Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt 1 – fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)
– Drucksache 17/6600 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015
– Drucksache 17/6601 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache
eine Redezeit von dreieinhalb Stunden beschlossen.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
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Redet
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Einzelplan 12.
Als erster Redner hat das Wort der Bundesverkehrs-
minister Dr. Peter Ramsauer.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass
verlässliche Rahmenbedingungen für eine wachstums-
freundliche Politik und für einen soliden Bundeshaushalt
genau das sind, was die deutsche Öffentlichkeit von uns
erwartet.
(Zuruf von der SPD: Die aber enttäusc
wird!)
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September 2011
0 Uhr
Wenn wir die Politik im Bereich dessen betrachten,
as wir heute diskutieren, dann kann man, glaube ich,
agen: Darauf können sich die Menschen in unserem
ande auch verlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
chen bei der SPD – Gustav Herzog [SPD]:
Wer’s glaubt!)
Sie von der SPD-Opposition kommen mir gerade
cht. Das soll auch gleich eine Warnung an die anderen
ppositionsfraktionen für den Fall sein, dass sie groß tö-
en.
(Lachen bei der SPD und der LINKEN)
h habe mit großem Interesse gelesen, was Sie vor we-
igen Tagen, am vergangenen Montag, unter der Über-
chrift „Nationaler Pakt für Bildung und Entschuldung.
ir denken an morgen!“ großspurig verkündet haben.
s gibt auch ein Kapitel „Die Situation der öffentlichen
frastruktur in Deutschland“. Das habe ich mir vorran-
ig vorgenommen. Darin kommen die Wörter „Bauwirt-
chaft“ oder „Verkehr“ überhaupt nicht vor. Dazu kann
h nur sagen: Thema verfehlt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Gustav Herzog [SPD]: War
ext
das alles? – Johannes Kahrs [SPD]: Wir reden
aber heute zum Haushalt!)
Verlässlichkeit gilt gerade in den Schlüsselbereichen
Bauen, Wohnen und Mobilität – drei Bereiche, die für
die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von he-
rausragender Bedeutung sind – und auch für jeden Ein-
zelnen in unserem Lande. Ich glaube, diese Verlässlich-
keit liefern wir, wie ich gerne darstellen möchte, ohne
alle einzelnen Facetten dieses großen Bereichs so dar-
stellen zu können, wie es erforderlich wäre. Aber dazu
haben wir in den kommenden Wochen und Monaten bei
den Etatberatungen in den Ausschüssen die notwendige
Zeit.
bereich kann, muss und wird einen er-
turellen Beitrag leisten, wenn es um die
r Energiewende in unserem Lande geht.
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Der Gebäude
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Bewältigung de
14722 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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)(B)
Wir investieren Milliardenbeträge, um all die Potenziale
zu heben, die im Gebäudebereich schlummern,
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Leider nicht!)
um zu mehr Energieeffizienz zu kommen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wo ihr die gerade
zusammengestrichen habt!)
Die Mittel für die bewährten KfW-Programme, die in
den ersten Jahren seit 2006 ein Volumen von rund 1 Mil-
liarde Euro hatten und in den drei Jahren der Konjunk-
turpakete im Durchschnitt auf 1,5 Milliarden Euro er-
höht worden sind – von den Vorzieheffekten abgesehen –,
werden wir bis 2015 auf dieselbe Summe wie im Zeit-
raum der Konjunkturpakete erhöhen. Das heißt, es bleibt
bei den 1,5 Milliarden Euro. Das ist ein verlässlicher
Beitrag der Politik zu dem, was die Bürger in Sachen
Förderung der Energieeffizienz erwarten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich bedaure sehr, dass der Gesetzentwurf der Bundes-
regierung und der Koalitionsfraktionen zur steuerlichen
Förderung der energetischen Gebäudesanierung von den
Ländern abgelehnt wurde. Ich kann an die Länder, von
denen viele in SPD-Hand gefallen sind,
(Johannes Kahrs [SPD]: Das war eine demo-
kratische Entscheidung! – Uwe Beckmeyer
[SPD]: Sind Sie eigentlich Feudalminister,
oder was ist das hier?)
nur appellieren, verhandlungsbereit zu sein.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Sie hätten das besser machen sollen!)
Denn wir waren uns in den Gesprächen mit den
Ministerpräsidenten im Kanzleramt – ich war an all die-
sen Gesprächen stets beteiligt – immer einig, dass es
nicht allein Aufgabe des Bundes sein kann, Geld dafür
zur Verfügung zu stellen, sondern dass alle Körperschaf-
ten der öffentlichen Hand in Deutschland hier gefordert
sind, mithin auch die Länder. Ich appelliere an die Län-
der, sich einer Beteiligung bei der steuerlichen Förde-
rung bitte schön nicht zu versagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Zum Bereich der Städtebaupolitik und Stadtentwick-
lung kann ich mich sehr kurz fassen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das stimmt wohl! –
Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Da ist auch nicht viel passiert!)
– Sie wissen aber nicht, warum, weil Sie offensichtlich
nicht hier waren. – Wir hatten erst vor wenigen Wochen
zum 40-jährigen Jubiläum der Stadtentwicklungspolitik
und Städtebauförderung eine mehrstündige Debatte hier
im Haus. Damals wurden die wesentlichen Fakten dar-
gelegt. Meine Kernbotschaft lautet jedenfalls: Der Bund
bleibt ein verlässlicher Partner bei der Städtebauförde-
rung.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das kann man nicht erkennen!)
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Wir werden in den nächsten Jahren 410 Millionen
uro für die Städtebauförderung bereitstellen.
(Zuruf von der SPD: Es waren mal 600!)
s kommt aber noch etwas Neues hinzu. Ich bin sehr da-
r, dass man die vorhandenen Instrumentarien immer
ieder hinterfragt und den Erfordernissen der Zeit an-
asst. Wir legen ein neues Programm mit dem Titel
Energetische Stadtentwicklung“ auf. Dieses Programm
otieren wir mit 92 Millionen Euro. Bei all meinen Rei-
en durch Deutschland haben mir Kommunalpolitiker,
ürgermeister und Oberbürgermeister immer wieder ge-
agt: Wir haben wunderbare Einzelprogramme im Be-
ich der Städtebauförderung. – Diese werden im Übri-
en allesamt erhalten. Ein Programm für kleinere Städte
nd Gemeinden haben wir im letzten Jahr sogar neu auf-
enommen. – Die Kommunalpolitiker haben immer wie-
er betont: Es ist alles großartig.
(Lachen bei der SPD – Bettina Herlitzius
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit wem ha-
ben Sie gesprochen?)
ber wir brauchen gerade für den Bereich der energeti-
chen Stadtteilsanierung ein besonders zielgerichtetes
rogramm;
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Dann finanzieren Sie das richtig!)
enn es macht keinen Sinn, wenn man in Stadtquartieren
in hausbezogen denkt und saniert. Es ist viel effektiver,
enn man großräumiger denkt und im Quartier block-
eise saniert. – Deswegen nehmen wir dieses Programm
ur energetischen Stadtentwicklung auf. 410 Millionen
uro plus 92 Millionen Euro ergeben nach Adam Riese
02 Millionen Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Die stehen aber nicht im Haushalt!)
h muss Ihnen das in dieser Deutlichkeit vorrechnen.
as ist mithin deutlich mehr, als die 455 Millionen Euro,
ie wir bisher zur Verfügung gestellt haben. Also: Wir
andeln entsprechend.
Nun zur Verkehrspolitik. In einer Etatberatung ist es
ichtig, zunächst auf das Kernerfordernis hinzuweisen,
ämlich auf die verlässlich hohe Investitionslinie für un-
ere Verkehrswege. Diesem Erfordernis entsprechen wir,
dem wir bis zum Jahr 2015 durchschnittlich 10 Mil-
arden Euro in unsere Verkehrsinfrastruktur investieren.
as ist mehr, als dies im Durchschnitt der Jahre 2002 bis
008 der Fall war, also in der Zeit vor der Wirtschafts-
nd Finanzkrise. Dabei wird – das ist vollkommen klar –
ie Straße der Verkehrsträger Nummer eins bleiben, bei
llem grundlegenden Bekenntnis zu einer Politik der
erlagerung des Verkehrs von der Straße auf die
chiene. Ich füge aber im gleichen Atemzug hinzu: Man
uss uns aber auch in die Schiene investieren lassen,
nd man darf nicht immer – dieser Appell geht vor allen
ingen an die Oppositionsfraktionen – dann, wenn es an
en Neubau oder den Ausbau der Schiene geht, Bürger-
itiativen zum Dagegensein aufhetzen. Das geht auch
icht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14723
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(A) )
)(B)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Johannes
Kahrs [SPD]: Das ist unglaublich!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die hohe Beanspru-
chung unserer Infrastruktur hinterlässt ihre Spuren. Wir
stellen deshalb substanzerhaltende Maßnahmen vor
Neubau. Meine Devise bei knappen Mitteln heißt: Erhalt
vor Neubau.
(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/
CSU])
Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist der Um-
gang mit unseren knapp 39 000 Brücken an den circa
53 000 Kilometern Bundesfernstraßen in Deutschland.
Wir haben hier einen erheblichen Sanierungsbedarf.
Etwa ein Viertel der knapp 39 000 Brücken muss in den
nächsten fünf bis sieben Jahren instandgehalten werden.
Allein dazu bedarf es einer Summe von etwa 7 Milliar-
den Euro.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Haben Sie
die 7 Milliarden?)
Herr Beckmeyer, Sie haben mir in mehreren Zeitun-
gen einen haarsträubenden Vorwurf gemacht: Ramsauer
lässt die Brücken verrotten. Dazu kann ich nur sagen:
Welch ein Unsinn! Sie kennen ja das Sprichwort:
Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger
zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf
sich selbst.
Glauben Sie denn, dass die Brücken in Deutschland
mit Aushändigung der Ministerurkunde an mich, also
nach meiner Amtsübernahme, nach fünf SPD-Amtsvor-
gängern in elf Jahren von einem Tag zum anderen zu
bröckeln begonnen haben? Das glauben Sie doch nicht
einmal selbst.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
In der Zeit zwischen 1998 und 2009 haben Sie, lieber
Kollege Beckmeyer, soviel ich mich erinnern kann für
Ihre Fraktion – die SPD-Fraktion war damals Regie-
rungsfraktion – verkehrspolitische Verantwortung getra-
gen.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da haben
mehr Minister gebröckelt als Brücken!)
Sie haben heute bestimmt die Möglichkeit, darzulegen,
was Sie in dieser Zeit zur Substanzerhaltung unserer
Brücken in Deutschland getan haben.
Wir haben mittlerweile Konsequenzen gezogen. In Ih-
rer Regierungszeit wurden pro Jahr knapp unter 300 Mil-
lionen Euro, ungefähr 270 Millionen Euro, in Brücken
investiert. Die Investitionen in Maßnahmen zur Instand-
haltung von Brücken werden nach unserer Finanzpla-
nung bis 2015
(Johannes Kahrs [SPD]: Dann regieren Sie
doch gar nicht mehr!)
etwa verdoppelt; ihre Höhe liegt bei dann knapp unter
700 Millionen Euro. Im Vergleich zu dem, was Sie uns
vorexerziert haben, machen wir eine klare Kehrtwende.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Kom-
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entar in der Süddeutschen Zeitung von heute. Besser
ann man nicht darstellen, was Ramsauer übernommen
at: „Ein Erbe in Asphalt“. Dieser Herausforderung wer-
en wir uns stellen.
Dazu gehört das Bekenntnis – ich habe es an dieser
telle schon öfter abgelegt –: Wir befinden uns ange-
ichts der Herausforderungen in einer dramatischen
inanzierungssituation, in einem dramatischen Finanzie-
ngsdilemma.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was tun Sie
dagegen?)
Ich komme gleich darauf zu sprechen.
(Johannes Kahrs [SPD]: So viel Zeit haben Sie
nicht!)
h bitte Sie, mit mir in aller Offenheit die Debatte da-
ber zu führen, wie wir künftig die Finanzierungspro-
leme lösen können.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ach ja?)
Ich bitte, intensiv darüber nachzudenken, wie wir ent-
eder durch zielgerichtete Budgeterhöhungen oder, wie
s meine Partei vorschlägt, durch irgendeine Art nutzer-
rientierte Abgabe unsere Finanzierungsengpässe besei-
gen können, sodass sich die Nutzer unserer Verkehrs-
ege – ich spreche hier nicht nur von der Straße; das
ilemma bei der Straße ist aber besonders groß – darauf
erlassen können, dass die Mehreinnahmen ungeschmä-
rt in den Bereich Straße fließen, damit das „Erbe in As-
halt“ bewältigt werden kann, damit bessere, bedarfsge-
chtere, umweltgerechtere, lärmärmere und sicherere
traßen zur Verfügung stehen. Das ist die Herausforde-
ng. Darüber zu diskutieren, dazu lade ich Sie in den
ommenden Wochen der Etatberatungen ein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Zur Bahnpolitik. Ich schlage vor, wieder einmal eine
mfassende Debatte allein über die Bahn zu führen. Ich
laube, dass es in den knapp zwei Jahren meiner Amts-
eit gelungen ist, eine gewisse Kehrtwende in der bahn-
olitischen Strategie herbeizuführen.
(Lachen bei der SPD – Uwe Beckmeyer
[SPD]: Das ist ja nicht auszuhalten!)
ir wollen wegkommen vom Privatisierungswahn mit
ll seinen Auswirkungen, den Sie betrieben haben. Man
ann ein Unternehmen wie die Bahn zwar kaufmännisch
hren, aber man darf es dabei nicht, wie es unter meinen
nf Amtsvorgängern – nicht bei allen gleichermaßen –
ls grundlegende Linie der Fall war, nur nach dem Cash-
ow-Prinzip unter Missachtung der Belange des öffent-
chen Wohls ausrichten und es finanziell ausbluten las-
en.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wissen Sie
eigentlich, was Cashflow ist?)
Nicht allein der Cashflow zählt bei der Deutschen
ahn, sondern es zählen auch die Erwartungen, das
rot-und-Butter-Geschäft, das, was die Menschen, die
14724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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täglich durchschnittlich 7,3 Millionen Bahnbenutzer in
Deutschland, von der Bahn erwarten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Wir stellen hier auch zusätzliche Mittel bereit. Ich bin
ganz ehrlich. Mir ist am letzten Wochenende wieder ein-
mal der Kragen geplatzt. Ich habe gestern zu einem
Bahngipfel eingeladen und habe die Bahnindustrie, die
Bahn, das Eisenbahn-Bundesamt und einige andere Ak-
teure dazu verpflichtet, schnellstmöglich das rollende
Material bereitzustellen, damit wir die entsprechenden
Reserven beim rollenden Material haben. Wir haben
dazu klare politische Wartungsintervalle – so habe ich es
genannt – verabredet. Alle vier Wochen müssen mir alle
Beteiligten berichten, wie die Fortschritte sind, damit
wir auch hier vorankommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Viele weitere Themen, meine Damen und Herren, be-
schäftigen uns hier: Feldversuch mit Lang-Lkw, Fernbus-
linien, Elektromobilität. Das zu vertiefen, werden wir in
den nächsten Wochen viel Gelegenheit haben. Ich lade alle
ein, sich konstruktiv an diesen Beratungen mit mehr Mit-
teln für die Verkehrs- und Bahninfrastruktur zu beteiligen.
Besten Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe
Beckmeyer [SPD]: Das war aber sehr dürftig,
was Sie da erzählt haben!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs von der
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Johannes Kahrs (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Minister, ich habe hier ja schon viel ge-
hört. Aber Ihre Rede war unterirdisch. Wir führen hier
eine Debatte über den Bundeshaushalt. Sie jedoch haben
sich an uns abgearbeitet. Das kann ich verstehen; denn
das, was Sie gemacht haben, ist eben unterirdisch. Es
kommt nicht viel dabei herum. Ich schätze Sie ja persön-
lich sehr und die hinter Ihnen sitzende Boygroup auch;
das sind alles feine Jungs.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Solange Sie da nicht sitzen, ist alles okay!)
Aber im Ergebnis haben wir doch das Problem: Was Sie
zustande bringen, ist wirklich unterirdisch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das haben wir eben auch daran gesehen, wie ge-
klatscht wurde, als Sie gesprochen haben: ein bisschen
mau bei der CDU/CSU und gar nicht bei FDP. Das zeigt
eigentlich relativ viel.
(Zuruf von der FDP: Gar nicht wahr!)
Fangen wir doch einmal mit dem an, mit dem Sie auf-
gehört haben. Sie haben hier, auch wenn Sie das Wort
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icht ausgesprochen haben, ein Plädoyer für die Pkw-
aut gehalten. Wir haben ja in den letzten Jahren lange
iskutiert, und wir haben Sie immer gefragt: Wollen Sie
un die Pkw-Maut, oder wollen Sie sie nicht? In Ihrem
aus wurde daran angeblich nie gearbeitet; keiner wollte
as. Sie haben das immer dementiert. Heute haben Sie
ier zumindest das erste Mal gesagt, dass Sie eine nut-
erfinanzierte Beteiligung – wie auch immer man das
achen will – haben wollen. Das nennt sich übrigens
kw-Maut.
Wenn Sie das denn wollen, dann kann ich verstehen,
ass die FDP nicht ganz so laut geklatscht hat. Für Steu-
rerhöhungen sind die eigentlich nicht zu haben.
(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Lassen Sie
sich überraschen!)
ber schauen wir einmal. Wir haben ja mitbekommen,
er bei dieser Koalition in welchem Tempo umfällt.
(Patrick Döring [FDP]: Für Steuererhöhungen
sind ja auch Sie zuständig!)
Wissen Sie, ich wäre an Ihrer Stelle jetzt ganz ruhig.
ie haben Steuersenkungen versprochen. Schauen wir
och einmal, wann Sie liefern. Ihr Minister ist ja fröhlich
abei.
(Torsten Staffeldt [FDP]: Für Steuererhöhun-
gen ist die SPD zuständig, das wissen wir!)
Ach, wissen Sie, solide Haushalte sind kein Marken-
eichen dieser Koalition.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP)
as hat die Große Koalition mit der Schuldenbremse
urchgesetzt. Sie zerstören hier die Haushalte.
In dieser Frage geht es einmal darum, dass Sie dieses
ohe Haus und die Bevölkerung in den letzten Jahren
ystematisch hinter die Fichte geführt haben. Sie haben
esagt, Sie wollten keine nutzerfinanzierten Mauten
der Ähnliches. Heute haben Sie sich das erste Mal an-
ers geäußert. Ich glaube, das sollten wir einmal festhal-
n. Der ADAC hat zu dem Thema relativ viel gesagt.
Sie haben einen Haushalt mit einem Volumen von
5,3 Milliarden Euro. 13,7 Milliarden Euro sind für In-
estitionen vorgesehen. Von den 6 Milliarden Euro, die
den Straßenbau gehen, kommen 3,5 Milliarden Euro
us der Lkw-Maut. Aus Ihrem eigentlichen Haushalt
ommen nur noch 2,4 Milliarden Euro. Es gab ja mal die
nsage, durch die Lkw-Maut gebe es mehr Geld für den
traßenbau. Im Ergebnis ist das natürlich alles nicht so
ekommen, sondern das Geld ist in den Bundeshaushalt
eflossen.
Gucken wir uns doch jetzt einmal an, was denn mit
er Pkw-Maut passieren würde. Glauben Sie denn ernst-
aft, das würde alles komplett in den Straßenbau gehen?
as hat noch nie funktioniert. Sie machen es übrigens in
iesem Haushalt vor. Wir haben hier eine reine Abkas-
iernummer, wie der ADAC sagt. Sozialdemokratie und
DAC Arm in Arm – Herr Ramsauer, da haben Sie ein
leines Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14725
Johannes Kahrs
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Gucken wir es uns einmal an: Die Kanzlerin hat ge-
sagt: keine Pkw-Maut mit ihr. Sie haben gesagt: keine
Pkw-Maut. Dann entdeckt Herr Seehofer, dass in Bayern
Wahlkampf ist und dass Herr Ude in den Umfragen bes-
ser dasteht als er. Die CSU hat leichte Panik, fällt auf
einmal um und erzählt jetzt irgendetwas davon, dass die
Ausländer, wenn sie durch Deutschland fahren, nicht
zahlen müssen, wir hingegen, wenn wir im Ausland
sind, zahlen müssen. Damit wird dann gerechtfertigt,
dass die Ausländer endlich einmal zahlen sollen, und es
wird behauptet, alle anderen kämen ungeschoren um die
Kurve. Das ist natürlich, mit Verlaub und freundlich for-
muliert, Unsinn. Sie wissen doch, dass das nicht funktio-
niert.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Kennen Sie
eigentlich Herrn Stolpe?)
Wir wissen doch, wie es im Ergebnis laufen wird;
denn es gibt keine aufkommensneutrale Pkw-Maut, in
welcher Form auch immer.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Den kennt
er nicht! Hat er noch nie von gehört!)
Allein schon für die Einführung einer Vignette fallen
Systemkosten in Höhe von über 200 Millionen Euro an.
Nach dem, was der ADAC berechnet hat, nehmen Sie
von den Ausländern, die auf deutschen Straßen fahren,
224 Millionen Euro ein. Das heißt, Sie veranstalten die
Nummer für 24 Millionen Euro. Das glaubt doch kein
Mensch. Wenn Sie so ein System einführen, wird das am
Ende dazu führen, dass der deutsche Autofahrer richtig
zahlt. Jeder weiß auch, dass Sie mit der Vignette nicht
weiterkommen. Dadurch würden ja die Vielfahrer ent-
lastet und der normale Autofahrer belastet. Das kann es
nicht sein. So werden Sie am Ende, wenn das Ganze ver-
nünftig laufen soll, in der Toll-Collect-Nummer landen.
(Patrick Döring [FDP]: Die haben Sie uns ja
eingebrockt!)
Das kostet richtig viel Geld. Was Sie von den Auslän-
dern einnehmen, würde dann nicht einmal die System-
kosten decken.
Es wäre ganz schön, wenn man sich einmal mit dem
beschäftigte, was der ADAC festgestellt hat. Zu diesem
Thema gibt es eine wunderbare Studie. Lesen bildet,
denken hilft. Ich denke, es würde viel Sinn machen,
wenn Sie sich diese einfach einmal anschauen.
Die Presse auf Ihre Vorschläge ist ein Desaster. Der
Focus schreibt: „Ramsauer macht Tempo bei Pkw-
Maut“. Das heißt: zwei Jahre gelogen, heute Offenba-
rungseid, Geld reicht nicht – das haben wir ja von Ihnen
gehört.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!)
– Das ist kein Quatsch. In der Sache haben Sie gelogen.
Jetzt machen Sie die Kehrtwende. Im Endeffekt wird
auch die FDP da mitmachen.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Erzählen
Sie doch einmal etwas zu Ihren Vorstellungen! –
Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
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ie Kanzlerin steht noch halbwegs. Ihr Umfalltempo
egt bei drei bis vier Monaten. Sprechen wir uns also im
inter wieder, wenn sie umgefallen ist.
In den Energie- und Klimafonds haben Sie alle mögli-
hen Titel versenkt, aber keine ausreichende Gegen-
nanzierung vorgesehen. Das sage ich hier nur in aller
ürze. In einem solchen Fall bin ich ein großer Fan der
ameralistik: klare Ansage, transparent und offen, kann
der nachlesen. Wenn Sie alle möglichen Programme in
iesen Fonds stecken, der aber nicht durchfinanziert ist,
andelt es sich dabei am Ende um nichts anderes als um
ine Kürzung. Da muss man Ihr Wort, dass CO2-Gebäu-
esanierung die große Ansage ist, als scheinheilig be-
eichnen; denn Sie entziehen ja durch dieses Vorgehen
as Geld.
(Beifall bei der SPD – Torsten Staffeldt [FDP]:
Quatsch!)
Letzter Punkt: Nord-Ostsee-Kanal. Verzeihen Sie mir
infach einmal die Ansage, aber angesichts dessen, was
urzeit beim Nord-Ostsee-Kanal passiert, wird man ge-
dezu sprachlos. Dort müssen die Schleusen saniert
erden. Damit diese Sanierung überhaupt durchgeführt
erden kann, ist die sogenannte fünfte Schleusenkam-
er notwendig. Dafür muss man Geld in die Hand neh-
en. Ihr Staatssekretär, Herr Minister, war da. Jetzt kann
an lesen: kein Geld, Kanal dicht. Und weiter heißt es:
er Staatssekretär bestätigt, dass es so ist, dass auf Ver-
chleiß gefahren wird. Die CDU-Bundestagsabgeordne-
n sagen: Es muss dringend etwas passieren, eine
rundinstandsetzung und der Bau der sogenannten fünf-
n Schleusenkammer sind notwendig. – Passieren wird
ber nichts.
Herr Minister, wenn Sie das Geld, was Sie angeblich
icht haben, nicht für irgendwelche Tunnel in Ihrem
ahlkreis ausgeben würden – 168 Millionen Euro für
en Kirchholztunnel, den kein Mensch braucht! –,
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie heißt
der? Wie heißt der Tunnel?)
ondern für die Dinge, die dieses Land braucht, dann
ürden wir deutlich besser dastehen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias
Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein Nord-Ostsee-Kanal, der nicht funktioniert, würde
in Desaster für die gesamte deutsche Verkehrswirt-
chaft zur Folge haben. Das wäre eine Katastrophe. Wir
lauben, dass hier dringend etwas passieren muss.
(Patrick Döring [FDP]: Was denn?)
ür den Hamburger Hafen ist das wichtig, für die Reeder
t das wichtig. Reden Sie mit den Mitarbeitern vor Ort!
ehen Sie einmal nach Schleswig-Holstein! Dort wird
an Ihnen das sagen. Sie haben ja im Wahlkampf genü-
end Gelegenheiten dazu. Der Wähler wird Ihnen dann
agen, was er von dem hält, was Sie da veranstalten: ein-
ch nur peinlich.
Vielen Dank. Schönen Tag noch!
(Beifall bei der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/
CSU]: Peinlich war nur diese Rede!)
14726 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
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)(B)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Für die FDP spricht jetzt die Kollegin Dr. Claudia
Winterstein.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sehr verehrter Herr Kahrs, Ihre Rede war ja
ganz unterhaltsam; das gebe ich zu. Aber jetzt wird es
wieder überirdisch.
(Florian Pronold [SPD]: Eher außerirdisch!)
Wir werden uns jetzt mit Zahlen und Fakten befassen.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Genau das habe ich in Ihrer Rede ein wenig vermisst. Ich
habe nicht gehört, wie viel Sie eigentlich für Investitio-
nen ausgeben wollen. Das hätte mich ja doch schon ein-
mal interessiert, nachdem Sie uns vorgeworfen haben,
dass wir uns hier nur unterirdisch mit irgendwelchen
Dingen befassen, aber nichts zu Zahlen und Fakten sa-
gen.
Herr Ramsauer, Sie haben in Ihrer Rede den Einzel-
plan 12 im Prinzip schon in allen seinen Facetten be-
leuchtet.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
– Das hat er sehr wohl, vielleicht nicht so, wie Sie sich
das vorstellen, aber durchaus ganz klar. – Ich möchte
mich als Haushälterin auf zwei Themen konzentrieren,
die ich angesichts der aktuellen Diskussion für beson-
ders wichtig halte.
(Johannes Kahrs [SPD]: Pkw-Maut!)
Das ist zum einen der Bereich der Stadtentwicklung
– auch das ist schon angesprochen worden – und zum
anderen die Frage der Straßenfinanzierung.
Zunächst ist es sehr erfreulich, dass die Koalition es
geschafft hat, auch nach Auslaufen der Konjunkturpro-
gramme die Investitionen in die Fernstraßen im Haushalt
2012 und in der Finanzplanung bis 2015 mit 4,8 Milliar-
den Euro jährlich konstant zu halten. Doch man muss
ganz klar festhalten – auch Sie haben es gesagt –: Leider
reicht das nicht aus, weil der Bedarf höher ist. Wir alle
wissen aber, dass wir in der jetzigen Situation mehr
Steuermittel nicht zur Verfügung stellen können; denn
diese Koalition steht ganz eindeutig für Haushaltskonso-
lidierung
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Da
klatscht aber nur die FDP!)
und hat mit der Schuldenbremse für das Jahr 2016 ein
klares Ziel vor Augen. Der Schuldenabbau muss abso-
lute Priorität haben. Wir sehen ja auch, was in einigen
europäischen Ländern gerade geschieht.
Daraus aber abzuleiten, dass eine Pkw-Maut die ein-
zige Möglichkeit ist, mehr Mittel für die Autobahnen
und Fernstraßen zu generieren, halte ich für falsch.
(Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
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ie Autofahrer dürfen nicht noch mehr zur Kasse gebe-
n werden. – Herr Kahrs, ich warte an dieser Stelle auf
ren tosenden Applaus.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Johannes
Kahrs [SPD]: Ja, habe ich! Aber ich war der
Einzige!)
Nicht der Einzige, von rechts kam auch Applaus.
Meine Damen und Herren, Mineralölsteuer, Öko-
teuer, Mehrwertsteuer, Kraftfahrzeugsteuer: 53 Milliar-
en Euro insgesamt zahlen die Autofahrer jährlich an
teuern,
(Johannes Kahrs [SPD]: Genau! Sagt der
ADAC!)
ber nur 17 Milliarden Euro geben Bund, Länder und
emeinden für den Bau und den Erhalt von Straßen aus.
as muss man so zur Kenntnis nehmen. Die Autofahrer
agen also schon ganz kräftig zum Steueraufkommen
ei. Darauf noch eine zusätzliche Gebühr zu setzen, ist,
eine ich, der falsche Weg.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Lassen Sie uns die Debatte mit mehr Kreativität füh-
n. Wir wollen die vorhandenen Mittel effektiv einset-
en. Ein Anfang hierzu wurde mit der Umsetzung von
PP-Modellen im Autobahnausbau gemacht.
(Roland Claus [DIE LINKE]: Ja! Wunderbar!)
Die Erfahrungen mit den ersten vier Projekten sind
eitgehend positiv, Herr Claus. Es hat sich gezeigt, dass
orhaben schneller und effizienter bei gleichzeitig ho-
em Qualitätsstandard umgesetzt werden können.
(Torsten Staffeldt [FDP]: Genau!)
ie neu geplanten ÖPP-Modelle sollten nun möglichst
chnell angegangen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Beim Thema Straßenerhalt diskutieren wir derzeit ein
ehr interessantes Pilotprojekt, mit dem die vorhandenen
ittel deutlich effektiver eingesetzt werden können. Es
hnelt dem Prinzip der Leistungs- und Finanzierungsver-
inbarung bei der Schiene. Partner für den Bund sind
ierbei die Länder. Der Bund wird in Bezug auf die Er-
altung und den Betrieb der Bundesfernstraßen zum Be-
teller eines gewünschten Zustandes dieser Fernstraßen.
ie Länder werden zu Auftragnehmern des Bundes und
rhalten von ihm einen pauschalen Betrag. Dafür organi-
ieren sie in Eigenregie die komplette Erhaltung und den
etrieb der Fernstraßen. Mehrere Länder haben ganz
lar Interesse bekundet, an solchen Projekten mitzuwir-
en. Sie erhalten einen Anreiz zu effektivem Handeln,
a sie die erwirtschafteten Mittel eigenständig für den
usbau und Erhalt von Fernstraßen verwenden können.
erechnungen beziffern den Einspareffekt auf etwa
00 Millionen Euro im Jahr.
Herr Minister Ramsauer, ich ermuntere Sie, solche in-
ovativen Modelle weiterzuverfolgen und zur Umset-
ung zu bringen. Ich denke, wir werden diesen Weg im
arlament sehr konstruktiv unterstützen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14727
Dr. Claudia Winterstein
(A) )
)(B)
Was für den Verkehr gilt, gilt natürlich auch für die
Stadtentwicklung. Auch hier schafft die Koalition den
Spagat zwischen Sparanstrengungen auf der einen Seite
und wirkungsvollen Investitionen auf der anderen Seite.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Gerade hier nicht!)
Ich darf an die vergangenen Haushaltsplanberatungen
erinnern. Für den Haushalt 2011 war von Regierungs-
seite eine Summe von 305 Millionen Euro an neuen Mit-
teln für die Städtebauförderung eingesetzt worden. Von
der Koalition ist diese Summe dann erhöht worden auf
455 Millionen Euro. Im Entwurf 2012 – Herr Ramsauer
hat es auch schon gesagt – sind neue Bundesmittel in
Höhe von 410 Millionen Euro vorgesehen. Dazu kom-
men noch die Mittel zur energetischen Stadtsanierung in
Höhe von 92 Millionen Euro.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Die nicht finanziert sind!)
Das heißt also: Zusammen stellt der Bund mehr als eine
halbe Milliarde Euro an Finanzhilfen für die Länder und
Kommunen zur Verfügung. Das ist angesichts der Spar-
vorgaben eine wirklich ansehnliche Summe.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Von der Opposition kritisiert wurden die Kürzungen
beim Programm „Soziale Stadt“ und die Konzentration
dieser Mittel auf ausschließlich investive Ausgaben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, diese
Konzentration war, ist und bleibt richtig; denn die Stadt-
umbauprogramme des Bundes haben den Zweck, eine
Infrastruktur zu schaffen, die dann von den Kommunen
mit Leben gefüllt wird.
(Torsten Staffeldt [FDP]: Keine Streichel-
zoos!)
Leider wurden in einigen Bundesländern die Investi-
tionsmittel über Jahre in nichtinvestive Bereiche ver-
schoben, nämlich als Ersatz für zurückgefahrene Mittel
der Kommunen. Das ist nicht Sinn und Zweck dieser
Förderung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Zum Vergleich: Die Sozialausgaben im Haushalt be-
tragen insgesamt 155 Milliarden Euro, die Summe aller
Investitionen nur 26,4 Milliarden Euro. Die also ohnehin
schon sehr knappen Investitionsmittel sollten insofern
nicht zweckentfremdet werden. Darauf haben wir als
Haushälter in besonderem Maße zu achten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir wollen die Investitio-
nen zur Schaffung einer zukunftsfähigen Infrastruktur
effektiv und zielgerichtet einsetzen, sei es bei der Straße,
der Schiene oder in den Städten und Gemeinden. Ich
glaube, dass uns dies trotz der ganzen Sparaufgaben sehr
gut gelingen wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Frak-
on Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
ir reden hier über den Infrastruktur- und Investitions-
tat des Bundes. Gewiss, Aufbau von Infrastruktur und
vestitionen finden auch in anderen Ressorts statt, aber
icht in dieser Dimension. Mehr als 50 Prozent aller In-
estitionen des Bundes sind in diesem Ressort veran-
chlagt.
Es ist also ein enorm wichtiger Haushalt. Das ist auch
er Grund dafür, dass die Linke den zuständigen Bun-
esminister zu mehr Selbstbewusstsein auffordern muss.
(Beifall bei der LINKEN)
ehr Selbstbewusstsein, Herr Ramsauer! Es ist nämlich
icht damit getan, dass Sie hier im Plenarsaal flotte
prüche gegen die Opposition ablassen und sich dann im
abinett alles gefallen lassen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!
