscheidun- gen treffen, und die stärkere Förderung der NE-Bahnen ist dazu immerhin ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem neuen Gesetz erkennt die Bundesregierung die sich wandelnden Verhältnisse im Schienengüterverkehr endlich an: In den letzten 15 Jahren haben sich die Wett- bewerber der Deutschen Bahn ein Viertel des Marktes erobert. Sie haben die Krise von 2009 deutlich besser ge- meistert als der frühere Monopolist, und sie sorgen mit 29462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D dem Wettbewerb für bessere Angebote. Auch mit den nicht bundeseigenen Bahnen sind Akteure vorhanden, die ganz wesentlich zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene beitragen. Deswegen ist es konsequent, diese wichtigen Akteure des Gütertrans- ports beim Bau und Erhalt ihrer Infrastruktur zu unter- stützen. Auch die nicht bundeseigenen Bahnen können mit einem Ausbau ihrer Infrastrukturen Lücken im Schienennetz der bundeseigenen DB Netz AG schließen und die Gesamtkapazität für den Gütertransport auf der Schiene in Deutschland wesentlich steigern. Wir Grüne begrüßen deswegen grundsätzlich dieses Gesetz. Die Bundesregierung erfüllt damit eine langjährige Forde- rung der Grünen, auch wenn die Mittel für die notwendi- gen Maßnahmen zu gering sind. Die vorgesehenen 25 Millionen Euro müssten nach unserer Auffassung ver- doppelt werden. Neben der rein finanziellen Frage kommt es jedoch vor allem darauf an, die Mittel so einzusetzen, dass sie möglichst große Wirkung entfalten. Die Nutzung der Gleise und Anlagen der nicht bundeseigenen Eisenbah- nen muss sich in ein schlüssiges Gesamtkonzept einfü- gen. Bei der Mittelvergabe muss darauf geachtet werden, dass nicht einfach der Erste das Geld bekommt und los- bauen darf. Wir brauchen vernünftige Kriterien, nach de- nen die Mittel vergeben werden. Wer den größten Effekt für das Gesamtnetz erzielen kann, soll vorrangig bauen können. Ich bin jedoch skeptisch, ob diese Bundesregierung das leisten kann. Dazu werden einfach noch immer zu viele Straßen oder Schienenstrecken mit sehr fragwürdi- gem Nutzen bevorzugt behandelt. Mittel fließen viel zu oft dorthin, wo der Einfluss von Lobbys oder cleveren Bürgermeistern, Landräten und Bundestagsabgeordneten am stärksten ist. Die laufende Debatte um einen neuen Bundesverkehrswegeplan zeigt uns, dass hier vieles im Argen liegt. So wie bisher kommen wir nicht weiter. Die große Arbeit an einem zukunftsfähigen Gesamt- verkehrsnetz liegt noch vor uns: Wir müssen endlich umdenken und dürfen nicht mehr nur in einzelnen Maß- nahmen denken. Wir brauchen einen vernünftigen An- satz, wie Menschen und Güter mobil bleiben können. Deswegen brauchen wir einen Bundesmobilitätsplan, der unsere Investitionen in die Zukunft des Verkehrs zu- sammen betrachtet. Es geht nicht darum, wie viele Kilo- meter Schiene oder Straße wir haben, sondern wie sich die unterschiedlichen Verkehrsträger gegenseitig sinn- voll ergänzen. Hier fügen sich auch die Mittel ein, über die wir heute sprechen – auch wenn sie gering im Vergleich zu vielen anderen Investitionsmaßnahmen erscheinen. Denn es kommt nicht auf die Größe einer Maßnahme an, sondern auf die Wirkung, die wir mit ihr insgesamt erzielen kön- nen. Die Vorarbeiten für einen neuen Bundesverkehrswe- geplan machen mich eher skeptisch im Hinblick darauf, ob es hier wirklich zum notwendigen Umschwenken kommt. Im Gesetzentwurf ist leider nicht erkennbar, dass die Bundesregierung einen Zusammenhang erkennt zwischen den vielen verschiedenen Investitionen, mit denen wir den Verkehr der Zukunft steuern wollen. Des- wegen laufen wir Gefahr, dass die Mittel – zumindest ein Teil – nicht die Wirkung entfalten, die möglich wäre. Dazu brauchen wir ein Umdenken bei der Bundesregie- rung – oder besser gleich eine neue Bundesregierung. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Nachfrage nach Güterverkehrsleistungen in Deutschland und Europa wächst stetig an. Um diesem Wachstum zu begegnen, benötigen wir in Deutschland einen leistungs- fähigen Verkehrsträger Schiene. Daher bedarf die Ver- fügbarkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene eines besonderen Augenmerks. Um die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene im Schienengüterfernverkehr zu steigern, müssen auch die öffentlichen nicht bundeseigenen Schienenwege ge- stärkt und in das Schienengüterfernverkehrsnetz einge- bunden werden. Deswegen legen wir Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes über die Bundesförderung der Investitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentlichen nicht bun- deseigenen Eisenbahnen im Schienengüterfernverkehrs- netz vor. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Vereinba- rung im Koalitionsvertrag umgesetzt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Finanzierung nicht bundeseige- ner Eisenbahninfrastruktur für die Einbindung in das Schienengüterfernverkehrsnetz zu schaffen. Dieses Ge- setz zählt sicherlich zu den wichtigen Gesetzgebungs- vorhaben im Verkehrssektor in dieser Legislaturperiode; wir schaffen damit eine gesetzliche Regelung über die Förderung von Investitionen in den Ersatz der Schienen- wege der öffentlichen nicht bundeseigenen Eisenbahnen durch den Bund. Bislang fördert der Bund die Schienenwege auf der Grundlage des Bundesschienenwegeausbaugesetzes. Das Bundesschienenwegeausbaugesetz begrenzt die Förderung auf die Schienenwege der bundeseigenen Ei- senbahnen. Mit dem Gesetzentwurf wird der Bund ermächtigt, In- vestitionen in den Ersatz der Schienenwege der öffentli- chen nicht bundeseigenen Eisenbahnen zu fördern, die dem Schienengüterfernverkehr dienen. Dabei ist die Nutzung der entsprechenden Schienenwege durch den Personenverkehr oder durch den Schienengüternahver- kehr nicht ausgeschlossen. Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs ließ sich die Bundesregierung von der Erkenntnis leiten, auf den An- stieg der weiter anwachsenden Nachfrage nach Güter- fernverkehrsleistungen in Deutschland und Europa um- weltgerecht reagieren zu müssen, die öffentlichen nicht bundeseigenen Schienenwege zu stärken und sie lang- fristig für den Schienengüterfernverkehr zu sichern. Da- bei stand der Netzgedanke Pate. Die Verkehrsnutzen der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes und der nicht bundeseigenen Eisenbahnen lassen sich damit insgesamt steigern. Der Netzgedanke setzt voraus, dass die Schienenwege der nicht bundeseigenen Eisenbahnen, die zur Förderung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29463 (A) ) )(B) (C (D anstehen, bestimmte Leistungsparameter aufweisen. Orientiert hat sich die Bundesregierung dabei sowohl an den Leistungsparametern, die die Schienenwege der bundeseigenen Eisenbahnen im Kernschienenwegenetz erfüllen, als auch an den Leistungsparametern der im Zulauf zu den Hauptkorridoren für den Schienengüter- fernverkehr genutzten Schienenwege. Dort, wo die vorhandenen Schienenwege der öffentli- chen nicht bundeseigenen Eisenbahnen sinnvoll und dauerhaft das bestehende Netz der Eisenbahninfrastruk- turunternehmen des Bundes durch die Sicherstellung von Redundanzen ergänzen, die Beförderung über den gesamten Transportweg sicherstellen und dabei helfen, den Standardschienengüterfernverkehr in Deutschland zu verbessern, ergeben sich für den Bund auch Einspar- potenziale. Vorschläge der Länder zu dem Gesetzentwurf haben wir weitestgehend übernommen. So legen wir heute ei- nen Gesetzentwurf zur Förderung von Investitionen in die öffentlichen nicht bundeseigenen Schienenwege vor, der ein wesentlicher Beitrag der Bundesregierung ist, die Verlagerung von Güterfernverkehrsleistungen von der Straße auf die Schiene zu ermöglichen. Der Gesetzentwurf sieht vor, bei der Förderung auf das bewährte Zuwendungsrecht des Bundes zurückzu- greifen. Das heißt, die Eisenbahnunternehmen sind ge- halten, Anträge zu stellen, um Zuwendungen des Bundes zu erlangen. Das Eisenbahn-Bundesamt als Bewilli- gungsbehörde prüft die Anträge und erstellt die Zuwen- dungsbescheide. Die Bundesregierung hat sich bemüht, das Gesetz so einfach wie möglich zu gestalten. Auf diese Weise sind eine Förderrichtlinie oder eine Verordnung entbehrlich. Der Gesetzentwurf sieht vor, dem Zuwendungsemp- fänger nicht rückzahlbare Baukostenzuschüsse zu ge- währen. Um das Eigeninteresse der Zuwendungsemp- fänger zu stärken, finanziert der Bund anteilig 50 Prozent der jeweiligen per Zuwendungsbescheid geneh- migten Investitionssumme. Auch für die zuwendungsfä- higen Planungskosten ist die Anteilsförderung in Höhe von 50 Prozent vorgesehen, soweit die gesamten Pla- nungskosten 13 Prozent der Gesamtinvestitionssumme nicht übersteigen. Mit dem Gesetzentwurf beschreitet die Bundesregie- rung ein neues Fördergebiet, das bislang in erster Linie den Ländern und den Kommunen vorbehalten ist. Die für den Bund vollständig neue Aufgabe muss er mit zusätzlichem Personal bewältigen. Vorgesehen ist daher, das notwendige zusätzliche Personal über Gebüh- renerhebung zu finanzieren. Auch hier lässt sich die Bundesregierung von dem Ziel leiten, effiziente Struktu- ren zu schaffen und nur dort die freiwillige Förderung des Bundes einzusetzen, wo Eigeninitiative und der Wille zum eigenen Mitteleinsatz vorhanden sind. Ich glaube, wir haben heute einen guten Entwurf vor- gelegt, und ich freue mich auf zügige parlamentarische Beratungen. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Neunzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2010/ 2011 (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Genau heute vor sechs Monaten, also vor einem halben Jahr, am 18. Ok- tober 2012, stand ich an dieser Stelle, um anlässlich der dritten Lesung der 8. GWB-Novelle die Vorzüge der neuen GWB-Novelle vorzustellen. Wie Sie wissen, sind diese Maßnahmen bis heute nicht in Kraft getreten, weil sich der Vermittlungsaus- schuss auf Betreiben von SPD und Grünen auf einem Nebenkriegsschauplatz, nämlich bei der Frage der An- wendbarkeit des GWB auf die Krankenkassen, nicht mit uns einigen will. Die Formulierung „Nebenkriegsschau- platz“ ist bewusst gewählt. Nebenkriegsschauplatz, weil der Gesetzentwurf der Bundesregierung bereits im parlamentarischen Verfah- ren deutlich nachgebessert wurde. Dies, um der Tatsache Rechnung zu tragen: Krankenkassen sind keine auf Ge- winn und Aktionärsdividende zielenden, privatwirt- schaftlichen Unternehmen, sondern haben zum Auftrag, eine qualitativ hochwertige, bezahlbare und patienten- orientierte Gesundheitsversorgung flächendeckend zu garantieren. Dafür sind die gesetzlichen Krankenkassen auf Kooperationen untereinander angewiesen, auch um Kosten zu sparen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Dies würden die strengen grundsätzlichen Regeln des GWB so nicht zulassen. In dem vom Bundestag verab- schiedeten Gesetz hatten wir deshalb auf Betreiben der CSU klargestellt, dass die Kartellbehörden bei der An- wendung der Vorschriften des GWB den im SGB V ver- ankerten, besonderen Versorgungsauftrag der Kassen zwingend berücksichtigen müssen. Den gesetzlichen Krankenkassen ist die Möglichkeit zur Zusammenarbeit nach der hier gefundenen Formulierung ausdrücklich eingeräumt. Seit heute ist das Wort „Nebenkriegsschauplatz“ aber noch mehr gerechtfertigt, weil wir uns ganz aktuell bei einer Sitzung der informellen Arbeitsgruppe des Ver- mittlungsausschusses bereit erklärt haben, auf Kartell- verbote und Missbrauchsaufsicht bei Krankenkassen zu verzichten und lediglich Fusionen der Kontrolle durch das Kartellamt zu unterwerfen. Als CSU-Abgeordneter räume ich noch einmal klar ein, dass auch ich Bedenken hinsichtlich der Anwen- dung von Kartellrecht auf Krankenkassen habe. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass nach dem extrem weitgehenden Entgegenkommen der Koalition jetzt eine Formulierung gefunden werden muss, die allen Interes- sen Rechnung trägt. Wir dürfen das Gesetz nicht an Prin- zipienreiterei scheitern lassen. Dann tun sich nämlich ganz andere Hauptkriegsschauplätze auf: Nur ein paar Beispiele: Das bis zum 31. Dezember 2012 befristete Verbot des, auch nur gelegentlichen, Verkaufs von Lebensmitteln un- ter Einstandspreis in § 20 Abs. 4 Satz 2 Nummer 1 GWB 29464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D ist derzeit aufgehoben. Dieses Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis, also der Verkauf mit einkalkuliertem Verlust, stellt sicher, dass ein Verramschen der Waren verhindert wird und kleinere und mittlere Einzelhändler nicht durch marktstarke Händler schutzlos verdrängt werden. In dem Zusammenhang bin ich übrigens im Gegen- satz zur Monopolkommission genau wie die Bundesre- gierung der Auffassung, dass aus der geringen Zahl von eingeleiteten Unter-Einstandspreis-Verfahren nicht ge- schlossen werden kann, dass die Norm in der Praxis keine Bedeutung habe. Vielmehr hat die Regelung eine starke präventive Vorfeldwirkung und schreckt poten- ziell in Versuchung kommende Unternehmen von vorne- herein davon ab. Auch die bis zum 31. Dezember 2012 befristete Aus- weitung des Schutzbereichs des § 20 Abs. 3 GWB, Ver- bot des Gewährens von Vorteilen, greift wegen des Streits im Vermittlungsausschuss derzeit nicht. Nach der beschlossenen Novelle soll diese Regelung entfristet werden. Die Schlussfolgerung der Monopolkommission, „dass zwar die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel zu- genommen hat, ein spürbares Nachlassen der Wettbe- werbsintensität auf der Handelsstufe aber nicht festzu- stellen ist“, scheint mir mindestens diskussionswürdig. Um hier eine bessere Balance zwischen Handel und Hersteller zu schaffen, haben wir das sogenannte An- zapfverbot in der 8. GWB-Novelle auch auf große Her- stellerunternehmen ausgeweitet. Mit „Anzapfen“ gemeint ist ein Verhalten, bei dem ein marktstarker Händler seine Marktmacht ausnutzt, um von seinen Lieferanten Leistungen zu fordern, die sach- lich nicht gerechtfertigt sind, also beispielsweise unge- wöhnliche Boni. Selbstverständlich kann auch ein „gro- ßer“ Hersteller vom Handel „angezapft“ werden, nicht nur kleine und mittlere. Deswegen soll dieses für die Nachfrageseite geltende Anzapfverbot nun auch gegen- über den großen Herstellerfirmen gelten. Ebenfalls nicht in Kraft: das Verbot der Preis-Kosten- Schere im Mineralölbereich. Mit der 8. GWB-Novelle wollen wir das Verbot von Preis-Kosten-Scheren in dem § 20 Abs. 4 Satz 2 Nummer 3 GWB in Dauerrecht über- führen. Auch diese Regelung war bis Ende 2012 befris- tet. Damit wollen wir sicherstellen, dass große Mineral- ölkonzerne mit eigenen Raffinerien den Sprit nicht den eigenen Tankstellen zu einem niedrigeren Preis verkau- fen als an die anderen Tankstellen. Die mittelständische Mineralölindustrie und die frei- en Tankstellen sind schon sehr beunruhigt über die Blo- ckade der GWB-Novelle im Vermittlungsausschuss. Wie mir von dort berichtet wird, seien im März 2013 „im Zuge erheblicher Preiskämpfe im Kraftstoffmarkt vermehrt Preis-Kosten-Scheren feststellbar gewesen“. Und dem Kartellamt sind die Hände gebunden, weil ihm schlicht die Rechtsgrundlage fehlt. Ein unhaltbarer Zu- stand! Auch bei einer Reihe von Missbrauchsfällen in der Energiebranche nach § 29 GWB darf das Kartellamt der- zeit nicht einschreiten und muss einen Missbrauch se- henden Auges geschehen lassen, sofern vorliegend. Diese Möglichkeit einer spezifischen Missbrauchs- aufsicht war auch Ende 2012 ausgelaufen. Auch sie wol- len wir ebenfalls bis 2017 verlängern. So beklagte der Präsident des Bundeskartellamts in der FAZ vom 19. Februar 2013: „Wir können sämtliche Verfahren der Missbrauchsaufsicht über Heizstrom oder Wärmepumpen nicht mehr auf den Paragrafen 29 stüt- zen, weil es ihn nicht mehr gibt. Dabei wäre er außeror- dentlich hilfreich für unsere Arbeit.“ Mit der Novelle wollen wir außerdem sicherstellen, dass die bestehenden Bußgeldvorschriften auch nach Umstrukturierungen, zum Beispiel Fusionen, Ver- schmelzungen, eines Unternehmens nicht ins Leere lau- fen. In der Praxis liegt nämlich zwischen Kartellverstoß und Bußgeldverhängung oft ein erheblicher Zeitraum. Finden in dieser Zeit Umstrukturierungen in dem Unter- nehmen statt, das gegen das Kartellrecht verstoßen hat, zum Beispiel die Aufspaltung in Tochterunternehmen, stellt sich in der Praxis oft die Frage, unter welchen Vo- raussetzungen die entstandene Haftung auf das neu orga- nisierte Unternehmen übergeht. Um das zu vermeiden, wird das Ordnungswidrigkei- tengesetz, OWiG, im Rahmen der GWB-Novelle ent- sprechend angepasst. Wenn das jetzt nicht kommt, gehen dem deutschen Fiskus und damit den Steuerzahlern Mil- lionenbußen durch die Lappen. Das kann doch nicht An- liegen von SPD, Grünen und Linken sein! Ausgerechnet von Ihnen! Vor dem Hintergrund rückläufiger Auflagenzahlen er- weitern wir mit dieser GWB-Novelle den Handlungs- spielraum kleiner und mittlerer Presseunternehmen. Da- mit soll den Presseverlagen einerseits der wirtschaftlich notwendige Strukturwandel erleichtert werden, zum an- deren der Erhalt einer vielfältigen und lebendigen Pres- selandschaft in Deutschland gewährleistet werden. Dazu erhöhen wir die pressespezifischen Aufgreifschwellen so, dass Fusionen von kleinen und sanierungsbedürfti- gen Verlagshäusern leichter werden. Die für den Bereich der Presse im GWB nun neu ge- schaffenen Instrumente der Bagatellmarktklausel, der Bagatellanschlussklausel und die Möglichkeit einer Sa- nierungsfusion, mit der wir nachweislich dauerhaft in ro- ten Zahlen steckende Verlage durch Fusionen retten wol- len, bevor sie ganz vom Markt verschwinden, sind gute und richtige gesetzgeberische Schritte, die Pressevielfalt vor dem Hintergrund rückläufiger Auflagenzahlen zu er- halten. Damit helfen wir Zeitungs- und Zeitschriftenverla- gen, den Herausforderungen der fortschreitenden Digita- lisierung mit ihren für die Verlagshäuser elementaren wirtschaftlichen Auswirkungen gestärkt entgegenzutre- ten. Auch diese Chance vereiteln die A-Länder mit ihrer Unbeweglichkeit im Bundesrat. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29465 (A) ) )(B) (C (D Nämliches gilt für den Erhalt des Presse-Grosso-Sys- tems und damit für die Sicherung der Pressevielfalt in Deutschland. Um das bewährte System des Presse- Grosso in Deutschland zu erhalten und für die Zukunft fitzumachen, verankern wir das Presse-Grosso-System – bislang ein aus wohlüberlegten Gründen geduldetes Kartell – erstmalig im GWB. Damit garantieren wir wei- terhin die Überallverfügbarkeit von allen Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland – auch im ländlichen Raum – und sichern die Presse- und Verlagsvielfalt in Deutsch- land durch einen ungehinderten Marktzutritt aller, auch der kleinen Verlage. Der geplante Ausstieg eines großen Verlags aus die- sem System und der daraus resultierende Rechtsstreit hätten in der Folge dazu geführt, dass es in Deutschland zu einer Marktkonzentration der Großen gekommen wäre und dass die flächendeckende Auslage aller Pres- seerzeugnisse nicht garantiert wäre. Da die monatelangen Verhandlungen, Gespräche, Runden Tische und sonstigen Versuche der Bundestags- fraktionen, den Konflikt im Rahmen freiwilliger Verein- barungen zu lösen, bis zum Schluss zu keiner Lösung geführt haben, muss nun der Gesetzgeber einen Rahmen zur Sicherung der Medienlandschaften in der uns be- kannten Form setzen – manchmal lässt sich nur durch Wettbewerb eben nicht alles regeln. Deswegen wird der Bundesgesetzgeber nun in § 30 GWB in einem neuen Absatz 2 a klarstellen, dass so- wohl die Presse-Grossisten als auch die Presse-Verlage gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ betraut sind. Damit können ab sofort sowohl die die Presseverlage vertretenden Verbände (vor allem der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger und Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) auf der einen Seite als auch der die einzelnen Grossisten vertretende Bundesverband Presse-Grosso auf der anderen Seite auf Augenhöhe für ihre Mitgliedsunternehmen Verhandlungen führen und Branchenvereinbarungen treffen, zum Beispiel über Handelsspannen, Vergütungen oder Vertriebsgebiete. Dabei sind sie von den strengen Regelungen des Kar- tellrechts befreit, um ihrem grundgesetzlich intendierten Auftrag nachkommen zu können. All das ist nun gefährdet durch Kleinkrämerei von SPD und Grünen: Sie gefährden damit den Erhalt der Pressevielfalt, den Zugang kleinerer Titel und auch klei- nerer Verlage zu den Lesern an den Kiosken und die flä- chendeckende Versorgung mit aktuellen Presseproduk- ten in ganz Deutschland. Klar ist auch: Dass die SPD-Bundestagsfraktion jetzt Hand in Hand mit Hamburg gesonderte Gesetzentwürfe vorgelegt hat, die die oben beschriebenen Regelungen zur Pressefusionskontrolle und zum Presse-Grosso-Sys- tem aus dem Gesetzespaket herauslösen, ist ein durch- sichtiges parteitaktisches Manöver, zeigt aber auch, dass sie sehr genau wissen, was sie da blockieren. Sicher wollen auch wir vonseiten der Regierungsfrak- tionen diese Regelungen. Der SPD geht es aber nicht um die Sache, sondern nur darum, einen Keil in die Koali- tion zu treiben, weil sie genau weiß, dass die Union, mindestens aber die CSU, bei der Krankenkassenthema- tik nicht voll auf Linie der FDP liegt. Wir lassen uns aber deswegen nicht auseinanderdividieren. Diesen Köder schlucken wir nicht! Die SPD hat es in der Hand, die Kuh im Vermittlungs- ausschuss vom Eis zu kriegen. Statt Versatzstücke aus der GWB-Novelle herauszubrechen und uns in Form von vordergründig gut gemeinten Gesetzentwürfen als Köder vor die Nase zu halten, sollten die Genossen lie- ber ihrer politischen Pflicht im Bundesrat bzw. im Ver- mittlungsausschuss nachkommen: nämlich das Geset- zespaket passieren zu lassen. Hören Sie auf, Ihre Verfahrensmehrheit zu instrumentalisieren! Nur sie gibt Ihnen den Zugriff auf das Gesetz. Bezeichnend ist ja, dass ausgerechnet die heutige Ge- sundheitssenatorin für Gesundheit und Verbraucher- schutz in Hamburg, Cornelia Prüfer-Storcks, zentrale Kraft beim Widerstand im Vermittlungsausschuss, be- sonders gegen die Passagen zu den Krankenkassen ist. Frau Prüfer-Storcks war vorher Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! So möchte ich an dieser Stelle an die Bundesminister Dr. Rösler und Bahr von der FDP und an die beteiligten Länder appellieren, mit allen Kräften eine Lösung zu er- wirken. Noch einmal: Dazu liegt unser Kompromissvorschlag vor, der vorsieht, dass das Kartellverbot und das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auf das Verhalten der Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten keine Anwendung finden. Das war auch eine zentrale Forderung des Bundesrates in seinem Anrufungsbeschluss. Lediglich die neuen Vorschriften der Fusionskontrolle auf Zusammenschlüsse von Krankenkassen sollen laut dem Kompromissvorschlag abgeschwächt erhalten blei- ben. Dazu muss man wissen: Das Bundeskartellamt hat freiwillige Zusammenschlüsse von gesetzlichen Kran- kenkassen bereits in der Vergangenheit in über 30 Fäl- len überprüft. Nun hat aber das Landessozialgericht Hessen in seinem Urteil vom 15. September 2011 ver- langt, dass die Kartellaufsicht über die Krankenkassen durch die Kartellbehörde einer ausdrücklichen gesetzli- chen Grundlage bedarf. Um nichts anderes geht es jetzt noch: Eine gesetzliche Grundlage zu schaffen für eine sowieso schon regelmäßig angewandte Praxis. Das muss doch möglich sein! Lassen Sie mich aber noch ein paar andere Punkte be- leuchten, auf die die Monopolkommission in ihrem 19. Hauptgutachten eingeht: Die Kommission thematisiert den am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen ersten Glücksspieländerungsstaatsver- trag durch die Ministerpräsidenten aller Länder – außer Schleswig-Holstein. Wie Sie wissen, ist das Glücksspielwesen in Deutsch- land überwiegend Ländersache. Ich möchte grundsätz- 29466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D lich aber Folgendes anmerken: Die Spielsucht zu be- kämpfen, ist ja richtig und aller Ehren wert. Aber dass der Staat meint, alle möglichen Lebensbereiche der Bür- ger bis ins Detail durchregulieren zu müssen, halte ich für falsch. Das betrifft etwa die im Glücksspielstaatsvertrag vor- genommene Beschränkung der Anzahl der Konzessio- nen für Anbieter von Sportwetten, aber auch das Vorha- ben des Bundeswirtschaftsministeriums, im Rahmen der anstehenden Novellierung der Glücksspielverordnung, die ja auf Basis der bundesrechtlichen Gewerbeordnung aufgebaut ist, die Anzahl der Glücksspielautomaten in einer Gaststätte von bisher maximal drei auf nur noch ei- nen zu reduzieren. Das beträfe eine Vielzahl von kleinen, familiengeführten Gaststätten, die das spürbar treffen würde, wenn entsprechende Kundschaft ausbleibt. Hier wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in keiner Weise beachtet. Die Glücksspielsucht muss eher mit Aufklä- rung und Prävention bekämpft werden, nicht durch sol- che kurz gedachten Vorschriften. Wie auch die Monopolkommission bin ich der Über- zeugung, dass mit dem am 8. November 2012 vom Bun- destag beschlossenen Gesetz zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für Strom und Gas sowie für Kraftstoffe mehr Transparenz für die Verbraucher, aber auch bessere Möglichkeiten für die Bundesnetzagentur bzw. das Bundeskartellamt geschaffen werden, miss- bräuchliche Preisbildungen nachzuverfolgen und even- tuell zu sanktionieren. In diesem Zusammenhang möchte ich mit Blick auf die GWB-Novelle anmerken, dass ich – im Gegensatz zur Monopolkommission – die in der GWB-Novelle ver- ankerte Verlängerung der speziellen Missbrauchsauf- sicht für die Energiemärkte um weitere fünf Jahre in § 29 GWB für richtig halte: Auch wenn die Verbraucher heute die Möglichkeit haben, ihren Strom- oder Gasan- bieter zu wechseln, so herrscht im Energiebereich fak- tisch eben noch bei weitem kein „vollkommener“ Wett- bewerb, wie wir es gerne hätten. Ein guter Nebeneffekt der Markttransparenzstelle für Strom und Gas ist sicherlich, dass sich die Bundesnetz- agentur mit den ihr zugeleiteten Daten ein Gesamtbild vom Stand der Energiewende machen kann – wertvolle Daten, die wir sonst nicht hätten. Die Ansiedlung der Transparenzstelle für Strom und Gas bei der Bundesnetzagentur und die Ansiedlung der Stelle für Kraftstoffe beim Bundeskartellamt ist sinnvoll, zumal die Bundesnetzagentur schwerpunktmäßig mit Fragen der Energiesicherheit befasst ist. Eine doppelte Meldepflicht für Daten aus der Ener- giebranche einmal an die europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ACER, nach der REMIT-Verordnung und zum Zwei- ten an die – nationale – Markttransparenzstelle gilt es in der noch ausstehenden Verordnung zu vermeiden. Für die Verbraucher sichtbarer und unmittelbar vor- teilhaft ist die vom Deutschen Bundestag – und zwar von den Koalitionsfraktionen – gegenüber dem Regierungs- entwurf nachgeforderte und mittlerweile beschlossene Markttransparenzstelle für Kraftstoffe. Eine solche Stelle war im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bun- desregierung gar nicht vorgesehen! Viel sinnvoller, als der Mineralölbranche eine wö- chentliche Meldepflicht aller Tankstellenpreise und der Mengenzuordnung (wie viel wurde von welcher Sorte verkauft?) aufzudrücken, was vor allem einen erhebli- chen administrativen Aufwand bedeutet hätte, ist es, den Autofahrern die aktuell gültigen Spritpreise in Echtzeit zur Verfügung stellen zu lassen. Ich sage bewusst „stel- len zu lassen“, denn wir wollen nicht etablierte Ge- schäftsmodelle wie clever-tanken.de zerstören, sondern Betreibern solcher Onlineportale die Daten zur Weiter- gabe an die Tankstellenkunden zur Verfügung stellen. Mit der am 21. März 2013 verabschiedeten Verord- nung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe haben die Verbraucher bald also die Möglichkeit, die aktuellen Spritpreise für Superbenzin und Diesel über ihr Smart- phone via App oder auf dem Computer im Internet abzu- rufen. So schaffen wir echte Vergleichsmöglichkeiten für die Autofahrer, wirken der Preisvolatilität entgegen und verstärken den Preisdruck auf die Konzerne. Gleichwohl werden die Endkundenpreise auch durch die neuen Transparenzvorschriften wohl nicht nachhaltig gesenkt; auch eine Senkung der Mineralölsteuer würde sicherlich seine Wirkung verfehlen, denn die markt- mächtigen Konzerne würden diese Differenz schnell wieder durch schrittweise Preiserhöhungen kompensie- ren. Mit den Daten kann allerdings das Bundeskartellamt – hoffentlich – missbräuchlicher Preisgestaltung entge- genwirken. Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens hat die Koalition erwirkt, dass auch die Monopolkommission ein Akteneinsichtsrecht in Bezug auf die an die Stelle gemeldeten Daten erhält, wie von der Kommission ge- fordert; damit kann die Kommission ihrer Aufgabe nach- kommen, die Wettbewerbsentwicklung im Energiesektor adäquat zu beobachten und zu analysieren. Die von der Monopolkommission in ihrem 19. Hauptgutachten gemachte Ankündigung, „künftig die flächendeckende Konzentrationsberichterstattung zu- gunsten weniger umfangreicher, jedoch tiefer gehender empirischer Analysen einzuschränken oder ganz einzu- stellen“ und somit eine Fokussierung auf einzelne Bran- chen oder einzelne Fragestellungen vorzunehmen, halte ich nur für sinnvoll. Nur so ist heute bei dieser komple- xen Struktur des deutschen Marktes eine adäquate Marktabgrenzung möglich und sind ergebnisorientierte, erkenntnisreiche Analysen zu gewinnen. Die Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamts sind da ein gutes Beispiel. Da muss auch nicht die Linke pseudojuristische Bedenken äußern, dass die Monopol- kommission davon nicht abweichen dürfe, wie sie das in dem uns heute zur Beratung ebenfalls vorliegenden Ent- schließungsantrag tut. Der Monopolkommission, einem fachlich hochkarä- tig besetzten, hochanerkannten Expertengremium, die Kompetenz auf empirischem Gebiet abzusprechen und ihr „wiederholt vielfach falsche, nicht glaubwürdige und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29467 (A) ) )(B) (C (D nicht nachprüfbare Ergebnisse zur Verflechtung und Konzentration der Wirtschaft“ vorzuwerfen, ist nicht nur eine Anmaßung, sondern eine Frechheit. Wenn es nach den Linken ginge, hätten wir die größte Verflechtung überhaupt, nämlich die von Staat und Wirtschaft in einer gelenkten Planwirtschaft. Dieses Experiment ist klar ge- scheitert und wird immer wieder scheitern! Ingo Egloff (SPD): An die Vorliebe der Bundesregie- rung für monatelanges Nichtstun und dann plötzlich ent- stehende hektische Betriebsamkeit haben wir uns bei den verschiedensten Themen in dieser Legislaturperiode ge- wöhnen müssen. Beim Mietrecht hat es zweieinhalb Jahre gedauert, bis wir uns im Plenum dann endlich mit Ihrem Gesetzentwurf befassen konnten. Die GWB- Novelle, die wir hier im Oktober dann endlich debattiert haben, lag drei Jahre bei Ihnen auf Eis. So lange haben Sie gebraucht, bis Sie den Minimalkonsens zwischen Schwarz und Gelb herstellen konnten, der zur Einbrin- gung nötig war. In unzähligen weiteren Fällen musste es nach Monaten der Untätigkeit dann auf einmal hoppla- hopp gehen, weil die Überschreitung von Fristen drohte. Mal ging es um die Umsetzung von EU-Recht, mal wa- ren es Probleme wie der Einsatz von Wachleuten auf Handelsschiffen, die Ihnen offenbar nicht so präsent sind, dass sie fristgerecht gelöst werden können – Weih- nachten kommt bekanntlich auch immer wahnsinnig überraschend. Mit Ihrer dürren Stellungnahme zum Hauptgutachten der Monopolkommission, das wir seit einem Dreiviertel- jahr kennen, schießen Sie jetzt den Vogel ab. Zwanzig Seiten füllen Sie damit, zu danken und zu begrüßen, was immer das Gutachten behauptet. Man wird den Eindruck nicht los, dass hier nicht die Bundesregierung Stellung nimmt, sondern ein paar Frühstücksdirektoren müde und kritiklos den Quartalsbericht ihrer Firma abnicken. Sie begrüßen zum Beispiel, dass die Monopolkom- mission etwas begrüßt, nämlich Ihre unsäglichen Bemü- hungen, über die 8. GWB-Novelle dem Kartellamt eine wettbewerbsrechtliche Aufsicht über die Krankenkassen zuzuschanzen – Sozialpolitik über das Instrument des Kartellrechts. Wie Sie wissen, liegt dieser Tinnef von der neoliberalen Resterampe der Herren Bahr und Rösler derzeit im Vermittlungsausschuss, weil der Bundesrat da noch rechtzeitig einschreiten konnte. Wo Ihnen „begrüßen“ nicht ausreichend erscheint, „unterstützen“ Sie – in Textziffer 51 zum Beispiel die von der Monopolkommission angekündigte „Neuaus- richtung der Konzentrationsberichterstattung“. Das ist eine so grobe Irreführung, dass ich hier mit aller Schärfe dagegen protestiere. Was Sie da unterstützen, ist keine Neuausrichtung, kein neues Konzept. Sie fordern damit de facto die Abschaffung der nach § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB obligatorischen gesamtwirtschaftlichen Konzen- trationsberichterstattung. Ich zitiere: „Nach Auffassung der Bundesregierung hat die flächendeckende Konzentrationsberichterstattung in ihrer bisherigen Form nur noch eine sehr geringe wett- bewerbspolitische Relevanz und selbst sorgfältig berech- nete Konzentrationsmaße verfügen vor dem Hintergrund der wettbewerbspolitischen Forschung nur über eine re- lativ geringe Aussagekraft“. Mit diesem Satz, Herr Minister, verhöhnen Sie den Deutschen Bundestag. Sie wissen, dass die verwendete Datenbasis für die Haupt- gutachten drastisch reduziert wurde, und zwar so weit, dass keine sinnvollen Aussagen über den Konzentra- tionsgrad mehr möglich sind. Sie nehmen diese systema- tischen Fehler klaglos hin. Sie informieren auch den Bundestag nicht über Ihre Feststellung, dass da etwas schiefläuft. Aber das unzureichende Ergebnis benutzen Sie anschließend als Argument, um den Verzicht auf die – vom Gesetzgeber unmissverständlich geforderte! – Konzentrationsberichterstattung als verschmerzbar dar- zustellen. Noch plumper ist da nur der Versuch, uns weiszumachen, Sie hätten eine Alternative anzubieten: Branchen- und themenspezifische Einzelanalysen sollen die gesamtwirtschaftliche Betrachtung ersetzen – für wie blöd halten Sie uns eigentlich? Die sind doch längst an anderer Stelle Gegenstand des Gutachtens. Was ist denn das für ein Ersatz, wenn man von zwei Dingen eins weg- nimmt und das andere als Ausgleich anbietet? Geradezu schwindelerregend ist Ihre Begründung, warum man auf die Erfassung des Konzentrationsgrades nach Sektoren verzichten könne. Zwar schreiben Sie, dass nach § 47 Abs. 1 GWB die Statistischen Bundes- und Landesämter verpflichtet sind, Konzentrationsraten zu berechnen und der Monopolkommission zur Verfü- gung zu stellen. Direkt im Anschluss heißt es dann, dies bedeute noch lange nicht, dass solche Daten auch ver- wendet werden müssten. Wie dann allerdings Ihre Erwartung erfüllt werden soll – Zitat –, zusätzliche wett- bewerbspolitische Erkenntnisse auf der Grundlage datenbasierter Analysen zu generieren, wenn Ihnen der Konzentrationsgrad schnuppe ist, können Sie ja im Aus- schuss versuchen zu erklären. Mir kommt das ein biss- chen vor wie mittelalterliche Scholastik, die die Welt so lange umdeutet, bis sie in die Theorie passt, statt mit em- pirischen Mitteln zu versuchen, mal durch gründliche Beobachtung dahinterzukommen, wie es um die Ver- flechtung der Unternehmen und Märkte in Wirklichkeit bestellt ist. Ich will Ihnen sagen, was da passiert: Durch diese Politik der Bundesregierung zieht sich kein roter, noch nicht mal ein schwarzer, nein, ein quietschgelber Faden. Die FDP hat schon dafür gesorgt, dass Sie bei der GWB- Novelle Ihren eigenen Koalitionsvertrag nicht einhalten konnten: Sie erinnern sich vielleicht noch dunkel daran, dass Sie ursprünglich mal dem Bundeskartellamt Instru- mente zur Entflechtung marktbeherrschender Unterneh- men an die Hand geben wollten? Wenn Sie das nicht aus der Ruhe bringt, dann wird es Sie vielleicht auch nicht stören, dass dieselbe FDP nun den Gedächtnisverlust auf die nächste Stufe bringt. Uns dagegen ärgert es maßlos, dass hier der Deutsche Bundestag für dumm verkauft werden soll. Nimmt man beides zusammen, müssen wir feststel- len, dass die Bundesregierung gleichermaßen wenig In- teresse an der Konzentrationsberichterstattung wie an den Mechanismen zur Entflechtung beherrschender Marktmacht hat. Wir werden in beiden Fragen nicht nachlassen, Sie an Ihre Pflichten zu erinnern. Der gesetz- 29468 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D geberische Auftrag zur gesamtwirtschaftlichen Konzen- trationsberichterstattung ist im GWB eindeutig formu- liert, seine Missachtung ist zugleich eine Kampfansage an das Parlament, das ihn formuliert hat. Um den Auftrag zu erfüllen, muss die Monopolkommission die Verflechtungen der Unternehmen und Märkte einer sek- torübergreifenden, umfassenden Analyse unterziehen. Wenn Sie wirklich – wie Sie immerhin selbst schreiben – den politischen Handlungsbedarf ermitteln wollen, um die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland in der Welt betreiben zu können, dann sind Sie mit uns einer Meinung: Die Monopolkommission muss ihre Konzentrationsberichterstattung erstens auf geeignete Daten stützen und zweitens aus dieser Datenbasis ein Indikatorensystem schaffen, das Gefährdungen des Wettbewerbs präventiv aufzeigen kann – und nicht erst im Nachhinein, wenn zufällig eine der branchenspezifi- schen Einzelanalysen beim Herumstochern im Daten- salat etwas findet. Die Monopolkommission ist ein wissenschaftlicher Sachverständigenrat, dem ausreichend Sachverstand zu- getraut werden sollte, die Erfordernisse einer systemati- schen Prüfung wettbewerblich relevanter Märkte zu erfüllen. Statt sich mit Untersuchungen von Konzentra- tionsgraden bei Kindergärten, Grundschulen, Gewerk- schaften und Ähnlichem auszutoben, sollte Sie aller- dings schleunigst Ihrem eigentlichen gesetzlichen Auftrag gerecht werden. Wir erwarten von der Bundes- regierung, dass sie in ihrer Stellungnahme dieser Auffas- sung Rechnung trägt. Johanna Voß (DIE LINKE): Wir debattieren heute über die Monopolkommission. Sie soll einen funktions- fähigen Wettbewerb schützen und Verstöße dagegen auf- decken, also Monopole verhindern und Tendenzen da- hin, und unlauteren Wettbewerb frühzeitig aufdecken. Das Gutachten liegt seit Juli 2012 vor. Eine ernst- hafte, dringend notwendige Debatte über die Inhalte so nah am Ende der Legislatur ist allerdings unwahrschein- lich. Damit wird eine fundierte Diskussion zur Arbeit der Monopolkommission zur Wettbewerbspolitik, zur Unternehmenskonzentration und zum Wettbewerbsrecht unmöglich. Sie wird ja auch von der Regierungskoali- tion nicht gewünscht. Das überrascht erst mal, wo doch die Koalitionsparteien den Begriff „Wettbewerb“ zu je- der Gelegenheit bemühen, um ihre Politik zu begründen. Minister Rösler gelingt das in einer 15-Minuten-Rede im Wirtschaftsausschuss glatt dreißig Mal. Nun wissen natürlich auch wir, dass dieser Begriff sehr flexibel eingesetzt wird und damit alles und nichts begründet werden kann: massive Subventionen zu ver- teilen und staatliche Garantien zu geben – man etwa denke an 60 Jahre massive Förderung der Atomkraft. Keine Kritik! Bei den erneuerbaren Energien und dem EEG im Verhältnis zur Atomförderung ein verschwin- dend kleiner Bruchteil: Da wird keine Gelegenheit zur Diffamierung und Behauptung der Wettbewerbsverzer- rung ausgelassen. Keiner wird bestreiten, dass man Wettbewerbsfragen erst beurteilen kann, wenn man einigermaßen sicher die Situation auf den Märkten überblickt. Genau dafür gibt es das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung. Es be- stimmt, dass die Monopolkommission eine valide ge- samtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung vorlegen muss. Von dieser Pflicht hat sie sich nun selbst befreit. Das ist ein Skandal. Im Anhang hat sie eine rechnerisch fehlerhafte CD in einem nicht weiterverarbeitungsfähigen Format beige- fügt. Das genügt dem gesetzlichen Anspruch auch nicht. Und die Bundesregierung hat das akzeptiert und sich zu eigen gemacht. In ihrer Stellungnahme spricht sie sich für die Einstellung der gesamtwirtschaftlichen Konzen- trationsberichterstattung aus. Und das ohne überzeu- gende rechtliche oder sachliche Gründe. Das reicht nicht. Weder Monopolkommission noch Bundesregie- rung sind berechtigt, die Berichterstattung fallen zu las- sen. Das entspricht nicht dem Gesetzesauftrag. Die Bundesregierung verweist auf branchen- und themenspezifische Einzelanalysen. Sie sollen die Ge- samtanalyse ersetzen. Das ist es aber nicht. Branchen- wirtschaftliche Analysen können die Gesamtanalyse bestenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen. Und es ist klar: Die Abgrenzung nach Güter- und Wirtschaftsbereichen über die amtliche Statistik ist nicht eins zu eins übertragbar auf die Marktabgrenzung. Das ist für die Bunderegierung offenbar ein unüberwindbares Problem. Diese Problematik ist seit Gründung des Statis- tischen Reichsamtes von 1918 bekannt. Auch gibt es schon längst Lösungsvorschläge dazu. Es mangelt der Bundesregierung an Interesse, hier Abhilfe zu schaffen. Außerdem hat die Monopolkommission die notwen- dige Datenbasis vor Jahren schon reduziert – man möchte sagen: willkürlich. Damit wird der gesetzliche Auftrag seit dieser Zeit nicht mehr erfüllt: nicht im ak- tuellen Bericht, nicht 2008 und auch nicht 2010! Die so reduzierte Datenlage führt zwangsläufig zu un- zureichenden und sogar falschen Ergebnissen zur Kon- zentration und Verflechtung von Unternehmen und deren Marktmacht. So wird etwa die Konzentration der zehn größten Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel mit 65 Prozent angegeben. Tatsächlich beläuft sich deren Marktanteil nach allen zugänglichen Quellen bereits auf rund 90 Prozent. Das geht so nicht. Die genauen Ergeb- nisse der sogenannten Vergleichsrechnung werden von Monopolkommission und Bundesregierung gegenüber Parlament und Öffentlichkeit sogar geheimgehalten. Doch die Monopolkommission ist eben nicht – wie sie auf ihrer Internetseite schreibt – ein unabhängiges Beratungsgremium für die Bundesregierung. Nein, laut Gesetz sind die Adressaten der Gutachten die gesetzge- benden Körperschaften, die Bundesregierung und die Öffentlichkeit. Wenn die Bundesregierung wirklich Gefahren für den Wettbewerb verhindern will, ist eine gesamtwirtschaftli- che Konzentrationsberichterstattung grundlegend. Das ist die Kernaufgabe einer Monopolkommission. Und die muss erfüllt werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29469 (A) ) )(B) (C (D Dazu braucht es einerseits mehr Mittel und mehr Per- sonal, mehr kritischen Sachverstand durch eine neue Zu- sammensetzung der Monopolkommission oder eine ganz andere Institution. Wir brauchen eine fundierte gesamt- wirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung. Aber ein Auftragsgutachten des Wirtschaftsministeriums sagt: „Wir raten davon ab, dass die Monopolkommission im gegebenen institutionellen Rahmen die KBE, also die Konzentrationsberichterstattung, zu einem branchen- übergreifenden Indikatorensystem zur Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen ausbaut. Fraglich ist zudem, ob ein solches System ordnungspolitisch wünschenswert ist.