Richtig so!)
s zeugt auch nicht von Selbstbewusstsein, hier im Ple-
arsaal zu tönen, da seien Länder an die SPD gefallen.
as ist nun wirklich ein undemokratisches, feudales Ver-
tändnis, das wir zurückweisen müssen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes
Kahrs [SPD]: Wenn das von der Linkspartei
kommt, ist das auch bemerkenswert! – Torsten
Staffeldt [FDP]: Das ist aber die Realität!)
Herr Bundesminister, der Einzelplan 12 ist kein Stein-
ruch für den Bundesfinanzminister und dessen Sparat-
cken. Der Einzelplan 12 ist aber auch kein Tummel-
latz für die ideologischen Schwesternkriege, die Ihr
arteivorsitzender Seehofer zuweilen gerne anzettelt.
as muss Ihnen deutlich gesagt werden. Wenn Sie nicht
ufpassen, Herr Bundesminister Peter Ramsauer, dann
erden Sie zum Schwarzen Peter des Kabinetts. Das
ag zwar vielleicht in der CSU ein dickes Lob oder ein
hrentitel sein; hier aber wäre es eine Peinlichkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Anders die Linke. Die Linke hat einen klaren Kurs.
ie Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtent-
icklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung
nd demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen
ütern ausgeht.
(Beifall bei der LINKEN)
as alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und be-
ahlbar sein. Wenn die Linke sagt, dass unser Zusam-
enleben ökologischer werden muss, dann meint sie:
kologischer für alle und nicht nur für Reiche.
(Beifall bei der LINKEN)
14728 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Roland Claus
(A) )
)(B)
Prüfen wir Ihren Etat an diesem Maßstab bei einigen
wenigen Positionen. Herr Bundesminister, Sie haben
sich hier mit deutlichen Worten gegen eine Privatisie-
rung der DB AG ausgesprochen. Da sind wir natürlich
vollkommen an Ihrer Seite. Sie werden bei den abschlie-
ßenden Beratungen zum Haushalt Gelegenheit haben, ei-
nem entsprechenden Antrag der Linken, vielleicht auch
noch von anderen, Ihre Zustimmung zu geben und so zu
bekunden: Es darf nicht dabei bleiben, dass die Privati-
sierung wegen der Krise nur verschoben wird; sie gehört
endgültig vom Tisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben die Chance, Herr Bundesminister.
In der Straßenpolitik verkörpert die Bundesregierung
den Sieg des Betons über die Vernunft; das ist an vielen
Stellen gesagt worden. Das Problem der Lkw-Maut
muss noch einmal zur Sprache gebracht werden: Es ist
noch immer ein Schiedsverfahren des Bundes gegen die
Gesellschaft Toll Collect anhängig, also jenes Konsor-
tium, das vor Jahren eine 16-monatige Verzögerung bei
der Einführung der Lkw-Maut zu verantworten hatte.
Seitdem ist geraume Zeit vergangen. Es geht um einen
Ausfall von über 5 Milliarden Euro. Wir werden darauf
drängen, dass das hier nicht verschwiegen wird. Was
mich hier im Parlament allmählich ärgert, ist, dass wir,
die Linke, die Einzigen sind, die überhaupt noch nach
dem Schiedsverfahren und den entgangenen 5 Milliar-
den Euro fragen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Liebe Kollegen, ich frage euch einmal: Hat das vielleicht
damit zu tun, dass ihr von Daimler oder der Telekom
wieder eine Spende bekommen habt, von der wir nichts
wissen? Es kann doch nicht sein, dass man eine solch
große Summe überhaupt nicht mehr thematisiert.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg.
Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
– Ich weiß nicht, von wem Sie alles Spenden bekom-
men; ich frage nur.
Was die Pkw-Maut anbetrifft, werden wir jetzt wohl
eine größere Schutzgemeinschaft mit dem ADAC gegen
die CSU bilden müssen. Mit der heutigen Rede von
Minister Ramsauer ist die Katze aus dem Sack. Wie fing
das denn an? Am Anfang haben Sie gesagt: „In meinem
Hause gibt es keine Denkverbote.“ Dagegen kann man
nichts sagen. Dann gab es etwas Aufregung, und Sie ha-
ben so etwas Ähnliches gesagt wie: Niemand hat die Ab-
sicht, eine Maut einzuführen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN
und der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: Sehr
gut gelernt!)
Heute kommen Sie nun mit dieser Absicht daher. Ich
frage Sie: Reicht denn nicht die Abzocke der Autofahre-
rinnen und -fahrer an der Tankstelle? Muss denn das nun
auch noch sein? Wir meinen, nein.
(Beifall bei der LINKEN)
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Herr Bundesminister, Sie haben sich Ihre besten För-
erprogramme bei der energetischen Gebäudesanierung
nd beim Städtebau kürzen oder aus der Hand nehmen
ssen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Zerschossen! Alles zerschossen!)
as ist hier schon mehrfach kritisiert worden und nicht
inzunehmen. Nun haben Sie vor einigen Monaten eine
edeutende Logik entwickelt.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
ie haben gesagt: Na ja, jetzt ist mir der Laden halbiert
orden; aber ich habe gekämpft, sodass die Halbierung
ur Hälfte zurückgenommen wurde. Da kommen dann
enau 75 Prozent, drei Viertel, heraus. Ein Bundesminis-
r für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der nur eine
reiviertelposition im Kabinett hat, ist uns aber zu we-
ig. Lassen Sie sich das gesagt sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
ir könnten das gelegentlich beim Titel des Gehalts des
undesministers thematisieren.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ach, nee,
nicht so streng!)
Für die Finanzierung der energetischen Gebäude-
anierung haben wir jetzt den Energie- und Klimafonds;
ier gab es eine große Ankündigung. Ich bin aber nach
en Erfahrungen mit dem Investitions- und Tilgungs-
nds und dem Deutschlandfonds ein bisschen gewarnt,
enn für solch einen großen Brocken vier Ministerien
uständig sind, vor allen Dingen, wenn das Ministerium,
as bislang alle Instrumente zur Umsetzung dieses Pro-
ramms in der Hand hatte, nämlich das BMVBS, jetzt
ines unter mehreren Ministerien ist. Ich kann nur hof-
n, dass mehr Selbstbewusstsein, Zuversicht und Ener-
ie an den Tag gelegt werden, wenn es darum geht, die-
es gute Programm abzuarbeiten.
Herr Bundesminister, wir werden die Aufstellung Ih-
s Etats mit Leidenschaft begleiten. Noch einmal zum
hema Selbstbewusstsein: Trotz der vermeintlichen
bermacht des Bundesfinanzministeriums gilt beim
mgang mit diesem Ministerium: Kopf hoch und nicht
ie Hände, Herr Minister!
(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit des Abg.
Johannes Kahrs [SPD] – Johannes Kahrs
[SPD]: Der war gut!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn vom Bünd-
is 90/Die Grünen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber nun auf sie mit
Gebrüll!)
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
n! Man kann es nicht oft genug sagen: Der Haushalt ist
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14729
Stephan Kühn
(A) )
)(B)
das in Zahlen gegossene politische Programm einer Re-
gierung. Man müsste darin also eine Strategie erkennen,
(Lachen des Abg. Johannes Kahrs [SPD] –
Johannes Kahrs [SPD]: Das stimmt! Man
müsste!)
wie einerseits das prognostizierte Verkehrswachstum
insbesondere im Güterverkehr bewältigt wird und ande-
rerseits Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
im Verkehrsbereich deutlich reduziert werden.
Herr Minister, von einer solchen finanziell unterleg-
ten Strategie habe ich weder etwas in Ihrer Rede gehört
– ich glaube, das Wort „Klima“ ist in Ihrer Rede gar
nicht aufgetaucht –, noch kann ich eine solche dem Etat-
entwurf entnehmen. Sie haben darauf überhaupt keine
Antwort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wo sind eigentlich die versprochenen sektorspezifischen
Ziele, die Sie in einem Energie- und Klimakonzept für
den Bereich Verkehr formulieren wollten? Diese haben
Sie im Januar 2010 angekündigt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Lange her!)
Bisher wurde nichts geliefert. Wir erinnern uns daran,
dass im Energiekonzept der Bundesregierung kein kon-
kretes CO2-Minderungsziel für den Verkehrsbereich auf-
geschrieben wurde. Herr Minister, ich frage Sie: Wie
sieht eigentlich Ihre Strategie für eine klimafreundliche
Mobilität aus? Darüber haben wir heute nichts gehört,
und wir finden auch im Etat nichts dazu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Anteil des Verkehrssektors am Endenergiever-
brauch in Deutschland steigt, während die Anteile der
Industrie, des Gewerbes und der Haushalte sinken. Für
über 80 Prozent des Endenergieverbrauchs ist der Stra-
ßenverkehr verantwortlich. Herr Minister, Ihre klima-
politische Antwort darauf sind Gigaliner?!
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Da verzweifelt selbst der ADAC. Dass Gigaliner Um-
welt und Verkehrswege entlasten würden, entbehrt jeder
Grundlage. Während Sie – so auch heute – keine Gele-
genheit auslassen, den massiven Instandhaltungsrück-
stand bei der Straßeninfrastruktur zu kritisieren und zu
beklagen, wollen Sie gleichzeitig Gigaliner auf den
schon jetzt desolaten Straßen fahren lassen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich!)
Das ist überhaupt nicht verständlich,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
zumal Gigaliner die Verkehrssicherheit gefährden und
dem Ziel, Verkehr auf die Schiene zu verlagern, deutlich
schaden.
(Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)
Nur 17 Prozent des Güterverkehrs werden über die
Schiene abgewickelt, über 70 Prozent über die Straße.
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h erinnere in diesem Zusammenhang an die Klima-
chutzziele der Bundesregierung.
(Torsten Staffeldt [FDP]: Was ist mit der
Wasserstraße?)
Meine Damen und Herren, eine Verlagerung des Ver-
ehrs auf die Schiene ist also dringend erforderlich, fin-
et aber nicht statt, weil das notwendige Geld für Schie-
enprojekte im Haushalt fehlt. Herr Minister, Sie
treichen 500 Millionen Euro an Bahndividende ein, die
ir im Übrigen für grundfalsch halten. Sie können sich
ber wieder nicht gegenüber dem Finanzminister durch-
etzen; denn das Geld kommt nicht on top. Vielmehr
leibt die bisherige Investitionslinie von 1,2 Milliarden
uro für Bedarfsplanprojekte der Schiene plus 100 Mil-
onen Euro für den Lärmschutz erhalten. Das Geld der
ahndividende kommt nicht on top, sondern es ver-
chwindet. Notwendige Investitionen gerade im Güter-
erkehrsbereich werden nicht getätigt. Die Bahn hat ei-
en jährlichen Bedarf von 1,8 Milliarden Euro. Jeder
ann es nachrechnen: Bei 1,2 Milliarden Euro plus
00 Millionen Euro plus Bahndividende wären wir bei
er Größenordnung, die eigentlich jährlich gebraucht
ird, um wichtige Güterverkehrstrassen auszubauen.
as passiert weiterhin nicht.
(Otto Fricke [FDP]: Da seid ihr doch auch
dagegen!)
Sie rufen – so auch heute – immer nach mehr Geld für
ie Straßen. Wir alle haben dies im Sommerloch mit Ih-
r Forderung nach einer Pkw-Vignette, also nach einer
latrate für das Autofahren, erlebt. Diese Vignette unter-
cheidet jedoch nicht zwischen denjenigen, die viel fah-
n, und denjenigen, die wenig fahren. Sie unterscheidet
uch nicht zwischen denjenigen, die in einem Kleinwa-
en sitzen, und denjenigen, die in einem Geländewagen
nterwegs sind. Meine Damen und Herren, es kommt
elten vor, aber hier sind wir uns selbst mit dem ADAC
inig; denn diese Vignette ist ökologisch kontraproduk-
v, und sie ist vor allen Dingen sozial ungerecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mehr Geld löst im Übrigen das Grundproblem nicht.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das Grundproblem ist
das Ministerium!)
as Grundproblem ist, dass die Mittel falsch und nicht
ffektiv eingesetzt werden. Sie setzen einfach die fal-
chen Prioritäten. Es gibt kein bundeseinheitliches Er-
altungsmanagement. Wir wissen gar nicht genau, wie
chlimm es wirklich aussieht. Wir wissen nicht, wie der
teigende Instandhaltungsbedarf in den nächsten Jahren
nanziell dargestellt werden soll. Ich erinnere daran: Der
roßteil des westdeutschen Straßennetzes wurde Mitte
er 60er- bis Mitte der 80er-Jahre gebaut. Hier schieben
ir eine riesige Bugwelle an Instandhaltungsinvestitio-
en vor uns her. Andererseits wollen Sie über 2 000 Ki-
meter an neuen Bundesautobahnen bauen. Ich frage
ich, was das mit dem Prinzip „Erhalt vor Neubau“ zu
n hat. Gedanken darüber, wie diese zusätzlichen Un-
14730 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Stephan Kühn
(A) )
)(B)
terhaltungskosten künftig abgedeckt werden sollen,
macht sich offensichtlich keiner.
Statt beim Planen und Bauen verkehrsträgerübergrei-
fend zu denken, also in Netzen und Verkehrskorridoren,
und statt sich auf Engpässe und Lückenschlüsse zu kon-
zentrieren, geht es weiter wie bisher: Jedem Wahlkreis-
abgeordneten und dem Minister seine Ortsumfahrung!
Das ist verkehrs- und klimapolitisch eine Sackgasse, und
das wissen Sie eigentlich auch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie ändern aber nichts daran, obwohl Anspruch und
Wirklichkeit deutlich auseinanderklaffen. Es gibt 2011
und 2012 keine Neubeginne von Projekten im Straßen-
bereich. Der neue Investitionsrahmenplan, den Sie bald
vorlegen werden, wird dem bisherigen Plan gleichen und
keine neuen Projekte enthalten. Die bisherige Investi-
tionsstrategie – wenn man überhaupt von einer Strategie
reden kann – ist deutlich gescheitert.
Legen Sie bitte endlich einen Haushalt vor, mit dem
die Erreichung der Klimaschutzziele und die Senkung
der Lärm- und Schadstoffemissionen wirklich gelingen
können. Was Sie machen, ist einfach planlos. Oder soll
beispielsweise die Kürzung der Mittel für den Radwege-
bau an Bundesstraßen Ihr Beitrag zur Haushaltskonsoli-
dierung sein? Ich kann mir das, ehrlich gesagt, nicht vor-
stellen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zum Schluss ver-
söhnliche Worte zu finden und das Thema Transrapid
anzusprechen. In der Haushaltsdebatte vom 23. Novem-
ber 2010 hat der Minister zum Thema Transrapid gesagt:
Wir haben sofort die weiße Fahne eingeholt und
sind zu einer Marktoffensive übergegangen. Das
Ganze sieht jetzt Gott sei Dank einigermaßen er-
folgversprechend aus. Wir werfen die Flinte nicht
ins Korn.
Herr Minister, Sie sind in der Zwischenzeit offen-
sichtlich etwas weiser geworden. Sie haben endlich die
Beerdigungskosten für den Transrapid in den Haushalt
eingestellt. Das ist gut so. Ich hoffe, dass Sie in dieser
Richtung weiterhin so entscheidungsfreudig sind. Das
würde uns beglücken.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz von der CDU/
CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
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Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Ich finde schon, dass es erneut gelungen ist, ei-
en Etatentwurf des Ministeriums für Verkehr, Bau und
tadtentwicklung vorzulegen, der angesichts der drama-
schen finanzpolitischen Situation, in der er aufgestellt
orden ist, einen enormen investiven Anteil aufweist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
h finde auch, dass er ganz klare Akzente setzt. Peter
amsauer hat schon auf einige hingewiesen. Ich will das
uch tun.
(Johannes Kahrs [SPD]: Genau! Pkw-Maut!)
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
prechen seit einiger Zeit ständig hämisch davon, dass
nsere Investitionsvorhaben unterfinanziert seien usw.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das sagt der Minis-
ter selbst!)
Ja, aber er sagt es nicht hämisch,
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
ondern
(Ute Kumpf [SPD]: Betroffen!)
r hat meines Erachtens in beeindruckender Art und
eise für die Verstetigung unseres Investitionshaushal-
s bzw. Investitionsanteils gekämpft, und er hat das er-
icht. Das halte ich für eine große Leistung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ass Sie Kritik üben, ist Ihr gutes Recht, aber Ihre Kritik
äre nur dann glaubwürdig, wenn Sie unter den von Ih-
en eingebrachten zahlreichen Haushalten einen einzi-
en vorweisen könnten, der dieses Investitionsniveau er-
icht oder gar übertrifft, aber das können Sie nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Johannes Kahrs [SPD]: Die letzten zwei! Na
klar!)
Wir werden auch in Zeiten der notwendigen Haus-
altskonsolidierung unsere wichtigen Investitions- und
örderprogramme sichern und fortführen. Das ist für das
and das Richtige. Der Kern unserer Verkehrs- und Bau-
olitik ist es, die Infrastruktur zu erhalten, zu verbessern
nd keinen weiteren Werteverzehr aufgrund von unter-
ssenen Erhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen
uzulassen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber genau so wird es
kommen!)
as ist der Schwerpunkt.
Leider ist es so, dass es die Finanzlage erforderlich
acht, dass einige der Instandhaltungsaufgaben nun
uch zulasten von erforderlichen Neu- und Ausbaupro-
kten gehen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Keine Steuern weg!
Dann haben Sie 6 Milliarden!)
as ist bedauerlich, aber das ist nicht ausschließlich eine
olge des knappen Geldes, sondern auch der Tatsache,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14731
Arnold Vaatz
(A) )
)(B)
dass die Schar der SPD-Finanzminister über Jahre hin-
weg die Sanierung vernachlässigt hat, zuzuschreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch Unsinn! –
Uwe Beckmeyer [SPD]: Absoluter Unsinn!
Kein Finanzminister war erfolgreicher als
Steinbrück!)
Was haben Sie denn gemacht? Sie haben uns jahrelang
mit Mogelpackungen traktiert.
(Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben doch vier
Jahre mit uns regiert!)
Sie haben immer wieder neue klangvolle Namen erfun-
den: das Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP – darin wa-
ren die UMTS-Gelder enthalten – oder das Antistaupro-
gramm, wofür Sie die Mittel, die durch die Einführung
der Lkw-Maut eingenommen wurden, verbraten haben.
(Johannes Kahrs [SPD]: Herr Kollege, wir ha-
ben zusammen regiert!)
Es gab ständig neue wohlklingende Namen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Sie waren dabei!)
– Am Anfang waren Sie allein. Die ersten Programme
haben Sie unter Rot-Grün verabschiedet.
(Johannes Kahrs [SPD]: Wir haben zusammen
regiert! Sie haben das hier verteidigt! Vier
Jahre lang! Nicht die schlechtesten!)
Den Investitionsprogrammen stand immer die gleiche
Menge an Mitteln zur Verfügung. Sie haben lediglich
Hütchenspiele betrieben, immer mit dem gleichen Geld.
(Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben mit-
gemacht!)
Wir werden die künftigen Investitionen seriös planen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das erste Mal!)
Das Ministerium wird in diesem Herbst einen Investi-
tionsrahmenplan für die nächsten fünf Jahre vorlegen.
Dieser Haushalt ist die Grundlage dafür und belegt, dass
wir das umsetzen.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist das eine
Recyclingrede?)
Wir brauchen Planungs- und Finanzierungssicherheit.
Minister Ramsauer hat es gerade dargestellt: Er konnte
die Finanzierungssicherheit spürbar verbessern.
Ich möchte auf das Thema Schiene zu sprechen kom-
men. Im Rahmen der Verhandlungen mit der Deutschen
Bahn hat der Minister bekanntlich erreicht, dass in den
kommenden vier Haushaltsjahren Mittel in Höhe von
insgesamt 1 Milliarde Euro zur Verfügung stehen. Wä-
ren Sie ehrlich, dann würden Sie diese Leistung anerken-
nen.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Dabei kommen 25 Mil-
lionen heraus in dieser Legislaturperiode!)
Begrüßenswert ist auch, dass die DB Netz AG mit
Eigenmitteln in Höhe von immerhin 130 Millionen Euro
49 Kleinprojekte durchführt. Auch dadurch können
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chnell Verbesserungen des Infrastrukturangebots des
nternehmens herbeigeführt werden. Auch das ist ein
chtiges Signal.
Ein weiteres richtiges Signal: Die Einnahmen aus der
kw-Maut fließen wieder vollständig in den Bereich
traße zurück.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Und
gibt es jetzt mehr Geld für Straßenbau? Nein!)
amit unternehmen wir, wie angekündigt, den nächsten
chritt in Richtung Nutzerfinanzierung.
(Johannes Kahrs [SPD]: Es gibt doch gar nicht
mehr Geld!)
etzt kann jeder den sogenannten Mautkreislauf im
aushalt genau verfolgen. Warum? Weil die Maut ein ei-
enes Kapitel erhält. Das ist das Ende des Hütchenspiels
it den Mauteinnahmen, das Sie lange Zeit bewusst ge-
pielt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Damit schaffen wir Vertrauen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Der Etat ist doch gar
nicht gestiegen!)
ertrauen ist in dieser Frage das Allerwichtigste. Unsere
olitik wurde dadurch diskreditiert, dass wir ursprüng-
ch versprochen hatten, die Einnahmen aus der Lkw-
aut direkt in den Bereich Straße zurückzuführen, da-
us aber nichts wurde. Wenn man so mit der Öffentlich-
eit umgeht, glaubt einem die Öffentlichkeit natürlich
icht mehr, dass Finanzmittel, die vom Nutzer einer In-
astruktur aufgebracht werden, in Zukunft direkt und
weckgerichtet für die Erneuerung dieser Infrastruktur
erwendet werden. Ich glaube, an dieser Stelle haben wir
in Stück weit Vertrauen wiederhergestellt. Ich halte das
r sehr wichtig.
Wir müssen in Zukunft dafür sorgen – ich hoffe, dass
ir diesbezüglich alle an einem Strang ziehen werden –,
ass die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft
reditfähig ist.
(Johannes Kahrs [SPD]: Schattenhaushalte!)
Nein, das ist kein Schattenhaushalt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Nein! Das sind
Schattenhaushalte! Das ist Betrug!)
ie muss in der Lage sein, flexibel auf Einschränkungen
u reagieren, die durch schwankende Einnahmen aus der
kw-Maut entstehen können.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das sind Schatten-
haushalte! Das sind Hütchenspiele!)
h halte das für eine wichtige Sache. Ich glaube, wir
ollten das versuchen und nicht diskreditieren. Dadurch
erden die Handlungsmöglichkeiten flexibler. Es wird
ein Geld versteckt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Doch! Das sind
übelste Hütchenspiele!)
14732 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Arnold Vaatz
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)(B)
– Es ist falsch, wenn Sie das sagen. Sie können jede die-
ser Kreditaufnahmen nachprüfen.
(Florian Pronold [SPD]: Warum haben Sie es
in den letzten zwei Jahren denn nicht gemacht,
wenn es richtig ist?)
Bezüglich der Bundesfernstraßen müssen wir den
Wechsel von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzie-
rung schrittweise durchführen. Es gibt bereits eine große
Diskussion über die Maut. Sie schießen sich darauf
schon ein, obwohl Frau Winterstein Ihnen in aller Deut-
lichkeit gesagt hat,
(Roland Claus [DIE LINKE]: Das Gegenteil
von Peter Ramsauer hat sie gesagt!)
dass es eine Reihe von Alternativen gibt, über die man in
diesem Zusammenhang reden muss. Sie alle täten gut
daran, erst einmal abzuwarten, was das Ministerium
dazu vorlegt. Dann sollten wir darüber diskutieren. Das
wäre ein sachlicher Stil.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das sagen Sie ein-
mal Herrn Ramsauer! Der arbeitet doch da-
ran!)
Es macht doch keinen Sinn, dass Sie sich schon jetzt auf
ein Phantom einschießen, über das Sie noch gar nichts
wissen.
Herr Claus, Ihnen will ich sagen: Ich konnte über Ih-
ren dümmlichen Witz nicht so richtig lachen. Ich weiß
nicht, ob Sie zum Ausdruck bringen wollten, dass die
Mauer in irgendeiner Weise mit der Maut vergleichbar
ist.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Nein! Mit der Lüge!
Das haben Sie nicht verstanden!)
Ich war bis jetzt der Meinung, dass die Mauer ein etwas
anderes Kaliber ist als die Maut.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ach du liebe Güte!)
Zur Maut selber. Uwe Beckmeyer
(Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!)
fordert eine flächendeckende Lkw-Maut, und zwar am
liebsten gleich noch für Kreisstraßen.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja!)
Ich muss sagen, das scheint ein typischer Robin-Hood-
Reflex in der SPD zu sein: den Reichen etwas wegneh-
men und den Armen etwas geben. Aber durchdacht ist
das nicht. Das ist ein Schuss aus der Hüfte, der keinerlei
Bedeutung hat, keinerlei Seriosität ausstrahlt und auch
kein Vertrauen bildet.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Mei-
nen Sie die Pkw-Maut? – Florian Pronold
[SPD]: Das waren ja gewichtige Gegenargu-
mente, die Sie gerade gegen diesen Vorschlag
gebracht haben!)
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Ein zentraler Teil unseres Budgets fließt in die Städte-
auförderung. Ich muss sagen, dass ich davon beein-
ruckt bin, dass es uns gelungen ist, basierend auf dem
ckwertebeschluss von 266 Millionen Euro jetzt einen
nsatz von 410 Millionen Euro, plus 92 Millionen Euro
us dem Energie- und Klimafonds, vorzulegen. Das ist
ine enorme Leistung.
(Johannes Kahrs [SPD]: Noch 200 Millionen
weniger! Hütchenspiele!)
h finde es außerdem hervorragend, dass es uns gelun-
en ist, aus dem Programm „Soziale Stadt“ ein Pro-
ramm zu machen, das nicht mehr der Finanzierung von
alwettbewerben und Stadtteilfesten dient, sondern der
frastruktur.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu-
ruf von der SPD: Pfui! – Bettina Herlitzius
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das
nicht verstanden! Immer noch nicht! Sie soll-
ten sich schämen für diese Aussage! – Roland
Claus [DIE LINKE]: Sie haben keine Ahnung! –
Uwe Beckmeyer [SPD]: Das Zitat werden wir
benutzen!)
enau so haben wir das gewollt, und so ist es richtig.
Es gibt auch noch – –
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Gehen Sie nach Hause! – Thomas
Lutze [DIE LINKE]: Ein Schlag ins Gesicht!
Sie haben keine Ahnung von Sozialem und
Kultur in den Städten! – Weitere Zurufe)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der
ollege Vaatz, und anschließend gibt es noch Redner Ih-
r Fraktionen, die dazu Stellung nehmen können. –
itte.
Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Es gibt noch ein Problem, und ich hoffe, dass es uns
elingt, dieses zu lösen.
(Zuruf des Abg. Florian Pronold [SPD])
Rahmen des Altschuldenhilfeprogramms stehen noch
46 Millionen Euro zur Verfügung, die bisher nicht in
nspruch genommen worden sind.
(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Er hat wirklich keinerlei Ahnung! Das
ist Wahnsinn! Schockierend!)
h hoffe, dass es uns gelingt, diese Summe für diesen
weck nutzbar zu machen; die Gelder würden sonst im
ahr 2013 verfallen. Ich vertraue darauf, dass die Versu-
he, die wir uns vorgenommen haben, glücklich enden
erden.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Es ist schade um die
Redezeit!)
Im Übrigen möchte ich noch einmal an die Länder ap-
ellieren. Ich halte es für einen Skandal, wie man mit
em Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14733
Arnold Vaatz
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von Maßnahmen zur energetischen Sanierung von
Wohngebäuden umgegangen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Überdenken Sie Ihre Haltung und kehren Sie zu einem
vernünftigen, berechenbaren Konsens – es war schon
einmal einer erzielt – zurück. Unterstützen Sie dieses
Gesetz; sonst zerstören Sie eine Säule unserer Bemühun-
gen bei der energiepolitischen Sanierung.
Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken. Lassen Sie
uns arbeiten. Ich hoffe, es gelingt uns in den nächsten
Wochen und Monaten, noch ein paar kleine Korrekturen
vorzunehmen, die den Haushalt noch weiter verbessern.
Er ist schon sehr gut.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
chen bei Abgeordneten der SPD – Johannes
Kahrs [SPD]: Zurück in die Vergangenheit!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Uwe Beckmeyer von der
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]:
Guter Mann! – Thomas Jarzombek [CDU/
CSU]: Jetzt sind wir mal gespannt, was ihr bei
der Maut wollt! Dazu hat noch keiner was ge-
sagt!)
Uwe Beckmeyer (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Herr Vaatz, auf Ihre Rede gehe ich nicht ein.
(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Dann lassen Sie
es! Das ist doch gut so!)
Herr Minister Ramsauer, Sie wollen Mobilität in
Deutschland ermöglichen. Das ist Ihr Stehsatz, den Sie
bei jeder Gelegenheit, bei jedem öffentlichen Auftritt be-
nutzen.
(Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister: Heute
ausnahmsweise nicht!)
Die Frage ist: Was passiert wirklich? Menschen stehen
im Stau, sie schwitzen im Sommer in den Grillzügen, sie
warten frierend im Winterchaos bei der Bahn, sie leiden
unter Verkehrslärm, und sie sind frustriert über Ihr Miss-
management bei der Aschewolke. Die Menschen in
Deutschland sind es leid, nur Ausflüchte und leere Ver-
sprechungen von Ihnen zu hören. Herr Minister, ich
denke, wir brauchen Taten.
Sie sind ein getriebener, zudem unglücklich agieren-
der Verkehrsminister, der der deutschen Verkehrspolitik
inzwischen mehr und mehr schadet. Wenn Sie, Herr
Minister, heute, aber auch in den letzten Tagen den Fi-
nanzierungsmangel bei der deutschen Verkehrsinfra-
struktur öffentlich beklagen, klagen Sie sich im Grunde
selbst an. Denn Sie sind es gewesen, der es in den letzten
Jahren nicht geschafft hat, diesen Mangel bei den Inves-
titionen für Sanierung und Modernisierung mit Nach-
druck in der jetzigen Bundesregierung bei der Haushalts-
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ufstellung zu thematisieren und erfolgreich für Abhilfe
u sorgen.
Herr Minister, Sie sind ein Minister der leeren Ta-
chen. Während sich Ihre Kabinettskollegen ihren Anteil
m Haushalt sichern, schauen Sie mut- und kraftlos zu.
rer Tatenlosigkeit folgt Ratlosigkeit. Zwar haben
nion und FDP in ihrem Koalitionsvertrag eine weitrei-
hende Infrastrukturfinanzierung angekündigt, aber bis-
er ist nichts passiert. Am 22. März 2010 kündigten Sie,
err Minister Ramsauer, an, etwas im Hinblick auf die
reditfähigkeit der VIFG zu tun. Bis zum heutigen Tage
aben Sie keine gesetzliche Initiative ergriffen.
(Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister: Der
Entwurf liegt vor!)
ir haben bei der Auswertung der Medien ohne große
ühe über 60 Ankündigungen von Ihnen persönlich als
undesverkehrsminister identifiziert. Bei allen ist nur
eiße Luft herausgekommen.
(Torsten Staffeldt [FDP]: Für heiße Luft sind
Sie zuständig, Herr Beckmeyer!)
ie organisieren nicht Mobilität, Sie organisieren den
tillstand.
(Beifall bei der SPD)
Wer heute in die Süddeutsche Zeitung schaut und den
roßen Artikel auf Seite 1 liest, der stellt fest, in welchen
nanziellen Nöten Sie sich tatsächlich befinden. So wird
s ab 2012 kein einziges Neubauprojekt bei der Straße
eben.
(Patrick Döring [FDP]: Das wusste doch
jeder!)
agen Sie den Menschen im Lande, dass keine notwen-
ige Ortsumgehung mehr gebaut wird! Sagen Sie den
nternehmen im Ruhrgebiet und den Unternehmen der
erladenden Wirtschaft in Hamburg und Bremen, an den
ord- und Ostseehäfen, dass sie auch in Zukunft mit ih-
n Fahrzeugen im Stau stehen! Sagen Sie den Men-
chen, dass für mehr Lärmschutz kein Geld da ist!
Wenn ich mir die in der Süddeutschen Zeitung be-
chriebene Unterfinanzierung vor Augen führe, verstehe
h nicht, weshalb Sie sich seit zwei Jahren mit allem
öglichen beschäftigen, nur nicht mit den zentralen Fra-
en der deutschen Verkehrspolitik. Die FAZ hat doch
cht, wenn sie schreibt:
Um Verkehrspolitik zu gestalten, reichen das Fum-
meln an der Punktekartei in Flensburg, das beglei-
tete Autofahren mit 17 Jahren
das ist sicherlich auch wichtig –
oder das Durchforsten des Verkehrsschilderwaldes
nicht aus.
ören Sie auf mit diesem Klein-Klein! Sie pflegen Ihre
agatellen. Aber diese Bagatellen bringen uns nicht vo-
n: weder die Einrichtung einer Taskforce, die sich mit
er Frage beschäftigt, wie englische Begriffe in die deut-
che Sprache übersetzt werden können, noch die natio-
ale Salzreserve
14734 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Uwe Beckmeyer
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(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Die Salz-
reserve haben doch Ihre Parteifreunde gefor-
dert!)
noch die Tatsache, dass Ihre Frau eine Cousine von Frau
Bullock ist. Das interessiert uns nicht. Uns interessiert
vielmehr, ob Sie in der Lage sind, die deutsche Verkehrs-
wirtschaft und die Investitionen voranzubringen.
Herr Minister, Sie verpassen die großen Themen im
Bau- und Verkehrsbereich. Sie haben nicht nur ein Aus-
gabenproblem, weil Sie den vorhandenen Bedarf nicht
mit den unzureichenden Mitteln unter einen Hut bringen
können, sondern Sie organisieren sich auch noch ein
Einnahmeproblem. Wenn diese Koalition die neuen
Mautsätze für die Euro-3-Stinker zurücknimmt, verzich-
tet sie auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Auch was
die angekündigte Lkw-Maut auf vierstreifigen Bundes-
straßen angeht, ist bis zum heutigen Tage kein Vollzug
gemeldet. Im Haushalt sind dafür für dieses und nächstes
Jahr jeweils 110 Millionen Euro vorgesehen. Sie werden
das bis zum Ende der Legislaturperiode aber nicht schaf-
fen. Sie verzichten auf Einnahmen. Sie organisieren Ihr
Einnahmeproblem im Grunde selbst.
Nicht nur bei diesen Themen, den großen Zukunfts-
themen der Mobilität, versagen Sie, sondern auch beim
Thema Stadtentwicklung. Wo Stadtentwicklung und Ge-
bäudebestand dem demografischen Wandel und dem
Klimaschutz angepasst werden müssten, nehmen Sie
massive Einschnitte vor. Da ist bei Ihnen der Rückwärts-
gang angesagt und keine flotte Fahrt nach vorn. Nein,
Sie müssen die Städtebauförderung im Rahmen des Na-
tionalen Stadtentwicklungsprogramms endlich als Auf-
gabe der Politik, als Aufgabe des Bundes begreifen. Das
heißt, Sie müssen sie gemeinsam mit Ländern und Kom-
munen fortführen, sie verlässlich finanzieren und die
Programmstrukturen und Schwerpunkte weiterentwi-
ckeln. Sie dürfen aber nicht so ein dümmliches Zeug re-
den wie Herr Vaatz, der dies diskreditiert hat.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Allein, Sie, Herr Minister, haben auf diese Fragen
keine Antworten. Sie sind ein Mann der leeren Taschen
– ich wiederhole es – und der leeren Versprechungen.