“ Sie wollen keinen fairen Wettbewerb. Stimmen Sie für unseren Entschließungsantrag! Aber dazu bräuchte es einen Paradigmenwechsel weg von dem früheren extremen Wettbewerbskonzept der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts der Chicago School. Dem sind sie verhaftet. Kommen Sie endlich in der neuen Zeit der erneuerbaren Energien an. Und schützen Sie zumindest den fairen Wettbewerb! Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es überrascht schon, wenn die Koalition hier und heute ein Gutachten zur Debatte aufsetzt, das ein Dreivierteljahr alt ist. Das Gutachten beschäftigt sich zum Teil mit Ge- setzen und Themen, die in der dort beschriebenen Weise längst nicht mehr aktuell sind. Aus den offenen Fragen – zum Beispiel der richtigen Forderung der Monopolkom- mission nach einem wirkungsvollen Entflechtungsinst- rument, das die Koalition auch schon im Koalitionsver- trag hatte – wird in dieser Legislaturperiode sicher nichts mehr. Deshalb die Frage: Warum noch die Debatte über diesen Bericht? Ich möchte mich deshalb auf einen Punkt konzentrie- ren, nämlich den Wettbewerb Strommarkt, der im Hauptgutachten der Monopolkommission wieder brei- ten Raum einnimmt und auch schon zuvor Anlass für ein Sondergutachten war. Wir haben es mit dem Phänomen sinkender Börsen- preise sowohl im Spot- als auch im Terminmarkt zu tun. Die Ursachen dieser sinkenden Preise sind erklärbar, aber darauf will ich hier gar nicht näher eingehen. Der Preisverfall ist deutlich: von 2008 von 6 Cent pro Kilo- wattstunde oder darüber auf inzwischen nur 4 Cent pro Kilowattstunde. Das Problem ist aber: Diese sinkenden Preise kom- men bei Privatverbrauchern anders als bei der Industrie nicht an. Die Privatverbraucher werden nur für die Erhö- hungen der EEG-Umlage, Netzentgelte usw. zur Kasse gebeten. Statt absurder Debatten über eine gesetzliche Decke- lung der EEG-Umlage und eine Ausbaubremse für er- neuerbare Energien brauchen wir eine Ursachenanalyse, wo das Geld aus den gesunkenen Börsenpreisen bleibt. Die Monopolkommission sieht gesunkene Margen bei – den Energieversorgern sogar bei den teuren Grundver- sorgungstarifen – von 35 bis 40 Prozent der Kunden. Das finde ich erstaunlich, weil man anderes erwarten würde. Und tatsächlich, eine aktuelle Studie der Agora Ener- giewende kommt zum exakt gegenteiligen Ergebnis: Ge- rade die Margen der Energieversorger in der Grundver- sorgung sind in den letzten Jahren zum Teil deutlich angestiegen. Die fehlende Wechselbereitschaft dieser Kunden führt dazu, dass sie die höchsten Preise zahlen. Oder anders formuliert: Gerade diejenigen, die das Geld am knapps- ten haben – sie sind in der Regel in den Grundversor- gungstarifen – und, warum auch immer, nicht wechseln können, zahlen am meisten. Dagegen zahlen die Kunden, die wechseln, deutlich geringere Strompreise, und die Margen der Energiever- sorger sind geringer und auch überwiegend gesunken. Das zeigt: Wettbewerb wirkt. Nun müsste es doch eine Herausforderung für uns alle sein: Wie kriegen wir die große Zahl von Haushalten aus dieser Grundversorgung in einen Wettbewerbstarif? Dazu höre ich nichts von der Bundesregierung. Und auch im Gutachten der Monopolkommission finde ich dazu nichts, außer einer – auch unzutreffenden – Ana- lyse der Fakten. Drei Jahre hat diese Koalition gebraucht, eine Markt- transparenzstelle einzurichten. Die untersucht jetzt die Großhandelsbeziehungen im Strom- und Gasmarkt. Das ist richtig, aber zu wenig: Die Preise für die Endkunden werden nicht beleuchtet. Für Privatverbraucher ist diese Stelle bisher kein Ansprechpartner, und das bestätigt un- sere Kritik an der Einrichtung. Ich hoffe, das ändert sich noch und hilft gegen die teuren Grundversorgungstarife. Dieses Beispiel zeigt: Statt einen monatealten Bericht hier zu debattieren, sollten sich Bundesregierung und Koalition endlich um ein neues Strommarktdesign küm- mern, das erneuerbare Energien, Effizienz, Versorgungs- sicherheit und Wettbewerb mit bezahlbaren Preisen in Einklang bringt. Dazu gibt es zahlreiche Vorschläge; nur von dieser Bundesregierung gibt es nichts, die hier Showdebatten führt, zu wichtigen Fragen aber keine Antwort und erst recht nicht die Kraft zu einer Lösung hat. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Die Mono- polkommission begrüßt in ihrem 19. Hauptgutachten die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen ausdrücklich. Besonders hebt sie die Absicht der Bundesregierung hervor, die Vorschriften des GWB auf das Verhältnis der gesetzlichen Krankenkassen unter- einander und zu den Versicherten für entsprechend an- wendbar zu erklären. Der Deutsche Bundestag hat die 8. Novelle des Geset- zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits im Ok- tober 2012 verabschiedet. Der Bundesrat hat zu dem Gesetz aber den Vermittlungsausschuss angerufen. Er blockiert dort seit Monaten wegen der Diskussion über die Einbeziehung der Krankenkassen in die Wettbe- werbsregeln das gesamte Gesetz. 29470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Dadurch werden zum Beispiel auch Regelungen ver- hindert, die wettbewerbskonforme Preise auf den Strom- und Gasmärkten sowie auf den Kraftstoffmärkten sicher- stellen sollen. Dies gilt etwa für die besondere Missbrauchsaufsicht im Energiebereich. Sie verleiht den Kartellbehörden schärfere Instrumente zur Verfolgung von Missbräuchen durch marktbeherrschende Unternehmen im Bereich der leitungsgebundenen Elektrizitäts- und Gasversorgung. Sie ist aber – neben weiteren wichtigen Regelungen – zum Ende 2012 ausgelaufen. Durch ihren Einspruch tor- pedieren die Länder ein wirkungsvolles Vorgehen des Bundeskartellamtes gegen hohe Preise auf den Energie- märkten. Dies geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich bedauere sehr, dass die Sitzungen der informellen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses bisher er- gebnislos geblieben sind. SPD und Grüne wollen wett- bewerbliche Regelungen für die Krankenkassen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Die Wettbewerbs- probleme im Gesundheitswesen müssen aber jetzt gelöst werden. Sie können nicht in die Zukunft vertagt werden. SPD und Grüne sind offenbar nicht bereit, die vom Deutschen Bundestag verabschiedete und – abgesehen vom Gesundheitsbereich – fraktionsübergreifend unter- stützte GWB-Novelle voranzubringen. Verbesserungen des Wettbewerbsrechts sind aber nur im Paket zu haben. Die Länder können sich nicht ein- zelne Regelungen quasi als Rosinen aus dem Kuchen picken – und den Rest gegen die Wand fahren. Ich lehne insoweit eine Herauslösung einzelner Themenbereiche wie der Pressefusionskontrolle oder des Presse-Grosso entschieden ab. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind zu Kompromissen bei der 8. GWB-Novelle bereit. Für die weiteren Verhandlungen im Vermittlungsaus- schuss haben wir einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Nun ist es am Bundesrat, Entgegenkommen zu zeigen und Mitverantwortung zu übernehmen. Die 8. GWB-Novelle trägt als Gesamtpaket zur Stär- kung des Wettbewerbs in Deutschland bei. Ganz im Sinne der Monopolkommission bitte ich Sie daher, im Vermittlungsausschuss konstruktiv an einer Lösung mit- zuarbeiten. Die Bundesregierung ist dazu bereit. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Bienen und andere In- sekten vor Neonicotinoiden schützen (Zusatz- tagesordnungspunkt 9) Josef Rief (CDU/CSU): Wir lehnen den Antrag der Grünen ab. Die Forderung, Neonicotinoide gänzlich zu verbieten, ist völlig abwegig. Auf das Thema ihres An- trags sind die Grünen natürlich nicht selbst gekommen. Er folgt vielmehr einer Anfang des Jahres von der Le- bensmittelsicherheitsbehörde EFSA veröffentlichten Studie zu Neonicotinoiden, einer Grundsubstanz verschiedener Pflanzenschutzmittel. In der Studie werden diese entge- gen unserer deutschen Forschungsergebnisse kritisch be- wertet. Die Europäische Kommission hat darauf hin einen Vorschlag zum teilweisen Verbot von Neonicotinoiden vorgelegt. Der Kommissionsvorschlag sieht einerseits Verbote bei Pflanzen vor, bei denen wissenschaftliche Ergebnisse in Deutschland keinerlei Beeinträchtigung der Bienenvölker zeigen. Andererseits sollen aber etwa bei der Beizung von Wintergetreide die Regelungen we- niger streng sein als die aktuelle deutsche Rechtslage. Dies können wir so nicht akzeptieren und lassen uns auch von der Opposition nicht zu einer unsachlichen Entscheidung drängen. Wir unterstützen ausdrücklich die Haltung der Bun- desregierung, die sich bei den Abstimmungen im Stän- digen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tier- gesundheit, STALUT, bei der EU zum Vorschlag der Kommission zum teilweisen Verbot der Neonicotinoide enthalten hat, um ein Verbot zu verhindern. Damit hat der Kommissionsvorschlag nicht die erforderliche qua- lifizierte Mehrheit erhalten. Nun muss nachgebessert werden. Und hier müssen auch unsere Forschungsergeb- nisse und Ergebnisse aus dem Bienenmonitoring einflie- ßen. Meine Damen und Herren von den Grünen, liest man Ihren Antrag und die Vielzahl und den Umfang Ihrer Forderungen, so wird nur eines deutlich: Ihnen sind wis- senschaftliche Erkenntnisse völlig egal. Wenn es nach Ihnen ginge, würden wir den Pflanzenschutz komplett einstellen und damit wieder fast auf Erträge von vor 50 Jahren zurückfallen, Erträge, wie sie heute vielleicht im Ökolandbau attraktiv sind. Sie kennen die Zahlen. Es ist schön, sich in Deutschland die heile Welt her- beireden zu wollen. Die Realität sieht aber anders aus. Weltweit erleben wir ein dramatisches Bevölkerungs- wachstum. Gleichzeitig rücken große Teile der Bevölke- rung in Asien auf der Wohlstandsleiter nach oben und wollen selbstverständlich auch eine Nahrungsmittelver- sorgung auf europäischem Niveau. Gleichzeitig erleben wir in Deutschland und weltweit einen starken Druck auf die Ressource Ackerfläche. Es muss uns allen klar sein, dass jeder Doppelzentner, den wir in Deutschland weniger produzieren, importiert werden muss. Das schwächt nicht nur unsere Selbstver- sorgung, sondern erhöht die Weltmarktpreise für Nah- rungsmittel. Wir können uns das sehr gut leisten. Den wirklich bedürftigen Ländern, denen man auch noch aus Europa gesteuert eine moderne Landwirtschaft verweh- ren will, hilft das wenig. Nicht umsonst sagen Experten, dass die knappe Lebensmittelversorgung ihren Anteil am arabischen Frühling hatte. Wollen wir die wachsende Weltbevölkerung auch in Zukunft ernähren, führt kein Weg an einer modernen, am Ertrag orientierten Landwirtschaft vorbei. Diese Probleme einfach zu ignorieren, ist unverantwortlich. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29471 (A) ) )(B) (C (D Zu einer modernen, ressourcenschonenden, nachhalti- gen Landwirtschaft zählen wir aber auch einen sorgsa- men Umgang mit dem Pflanzenschutz. Ein gezielter verantwortlicher und vor allem wissenschaftsbasierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann sowohl den Anforderungen an Pflanzenschutz und Biodiversität als auch denen des Bienenschutzes gerecht werden. Die Bundesregierung hat gerade den Aktionsplan Pflanzenschutz beschlossen, der auf diesem Gebiet weitere Fortschritte bringen wird. Wir werden mehr Forschung und Innovation im Pflanzenschutz sehen und einen besseren Schutz von Gewässern und der bio- logischen Vielfalt. Das Ziel ist es, die Umweltrisiken um weitere 30 Prozent zu reduzieren. Sie sehen: Wir sind bei den Pflanzenschutzmitteln auf dem richtigen Weg. Wir arten nicht in ideologiegetriebe- nen Aktionismus aus, sondern gehen die Probleme wis- senschaftsbasiert an. Und das gilt ganz besonders für den Schutz der Bienen, die einen hohen Anteil am Erfolg un- serer Landwirtschaft haben. Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute den An- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Schutz der Bienen vor Neonicotinoiden. Wir alle wissen, wie wichtig unsere Bienen sind – ohne Bienen gefährden wir empfindlich unsere Nahrungsgrundlage und dabei spre- che ich von den domestizierten und den wild lebenden Bienen. Das Leiden der Letzteren wird kaum erfasst, doch unsere Imkerinnen und Imker berichten uns jähr- lich von massiven Verlusten, die wir Jahr für Jahr in Kauf nehmen müssen. Müssen wir das tatsächlich? Da- rum dreht sich nun die Frage, denn unstrittig ist, dass die Biene ein wichtiger Indikator für den Zustand unserer Umwelt ist. Sie steht im Spannungsfeld vielfältiger ne- gativer Umwelteinflüsse wie Elektrosmog, Luftschad- stoffe, Mobilfunk, einseitiger Pflanzenbau und nicht zu- letzt der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Natürlich kämpft die Biene auch gegen ihre ganz persönlichen Feinde. Die Varroamilbe ist der prominenteste Vertreter, doch es gibt weitere natürliche Krankheitserreger, die die Biene erfolgreich befallen, wenn ihr Allgemeinzu- stand geschwächt ist. Es ist wie bei uns Menschen eine ganz einfache Rechnung: Sind wir angeschlagen, hat es auch ein wenig virulenter Infekt viel einfacher, uns nie- derzuringen, als wenn wir kerngesund wären. Das alles wissen wir, und wir unternehmen durchaus auch weitere Forschungsanstrengungen, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen und Lösungen zu entwi- ckeln. Dennoch ist keine wesentliche Besserung der Lage festzustellen. Die Bienen sterben weiter, während wir um die Frage streiten, ob es wissenschaftlich erwie- sen ist, dass Pflanzenschutzmittel am jährlichen Bienen- sterben beteiligt sind oder nicht. Dass Pflanzenschutzmittel ihren Teil dazu beitragen, ist für mich unstrittig, wie groß er ist, kann so einfach nicht festgestellt werden. Dennoch wissen wir seit dem großen Bienensterben im Rheintal 2008, wie gefährlich Neonicotinoide sein können! Auch wenn wir über Aufla- gen versuchen, das Risiko zu mindern, das Gefahrenpo- tential ist und bleibt enorm. Das rechtfertigt auf jeden Fall ein temporäres und partielles Verbot durch die EU im Sinne des vorbeugenden Bienenschutzes, wie es jetzt vorgesehen ist. Ich könnte mir auch ein Totalverbot von längerer Dauer vorstellen, um eine sichere Datengrund- lage zu erhalten und um endgültig klären zu können, wie groß der Einfluss der Neonicotinoide auf die Biene ist. Und sicher hätten wir auch Wege gefunden, bereits ge- troffene Schutzmaßnahmen auch national beizubehalten. Wir brauchen umfangreiche Untersuchungen, die das Verbot wissenschaftlich begleiten, um daraus Maßnah- men abzuleiten. Sollte sich bestätigen, dass diese Mittel für das massenhafte Sterben signifikant mitbeteiligt sind, dann müssen diese Mittel geächtet und dauerhaft verbo- ten werden! Soweit sind wir mit dem Antrag der Grünen konform, und bis dahin hätten wir diesem Antrag zugestimmt. Lei- der soll der Bienenschutz als Vehikel dafür genutzt wer- den, das Zulassungsverfahren auf den Kopf zu stellen. Da können wir nicht mitgehen, denn wir halten es für falsch, die Hersteller aus ihrer Verantwortung zu entlas- sen, indem wir ihnen die Risikobewertung aus der Hand nehmen. Ich weiß auch nicht so ganz, wie sich die Grü- nen das rein praktisch vorstellen. Anstatt dem Hersteller die Verantwortung für sein Produkt samt Entwicklung, Prüfung und Bewertung zu überlassen, soll der Staat diese Arbeit übernehmen und finanzieren? Das ist kaum leistbar und dient auch nicht wirklich dem Bürokratieab- bau. Das ist für uns kein hilfreicher und praktikabler Weg. Dennoch halten wir weitere Einschränkungen, ver- bunden mit einer wissenschaftlichen Begleitforschung, für absolut richtig. Die Ergebnisse müssen wir abwarten, und sollte sich herausstellen, dass diese Mittel einen si- gnifikanten Beitrag am Tod unserer Bienenvölker leis- ten, dann werden weitere Auflagen sicher nicht ausrei- chen, um unsere Bienenvölker zu schützen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Wir alle wol- len Wildinsekten sowie Bienen vor Schädigungen durch Pflanzenschutzmittel schützen. Dies geschieht auf mehreren Wegen: durch sorgfäl- tige Zulassungsverfahren, durch Bestimmungen zur An- wendung von Pflanzenschutzmitteln, durch Ausbildung der Landwirte, durch Kontrolle der Geräte, mit denen Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden, und durch Kontrolle der Beizverfahren. Diese Aspekte bleiben im Antrag der Grünen weitgehend unberücksichtigt. Doch wir wollen Bienen nicht nur vor einer nicht sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln schützen, sondern auch vor den wirklichen Gefahren für die Bienenvölker: dem Befall mit der Varroamilbe, dem Befall durch den Einzeller Nosema, der Amerikanischen Faulbrut, einer meldepflichtigen Krankheit, die von ei- nem Bakterium ausgelöst wird. Deswegen finanziert die christliche-liberale Koalition seit 2010 gemeinsam mit den Bundesländern das Deut- sche Bienenmonitoring mit insgesamt 800 000 Euro pro Jahr. Wie im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz gestern berichtet, wurden im vergan- 29472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D genen Jahr 1 106 Bienenvölker von 110 Bienenständen untersucht. Zentrales Anliegen des DeBiMo ist es, die Ursachen für Bienenvölkerverluste zu klären. Dazu wer- den Daten zur Völkerentwicklung, zum Honigertrag, zu Bienenkrankheiten und Parasitenbefall wie durch die Varroamilbe sowie imkerliches Management erfasst. Weiterhin wird das Bienenbrot auf Rückstände von ver- schiedenen in der Landwirtschaft genutzten Pflanzen- schutzmitteln, aber auch von Wirkstoffen zur Bekämp- fung der Varroamilbe untersucht. Das Bienenbrot ist der Pollen, den die Stockbienen in den Bienenstock eintra- gen und mit ihrem Speichel vermischen. Durch Fermen- tation wird der Pollen haltbar. Er dient später der Fütte- rung der Brut. Nur über die Kenntnis, wodurch Bienenvölker kon- kret geschädigt werden, werden Ansätze erkennbar, wie sie besser zu schützen sind. Deswegen ist das DeBiMo so besonders wichtig. Die Erkenntnisse aus dem DeBiMo werden im Antrag nicht berücksichtigt. Die Zahl der beim Julius-Kühn-Institut gemeldeten Vergiftungen von Bienenvölkern durch nicht fachge- rechten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist rückläu- fig. Dies zeigt, dass wir in der Verwendung von Pflan- zenschutzmitteln auf einem guten Weg sind. Die Zusammenstellung der Bienenbrotrückstands- untersuchungen für 2010 zeigt, dass Boscalid, ein Fungi- zid, der häufigste nachgewiesene Wirkstoff war, dass Fungizide die häufigste nachgewiesene Wirkstoffgruppe waren und Thiacloprid, ein Bienen nicht schädigendes Insektizid, das häufigste Insektizid war und in 57 Pro- zent der Proben nachgewiesen wurde. Die beiden Neoni- cotinoide Imidacloprid und Clothianidin wurden dage- gen nur in Einzelproben gefunden: Imidacloprid wurde nur in einer und Clothianidin nur in zwei von 518 Bienen- brotproben nachgewiesen (ADIZ 10/2011). Die Beschränkung des Antrags der Grünen auf eine insektizid wirkende Gruppe von Pflanzenschutzmitteln greift viel zu kurz und liegt fachlich völlig daneben. Die FDP-Bundestagsfraktion hat in der letzten Legislatur- periode mit ihrem breitangelegten und sehr anerkannten Antrag „Schutz der Bienenvölker sicherstellen“ aufge- zeigt, wie Bienen besser geschützt werden können. Teile des Antrags sind umgesetzt und zeigen Wirkung. Der Antrag der Grünen lässt wesentliche wissen- schaftliche Untersuchungsergebnisse unberücksichtigt. Es ist schon bemerkenswert, dass in der dreiseitigen An- tragsbegründung zwar Untersuchungsergebnisse aus den USA und Italien erwähnt werden, das weltweit hinsicht- lich Kontinuität und umfassendem Untersuchungsansatz einmalige Deutsche Bienenmonitoring jedoch nicht er- wähnt wird. Weiterhin verwundert, dass nach fünf Jahren steter Kritik an der EFSA auf einmal deren Vorstellungen völ- lig unkritisch übernommen werden. Es wird nicht kriti- siert, dass die EFSA die Ergebnisse des DeBiMo nicht berücksichtigt. Das heißt doch im Klartext, die Grünen akzeptieren nur Ergebnisse von Wissenschaftlern, die ih- nen in den Kram passen, andere nicht. Nach Vorstellung der Grünen soll Wissenschaft grüne Ideologien bestäti- gen; die Realität ist den Grünen völlig schnuppe. Wissenschaftliche Ergebnisse werden von den Grü- nen nur berücksichtigt, wenn sie sich für eigene Vorstel- lungen instrumentalisieren lassen. Widersprüche zur ei- genen Ideologie werden intellektuell nicht verarbeitet. Bei einer solchen eingeschränkten Sicht auf die Realität kann Betriebsblindheit nicht ausbleiben. In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland Raps im Durchschnitt der Jahre auf etwa 1,3 Millionen Hektar angebaut. Über 90 Prozent des Rapssaatguts wur- den mit Neonicotinoiden gebeizt. Raps ist in Deutsch- land die wichtigste Trachtpflanze für Bienen, Rapshonig ist sehr beliebt. Nach Darstellung des DeBiMo wurde in der Nachbarschaft von mehr als 60 Prozent der Monito- ringvölker Raps angebaut. Trotzdem wurden in den ver- gangenen Jahren in den im Rahmen des Bienenmonito- rings durchgeführten Untersuchungen des Bienenbrots neonicotinoide Beizmittel nur in einzelnen Ausnahme- fällen gefunden. Das ist ein deutlicher Widerspruch zu der Annahme des Antrags, dass über die bestehenden Anwendungsbe- stimmungen für den Einsatz von Neonicotinoiden hinaus Verbote erforderlich wären. Die auch von der FDP in ih- rem Antrag geforderten Qualitätskontrollen für gebeiztes Saatgut haben Wirkung gezeigt. Durch den Anbau von Raps werden Bienen nicht geschädigt, im Gegenteil: Raps ist eine wichtige Trachtpflanze für Bienen; der An- bau von Raps unterstützt somit die Imkerei. Das von den Grünen geforderte Verbot der Neonicoti- noide würde den Rapsanbau in Deutschland vermindern; eine wichtige Trachtpflanze würde verloren gehen. Beizung von Saatgut mit insektiziden, systemisch wirkenden Wirkstoffen ist eine effektive Methode, Kul- turpflanzen vor dem Befall mit Schadinsekten zu schüt- zen und gleichzeitig Nichtzielorganismen wie Bienen und Wildinsekten zu schützen. Über die Zertifizierung der Beizverfahren muss sichergestellt werden, dass die Beizung sachgerecht erfolgt, der Abrieb gering ist, in den Boden abgeleitet wird und das Saatgut auch in pneu- matischen Säverfahren ausgebracht werden kann. Beim Rapssaatgut ist dies in Deutschland gelungen. Dies zei- gen unter anderem die Ergebnisse des DeBiMo. Die Zer- tifizierung von gebeiztem Saatgut hat sich in Deutsch- land bewährt; sie sollte in Europa als Vorbild genommen werden. Landwirtschaft und Imkerei stehen miteinander in Beziehung. Die Erfordernisse des Pflanzenschutzes in der Landwirtschaft sollten von Imkern anerkannt wer- den, genauso wie Landwirte die Erfordernisse des Bienen- schutzes anerkennen sollten. Nur ein Miteinander führt in Landwirtschaft und Imkerei zu guten Ergebnissen. Dazu leistet der vorliegende Antrag der Grünen kei- nen Beitrag. Die FDP lehnt ihn ab. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Nach einem gefühlt unendlich langen Winter ist jetzt endlich der Frühling ausgebrochen. Es blüht, summt und brummt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29473 (A) ) )(B) (C (D Für Landwirtinnen und Landwirte beginnt eine arbeitsin- tensive Zeit. Für Imkerinnen und Imker ebenfalls. Ihre Bienen schwärmen aus und sammeln Pollen. Zum Wohle ihres Volkes, seiner Königin und natürlich der neuen Bienengeneration. Damit leisten sie gleichzeitig wich- tige Arbeit zum Wohle der Menschheit – sie bestäuben die Kulturpflanzen für eine reiche Ernte und produzieren Honig für uns. Er gilt als eines der gesündesten Lebens- mittel überhaupt. Wir haben also allen Grund zu tiefer Dankbarkeit und hoher gesellschaftlicher Anerkennung für diesen Beitrag der Imkerinnen und Imker und ihrer Bienenvölker zu un- serer Ernährung. Doch in der Realität wird ihre Arbeit eher als Selbst- verständlichkeit gesehen. Die Wertschätzung in Sonn- tagsreden löst sich bei Interessenskonflikten schnell in Ignoranz auf. Auch wenn es zwischen Bauernhof und Bienenstock so harmonisch summt, ist unsere Welt für Bienen und andere Insekten wenig friedvoll. Sie werden vielfältig bedroht. Der neue Greenpeace-Bericht „Bye, by Biene“ veran- schaulicht das Problem in den USA. Dort sind seit dem Jahr 2004 so viele Honigbienenvölker verloren gegan- gen, dass in den vergangenen fünfzig Jahren noch nie so wenige Bestäuber in Kultur gehalten wurden wie aktuell. In Deutschland ist die Entwicklung nicht so dramatisch. Vielleicht noch nicht; denn das Problem Bienensterben kennt auch unsere einheimische Imkerei unterdessen. Die Ursachen des Bienensterbens sind komplex, und oft ist es wohl die Summe der schädigenden Einflüsse, mit der die Bienenvölker nicht mehr fertig werden. Das heißt, dass wir einen strategischen Ansatz für bienen- freundliche Maßnahmen brauchen und dass wir gleich- zeitig an mehreren Schrauben im System drehen müs- sen. Wird nur eine einzelne Ursache beseitigt, werden die Probleme weiterbestehen. Das darf aber nicht als Ausrede dienen, gar nichts zu tun. Zum Beispiel wären die zur Bedrohung gewordenen Bienenkrankheiten wie Varroamilbe und Nosema viel- leicht besser beherrschbar, wenn die Bienenvölker unter optimalen Lebensbedingungen leben würden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen doch, dass in immer mehr Regionen bie- nenattraktive Blühpflanzen fehlen. Zumindest wenn man die gesamte Vegetationsperiode betrachtet. In der Agrar- landschaft dominieren häufig Raps- oder Maisfelder. Sie bieten nur kurzzeitig Nahrung; Maispollen ist nicht ein- mal eine gute. Flächen mit natürlichen blühenden Acker- kräutern sind selten. Wir brauchen also mehr Bienennah- rung in der Fläche über die gesamte Vegetationsperiode. Deshalb fordert die Linke, beispielsweise Blühweiden oder Ackerrandstreifen wieder fest in die Landbewirt- schaftung zu integrieren. Sie sollten in der neuen EU- Förderperiode als sogenannte ökologische Vorrangflä- chen anerkannt werden, finde ich. Es ist falsch, wenn Bundesregierung und Bauernverband diese immer wie- der als „Stilllegungsflächen“ verunglimpfen. Denn ganz im Gegenteil: Solche Flächen sind weder „still“, noch produzieren sie nichts. Sie „produzieren“ biologische Vielfalt und bieten Nützlingen, wie Bienen und anderen Insekten, Lebensraum und reichhaltiges Nahrungsange- bot. Die Landwirtschaft profitiert also davon, zumindest mittelfristig. Der großflächige und häufige Einsatz von Pflanzen- schutzmitteln gegen Insektenschädlinge ist ebenfalls ein Risiko für die Bienenvölker, selbst wenn der Einsatz nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt. Dabei ist die Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide be- sonders bienengefährlich. In Baden-Württemberg kam es im April/Mai 2008 nach der Aussaat von mit Clothia- nidin behandeltem Mais zum größten Bienensterben seit Jahrzehnten. Rund 700 Imkerinnen und Imker verloren ihre Bestände ganz oder teilweise; insgesamt waren rund 11 500 Völker betroffen. Pro Imkerei lag der Verlust bei durchschnittlichen 17 000 Euro. Auch wenn die technische Ursache dieses Falles be- hoben wurde, zeigt das Beispiel die große Gefahr der Verwendung. Denn mit unbekannten Risiken oder Un- achtsamkeit wird man wohl immer rechnen müssen. Es gibt zahlreiche Studien, die von hohen akuten und chronischen Risiken für Bienen und andere Bestäuber durch Neonicotinoide ausgehen. Es geht eben nicht nur darum, massives Bienensterben zu vermeiden. Vermie- den werden müssen auch die Schädigungen der Bienen, an denen sie nicht gleich sterben. Auch bei Bienen muss der vorsorgende Schutz ernst genommen werden. Das heißt, Bienenschädigungen dürfen nicht länger als Kol- lateralschaden des Insektenschutzes für Pflanzen hinge- nommen werden. Die Konsequenz wäre, dass besonders bienengefährliche Wirkstoffe, wie die Neonicotinoide, nicht mehr verwendet werden. Selbst die EU-Kommission, die nun wahrlich nicht als Speerspitze der ökologischen Bewegung gilt, will ab Sommer 2013 eine zweijährige Anwendungspause für die meisten Anwendungsbereiche dieser Wirkstoff- gruppe. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass die Bun- desregierung dem Vorschlag der EU-Kommission zu- stimmen soll. Für Laien wollen sie diese Wirkstoff- gruppe ganz verbieten. Darüber hinaus soll das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi- cherheit keine befristeten Ausnahmezulassungen für bienenattraktive Kulturen mehr erteilen dürfen. Das Ri- sikobewertungs- und Zulassungsverfahren müsse ver- bessert werden. Diese Forderungen teilt die Linksfrak- tion. Aber statt eine weitreichende Anwendungspause von bienengefährlichen Neonicotinoiden voranzubringen, blockiert Ministerin Aigner in Brüssel den Vorschlag der EU-Kommission. Obwohl mir Staatssekretär Dr. Müller auf eine Anfrage im März mitteilte, dass die Bundesre- gierung EU-weite Maßnahmen gegen Neonicotinoide unterstützen wird. Leider hat sich die Bundesrepublik je- doch im zuständigen Ausschuss für die Lebensmittel- kette und die Tiergesundheit enthalten. Ihre Forderung nach Ausnahmen vom Zwei-Jahres-Verbot dieser beson- ders bienengefährlichen Insektizide, beispielsweise für bienenunattraktive Pflanzen, ist uns zu weitreichend. 29474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D Der Vorschlag der EU-Kommission, die Anwendungs- erlaubnis zeitlich befristet auszusetzen, bietet die Gele- genheit, das Risiko für die Insektenwelt weiter zu un- tersuchen. Diese Analysen sollten unabhängig und transparent erfolgen. Wenn selbst die industriefreundli- che Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, 2013 in einem Gutachten an der Sicherheit die- ser Insektizidgruppe zweifelt, mahnt das zur Neonicoti- noid-Pause. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das heißt nicht, dass es danach zwangsläufig zu einem Totalverbot kommen muss. In England konnten zum Beispiel in ei- ner neuen Studie keine signifikanten Effekte von Neoni- cotinoiden auf Sterberate oder Krankheitshäufigkeit bei Hummelvölkern gefunden werden. Auch die Frage nach Alternativen im Pflanzenschutz muss beantwortet wer- den. Letztendlich geht es vor allem darum, unsere Agrar- landschaft bienenfreundlicher zu gestalten. Alles, was diese wichtigen Bestäuberinnen gefährdet, muss redu- ziert werden. Dazu gehören auch bienengefährliche Pflanzenschutzmittel und speziell die Neonicotinoide. Darum stimmt die Linksfraktion dem Antrag der Grünen zu. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach Atrazin, Glyphosat und vielen anderen Pestizidwirkstof- fen stehen mit den Neonicotinoiden erneut Pflanzen- schutzmittel im Fokus der Kritik. Seit Jahren schon ver- dichten sich die Hinweise, dass diese Wirkstoffgruppe besonders gefährlich für Bienen und andere Insekten ist. Die Vergiftung von 12 000 ganzen Bienenvölkern im Oberrheintal im Jahr 2008 durch Staubabrieb von Mais- saatgut, das mit dem Neonicotinoid Clothianidin behan- delt war, ist ein erschreckendes Extrembeispiel. Doch die Auswirkungen dieser Nervengifte sind nicht immer sofort sichtbar oder tödlich: Der Toxikologe Dr. Henk Tennekes hat bereits 2010 belegt, dass die Wir- kung selbst kleinster Mengen an Neonicotinoiden irre- versibel ist und die Nervenzellen dauerhaft geschädigt werden. Das macht Neonicotinoide zu einer tickenden Zeitbombe, die zum Zusammenbruch ganzer Vogelpopu- lationen führen kann, die sich von Insekten ernähren. Bereits Konzentrationen von weniger als einem Milli- ardstel Gramm pro Biene verursachen subletale, also nicht akut tödliche Effekte, die das Kommunikations-, Lern- und Orientierungsvermögen der Tiere stören und zum Zusammenbruch eines Bienenvolkes führen kön- nen. Dass europäische Zulassungsverfahren für Pestizide solche Gefahren nicht aufdecken, ist skandalös und muss sich dringend ändern! Selbst die EFSA als EU-Fachbehörde für die Risiko- bewertung von Pestiziden konnte nicht länger die erdrü- ckende wissenschaftliche Beweislast ignorieren. Ihre jüngsten Gutachten zu den drei Wirkstoffen Clothiani- din, Imidacloprid und Thiamethoxam belegen, dass de- ren Risiken für Bienen und andere Insekten bislang ex- trem unterschätzt wurden. Nach geltendem EU-Recht dürfen Pestizide aber nur dann in der EU zugelassen sein, wenn sie keine inakzep- tablen Auswirkungen auf Bienen haben. Wenn nun selbst die industriefreundliche EFSA vor massiven Risi- ken durch Neonicotinoide warnt, müssen wir endlich handeln; dies sehen auch die Agrarminister der Bundes- länder so! Eine Zustimmung zum Vorschlag der EU- Kommission für ein Moratorium bei bienenattraktiven Kulturen ist daher zwingend geboten, wenn wir den ak- tuellen Stand der Wissenschaft und das Vorsorgeprinzip ernst nehmen. Aber was tut die Bundesregierung? In Pressemittei- lungen heftet sie sich zwar den Bienenschutz ans Revers. Doch wer gehofft hat, Ministerin Aigner würde sich für den Kommissionsplan einsetzen, wird enttäuscht. Ihr Haus ignoriert weitgehend die besorgniserregenden Fak- ten und handelt nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Der Kommissionsvorschlag, so behauptet das BMELV, stelle eine Verschlechterung des Status quo des Bienenschutzes in Deutschland dar, da Wintergetreide im Brüsseler Plan nicht erfasst sei. Das ist absurd! Zum einen bleibt das geplante Einsatzverbot in bienenattrakti- ven Kulturen dringend notwendig für eine deutliche Ver- besserung des Bienenschutzes. Vor allem aber kann Deutschland auch in Zukunft strengere Anwendungsbe- schränkungen erlassen, die über das EU-Niveau hinaus- gehen. Warum setzt sich die Bundesregierung in Brüssel dann nicht für eine Ausweitung des Kommissionsvor- schlages ein, sondern arbeitet hinter den Kulissen an ei- ner Mehrheit gegen ihn? Die angeblichen Sorgen der Bundesregierung um den Bienenschutz sind nichts ande- res als falsche Krokodilstränen, um von ihrem Ziel abzu- lenken, im Interesse der Hersteller Einschränkungen bei Pestiziden zu verhindern. Dabei stützt sich Schwarz-Gelb gerne auf das Deut- sche Bienenmonitoring, DeBiMo. Das krankt aber an grundlegenden methodischen Schwächen, die in Bezug auf Neonicotinoide besonders deutlich werden. Denn es kann wesentliche Auswirkungen wie die subletalen Ef- fekte oder Kombinationswirkungen verschiedener Pesti- zide gar nicht erfassen. Ein Monitoring kann niemals die Aussagekraft der experimentellen Studien mit Kontroll- gruppen erreichen, auf die sich die EFSA stützt. Der Rückgriff der Bundesregierung auf das DeBiMo gleicht dabei einer Schutzbehauptung, wie auch die letzte Sit- zung des Agrarausschusses gezeigt hat: Das Bundes- landwirtschaftsministerium war dort weder willens noch in der Lage, aus dem DeBiMo-Zwischenbericht bezüg- lich Pestizidrückständen konkrete Schlussfolgerungen oder Konsequenzen zu ziehen. Doch selbst die wenigen Daten des Zwischenberichts geben Anlass zur Sorge: Über 90 Prozent der Bienenbrotproben sind mit mehr als fünf verschiedenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen be- lastet. Hinzu kommt eine steigende Belastung durch Wirkstoffe aus der Rapsblütenspritzung. Bienen und ihr gesundheitliche Situation sind ein wichtiger Indikator dafür, wie es um zahlreiche Arten wilder Bestäuber, Schmetterlinge und unsere Ökosys- teme insgesamt bestellt ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29475 (A) ) )(B) (C (D Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist Handeln zum Schutz der Bestäuber dringend geboten. Der geschätzte Wert der Bestäubungsleistungen beträgt allein für die EU circa 15 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen die unbezahlbaren und kaum bezifferbaren Ökosystem- dienstleistungen wie der Erhalt der Artenvielfalt, da sehr viele Wildpflanzen für ihr Überleben auf Insektenbe- stäubung angewiesen sind. Selbst wenn man Zahlen der Industrie glaubt, beläuft sich der Bestäubungswert auf ein Vielfaches der angeblichen Kosten durch ein Verbot der Saatgutbehandlung mit Neonicotinoiden. Studien aus Italien und Großbritannien zeigen außerdem, dass ein Verzicht auf die Beizung nicht mit Ertragseinbußen ver- bunden sein muss. Eine Szene im Dokumentarfilm „More than honey“ zeigt chinesische Wanderarbeiter, die mit dem Pinsel in der Hand mühsam Blüte für Blüte von Apfelbäumen be- stäuben. In der betroffenen Region Chinas gibt es seit Maos Zeiten keine Bienen mehr, weil diese durch Pesti- zide vernichtet wurden, die anstelle der ausgerotteten Spatzen gegen Schädlingsplagen eingesetzt wurden. Diese Geschichte lehrt uns: Eine Landwirtschaft, die keine Rücksicht und keinen Raum für Natur lässt, ist nicht zukunftsfähig. Das Moratorium für Neonicotinoide ist ein wichtiger Meilenstein für den Bienenschutz. Die zwei Jahre müs- sen genutzt werden, um möglichst umfassend die ökolo- gischen Risiken der Neonicotinoide zu klären und genau zu prüfen, in welchen Bereichen eine Anwendung von Neonicotinoiden noch vertretbar ist. Generell gehört die hohe Abhängigkeit der konventionellen Landwirtschaft von Pflanzenschutzmitteln auf den Prüfstand. Wir for- dern daher von der Bundesregierung, ein umfassendes Konzept für einen Komplettausstieg aus den Neonicoti- noiden zu erarbeiten. Ministerin Aigner ist gut beraten, dem jüngsten Beschluss der Agrarministerkonferenz zu folgen, die diese Forderung ebenfalls erhebt. Vor allem aber muss die Bundesregierung jetzt in Brüssel dem Vorschlag der EU-Kommission für ein An- wendungsmoratorium für Neonicotinoide zustimmen. Daran werden wir sie messen. Und daran wird sich zei- gen, ob die öffentlichen Bekenntnisse der Bundesregie- rung zum Bienenschutz ernst zu nehmen sind. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Konsequente Umset- zung des Public Corporate Governance Kodex (Zusatztagesordnungspunkt 10) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Mit dem Public Corporate Governance Kodex, kurz Public Kodex, hat die Bundesregierung 2009 privaten Unternehmen mit überwiegender Bundesbeteiligung eine Richtschnur für gute Unternehmensführung an die Hand gegeben. Der Kodex beansprucht für sich, wesentliche Bestimmungen geltenden Rechts zur Leitung und Überwachung von Unternehmen, an denen die Bundesrepublik Deutsch- land beteiligt ist, sowie nationale und international an- erkannte Standards guter und verantwortungsvoller Un- ternehmensführung zu enthalten. Er spiegelt also gesetzliche Regelungen ebenso wider wie Empfehlun- gen und Anregungen. Der Public Kodex lehnt sich in großen Teilen an die Formulierungen des privatwirtschaftlichen Deutschen Corporate Governance Kodex an. Im Vergleich wird im Public Kodex jedoch berücksichtigt, dass die zahlrei- chen nicht börsennotierten Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, im Gegensatz zu den großen börsen- notierten Gesellschaften sehr unterschiedliche Struktu- ren haben. Wir finden von Großunternehmen bis zu kleinen Zweckgesellschaften unterschiedlichste Rechts- formen. Gerade diese Bandbreite verdeutlicht auch den Sinn eines Public Corporate Governance Kodexes, der eine flexiblere und individuellere Handreichung für eine gute Unternehmensführung erlaubt. Als Zielsetzung formuliert der Public Kodex insbe- sondere eine bessere Leitung und Überwachung der Un- ternehmen durch dessen Organe und eine bessere und wirtschaftlichere Erfüllung der durch die Unterneh- mensbeteiligung verfolgten Absichten. Konkret werden verbesserte Arbeitsstrukturen und -prozesse der Unter- nehmensorgane, die Rechnungslegung und Transpa- renzkriterien genannt. Zur Transparenz gehört in besonderem Maße auch die Vergütung der Geschäftsführung und der Mitglieder des Überwachungsorgans eines Unternehmens. Die Gesamtvergütung jedes Mitglieds der Geschäfts- führung soll individualisiert, aufgeteilt nach erfolgsun- abhängigen, erfolgsbezogenen und Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, unter Namensnennung in allgemein verständlicher Form im Corporate-Gover- nance-Bericht dargestellt werden. Diese Veröffentli- chungspflicht berührt dabei das grundgesetzlich ge- schützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Gleichwohl lässt sich in der Güterabwägung die Frage zu Recht zugunsten eines Bedürfnisses auf Transparenz entscheiden. Die Transparenz ist erforderlich, da es sich bei den Vergütungen um den Einsatz öffentlicher Mittel handelt. Auf diese Weise wird dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Rechnung getragen und gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, die Zahlungen zu vergleichen. Der Public Corporate Governance Kodex formuliert dieses Bedürfnis nach Transparenz als Empfehlung. So heißt es entsprechend: „Die Gesamtvergütung soll … dargestellt werden.