Statt Finanzkraft zu schaffen, sind Ihnen die Milliarden-
beträge vom Bundesfinanzminister und von der Regie-
rungskoalition abgenommen worden. Im Zusammen-
hang mit der DB AG waren es 2 Milliarden Euro. Hinzu
kommen die Aussetzung der von der Großen Koalition
beschlossenen Erhöhung der Lkw-Maut – ich sage das
noch einmal –, die Luftverkehrsteuer und die misslun-
gene Einführung einer Lkw-Maut auf Bundesstraßen.
Herr Minister, kein Verkehrsminister vor Ihnen war er-
folgloser als Sie.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/
CSU und der FDP – Bartholomäus Kalb
[CDU/CSU]: Das sagen ausgerechnet Sie! Sie
haben doch nur Chaos hinterlassen! Es waren
zwei Jahre Chaos bei Ihnen!)
Nun wärmen Sie den CSU-Evergreen Pkw-Maut auf.
Sie machen die Mobilität damit teurer. Sie verhindern
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obilität. Sie brechen mit Ihrem eigenen Credo, das be-
agt, dass Sie die individuelle Mobilität fördern wollen.
er ADAC spricht von Abzocke; nehmen Sie das einmal
ur Kenntnis. Wider jede verkehrspolitische Vernunft,
eißt es vonseiten des ADAC. Die FDP will sie nicht.
ie CDU will sie nicht. Nur Sie wollen sie. Wir wissen
chon heute, dass Sie am Ende des Prozesses mit leeren
änden dastehen werden. Sie haben nichts organisiert.
ie haben nur heiße Luft produziert. Sie beschäftigen
ns damit, aber am Ende ist nichts geschafft.
(Beifall bei der SPD)
Nicht der Individualverkehr auf unseren Straßen, son-
ern der Güterverkehr wächst. Deshalb brauchen wir
eue Konzepte und einen verkehrspolitischen Konsens
r den Güterverkehr. Sie holen aber niemanden an den
isch, um über das, was wir benötigen, zu reden. Sie re-
en mit niemandem darüber, wie wir es auf die Beine
tellen können, damit es gesamtgesellschaftlich im Kon-
ens akzeptiert wird. Genau das ist doch aber nötig.
ümmern Sie sich bitte darum oder treten Sie ab! Sie
üssen Antworten auf die Fragen geben, wie wir in
eutschland Infrastruktur organisieren wollen, welches
etz wir auf der Schiene brauchen, welches Autobahn-
etz wir benötigen, wo Ergänzungen nötig sind und wie
ie die Brückensanierungsprogramme ordentlich finan-
ieren wollen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Beckmeyer, kommen Sie bitte zum Schluss.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Ja. – Ich will am Ende sagen: Es ist doch klar, worin
ie Dramatik liegt. Die Regierungskoalition sagt, dass
0 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Neh-
en Sie aber bitte zur Kenntnis, dass in dieser Zeit die
aupreise um 20 Prozent gestiegen sind und dass durch
mplanungen Kostensteigerungen von weiteren 10 Pro-
ent entstanden sind. Real stehen Ihnen dadurch für Ihre
ufgaben aktuell 30 Prozent weniger zur Verfügung. In-
ofern stellen wir fest, dass wir es hier mit einem Werte-
erlust in der Verkehrsinfrastruktur zu tun haben. Sie
ber bemänteln das.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Beckmeyer!
Uwe Beckmeyer (SPD):
Sehr geehrter Herr Minister, da Sie diesen Aufgaben
icht nachkommen, möchten wir Sozialdemokraten Sie
aran erinnern, dass Sie einen Eid gemäß Art. 56 des
rundgesetzes geleistet haben. Sie haben sich dem Wohl
es deutschen Volkes zu widmen und seinen Nutzen zu
ehren. Tun Sie das bitte!
(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]:
Auch die Opposition!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring von der
DP-Fraktion.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14735
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Johannes Kahrs [SPD]: Der Vorkämpfer für
die Pkw-Maut!)
Patrick Döring (FDP):
Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Lieber Herr Kollege Beckmeyer, einen Minister,
dem der Haushaltsgesetzgeber 25,3 Milliarden Euro, da-
von 13,7 Milliarden Euro für Investitionen, zur Verfü-
gung stellen will, als Minister der leeren Taschen zu
bezeichnen, sagt viel über Ihr haushaltspolitisches
Grundverständnis aus.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Bettina Hagedorn [SPD]: Sie wollen doch die
Steuersenkungen!)
In der letzten Fachdebatte vor der Schlussrunde in der
Haushaltswoche darf man so etwas sagen. Ich wundere
mich darüber, was die Haushaltspolitiker der Sozialde-
mokraten dieser Koalition in der allgemeinen Ausspra-
che und auch in der Debatte über den Kanzleretat vorge-
halten haben: Angeblich trickse die Koalition bei der
Berechnung der Schuldengrenze,
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist so! Das ist
eine Tatsache! Fragen Sie mal die Bundes-
bank!)
angeblich mache die Koalition mehr Schulden, als sie
müsse, und angeblich sei die Koalition nicht auf dem
Pfad der Konsolidierung. Beide Reden aus der sozialde-
mokratischen Fraktion zu diesem Etat waren reine Aus-
gabeerhöhungsreden ohne einen einzigen konkreten Ge-
genfinanzierungsvorschlag. So geht es nicht.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Am Ende wird der Blick auf die ganze Woche gerich-
tet. Als Opposition den Eindruck zu erwecken, das Geld
fiele in dem Moment, in dem andere regierten, vom
Himmel – das haben Sie getan; das wurde in dieser Wo-
che deutlich –, ist schlichtweg unseriös. Ich finde es
schon bemerkenswert, dass der Kollege Beckmeyer
zwar die Muße und die Zeit hatte, der Neuen Osnabrü-
cker Zeitung sein Konzept zu einer Schwerverkehrsab-
gabe auf allen Straßen in Deutschland zu erklären, aber
in seiner Redezeit kein Wort zu
(Zuruf von der CDU/CSU: Weil es peinlich
ist!)
einem Erhöhungsprogramm für jegliche Waren und Gü-
ter im täglichen Bedarf und zu einem Preiserhöhungs-
programm für jeden Umzug in der Stadt, was mit einer
gewaltigen Datenmenge und Verwaltungskosten garniert
wäre, verlor. Dazu müssten Sie hier einmal etwas sagen,
geschätzter Kollege, statt einfach nur drumherum zu re-
den.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Bemerkenswert ist auch die Einlassung der Sozialde-
mokraten zur Deutschen Bahn. Sie haben in Ihrer Regie-
rungszeit mit den Grünen die Privatisierung einschließ-
lich des Schienennetzes betrieben. Sie mussten am Ende
auf den Pfad der Tugend gebracht werden, sodass we-
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igstens die Infrastruktur nicht mit privatisiert wurde.
ie haben unter Rot-Grün die Politik betrieben, die Sie
tzt beklagen. Dem Bundesverkehrsminister vorzuwer-
n, dass die in den 90er-Jahren angeschafften ICEs
ualitätsprobleme haben, ist nun wirklich ein starkes
tück. Das geht so nicht.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Es wurde insgesamt aus meiner Sicht zu viel über die
inzelnen Investitionsetats gesprochen, über die wir si-
herlich auch kritisch diskutieren werden. Aber es gilt
m Ende: Was passiert mit dem Geld? Wie effizient wird
s eingesetzt? Ich finde es schon spannend, dass es einen
ndamentalen Widerspruch zwischen den beiden zu-
ünftigen, am liebsten gemeinsam regierenden Fraktio-
en Grün und Rot gibt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Den zukünftigen! Das
war schon einmal eine wunderbare Ansage!)
Mal sehen, ob das so bleibt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben sich schon
aufgegeben!)
er Kollege Kühn hat das beschrieben, was die Sozial-
emokraten in Baden-Württemberg als kleinerer Partner
Koalitionsvertrag mitgetragen haben: Aus der Sicht
er grünen Partei sind neue Projekte beim Straßenbau in
eutschland nicht mehr nötig. Das ist ein fundamentaler
iderspruch zu der Rede, die der Kollege Beckmeyer
ehalten hat. Das müssen Sie einmal in Übereinstim-
ung bringen. Ich bin sehr gespannt, wie Ihnen das ge-
ngen wird. Wir haben grundsätzlich eine andere Ein-
chätzung zu diesem Sachverhalt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Johannes Kahrs [SPD]: Das ist uns doch sie-
ben Jahre lang hervorragend gelungen!)
Wir werden bei der Frage, ob wir unsere Mittel effi-
ient einsetzen, auch mit den Ländern, egal wie sie regiert
erden, sehr harte Auseinandersetzungen führen müssen.
s lohnt, nachzufragen, warum wir nicht genau wissen,
ie hoch die Verwaltungskosten und die Planungskosten
den einzelnen Bundesländern sind. Wir müssen über-
rüfen, warum die Bundesrepublik Deutschland so teuer
aut wie kein anderes Land in der Europäischen Union,
bwohl die gleichen Umweltstandards und die gleichen
lanungsrechte gelten. Daran muss man gehen, bevor
an sich überlegt, wo man zusätzliche Einnahmen gene-
ert. Es ist möglich, Infrastrukturmaßnahmen zu realisie-
n, wenn man mit den Mitteln kreativ und effizient um-
eht.
(Beifall des Abg. Torsten Staffeldt [FDP])
Deshalb sage ich für die FDP-Fraktion ganz klar: Das
leiche gilt zum Beispiel auch für das, was der Bundes-
aushalt für die Finanzierung von Schienenpersonennah-
erkehr aufwendet. Der Bundesgerichtshof hat in einem
emerkenswerten Urteil festgehalten, dass nach der der-
eitigen Rechtslage Direktvergaben im Schienenperso-
ennahverkehr nicht mehr möglich sein sollen. Wir be-
rüßen dieses Urteil ausdrücklich. Es stellt sicher, dass
ir in der wettbewerblichen Vergabe das beste Angebot
14736 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Patrick Döring
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bekommen. Das schafft Effizienz. Dadurch bekommen
wir mit den gleichen Mitteln im Bundeshaushalt mehr
Schienenpersonennahverkehr.
Diese Koalition will das. Ich bin gespannt, wie Sie
sich dazu einlassen. Ich höre, dass aus dem Bundesrat
der Wunsch kommt, die Direktvergabe wieder zu ermög-
lichen. Wir sollten im Sinne der Effizienz als Haushalts-
gesetzgeber Bundestag gegenhalten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ein letztes Wort zur Stadtentwicklung und zur Gebäu-
desanierung. Dass diejenigen, die das CO2-Gebäudesa-
nierungsprogramm bewusst befristet in den Bundeshaus-
halt eingestellt haben, wohl wissend, dass im nächsten
Jahr nichts mehr gemacht werden würde, uns vorhalten,
die 1,5 Milliarden Euro würden nicht reichen, ist schon
eine sehr bemerkenswerte politische Einschätzung.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen: Geben Sie Ihren Widerstand gegen
die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten im Rah-
men der Gebäudesanierung auf. Lassen Sie uns gemein-
sam für die Menschen mit Eigenheim oder mit Eigen-
tumswohnungen, für die Vermieterinnen und Vermieter
von ein bis zwei Wohnungen die Möglichkeiten zur steu-
erlichen Abschreibung verbessern; denn das schafft gute
Nachfrage bei Handwerk und Handel vor Ort.
(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]:
Klimaschutz!)
Wenn Sie dort auch in den Ländern Ihren Widerstand
aufgeben, dann erzielen wir einen zusätzlichen positiven
Effekt für den Klimaschutz. Das Ministerium ist nämlich
nicht nur für Verkehr und Bau zuständig, sondern ganz
besonders auch für den Klimaschutz. Das beweisen wir
mit diesem Haushalt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Johannes Kahrs [SPD]: Den Klimaschutz ha-
ben Sie doch schon aufgegeben!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Für die Linken hat jetzt das Wort der Kollege Thomas
Lutze.
(Beifall bei der LINKEN)
Thomas Lutze (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Bund unterstützt den Eisenbahnverkehr in einem erheb-
lichen Umfang. Neben den Regionalisierungsmitteln
sind das vor allen Dingen Investitionen in die Infrastruk-
tur. Als Linke fordern wir dennoch mehr finanzielle Un-
terstützung für den Bahnverkehr. Wir sind gegen milliar-
denteure Prestigeprojekte, falls die Frage auftauchen
sollte, woher das Geld denn kommen soll.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber auch andere Entscheidungen der Bundesregie-
rung sind wenig sinnvoll. Es wird immer wieder gesagt,
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ie Bahn sei zu teuer. Von vielen Bürgerinnen und Bür-
ern wird das auch so wahrgenommen. Doch anstatt der
ahn stärker unter die Arme zu greifen, verursacht der
esetzgeber die hohen Preise zum Teil selbst.
Erstes Beispiel: Was hat Deutschland mit Bulgarien,
stland, Litauen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei
emeinsam? – Den vollen Mehrwertsteuersatz auf Fern-
erkehrstickets. In allen anderen EU-Staaten sind diese
ahrkarten entweder steuerfrei, zum Beispiel in Großbri-
nnien, oder mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz
elegt, zum Beispiel in Frankreich. Ändern Sie das, und
ie Fahrkarten werden direkt um mindestens 12 Prozent
ünstiger.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweites Beispiel: Die direkte Konkurrenz der Bahn
t der Flugverkehr. Das gilt zumindest, wenn man den
nerdeutschen Flugverkehr betrachtet. Doch während
ie Eisenbahn Ökosteuer zahlen muss, ist Flugbenzin
ach wie vor steuerfrei.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]:
Unglaublich!)
as hat das mit Wettbewerbsgleichheit zu tun? Bekla-
en Sie bitte nicht, dass die Bahn zu teuer ist. Sie sub-
entionieren die Mitbewerber und halten die Bahnfahr-
arten mit der Mehrwertsteuer und der Ökosteuer
ünstlich teuer.
Noch ein schönes Beispiel: Die Bundesregierung
lant, die Einschränkungen beim Fernbusverkehr abzu-
chaffen. Hauptargument sind hierbei die Verbraucher,
ie nun ein preiswerteres Angebot im Vergleich zur
ahn erhalten sollen. Dass die Busse ohne Maut über die
utobahn fahren dürfen, ist hierbei selbstverständlich.
ass für den Bahnverkehr auf der Schiene aber Trassen-
ebühren und Gebühren für jeden Halt in einem Bahnhof
bgedrückt werden muss, weiß kaum jemand. Was hat es
lso mit Chancengleichheit im Wettbewerb zu tun, wenn
as eine Verkehrsmittel eine Maut zahlen muss und das
ndere nicht?
(Beifall bei der LINKEN)
Und noch ein Beispiel: Die Bahn – und damit der
und – investiert Millionenbeträge, damit Züge und
ahnhöfe barrierefrei gestaltet werden können. Das ist
uch gut so. Ich frage Sie, Herr Ramsauer: Müssen ab
. Januar 2012 auch alle Fernbusse behindertengerecht
usgestattet werden? Bisher nicht. Das ist aber keine
eiwillige Leistung. Es ist geltendes Recht, resultierend
us der Ratifizierung einer UN-Konvention. Wenn Sie
ei der Liberalisierung des Fernbusverkehrs diesen Fak-
r außen vor lassen, verstoßen Sie nicht nur gegen gel-
ndes Recht, sondern behandeln auch hier die einzelnen
erkehrsträger ungleich.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der
SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Unglaublich! – Patrick Döring [FDP]: Was
schon im Gesetz steht, muss man nicht noch in
andere Gesetze schreiben!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14737
Thomas Lutze
(A) )
)(B)
– Herr Döring, dann sorgen Sie einfach dafür, dass ab
1. Januar 2012 die Busse behindertengerecht ausgestattet
sind. Sie werden nicht einen Bus finden, der das ist.
(Patrick Döring [FDP]: Wenn das geltendes
Recht ist, wird es so sein!)
– Ich sage Ihnen: Sie werden kein Busunternehmen fin-
den, das seine Fernverkehrsbusse freiwillig so ausstattet,
dass sie behindertengerecht sind. Das kostet richtig Geld
und wird nur dann gemacht, wenn sie dazu verpflichtet
werden.
Wenn für diese Busse auch noch eine Autobahntras-
sengebühr bezahlt werden müsste, wären die Tickets fast
genauso teuer wie bei der Bahn.
Die sehr unterschiedlichen Tarifregelungen für die
Angestellten der Bahn und die Angestellten der Busun-
ternehmen sind hier ein weiteres Thema.
Vergleichbares in Ihrer Politik gibt es beim Güterver-
kehr. Der Kollege von den Grünen hat es bereits ange-
sprochen. Anstatt hier für die Verlagerung von der
Straße auf die Schiene zu sorgen, will die Bundesregie-
rung sogar die Gigaliner zulassen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaub-
lich! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Pfui! – Patrick Döring [FDP]: Erpro-
ben!)
Sie werden sich trotz unserer Kritik nicht von diesen
Projekten, die ich gerade aufgezählt habe, abhalten las-
sen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Doch,
doch! Dafür sorgen wir!)
Aber man kann Ihnen dann vorwerfen, dass ein fairer
marktwirtschaftlicher Wettbewerb zwischen den Ver-
kehrsträgern für Sie ein Fremdwort ist.
Als die Linke sagen wir sehr deutlich: Wir wollen
eine leistungsfähige, flächendeckende und vor allen Din-
gen auch preisgünstige Bahn. Und überall da, wo keine
Schienen vorhanden sind oder dies betriebswirtschaft-
lich nun gar nicht funktionieren sollte, können wir gerne
Busse einsetzen. Dafür brauchen Sie die Gesetze nicht
zu ändern. Das geht heute schon.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Für die Grünen spricht nun die Kollegin Bettina
Herlitzius.
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Und täglich grüßt das Murmeltier: Seitdem
Schwarz-Gelb in Berlin regiert, treffen wir uns jährlich
im Plenum zu den Haushaltsberatungen, und immer läuft
dieselbe Szenerie ab. Den ganzen Sommer über sagen
uns die Mitglieder der Regierung, wie wichtig die Städ-
tebauförderung für unsere Städte und die KfW-Förde-
rung für unsere Gebäude ist. Was aber passiert? Sie le-
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en uns tatsächlich wieder einen Haushaltsentwurf vor,
er bei genau diesen beiden Schlüsselthemen des Baube-
iches, Städtebauförderung und energetischer Gebäude-
anierung, massive Kürzungen vorsieht.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN und der SPD)
Herr Minister, mit diesem Haushalt verabschieden Sie
ich endgültig von Ihrem eigenen Klimakonzept der
undesregierung. Verantwortliche Energie- und Klima-
olitik sieht anders aus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Den ganzen Sommer über haben wir uns viele Sonn-
gsreden angehört. Wir haben von vielen Pressekonfe-
nzen gelesen. Die Bauindustrie hat gestrahlt. Die Wäh-
r, nicht nur in Bayern, waren sehr zufrieden, und unser
inister Ramsauer zog stolz durchs Land und verkün-
ete noch im Mai kämpferisch – ich zitiere –:
Die Städtebauförderung ist unverzichtbar für unsere
Städte … Ich werde mich mit Nachdruck dafür ein-
setzen, dass im Bundeshaushalt 2012 mindestens
455 Millionen Euro für die Städtebauförderung be-
reitgestellt werden.
ut gebrüllt, Löwe.
Herr Minister, gegen wen kämpfen Sie eigentlich? Sie
elbst haben die Budgetverantwortung für Ihren Haus-
alt. Übernehmen Sie sie endlich! Stehen Sie wenigstens
inmal zu Ihren Worten!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
inanzieren Sie eine Städtebauförderung, die ihren Na-
en verdient, und lassen Sie endlich die Finger weg von
er sozialen Stadt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
ie haben es nicht verstanden. Der Kollege Vaatz hat das
och einmal demonstriert.
Auch für die Bauindustrie gab es politische Visionen
diesem Sommer. Eine Energie-AfA sollte kommen.
s sollte eine Abschreibung für energetische Sanierung
ingeführt werden.
(Patrick Döring [FDP]: Sie verhindern das
doch! Ihre Länder sind das!)
Noch im Juni hat Herr Ramsauer gesagt – Original-
itat –:
Um die Sanierungsquote auf 2 Prozent zu erhöhen,
stellt die Bundesregierung ab dem kommenden Jahr
jährlich 1,5 Milliarden Euro … zur Verfügung. Zu-
sätzlich werden wir steuerliche Förderung schaffen,
um weitere Eigentümergruppen für eine energeti-
sche Sanierung zu gewinnen.
as hört sich erst einmal gut an. Politische Visionen sind
ber die eine Seite, die nackten Haushaltszahlen im
erbst sind die andere.
14738 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
(A) )
)(B)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Herlitzius, der Kollege Sebastian Körber würde
Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön.
Sebastian Körber (FDP):
Vielen Dank, Frau Kollegin Herlitzius. Sie haben ein
sehr gutes Instrument angesprochen, das zur Gebäude-
sanierung in Deutschland beitragen könnte, nämlich die
steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Immobi-
lien. Der Gesetzesvorschlag der Koalition und der Bun-
desregierung ist bekanntermaßen im Bundesrat abge-
lehnt worden, und zwar unter Federführung der rot-grün
geführten Länder, aber auch des grün-rot geführten Lan-
des, nämlich Baden-Württemberg.
Wenn man den Koalitionsvertrag von Baden-
Württemberg liest, dann hat man das Gefühl, Klima-
schutz steht in jeder dritten Zeile. Ich finde es fast unver-
schämt, wenn Sie hier sagen, dass der Bereich von unse-
rer Seite nicht mit ausreichenden finanziellen Mitteln
bedacht worden ist. Ich frage Sie deshalb: Finden Sie es
nicht problematisch, oder ist es Ihnen nicht zumindest
etwas peinlich, wie sich der grüne Ministerpräsident
Herr Kretschmann in diesem Punkt verhält?
(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Warum haben Sie denn den Vermitt-
lungsausschuss nicht angerufen?)
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Körber, ich glaube, es sollte Ihnen peinlich sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn Ihnen müsste das Subsidiaritätsprinzip bekannt
sein. Das heißt, was wir in Berlin beschließen, sollten
wir auch selber auf vernünftige Weise finanzieren.
(Patrick Döring [FDP]: Die Länder kriegen
42 Prozent der Einkünfte!)
Wenn es um den Länderanteil aus der Mehrwert-
steuer, Einkommensteuer oder anderen Steuern geht,
dann müssen wir den Ländern Kompensation anbieten.
(Otto Fricke [FDP]: Warum das denn? Die
kriegen doch genau dasselbe Geld!)
Wir können sie in den aktuellen Haushaltsdebatten nicht
im Regen stehen lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die 1,5 Milliarden Euro für die KfW-Gebäudesanie-
rung sind leider anders als angekündigt aus dem Haus-
halt verschwunden. Man findet sie jetzt im Energie- und
Klimafonds, allerdings ohne eine sichere Finanzierung.
Mit der steuerlichen Abschreibung – Herr Körber hat
es gerade angesprochen – ist es ähnlich. Auch das hat
nicht geklappt.
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(Patrick Döring [FDP]: Sie verhindern es!)
ie wollen sich auf Kosten der Länder einen schlanken
uß machen. Das ist nicht in Ordnung. Auch wir Grünen
ollen eine steuerliche Abschreibung für energetische
anierung.
(Patrick Döring [FDP]: Dann macht es doch!)
ir stehen dazu. Aber wir sollten sie richtig machen,
ämlich mit einem fairen Finanzausgleich für die Län-
er. So einfach ist das.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]:
Das ist doch lächerlich!)
Im Haushalt sind aber noch einige andere Sommer-
ärchen enthalten. Das Programm „Altersgerecht Um-
auen“ der KfW war, glaube ich, Ihr Sommermärchen,
err Körber. Auch hierfür wollten Sie kämpfen. Seit
wei Jahren ist dieses Förderprogramm auf dem Markt.
ie Bauherren hatten kaum Zeit, sich darauf einzustel-
n. Jetzt, da es langsam zu wirken anfängt, stampft
iese Regierung es ein.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Herlitzius, darf ich Sie noch einmal un-
rbrechen? – Der Kollege Fricke würde Ihnen gerne
ine Zwischenfrage stellen. Sie entscheiden das.
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Okay.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön.
Otto Fricke (FDP):
Frau Kollegin Herlitzius, ich finde es schon beacht-
ch,
(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Die sind alle hochnervös!)
enn eine Bundestagsabgeordnete fordert, dass die Län-
er Geld vom Bund erhalten sollen. Sie haben eine Ver-
ntwortung für den Bundeshaushalt. Vielleicht beruht
re Haltung auf einer mangelnden Faktenkenntnis. Ha-
en nach Ihrer Meinung die Länder und Kommunen
ehr Steuereinnahmen oder der Bund? Das wissen Sie
ahrscheinlich nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und
der CDU/CSU)
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Fricke, das ist eine allgemeine Aussage. Auf
elche Steuern beziehen Sie sich?
(Patrick Döring [FDP]: Die Gesamtsteuer-
einnahmen!)
ir haben ein sehr differenziertes Steuersystem mit ganz
nterschiedlichen Sätzen. Denken Sie an die Mehrwert-
teuer, die Einkommensteuer, die Grunderwerbsteuer
der die Grundsteuer. Es gibt zig verschiedene Instru-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14739
Bettina Herlitzius
(A) )
)(B)
mente. Sie wollen jetzt pauschalisieren. Ich denke, das
passt nicht.
(Otto Fricke [FDP]: Sie wissen es nicht!)
Wir wollen, dass Sie sich fair mit den Ländern aus-
einandersetzen und mit ihnen zusammen eine Lösung
finden. Sie haben etwas vorgeschlagen – das werfen wir
Ihnen vor –, und Sie wollen, dass es scheitert.
(Patrick Döring [FDP]: Sie lassen es
scheitern!)
Das ist zu verurteilen; denn Sie spielen mit den Gebäu-
debesitzern, die Sie veräppelt haben. Genau das ist Ihre
Strategie: Große Ankündigungen, und dann setzen Sie
das Ding doch in den Sand.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Wider-
spruch bei der FDP)
– Regen Sie sich nur ordentlich auf! Machen Sie eine
vernünftige Finanzpolitik! –
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Sie
sind Bundestagsabgeordnete, nicht Landtags-
abgeordnete!)
Ich komme zu dem Förderprogramm, das Herr Körber
angesprochen hat, zurück. Es ist seit zwei Jahren auf
dem Markt. Kümmern Sie sich darum. Demografischer
Wandel ist ein wichtiges Thema. Aber der demografi-
sche Wandel ist im Bauministerium offensichtlich so
weit fortgeschritten, dass man ihn einfach vergessen hat.
Dabei ist der demografische Wandel in unserer Gesell-
schaft neben dem Klimawandel eine weitere große He-
rausforderung. Nur 1 Prozent der Wohnungen ist barriere-
frei. Das ist zu wenig. Wir Grüne fordern, dass Sie dieses
Programm wieder auflegen. Wir müssen die Barrieren in
unseren Wohnungen, in unseren Stadtvierteln, aber vor
allem die Barrieren in den Köpfen dieser Regierung be-
seitigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungspar-
teien, mit diesem Haushaltsentwurf machen Sie uns ei-
nes deutlich: Mit sozial Schwachen, mit Alten und mit
Behinderten haben Sie nichts am Hut. Aber die Hoff-
nung stirbt zuletzt.
Wie sieht es denn mit der Kultur aus? Ist die Baukul-
tur, unser historisches Erbe, vielleicht eine Aufgabe, de-
rer sich diese Regierung annimmt? Nein, weit gefehlt.
Diese Regierung braucht auch keine Baukultur. Selbst
ein kleines Förderprogramm wie das für die Unterstüt-
zung des UNESCO-Weltkulturerbes in Deutschland
wird von Ihnen nicht weitergeführt.
(Johannes Kahrs [SPD]: Gestrichen!
Unglaublich!)
Dazu fällt mir ein Zitat von Gottlieb Saphir ein: In-
wiefern sind Minister und Pantoffeln sich gleich? Man
gewinnt beide oft erst dann lieb, wenn sie abgetreten
sind.
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In diesem Sinne.
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Für die SPD hat der Kollege Florian Pronold das
ort.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]:
Guter Mann!)
Florian Pronold (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
nd Herren! Lieber Herr Minister Ramsauer, Sie sind bei
en vergangenen Debatten immer als Ankündigungs-
inister gestartet – eine Ankündigung nach der anderen.
eute müssen wir feststellen: Sie sind der Stillstands-
inister dieser Regierung, weil sich in keinem Ressort
o wenig bewegt wie in Ihrem. Der Ankündigung folgt
ein Handeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Februar waren Sie bei einem großen Ausstatter der
eutschen Bahn AG und haben angekündigt: Jetzt wird
s besser. Die Züge werden geliefert, das Eisenbahn-
undesamt wird entsprechend handeln. – Gestern fand
in Bahngipfel statt, auf dem dieselbe Ankündigung ge-
acht wurde, nämlich dass es besser wird, dass die Züge
eliefert werden und das Eisenbahn-Bundesamt schnel-
r prüfen wird. Gleichzeitig kündigen Sie schon jetzt an,
ass sich die Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer auch in
iesem Winter wieder auf ein Chaos einstellen müssen,
eil es die entsprechenden Züge nicht gibt. Was stimmt
enn nun, Herr Minister?
Sie haben hier an diesem Mikrofon angekündigt, dass
ukünftig 100 Prozent des Zuwachses an Güterverkehr
uf der Schiene stattfinden soll. Wie sieht es jetzt aus?
ie haben selber die Süddeutsche Zeitung von heute zi-
ert: „Bund fehlt Geld für neue Straßen und Schienen“.
em besagten Artikel in der Süddeutschen Zeitung ent-
ehmen wir: Y-Trasse – kein Geld vorgesehen; Rhein-
uhr-Express – kein Geld vorgesehen; es gibt keine
euen Mittel, um tatsächlich zu gewährleisten, dass
ehr Güterverkehr auf der Schiene stattfindet. – Das ist
as Ergebnis Ihrer Ankündigungen: heiße Luft und
ichts dahinter.
(Beifall bei der SPD)
Sie haben selber im letzten Haushalt zum Beispiel im
ereich kombinierte Verkehre gekürzt. Dort haben Sie
ogar das Gegenteil von dem gemacht, was vorher ange-
ündigt worden ist. Was fällt Ihnen als Alternative ein?
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Nichts!)
igaliner. Anfang nächsten Jahres soll es einen entspre-
henden Feldversuch geben. Übrigens ist es der zweite
ersuch dieser Art. Es ist ja nicht so, dass es nicht schon
elche gegeben hat, aus denen man Rückschlüsse hätte
iehen können.
14740 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Florian Pronold
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)(B)
Selbst das CDU-FDP-regierte Land Hessen steigt aus
diesem Feldversuch jetzt aus.
(Patrick Döring [FDP]: Abwarten!)
Sie kündigen an, dass Sie Ihr Vorhaben mit einer Aus-
nahmeverordnung gegen den Willen der Mehrheit der
Länder durchsetzen.
Ich sage Ihnen hier von dieser Stelle – die Allianz pro
Schiene hat ein Gutachten vorgelegt –:
(Patrick Döring [FDP]: Sie berufen sich ja auf
interessante Experten!)
Das, was Sie machen, ist nicht nur inhaltlich falsch, es
ist auch verfassungswidrig.
(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]:
Quatsch!)
Die SPD-Bundestagsfraktion wird klagen, wenn Sie
diese Ausnahmeverordnung in Kraft setzen. Der Weg,
den Sie hier einschlagen, ist kein Weg in die Zukunft;
das ist ein Weg in die verkehrspolitische Vergangenheit.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland
Claus [DIE LINKE] – Thomas Jarzombek
[CDU/CSU]: Warum steigt das von Ihnen re-
gierte Land Hamburg dann ein?)
Eine weitere Ankündigung von Ihnen lautet, die Ver-
kehrsfinanzierungsgesellschaften kreditfähig zu machen.
Darüber kann man trefflich streiten. Sie haben es ange-
kündigt, Herr Ramsauer. Herr Vaatz hat es gerade ange-
kündigt. Was wird aus den Ankündigungen? Sie haben
doch die Mehrheit hier. Bringen Sie endlich den ange-
kündigten Gesetzentwurf ein; dann können wir auch da-
rüber reden.
Die Bundeskanzlerin hat vor der Wahl versprochen:
Es wird mit dieser Regierungskoalition keine Einfüh-
rung einer Pkw-Maut geben.
(Patrick Döring [FDP]: So ist das auch!)
Da ist sie im Wort.
(Otto Fricke [FDP]: Es gibt Meinungsfreiheit!)
Was sagt dazu der Herr Bundesminister? Wessen Wort
gilt denn nun in dieser Bundesregierung? Wer gibt jetzt
den Ton an? Ist es der Herr Ramsauer, der auf einmal die
Pkw-Maut entdeckt? Er wollte sie erst nur prüfen, in die-
ser Legislaturperiode aber nicht einführen; binnen vier
Wochen ist nun ein Gesetzentwurf entstanden. Ich frage
Sie: Was gilt denn nun? Hat die Bundeskanzlerin recht?
Bleibt es bei dem Wort der Bundeskanzlerin? Oder ist es
so, dass der Herr Ramsauer nach längerer Prüfung doch
einen Gesetzentwurf vorlegt, der nur auf eines abzielt,
nämlich darauf, die Autofahrerinnen und Autofahrer ab-
zuzocken?
(Beifall bei der SPD – Daniela Wagner
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle anderen
haben auch eine Maut!)
Sie beklagen zu Recht, dass zu wenig Geld in die In-
frastruktur fließt. Wenn Sie fragen: „Woher soll das Geld
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ommen?“, dann stelle ich Ihnen eine Gegenfrage: Wie
ann man Milliarden für Geschenke an die Klientel, an
iche Erben und an Hoteliers, ausgeben und nachher be-
lagen, dass Geld fehlt?
(Bettina Hagedorn [SPD]: Und Steuern
senken!)
ie kann man die Ausweitung der Lkw-Maut zurück-
ehmen und auf Geld für die Infrastruktur verzichten?
ie kann man die vierspurigen Bundesstraßen nicht
ollständig, sondern nur zu einem Drittel in die Lkw-
aut aufnehmen wollen? Wie ist damit vereinbar, dass
iese Mauteinnahmen nicht einmal in den Haushalt flie-
en, weil das nicht umsetzbar ist?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ie kann man von Verkehrsträgerfinanzierungskreisläu-
n reden – im letzten Haushalt waren eine Luftverkehrs-
bgabe und eine Zwangsdividende für die Bahn veran-
ert – und die Mehreinnahmen nicht komplett dem
erkehrshaushalt, sondern der allgemeinen Schuldentil-
ung zukommen lassen?
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan
Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] –
Patrick Döring [FDP]: Ich denke, Sie wollen,
dass wir mehr Schulden machen?)