“ Dieses Konstrukt der Empfehlung hat zwei Gründe: erstens die bereits angesprochene Bandbreite an unter- schiedlichen Unternehmensformen und -arten, an denen der Bund beteiligt ist; zweitens bereits existierende, aus- drückliche Regelungen, die einer Umsetzung rechtlich im Wege stehen. Entsprechend wurden die Empfehlungen unter Zu- grundelegung der Rechtsverhältnisse bei Kapitalgesell- 29476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) (C (D schaften entwickelt, um sie bei anderer Rechtsform auch auf andere körperschaftliche Struktur- und Organverhält- nisse übertragen zu können. Mit dieser Berücksichtigung rechtsform- sowie unternehmensspezifischer Bedürf- nisse trage der Kodex zur Flexibilisierung und Selbstre- gulierung bei. Die Unternehmen könnten explizit von den Empfehlungen abweichen, seien aber verpflichtet, dies jährlich in ihrem Corporate-Governance-Bericht – im sogenannten Comply-or-Explain-Mechanismus – offenzulegen, heißt es im Kodex. Die Frage der Vergütungen ist dabei besonders sensi- bel. Das verdeutlicht auch der Antrag der Grünen, der im Titel zwar auf die Umsetzung des Public Corporate Governance Kodex im Ganzen abhebt, inhaltlich jedoch ausschließlich auf die Vergütungsfrage rekurriert. In der Tat fallen bei der Durchsicht des aktuellen Be- teiligungsberichtes des Bundes vom Februar 2013 einige Unternehmen auf, die die Vergütungen ihrer Geschäfts- führungen, Vorstände und gegebenenfalls Aufsichtsräte nicht oder nicht individuell ausweisen. Wie bereits aus den diversen Antworten des Parlamentarischen Staatsse- kretärs beim Bundesminister der Finanzen, des Kollegen Kampeter, hervorgeht, liegen dafür insbesondere zwei Gründe vor: Zum einen können Betroffene, deren Vertragsverhält- nisse vor der Umsetzung des Public Corporate Gover- nance Kodex geschlossen wurden, ihr Einverständnis zur Offenlegung verweigern. Zum anderen muss für alle Mitglieder der Geschäftsführung die Zustimmung vor- liegen, da ein Geschäftsführer mit einem Altvertrag auf- grund der Regelung des § 286 Abs. 4 des Handelsgesetz- buches eine individualisierte Offenlegung verhindern kann, wenn sich aus anderen Angaben Rückschlüsse auf die eigenen Bezüge ergeben können. Entsprechend des Comply-or-Explain-Mechanismus ist dies etwa dem Be- teiligungsbericht auch deutlich und für jede Beteiligung des Bundes ersichtlich zu entnehmen. Pacta sunt servanda – daran kann auch ein Grünen- Antrag nichts ändern. Die Zeit wird hier die Dinge je- doch in unser aller Sinne regeln. Satzungsänderungsver- fahren zur Verankerung des Public Kodex, die sukzes- sive Anpassung der Anstellungsverträge und weitere Neuverträge werden das zeigen. Ihrem Antrag heute zuzustimmen, hätte hingegen le- diglich den Effekt von weißer Salbe. Ebenso wohlfeil ist Ihre Forderung, auch bei Minder- heitsbeteiligungen – allein der Beteiligungsbericht listet hier 646 mittelbare Beteiligungen mit einem Nennkapi- tal von über 50 000 Euro und mit über 25 Prozent An- teilsbeteiligung auf – auf die Umsetzung des Public Ko- dex hinzuwirken. Auch das ist längst Realität und wird im Rahmen der Einwirkungsmöglichkeiten der Verant- wortlichen so gehandhabt. Auch hier ist der Antrag der Grünen ein Placebo ohne Effekt. Aus diesen Gründen plädiere ich für die Ablehnung des Antrags. Ingo Egloff (SPD): Der hier vorliegende Bericht und die Entscheidung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie über die Frage des Public Kodex und der Verankerung desselben in den Unternehmen des Bundes oder solchen mit Bundesbeteiligung zeigt, dass die Re- gierungsfraktionen wieder einmal wohltönenden Ankün- digungen keine Taten folgen lassen. Allein die Tatsache, dass wir ewig lange gebraucht haben, um den Antrag zu behandeln und ihn dann ein- fach abzulehnen, zeigt, dass hier nicht mit dem nötigen Nachdruck gearbeitet wird. Zwar ist uns bewusst, dass es hier Persönlichkeitsrechte zu beachten gilt, aber hier ist eine Abwägung vorzunehmen. Denn wenn der Staat in Form des Privatrechts handelt oder an privaten Unter- nehmungen beteiligt ist, dann besteht ein Anspruch der Öffentlichkeit darauf, hier Auskunft darüber zu erlan- gen, wie die Gehalts- und Bezahlungsstruktur ist. Natürlich kann man dies auch in den Satzungen der Unternehmen verankern und individualrechtlich mit den Betroffenen vereinbaren, um hier rechtliche Zweifel zu beseitigen. In Zeiten, in denen über Vorstandsvergütun- gen öffentlich heftig gestritten wird, in denen man davon ausgehen muss, dass es insbesondere auf Vorbildfunktio- nen des Staates ankommt, kann man dieser Entwicklung staatlicherseits nicht mehr mit rechtlichen Begründun- gen ausweichen. Wer bei privaten Unternehmen Publizi- tät fordert, die Einhaltung von Compliance-Richtlinien etc., der kann sich als öffentliche Hand derartigen Forde- rungen nicht verweigern. Deshalb ist das Abstimmungs- verhalten der Regierungskoalition nicht verständlich. Die SPD-Fraktion unterstützt den Ursprungsantrag der Grünen, weil es hier aufseiten des Staates Bewegung geben muss. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Wir beraten hier die Beschlussempfehlung und den Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem An- trag „Konsequente Umsetzung des Public Corporate Governance Kodex“ von Bündnis 90/Die Grünen. Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes, PCGK, enthält Bestimmungen zur Leitung und Über- wachung von Unternehmen, an denen der Bund betei- ligt ist. Ziel dieses Kodex ist es, die Unternehmen transparenter und Entscheidungen nachvollziehbarer zu gestalten. Der PCGK bezieht sich auf Unternehmen, die juristische Personen des Privatrechts sind und an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist. Verfügt der Bund nicht über eine Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen, kann diesem die Beachtung des PCGK nur empfohlen werden. Da die Grünen an der äußerst erfolgreichen Ausge- staltung dieses Kodex durch die schwarz-gelbe Bundes- regierung keinen Anstoß nehmen können, ist der einzige teilweise nachvollziehbare Anwurf, dass der Kodex nicht schnell genug in allen Mehrheitsbeteiligungen des Bundes umgesetzt worden sei. Es gab hier mehrfach Be- richte der Bundesregierung über die Umsetzung des PCGK. Doch haben wir bei den Mehrheitsbeteiligungen des Bundes den PCGK weitgehend umgesetzt. Die letz- ten offenen Fragen, so die Offenlegung der Vergütung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 29477 (A) ) )(B) (C (D der Geschäftsführung, der Vorstände und der Aufsichts- räte, können spätestens ab dem Geschäftsjahr 2013 be- antwortet werden. Erfreulich ist auch, dass bei den meisten Beteiligun- gen unseres liberal geführten Wirtschaftsministeriums – Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH, Deutsche Energie-Agentur GmbH, High-Tech Gründerfonds, Ger- many Trade and Invest, WIK GmbH, Wismut GmbH – der PCGK bereits ausnahmslos umgesetzt worden ist. Unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist und bleibt ein wichtiges Signal und Vorbild auch für alle rein privat- wirtschaftlich organisierten deutschen Unternehmen. Auch der Wunsch der Grünen, den Kodex bei Min- derheitsbeteiligungen des Bundes mit der Brechstange durchzusetzen, ist wieder ein Wunschtraum von aus- ufernden staatlichen Regelungsfantasien und ist nicht mit der Realität in der Geschäftswelt vereinbar. Aller- dings haben die Bemühungen des Bundes zur Umset- zung der Transparenzvorgaben des Kodex auch bei den Minderheitsbeteiligungen zu einer verbesserten Offenle- gung zumindest der Gesamtvergütungen geführt. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist somit gegenstandslos oder hat sich bereits selbst über- lebt. Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes ist weitgehend umgesetzt. Insbesondere die Gesamtvergütungen werden nahezu flächendeckend of- fengelegt. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu Transpa- renz und dem Nachvollziehen von Entscheidungen bei den Mehrheitsbeteiligungen des Bundes. Deshalb ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- schaft und Technologie nicht nur nachvollziehbar, son- dern auch die einzig richtige Entscheidung für die Schaffung von mehr Transparenz bei den Unterneh- mensbeteiligungen des Bundes. Dies unterstützen wir nachdrücklich. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die Beteiligung der öf- fentlichen Hand an Unternehmen bringt eine besondere Verantwortung mit sich. Die Bürgerinnen und Bürger ha- ben das Recht auf Transparenz und Kontrolle der Unter- nehmen und auf Rechenschaft über die Verwendung der öffentlichen Gelder. Dazu gehört auch die Vergütung der Geschäftsführung sowie der Vorstände und Aufsichts- ratsmitglieder. In diesem Sinne können wir dem Antrag der Grünen zustimmen. Für die Führung eines Unternehmens im Interesse der Öffentlichkeit reicht das allerdings nicht aus. Wir brau- chen endlich eine Änderung des Aktienrechts. Auf- sichtsratsmitglieder des Bundes müssen „im Namen der Bundesregierung“ oder „im Namen des Bundes“ han- deln. Das „Gemeinwohl“ muss Vorrang vor den Unter- nehmensinteressen bekommen. Derzeit sind – so der Bundesgerichtshof – die Aufsichtsratsmitglieder im Falle vorliegender kollidierender Interessen zwischen Gemeinwohl und Unternehmenswohl nämlich in erster Linie dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Der Public Corporate Governance Kodex wurde von einigen Bundesländern übernommen und soll auch für kommunale Unternehmen gelten. Öffentliche Dienstleis- tungen und Güter sind das Fundament einer Gesell- schaft, in der alle Menschen an gesellschaftlichen Pro- zessen teilhaben können. Über den engen Begriff der Daseinsvorsorge hinaus gibt es weitere Aspekte für öf- fentliche Leistungen: als Schutz vor privater Einfluss- nahme wie zum Beispiel im Bereich der Kindertagesstät- ten und Schulen, um Aspekte aus dem sozialen oder ökologischen Bereich ausreichend zu berücksichtigen oder auch einfach als Recht der Kommune, sich wirt- schaftlich zu betätigen. Kommunale Unternehmen sind vielfach Vorausset- zung für eine dezentrale, bürgernahe, soziale und um- weltverträgliche Politik, allerdings keine Garanten dafür. In vielen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen be- schränken sich die Kommunen auf ihre Rolle als Dividen- denempfänger, ohne Mitentscheidungsrechte einzufordern. Statt ihre Beteiligungen als reine Vermögensverwaltung zu verstehen, sollten die Kommunen sie durch gutes und transparentes Management zur politischen Steuerung im Sinne des Gemeinwohls nutzen. Deshalb müssen Trans- parenz und demokratische Kontrolle ausgebaut werden. Hier kann der Public Corporate Governance Kodex als Richtschnur, als Mindeststandard für die Leitung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen zugrunde gelegt werden. Wie die Präambel des Kodex fordert, hätte ein kommunales Unternehmen dann wenigstens jährlich of- fenzulegen, wo und warum es von den Empfehlungen ei- nes solchen Kodex abweicht. Aber auch auf Landesebene und bei kommunalen Unternehmen gilt: Transparenz kann nur ein Schritt zu einer echten demokratischen Kontrolle sein. Die Trans- parenz und demokratische Kontrolle öffentlicher Unter- nehmen sowie ihre Rolle für den sozial-ökologischen Umbau muss durch die gewählte Rechtsform, die Fest- legung des Unternehmenszieles sowie die Zusammen- setzung von Aufsichtsräten und Beiräten, ihre Verpflich- tung auf das Gemeinwohl sowie die Einführung eines Initiativrechtes sichergestellt werden. Die Bürgerinnen und Bürger müssen an der Entwicklung der Strategie öf- fentlicher Unternehmen beteiligt werden, sei es über Bürgerversammlungen, Bürgerhaushalte oder andere Formen direkter Demokratie. Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit unserem Antrag „Konsequente Umset- zung des Public Corporate Governance Kodex“ setzen wir uns für eine schnelle und umfassende Umsetzung von Leitlinien zur guten Unternehmensführung, des soge- nannten Public Corporate Governance Kodex, in allen Bundesbeteiligungen ein. Betriebe mit Beteiligung des Bundes sollen grund- sätzlich eine Vorbildrolle einnehmen. Gerade von ihnen kann man erwarten, dass sie die obligatorischen Grund- sätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung um- setzen. Das ist bislang nur langsam passiert. Seit der Ver- abschiedung im Sommer 2009 kommt die Umsetzung der Empfehlungen aus dem Public Kodex zwar voran, es gibt aber nach wie vor Unternehmen in Bundesbesitz, die den Public Kodex noch nicht in ihren Satzungen ver- ankert haben bzw. die Gehälter von Geschäftsführerin- 29478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 234. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. April 2013 (A) ) )(B) V (D der Überschrift „Unternehmer Staat“ über vielfältige Fehlentwicklungen in öffentlichen Unternehmen, die re- gelmäßig finanzielle Folgen für die Eigentümerinnen und Eigentümer und im Zuge dessen natürlich auch für deren Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Gläubiger haben. Deshalb soll sich die Bundesregierung dafür einset- zen, dass in allen Satzungen der Unternehmen mit Mehr- heitsbeteiligungen des Bundes schnellstmöglich der Pu- blic Corporate Governance Kodex des Bundes verankert wird. Davon ausgenommen sind börsennotierte Unter- nehmen, denn für sie gilt der Deutsche Corporate Gover- nance Kodex. Wir wollen für die Zukunft, dass bei allen Änderun- gen der Verträge der Mitglieder der Geschäftsführung, der Vorstände und Aufsichtsräte sowie bei sämtlichen Neuanstellungen von Geschäftsführerinnen und Ge- schäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten festge- setzt wird, dass deren Vergütung unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und der zu dieser Frage ergangenen einschlägigen Rechtsprechung auf gesetzlicher Grundlage grundsätzlich transparent und in namentlicher Aufzählung offengelegt wird. Im Public Kodex ist die Offenlegung der Vergütung von Geschäftsführern und Vorständen als Empfehlung enthalten. So ist eine Abweichung vom Kodex möglich, die lediglich im jährlichen Corporate-Governance-Be- richt vermerkt werden muss. Die Zahl der Unternehmen, die die Bezüge der Vorstände und Aufsichtsräte tatsäch- lich individuell veröffentlichen, zeigt, dass eine freiwil- lige Empfehlung zu kurz greift. Als Anteilseigner kann der Bund maßgeblich darauf hinwirken, wie und ob der Public Corporate Governance Kodex umgesetzt wird, und für eine klare gesetzliche Offenlegungspflicht der überwiegt grundsätzlich das Interesse der Beteiligungs- verwaltung, der Steuerzahler und der Öffentlichkeit da- ran, über die Verwendung der eingesetzten öffentlichen Mittel Rechenschaft zu erhalten, gegenüber den dadurch betroffenen Persönlichkeitsrechten und einem mögli- chen Bedürfnis nach Geheimhaltung. Betriebe mit Betei- ligung des Bundes sollen grundsätzlich eine Vorbildrolle einnehmen und die obligatorischen Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung umsetzen. In der Antwort auf meine schriftlichen Fragen 454 und 455 vom Februar letzten Jahres beruft sich das Bun- desministerium der Finanzen auf laufende Satzungsän- derungverfahren, in denen der Kodex dann verankert werden solle. Seit der Verabschiedung im Sommer 2009 kommt die Umsetzung der Empfehlungen aber nicht schnell genug voran. Nach den Informationen der Ant- wort auf diese Fragen weisen nur 17,5 Prozent der staat- lich kontrollierten Betriebe die Bezüge der Vorstände in- dividuell aus. Daher sollen die für die Führung der Beteiligung zuständigen Bundesministerien darauf hin- wirken, bei den Unternehmen, die die Regelwerke noch immer nicht angepasst haben, schnellstmöglich eine Sat- zungsänderung zugunsten der Einbindung des Public Kodex zu erwirken. Als damals noch relativ frisch dazugekommene Ab- geordnete war mein Wunsch, den Public Kodex bis Ende des Jahres 2012 umgesetzt zu sehen, wohl etwas sehr op- timistisch. Die Mühlen der Demokratie mahlen langsam. Insofern hoffe ich, dass der Antrag nun sinngemäß schnellstmöglich angenommen und umgesetzt wird. Für die Bundesregierung handelt es sich dabei um einen ge- ringen Aufwand, von dem die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einen nachhaltigen Mehrwert haben. Des- halb hoffe ich auf die Zustimmung des Hauses. (Cnen und Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichts- räten noch nicht individualisiert veröffentlichen. Der Public Kodex orientiert sich inhaltlich an der ak- tuellen gesetzgeberischen Situation, enthält aber darüber hinaus noch Anregungen und Empfehlungen, die sich zum Beispiel auf die Zusammensetzung von Aufsichts- räten oder die transparente, individualisierte Offenle- gung von Vorstandsgehältern beziehen. Es geht darum, zu verhindern, dass eine mangelhafte Unternehmens- überwachung und -leitung zu eigentlich vermeidbaren fi- nanziellen Belastungen oder gar Unternehmenszusam- menbrüchen führt. Nicht umsonst berichtet der Bund der Steuerzahler in seinem alljährlichen Schwarzbuch unter Vergütung sorgen. Nur so kann die Unternehmensfüh- rung und -überwachung ehrlich, konsequent und trans- parent gestaltet werden. Die öffentliche Bekanntmachung von individuell zu- ordenbaren Vergütungen stellt zwar einen rechtferti- gungsbedürftigen Eingriff in Art. 8 EMRK bzw. das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen dar. Die einschlägigen Gerichte betonen al- lerdings die Umsetzbarkeit des Transparenzanspruches, soweit besondere privatheitsschützende Elemente beach- tet werden. Im Falle von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsge 234. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 2 Regierungserklärung zur Finanzhilfe für Zypern TOP 4 Quote in Führungsgremien TOP 42, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 43, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 5 Aktuelle Stunde zum Kampf gegen Steuerhinterziehung TOP 3 Enquete – Internet und digitale Gesellschaft TOP 6 Teilzeitarbeit und Arbeit auf Abruf TOP 5 Schutz vor unseriösen Geschäftspraktiken TOP 8 Wohn- und Mietensituation von Studierenden TOP 9 Tourismus im ländlichen Raum TOP 10 Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft ZP 6 Gutachten der Monopolkommission TOP 12, ZP 7, 8Menschenrechtslage in der Westsahara TOP 13Zusammenarbeit in EU-Angelegenheiten (EUZBBG) TOP 14 Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben TOP 15 Altersgeld für freiwillig ausscheidende Beamte TOP 25 Gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr TOP 17 Begrenzung der Patentierung von Software TOP 18 Parlamentsbeteiligung bei globaler Umwelt-Governance TOP 19 Behinderungskompensierende Technologien TOP 20 Förderung der elektronischen Verwaltung TOP 21 Förderung Einfacher Sprache in Deutschland TOP 22 Beitragsschulden in der Krankenversicherung TOP 23 Teilhabe am Sport für Menschen mit Behinderungen TOP 26 Investitionen in Ersatz von Schienenwegen TOP 29 Rücknahme von Energiesparlampen TOP 28 Familienpflegezeit für Bundesbeamte TOP 27 Fortsetzung der Braunkohlesanierung TOP 30 Professorenbesoldung ZP 9 Schutz von Bienen und anderen Insekten TOP 32 Neuregelung des gesetzlichen Messwesens TOP 31 Volksabstimmungen bei Änderung der EU-Verträge TOP 34 Übertragung gerichtlicher Aufgaben auf Notare ZP 10 Public Corporate Governance Kodex TOP 35 Rechte von ausländischen Arbeitnehmern TOP 33 Produkte mit geregelter Mindestnutzungsdauer Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Armin Schuster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesre-

    gierung regeln wir die Besoldung der Professoren des
    Bundes neu. Dies ist notwendig geworden, nachdem

    das Bundesverfassungsgericht im Februar 2012 we-
    sentliche Teile der bisher geltenden Besoldung für un-
    wirksam erklärt hatte. Die Neuregelung beinhaltet
    nun, dass die Grundgehälter der Besoldungsgruppen
    W 2 und W 3 steigen. Zugleich werden für diese Grup-
    pen Erfahrungsstufen eingeführt. Leistungsbezogene
    Besoldungsbestandteile – und damit die Grundlagen
    des Leistungsprinzips – bleiben dennoch erhalten.
    Dafür haben wir uns in der parlamentarischen Diskus-
    sion eingesetzt. Funktionsleistungsbezüge werden
    nicht angerechnet, ebenso wenig besondere Leistungs-
    bezüge. Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge sollten
    entsprechend dem Ursprungsentwurf voll auf das
    neue, erhöhte Grundgehalt angerechnet werden. Mit
    unserem Änderungsantrag sorgen wir als bürgerlich-
    liberale Koalition dafür, dass bei diesen Zuschlägen
    30 Prozent anrechnungsfrei bleiben. Besondere Leis-
    tungen sollen auch weiterhin angemessen honoriert
    werden. Im Vergleich zu den Länderregelungen erhält
    sich der Bund damit eine wettbewerbsfähige Position
    um die besten Köpfe.