Sie reden immer davon, dass Sie mehr Geld für Inves-
tionen brauchen. Da haben Sie recht. Aber dann neh-
en Sie die Klientelgeschenke zurück und sorgen Sie
r echte Verkehrsträgerfinanzierungskreisläufe. Inves-
eren Sie das zur Verfügung stehende Geld auch in die
erkehrsinfrastruktur. Dann muss man keinen einzigen
endler belasten.
(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]:
Sparen oder mehr Ausgaben?)
Die Halbzeitbilanz dieser Bundesregierung dokumen-
ert eines: Sie kann nicht regieren. Sie macht Ankündi-
ungen, und daraus folgt im Regelfall nichts. Wenn es
inen Beleg für die Unfähigkeit zum Regieren gibt, dann
t es die Personifizierung durch den Bundesverkehrsmi-
ister.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Abg.
Reinhold Sendker [CDU/CSU] begibt sich
zum Rednerpult)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Sendker, ich habe Sie noch nicht aufge-
fen. Aber Sie können gerne dort stehen bleiben; denn
ie haben jetzt das Wort. Allerdings ruft immer noch der
räsident die Redner auf. – Das Wort hat der Kollege
einhold Sendker von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die Abge-
ordneten werden immer selbstständiger!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14741
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)(B)
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr
Pronold, Sie haben eben die Süddeutsche Zeitung zitiert
und unseren Minister als Stillstandsminister bezeichnet.
(Johannes Kahrs [SPD]: Recht hat er!)
Ich darf einmal die Süddeutsche Zeitung vom 1. Septem-
ber zitieren. Darin werden Sie, verehrter Herr Pronold,
als „Trümmermann der SPD“ bezeichnet. So, wie Sie
sich heute Morgen eingelassen haben, haben Sie bei uns
auch nicht gerade den Eindruck erweckt, dass Sie für
Deutschland ein guter Ratgeber in Sachen zukünftige In-
vestitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Gustav Herzog [SPD]: Sagen Sie doch einmal
etwas zur Sache!)
Herr Pronold, richtig ist, dass auch in 2012 die inves-
tiven Mittel für den Verkehr nach Auslaufen der Kon-
junkturprogramme und trotz notwendiger Sparpolitik
höher sind als vor der Krise und auch höher als in 2011.
Solide Haushaltsverhältnisse und mehr investive Mittel
für den Verkehr leisten einen starken Beitrag, damit
Deutschland das bleibt, was es ist: Wachstumslokomo-
tive in Europa. Das ist unser Ziel.
Unser Land ist das Kernland Europas. Es ist Transit-
land und der größte Logistikstandort der Welt. Daran
muss sich eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur
orientieren.
Beim Verkehrsträger Straße sind für uns drei Punkte
von großer Bedeutung: Erstens. Der Finanzierungskreis-
lauf Straße ist hergestellt. Er schafft viel Transparenz
und Akzeptanz für unsere Investitionen. Zweitens ist es
ebenso erfreulich, dass im Haushaltsplanentwurf für
2012 mehr Mittel für die Straße eingestellt sind als für
2011. Drittens lautet bei den Investitionen in Straße un-
sere klare Priorität: Erhalt steht vor Neubau.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Dann machen Sie es mal!)
Der Minister hat das sehr eindrucksvoll begründet. Im
Sinne einer intakten Verkehrsinfrastruktur darf es hier
keine Rückstände geben.
Natürlich hätten wir gern mehr investive Mittel für
den Neubau zur Verfügung. Deshalb gilt unser Augen-
merk natürlich den neueren Ansätzen zur Optimierung
von Bau und Bestand im Verkehr. Dazu gehört das
Thema öffentlich-private Partnerschaft mit ersten sehr
positiven Erfahrungen im Bundesfernstraßenausbau.
Wie wir hören, ist beispielsweise der Ausbau der A1 auf
sechs Spuren im Bereich von Osnabrück bis zum Kame-
ner Kreuz bis zum Jahre 2020 herkömmlich nicht reali-
sierbar. Ich darf feststellen: Mit einem ÖPP-Projekt wäre
das sehr wohl möglich gewesen. Leider wird aus erkenn-
bar ideologischen Gründen ein schnellerer Ausbau auf
dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung vom grünen
NRW-Verkehrsstaatssekretär abgelehnt.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Es gibt auch finanzielle Gründe!)
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as dient weder den Menschen noch der Region. Wer
om Bund mehr Geld für Investitionen im Verkehr for-
ert, aber vor Ort ÖPP ablehnt, meine Damen und Her-
n, der muss Geld ohne Ende haben, oder er ist schlicht
nglaubwürdig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nein!)
Neben der ÖPP-Finanzierung verfolgen wir mit
achdruck den Prüfauftrag zur Herstellung eines Finan-
ierungskreislaufs Straße unter direkter Zuweisung der
kw-Maut an die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsge-
ellschaft VIFG.
Der Haushaltsentwurf enthält auch gute Mittelansätze
r den Lärmschutz, für Radwege an Bundesstraßen, für
ie kombinierten Verkehre und 130 Millionen Euro für
ie Beseitigung der Lkw-Stellplatzdefizite. Die Bereit-
tellung dieser Stellplätze ist nicht nur eine gesetzliche
erpflichtung. Sie dienen vor allem der Sicherheit an un-
eren Autobahnen.
Apropos Verkehrssicherheit. Von 1970 bis 2010 sank
ie Zahl der Verkehrstoten auf unseren Straßen von
0 000 auf 4 000. Im abgelaufenen Jahr 2010 starben auf
eutschlands Straßen mit 3 648 so wenig Menschen wie
eit 60 Jahren nicht mehr. Zielführend war dabei auch
ie Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 als Dauer-
cht, die auf unsere Initiative zurückgeht. Ich darf fest-
tellen, auch hier sind wir auf einem guten Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch beim Verkehrsträger Schiene ist mit über 4 Mil-
arden Euro mehr veranschlagt worden als in 2011. Es
ibt eine erfreuliche Perspektive im Finanzplan bis 2015
it einem Aufwuchs um weitere 1,1 Milliarden Euro.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim
hema moderne Bahnhöfe und zukunftsfähige Schie-
eninfrastruktur empfehle ich den Grünen, Projekte wie
tuttgart 21 nicht länger und immer neu zu blockieren
nd kurz und klein zu reden. Nehmen Sie stattdessen
ndlich auch die sehr positiven und eindeutigen Ergeb-
isse des Stresstests zur Kenntnis und handeln Sie in
erantwortung danach.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Und woher nehmen Sie das Geld?)
Die einen, meine Damen und Herren, reden immer
ur, andere handeln, darunter auch unser Minister, zum
eispiel bei dem schwierigen Thema Zugbeschaffung;
as war ja eben hier schon Thema. Herr Minister, damit
ird alles getan, damit im Winter die Zahl der Zugaus-
lle und -verspätungen verringert wird. Das ist eine gute
erspektive. Herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das Thema Instandhaltung und Erneuerung ist nicht
ur für Schiene und Straße von Bedeutung, sondern auch
r die Bundeswasserwege.
(Beifall des Abg. Torsten Staffeldt [FDP])
14742 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Reinhold Sendker
(A) )
)(B)
Hierbei hat der verkehrswirtschaftliche Nutzen absolute
Priorität. Ich darf anmerken, dass allein ein Viertel des
gesamten Gütertransports im größten Bundesland NRW
auf den Wasserstraßen verläuft.
Überaus erfolgreich – das soll hier auch erwähnt sein –
entwickelt sich das CO2-Gebäudesanierungsprogramm:
konjunktur-, wohnungs- und klimapolitisch. In diesem
Jahr wurden Mittel in Höhe von fast 1 Milliarde Euro
bereitgestellt. Es ist ein Aufwuchs in den nächsten Jah-
ren bis 2014 auf dann jährlich 1,5 Milliarden Euro ge-
plant.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nicht im Haushalt!)
Zum Thema Städtebauförderung hat mein Kollege
Arnold Vaatz alles Wesentliche festgestellt.
(Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD])
Es ist uns gelungen, gegenüber dem Eckwertebeschluss
vom März wieder einen Aufwuchs auf insgesamt über
500 Millionen Euro herzustellen. Als Baupolitiker darf
ich ergänzen, dass wir auch an den ländlichen Raum
denken. Den Ansatz des entsprechenden Programms für
kleine Städte und Gemeinden haben wir auf über 40 Mil-
lionen Euro angehoben. Auch das ist eine klare Aussage
in unserem Entwurf.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wer all das im Ergebnis als zu wenig kritisiert, der
möge uns dann bitte sagen, wie denn ansonsten die
Haushaltsziele der Konsolidierung und das Einhalten der
Schuldenbremse erreicht werden sollen. Wir jedenfalls
stehen für eine realistische Politik, für solide Haushalts-
verhältnisse und die Verstetigung der investiven Mittel
auf hohem Niveau, für die Prioritätensetzung Erhalt vor
Neubau, für den Zugang zu neuen Finanzierungsinstru-
menten, für viel Innovation sowie für Planungssicherheit
in der Städtebauförderung und die Stärkung der Energie-
effizienz.
(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Alles reine Fantasie!)
Ich darf noch einmal auf das bereits angesprochene
Interview von meinem Kollegen Beckmeyer in der
Neuen Osnabrücker Zeitung zurückkommen. Dort haben
Sie, Herr Beckmeyer, etwas gesagt, was ich gerne unter-
stütze, nämlich dass die Wirtschaft von einer starken In-
frastruktur in Deutschland profitiert. Ja, meine Damen
und Herren, wir haben eine starke Infrastruktur in
Deutschland.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Aber wir müssen sie
noch stärker machen! Und dafür brauchen wir
gute Straßen und Eisenbahnen!)
Mit dem Etatentwurf für 2012 wollen wir sie erhalten
und ausbauen. Das ist unser Ziel.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sanieren Sie erst einmal die Brücken!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letzte Rednerin zu diesem Geschäftsbereich hat
ie Kollegin Stefanie Vogelsang von der CDU/CSU-
raktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP und des Abg. Johannes Kahrs
[SPD] – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Frau!)
Stefanie Vogelsang (CDU/CSU):
Netter Kollege. – Herr Präsident! Meine Damen und
erren! Lassen Sie mich als Haushaltspolitikerin der
nion zum Abschluss dieser Debatte noch einmal einen
urzen Blick auf den Etat des Bundesbauministers wer-
n. Wir hatten uns – das möchte ich eingangs sagen – in
en letzten Monaten, eigentlich schon seit über einem
ahr, mit der Staatsschuldenkrise der Länder in der Euro-
one zu beschäftigen. In der letzten Wahlperiode hatten
ir eine Wirtschafts- und Finanzkrise und haben über
0 Milliarden Euro als Konjunkturmittel zur Verfügung
estellt. Das war eine richtige und wichtige Maßnahme,
m die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepu-
lik Deutschland voranzubringen. Genau das, was die
undeskanzlerin versprochen hat, nämlich dass Deutsch-
nd stärker aus der Krise hervorgeht, als es hineingegan-
en ist, ist damit auch wahr geworden.
Nun geht es aber darum, durch Konsolidierungsmaß-
ahmen diese 80 Milliarden Euro zu refinanzieren. Die
onjunkturmittel wurden erfolgreich eingesetzt. Jetzt
eht es darum, die Ausgaben herunterzufahren. Deswe-
en ist es so wichtig und richtig, jeden einzelnen Bereich
u evaluieren und zu schauen, wo eingespart werden
ann. Ich möchte meinen Schwerpunkt gerne auf drei
unkte legen: die Verkehrsinvestitionen, das CO2-Ge-
äudesanierungsprogramm und die Äußerungen von Ih-
en, Herr Kollege Beckmeyer, zum Thema Städte-
auförderung.
Der Etat des Bundesbauministers beinhaltet mit ei-
em Anteil von 52 Prozent den größten Teil der Gesamt-
vestitionen des Bundes. Das ist eigentlich auch eine
elbstverständlichkeit. Die Mittel für Investitionen in
iesem Bereich belaufen sich auf 13,7 Milliarden Euro.
as ist ein enormer Betrag. Wichtig ist, wie ich finde,
ass dieser enorme Betrag in der mittelfristigen Finanz-
lanung stetig weitergeführt wird, dass dies also auch
er Ansatz für die nächsten Jahre ist. Nichtsdestotrotz
ind 13,7 Milliarden Euro und vor allen Dingen 10 Mil-
arden Euro für den Bereich der Verkehrsinfrastruktur
icht gerade üppig. Wir werden uns in den Haushaltsbe-
tungen jeden noch so kleinen vorhandenen Spielraum
nschauen, um vielleicht Möglichkeiten zu finden, die-
en Bereich zu verstärken.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Der zweite Punkt ist das CO2-Gebäudesanierungspro-
ramm. Im Haushaltsausschuss und wahrscheinlich auch
diesem Haus sind wir uns darüber einig, dass das ein
rfolgreiches Programm ist. Wir stellen in diesem Jahr
50 Millionen Euro für die zinsverbilligten Kredite bei
er KfW zur Verfügung. In den Folgejahren, 2012 bis
014, werden es 1,5 Milliarden Euro sein. Das ist eine
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14743
Stefanie Vogelsang
(A) )
)(B)
verlässliche Politik: auf der einen Seite im Hinblick auf
die Reduzierung von CO2-Emissionen und auf der ande-
ren Seite für die mittelständische Bauwirtschaft und die
kleinen Investoren vor Ort, die sich an diesem Pro-
gramm orientieren. Das unterstützen wir sehr.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Der dritte Punkt, Herr Kollege Beckmeyer, ist die
Städtebauförderung.
(Sören Bartol [SPD]: Jetzt sind wir gespannt!)
Wichtig ist die Botschaft: Der Bund bleibt starker, ver-
lässlicher Partner in der Städtebauförderung.
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Auf sehr niedrigem
Niveau!)
Wenn Sie, Herr Beckmeyer, hier die Äußerungen meines
Kollegen Vaatz als „dümmliches Zeug“ bezeichnen,
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das war es
allerdings!)
dann würde ich Ihnen gerne einmal das dümmliche Zeug
Ihres Kollegen Wowereit im Berliner Wahlkampf vor
Augen führen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist etwas anderes! Aber das, was
Herr Vaatz gesagt hat, war fatal! Das eine ent-
schuldigt nicht das andere!)
Das Programm „Soziale Stadt“ mit einem Schwerpunkt
auf Investitionen in Beton, wie es in der Neujustierung
des Bundesbauministeriums vorgesehen ist, bedeutet
keineswegs eine Abkehr des Programms von Investitio-
nen in Menschen.
(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Doch! Das ist genau das Besondere ge-
wesen: dass es um mehr geht als um Beton!)
Hier im Land Berlin – das ist vielleicht das Vorzeigeland
für verschiedene Maßnahmen – haben die Kommunen
und das Land Sozialarbeiterstellen abgebaut und Mittel
des Programms „Soziale Stadt“ tatsächlich für Themen
wie Malkurse und Zusammenhalten eingesetzt.
(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist Quatsch! – Sören Bartol [SPD]:
Aber das gehört doch dazu! Haben Sie es nicht
begriffen? Das ist ein Paket! – Die Abg.
Florian Pronold [SPD] und Stefan Liebich
[DIE LINKE] melden sich zu einer Zwischen-
frage)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Vogelsang, Entschuldigung, der Kol-
lege Pronold würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage
stellen. Lassen Sie das zu?
Stefanie Vogelsang (CDU/CSU):
Ich spreche meinen Satz noch zu Ende, dann lasse ich
sie gerne zu.
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Wichtig ist doch, dass die Gebietskörperschaften in
iesem Bereich zusammenarbeiten. Wichtig ist, dass
icht der eine mit dem Finger auf den anderen zeigt,
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Es geht um Zusam-
menhalt und Integration und nicht nur um Be-
ton!)
ondern dass man zusammen für Städtebauförderung
insteht und nicht auf Kosten des Bundeshaushalts ei-
ene Ausgaben einspart. Das ist eine völlig falsche und
erfehlte Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Hagedorn [SPD]: Quatsch!)
Während wir uns von den Linken im Wahlkampf an-
ören müssen, dass das Programm „Soziale Stadt“ zur
entrifizierung in den Innenstadtbereichen beiträgt,
üssen wir uns von der SPD anhören, dass die „Soziale
tadt“ dafür verantwortlich ist, dass in den Innenstadtbe-
ichen kein ärmerer Mensch mehr lebt, weil alle hohe
ieten zahlen müssen. Das ist in diesem Zusammen-
ang völlig unverständliches Zeug.
Jetzt würde ich die Zwischenfrage gerne zulassen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Entschuldigen Sie, jetzt haben Sie Ihre Redezeit weit
berschritten; deshalb kommt das nicht mehr infrage.
(Heiterkeit im ganzen Hause)
Stefanie Vogelsang (CDU/CSU):
Ein letzter Satz noch. Ich bin der felsenfesten Über-
eugung, dass wir so den richtigen Weg in diesem Be-
ich gemeinsam gehen können.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das hat jetzt natürlich den Wunsch nach einer Kurzin-
rvention des Kollegen Pronold ausgelöst.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Liebich
auch!)
Ich gebe Ihnen das Wort.
Florian Pronold (SPD):
Liebe Frau Kollegin Vogelsang, Sie hätten sich ein-
ch einmal die Projekte der „Sozialen Stadt“ anschauen
ollen, statt hier nur darüber zu reden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
h war im letzten Jahr den ganzen Sommer über unter-
egs
(Patrick Döring [FDP]: Das waren wir alle
schon!)
nd habe mir vor Ort angeschaut, was mit dem Geld ge-
acht wird. Was dieses Projekt „Soziale Stadt“ aus-
acht, ist die Tatsache, dass man nicht nur in Beton in-
14744 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Florian Pronold
(A) )
)(B)
vestiert, sondern in den Zusammenhalt der Menschen
vor Ort.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wir reden darüber, dass es Problemviertel gibt. Es
langt aber nicht, dort einfach nur ein Gebäude zu sanie-
ren, sondern dort muss aktiv etwas für Integration getan
werden.
(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Aber nicht
aus dem Etat!)
Das geschieht mit dem Programm „Soziale Stadt“, des-
sen Mittel Sie jetzt um über 60 Prozent gekürzt haben.
Wenn Sie uns nicht glauben, dass das Unsinn ist, dann
glauben Sie doch wenigstens den Ergebnissen einer Stu-
die über die Wirkung der Städtebauförderung, die das
Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat.
Dort ist insbesondere das Programm „Soziale Stadt“ – in
der alten Fassung – als besonders effizient und beson-
ders gut bewertet worden.
(Patrick Döring [FDP]: Das gibt es ja auch
noch!)
Wir stehen für sozialen Zusammenhalt. Sie aber brin-
gen soziale Kälte in die Stadt. Hier müssen Sie umkeh-
ren.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick
Döring [FDP]: Quatsch!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Es gibt den weiteren Wunsch nach einer Kurzinter-
vention des Kollegen Liebich. Frau Vogelsang, Sie kön-
nen dann auf beide zusammen antworten.
Bitte schön.
Stefan Liebich (DIE LINKE):
Liebe Frau Vogelsang, Sie haben den Berliner Wahl-
kampf in den Bundestag getragen. Das ist okay. Dann
müssen wir ihn aber auch miteinander führen. Ich will
hier noch einmal daran erinnern, dass es der rot-rote Se-
nat von Berlin war, der auf Antrag des Wirtschaftssena-
tors Harald Wolf im Bundesrat den Antrag gestellt hat,
die Kürzung bei der Städtebauförderung zurückzuneh-
men. Der Bundesrat hat dem zugestimmt. Das war die
Position des Landes Berlin. Diese Position war richtig.
Das Problem besteht nicht im Lande Berlin, sondern bei
der Mehrheit des Deutschen Bundestages.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Zu den Malkursen, die Ihr Kollege Vaatz angespro-
chen hat: Wer sich mit der Politik in der Stadt Berlin be-
fasst, der weiß, dass das Quartiermanagement und das
Programm „Soziale Stadt“ ganz wichtige Arbeit für den
sozialen Zusammenhalt leisten. Die vielen Projekte, die
immer wieder gelobt werden – gerne auch von Politikern
der CDU, gerne auch von Stadträten; früher waren Sie ja
selbst Stadträtin hier in Berlin –, werden ganz maßgeb-
lich vom Programm „Soziale Stadt“ mitfinanziert. Wir
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rauchen diese Projekte in Berlin dringend. Wenn Sie
ie Mittel hierfür mit Ihrer Mehrheit kürzen, dann tun
ie den Berlinerinnen und Berlinern ganz sicher keinen
efallen.
(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring
[FDP]: Das soll das Land Berlin mit seinen
Mitteln selber machen!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Vogelsang, Sie können auf beide Inter-
entionen reagieren.
Stefanie Vogelsang (CDU/CSU):
Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben. –
err Kollege Pronold, im Gegensatz zu Ihnen habe ich
icht nur einen Sommer getanzt, sondern ich habe mir
ie Programme der „Sozialen Stadt“ über zehn, zwölf
ahre angeschaut.
(Sören Bartol [SPD]: Aber nichts gelernt!)
Ich weiß sehr wohl, wie wichtig aufsuchende Sozial-
rbeit gerade in schwierigen Kiezen und schwierigen
ebieten ist.
(Florian Pronold [SPD]: Warum kürzen Sie es
dann?)
ufsuchende Sozialarbeit ist das Herz funktionierender
ozialpolitik vor Ort. Hier in Berlin gibt es an aufsu-
hender Sozialarbeit fast nur noch null Komma null Stel-
n. Sie werden ersetzt durch eine Finanzierung des Bun-
es im Bereich von „Sozialer Stadt“. Das ist einfach
icht richtig. Hier muss aufsuchende Sozialarbeit her,
nd nicht eine Zweckentfremdung von Bundesmitteln.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Florian Pronold [SPD]: Eine Unterfinanzie-
rung! – Sören Bartol [SPD]: Sie haben nichts
gelernt!)
Sehr geehrter Herr Kollege Liebich, mit über einer
alben Milliarde Euro im Bereich der Städtebauförde-
ng brauchte dieser Bundesbauminister und erst recht
ie schwarz-liberale Koalition
(Heiterkeit)
Sie irritieren mich – christlich-liberale Koalition be-
timmt keinen Antrag auf Initiative von Harald Wolf aus
em Land Berlin.
(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Doch!)
as haben wir schon selber hingekriegt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
icht vor.
Wir kommen zur Schlussrunde. Als erstem Redner
rteile ich das Wort dem Kollegen Norbert Barthle von
er CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14745
(A) )
)(B)
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Am Ende dieser Haushaltswoche kann man
die Debatten ein Stück weit Revue passieren lassen. Ins-
besondere wenn ich an die Beiträge der Opposition
denke, stelle ich fest, dass nur sehr wenig substanzielle
Kritik am Haushaltsentwurf der Bundesregierung geäu-
ßert wurde.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Zuhören!)
Ich will das gerne erläutern: Es wurde zwar viel kriti-
siert; aber ich habe wenig Kritik an den Grundlinien die-
ses Haushaltes gefunden. Dann gilt ein altes schwäbi-
sches Sprichwort, das da lautet: Net gschempft isch
globt gnuag. Auf Deutsch heißt das: Wer nicht meckert,
der lobt eigentlich genügend.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Na, das
ändern wir gleich! – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer nicht zu-
hört, kriegt gar nichts mit!)
Lassen Sie mich zunächst einmal auf die Grundlinien
eingehen und feststellen: Wo kommen wir eigentlich her
und wo wollen wir hin? Vor der Finanz- und Wirtschafts-
krise im Jahre 2008 hatten wir noch eine Nettokreditauf-
nahme von 11 Milliarden Euro. Wir wären heute bereits
bei einem ausgeglichenen Haushalt angekommen, wäre
nicht die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise dazwi-
schengekommen. 2009 gab es 34 Milliarden Euro Netto-
kreditaufnahme. 2010, unter der Großen Koalition, war
eine Nettokreditaufnahme von 80 Milliarden Euro vor-
gesehen; tatsächlich sind es 44 Milliarden Euro gewor-
den. Im Haushaltsentwurf für dieses Jahr, 2011, sind
48 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme vorgesehen;
wir werden am Jahresende voraussichtlich mit 30 Mil-
liarden Euro, vielleicht sogar weniger, herauskommen.
Das heißt, diese Regierung nutzt, anders als die Lan-
desregierungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-
Pfalz und Baden-Württemberg, die bestehenden Ver-
schuldungsspielräume nicht aus. Stattdessen senken wir
die Nettokreditaufnahme; wir senken den Schuldenstand
des Bundes, indem wir diese Spielräume nicht nutzen.
Das unterscheidet uns von anderen Regierungen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich will deshalb an dieser Stelle dem Bundesfinanz-
minister und der Bundesregierung für diesen sehr guten
Haushaltsentwurf danken, der uns vorgelegt wurde. Da-
rauf können wir aufbauen und gute Beratungen führen.
Wir unterschreiten die Vorgaben der Schuldenbremse im
Grundgesetz. Ich vermute, dass mein Nachredner, der
Kollege Carsten Schneider, gleich wieder dieses Thema
aufgreifen wird. Ich erspare uns das. Es genügt, wenn
wir das im Haushaltsausschuss in nahezu jeder Sitzung
rauf- und runterdeklinieren.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ihr lernt’s
ja nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der
SPD – Gegenruf des Abg. Andreas Mattfeldt
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[CDU/CSU]: Du hast es selbst nicht verstan-
den!)
Die Opposition hat hier immer wieder vorgetragen,
ir hätten es mit einem Schönwetterhaushalt und einer
chönwetterregierung zu tun. Ich will mich nicht in die
eihe derer einreihen, die immer räsonieren, wer die
erantwortung trägt, wem der Aufschwung, den wir ha-
en, zu verdanken ist. Der Kollege Gabriel hat eine ge-
chichtliche Reihe von Helmut Schmidt über Karl
chiller bis zu sich. Mir fehlt in der Reihe nur noch
illy Brandt. Ich sage eher: Unser Bundesfinanzminis-
r reiht sich in eine große christlich-liberale Tradition
er Sparhaushalte ein, die schon bei Stoltenberg begon-
en hat und bei Theo Waigel fortgeführt wurde.
(Widerspruch bei der SPD sowie bei Abgeord-
neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Klaus Hagemann [SPD]: Waigel hat die meis-
ten Schulden gemacht!)
etzt findet sich die Tradition in der Tatsache wieder,
ass wir den Ausgabenanstieg limitieren. Wir machen
aushalte mit einem möglichst geringen Ausgabenan-
tieg in der mittelfristigen Finanzplanung: Der Anstieg
eträgt ganze 0,7 Prozent; das ist historisch einmalig.
ies ist der Weg, den wir beschreiten und fortsetzen
ollen. Seit zwei Jahren regiert diese Koalition erfolg-
ich.
(Burkhard Lischka [SPD]: Hat nur noch keiner
gemerkt! – Sven-Christian Kindler [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso verliert ihr
dann dauernd die Wahlen?)
as ist der Weg, den wir weiterhin einschlagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ein Beispiel: Das Zukunftspaket, das wir beschlossen
aben, wird Zug um Zug umgesetzt. Wesentliche Ziel-
etzungen wurden bereits erreicht. Das steckt drin: Sub-
entionsabbau, Beteiligung der Wirtschaft,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wo denn?)
nderungen in der Sozialgesetzgebung und Einsparun-
en im Verwaltungsbereich. Das machen wir; das setzen
ir weiterhin so um.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: 50 Pro-
zent der Beiträge für die Arbeitslosen ge-
kürzt!)
Lassen Sie mich wiederholen: Konsolidierungspolitik
t mühsam und arbeitsreich. Wir beschreiten diesen ar-
eitsreichen und mühsamen Weg und scheuen vor den
nstrengungen nicht zurück.
Lassen Sie mich auf einige Einzelpunkte eingehen,
ie in dieser Woche vorgetragen wurden. Kollegin
riska Hinz hat befürchtet, dass die Dividende der Bahn
omöglich nicht komme, dass es eine Luftbuchung sei.
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Da habe ich doch recht! Rechte
Tasche, linke Tasche!)
14746 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Norbert Barthle
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)(B)
In der vergangenen Woche hat mir Herr Grube, der sehr
stolz darauf ist, ein erfolgreiches Unternehmen zu führen
– das darf er auch sein –,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Von welchem erfolgreichen Un-
ternehmen sprechen Sie denn?)
in einem Gespräch noch mal klar und deutlich ver-
sichert, dass die Bahndividende kommt; es gibt über-
haupt keinen Zweifel daran, dass sie kommt.
Lassen Sie mich etwas zur Neujustierung der Sozial-
gesetzgebung sagen. Frau von der Leyen muss als zu-
ständige Ministerin Sparauflagen im Rahmen unseres
Sparpaketes erfüllen. Das tut sie auch. Das ist in diesem
Bereich auch möglich; denn wir haben historisch nied-
rige Arbeitslosenzahlen. Wir haben eine Arbeitslosen-
zahl von unter 3 Millionen, die Sie nie erreicht haben.
Damit ergeben sich in diesem großen Etat entsprechende
Spielräume und Einsparmöglichkeiten. Dort findet alles
andere als ein sozialer Kahlschlag statt, wie der Kollege
Poß es hier vorgetragen hat. Im Gegenteil: Wenn Sie sich
den Anteil der Sozialausgaben an unserem Bundeshaus-
halt anschauen, dann werden Sie feststellen, dass dieser
über 50 Prozent beträgt. Vor zwölf Jahren, als Rot-Grün
an die Regierung kam, waren wir bei 38 Prozent.
(Klaus Hagemann [SPD]: Rente! Rente!)
Diese christlich-liberale Koalition gibt mehr Geld für
den sozialen Bereich aus, als es eine rot-grüne Regie-
rung jemals getan hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Widerspruch bei der SPD)
Deshalb ist vollkommen klar: Nicht nur die Finanz- und
Wirtschaftspolitik ist bei uns in guten Händen, auch die
Sozialpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU – Manfred Zöllmer
[SPD]: Das glauben ja Ihre eigenen Leute
nicht!)
Es wurde vorgetragen, die Bundeswehr erbringe die
Spardividende nicht. Dazu sage ich klipp und klar: Auch
die Bundeswehr wird das, was wir vereinbart haben, er-
bringen, allerdings nicht ganz so schnell. Das geschieht
zeitlich etwas verzögert.
(Manfred Zöllmer [SPD]: Wann denn?)
Es ist nachvollziehbar, dass man, wenn man die Bundes-
wehr, die eine Parlamentsarmee ist, umbaut und völlig
umstrukturiert, die entsprechende Zeit zur Verfügung ha-
ben muss.
(Johannes Kahrs [SPD]: Sie ruinieren die
Bundeswehr!)
Das berücksichtigen wir.
(Johannes Kahrs [SPD]: Die CDU ist auch
noch stolz darauf, dass sie die Bundeswehr
ruiniert! Das ist unglaublich!)
Ein Hauptthema war die Finanztransaktionsteuer.
Dazu kann ich nur sagen: Wir unterstützen den Finanz-
minister, wenn es darum geht, die Beteiligung des Fi-
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anzsektors an dieser Stelle international durchzusetzen.
ier hat er unsere ganze Unterstützung. Aber das muss
ternational geschehen. Wenn man das national macht,
ie die Linken es vorschlagen, dann zeigt man zweier-
i: Erstens zeigt man, dass man von der internationalen
inanzwirtschaft keine Ahnung hat. Zweitens riskiert
an den Abbau von Arbeitsplätzen. Das scheint Ihnen
gal zu sein. Uns ist das nicht egal.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Einer muss
doch mal anfangen! Einer muss vorangehen,
Vorbild sein!)
Lassen Sie mich auf einen weiteren Bereich eingehen,
ämlich auf den Haushalt des BMZ, den Entwicklungs-
ilfeetat.
(Johannes Kahrs [SPD]: Herr Kauder, tun Sie
etwas! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sichel
geht voran, Hummer folgt!)
ier haben wir einen Aufwuchs von sage und schreibe
60 Millionen Euro. Der zuständige Minister Niebel
aut die Entwicklungshilfeorganisationen um und bringt
ischen Wind in diese Strukturen, was dringend notwen-
ig war.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
as macht die Opposition? Sie arbeitet sich an der
ütze des Ministers ab. Meine Damen und Herren, wir
aben uns nie an der Frisur von Frau Wieczorek-Zeul
bgearbeitet, sondern an den Inhalten, die sie vertreten
at. Daran sollten Sie sich orientieren.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU
sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was hören wir an Vorschlägen von der SPD?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nichts!)
der Regel werden in allen Etats Mehrausgaben gefor-
ert. Dafür gibt es dann ein Steuerkonzept,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja!)
in Steuerkonzept mit einer Steuererhöhungsorgie, die
ich wirklich sehen lassen kann.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, für
wen?)
ier denkt man an die Wiedereinführung der Vermögen-
teuer, an die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf
9 Prozent, an die Abschaffung des Ehegattensplittings,
n die Erhöhung der Erbschaftsteuer, an Erhöhungen der
msatzsteuer, an die Erhöhung der Kernbrennstoffsteuer
nd an die Absenkung der Agrardieselermäßigung. Die
andwirte sollen das bitte schön nachlesen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ihr ruiniert die
Bundeswehr!)
Von einer Entlastung der unteren und mittleren Ein-
ommen lese ich nirgendwo etwas. Von der Facharbei-
rfalle haben Sie wohl noch nie gehört. Das scheint Ih-
en egal zu sein. Wir gehen daran, diejenigen Menschen,
ie tagtäglich aufstehen und zur Arbeit gehen, ein Stück
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14747
Norbert Barthle
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weit zu entlasten und sie von der Wirkung der kalten
Progression ein Stück weit zu befreien.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Unsolide Steuersenkungen sind
das!)
Das ist unser Konzept.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Lassen Sie mich zum Schluss an den Vortrag des Kol-
legen Trittin in dieser Woche erinnern.
(Johannes Kahrs [SPD]: Der hat nicht die
Wehrpflicht abgeschafft! – Sven-Christian
Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine
sehr gute Rede!)
Das war eine Rede, die eher polemisch vorgetragen war.
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Trotzdem war sie gut! – Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Bei dieser Regierung braucht man
Polemik!)
Ein Satz ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Herr
Trittin hat hier festgestellt: Unter der Regierung von
Angela Merkel gehe es Deutschland gut, aber der Regie-
rung schlecht. Lieber Herr Kollege Trittin, ich kann mit
dieser Feststellung sehr gut leben; denn wir arbeiten für
das Interesse dieses Landes. Wenn es den Menschen in
Deutschland gut geht, dann sind wir zufrieden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dort, wo Rot-Grün regiert, geht es der Regierung gut,
aber den Menschen geht es schlecht.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Carsten Schneider hat das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]:
Guter Mann!)
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man die Haushaltsdebatten in dieser Woche Revue
passieren lässt und die Zeitungen liest, bekommt man
den Eindruck, es ging um vieles – insbesondere bei der
Koalition –, aber nur wenig um den Haushalt und die
Lage in unserem Land 2012.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das lag an
euren Beiträgen! – Otto Fricke [FDP]: Weil ihr
nichts zu kritisieren gefunden habt!)