    In diesem Gesetz sind noch einige weitere dienst-
    rechtliche Fragen neu geregelt worden, die sich auf-
    grund von praktischen Erfordernissen oder aus der
    Rechtsprechung ergeben haben. So mussten wir die
    Arbeitszeiten für die Feuerwehrleute der Bundeswehr
    anheben. Eine Änderung der Arbeitszeitverordnung ist
    aus rechtlichen Gründen zwingend geboten. Regelmä-
    ßige Mehrarbeit ist im mittleren feuerwehrtechnischen
    Dienst bei der Bundeswehr die Regel und ein Freizeit-
    ausgleich normalerweise dienstrechtlich nicht mög-
    lich. Die über die regelmäßige wöchentliche Arbeits-
    zeit von 41 Stunden hinausgehenden Arbeitsstunden
    wurden bislang durch Mehrarbeitsvergütung abgegli-
    chen.

    Der Bundesrechnungshof hat mehrfach diese bishe-
    rige Arbeitszeitregelung und die Vergütungspraxis als
    rechtswidrig beanstandet. Er hat angemahnt, dass
    Mehrarbeitsvergütung nur in Ausnahmefällen gewährt
    werden darf. Eine dauerhafte Zahlung von Mehr-
    arbeitsvergütung ist rechtlich nicht zulässig.