Wenn Redner von der Koalition gesprochen haben, dann
ging es eher darum, eine Bindungswirkung herzustellen,
damit sie noch irgendwie zusammenhält, vor allen Din-
gen bei der Euro-Frage. Das war der wirklichen Lage in
Deutschland und in der Welt, wie sie sich am heutigen
Tage darstellt, nicht angemessen. Ich sage das auch be-
zogen auf den Haushalt.
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Wir befinden uns in einer sehr kritischen weltwirt-
chaftlichen Situation. Die OECD senkt weltweit die
achstumsprognosen, auch für den Euro-Raum und für
eutschland. Herr Trichet, der EZB-Präsident, hat ges-
rn – die Überschrift im heutigen Handelsblatt lautet:
Trichet steuert um“ – eher Leitzinssenkungen in Aus-
icht gestellt als weitere Erhöhungen. Auch die Wachs-
msprognosen sind gesenkt worden. An den internatio-
alen Finanzmärkten haben wir fast die gleiche Situation
ie 2008, was die Nervosität des Interbankenmarkts und
as Vertrauen der Banken untereinander betrifft. Diesen
indruck habe ich insbesondere, wenn ich den Absturz
es DAX sehe.
Wenn man das betrachtet und auch unsere Verantwor-
ng berücksichtigt, wird deutlich, dass die Bundesregie-
ng mit diesem Haushalt keine Antwort auf diese Situa-
on gegeben hat. Es ist sicherlich richtig, dass es nicht
ufgabe der Bundesregierung ist, schwarzzumalen. Das
ollen auch wir nicht. Aber es heißt doch: Jede revolu-
onäre Tat beginnt mit dem Aussprechen dessen, was
t.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Lassalle!)
Lassalle. Brüder im Geiste.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]:
Nachhilfestunden für Sozialisten!)
eswegen gehört ein Blick in das Ist dazu.
Ich versuche das zu reflektieren, was hier in dieser
oche besprochen wurde und was diesem Haushalt zu-
runde liegt. Dann sehe ich, dass Sie noch im Konjunk-
rhochsommer leben. Aber wenn der Herbst kommt,
ind Sie überhaupt nicht darauf vorbereitet, in einer sol-
hen Krisensituation zu handeln. Bisher galt: Unser
and hat sich gut entwickelt, und zwar trotz dieser Re-
ierung.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)
h mache mir ernsthafte Sorgen, was passiert, wenn es
nserem Land einmal nicht so gut geht und wir immer
och diese Regierung haben.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]:
Abwählen! – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]:
Dann haben wir immer noch diese Opposi-
tion!)
Passen Sie auf: Sie haben in einer Situation, in der wir
r dieses Jahr die höchsten Steuereinnahmen und das
öchste Wirtschaftswachstum haben, einen Haushalt
orgelegt, der die drittgrößte Neuverschuldung vorsieht,
ie es jemals in der Bundesrepublik gab.
(Otto Fricke [FDP]: Das stimmt doch gar
nicht! – Gegenruf der Abg. Bettina Hagedorn
[SPD]: Doch! Natürlich stimmt das!)
ieles hat eine Rolle gespielt. Sie haben es mit Aus-
eichmanövern versucht und gesagt, die Sozialdemo-
raten in NRW würden nicht sparen. Der Haushalt sei
aher verfassungswidrig.
(Otto Fricke [FDP]: Das hat das Gericht
festgestellt!)
14748 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Carsten Schneider (Erfurt)
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Ich habe mir das alles noch einmal genau angeschaut.
Ich habe mir den Haushalt unter der Annahme ange-
schaut, dass wir noch die alten Schuldenregeln hätten. In
NRW und allen anderen Bundesländern gilt sie derzeit
noch, das heißt, dass die Kreditaufnahme nur so hoch
sein darf wie die Investitionen. Wenn das so wäre, dann
wären die Haushalte des Bundes 2010, 2011 und 2012
verfassungswidrig,
(Otto Fricke [FDP]: Aber das gilt doch gar
nicht mehr!)
weil Sie die Investitionen in einer Art und Weise kürzen,
wie Sie es noch nie getan haben. Damit sparen Sie an der
Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Nieder-
sachen bei Schwarz-Gelb ist es genauso!)
Ich komme zu den Landeshaushalten, weil ich die Ar-
gumente aufgreifen will, die Sie angeführt haben. Die
Landeshaushalte von Niedersachsen, Hessen, Schles-
wig-Holstein und Saarland sind allesamt verfassungs-
widrig,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Alles Schwarz-Gelb!)
und zwar in den Jahren 2009, 2010 und 2011.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Wer regiert dort eigentlich?
(Johannes Kahrs [SPD]: Nicht mehr lange!)
Schwarz-Gelb, noch. Zu Ihrer Verantwortung haben Sie
kein Wort gesagt. Warum ist das so? Warum sind die
Länder in Gänze in einer so schwierigen Situation? Weil
Sie gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit mit einem Gesetz,
das Sie „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ genannt ha-
ben – der Volksmund sagt dazu „Hoteliersbegünsti-
gungsgesetz“ oder „Mövenpickgesetz“ –, dafür gesorgt
haben, dass den öffentlichen Haushalten zweistellige
Milliardenbeträge entzogen worden sind,
(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Stimmt doch gar
nicht!)
die dafür hätten genutzt werden können, die Konsolidie-
rung voranzutreiben. Sie haben das Gegenteil davon ge-
tan.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Wer so fahrlässig handelt und es in den besten wirt-
schaftlichen Zeiten, die wir haben, was die Einnahme-
situation betrifft, nicht schafft, die Kreditaufnahme deut-
lich zu senken – was Ihre Verpflichtung wäre, damit Sie
auch in schlechten Zeiten agieren können; aber genau
das tun Sie nicht –
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
– ich rede vom Bund –, der gerät sehenden Auges – ich
vermute, es wird Sie in dieser Legislatur noch treffen –
in die Situation, dass er nicht mehr handeln kann, wenn
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ie Wirtschaft abschmiert. In diese Situation kommen
ir, weil Sie den Gegenwartskonsum fördern, nicht in
ie Zukunft investieren und den Haushalt nicht in dem
aße konsolidieren, wie das notwendig wäre.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Barthle, es ist richtig: Wir haben dazu
in Konzept vorgelegt. Wir Sozialdemokraten wollen
dazu haben wir uns klar bekannt – die Schuldenbremse
inhalten, wie der Bundesrechnungshof, die Bundesbank
nd der Sachverständigenrat das fordern und wir hier im
undestag das übrigens auch beschlossen haben.
(Bettina Hagedorn [SPD], an die CDU/CSU
gewandt: Und wie Sie es nicht tun!)
as bedeutet für das Jahr 2012: 5 Milliarden Euro weni-
er Kreditaufnahme, als Sie sich gönnen. Sie haben,
onjunkturell bedingt, 20 Milliarden Euro mehr Steuer-
innahmen. Die Nettokreditaufnahme senken Sie um
3 Milliarden Euro. Das heißt, Sie haben 7 Milliarden
uro verprasst.
In den FDP-geführten Ressorts wurde eine Viertel-
illiarde Euro zusätzlich verbucht. Wo ist eigentlich Ihr
berales Sparbuch geblieben?, frage ich mich da.
(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Schub-
lade!)
h sage das nicht einfach so im Rahmen einer politi-
chen Auseinandersetzung, sondern aus echter Sorge.
(Widerspruch bei der FDP)
Ja. Hören Sie: 2009 konnten wir aus der Krise heraus-
ommen, weil wir Vorsorge getroffen haben. Es hat uns
eholfen, dass wir einen nahezu ausgeglichenen Staats-
aushalt und bei der Bundesagentur für Arbeit eine Re-
erve in Höhe von 18 Milliarden Euro hatten. Sie tun das
egenteil. Sie verprassen das Geld heute, sodass Sie
päter, wenn es kritischer werden könnte, keine Luft, um
tmen zu können, und keinen Spielraum mehr haben
erden, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
(Beifall bei der SPD – Bettina Hagedorn
[SPD]: Sie haben auch in die Rentenkasse ge-
griffen! – Johannes Kahrs [SPD]: Pleitegeier!)
Dieser Haushalt ist nicht sozial gerecht, nix da! Vor
inem Jahr hat dieses Kabinett nach einer Nachtsitzung
Meseberg – damals noch mit Herrn Westerwelle; lang
ind die Zeiten her – ein Konsolidierungsprogramm mit
inem Volumen von 80 Milliarden Euro vorgelegt. Real
mgesetzt wurden 40 Milliarden Euro. Diese 40 Milliar-
en Euro betreffen zum größten Teil den Etat von Frau
on der Leyen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)
ie kürzen bei den Arbeitslosen in diesem Land, wäh-
nd die Vermögenden ungeschoren davonkommen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14749
Carsten Schneider (Erfurt)
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stimmt doch nicht! Luftverkehrsteuer zum
Beispiel!)
Das ist ungerecht.
Als Antwort darauf haben wir ein Steuer- und Finan-
zierungskonzept vorgelegt, einen Nationalen Pakt für
Entschuldung und Bildung. Ja, Sie haben recht: Wir wol-
len den Spitzensteuersatz erhöhen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Ab einem Einkommen von 64 000 Euro soll der Steuer-
satz sukzessive auf 49 Prozent steigen. Dieser Satz soll
ab einem Einkommen von 100 000 Euro gelten.
(Otto Fricke [FDP]: Abkassieren!)
Das trifft – das können Sie in der Süddeutschen und der
FAZ nachlesen – die oberen 4 Prozent. Mit Verlaub, an-
gesichts dessen, was wir an Risiken übernommen haben,
um Banken und damit letztendlich auch Einkommen und
Vermögen zu sichern – nicht nur deswegen haben wir
das getan, aber das ist natürlich auch ein Punkt –, ist es
nur gerecht, wenn wir das Angebot, das uns viele Millio-
näre in diesem Staat machen – sie wollen dem Staat ein
wenig geben, damit er existieren kann –, annehmen. Das
muss aber in Gesetzesform gegossen werden, wie es sich
gehört. Hier müssen Recht und Gesetz gelten; Steuer-
gerechtigkeit gehört dazu.
(Beifall bei der SPD)
Minister Schäuble hat in seiner Einführungsrede am
Dienstag sehr viel über die Schuldenbremse gesprochen.
Er hat gesagt, wie wichtig sie sei, insbesondere in den
ersten Jahren. Ich habe hier wirklich schon oft dargelegt,
dass Sie die Schuldenbremse untergraben, indem Sie
von falschen Werten ausgehen; ich versuche in jeder
Haushaltsausschusssitzung, ebenso wie die anderen aus
meiner Fraktion, das anzubringen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das kön-
nen wir bestätigen! Wir können es schon aus-
wendig!)
Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der diese
Schlupflöcher schließen würde. Aber Sie tun das Gegen-
teil.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)
Sie behaupten hier zwar, dass Sie sich an die Schulden-
bremse halten. Sie tun es aber, dem geballten Sachver-
stand dieser Republik zum Trotz, nicht. Sie bunkern
50 Milliarden Euro auf dem Kontrollkonto, die Sie für
zusätzliche Kredite nutzen können, obwohl sie Ihnen
nicht zustehen. Wenn Sie, Herr Minister Schäuble, diese
Möglichkeit nicht nutzen wollen, erwarte ich von Ihnen,
dass Sie hier, an dieser Stelle – Sie reden ja nachher
noch –, klipp und klar sagen: Diese 50 Milliarden Euro
werden wir niemals anrühren; deswegen werden wir
dem gesetzlich einen Riegel vorschieben. Nur dann gilt
es, und nur dann glaube ich es; denn Sie haben in den
vergangenen zwei Jahren hier so viele Pirouetten ge-
dreht, dass man Ihrem Wort an sich nicht mehr glauben
kann.
(Beifall bei der SPD)
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Hier war, insbesondere vonseiten der FDP, viel von
er Schuldenbremse und davon, wie toll sie ist, die
ede; diese Ansicht teile ich. Ich habe mir einmal das
erhalten bei der Schlussabstimmung dazu angesehen.
in einziger Abgeordneter der FDP hat zugestimmt; das
ar Florian Toncar. Alle anderen haben dagegen ge-
timmt oder sich enthalten. Das ist ein Armutszeugnis.
(Beifall bei der SPD)
Ich will hier noch ein paar Sätze zur Europäischen
nion und zur Debatte über den Euro sagen; das hängt
atürlich alles zusammen. Im Rahmen der Kritik, die
ier vorgetragen worden ist – insbesondere am Mittwoch –,
erstieg sich Herr Westerwelle zu der Aussage, die Än-
erung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sei der
rößte Fehler seit 1945; ich glaube, Herr Westerwelle,
as haben Sie so gesagt. Größer geht es nicht. Ein biss-
hen Aufklärung ist an dieser Stelle notwendig.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sah, so wie er
usgestaltet war, vor, dass man sich 3 Prozent Defizit pro
ahr leisten konnte, egal ob in guten oder in schlechten
eiten; es waren immer 3 Prozent.
(Otto Fricke [FDP]: Nein! Stimmt doch nicht!)
h sage Ihnen: Das war falsch. Gerade in guten Zeiten
üssen Sie Vorsorge treffen, um in schlechten Zeiten
efizite machen zu können. Genau das sieht der neue
tabilitäts- und Wachstumspakt vor. Bei nahezu ausge-
lichenen Haushalten, „close to balance“, muss in guten
eiten sogar Vorsorge getroffen werden,
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, also jetzt!
Genau!)
nd das Geld darf nicht ausgegeben werden – Sie tun das
egenteil; Sie brechen ihn gerade –, um in schlechten
eiten agieren zu können.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]:
86 Milliarden Euro!)
h sage Ihnen: Wir Sozialdemokraten stehen dazu, und
as steht im Übrigen auch im Grundgesetz.
(Beifall bei der SPD)
enn dieser Pakt war das Vorbild für die Schulden-
remse. – Das sind also alles nur Abwehrkämpfe.
Frau Bundeskanzlerin, wenn wir Sozialdemokraten da-
als eines falsch gemacht haben – das will ich klar sagen –,
ann war es, dass es damals keine Automatismen gegeben
at oder sie für die Bundeshaushalte nicht genutzt wur-
en. Aus Fehlern muss man lernen, und wir Sozialdemo-
raten tun das. Aus diesem Grund unterstützen wir die
ommission und das Europäische Parlament in dem Vor-
aben, dass die Sanktionen demnächst immer automatisch
erhängt werden sollen. Ich frage mich, warum Sie ei-
entlich in Deauville beim Spaziergang mit Herrn
arkozy genau das wieder gestrichen haben. Genau das ist
ämlich der Punkt. Sie fordern hier im Bundestag Sank-
onen ein, und in Europa opfern Sie sie. Das kann doch
ohl nicht wahr sein. Das ist doch nicht ehrlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
14750 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Carsten Schneider (Erfurt)
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Ich hoffe, dass Sie in den Haushaltsberatungen noch
Einsicht zeigen werden, sowohl bezüglich dieser Flanke
der sozialen Ungerechtigkeit
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: So
ein Quatsch!)
bei der Finanzierung, Kollege Michelbach, als auch bei
den Ausgaben, insbesondere im Bereich der aktiven Ar-
beitsmarktpolitik, wo die Schwächsten der Schwachen
jede Chance auf Hilfe von Ihnen, Frau von der Leyen,
versagt bekommen werden. Die Umwandlung von
Pflicht- in Ermessensleistungen ist nichts weiter als eine
reine Kürzungsorgie zulasten der Schwächsten in dieser
Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich hoffe, dass Sie mit uns dafür sorgen, dass die Ver-
mögen in diesem Land ein Stück weit mehr dazu beitra-
gen, dass dieses Land sicher, sozial ausgewogen und
fortschrittlich ist, fortschrittlich insbesondere dadurch,
dass wir notwendige Zukunftsausgaben im Bereich Bil-
dung finanzieren und dass wir die zusätzlichen Mittel
nehmen, um die Neuverschuldung für 2012 deutlich un-
ter die von Ihnen gesetzte Marke zu senken, nämlich auf
22 Milliarden Euro statt auf 27 Milliarden Euro. Jeder
Euro mehr Schulden wird dazu führen, dass wir in Zu-
kunft bei steigenden Zinslasten noch höhere Belastungen
haben werden, dass die Zukunftsfähigkeit, die Hand-
lungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland einge-
schränkt wird und dass wir irgendwann nur noch Ewig-
keitslasten tragen. Das wollen wir Sozialdemokraten
nicht. Deswegen stehen wir zu unserem Konzept, Mehr-
einnahmen bei den oberen 4 Prozent zu generieren,
Schulden in den guten Jahren, wie wir sie gerade erle-
ben, abzubauen und in die Zukunft zu investieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Jürgen Koppelin hat jetzt das Wort
für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Carsten Schneider, von mir sehr geschätzt,
ist ja ein intelligenter Mensch.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ist er auch!)
Dass er hier so eine Rede hält, wundert einen dann
schon. Ich hoffe, dass er in den Ausschussberatungen
mehr sachliche Beiträge liefert und nicht nur Polemik
betreibt.
Ich will das aus Zeitgründen nur an einem Beispiel
deutlich machen, lieber Kollege Carsten Schneider. Da
wird gesagt, der Haushalt des Landes Schleswig-Hol-
stein sei verfassungswidrig. Dieser Haushalt ist sehr,
sehr kritisch; das will ich sagen. Aber wie kommt das?
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eil wir ihn von einem Finanzminister Stegner von den
ozialdemokraten haben übernehmen müssen, der Jahr
r Jahr neue Schulden aufgetürmt hat – nichts anderes.
(Nicolette Kressl [SPD]: Blödsinn! – Weitere
Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)
ie bauen wir jetzt ab. Herr Stegner war der größte
chuldenmacher im Lande Schleswig-Holstein; das ist
ie Wahrheit.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wer hat denn vorher in NRW und
Baden-Württemberg regiert? Wer war denn
das?)
Die Koalition hat in dieser Woche ihren Willen be-
undet, die bisherigen Sparziele nicht aus den Augen zu
erlieren und vor allem die Neuverschuldung deutlich zu
duzieren, und das, ohne auf Investitionen zu verzich-
n. Wir folgen dem Grundsatz haushaltspolitischer Ver-
unft und Verantwortung. Wenn die Nettokreditauf-
ahme wesentlich niedriger ausfällt als vorgesehen, dann
eigt das, dass der Weg der Koalition richtig gewesen ist.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Dazu – das sei eingestanden – trägt natürlich vor al-
m die gute Wirtschaftssituation in Deutschland bei. Es
ibt weniger Arbeitslose und – darauf sind wir stolz –
aum noch Jugendarbeitslosigkeit. Andere Länder in
uropa würden sich – ich sage es einmal ganz salopp –
ie Finger danach lecken, wenn sie eine solche Bilanz
ätten wie wir. Das ist der Erfolg dieser Koalition.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Es ist richtig: Die-
er Erfolg ist nicht allein der Erfolg der Koalition. Er ist
uch der Erfolg der Unternehmen in Deutschland und
er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; sie haben ei-
en großen Anteil daran. Aber das Entscheidende war
och, dass diese Koalition dafür die Voraussetzungen
eschaffen hat, zum Beispiel durch das Wachstumsbe-
chleunigungsgesetz.
(Lachen bei der SPD – Volker Kauder [CDU/
CSU]: Ja! So war das!)
as ist ein Beitrag dazu gewesen.
(Nicolette Kressl [SPD]: Für die Hotels! – Ge-
genruf des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/
CSU]: Nein! Wir haben damit die Wirtschaft
entlastet!)
Vor allem: Wir haben den Unternehmen und den
enschen in diesem Lande Mut gemacht; das war ent-
cheidend. Das gehört nämlich auch dazu. Oder glauben
ie, mit Ihren Ankündigungen, Steuern zu erhöhen, ma-
hen Sie den Menschen Mut und setzen Anreize für
ehr Leistung? Das doch wohl ganz bestimmt nicht!
er Kollege Schneider macht das ganz salopp. Er sagt:
ermögende sind Leute, die 65 000 Euro im Jahr verdie-
en. Bei denen wollen wir ordentlich rangehen. – Wel-
hes Weltbild haben Sie? Da lohnt sich doch Leistung
icht mehr.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14751
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Sie waren einmal auf dem richtigen Weg. Waren es
nicht die Sozialdemokraten, die gesagt haben, dass der
Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt
werden sollte?
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da hat er
recht! – Nicolette Kressl [SPD]: Nein! Nicht
auf 42 Prozent! Das war die FDP!)
Das waren doch Sie.
(Joachim Poß [SPD]: Nein! Fragen Sie mal
Herrn Brüderle!)
Das war damals auch vollkommen richtig. Warum ma-
chen Sie jetzt „Kehrt, marsch!“?
Ich sage Ihnen, warum. Weil Sie langfristig denken.
Sie wissen, dass Sie frisches Geld brauchen, aber nicht
etwa, um damit dieses oder jenes zu erreichen. Das
merkt man zum Beispiel an Ihren Ideen zu Euro-Bonds.
Wenn Sie mit deutschen Steuergeldern schwächelnden
Staaten billige Kredite verschaffen wollen, brauchen Sie
natürlich frisches Geld. Dann müssen Sie die Steuern er-
höhen; denn sonst können Sie das nicht machen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Was passiert denn gerade bei der
EZB?)
Ich habe die ganz furchtbare Sorge, dass uns die Sozial-
demokraten, wenn sie an die Regierung kommen, noch
andere steuerliche Folterwerkzeuge präsentieren wer-
den. Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht Ih-
nen diese Woche gesagt hat, was es von Ihrer Idee zu
Euro-Bonds hält. Wir setzen darauf – das sage ich auch
mit Blick auf die Haushaltsberatungen –, dass Deutsch-
land in der Haushaltspolitik Vorbild sein muss.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh!)
Wir sind Vorbild. Ich bin stolz darauf, dass diese Koali-
tion das geschafft hat. Das wäre bei Ihnen nicht der Fall
gewesen. Sie hätten Griechenland das Geld hinterherge-
worfen, und zwar sofort, gleich zu Anfang. Darüber ha-
ben wir lange genug diskutiert. Rainer Brüderle hat Ih-
nen gestern das Notwendige dazu gesagt.
Meine Damen und Herren, ich könnte es mir einfach
machen
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das
machen Sie schon die ganze Zeit!)
und sagen: Das Gemurkse und die Polemik, die uns die
Opposition in dieser Woche geboten hat, sind auch eine
Chance für diese Koalition. Aber das ist mir zu einfach.
Wir werden unsere Akzente setzen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist zu befürch-
ten! – Weitere Zurufe von der SPD: Ui!)
Ich habe einen Kommentar gelesen. Er hat mir zwar
nicht besonders gut gefallen. Trotzdem möchte ich aus
ihm zitieren. Denn irgendwie trifft er den Punkt, wenn es
darum geht, wie die Menschen in unserem Lande viel-
leicht denken.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: 3 Prozent FDP! Umfrage!)
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Sie sollten einfach einmal ruhig zuhören.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ich sage es ja nur!)
Es ist für Sie natürlich schwierig, zuzuhören, lieber
ollege. – In diesem Kommentar hieß es:
So mies die Bundesregierung mitunter agieren mag,
(Burkhard Lischka [SPD]: Das ist genau
richtig!)
ein Blick auf die Opposition genügt, um Merkel
und ihre Mannschaft … nicht zu lieben, aber zu
schätzen.
as ist doch schon mal etwas. Darauf bauen wir auf.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der
CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: 2,8 Pro-
zent waren es heute!)
Ich sage Ihnen ganz klar: Wer heute nicht bewusst mit
em Ziel, zu konsolidieren und Ausgaben zu reduzieren,
die Haushaltsberatungen geht, der muss vielleicht
orgen Kürzungen bei Gehältern, bei Pensionen, im So-
ialbereich oder im Bildungsbereich vornehmen; in an-
eren Euro-Staaten erleben wir das gerade. Das wollen
ir nicht. Wir werden am Ende der Beratungen einen so-
den Haushalt präsentieren. Davon bin ich fest über-
eugt.
(Burkhard Lischka [SPD]: Dann müssen Sie
aber noch viel daran ändern!)
Ich hatte in dieser Woche allerdings den Eindruck:
it Ihnen, lieber Kollege Carsten Schneider, zu reden
nd eine Sachdiskussion zu führen, war überhaupt nicht
öglich. Sie sind immer nur – das haben Sie auch heute
emacht – in Polemik ausgewichen.
(Burkhard Lischka [SPD]: Das machen Sie
doch die ganze Zeit! – Carsten Schneider [Er-
furt] [SPD]: Wie bitte?)
Sie sind nur in Polemik ausgewichen. Sie haben keinen
achbeitrag geliefert.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ach! Aber Sie
schon?)
h hatte in dieser Woche manchmal den Eindruck, mit
nen zu reden wäre so, als würde ich mit einer Gans
ber Weihnachten reden. Es war einfach zwecklos.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht denn die
FDP?)
Wenn Sie als Opposition eine politische Kraft sein
ollen, die vielleicht morgen Regierungsverantwortung
bernimmt, dann sollten Sie einmal ein Sparbuch vorle-
en, wie die FDP das gemacht hat. Dazu haben Sie aber
ar nicht die Kraft.
(Burkhard Lischka [SPD]: Die FDP kann ja
vor Kraft kaum laufen!)
14752 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Dann müssten Sie nämlich anderen Leuten vielleicht
wehtun.
Ich kann Ihnen für die FDP nur sagen – damit will ich
zum Schluss kommen –:
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schade!)
Wir haben in diesen Tagen vom Bund der Steuerzahler
eine Broschüre mit Vorschlägen zugesandt bekommen,
an welchen Stellen im Bundeshaushalt noch Einsparun-
gen vorgenommen werden könnten.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Ich habe das einmal durchgesehen. Manche Sachen kann
ich akzeptieren; über manches müsste man reden. Es ist
nicht alles akzeptierbar. Ich sage dem Bund der Steuer-
zahler aber zu, dass wir als FDP-Abgeordnete uns im
Haushaltsausschuss intensiv mit der Broschüre und den
darin enthaltenen Vorschlägen beschäftigen werden.
Denn der Schluss des Anschreibens, das wir vom Bund
der Steuerzahler bekommen haben, hat mir sehr gut ge-
fallen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Keine
Drohungen!)
Als FDP-Abgeordneter stimme ich natürlich mit einer
darin enthaltenen Aussage überein, die da lautet: Den
Haushalt zu konsolidieren – das schreibt der Bund der
Steuerzahler – und die Bürgerinnen und Bürger zugleich
steuerlich zu entlasten, sind Maßnahmen, um den wirt-
schaftlichen Aufschwung zu stärken. – Dem stimmen
wir voll zu. Insofern werden wir auch im Gespräch mit
dem Bund der Steuerzahler bleiben.
Ich danke Bundesminister Schäuble für einen realisti-
schen Haushaltsentwurf für das Jahr 2012. Das ist ein
Haushaltsentwurf, der gute Zeichen setzt, auch um das
von Bundesminister Rösler angestrebte Wachstumsziel
von 2,6 Prozent zu erreichen.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Jetzt sind es nur noch 2,6 Prozent!)
Die Haushaltspolitiker der Koalition – da bin ich ganz
sicher – werden sich alle Mühe geben, damit dieses Ziel
erreicht wird. Es bedeutet nämlich Einnahmen für unse-
ren Bundeshaushalt. Es wäre vor allem ein guter Start in
das Jahr 2012. Die Opposition ist eingeladen, statt Pole-
mik konkrete Vorschläge zu machen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die
kommen jetzt!)
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Dietmar Bartsch hat jetzt das Wort für die Fraktion
Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Wir hatten hier
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ine sehr interessante Haushaltswoche. Es gab nämlich
nterschiedliche Realitäten. Die der Regierung ist, dass
ies ein wunderschönes Land ohne jegliche haushalts-
olitische Probleme ist. Die Opposition hat zweifelsohne
ine andere Realität.
Ich habe vor der Haushaltswoche in Mecklenburg-
orpommern eine dritte Realität kennenlernen dürfen.
ies geschah nicht im Rahmen der Wahlveranstaltungen
er Partei, sondern im Rahmen vieler Gespräche mit
enschen. Ich kann nur eines feststellen: Diese Men-
chen verstehen uns häufig nicht. Es sollte ein Alarmsig-
al und eine Herausforderung für uns sein, dass alle hier
Bundestag vertretenen Parteien zusammen keine
0 Prozent der Stimmen der Wahlberechtigten in Meck-
nburg-Vorpommern erreicht haben. Lassen Sie uns
uch bei Haushaltsdebatten gemeinsam darüber nach-
enken.
Nach dieser Woche bleibt eines: Der Kabinettsbe-
chluss ist weder seriös noch verantwortungsbewusst. Er
t das Gegenteil davon. Lassen Sie mich das an fünf
ründen festmachen:
Erstens. Die Ausgangslage und die Rahmenbedingun-
en, die Frau Merkel und Herr Schäuble hier dargestellt
aben, sind weit dramatischer als das, was sie hier darge-
gt haben. Was passiert denn in Griechenland, wenn die
roika zu dem Ergebnis kommt, dass es kein neues Geld
eben soll? Was passiert dann in anderen EU-Ländern?
as passiert dann in den Banken? Was passiert, wenn in
en Vereinigten Staaten das, was angekündigt ist, durch
en Wahlkampf konterkariert wird? Das alles wissen wir
icht. Es ist viel dramatischer als hier dargestellt.
Zweitens. Die Risiken der Zinsentwicklung, auch im
ontext der gesamten existierenden Schattenhaushalte,
ind in keiner Weise im Haushalt abgebildet.
Drittens. Es gibt eine Fehleinschätzung in Bezug auf
ie Wirkung der aktuellen Krisenbewältigungsinstru-
ente.
Viertens. Sie rechnen mit einem Wirtschaftswachstum
on 1,6 Prozent in den nächsten fünf Jahren. Wo leben
ie denn? Die OECD hat gestern gesagt, dass es im vier-
n Quartal ein Minuswachstum geben wird. Das ist die
ealität. Das sind alles Annahmen, die nicht seriös sind.
Fünftens. Die Regierung blockiert sich selbst. Sie
giert in der Regel zu spät. Ich bedaure Herrn Schäuble,
ass er mit der Schülerunion koalieren muss und dass es
a ständig Querschüsse gibt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Sie müssen Ihre tradierten Verhaltensmuster zur Kri-
enbewältigung überwinden. Ja, das sind viele neue He-
usforderungen. Es wird ein enormes Tempo an Ent-
cheidungen abgefordert. Klar bleibt eines: Regulieren
ir nicht die Finanzmärkte, bringen wir nicht die Ban-
en und die Finanzmärkte unter öffentlich-rechtliche
ontrolle, werden wir immer hinterherlaufen. Gerade
uf diesem Gebiet ist mehr oder weniger nichts passiert.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14753
Dr. Dietmar Bartsch
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)(B)
Es gibt ein weiteres Problem: Die Bundesregierung
trifft die notwendigen Entscheidungen, und zwar aus
ideologischen Gründen, in der Regel zu spät oder eben
gar nicht. Ich kann viele Stichwörter nennen. Ich erin-
nere zum Beispiel daran, dass wir vor Jahren einen Ge-
setzentwurf über die Finanztransaktionsteuer im Haus-
haltsausschuss eingebracht haben. Selbst der damalige
Finanzminister Steinbrück hat von Teufelszeug und von
einem Irrglauben der Linken gesprochen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!
Das ist die Wahrheit!)
Sie reden darüber, aber passiert ist doch überhaupt
nichts.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das
stimmt nicht!)
So ist es auch bei der Finanzmarktkontrolle. Es wird ge-
redet; aber außer dem Verbot von Leerverkäufen ist fast
nichts geschehen.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das
stimmt überhaupt nicht!)
Auch die Verursacher der Krise und die Krisengewinnler
sind in keiner Weise zur Kasse gebeten worden. Fakt ist,
dass sich die Staatsschulden europaweit auf 10 Billionen
Euro belaufen. Auf der anderen Seite beträgt das Vermö-
gen von Millionären und Multimillionären 10 Billionen
Dollar. Lassen Sie uns doch gemeinsam dafür sorgen,
dass beide Zahlen reduziert werden. Das könnten wir ge-
meinsam angehen, damit in Deutschland und Europa
mehr Gerechtigkeit entsteht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung gibt vor, sich für Europa einzu-
setzen. Ja, Herr Schäuble, ich habe Sie hier wieder als
überzeugten Europäer erlebt. Aber was hat denn der Ex-
port des Sozialabbaus in Form von Sparauflagen nach
Griechenland real gebracht? Nichts, aber auch gar nichts
hat zur Überwindung der Schuldenkrise, zur Stabilisie-
rung oder zum Wirtschaftswachstum in Griechenland
beigetragen. Der griechische Minister sagt – das ist auch
die Meinung der Experten –: Das Wirtschaftswachstum
sinkt um 5 Prozent; von Wachstum zu reden, ist in die-
sem Zusammenhang eigentlich absurd. Um dem Schul-
denstand überhaupt adäquat begegnen zu können, wäre
ein Wachstum von 3 Prozent erforderlich. Wir geben
hier die völlig falsche Medizin. Herr Schäuble, ich rate
Ihnen: Fragen Sie einmal den Wirtschaftsminister, aber
nicht als Wirtschaftsminister – um Gottes willen –, son-
dern als Arzt. Wenn sich eine Medizin als falsch erwie-
sen hat, verordnet man etwas anderes. Fragen Sie hierzu
einmal den Arzt Rösler, nicht den Wirtschaftsminister
Rösler.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen für Griechenland einen Marshallplan mit
Investitionen in dem Land, damit irgendwann einmal
Überschüsse produziert werden können. Alles andere ist
wirklich absurd.
In Griechenland verfügen 2 000 Familien über
80 Prozent des gesamten privaten Vermögens. Warum
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ann nicht die EU, warum können nicht wir Druck ma-
hen, dass diese Familien endlich zur Finanzierung des
efizits in Griechenland herangezogen werden?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
arum lassen wir es zu, dass immer bei den Schwächs-
n gekürzt wird? Das ist doch ein ungerechtes Herange-
en.
Ich will einen weiteren Punkt zu Griechenland sagen.
riechenland liegt bei den Verteidigungsausgaben mit
85 Dollar pro Kopf auf Platz 3 in Europa. Das ist doch
in unhaltbarer Zustand. Warum sorgen wir nicht dafür,
ass Deutschland keine Rüstungsgüter mehr dorthin ex-
ortiert? Das würde auch dazu führen, dass das Außen-
andelsdefizit in Griechenland reduziert wird. Das wäre
och eine Maßnahme. Warum muss Griechenland wei-
rhin ins Militär investieren? Das ist in dieser Situation
öllig falsch.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans
Michelbach [CDU/CSU]: Wollen Sie Grie-
chenland annektieren?)