    Der Bundesrechnungshof hat auch die Festlegung
    der Arbeitszeit im Einsatzdienst der Bundeswehrfeuer-
    wehren als rechtswidrig beanstandet. Die Bundes-
    arbeitszeitverordnung sieht vor, dass bei einem nicht
    unerheblichen Anteil an Bereitschaftsdienst und Vor-
    liegen von dienstlichen Bedürfnissen die Arbeitszeit
    auf bis zu 48 Stunden pro Woche angehoben werden
    kann. Da es sich um eine sogenannte gebundene Er-
    messensentscheidung handelt, muss der Dienstherr im
    vorliegenden Fall die Arbeitszeit anheben. Die bishe-
    rige Arbeitszeitregelung und die damit verbundene
    Mehrarbeitsvergütungspraxis ist nicht länger auf-
    rechtzuerhalten.

    Angesichts des hohen Anteils des Bereitschafts-
    dienstes ist die Anhebung der Wochenarbeitszeit auf
    48 Stunden nachvollziehbar. Die neue Regelung unter-
    scheidet sich im Übrigen nicht von den Festlegungen
    der Länder und Kommunen. Dort sind im Feuerwehr-





    Armin Schuster (Weil am Rhein)



    (A) )


    )(B)


    (C (D dienst ebenfalls 48 Stunden Wochenarbeitszeit die Regel. Um die im Rahmen der sogenannten Opt-out-Regelung freiwillig geleistete, über 48 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit attraktiv zu halten, hatte der Gesetzentwurf ursprünglich einen neuen Besoldungsbestandteil vorgesehen. Der dadurch erreichte Ausgleich war höher als der auf der Grundlage der zutreffenden Mehrarbeitsberechnung zustehende Anspruch. Er war allerdings etwas niedriger als bei einer Mehrarbeitsberechnung, die sich – wie vom Bundesrechnungshof zu Recht beanstandet – an einer Arbeitszeit von 41 Wochenstunden orientiert. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen haben wir auch aufgrund zahlreicher Schreiben von Betroffenen darüber debattiert, wie man die rechtmäßige Neuregelung sozialverträglich umsetzen kann und so dem Anliegen der Betroffenen möglichst weitgehend Rechnung tragen kann. Gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern haben die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP nun eine Lösung gefunden, die den Interessen der Betroffenen erheblich entgegenkommt und zugleich dem Umstand Rechnung trägt, dass die bisherige Praxis rechtlich nicht aufrechtzuerhalten war. Die gefundene Lösung ist im Wesentlichen eine zeitlich bis ins Jahr 2017 gestaffelte, mit Anreizen versehene Übergangsregelung, mit der die finanziellen Nachteile sozialverträglich aufgefangen werden. Ich bin froh, dass wir diese Übergangsregelung in dem nun vorgelegten Änderungsantrag verankern konnten. Damit tragen wir auch unserer sozialen Verantwortung gegenüber den Feuerwehrbeamten der Bundeswehr Rechnung. Betroffen von Änderungen sind auch die Systemoperatoren Wärmebild bei der Bundespolizei. Die Zulagen für diese Berufsgruppe werden neu geordnet. Sie werden künftig nicht mehr die Fliegerstellenzulage erhalten, sondern eine besondere Erschwerniszulage, die im Regierungsentwurf von 60 auf ursprünglich 140 Euro erhöht werden sollte. Wir haben in unserem Änderungsantrag nun vorgesehen, diese Zulage auf 180 Euro zu erhöhen, um die finanziellen Einbußen für die Systemoperatoren zu mildern. Der Grund für diese Änderung ist eine genauere Differenzierung zwischen nichtständigen und ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen sowie fliegendem Personal. Ich bitte Sie, diesem Gesetz mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen zuzustimmen. Damit tragen Sie dazu bei, dass der Bund auch weiterhin ein fairer und leistungsorientierter Arbeitgeber bleibt. So komplex wie der Name des heute zu diskutieren den Gesetzentwurfs ist, so komplex ist auch dessen Reglungsmaterie. Denn hinter der Professorenbesoldung versteckt sich eine Vielzahl weiterer beamtenrechtlicher Gesetzesvorhaben. In einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages haben wir ausführlich die einzelnen Details der Regelung mit den Sachverständigen diskutiert. Ich möchte hier einige dieser Vorhaben aufgreifen und näher beleuchten. Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält Änderungen zur Praxis der Dienstpostenbündelung. Diese soll nun nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2011 geändert werden. Dass eine rechtssichere Regelung gefunden werden soll, ist durchaus zu begrüßen. Grundsätzlich steht die SPD einer flexibleren Regelung der Dienstpostenbündelung auch positiv gegenüber. Kritisch finden wir die Regelung bei den Postnachfolgeunternehmen; denn dort soll eine laufbahnübergreifende Bündelung von bis zu fünf Dienstposten möglich sein. Da der Einsatz in den Postnachfolgeunternehmen jedoch nicht status-, sondern aufgabenbezogen erfolgt, besteht somit die Möglichkeit, dass ein Beamter des gehobenen Dienstes im einfachen Dienst eingesetzt wird. Hier hätte sich die SPD-Bundestagsfraktion noch Nachbesserungen gewünscht. Weitere Regelungen betreffen spezielle Berufsgruppen, hier zum einen die Bundeswehrfeuerwehren. Diese müssen nach der heute zu diskutierenden Gesetzvorlage zukünftig 48 statt 41 Stunden arbeiten. Der finanzielle Ausgleich soll durch eine zeitlich begrenzte Zulage erfolgen, die allerdings bis zum Jahr 2017 abschmelzen soll. Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Meinung, dass die Mehrarbeit heute genauso wie in fünf Jahren bezahlt werden muss, und hat einen entsprechenden Änderungsantrag im Innenausschuss des Deutschen Bundestages eingereicht. Dieser Antrag wurde jedoch mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt. Ein anderer Teil des Gesetzesvorhabens betrifft die Stellenzulage für ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige. Die Neuregelung schließt an dieser Stelle sogenannte Wärmebildsystemoperatoren bei Hubschrauberbesatzungen der Bundespolizei explizit aus, in dem sie sich nur noch auf die Bundeswehr bezieht. Bisher erkannte die Bundespolizei die Zulage nach der bisher geltenden Fassung nicht an, aber einige Angehörige der Bundespolizei klagten dagegen erfolgreich und erhielten die Zulage. Durch die Stellenzulage sollen die hohen Anforderungen, die besonderen physischen und psychischen Belastungen sowie die erhöhten Gefahren abgegolten werden, denen Soldatinnen und Soldaten und Beamtinnen und Beamte bei der Verrichtung ihres Dienstes ausgesetzt sind. Warum hier eine Unterscheidung zwischen Bundeswehr und Bundespolizei stattfindet, ist nicht nachvollziehbar. Gleiche Arbeit sollte auch gleich entlohnt werden. Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion auch zu dieser Problematik im Innenausschuss einen Änderungsantrag gestellt, in dem gefordert wird, dass diese Differenzierung aufgehoben werden soll und die ursprüngliche Fassung wieder zur Zu Protokoll gegebene Reden Wolfgang Gunkel )


Rede von Wolfgang Gunkel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)




(A) )

(C


(D Geltung gelangt. Leider konnte sich die SPD-Bundestagsfraktion mit diesem Antrag nicht durchsetzen, da die Koalition aus CDU/CSU und FDP dagegen stimmte. Dennoch begrüße ich es, dass die Regierung an dieser Stelle immerhin so einsichtig war, aus der Anhörung die Anregung mitzunehmen, die Erschwerniszulage, welche den Wärmebildsystemoperatoren gemäß § 22 a Erschwerniszulagenverordnung zusteht, auf 180 Euro zu erhöhen. Hier schien die Höhe der Zulage, die ursprünglich auf 140 Euro festgelegt war, willkürlich. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2012 die Be soldung der Professoren in Hessen als verfassungswidrig beurteilt. Reformbedarf ergab sich daraus wegen vergleichbarer Regelungen auch auf Bundesebene. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sorgt die Koalition für eine bessere Vergütung der etwa 850 Professoren an Hochschulen des Bundes und an Forschungseinrichtungen mit Beteiligung des Bundes. Die Reform umfasst eine Anhebung des Grundgehalts für die Besoldungsgruppen W 2 und W 3 und die Einführung von Erfahrungsstufen. Zunächst war im Gesetzentwurf des Weiteren vorgesehen, die sogenannten Berufungsund Bleibeleistungsbezüge voll mit der Anhebung des Grundgehalts zu verrechnen. Diese Bezüge dienen als Instrumente, um Professoren für eine Hochschule zu gewinnen oder wechselwillige Professoren zum Bleiben zu bewegen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass Professoren aufgrund ihres Könnens für eine Hochschule sehr attraktiv sind oder nicht entbehrt werden können. Für die FDP-Bundestagsfraktion steht fest, dass die Verrechnung dieser Bezüge mit dem Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst nicht vereinbar ist. Damit würden aus unserer Sicht Professoren ohne solche Bezüge gegenüber denjenigen bevorzugt, die sie wegen besonders guter Leistungen erhalten haben. Wir haben uns deshalb in den parlamentarischen Beratungen des Gesetzentwurfs dafür eingesetzt, dass das Leistungsprinzip nicht geschwächt wird. Im Kompromiss mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU haben wir durchgesetzt, dass 30 Prozent der Berufungsund Bleibeleistungsbezüge bei der Anhebung des Grundgehalts erhalten bleiben. Ein höherer Prozentsatz war leider nicht kompromissfähig. Neben der Professorenbesoldung regelt der vorliegende Gesetzentwurf noch weitere dienstrechtliche Änderungen. Besonders kontrovers diskutiert wurde im Vorfeld die geplante Neuregelung der Vergütung der Beamten im Einsatzdienst der Bundeswehrfeuerwehren. Notwendig wurde diese Neuregelung, weil der Bundesrechnungshof die bisherige Regelung als unzulässig kritisiert hat. Die Bundeswehr ist noch bis Ende 2017 darauf angewiesen, dass die Feuerwehrbeamten bezüglich ihrer Wochenarbeitszeit eine Opt-uut-Regelung eingehen und freiwillig bis zu 54 Wochenstunden Dienst leisten. Die geplante Neuregelung der künftigen Vergütung der Mehrarbeit hätte nach sich gezogen, dass die Beamten mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 41 und 48 Wochenstunden keine zusätzliche Vergütung mehr erhalten hätten. Die Koalition hat sich nun darauf geeinigt, den Übergang von 41 auf 48 Wochenstunden schrittweise zu gestalten. Die neue Vergütung wird in zwei Teilen gewährt werden. Der erste Teil besteht aus einem Sockelbetrag, der allen Feuerwehrbeamten mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden gezahlt wird. Der Sockel ist degressiv ausgestaltet und vermindert sich jährlich etwas, bis er Ende 2017 komplett ausläuft. Opt-out-Beamte erhalten weiterhin eine variable Vergütung der 24-Stunden-Schichten, die von 30 Euro im Jahr 2013 in 4-Euro-Schritten auf 46 Euro im Jahr 2017 progressiv ansteigt. Aus unserer Sicht ist damit eine tragbare und gute Lösung gefunden worden. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass für Wärmebild-Systemoperatoren der Bundespolizei ein Anspruch auf Stellenzulage, wie sie Piloten und Flugtechnikern gewährt wird, nicht mehr vorgesehen ist. Diese Unterscheidung wird zum einen aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation von Piloten und Flugtechnikern im Vergleich zu Systemoperatoren gemacht. Zum anderen trägt sie dem Umstand Rechnung, dass Piloten und Flugtechniker im Gegensatz zu Systemoperatoren für sämtliche Entscheidungen im Betrieb des Luftfahrzeugs verantwortlich sind und somit fliegerische Verantwortung tragen, die Systemoperatoren nicht tragen müssen. Auch unterscheidet sich der Flugbetrieb bei der Bundespolizei von dem bei der Bundeswehr. Selbstverständlich sind auch die Systemoperatoren der Bundespolizei erhöhten beruflichen Belastungen durch den Flugbetrieb ausgesetzt. Sie nehmen ihre Aufgaben unter den gleichen äußeren Bedingungen wie Lärm und Vibration wahr wie Piloten und Flugtechniker der Bundespolizei, auch wenn die Anforderungsprofile unterschiedlich sind. Im Gesetzentwurf war vorgesehen, die Erschwerniszulage von derzeit 60 Euro auf 140 Euro zu erhöhen. Der Koalition war es ein Anliegen, ein stärkeres Zeichen der Anerkennung für die Belastungssituation des mitfliegenden Personals und insbesondere der Systemoperatoren zu setzen. Deshalb erhöhen wir die Erschwerniszulage nun auf 180 Euro. Neben dem Gesetzentwurf zur Professorenbesoldung setzen wir heute zwei weitere Reformen im Dienstrecht um. Mit der Einführung der Portabilität setzen wir eine langjährige FDP-Forderung für mehr Flexibilität und Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und öffentlichem Dienst um. Die Familienpflegezeitregelung stärkt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie die Flexibilität des Ruhestandseintritts. Die FDP blickt auf vier gute Jahre für das BerufsbeamtenZu Protokoll gegebene Reden Dr. Stefan Ruppert )

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Stefan Ruppert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)





    (A) )

    (C


    (D tum in Deutschland. Mit dem heutigen Tag führen wir diese positive Bilanz fort. Die Regierungskoalition hat nach der Anhörung im Innenausschuss zu den drei Gesetzentwürfen zum Beamtenrecht, mit einem Änderungsantrag auf die teils heftige Kritik aus den Gewerkschaften und von Betroffenen reagiert. Im Änderungsantrag der Regierungskoalition zur Neuregelung der Professorenbesoldung wird die Kritik zumindest teilweise aufgegriffen. Bei der Anrechenbarkeit verschiedener Bezüge der Professoren, unzureichenden Überstundenvergütungen der Bundesfeuerwehrleute und den Zulagen der Systemoperatoren des mitfliegenden Personals wurden leichte Verbesserungen vorgenommen: Der Änderungsantrag zielt bei den Professoren darauf ab, dass nun auch Berufungsund Bleibeleistungsbezüge teilweise angerechnet werden. Bei Leistungsbezügen geringer oder mittlerer Höhe wird damit einer Nivellierung entgegengewirkt. Fälle mit Stufenaufstieg und Fälle mit einer sofortigen Zuordnung zu einer höheren Stufe sollen gleichbehandelt werden. Diese Änderungen sind zu begrüßen. Für die Bundeswehrfeuerwehrbeamten, die freiwillig mehr als 48 Stunden in der Woche Dienst leisten, soll nach dem Gesetzentwurf die erhaltene Mehrarbeitsvergütung kein dauerhafter Bezügebestandteil mehr sein kann. Damit würde auch der Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für Beamtinnen und Beamte entfallen, die bisher höchstens 48 Stunden in der Woche gearbeitet haben. Der Änderungsantrag sieht nun die Einführung eines degressiv ausgestalteten Festbetrages vor, der den Übergang zu einer 48-Stunden-Woche abfedert. Ebenso wie der dbb beamtenbund und tarifunion bewerten wir den Gesetzentwurf kritisch, weil bei einer freiwilligen Vereinbarung zur Leistung einer Wochenarbeitszeit von 54 Stunden die unterschiedlichen Schichten und die weit auseinanderliegenden Schwellenwerte von mehr als 10 bzw. 24 Stunden Dienst zu erheblichen finanziellen Nachteilen sowohl im Verhältnis zur aktuellen Regelung – Vergütung nach Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung – als auch innerhalb der Neuregelung führen. Die Mehrbelastung durch die erhöhte Arbeitszeit wird nicht ausreichend gewürdigt. Die regelmäßige Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten beträgt grundsätzlich 41 Stunden. Bundeswehrfeuerwehrbeamtinnen und -beamte würden durch die Neuregelung regelmäßig 48 Stunden arbeiten. Die Freiwilligkeit ist hier infrage gestellt, da eine zusätzliche Vergütung nur erlangt werden kann, wenn eine Arbeitszeitvereinbarung geschlossen wird. Andernfalls wird ohne Vergütung die Arbeitszeit erhöht. Dies kann eine Drucksituation erzeugen. Der Gesetzentwurf begründet den Regelungsvorschlag damit, dass im mittleren feuerwehr-technischen Dienst der Bundeswehr seit Jahren ein erheblicher Personalmangel herrsche und nur durch die freiwillige Erhöhung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit, die Aufrechterhaltung eines arbeitszeitkonformen Dienstbetriebes in den Bundeswehrfeuerwehren und damit die Sicherstellung des militärischen Auftrages mit dem vorhandenen Personal zu gewährleisten sei. Es ist nicht akzeptabel, wenn Regelungen zulasten von Beamtinnen und Beamten eingeführt werden, weil die Verantwortlichen der Bundeswehr und letztlich die Bundesregierung nicht in der Lage sind, das Problem an sich – die Behebung des Personalmangels – zu lösen, um einen geordneten Dienstbetrieb zu gewährleisten. Schon aus diesem Grund lehne ich eine solche Regelung ab. Solange aber diese Ausnahmesituation herrscht, darf man die Bereitschaft und das Engagement der Beamtinnen und Beamten der Bundeswehrfeuerwehren nicht durch eine Verschlechterung ihrer Situation bestrafen. Der Änderungsantrag mildert das Problem ab, löst es aber nicht. Auch die Zulagen für Systemoperatoren der Bundespolizei werden neu geregelt. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes können Systemoperatoren für Wärmebildgeräte in Luftfahrzeugen der Bundespolizei unter dem Begriff der sonstigen ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen geführt werden. Soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen, können sie nach dem Urteil eine Stellenzulage in der Höhe erhalten, wie sie Flugtechnikern der Bundespolizei gewährt wird. Dies sei jedoch – so der Regierungsentwurf – angesichts des unterschiedlichen Qualifikationsund Anforderungsprofils beider Gruppen nicht sachgerecht. Deshalb ordnet der Regierungsentwurf die Zulagen neu und stellt klar, dass für diese Systemoperatoren kein Anspruch auf eine Stellenzulage besteht. Die mit der Teilnahme am Flugbetrieb bestehenden Belastungen sollten durch eine erhöhte Erschwerniszulage ausgeglichen werden. Der Änderungsantrag hält an der Abschaffung des Anspruchs auf die Stellenzulage fest, erhöht aber den monatlichen Zulagenbetrag von 140 auf 180 Euro. Wenn Angehörigen der Bundeswehr, die als Wärmebildsystemoperatoren tätig sind, auch weiterhin die Zulage gewährt wird, während man diese den Bundespolizisten verweigern will, dann ist das eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Die Fliegerzulage stellt für mich eine Risikozulage im Gegensatz zur Erschwerniszulage dar, die allein den besonderen Belastungen bei der Berufsausübung Rechnung trägt. Alle Angehörigen einer Luftfahrzeugbesatzung sitzen gewissermaßen in einem Boot und sind gleichermaßen dem Flugrisiko ausgesetzt. Und wie der tragische Unfall von Hubschraubern der Bundespolizei bei einem Übungseinsatz in Berlin zeigt, sind bei einem Absturz auch alle betroffen. Ich lehne deshalb eine Streichung der Fliegerzulage für Wärmebildsystemoperatoren ab. Zum Abschluss möchte ich aus meiner heutigen Rede zum Altersgeld zitieren. Alle drei am heutigen Tag zur Abstimmung stehenden Gesetze zu Fragen des öffentlichen Dienstrechtes, zum Altersgeld, zur Familienpflegezeit und zur Professorenbesoldung kranken Zu Protokoll gegebene Reden Frank Tempel )