Die Bundeskanzlerin hat unrecht, wenn sie sagt,
eutschland spare so, dass die Konjunktur nicht abge-
ürgt wird; Herr Barthle hat das noch einmal unterstri-
hen. Richtig ist: Der Haushalt des Jahres 2012 ist erneut
in Haushalt des Schuldenmachens. Das, was die Bun-
esregierung hier vorlegt, ist eben nicht vorbildlich,
ürgen Koppelin. Ich habe ständig das Gefühl, als wür-
en wir im nächsten Jahr einen Überschuss von 27 Mil-
arden Euro erzielen. Die Realität ist: Wir machen
7 Milliarden Euro neue Schulden.
Herr Schäuble, Sie bleiben der Schuldenkönig unter
en deutschen Finanzministern.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Nein, das
stimmt doch gar nicht!)
eine Regierung hat mehr Schulden gemacht. Nach jet-
iger Planung sollen in vier Jahren 144,5 Milliarden
uro Schulden gemacht werden. Das hat noch keine Re-
ierung geschafft.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Doch,
Steinbrück!)
Der grundlegende Fehler Ihrer Politik ist, dass Sie
eine echten Maßnahmen zur Verbesserung der Einnah-
eseite vorschlagen. Das wäre der richtige Weg.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD und der Abg. Beate Müller-
Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
as bedeutet nicht, wie Sie sagen, dass man den Leuten
die Tasche greift; das ist nicht der Fall. Aber Diskus-
ionen über Steuersenkungen sind in dieser Situation
öllig absurd. Beenden Sie das!
(Beifall bei der LINKEN)
rau Merkel, Sie dürfen nicht Arzt am Krankenbett der
DP sein. Steuersenkungen in dieser Situation sind
lsch. Entlastungen bei Beziehern von kleinen und mitt-
14754 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Dr. Dietmar Bartsch
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leren Einkommen sind richtig; aber diejenigen, die viel
verdienen, müssen stärker herangezogen werden. Herr
Schäuble, Sie könnten ein Held werden, wenn Sie eine
Millionärsteuer einführen würden mit der Begründung:
Wir treiben verspätet die Steuern ein, die Rot-Grün den
öffentlichen Haushalten vorenthalten hat. – Das wäre der
richtige Weg. Mit diesem Geld könnte man eine ganze
Menge bewegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte dazu noch etwas sagen. Herr Schäuble,
Sie haben gesagt: Mit der Linken über Haushaltskonsoli-
dierung zu reden, ist vielleicht amüsant, aber nicht ziel-
führend. – Ich will Ihnen die konkreten Fakten nennen.
Die rot-rote Regierung in Mecklenburg-Vorpommern hat
das Land auf einen so guten Kurs gebracht, dass die
Neuverschuldung heute bei null liegt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Die rot-rote Regierung in Berlin hat es geschafft, sich
nach den wahnsinnigen Schulden, die Herr Diepgen an-
gehäuft hat, wieder ein paar Gestaltungsräume zu erar-
beiten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD – Dr. h. c. Jürgen Koppelin
[FDP]: Woher ist denn das Geld?)
In Brandenburg stellen wir einen Finanzminister, der
eine grundsolide Politik macht. Das ist die Politik der
Linken in den Ländern. Die kann sich wirklich sehen
lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden auch hier in den Haushaltsdebatten in den
nächsten Wochen ganz konkrete Vorschläge vorlegen,
wo wir etwas einsparen können. Möglichkeiten gibt es in
diesem Haushalt eine ganze Menge.
Ich bin sehr erstaunt, dass von dem schönen Spar-
buch, das die FDP vorgelegt hat, unter Gelb-Schwarz
nichts übrig geblieben ist. Sie haben immer gesagt, wir
sollten die Anzahl der Staatssekretäre reduzieren usw.
Nichts davon ist übrig geblieben. Das ist wirklich sehr,
sehr peinlich.
Wir müssen eine nachhaltige Finanzpolitik machen.
Wir haben unsere steuerpolitischen Vorschläge einge-
bracht. Diese Vorschläge sind vernünftig. Sie fördern
Wachstum. Vor allen Dingen führen sie dazu, dass die
öffentliche Ebene wieder handlungsfähig ist.
Die Bilanz der schwarz-gelblichen Regierung ist nach
zwei Jahren keine gute. Nichts ist von den Wahlverspre-
chen übrig geblieben. Was ist denn mit „Mehr Netto
vom Brutto“? Die Leute können doch nachschauen.
Nach zwei Jahren Regierung von Schwarz-Gelb haben
sie weniger Netto vom Brutto. Es ist richtig: Deutsch-
land hat eine andere, eine bessere Regierung verdient –
und das möglichst schnell, meine Damen und Herren.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Sven-Christian Kindler hat jetzt das Wort
r Bündnis 90/Die Grünen.
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Hinter uns liegt nun die erste Haushaltswoche
Deutschen Bundestag in diesem Jahr. Im Gegensatz
u anderen Haushaltswochen hatten wir eine ganz be-
ondere Woche. Es ging vor allen Dingen um die Fra-
en: Wie gehen wir mit der Finanzkrise um? Wie gehen
ir mit der Krise des Euro um? Wie gehen wir mit der
taatsschuldenkrise um?
Was waren die Antworten dieser Koalition darauf?
h fange einmal mit der CSU an. Der Chef der CSU,
orst Seehofer, aus München spekuliert darüber, ob
riechenland nicht aus dem Euro-Raum austreten sollte,
nd stellt sich offen gegen die Kanzlerin, die eine euro-
äische Wirtschaftsregierung vorschlägt. Die FDP mit
em neuen Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle zeigt:
eim Anti-Euro-Populismus ist die FDP auf dem glei-
hen Niveau wie die CSU.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja eine
Frechheit!)
ie wir heute lesen können: Ihr EU-Kommissar
ettinger schlägt vor, in Brüssel die Flaggen von Krisen-
ndern auf Halbmast zu setzen. – Mit solchen Reden be-
ienen Sie nur den deutschnationalen Stammtisch – auch
Ihren eigenen Reihen – und befeuern die antieuropäi-
che Stimmung in Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was macht die CDU? Was macht diese Kanzlerin?
ie Kanzlerin kämpft. Angela Merkel kämpft aber in
rster Linie nicht um Europa, sondern vor allen Dingen
m die eigene Mehrheit, um den Machterhalt in den ei-
enen Reihen.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Machen Sie
sich da mal keine Sorgen!)
ie Frage ist doch: Steht diese Koalition noch?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, klar! Bleiben
Sie mal ganz ruhig!)
Was macht sie in Europa? Sie wehrt sich gegen ver-
ünftige Maßnahmen wie europäische Anleihen. Sie
etzt sich dafür ein, dass es in den Krisenländern unso-
iale Austeritätsprogramme gibt. Sie einigt sich in
uropa immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nen-
er. Eine europapolitische Linie dieser Koalition gibt es
icht. Sie streiten sich nur. Das Schlimmste ist: Sie ha-
en keinen gemeinsamen Willen, für die Zukunft Euro-
as einzustehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14755
Sven-Christian Kindler
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Damit – das ist eigentlich das Schlimme – verspielen Sie
das europapolitische Erbe von Hans-Dietrich Genscher
und Helmut Kohl.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Da warst du
noch gar nicht geboren! – Gegenruf der Abg.
Nicolette Kressl [SPD]: Alter allein ist kein
Verdienst!)
– Das waren Leute, die sich für Europa eingesetzt haben.
Diesen Willen spürt man bei dieser Koalition nicht mehr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben aber nicht nur die Schuldenkrise in Europa
zu bekämpfen. Wir sind weiterhin mitten in einer schwe-
ren Finanzkrise; das müssen wir uns klarmachen. Wir
haben weltweit eine verschärfte Klimakrise. Wir haben
die soziale Spaltung in Europa und in Deutschland anzu-
gehen. Weltweit hungern über 1 Milliarde Menschen.
Wie reagiert diese Koalition auf diese Krisen? Beim
Blick in den Bundeshaushalt fällt auf: Sie vergrößern mit
diesem Haushalt die haushälterische, die soziale und die
ökologische Verschuldung in diesem Land.
Zur haushälterischen Verschuldung. Sie feiern sich
jetzt groß für die Rückführung der Neuverschuldung.
Dabei ist längst klar – das haben wir auch dargelegt –,
dass Sie nicht wirklich konsolidieren, sondern nur kon-
junkturelle Effekte für die Rückführung der Neuver-
schuldung nutzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie wissen doch
genau, dass das nicht stimmt!)
Es stimmt; wir haben Aufschwung in Deutschland. Aber
eines ist klar: Für diese gute Wirtschaftslage sind nicht
Sie verantwortlich. Wir können wirklich heilfroh sein,
dass die Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und
Philipp Rösler in den letzten Jahren so wenig getan ha-
ben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Falsch! Das
ist doch dummes Zeug! Wer hat dir das aufge-
schrieben?)
Gleichzeitig haben Sie in Ihrem Haushalt lauter Luft-
buchungen und Risiken. Die Brennelementesteuer und
die Finanztransaktionsteuer sind falsch berechnet und
eingestellt. Sie sehen für 2014 und 2015 eine nicht kon-
kretisierte Globale Minderausgabe von fast 10 Milliar-
den Euro vor. Die Kosten für die Euro-Rettung sind mit
keinem Cent etatisiert. Dafür ist keine Vorsorge getrof-
fen. Das ist unsolide und unseriös. Aber das kennen wir
schon: Das ist schwarz-gelbe Haushaltspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie vergrößern auch die ökologische Verschuldung
mit diesem Haushalt. Sie drücken sich vor Einsparungen
zum Beispiel bei Bundesfernstraßen und Autobahnen.
Sie drücken sich vor dem Abbau umweltschädlicher
Subventionen, obwohl diese Subventionen eine doppelte
Rendite haben: für den Klimaschutz und für den Staats-
haushalt.
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Was haben Sie stattdessen in den letzten Jahren um-
eltpolitisch gemacht? Sie haben eine massive Verunsi-
herung bewirkt. Es gab einen Ausstieg aus dem Aus-
tieg aus dem Ausstieg und ein Auf und Ab beim
ebäudesanierungsprogramm und beim Marktanreiz-
rogramm. Damit haben Sie das Handwerk, die Klein-
nternehmer, die Mittelständler und die Betreiber von
rneuerbare-Energien-Anlagen massiv verunsichert und
illiardeninvestitionen verhindert und verzögert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
des Abg. Klaus Hagemann [SPD])
Neu ist an dem vorliegenden Haushalt, dass Sie mit
em Energie- und Klimafonds einen Schattenhaushalt
chaffen. Daraus sollen neue Kohlekraftwerke finanziert
erden. Neue Klimakiller sollen daraus finanziert wer-
en. Absurder geht es nicht. Das zeigt: Sie haben die
nergiewende nicht verstanden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie vergrößern mit dem Haushalt auch die soziale
erschuldung. Viele Menschen fragen sich zu Recht,
er die Zeche für die Krise zahlt. Bei Schwarz-Gelb
ahlen vor allem die kleinen Leute, die Langzeitarbeits-
sen und die sozial Benachteiligten.
Das Einzige, was Sie aus Ihrem sogenannten Spar-
aket umgesetzt haben, waren die Kürzungen bei Ar-
eitsmarktprogrammen, die vor allem die Langzeit-
rbeitslosen betroffen haben, obwohl wir wissen, dass
angzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und Menschen
it Behinderungen auf Bildung angewiesen sind und be-
ondere Förderprogramme brauchen. Ihre Politik ist un-
ozial. Durch Ihre Kürzungen rauben Sie vielen Men-
chen die Chance auf Arbeit und Teilhabe in diesem
and.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind immer noch in einer schweren Finanzkrise,
ie wir bewältigen müssen. Um diese Krise zu bewälti-
en, haben sich die öffentlichen Haushalte massiv ver-
chuldet; die Banken wurden gerettet, schwere Konjunk-
rpakete wurden aufgelegt. Deswegen ist es nur fair und
ngemessen, dass jetzt auch der Finanzsektor und große
ermögen, die von den hohen Renditen an den Finanz-
ärkten profitieren, einen angemessenen Beitrag zahlen.
Die soziale Schere hat sich in den letzten Jahrzehnten
diesem Land weiter geöffnet. 10 Prozent der Men-
chen besitzen über 60 Prozent des privaten Nettovermö-
ens in Deutschland. Die untersten 50 Prozent hingegen
aben fast nichts außer Schulden.
Wir wollen, dass die obersten 1 Prozent dieser Gesell-
chaft, die Millionäre in diesem Land, ihren fairen und
ngemessenen Beitrag für die Kosten der Krise leisten,
nd zwar mit einer einmaligen Vermögensabgabe über
ehn Jahre.
(Otto Fricke [FDP]: Wie viel?)
as wollen auch immer mehr Reiche. Michael Otto,
arius Müller-Westernhagen, Martin Kind und andere
aben gefordert, die Steuern für Reiche und Besserver-
ienende zu erhöhen. Wir wissen auch: Eine gerechte
14756 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Sven-Christian Kindler
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Haushaltskonsolidierung ist nur möglich, wenn die Las-
ten fair und gerecht verteilt sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD –
Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Joschka
Fischer hat sich noch gar nicht geäußert!)
Wir Grünen werden Ihnen in den Haushaltsverhand-
lungen faire Angebote für eine nachhaltige und gerechte
Haushaltspolitik machen. Wir werden genau zeigen, wo
man gezielt und sinnvoll sparen, Subventionen abbauen
und gerechte Mehreinnahmen erzielen kann, damit wir
auch investieren können. Wir wollen in die Zukunft, in
die Energiewende, in den Klimaschutz und in ein zu-
kunftsfähiges Bildungssystem investieren und für glo-
bale Gerechtigkeit eintreten. Das ist der zentrale Unter-
schied zwischen Ihnen und uns. Wir denken an morgen.
Sie sind eine Koalition von gestern. Es wird Zeit, dass
Sie abgewählt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Hans Michelbach hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol-
legen! Das Fazit der Haushaltsdebatten in dieser Woche
lautet: Die christlich-liberale Koalition ist der Anker der
Stabilität für Deutschland und Europa. Entschlossen und
besonnen bekämpfen wir die internationale Schulden-
krise und die Finanzmarktexzesse, und wir arbeiten für
eine erfolgreiche Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit
unserer Wirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Das ist die Wahrheit, nicht das Schlechtreden unseres
Landes durch die Opposition.
Unser Land ist das Wachstums- und Chancenland
Nummer eins in Europa. Nach dem neuesten Wettbe-
werbsfähigkeitsreport belegen wir unter 142 Ländern
den guten sechsten Platz. Unser Arbeitsmarkt ist in bes-
ter Verfassung. Wir haben 2 Millionen sozialversiche-
rungspflichtige Beschäftigte mehr als zu der Zeit, als
Rot-Grün regiert hat. 41 Millionen Erwerbstätige sind
ein Beschäftigungsrekord. Die Jugendarbeitslosigkeit
wurde halbiert. Das ist der beste Sozialstaat, den es in
Deutschland je gegeben hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Allein das zählt.
Rot-Grün hatte in dieser Woche keine Perspektiven
vorzuweisen, außer sozialistischen Fehlkonzepten, die
wir auch heute Morgen gehört haben. Was besonders
schlimm ist: Sie reden geradezu Krisen herbei. 50 Pro-
zent einer guten Wirtschaftsentwicklung beruhen auf
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sychologie, hat Ludwig Erhard einmal gesagt. Wer die
rise geradezu herbeiredet, wie dies Carsten Schneider
etan hat, versündigt sich an den Arbeitsplätzen in
eutschland. Das ist die Situation.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Carsten Schneider [Erfurt]
[SPD]: Gesundbeten hilft auch nicht!)
Natürlich stehen wir vor Herausforderungen und ha-
en Aufgaben, die in schwieriger Zeit nicht einfach zu
sen sind. Es sind Aufgaben bei der Wachstumspolitik,
ufgaben bei der Haushaltskonsolidierung, Aufgaben
ei der Stabilisierung der Währungsunion, Aufgaben bei
er Regulierung der Finanzmärkte. Das ist eine
erkulesarbeit. Die christlich-liberale Koalition ist dabei
uf einem richtigen Kurs. Unsere Krisenbekämpfung
ar bisher erfolgreich und wird von dem Bundesfinanz-
inister in diesem Sinne fortgesetzt werden. Der Euro
urde trotz aller Finanzmarktturbulenzen stabil gehal-
n. Das ist doch der wichtigste Punkt. Die Nachhaltig-
eit und Zukunftsfähigkeit unseres Landes gehen wir mit
em Haushalt 2012 konsequent an. Den Wettbewerb um
ie besseren Lösungen nehmen wir an.
Die Opposition ist keine zielführende Alternative bei
achstum, Haushaltskonsolidierung und Euro-Siche-
ng. Es gibt große Unterschiede in der Stabilitätspoli-
k; das ist zum Ausdruck gekommen. Die Koalition
teht für mehr Stabilität, Rot-Grün steht für die Verlet-
ung des Stabilitätspakts.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Oh!)
Wer hat denn den Stabilitätspakt als Erster gerissen?
er hat denn Griechenland in die Euro-Zone aufgenom-
en? Das waren doch Sie, meine Damen und Herren
on Rot-Grün, oder?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir setzen beim Euro-Rettungsschirm auf harte Auf-
gen. Wir stehen für eine funktionsfähige Wirtschafts-
nd Währungsunion durch klare Anpassungsprozesse.
ir wollen eine Schuldenbremse in allen 17 Euro-Län-
ern.
Es gibt auch klare Unterschiede bei den Rettungs-
aßnahmen. Die Koalition steht für Eigenverantwor-
ng und Solidarität in Europa. Die Opposition hat nichts
nderes zu bieten als Euro-Bonds. Sie will die Schulden
nd Zinsen zulasten der deutschen Steuerzahler verge-
einschaften. Das ist ein Irrweg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
amit müsste Deutschland unmittelbar und unbe-
chränkt für die neuen Schulden der Krisenstaaten ge-
amtschuldnerisch haften. Ein intransparenter und kaum
ontrollierbarer Finanzausgleich, für den es keine
rundlagen und vor allem keine Grenzen geben könnte,
t ein Irrweg. Das darf es nicht geben. Eigenverantwor-
ng, Subsidiarität und Hilfe zur Selbsthilfe sind ange-
agt. Das ist letzten Endes das, was auch das Bundesver-
ssungsgericht gesagt hat. Seine Entscheidung war eine
hrfeige für die rot-grünen Euro-Bonds.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14757
Dr. h. c. Hans Michelbach
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)(B)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Hagedorn [SPD]: Was für ein
Quatsch!)
Wir brauchen jetzt zur Sicherung der für Deutschland
wichtigen Währungsunion konditionierte, wachstums-
orientierte Hilfen. Sie wollten in vorauseilendem Gehor-
sam Schiffscontainer voll Geld nach Griechenland
schaffen.
(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)
Herr Trittin hat uns gestern vorgeworfen, wir würden die
Container immer zu spät schicken. Ich kann Ihnen nur
deutlich sagen: Dieser vorauseilende Gehorsam ist der
falsche Weg. Sie müssen Anpassungs- und Reformpro-
zesse und Eigenverantwortung verlangen, um Stabilität
zu erreichen. Das ist der wesentliche Punkt.
Mittlerweile gibt es auch in der Wachstumspolitik
klare Unterschiede. Die Koalition steht für mehr Wachs-
tum. Die Opposition steht hingegen für höhere Steuern.
Sie verfolgt damit wieder einmal ein Wachstums- und
Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Das ist die Situa-
tion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Die SPD will die mittelständischen Unternehmen als
Personengesellschaften höher belasten und gefährdet da-
mit Arbeitsplätze. Die Umsetzung ihrer Pläne würde für
Tausende Unternehmen bedeuten, dass arbeitsplatz-
schaffende Investitionsmittel durch Steuern und Solida-
ritätszuschlag geradezu aufgefressen werden. Die Große
Koalition hat für die Wachstumsentwicklung 24 Milliar-
den Euro auf den Weg gebracht. Das hat die Wachstums-
entwicklung begünstigt. Warum soll das heute falsch
sein? Heute wollen Sie Ihre ideologische Kiste auspa-
cken und die oberen 4 Prozent der Einkommensbezieher
an den Pranger stellen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Die wollen doch
selber zahlen!)
Ich kann Ihnen sagen: Sie treffen 60 Prozent der mittel-
ständischen Betriebe, die diese Mittel für Arbeitsplätze
brauchen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Nicolette
Kressl [SPD]: So ein Blödsinn!)
Sie wollen wie immer liquiditätsfeindliche Substanz-
besteuerungen. Sie wollen eine weitere Erhöhung der
Erbschaftsteuer. Sie wollen die Vermögensteuer wieder
erheben, obwohl das Verfassungsgericht gesagt hat, in
Deutschland dürfe die Steuerbelastung 50 Prozent nicht
überschreiten. Nach Ihren Vorstellungen müssten die
Spitzenverdiener von 1 Euro 82 Cent Steuern zahlen.
Das ist verfassungswidrig und geht daher in dieser Form
nicht. Wer soll denn noch Risiken bei Investitionen ein-
gehen, wenn von jedem eingenommenen Euro 82 Cent
Steuern zu zahlen sind? Das kann doch nicht die Lösung
sein. Ich sage Ihnen: Blockieren Sie nicht unser Steuer-
vereinfachungspaket. Schauen Sie, dass wir gemeinsam
zu einer Entlastung kommen. Das wäre das richtige
Konzept.
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(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Legen Sie doch mal etwas vor!)
Die Steuerungerechtigkeit, die mit den SPD-Vor-
chlägen verbunden ist, gipfelt darin, dass Sie die Mittel,
ie sich aus der kalten Progression ergeben, einfach ein-
assieren wollen. Das ist ein Anschlag auf die Bezieher
leiner und mittlerer Einkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ie kalte Progression muss abgeschwächt werden; denn
ahinter stecken heimliche Steuererhöhungen. Wir wer-
en den Menschen diese Mittel zurückgeben. Ihr Steuer-
onzept ist falsch.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ihre
Redezeit ist um!)
Letzten Endes werden wir auch die Unterschiede im
ereich der Finanzmarktregulierung deutlich machen.
ir haben Wesentliches auf die Beine gestellt, von dem
erbot der Leerverkäufe bis zur Bankenabgabe. Da las-
en wir uns von niemandem übertreffen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Wir regulieren die Finanzmärkte, und wir werden da-
r sorgen, dass der Faktor des Dienens der Finanzwirt-
chaft für die Realwirtschaft wieder Platz greift. Das ist
er richtige Weg; wir schlagen ihn ein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Nicolette Kressl spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Nicolette Kressl (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Michelbach, ich glaube, Ihre Rede war symptoma-
sch für das Problem, in dem die Koalition steckt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD –
Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Ja, die Rede
war sehr gut! Die Koalition ist auch sehr gut!)
ie haben gesagt: Was gestern richtig war, kann doch
eute nicht falsch sein. Genau das ist Ihr Problem: dass
ie sich nicht mit veränderten Rahmenbedingungen in
ieser Welt und in Deutschland auseinandersetzen und
r Ihre Politik keinerlei Konsequenz daraus ziehen. Das
önnen wir Ihnen an mehreren Beispielen deutlich ma-
hen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-
Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie stehen zum Beispiel beim Thema Steuersenkun-
en wie ein alter Holzpflock im Wasser, lassen die ver-
nderten Rahmenbedingungen an sich vorbeirauschen
14758 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Nicolette Kressl
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)(B)
(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist
aber sehr unhöflich!)
und glauben noch, Sie könnten mit Fug und Recht sagen:
Was gestern richtig war, kann doch heute nicht falsch
sein.
(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])
Das ist unflexible Politik; das ist Politik, die nicht auf die
Menschen ausgerichtet ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns das doch einmal genau an: Spannend
war, dass Sie über Einnahmepolitik, über Steuerpolitik
die ganze Zeit so gut wie nichts gesagt haben, obwohl
sowohl die Ausgaben- als auch die Einnahmepolitik für
einen soliden Haushalt ein wichtiger Faktor sind. Ich
verstehe das: Wer keinen Plan hat, kann auch nichts sa-
gen. Aber es gehört eigentlich zu den wichtigen Aufga-
ben, der deutschen Bevölkerung zu sagen, was Sie tat-
sächlich vorhaben.
(Beifall bei der SPD)
Nach unserer sozialdemokratischen Überzeugung
brauchen wir für ein solidarisches und für ein wirtschaft-
lich erfolgreiches Gemeinwesen ausreichende Finanz-
kraft, und zwar auf allen Ebenen. Es geht nicht um Steu-
ereinnahmen um ihrer selbst willen, sondern es geht
darum, dass die Gemeinschaft Ausgaben finanzieren
kann, durch die für Gerechtigkeit und für Wirtschafts-
wachstum gesorgt wird. Das ist beispielsweise bei den
Bildungsausgaben der Fall. Kein Wort ist während der
gesamten Debatte in der Haushaltswoche gefallen, das in
diesem Bereich einen ernsthaften Weg nach vorne weist.
Wir sind der Überzeugung, dass Menschen mit sehr
hohen Einkommen und Menschen mit sehr großen Ver-
mögen einen größeren Beitrag für das solidarische Ge-
meinwesen leisten können, was sie im Übrigen – dies
finde ich spannend – ja auch wollen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja!)
Das ist es, was ich meine: Sie merken überhaupt nicht,
dass die Zeit an Ihnen vorbeigeht.
(Beifall bei der SPD)
Diejenigen, die betroffen sind, sagen: Ändert es doch. –
Sie aber stellen sich hin und verkünden die Rezepte von
vor fünf Jahren. Das ist keine kluge und keine voraus-
schauende Politik.
Wer sich weigert, veränderte Rahmenbedingungen
wahrzunehmen, der klammert sich wie die FDP immer
noch an Steuersenkungen, im schlimmsten Fall an Steu-
ersenkungen auf Pump; das wäre in diesem Fall auch so.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Anders geht das
ja gar nicht!)
Da der Finanzminister das weiß und viele in der CDU es
eigentlich auch wissen, wird immer die kalte Progres-
sion bemüht. Um kein Missverständnis aufkommen zu
lassen: Natürlich ist das ein Problem – wenn es denn der
Realität entspräche. Aber was ist die Realität in den letz-
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n Jahren gewesen? Wir haben, weil Sie immer über
alte Progression reden, einmal im Hause nachgefragt,
ie es denn wirklich damit aussieht. Ich darf Ihnen aus
er Antwort zitieren:
Im Zeitraum 2006 bis 2010 wurde die kalte Pro-
gression im Ergebnis durch gesetzliche Maßnah-
men spürbar abgeschwächt.
Das wissen Sie auch. Wenn Sie über 6 Milliarden
uro reden – die FDP will ja noch mehr –, dann bildet
as die Veränderungen durch die kalte Progression in
en letzten Jahren nicht ab. Dies zeigt, dass Sie nur ein
äntelchen brauchen, um die FDP-Forderungen nicht
ollends als hanebüchen erscheinen zu lassen und ir-
endwie begründen zu können, dass man jetzt Steuer-
enkungen machen müsse. Die Zahlen sprechen aber
ine andere Sprache, Herr Minister Schäuble und liebe
oalitionsfraktionen.
(Beifall bei der SPD)
Abgesehen von diesen Zahlen stellt sich natürlich die
rage: Wen würden wir damit entlasten? Wir reden doch
on kalter Progression durch steigende Löhne. Ich
üsste nicht, dass es im unteren und mittleren Einkom-
ensbereich in den letzten Jahren tatsächliche Lohnstei-
erungen gegeben hat. Sorgen wir doch gemeinsam da-
r, dass die, die jeden Tag arbeiten gehen, tatsächlich
on dem Geld leben können! Dann können wir auch
ber entsprechende Steuerpolitik reden. Aber es muss
chon die richtige Reihenfolge sein.
(Beifall bei der SPD)
Dass Sie sich der Wirklichkeit in diesem Bereich ver-
eigern, zeigt, wie ich finde, die gesamte Woche. Ich
enke nur an Dienstag: Von Herrn Wissing kam keinerlei
orschlag; er zeigte keinerlei positive Entwicklung auf.
as Einzige, was geht, ist, dass die FDP immer noch
pposition in der Regierung spielt und sich an irgendet-
as abarbeitet. Wir erwarten verantwortungsvolles Han-
eln und Vorschläge, die deutlich machen, wie es in der
ukunft weitergeht. Das erwarten wir von Ihnen, und
as erwarten auch die Menschen von Ihnen, wie ich
nde, zu Recht.
(Beifall bei der SPD)
Solidarisch und wirtschaftlich vorausschauend wäre
s übrigens gewesen, wenn sich Herr Michelbach oder
err Barthle – ich weiß nicht, wer von beiden es war –
icht hier hingestellt und gesagt hätte, wenn die Mehr-
ertsteuervergünstigung für die Klientel Hotels zurück-
enommen würde, wäre das eine Steuererhöhung. So ein
lödsinn. Es wäre die Rückkehr zu vernünftigem steuer-
olitischen Handeln, wenn Sie diese 1 Milliarde pro Jahr
ndlich wieder einnehmen und nicht locker wegschmei-
en würden.
(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/
CSU]: Hätten Sie lieber der Erhöhung des
Kindergeldes zugestimmt! Familienfeindliche
Politik machen Sie!)
rund dafür – das wissen Sie doch auch –, dass Ihre
ehrmals einberufene Mehrwertsteuerkommission ir-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14759
Nicolette Kressl
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gendwie nie tagt, ist, dass Sie sich nicht trauen, dieses
Problem anzugehen. Ich frage mich: Warum? Der Ter-
minplan kann im Laufe von anderthalb Jahren irgendwie
nicht der Grund dafür sein. Es liegt daran, dass Sie nicht
zu Potte kommen, zu sagen: Da haben wir einen Fehler
gemacht. Das nehmen wir zurück. Damit haben wir für
eine vernünftige Struktur unseres Staates jährlich 1 Mil-
liarde Euro mehr. – Das ist doch Ihr Problem. Sie stellen
sich den Herausforderungen nicht in verantwortlicher
Weise.
(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/
CSU]: Sie müssen es korrekt darstellen! Die
Milliarde teilt sich auf, auf Bund und Länder!
Die haben nicht nur wir!)
Solidarisch und vorausschauend wäre es übrigens
auch gewesen, wenn Sie im Rahmen der Gemeindefi-
nanzkommission nicht aufgehört hätten, für strukturelle
Verbesserungen bei den Kommunen zu sorgen. Wir fin-
den es ja gut, dass die Kosten für die Grundsicherung
übernommen werden. Es bedurfte übrigens massiven
Bohrens der A-Länder und der SPD-Seite, dass es so
weit gekommen ist.
Aber der Punkt ist: Nachdem Sie es nicht geschafft
haben, die der Gewerbesteuer zu beseitigen, weigern Sie
sich jetzt auch, über strukturelle Veränderungen, über
Gemeindewirtschaftsteuern oder Veränderungen bei der
Gewerbesteuer oder was auch immer nachzudenken, um
so dauerhaft die Situation der Kommunen strukturell zu
verbessern. Die Umsetzung eigener Vorschläge nicht ge-
lungen, darüber beleidigt und dann Verweigerungshal-
tung gegenüber anderen Weiterentwicklungsmöglichkei-
ten – auch das ist symptomatisch für das, was Sie hier im
Bereich der Steuerpolitik bieten.
(Beifall bei der SPD)
Sie sind auch nicht bereit, wie wir es sind, über mög-
liche Veränderungen beispielsweise im Bereich der
Brennelementesteuer zu reden. Sie wissen doch, dass
diese Steuer nicht das eingebracht hat, was eigentlich
vorgesehen war, weil Sie im Vorfeld massive Struktur-
fehler begangen haben. Ich denke, es ist an der Zeit, sich
zu überlegen, wie man es schaffen kann, dass auch aus
diesem Bereich entsprechende Einnahmen hereinkom-
men. In diesem Bereich gab es nämlich massiv steigende
Gewinne.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Oh Gott!)
Ebenso machen Sie sich keine Gedanken darüber, wie
Menschen mit sehr hohem Vermögen zur Finanzierung
dieses Staates beitragen könnten. Hierfür gibt es ja nicht
nur ein einziges Instrument. Man kann darüber diskutie-
ren, wie man es macht. Das Problem ist auch hier, dass
Sie sich der Wirklichkeit verweigern und nicht einmal
über entsprechende Instrumente reden, weil Sie immer
noch an den alten verrückten Zielen festhalten, die da
lauten: Steuersenkungen, Steuersenkungen. Aber die Fi-
nanzierung des Staates, die Chancengleichheit für Kin-
der – all das geht den Bach hinunter, weil Sie sich der
Wirklichkeit verweigern.
(Beifall bei der SPD)
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Dann gibt es noch die internationale Ebene; auch hier
önnten Sie für bessere Steuerpolitik sorgen. Wo bleibt
igentlich eine neue deutsche Initiative zur Durchset-
ung europäischer Mindeststandards bei der Unterneh-
ensbesteuerung? Wir finden, spätestens nach der De-
atte um Irland, die unter den Rettungsschirm wollten,
ber von vornherein ausgeschlossen haben, die Körper-
chaftsteuer zu erhöhen, hätte es eine deutsche Initiative
eben müssen, um dafür zu sorgen, dass das auf interna-
onaler Ebene nicht mehr so weitergeht. Wir haben das
inmal in Angriff genommen. Man kann hier nicht
leich Erfolge verzeichnen; das ist richtig. Ich hätte aber
rwartet, dass Sie deutlich gemacht hätten, dass es so
icht geht. Das erwarte ich einfach von einer deutschen
egierung.
(Beifall bei der SPD)
Ganz großes Kino in der Steuerpolitik stellt ja die
rage der Finanztransaktionsteuer dar. Schon vor der
ommerpause haben wir Ihnen hier im Parlament nach-
ewiesen, dass die FDP eine andere Position als der Fi-
anzminister vertritt.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie fast
jeder!)
s war damals schon ganz klar und ist es jetzt wieder:
er Finanzminister sagt: „Finanztransaktionsteuer auch
Euro-Raum möglich“, die FDP sagt: „Auf keinen
all.“
(Otto Fricke [FDP]: Sie sagt: In der EU!)
Jetzt frage ich Sie einmal: Wer soll diese Regierung,
ie keine feste Position hat, auf europäischer Ebene ei-
entlich ernst nehmen? Das wird nicht funktionieren. Ich
age Sie auch: Wann stellen Sie Ihre Position eigentlich
lar? Ich finde, da muss dann auch die Kanzlerin ran und
agen: Hier gibt es unterschiedliche Positionen. Ich lasse
einen Finanzminister nicht von meinem Koalitions-
artner demontieren. Wir machen es jetzt so oder so. –
ber da bewegt sich nichts: leerer Raum, keinerlei Posi-
onierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In der Biologie nennt man das Verhalten, das Sie bei
er Finanztransaktionsteuer an den Tag legen, Mimikry.
h habe einmal nachgeschaut, was das heißt. Die Biolo-
ie sagt: Mimikry ist eine Signalfälschung, die der Tar-
ung dient. Ich finde, alles, was Sie im Moment verbal
um Thema Finanztransaktionsteuer sagen, ist Mimikry.
ie reden darüber, Sie wollen es aber nicht. Dabei glau-
en Sie aber tatsächlich, dass die Menschen so doof sind,
as nicht zu merken. Ich sage Ihnen: Im Tierreich wären
ie schon längst aufgefressen worden. So schlecht ist
re Mimikry in diesem Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN – Christian Lange [Backnang]
[SPD]: In der Politik heißt es: unter 5 Pro-
zent!)
Das mag jetzt vielleicht witzig klingen, aber das Pro-
lem ist, dass Sie dadurch, dass Sie Ihre Positionen nicht
14760 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Nicolette Kressl
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klären, verhindern, dass sich die Akteure auf den Finanz-
märkten an einer ordentlichen Finanzierung der Staaten
beteiligen. Das ist das Problem an diesem Verhalten, das
man ansonsten als lustig einstufen könnte. Wir wollen,
dass Sie eine klare Position einnehmen. Dann unterstüt-
zen wir Sie auch in dem Kampf zur Einführung einer
Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der unter
die Kategorie „Versagen auf internationalem Parkett“
fällt: Herr Minister Schäuble, im Interesse gerechter
Steuerpolitik hätten wir es für wichtig gehalten, Sie hät-
ten in den Verhandlungen mit der Schweiz eine andere
Ausgangsposition eingenommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach
[CDU/CSU]: Mit der Kavallerie, wie der Herr
Steinbrück, oder wie?)
Es ist ja nicht so, dass dieser Ablasshandel der Kompro-
miss nach harten Verhandlungen gewesen wäre. Sie wa-
ren von Anfang an bereit, diesen pauschalen anonymi-
sierten Ablass zu akzeptieren; das ist nachlesbar. Das hat
mit Steuergerechtigkeit nichts, aber auch gar nichts zu
tun.
(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Meister
[CDU/CSU]: Hohle Phrasen sind besser als
Handeln! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/
CSU]: Kavallerie ist besser als Steuergerech-
tigkeit!)
Es ist immer wieder von der Kavallerie die Rede.
Dazu will ich Ihnen etwas sagen. Wenn nicht Finanz-
minister Peer Steinbrück, auch verbal, so massiv darauf
gedrungen hätte, dass dieses Thema international aufs
Parkett kommt, dann hätten wir bis heute noch nicht die
graue Liste bei der OECD,
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was
ist denn mit der partnerschaftlichen Zusam-
menarbeit mit dem Nachbarland? Die guten
Wirtschaftsbeziehungen, das ist etwas wert,
nicht die Kavallerie!)
und Sie hätten überhaupt keine Ausgangsbasis gehabt,
mit der Schweiz zu verhandeln;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
denn deren Ziel ist, von der Liste herunterzukommen.
Sie fahren im Windschatten und erkennen nicht, wer die
Erkenntnis, dass die Schweiz sich in diesem Bereich be-
wegt, eigentlich ausgelöst hat.
Wenn wir jetzt eine Zwischenbilanz ziehen, müssen
wir feststellen: kein Plan, keine Zukunftsvorstellungen,
keine Ideen, wie es werden soll –
(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Ist das die
Überschrift der Rede?)
deswegen haben wir die ganze Zeit auch nichts über das
Thema Steuern gehört –, und wenn einmal etwas kommt,
dann wird es durch höchst unprofessionelles Handeln
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erklärt. Ich sage Ihnen: Kein Plan, keine gute Arbeit –
as schadet dem Haushalt und dem solidarischen Ge-
einwesen in Deutschland.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Otto Fricke hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Otto Fricke (FDP):
Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehr-
n Damen und Herren! Wenn wir bei den Haushaltsbe-
tungen über Zahlen reden, sollte man auch immer bei
larheit und Wahrheit bleiben. Ich bekomme von Bür-
ern, die uns zuhören, oft die Frage gestellt: Ist die ge-
lante Neuverschuldung für 2012, wie sie das Kabinett
eschlossen hat, viel oder wenig? – Erster Teil der Ant-
ort: Jede Neuverschuldung ist zu viel. Das wissen wir
ier alle.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für den zweiten Teil der Antwort ist es sinnvoll, die
ahl mit einer anderen zu vergleichen. Kollege
chneider, es war ein bisschen unfair, falsche Fakten zu
ringen. Sie haben gesagt, es handele sich um die dritt-
öchste Neuverschuldung, die die Bundesrepublik
eutschland je hatte. Ich darf Sie daran erinnern, dass im
rsten Haushalt von Rot-Grün 1999 bei einem viel gerin-
eren Haushalt eine höhere Neuverschuldung geplant
ar als jetzt von uns. Die jetzige Neuverschuldung ist
mer noch zu hoch. Aber die nächste Frage, die der
ürger stellt, lautet: Ich kann mit der Zahl 27 Milliarden
ar nichts anfangen; mit solchen Zahlen habe ich nichts
u tun. Sind Sie wenigstens auf dem richtigen Pfad? Wo
ommen Sie her und wo gehen Sie hin?
Schauen wir einmal, wie die SPD und ihr Finanz-
inister Steinbrück es damals gesehen haben, wo wir
nden werden.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das waren doch
andere Rahmenbedingungen!)
Es waren andere Rahmenbedingungen, weil wir die
ahmenbedingungen verändert haben, Frau Kollegin
agedorn. Jetzt will ich versuchen, den Bürgern das dar-
ustellen. Sie können sich ja dann ihre eigene Meinung
ilden. – Die SPD und ihr Finanzminister haben ge-
eint, wir wären im Jahre 2010 bei einer Neuverschul-
ung in Höhe von 86 Milliarden Euro. Diese Summe ha-
en wir als Koalition halbiert.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie viel
habt ihr hier im Bundestag beschlossen?)
ber was hatte die SPD in Bezug auf das Jahr 2012 ge-
acht, über das wir jetzt reden – natürlich mit einer ge-
issen Ungewissheit hinsichtlich des Verlaufs der Ent-
icklung, die Sie aber auch bei unseren Zahlen
nterstellen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14761
Otto Fricke
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(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist Volks-
verdummung!)
2012 – das muss man der Bevölkerung sagen, damit sie
einen Vergleich hat, ob die jetzige Neuverschuldung eine
schlechte, schlimme, verschlimmernde ist – wollten Sie
und Ihr Herr Steinbrück 54 Milliarden Euro als Neuver-
schuldung in der Planung ansetzen. Das ist in Papieren
des Deutschen Bundestages schriftlich niedergelegt.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aber die
Frau Merkel war dabei, oder?)
Die jetzige Koalition halbiert diese Summe im Entwurf
des Kabinetts. Also können wir für den Bürger festhal-
ten: Wir senken die Neuverschuldung ständig.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Sie sparen über-
haupt nicht!)
Es gelingt nur noch Herrn Schneider, durch wildeste
Konstruktionen im Zusammenhang mit der Schulden-
bremse festzustellen, dass das nicht so sei.
Halten wir also fest: Die SPD regt sich tierisch auf,
weil sie ertappt worden ist,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein!)
und die Koalition macht eine vernünftige Haushaltspoli-
tik. Das ist doch auch schon etwas.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Diese Woche war die Woche des Parlaments; das will
ich einmal für uns alle hier festhalten. Die Fokus der
Meldungen und Diskussionen lag auf dem Parlament.
Die Frage ist: Warum eigentlich? Weil es im Parlament
um den Haushalt geht und wir darüber entscheiden? –
Ein Grund war vor allem, dass das Bundesverfassungs-
gericht das Parlament gestärkt hat.
Ich sage bewusst „das Parlament“, weil jetzt wieder
solche Äußerungen kommen, dass nur die Haushälter
gestärkt würden. Nein, das Parlament ist gestärkt. Wir
sind im Rahmen dieser Aufgabe dabei – das sage ich be-
wusst auch in Richtung der Oppositionsfraktionen, weil
es hier schon Gespräche gibt –, das Parlament insgesamt
zu stärken. Insoweit darf ich mich bei der Opposition da-
für bedanken, wie konstruktiv das bisher gelaufen ist.
Wir versuchen, einen vernünftigen Entwurf hinzube-
kommen, der einerseits Rechte sichert und andererseits
dafür sorgt, dass wir nicht durch falsches Verhalten oder
durch Verzögerungen dazu kommen, dass das Ganze am
Ende teurer wird als geplant. Man sieht also: Wir können
auch zusammenarbeiten; und auch das ist eine Message.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Und wir machen
es selber!)
– Natürlich machen wir es selber. Ich glaube, das ist
auch ganz klar. Dazu ist das Parlament in der Lage.
Ich möchte noch etwas zu einem Kommentar in der
FAZ sagen; dabei geht es um die Frage, wer welche
wichtigen Entscheidungen trifft. Dort hat ein Kommen-
tator geschrieben, die Frage, ob jemand gute oder
schlechte Entscheidungen treffe, habe viel damit zu tun,
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elche Position er in einer Partei oder in einer Regie-
ng hat. Ich traue allen Abgeordneten hier zu, dass sie
ie richtige Entscheidung nach bestem Wissen und Ge-
issen treffen. Ob es die bessere oder schlechtere ist,
ängt von der politischen Richtung ab.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ein paar Aus-
nahmen müssen wir schon machen!)
as sollten wir als Parlament auch mit einem gewissen
elbstbewusstsein tun. Die Regierung macht ihre Arbeit
ut. Die Koalition macht ihre Arbeit gut. Die Opposition
uss selber beurteilen, ob sie ihre Arbeit gut macht. Ich
laube, dann befinden wir uns auf dem richtigen Weg.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Große
Stille!)
Diese Woche war bei weitem nicht die Woche der Op-
osition. Wo waren denn Ihre Vorschläge? Nichts kam.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
iese Woche ist eine Woche der Regierungskoalition in
iesem Parlament. Da gibt es Vorschläge von den Grü-
en zur Steuererhöhung; da gibt es die Vorschläge der
PD, dass man ab 5 000 Euro brutto in Deutschland in-
wischen als Reicher gelten soll.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]:
Sechseinhalb!)
Na guck mal, das ist immer so schön. Da wird gesagt
sechseinhalb“. Dass das Weihnachtsgeld mal eben nicht
itgezählt wird, um die Leute auf eine falsche Fährte zu
cken, spielt da keine Rolle. Es sind 5 000 Euro, wenn
ie das auf 13 Monatsgehälter umrechnen. Ich würde da
ehr vorsichtig sein. Es sind 5 000 Euro brutto, das muss
an den Bürgern noch einmal sagen.
(Nicolette Kressl [SPD]: Es ist nicht brutto!
Blödsinn!)
Aber Sie wollen doch nicht sagen, Sie besteuern vom
ettoeinkommen! Das wäre für mich aber etwas Neues,
rau Kollegin. Ich finde das alles sehr bemerkenswert.
alten wir einmal fest:
(Nicolette Kressl [SPD]: Grundkurs Steuer
wäre nicht schlecht!)
Das ist die eine Sache. Die andere ist: In der General-
ebatte heißt es von Ihrer Seite jedes Mal „schlechter
aushalt“, und in jeder Sachdebatte – der Bereich Ver-
ehr war am allerbesten – sagen Sie: Es fehlen Milliar-
en, wir müssen mehr ausgeben.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das sagt
Ramsauer doch auch! – Nicolette Kressl
[SPD]: Das hat er in der Zeitung gelesen!)
Der beste Vorschlag kam von den Grünen. Obwohl
änder und Kommunen von jedem Steuer-Euro mehr
eld bekommen als der Bund, sagen die Grünen: Wir
üssen den Ländern und Kommunen noch mehr Geld
eben. Das ist auf jeden Fall notwendig. – Das ist ein
isschen so wie ein Tanz im Kreis. Ich hoffe, Sie wissen,
elchen ich meine.
14762 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Otto Fricke
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(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Erst mal die Steuersenkungen für
Länder und Kommunen zurücknehmen!)
Es ist wirklich so: Mal das Beinchen nach rechts – ihr
müsst mehr sparen; mal das Beinchen nach links – ihr
müsst mehr ausgeben. Das ist nach meiner Meinung
keine vernünftige Oppositionspolitik. Sie haben jetzt als
Opposition in den kommenden Wochen und Monaten
die Möglichkeit, Ihre Einsparvorschläge einzubringen.
(Nicolette Kressl [SPD]: Sagen Sie einmal
etwas zu sich selbst!)
Ich warne Sie vor einem: Schlagen Sie nicht nur vor,
einen besseren Haushalt durch mehr Einnahmen machen
zu wollen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Bestimmt nicht
durch Steuersenkungen!)
Eines möchte ich dem Bürger noch zu bedenken geben:
Kennen Sie einen Politiker, dem man mehr Geld gibt
und der nachher weniger ausgibt? Ist es nicht vielmehr
so, dass die Politik am Ende immer wieder mehr Geld
ausgibt, wenn man ihr zuvor welches gegeben hat?
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nicht „der
Politik“! Euch!)
Wir, die FDP, bleiben klar und deutlich bei unserer
Position: Das Geld ist beim Bürger besser aufgehoben,
weil es der Staat am Ende nur ausgibt und nichts zur
Schuldentilgung tut. Das ist unsere Position.
(Beifall bei der FDP)
Ich komme zum Schluss. Was bleibt von dieser Wo-
che übrig? Für die Koalition bleibt eines, nämlich dass
eine gute Haushaltspolitik Markenzeichen dieser Koali-
tion ist
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein!)
und dass wir von Sigis Sirtaki-SPD in der Opposition
nicht viel zu erwarten haben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat Barbara Höll das Wort für die Fraktion Die
Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mir ist absolut schleierhaft, warum Sie den Haushalt
2012 so loben. Er macht im Ergebnis die Reichen reicher
und die Armen ärmer. Die Neuverschuldung steigt um
27 Milliarden Euro. Das haben Sie zu verantworten.
Die Schuldenmisere ist Ergebnis Ihrer Politik. Ange-
fangen von Rot-Grün über Schwarz-Rot bis hin zu
Schwarz-Gelb haben Sie daran gearbeitet, die Einnah-
mebasis des Staates stetig zu verkleinern, sodass heute
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indergärten und Schulen um jeden Euro betteln müssen
nd viele Kommunen in einem desolaten Zustand sind.
Sie haben den Einkommenspitzensteuersatz gesenkt
on 53 auf 42 Prozent, die Körperschaftsteuer von
5 auf 15 Prozent, Sie haben Niedriglohnpolitik voran-
etrieben, Minijobs und Leiharbeit gefördert. Sie haben
urch Steuerrechtsänderungen Einnahmeausfälle – über
ie Jahre gerechnet von 1999 bis 2013 – in Höhe von
90 Milliarden Euro zu verantworten. Das sollten Sie
inmal zugeben und auch dazu stehen.
(Beifall bei der LINKEN)
un sagt Herr Schäuble, wir brauchten eine mentale Ab-
ehr vom extremen Pumpkapitalismus. Das kann nur
elbstkritik sein.
Bei Schuldenabbau denken neun von zehn Zuhö-
rern an Kürzungen im Sozialetat, obwohl eine Steuer-
erhöhung bei jenen, welche die Krise ausgelöst ha-
ben, verursachergerechter wäre.
o Norbert Blüm gestern in der FAZ.
An Schulden verdienen die Gläubiger, und das sind
nicht die Hartz-IV-Empfänger und ihre globalen
Leidensgenossen. Und die FDP verlangt angesichts
der Schuldenmisere Steuersenkungen. Das ist so,
als wenn beim Hausbrand die Feuerwehr den Was-
serhahn suchte, um sich die Hände zu waschen.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das müssen
Sie mir einmal erklären! Das habe ich nicht
verstanden!)
as hat Ihnen Norbert Blüm gestern ins Stammbuch ge-
chrieben, und er hat recht.
(Beifall bei der LINKEN)
Bürgerinnen und Bürger fragen sich angesichts von so
iel Reichtum und Vermögen in unserem Land: Warum
ächst die Neuverschuldung? Was wird mit meinem
eld in der Krise? Warum geht es mir trotz Arbeit im-
er schlechter? Wo bleiben denn nun Steuerentlastun-
en und Steuergerechtigkeit? Wo bleibt der Mindest-
hn? Warum soll ich jetzt noch für die Banken zahlen?
ie haben auf all diese Fragen keine Antworten.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Doch!)
h sage Ihnen auch, warum: Sie haben den Draht zu den
ürgerinnen und Bürgern völlig verloren.
(Beifall bei der LINKEN)
Seit Monaten stolpern Sie plan- und konzeptionslos
urch die Gegend. Damit steigt die Politikverdrossenheit
Land; denn die Menschen wissen: Sie versprechen
ier viel, und Sie versuchen gar nicht, es umzusetzen.
ie haben Steuerentlastungen versprochen, aber nichts
assiert. Sie haben für die Leistungsgerechtigkeit ge-
ämpft, aber Geschenke an die Hoteliers ausgegeben.
ie beleidigten mit Ihrer Dekadenzdebatte Hartz-IV-
mpfängerinnen und -Empfänger.
In dieser Woche hat die FDP das Thema Steuerge-
chtigkeit entdeckt. Da fragt man sich schon: Was ist
ier los? Das Thema Steuergerechtigkeit ist bei uns, der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14763
Dr. Barbara Höll
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Linken, sehr gut aufgehoben. Wir haben Ihnen seit Jah-
ren Vorschläge unterbreitet, wie Steuergerechtigkeit
machbar und finanzierbar ist. Wir brauchen einen durch-
gehend linear-progressiven Einkommensteuertarif. Der
Einkommensteuerspitzensatz muss erhöht werden, der
Grundfreibetrag angehoben werden. Damit wäre es
möglich, tatsächlich untere und mittlere Einkommen zu
entlasten, indem man die oberen Einkommen belastet.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen natürlich die Wiedererhebung einer
Vermögensteuer als Millionärsteuer. Wir brauchen eine
Reform der Erbschaftsteuer. Wir brauchen einen wirkli-
chen Kampf gegen Steuerhinterziehung. All das muss
man tun, aber Sie sind untätig.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Steuer-
operation gelungen, Patient tot!)
Fakt ist: Die Schere zwischen Arm und Reich geht
immer weiter auseinander. Wenn Sie hier, wie schon in
der gestrigen Debatte, mit Zahlen jonglieren und sagen,
dass die oberen 10 Prozent der Einkommensteuerleisten-
den tatsächlich 55 Prozent des Einkommensteuerauf-
kommens erbringen, dann sollten Sie bitte auch einmal
sagen, wie hoch ihr Anteil am Einkommen ist. Das ist
doch die entscheidende Frage. Das Einkommen der sehr
gut verdienenden Haushalte ist nichtsdestotrotz gestie-
gen.
Der Abstand zwischen den Haushaltseinkommen der
unteren und der oberen Gruppe hat sich in den letzten
Jahren wieder vergrößert: 1999 verdiente der durch-
schnittliche Besserverdienerhaushalt das 3,5-Fache der
unteren Einkommensgruppe, 2009 war es bereits das
4-Fache. Das ist in lediglich zehn Jahren geschehen. Die
Gehälter gehen in unserer Gesellschaft immer weiter
auseinander. Und 10 Prozent der Bevölkerung besitzen
66 Prozent des Gesamtvermögens, über die Hälfte be-
sitzt nichts oder hat Schulden. Das ist die Realität; da
muss man gegensteuern.
Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass die Vermö-
gensmillionäre Ihnen sagen: Bitte besteuert uns stärker!
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jeder
kann freiwillig zahlen!)
Nein, bloß nicht, und wenn doch, dann vielleicht freiwil-
lig. Vielleicht lebt Herr Wissing im Feudalismus: Da
kann man etwas abgeben, wenn man Lust hat, oder auch
nicht. Noch gilt das Grundgesetz: Eigentum verpflichtet.
Die Leute sagen Ihnen: Bitte setzt das bei allen durch!
Sie verweigern sich dem.
(Beifall bei der LINKEN)
Der gesetzliche Mindestlohn ist etwas ganz Entschei-
dendes. Denn wenn wir einen gesetzlichen Mindestlohn
von 10 Euro pro Stunde hätten, dann hätten wir eine an-
dere Situation. Wenn die Menschen einen Mindestlohn
von 10 Euro pro Stunde hätten, würden sie Steuern zah-
len. Damit würde das Erwerbseinkommen um 26 Mil-
liarden Euro steigen; die Einnahmen der Sozialversiche-
rung würden steigen, es gäbe eine Entlastung der
Sozialkassen. Das wäre eine neue Realität. Dann könn-
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n auch die Sozialtransfers sinken, weil die Menschen
on ihrer eigenen Hände Arbeit leben könnten.
Sie betonen immer, Geringverdiener zahlten gar keine
teuern. Ich weiß nicht, ob Sie vergessen, dass alle in der
undesrepublik natürlich bei jedem Verbrauch Steuern
ahlen: bei jeder verbrauchten Windel 19 Prozent Mehr-
ertsteuer. Alles, was wir konsumieren, wird natürlich
esteuert, abgesehen von Kapitalgeschäften, denn wir
aben immer noch keine Finanztransaktionsteuer. Ich
uss Ihnen sagen: Ihre Politik geht völlig an der Realität
nd an dem, was notwendig ist, vorbei.
Ich möchte schließen und noch einmal auf Norbert
lüm zurückkommen. Er hat Ihnen gestern ins Stamm-
uch geschrieben, es sollte so sein:
Der Staat ist Koch, die Wirtschaft Kellner. So lautet
der Grundsatz der christlichen Soziallehre.
Es wäre gut, wenn Sie sich wieder auf Ihre Grund-
ätze der Politik besinnen könnten.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Jürgen
Koppelin [FDP]: Ich denke, Sie sind Athe-
istin!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Wolfgang
chäuble.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
en:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Gegen Ende dieser Haushaltswoche ist es viel-
icht gut, zunächst einmal das im Wesentlichen Unstrei-
ge zu betonen. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber
Wesentlichen unstreitig ist, dass es dem Land zumin-
est dann, wenn man die heutige Situation mit der Situa-
on vergleicht, aus der wir kommen, gut geht
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
nd dass wir aus einem schweren wirtschaftlichen Ein-
ruch als Folge der Finanz- und Bankenkrise fast besser
erausgekommen sind, als wir es zu hoffen gewagt hät-
n. Es ist unstrittig, dass wir auf dem Weg der Rückfüh-
ng der zu hohen Neuverschuldung mehr Fortschritte
emacht haben, als wir es für möglich gehalten haben.
Damit wir nur bei den Punkten streiten, bei denen es
der Sache begründet ist, will ich noch einmal aus-
rücklich klarstellen: Es ist völlig klar, die Maßnahmen
ur Bekämpfung der dramatischen Krise mit dem
chwersten Wirtschaftseinbruch in der Nachkriegsge-
chichte, nämlich mit einem Einbruch von 5,1 Prozent
ach den bereinigten Zahlen des Statistischen Bundes-
mtes, waren richtig. Richtig war auch der damit verbun-
ene dramatische Anstieg der Neuverschuldung.
Wir hatten für das Jahr 2010 in der mittelfristigen Fi-
anzplanung 6 Milliarden Euro geplant. Im Entwurf
urden daraus plötzlich 86 Milliarden. Das ist völlig un-
treitig. Gemessen daran ist es gut, dass wir in diesem
ahr mit einer Neuverschuldung von etwa 30 Milliarden
14764 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Euro herauskommen, und im nächsten Jahr einen Haus-
haltsentwurf mit einer Neuverschuldung von 27 Milliar-
den Euro vorlegen werden. Das ist das Entscheidende.
Das ist ein großer Erfolg, wir sind auf einem guten Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wenn wir über Sozialpolitik diskutieren, dann sind
dies die wichtigsten Zahlen: Wir haben die höchste An-
zahl an Erwerbstätigen und den niedrigsten Stand der
Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Das ist
doch ein Erfolg für die Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Kollege Schneider, wir werden dies im Haushalts-
ausschuss noch rauf und runter diskutieren, aber es ist
so: Wir halten die Schuldenbremse des Grundgesetzes
auf Punkt und Komma und auf Euro und Cent ein.
Es gab eine Debatte über die Frage: Welcher Wert des
strukturellen Defizits im Jahr 2010 bildet die Ausgangs-
lage? Anfang 2010, kurz nach dem Regierungswechsel,
hat das Bundesfinanzministerium noch amtlich gesagt:
Ausgangspunkt für die Schuldenbremse und für die
Rückführung ist das Soll des Haushalts 2010. Sie kön-
nen sich vorstellen, welcher Finanzminister wahrschein-
lich verantwortlich dafür war, dass man so geplant hatte.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Also 86 Mil-
liarden Euro!)
Dann kam der neue Bundesfinanzminister und hat in der
ersten Haushaltsdebatte gesagt: Nein, wir werden das
sich abzeichnende, wirkliche Defizit zugrunde legen.
Das wird wesentlich niedriger sein. Manch einer hat ver-
mutet: Der will nur aus anderen Gründen Haushaltsspiel-
räume kleiner machen. Ich habe gesagt: Nein, der Wert,
den wir bei der mittelfristigen Finanzplanung, also Mitte
des Jahres, zugrunde legen, ist der Ausgangspunkt für
die Anwendung der Schuldenregel des Grundgesetzes,
damit wir, wie es in Art. 115 steht, in gleichmäßigen Ra-
ten bis zum Jahr 2016 den Wert von 0,35 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts erreichen. Diese Linie ist gezo-
gen.
Nun kommt der nächste Punkt. Natürlich gibt es das
Ausgleichskonto. Zum wiederholten Male sage ich als
Finanzminister zu Protokoll des Deutschen Bundestages:
Die Bundesregierung – der Bundesfinanzminister – hat
die feste Absicht, dass wir das Ausgleichskonto nicht
nutzen werden. Wir sind in der Tat vor der Kurve. Sie
können es rechnen, wie Sie es wollen. Selbst wenn Sie
Ihren Wert zugrunde legen würden, wären wir mit dem
strukturellen Defizit in den Jahren 2011 und 2012 noch
unterhalb dessen, was das Grundgesetz fordert.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 2012
nicht!)
– Auch in 2012, doch.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]:
5 Milliarden!)
– Wir werden das im Haushaltsausschuss weiter disku-
tieren. Sie werden sehen, dass Ihre Zahlen nicht stim-
men.
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(Bettina Hagedorn [SPD]: Natürlich!)
assen Sie deshalb Ihre verleumderische Behauptung,
ir wollten an unser Polster gehen. Wir werden den
urs einer soliden Rückführung der zu hohen Verschul-
ung fortsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Frau Kollegin Kressl, bei allem Respekt: Lassen Sie
ns über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der
chweiz dann reden, wenn wir es unterzeichnet haben,
eil wir vorher nicht in der Lage sind, den Text vorzule-
en. Das ist nun einmal so. Man muss auch auf die
chweiz ein bisschen Rücksicht nehmen. Es ist para-
hiert, aber noch nicht unterzeichnet.
(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Das
ist richtig!)
tochern Sie nicht mit der Stange im Nebel herum, nur
m irgendetwas zu finden. Angebliche Verdächtigungen
achen überhaupt keinen Sinn.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ir werden es vorlegen. Ich sage Ihnen vorher: Wir wer-
en eine Lösung finden. Sie werden sehen, dass wir das
nter allen Gesichtspunkten überhaupt Mögliche tun
erden.
Ich komme jetzt zu einem anderen Punkt. Es wird im-
er von der „Kavallerie“ gesprochen. Ich habe meinen
orgänger immer in Schutz genommen, indem ich ge-
agt habe: Der Humor in Deutschland ist unterschied-
ch. Die Alemannen haben ein anderes Verständnis als
ie Norddeutschen. Aber man muss sagen: Hilfreich war
s nicht, dass man in Luxemburg sagen musste: Wir ha-
en deutsche Soldaten schon einmal erlebt. Deswegen
t es besser, wenn wir auch mit unseren kleineren Nach-
arn in Europa höflich umgehen, Verständnis zeigen und
ie nicht von oben herab behandeln.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Bettina Hagedorn [SPD]: Aber doch nicht zum
Profit von Steuerhinterziehern! – Christian
Lange [Backnang] [SPD]: Die Steuerhinterzie-
her danken! Unglaublich!)
– Die Schweiz hat ihre eigene Tradition. Damit muss
an umgehen. Wir werden darüber reden, wenn wir das
bkommen unterzeichnet haben, und nicht im Vorhinein
ie Dinge durch falsche Angaben diffamieren.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist nicht wahr!)
Doch, genau das ist der Punkt.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Zur Ab-
schreckung schicken wir Kollegin Hagedorn
hin!)
Gegen Ende unserer Debatte möchte ich eine weitere
emerkung machen. Natürlich ist es wahr – was wir
eute in der OECD-Prognose lesen, bestätigt nur, was
h am Dienstag zu Beginn dieser Haushaltswoche be-
its gesagt habe –: So gut unsere Lage in Deutschland
t – die Lage von Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Finan-
en –, so sehr ist die Entwicklung der Weltkonjunktur an
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14765
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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)(B)
einem kritischen Punkt. Ich habe am Dienstag schon an-
gekündigt, dass ich im Anschluss an diese Haushalts-
debatte zum Treffen der Finanzminister und Notenbank-
gouverneure der G-7-Staaten in Marseille fahre. Wir
werden schwierige Debatten führen. Sie alle haben die
Rede des amerikanischen Präsidenten heute Nacht zur
Kenntnis genommen. Wir befinden uns an einem kriti-
schen Punkt der Weltkonjunktur.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: „Kritisch“
ist noch viel zu optimistisch!)
– „Kritisch“ heißt, dass wir uns in einer Situation befin-
den, in der sich viele Dinge entscheiden. Ich warne zu-
nächst vor unangemessenen und falschen Dramatisierun-
gen. Deswegen habe ich am Dienstag mit großer
Klarheit darauf hingewiesen: Bei allen Sorgen, was im
Bankensystem an Risiken und Ansteckungsgefahr ste-
cken kann, ist es verkehrt, wenn wir mit falschen
Berechnungen Tatarenmeldungen schüren. Vertrauen ist
– das wissen wir seit Ludwig Erhard, auf den sich inzwi-
schen alle berufen – die wichtigste Ressource für eine
nachhaltige und stetige Entwicklung der Wirtschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Aber
dann darf man in dieser Situation nicht über
Steuersenkungen reden!)
Vertrauen ist wichtig, das heißt, man muss einseitige
Dramatisierungen vermeiden.
Das OECD-Gutachten spricht – so lauten heute die
Überschriften – von einer möglichen starken Abkühlung
der Konjunktur in Deutschland. Aber das OECD-Gut-
achten sagt zugleich, dass damit zu rechnen ist, dass wir
in Deutschland in diesem Jahr ein Wachstum von
2,9 Prozent haben werden. Der Kollege Rösler hat ges-
tern gesagt, die Bundesregierung hat – so ist unsere amt-
liche Prognose – 2,6 Prozent zugrunde gelegt, das heißt,
selbst bei einer gewissen Eintrübung der Konjunktur in
Deutschland im Quartalsverlauf sind wir auch nach den
Aussagen der internationalen Experten vor der Kurve,
genau wie bei der Defizitreduzierung. Also bitte keine
falschen Dramatisierungen.
Meine zweite Bemerkung, die ich mit großen Ernst
machen will. Die Weltkonjunktur wird Auswirkungen
auf Deutschland haben, weil wir stark in die internatio-
nale Arbeitsteilung eingebunden sind und große Erfolge
auf den Exportmärkten haben. Deswegen hat uns die
Krise 2009 härter getroffen als andere.
Umso wichtiger ist, dass wir bei allen Maßnahmen in
dieser kritischen Phase daran denken, was die Hauptur-
sachen der Krise sind. Eine Ursache ist die mangelnde
Regulierung der Finanzmärkte. Wir arbeiten auf interna-
tionaler und europäischer Ebene mit aller Kraft, damit
wir diesbezüglich so viel wie möglich erreichen. Wenn
wir Spielraum dafür haben, gehen wir notfalls auch auf
nationaler Ebene voran; das haben wir bereits bewiesen.
Das gilt übrigens auch für die Finanztransaktionsteuer.
Ich muss jetzt nicht wiederholen, was ich dazu oft genug
gesagt habe. Genauso wichtig ist die Erkenntnis – daran
halten wir neben der Forderung nach einer weiter gehen-
den Regulierung der Finanzmärkte fest; übrigens ent-
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pricht das auch dem Urteil aller internationalen Institu-
onen –: Die Hauptursache für die Krise ist das
bermaß an öffentlicher Verschuldung in den Staats-
aushalten.
Wenn wir die Krise bekämpfen und in dieser kriti-
chen Phase Kurs halten wollen, und zwar in Deutsch-
nd, in Europa und in der Welt, dann muss der Kurs
aßvoller Defizitreduzierung fortgesetzt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ur in diesem Rahmen, ohne Veränderung der Defizitre-
uzierung, hat jedes Land die Möglichkeit – das kann je-
es Land entscheiden; im Rahmen der Haushaltsberatun-
en werden wir auch in Deutschland weiter um jeden
uro ringen –, durch zusätzliche Schwerpunktsetzungen
ie Wirtschaft zu beleben, wenn die Situation schwieri-
er werden sollte. Dabei dürfen wir aber nicht den Kurs
er Defizitreduzierung verlassen. Das gilt in Deutsch-
nd, das muss in Europa und das muss weltweit gelten.
ir können die Krise nicht dadurch bekämpfen, dass wir
ie Probleme, die zu der Krise geführt haben, weiter ver-
chärfen. Das wäre der falsche Weg. Mit den Möglich-
eiten der Geldpolitik, der Geldschöpfung und einer
och weiter gehenden öffentlichen Verschuldung die
rise zu bekämpfen, wäre der falsche Weg. Damit wür-
en wir die Probleme verschärfen und nicht lösen.
Wir befinden uns in einer guten Lage. Wir sind gut
orangekommen. Die Bundesregierung und die Koali-
on sind entschlossen, Kurs zu halten. Kurs halten heißt:
olide Finanzen als Grundlage für wirtschaftlichen
ohlstand und soziale Gerechtigkeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Priska Hinz hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die
rünen.
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit die-
em Haushaltsentwurf, über den wir in dieser Woche dis-
utiert haben, sind im Prinzip zentrale Weichenstellun-
en verbunden: für die Bewältigung der Euro-Krise,
ber die wir in dieser Woche sehr ausführlich gespro-
hen haben, für die ökologische Modernisierung und für
en Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ich gebe den
ollegen recht, die gesagt haben – das waren vor allen
ingen Herr Barthle und Herr Koppelin –, dass uns
olemische Debatten nicht weiterhelfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
h kann es aber nicht akzeptieren, dass Sie diese Debat-
n hier trotzdem weiterführen und dabei noch nicht ein-
al Revue passieren lassen, dass die Grünen zu jedem
inzelplan Gegenvorschläge unterbreitet haben. Wir ha-
en nicht nur kritisiert, sondern auch konkrete Gegen-
orschläge unterbreitet. Wir haben gesagt, was man an-
ers machen sollte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
14766 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Priska Hinz (Herborn)
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Wir erkennen die Fortschritte bei den anderen Frak-
tionen an. Die SPD zum Beispiel schlägt in ihrem Steu-
erkonzept vor, ökologisch schädliche Subventionen
abzubauen. Diesbezüglich haben wir in den Haushalts-
beratungen jetzt endlich Mitstreiter. Die Koalition hat
die Energiewende beschlossen. Dazu müssen wir aber
sagen, dass die Koalition beim Energie- und Klima-
fonds, der als Schattenhaushalt geführt wird – das ist an
sich ein schlechtes Instrument –, bisher nicht die Kraft
hatte, energisch voranzuschreiten und deutlich zu ma-
chen, dass wir viel mehr Geld im Bereich der Energieef-
fizienz brauchen; es gibt nur winzige richtige Ansätze.
Um das zu erreichen, muss man Subventionen kürzen;
aber dafür fehlt Ihnen die Kraft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg]
[SPD])
Das Hauptproblem auf diesem Feld ist immer noch
der Wirtschaftsminister, der von der Energiewende an-
scheinend nichts mitbekommen hat; denn er macht wei-
terhin Subventionspolitik – nicht von gestern, sondern
von vorgestern – ohne die notwendigen Investitionen in
die Zukunft der Netze und in die Ressourceneffizienz.
Da liegt das Problem Ihres Haushaltsentwurfes. Es wird
nicht in eine nachhaltige Zukunft investiert. Sparen ist
kein Selbstzweck. Man muss sparen und konsolidieren,
um zukünftig in gute Wirtschaftsstrukturen zu investie-
ren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg]
[SPD])
Das Recht, den Haushalt des Bundes zu beschließen,
ist von zentraler Bedeutung für unsere parlamentarische
Demokratie; Herr Fricke, das ist richtig. Das hat uns das
Bundesverfassungsgericht bestätigt. Aber dieses Recht
gilt nicht nur für eine Beteiligung bei Entscheidungen
zur EFSF, sondern auch und vor allem für solides Haus-
halten. Das ist allerdings von der FDP bislang falsch ver-
standen worden. Sie stellen sich Ihrer Verantwortung
nicht; denn dann müssten Sie die Steuersenkungspläne
offiziell beerdigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich dachte schon – da Sie die ganze Woche lang so dröh-
nend dazu geschwiegen haben –, dass Sie diese Pläne
wohl nicht mehr aus der Mottenkiste hervorholen. Lei-
der hat mich Kollege Koppelin eines Besseren belehrt.
Er kam wieder mit dem Thema Steuersenkungen.
(Zuruf von der FDP: Wir vergessen die Steuer-
zahler nicht!)
Das ist nun wirklich nicht das, was wir brauchen. Herr
Bundesminister, es wird sich zeigen, ob Sie das Schatz-
kästlein Kontrollkonto nutzen werden,
(Zuruf von der SPD: Ja!)
wenn die FDP auf Steuersenkungen drängt. Wir werden
das jedenfalls ganz genau beobachten. Zur Einhaltung
der Vorgaben der Schuldenbremse würden Steuersen-
kungen jedenfalls nicht beitragen.
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(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg]
[SPD])
Die größte Volkswirtschaft in Europa ist Deutschland.
ie Solidität unserer Staatsfinanzen ist daher besonders
efragt. Noch haben wir das Rating AAA – im Gegen-
atz zur Bundesregierung, die nach der Halbzeitbilanz
her ein Default darstellt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des
Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] –
Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP: Ha! Ha!)
ie Risiken sind aber nach wie vor unübersehbar. Egal
b Steuersenkungen kommen oder nicht, besteht ange-
ichts Ihrer Finanzplanung trotz sinkender Neuverschul-
ung – das gebe ich gerne zu – das Risiko, dass bei hö-
erem Zinsniveau die hohen Zinsausgaben nicht aus
em Haushalt kompensiert werden können.
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
Ich will es ja nicht beschreien; im Finanzplan ist jeden-
lls keine Vorsorge getroffen.
(Otto Fricke [FDP]: Wie soll man das denn
machen? Wie macht man das denn?)
Der Haushalt ist auf Kante genäht; das ist das Pro-
lem. Das Risiko der wirtschaftlichen Konjunktur, das
er Bundesfinanzminister gerade beschrieben hat, ist im
aushalt nicht eingepreist. Auch dies ist ein Problem.
ie rechnen über den ganzen Zeitraum des Finanzplans
it 1,5 Prozent Wachstum.
Wichtig ist, dass wir Subventionsabbau betreiben,
ass wir bei den Ausgaben, die keine Zukunftsrendite
ringen, konsolidieren, zum Beispiel bei der Fusionsfor-
chung, dass wir Mehreinnahmen durch den Abbau von
ehrwertsteuerausnahmen erhalten und dass wir das
teuersystem mit einem höheren Spitzensteuersatz ge-
chter machen. Sie brauchten Kraft zum Handeln und
ut zur Entschlossenheit. Wir haben diesen Mut. Wir
erden Ihnen grüne Ideen für schwarze Zahlen liefern,
ie – im Gegensatz zu den Plänen, die Sie hier bislang
orgelegt haben – dafür Sorge tragen, dass wir auch bei
inem Konjunkturgewitter einen soliden Haushalt haben.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat Hermann Gröhe für die CDU/CSU-Fraktion
as Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Hermann Gröhe (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Bei so mancher Rede aus den Reihen der Oppo-
ition in dieser Woche fragte man sich: In welchem Land
ben Sie eigentlich? Ihre Häme und Ihre Kritik passen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14767
Hermann Gröhe
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überhaupt nicht zur Realität in unserem Land. Man wird
den Eindruck nicht los, dass Sie den Menschen in unse-
rem Land den gemeinsam erreichten Erfolg nicht gön-
nen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Gemeinsam haben die Menschen durch die Politik
unserer Koalition dieses Land nach vorne gebracht. Un-
ser Land ist gestärkt aus der Wirtschafts- und Finanz-
krise hervorgegangen. 2010 ist die Wirtschaft um
3,6 Prozent gewachsen – das höchste Wachstum seit der
deutschen Einheit. Das bedeutet volle Auftragsbücher
für den Mittelstand, für das Handwerk und für die Indus-
trie. Deutschland hat eine niedrigere Arbeitslosenquote
als vor der Krise. Die Horrorbilanz von Rot-Grün waren
5 Millionen und mehr Arbeitslose. Die Arbeitslosenzahl
wurde auf deutlich unter 3 Millionen gesenkt. Dahinter
stehen Tausende persönlicher Erfolgsgeschichten, Men-
schen, von denen jeder wieder für sich selbst und die ei-
gene Familie sorgen kann. Das ist das Ergebnis unserer
Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wenn man sich die Jugendarbeitslosenquote, die
deutlich verringert werden konnte, anschaut und den
Blick nach Großbritannien und Spanien richtet, dann
zeigt sich, wie wichtig das ist. Deutschland ist erfolg-
reich. Dazu haben zwei Bundesregierungen unter Füh-
rung von Angela Merkel entscheidend beigetragen. Die-
sen Weg gehen wir weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unser Haushalt zeigt: Wir können die Konsolidierung
und deutliche Fortschritte bei der Rückführung der Neu-
verschuldung damit verbinden, klare Akzente zu setzen.
Wir halten die Schuldenbremse ein. Wir hören auf, die
Spielräume unserer Kinder und Kindeskinder zu be-
schneiden.
Was aber tut die SPD? Sie führen hier das Wort „Spa-
ren“ im Munde. Aber in den Ländern geben Sie mit vol-
len Händen Geld aus, das Sie gar nicht haben.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aha!)
NRW macht Rekordeinnahmen und zugleich Rekord-
schulden. Die Schuldenkönige sitzen in Düsseldorf,
Mainz, Bremen und Berlin.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Oh nein! Das
stimmt so nicht!)
Das ist der Unterschied: Christlich-Liberale sanieren,
Rot-Grüne ruinieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Saarland?
Schleswig-Holstein? Sie haben wohl eine ge-
trübte Wahrnehmung! – Sven-Christian
Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was
ist denn mit Schleswig-Holstein?)
Wir haben die Weichen dafür gestellt, dass Deutsch-
land ein starkes Land bleibt. Wir investieren in die Zu-
kunft, in Bildung und Forschung. Der BAföG-Höchst-
satz ist seit 2005 um 15 Prozent angehoben worden.
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urch den Hochschulpakt wurden 182 000 zusätzliche
tudienplätze in unserem Land geschaffen. Das bedeutet
r mehr junge Leute in diesem Land eine exzellente
usbildung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Wir investieren in die Familien, die Keimzellen unse-
r Gesellschaft; das Kindergeld und die Kinderfreibe-
äge wurden erhöht. Wir investieren in eine zukunftsfä-
ige Energieversorgung; wir zeigen, dass der Umstieg
s Zeitalter erneuerbarer Energien mit ökologischem
nd ökonomischem Augenmaß funktioniert.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das wolltet
ihr ja schon seit 30 Jahren, oder?)
Wir arbeiten für ein geeintes Europa. In wenigen Wo-
hen wird der siebenmilliardste Mensch auf diesem Pla-
eten geboren. 2050 werden wir Europäer nur noch
Prozent, wir Deutsche nur noch 0,7 Prozent der Welt-
evölkerung ausmachen. Das zeigt: Wir brauchen ein
tarkes Europa, wenn wir nicht zum Spielball des Welt-
eschehens werden wollen. Nur so und nur gemeinsam
önnen wir Wohlstand und Frieden sichern. Deshalb ar-
eiten wir für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Staaten im
uro-Raum und für eine Schuldenbremse in allen euro-
äischen Verfassungen. Dieser Tage schreitet diese Poli-
k in wichtigen Euro-Ländern erfolgreich voran. Ich zi-
ere Konrad Adenauer:
Europas Geschick ist das Geschick eines jeden
europäischen Staates.
Wir wollen Solidität und dafür nicht nur ein Beispiel
eben, sondern sie auch exportieren. Im Gegensatz dazu
tehen rot-grüne Vorschläge einer ausufernden Verge-
einschaftung von Schulden. Es war interessant, in die-
er Woche zu beobachten, wie Sie sich auf leisen Sohlen
on diesen Ideen zu verabschieden versuchen. Nachdem
as Bundesverfassungsgericht dazu Klartext gesprochen
at, wurden Sie im Hinblick auf Euro-Bonds plötzlich
anz ruhig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Erst mal das Urteil lesen! – Lothar
Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber Sie haben
das Urteil offensichtlich nicht gelesen!)
Dann haben Sie vollmundig ein Programm für Bil-
ung und Entschuldung vorgelegt. Wenn das Ihre Priori-
ten sind, brauchen Sie nur dem Haushalt zuzustimmen.
enn dort sind die Prioritäten auf Zukunft und auf Bil-
ung gerichtet. Zugleich schreitet die Entschuldung vo-
n. Was aber ist Ihr Rezept? Steuererhöhungen für den
ittelstand und Steuererhöhungen für unsere Familien.
ie nennen so etwas sozialen Patriotismus. Das ist aber
eder sozial noch patriotisch. Das ist allenfalls ein pein-
ches Koalitionsangebot an die Linken.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die christlich-liberale Koalition hat Deutschland er-
lgreich durch stürmische Zeiten gelenkt. Es ist gut,
ass keine Leichtmatrosen am Ruder sind. Wir stellen
14768 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Hermann Gröhe
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mit diesem Haushalt die Weichen für eine gute Zukunft,
für ein starkes Deutschland in einem starken Europa.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wie war das mit den Leichtmatro-
sen? – Christian Lange [Backnang] [SPD]:
Was war das gerade eigentlich?)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Florian Toncar hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-
tion.
(Beifall bei der FDP)
Florian Toncar (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Um diesen Haushalt zu beurteilen – das ist schon
gesagt worden –, muss man sehen, woher wir kommen.
Wir kommen von einer Neuverschuldung von 86 Mil-
liarden Euro, die Sie wollten, liebe Sozialdemokraten.
Innerhalb von nur zwei Jahren sind wir auf einen Ansatz
von nur 27 Milliarden Euro gekommen. Das ist noch
kein endgültiges Ergebnis. Es ist aber in jedem Fall ein
gewaltiger Fortschritt, die Neuverschuldung in nur zwei
Jahren so stark zu reduzieren.
Frau Kollegin Hinz, das ist solide gerechnet. Die
Haushaltsansätze der letzten zwei Jahre waren eher vor-
sichtig berechnet. Sie wissen auch, dass der Vollzug des
Haushalts wesentlich besser vonstattengegangen ist,
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Nur wegen der Konjunktur!)
weil wir vorsichtig rechnen und weil wir nicht tricksen,
wie das Rot-Grün unter Herrn Eichel gemacht hat. Die-
ser musste sich immer wieder korrigieren. Wir dagegen
rechnen ganz sauber, verlässlich und solide. Da müssen
Sie überhaupt keine Sorgen haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Wir sind uns einig, dass wir Vorgaben der Schulden-
bremse, die im Grundgesetz steht, schneller einhalten
wollen als verlangt. Wir sind nach unserer Finanzpla-
nung auch auf dem besten Weg dahin. Der Anspruch die-
ser Koalition ist, dass wir nicht nur das machen, was die
Verfassung verlangt. Wir sagen: Die Schulden müssen
runter, und zwar so schnell wie möglich. – Genau auf
diesem Weg befinden wir uns mit der vorliegenden
Finanzplanung.
Ein Kontrast dazu ist das, was Sie dort abliefern, wo
Sie Verantwortung tragen. Ich messe Parteien eigentlich
immer eher an dem, was sie tun, als an dem, was sie in
der Opposition vertreten.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Was ist denn in Niedersachsen
los? Landesrechnungshof sagt: Das in Nieder-
sachsen ist rechtswidrig!)
Rot-Grün hat vier Jahre in Folge die Latte des
Maastricht-Vertrags gerissen. Das ist beispiellos. Das hat
es so noch nicht gegeben. In Baden-Württemberg, wo
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ie dieses Jahr gerade die Regierung übernommen ha-
en, haben Sie die 1 Milliarde Euro an Steuermehrein-
ahmen gleich wieder ausgegeben. Dadurch werden Sie
rst neun Jahre später, als von der alten Landesregierung
eplant, die Nullverschuldung erreichen. Klarer kann
an doch den Kontrast zu unserer Politik nicht deutlich
achen, als darauf hinzuweisen, was passiert, wenn Sie
eld in die Hand bekommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die These, dass man mit Einnahmeerhöhungen und
assiven Steuererhöhungen – die schlagen Sie vor –
aushalte konsolidieren kann, haben Sie in Ihrer eige-
en Zeit im Grunde genommen selbst widerlegt. In der
tzten Wahlperiode gab es die größte Steuererhöhung
uf einen Schlag, die es in Deutschland je gegeben hat.
as Ergebnis war aber nicht ein ausgeglichener Haushalt
auch vor der Krise nicht; aber das lasse ich bei dieser
etrachtung einmal außen vor –, sondern das Ergebnis
ar, dass außer den Steuereinnahmen in den drei Jahren
is 2008 die Ausgaben des Staates um 23 Milliarden
uro gewachsen sind. Das ist eben das Problem, wenn
an Steuern erhöht. Man kann dann bestimmten Ausga-
ewünschen nicht widerstehen. Deswegen wird die von
nen vorgeschlagene Lösung ganz bestimmt nicht zu
olideren Staatsfinanzen führen.
Wir als Koalition nehmen in Kauf, dass wir durch un-
eren schnellen Konsolidierungskurs auch geringere
pielräume für neue Ausgaben haben. Wir setzen aber
ie richtigen Schwerpunkte, indem wir in vier Jahren zu-
ätzlich 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung
nd somit in die Zukunft investieren.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Bei der Bundeswehr wird nicht
gespart!)
as finanzieren wir aber nicht durch höhere Schulden
ie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, sondern da-
urch, dass wir an anderen Stellen sparen. Das ist
chwerpunktsetzung im Haushalt: Sparen an der richti-
en Stelle, Investieren in Bildung und in Zukunft. So
acht es diese Koalition.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Trotz ausgesprochen geringer Spielräume für neue
usgaben und neue Ideen sind wir dieses Jahr eine
anze Reihe von Großreformen und politischen Projek-
n angegangen, die wirklich bemerkenswert sind. Da
äre die Bundeswehrreform zu nennen. Das ist die
rößte Reform in der Geschichte der Bundeswehr.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist
ein Desaster! – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ein-
sparungen bei der Bundeswehr!)
a wäre die Reform der Entwicklungszusammenarbeit
u nennen. Das ist ein Projekt, an dem Sie sich jahrelang
ie Zähne ausgebissen haben. Die Deutschen können
ich darauf verlassen, dass die Entwicklungszusammen-
rbeit in Zukunft effektiv und effizient funktioniert und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14769
Florian Toncar
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)(B)
dass Steuergelder dort besser, wirtschaftlicher und sinn-
voller eingesetzt werden als früher. Das ist ein großes
Reformwerk, auf das wir stolz sind.
(Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidelberg]
[SPD]: Versprechen wurden gebrochen!)
Woran wir in diesem Herbst gerade arbeiten, ist die
überfällige Reform der Instrumente der Bundesagentur
für Arbeit. Das ist jahrelang moniert worden. Jeder weiß
doch im Grunde, dass in diesem Bereich viel Unsinniges
gemacht worden ist. Diese Koalition nimmt diese über-
fällige Reform in Angriff. Das bringt unseren Arbeits-
markt und unser Land voran.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
In Vorbereitung ist ein Gesetz, mit dem erstmals sys-
tematisch das Problem des Ärztemangels erfasst wird
und darauf eine Antwort zu geben versucht wird. Das
wird in diesem Herbst sicherlich eine ganz wichtige Be-
ratung werden. Wir werden uns auch des Themas Pflege
annehmen.
Wir machen das alles unter schwierigsten haushalteri-
schen Bedingungen. Dass das geht, dass wir so viele Re-
formprojekte gleichzeitig anstoßen, obwohl wenig Geld
vorhanden ist, ist eine gewaltige politische Leistung die-
ser Koalition.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Zwei-
Jahres-Steuererklärung!)
Die Zeit verlangt nicht nach linker Politik, nach mehr
Ausgaben und immer neuen Programmen. Ich weiß, dass
Sie auf vielen Parteitagen und auch intern sich immer
neue Ausgaben ausdenken. Aber die Schuldenkrise in
Europa und auch die demografische Entwicklung in den
nächsten zehn Jahren verlangen nicht nur in Deutschland,
sondern in ganz Europa einen ganz anderen Ansatz. Das
ist eine Politik des schlanken Staates, eine Politik, die
jede Möglichkeit nutzt, unsere Wirtschaft wettbewerbsfä-
higer und stärker zu machen. Das heißt, Ihr Glaube, dass
Ihr Ansatz die Lösung für die nächsten zehn Jahre ist, ist
verwegen. Sollten Sie wirklich glauben, dass man heute
den Staat weiter ausdehnen und ihm neue Aufgaben über-
tragen kann, dann werden Sie Schiffbruch erleiden, so-
bald Sie das beweisen müssen.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Schauen
wir mal!)
Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt, mit dieser
Politik und mit den Reformprojekten, die wir neben dem
Haushalt angehen, Deutschland in einer Zeit voranbrin-
gen, die nicht einfach ist, und unter schwierigsten finan-
ziellen Rahmenbedingungen politisch gestalten. Das
zeigt, dass wir mit Geld umgehen und dafür sorgen kön-
nen, dass die Wirtschaft gut durch diese ausgesprochen
riskante und schwierige Zeit kommt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Rüdiger Kruse hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
raktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Rüdiger Kruse (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Ich möchte erst einmal auf das letzte Jahr zu
prechen kommen. Vor einem Jahr habe ich hier in ei-
em Beitrag zur Haushaltsdebatte die Regierung daran
rinnert, dass das Parlament sich für die Umsetzung des
rojekts Villa Tarabya entschieden hat, dass das aber
icht so läuft, wie wir das gerne hätten. Ich komme da-
uf zurück, weil sich das Außenministerium unter der
ederführung von Frau Staatsministerin Pieper dieser
ritik angenommen hat und sie nicht einfach an sich hat
bperlen lassen. Sie hat dieses Projekt in den letzten Mo-
aten in Angriff genommen und umgesetzt. Dieses Pro-
kt einer Künstlerakademie ist auf einem sehr guten
eg, genauso wie wir uns das vorgestellt haben.
(Beifall bei der SPD)
Wenn man eine Regierung kritisiert, insbesondere
enn es die eigene ist, dann soll man sie auch loben,
enn sie das tut, was das Parlament will. Es ist bemer-
enswert, dass die Regierung in dieser Zeit solche Pro-
kte vorantreibt, die ihren Wert erst wesentlich später
ntfalten werden. Das spiegelt sich auch im vorliegen-
en Haushaltsentwurf wider. Sehr beliebt bei öffentli-
hen Forderungen nach Kürzungen ist der Kulturbe-
ich. Das macht zwar keinen Sinn, weil der Kulturetat
mer sehr klein ist, aber trotzdem wird er immer gerne
enannt. Schauen Sie sich einmal in anderen Ländern
m, zum Beispiel in Holland, einem bürgerlich-demo-
ratischen Land. Dort ist der Kulturetat zusammenge-
trichen worden. In Deutschland hingegen können wir
ier sehr zufrieden sein, weil der Kulturetat weitgehend
tabil geblieben ist; er weist über die Jahre sogar einen
ichten Aufwuchs auf. Auch das zeigt, dass hier mit ru-
iger Hand regiert wird und nicht um des Sparens willen
erte zerstört werden und hier auch nicht Populismus
etrieben wird.
Die Kulturszene und die Kunst widmen sich häufig
innfragen und Sehnsüchten. Fangen wir einmal mit
etzterem an. Auch in dieser Debatte wurden interessan-
rweise Sehnsüchte geäußert. Vielleicht aus der Tiefe
einer Seele hat Herr Gabriel erklärt, er vermisse in den
eihen der Sozialdemokraten Staatsmänner wie Helmut
chmidt; auch Giscard d’Estaing wurde genannt. Sogar
elmut Kohl hat er lobend erwähnt. Das kann ich gut
erstehen; denn wenn man keine Vision hat, dann sollte
an wenigstens einen Helmut Schmidt haben. Visions-
sigkeit ist aber nicht der richtige Ansatz für Politik;
enn man muss schon Ziele haben, damit man auch den
chtigen Weg geht.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das wäre
ganz gut! Das gilt auch für die Regierung! Das
stimmt schon!)
14770 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Rüdiger Kruse
(A) )
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Das ist auch gut für die Regierung. Im Übrigen schätzen
auch wir unsere Altvorderen. Es ist aber nicht so, dass
wir sie so schmerzlich missen müssen,
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: In der
Regierung offensichtlich schon!)
wie das bei Ihnen offenbar der Fall ist, weil bei uns die
Lücken gut gefüllt sind.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesfinanzminister. Sie ha-
ben diese Debatte geprägt, und zwar nicht in typischer
Manier eines Haushälters. Haushälter haben ja oft, auch
wenn sie gut sind, den Beigeruch des Krämers.
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wir aber nicht! Das weise ich mit
Entschiedenheit zurück!)
Sie haben hier deutsche Haushaltspolitik, Belange unse-
res Landes und europäische Ziele in Einklang gebracht.
Das tun Sie nicht nur hier in dieser Debatte, sondern seit
Monaten unermüdlich. Der Lohn dieser Mühe ist, dass
die Zustimmung zur Politik dieser Regierung nicht nur
von Gerichten geäußert wird, sondern auch von der Be-
völkerung.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber sie
wird geringer!)
Natürlich bekommen die Aufregungsszenarien, die die
Opposition gerne entwirft – auch heute wieder –, am An-
fang erst einmal die gewünschte Aufmerksamkeit. Das
ist aber schnell vorbei, wenn wir erklären und verständ-
lich machen – das haben der Minister und die Kanzlerin
in diesen Haushaltsberatungen getan –, warum das
Ganze solide ist und warum wir das eigentlich tun. Denn
nicht nur Kinder fragen, warum. Auch jeder Bürger fragt
zu Recht: Warum wollt ihr eigentlich sparen? Warum
wollt ihr den Euro retten? Wenn wir darauf nur die Ant-
wort geben: „Das muss jetzt sein“, wäre das nicht rich-
tig. Der Sparkurs, den wir aus Gründen der Konsolidie-
rung des Haushalts eingeschlagen haben, ist nicht nur
alternativlos und moralisch geboten, sondern nutzt auch
den jetzt handelnden und lebenden Generationen, weil er
wieder Spielräume eröffnet.
Wir alle haben uns mit der Euro-Krise beschäftigt.
Die Analyse, dass die Ursache der Probleme die über-
bordende Staatsverschuldung ist, ist richtig. Genauso
richtig ist dann der von uns eingeschlagene Weg, der
zum Ziel hat, die Konsolidierung voranzutreiben. Wir
erliegen nicht der Versuchung, mit zusätzlichen Pro-
grammen oder Maßnahmesteigerungen konjunkturelle
Effekte zu nutzen und so eventuell Wählerstimmen zu
gewinnen. Das funktioniert bei uns sehr gut.
Schauen wir uns einmal an, was andere machen. Die
Linke hat den Hamburger Finanzsenator gelobt; darüber
soll er sich freuen. In Hamburg gilt jetzt offenkundig das
Motto „Pay as you go“. Frei übersetzt heißt das: Bezah-
len Sie, wenn Sie gehen. Damit ist gemeint: Wir machen
so lange Party, bis es vorbei ist. Beim Hinausgehen ver-
weisen wir dann auf die nachfolgende Generation; die
darf die Zeche zahlen.
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(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist
das FDP-Modell, ja!)
s kann doch nicht wahr sein, dass ein Bundesland wie
amburg das in seiner Landeshaushaltsordnung veran-
erte Schuldenverbot ab 2013 nun kippen will und er-
lärt, man werde sich ganz enthusiastisch für die Schul-
enbremse des Bundes engagieren. Das ist so, als ob Sie
der ich erklären würden, wir würden die Straßenver-
ehrsordnung einhalten. Die Schuldenbremse des Bun-
es muss auf jeden Fall eingehalten werden. Wenn sich
in Bundesland wie Hamburg Berlin, Bremen, das Saar-
nd und Sachsen-Anhalt zum Maßstab nimmt und deren
iele zu seiner Benchmark erklärt, dann ist das peinlich.
as ist so, als ob die Bundesregierung sagen würde: So-
nge wir 2 Prozent besser sind als Griechenland, reicht
as.
Diese Haushaltberatungen zeigen meines Erachtens,
arum unser Kurs für Deutschland richtig ist. Ich bin
ehr froh darüber, dass nicht nur ein Gericht, sondern
uch die nette kleine Ratingagentur Einfach & Ärmlich
besser bekannt als Standard & Poor’s –
(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Christian
Lange [Backnang] [SPD]: Das war gut!)
as von den Sozialdemokraten favorisierte Modell der
uro-Bonds verworfen hat. Es war interessant, zu sehen,
as aus Ihrem Allheilmittel Euro-Bonds geworden ist.
un sollen diese Euro-Bonds plötzlich nicht mehr die
ein, über die alle gesprochen haben.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Auf sol-
che Leute beruft ihr euch!)
Mein Dank geht noch einmal an den Minister und die
anzlerin. Mit dem eingeschlagenen Weg werden wir ei-
en guten Beitrag für Deutschland leisten und die Inte-
ration in Europa fördern. Das sehen Sie daran, dass an-
ere Länder unser Modell übernehmen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.
Rüdiger Kruse (CDU/CSU):
Newsweek hat zur Haushaltspolitik von Spanien ge-
chrieben: Budget control German style. – Und das ist
in hohes Lob.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Norbert Brackmann hat jetzt das Wort für die CDU/
SU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Norbert Brackmann (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Es liegt ein bisschen in der Natur der Sache,
ass wir in den Haushaltsberatungen über mögliche
ehreinnahmen durch Steuererhöhungen sprechen oder
ewertungen vornehmen, wie Einsparungen bzw. Kür-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14771
Norbert Brackmann
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zungen möglich sind. Ein bisschen vermisst habe ich die
Würdigung des dritten Weges, den die Bundesregierung
gegangen ist, nämlich auch durch intelligentes Sparen
und Wachstumsförderung in nicht unerheblichem Um-
fang Einnahmen zu generieren.
Dieser Weg hat nämlich gerade in dieser Zeit dazu ge-
führt, dass die Steuereinnahmen des Gesamtstaates in
den ersten sieben Monaten dieses Jahres gegenüber dem
Vorjahreszeitraum um 9,7 Prozent gestiegen sind. Die
Körperschaftsteuereinnahmen zum Beispiel stiegen um
31,8 Prozent. Aber auch die Lohnsteuereinnahmen leg-
ten mit 9,5 Prozent deutlich zu.
Das ist mehr als nur ein Indiz. Es ist geradezu der Be-
weis dafür, dass Wirtschaft und Arbeitsmarkt aufblühen.
Das Wachstum betrug im vergangenen Jahr 3,5 Prozent
und wird in diesem Jahr 2,5 bis 3 Prozent erreichen. Im
zweiten Quartal waren in Deutschland rund 41 Millionen
Menschen erwerbstätig. Das sind gut 500 000 mehr als
im Jahr zuvor und damit in diesem Frühjahr so viele wie
noch nie.
Es gibt noch mehr gute Zahlen. Im August dieses Jah-
res erreichte die Zahl der Jobsuchenden mit rund
2,95 Millionen den niedrigsten Wert im Monat August
seit 20 Jahren. Das sind nicht nur abstrakte Zahlen. Hin-
ter jeder einzelnen Zahl steht ein menschliches Schick-
sal. Dass es so vielen Menschen wieder gut geht, ist kein
Zufall, sondern Ergebnis der guten Politik der deutschen
Regierung und der Schaffenskraft seiner Menschen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn über dieses hervorragende Ergebnis Einverneh-
men besteht – es wurde in der gesamten Haushaltswoche
von niemandem bestritten –, dann mutet es etwas eigen-
tümlich an, wenn davon gesprochen wird, wie heute
etwa von Ihnen, Herr Schneider, und am Mittwoch von
Herrn Steinmeier, dass dieses Ergebnis trotz dieser Re-
gierung
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist
richtig!)
und nicht wegen dieser Regierung erzielt wurde.
Herr Steinmeier hat vor einem Jahr gesagt, das Spar-
paket der Bundesregierung drohe den Konjunkturauf-
schwung abzuwürgen.
Was wäre denn die Alternative gewesen? Wenn Sie in
diesem Jahr selbst bestätigen, dass es den Konjunktur-
aufschwung gegeben hat, dann kann das im Um-
kehrschluss doch nur bedeuten, dass es mit Ihrer Politik
nicht funktioniert hätte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Das Kon-
junkturpaket läuft doch aus!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist da-
rüber hinaus mit Ihren steuerpolitischen Vorstellungen,
die Sie uns hier präsentieren? Es war doch Ihr Kanzler-
kandidat in Lauerstellung, der, die 5 Millionen Arbeits-
losen fest im Blick, darauf gekommen ist, dass die Leis-
tungsträger in unserer Gesellschaft weniger Steuern
zahlen müssen, und seinerzeit maßgeblich dazu beigetra-
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en hat, dass der Spitzensteuersatz erheblich gesenkt
urde.
In der heutigen Situation wollen Sie dieses erfolgrei-
he Rezept, von dem Sie selbst profitieren – auch das
lagen Sie immer wieder ein –, wieder aufgeben und die
eistungsträger unserer Gesellschaft zusätzlich besteu-
rn, indem Sie den Spitzensteuersatz und andere Steuer-
ätze erhöhen und eine Vermögensteuer einführen wol-
n. Das wird niemandem bei uns helfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Sie halten in der Debatte an den Euro-Bonds fest,
uch wenn Sie das partiell zurückgenommen haben
Herr Gabriel hält sie mittlerweile für nicht mehr mit
er gegenwärtigen Vertragslage vereinbar – oder mit be-
onderen Auflagen versehen wollen – von Steinmeier-
onds ist die Rede –, und bürden damit den deutschen
teuerzahlern zusätzliche Aufwendungen auf. Nach
chätzungen der Bundesregierung müssen 17 Milliarden
uro pro Jahr zusätzlich aufgebracht werden.
(Manfred Zöllmer [SPD]: Unsinn!)
ach Schätzungen des Ifo-Instituts sind es sogar 47 Mil-
arden Euro. Wenn man die von Standard & Poor’s an-
ekündigte schlechte Bewertung der Euro-Bonds zu-
runde legt, sind es noch mehr.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie haben falsch gerechnet!)
as ist dramatisch mehr als zum Beispiel die 10 Milliar-
en Euro, die wir im Investitionsetat des Verkehrsminis-
riums haben.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Es kommt auf die Ausgestaltung
von Euro-Bonds an!)
it diesen Investitionen sichern wir ein Stück weit die
ukunft und die Arbeitsplätze. Sie wollen jährlich ein
ielfaches dieser Summe ausgeben, um Euro-Bonds zu
nanzieren. Damit laufen Sie einem Hirngespinst hinter-
er.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deutschland ist dank der guten Arbeit der christlich-
beralen Koalition, der Sozialpartner und der fleißigen
enschen besser aus der Krise herausgekommen, als es
ineingegangen ist. Deutschland benötigt jetzt Geradli-
igkeit und Kontinuität. Kraftmeierei, neue Belastungs-
roben für Leistungsträger, unnötige Geldausgaben für
uro-Bonds und Schwarzmalerei helfen den Menschen
icht. Genauso wenig hilft die bloße Hoffnung auf Bes-
erung; denn sie ist nur eine Mischung aus Feigheit,
andlungsunfähigkeit und Selbstbetrug.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Haushalts-
lan und der Finanzplan sind der Beweis, dass intelli-
entes Sparen gleichzeitig Wachstum und Wohlstand
ringen kann. Deshalb setzt die christlich-liberale Koali-
on diesen Konsolidierungskurs unbeirrbar fort. Diese
elbstbeschränkung ist nicht nur eine Tugend, sie ist
14772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Norbert Brackmann
(A) )
)(B)
auch Ausdruck unserer Verantwortung für die kommen-
den Generationen.
Diese Haushaltswoche war von der teils hitzig ge-
führten Diskussion über die Rettungspakete in Europa
geprägt. Übermorgen ist der zehnte Jahrestag der verhee-
renden Terroranschläge in New York und anderswo. In
diesen Tagen ist es nicht nur Zeit, der Opfer zu geden-
ken, sondern auch Zeit, sich darauf zu besinnen, welch
lange Zeit des Friedens Europa uns gebracht hat. Unver-
zichtbarer Teil dieses Europas ist auch der Euro, und ich
füge hinzu: der stabile Euro. Ohne einen solchen Haus-
halt wird aber auch die stärkste Volkswirtschaft Europas
keinen nachhaltigen Beitrag zur Stabilität des Euro leis-
ten können. Deswegen ist der vorgelegte Haushalt der
christlich-liberalen Koalition zugleich eine Investition in
Frieden, Freiheit und Wohlstand für Deutschland und
Europa.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 17/6600 und 17/6601 an den Haus-
haltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun-
gen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Vereinbarte Debatte
Für eine Verhandlungslösung im Nahostkon-
flikt
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Angesichts der veränderten Situation in der Region lau-
fen diesmal in der Debatte, die wir seit Jahren führen,
mehrere neue Handlungsstränge zusammen, die wir bis-
her noch nicht kannten. Ich nenne einerseits die Verän-
derungen in der arabischen Welt, die natürlich einen we-
sentlichen Einfluss haben, ich nenne aber auch die uns
sehr beunruhigende Situation zwischen Israel und der
Türkei. Die Äußerungen des türkischen Ministerpräsi-
denten in diesen Tagen beunruhigen uns außerordent-
lich. Wir möchten hier sehr deutlich zum Ausdruck brin-
gen, dass dies natürlich Einfluss hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der SPD und des Abg. Dr. Frithjof Schmidt
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
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Der Konflikt zwischen Israel und Palästina war nie
in isolierter Prozess. Er hatte immer Auswirkungen auf
ie Region und weltweit. Die Auswirkungen werden
tzt noch deutlicher, und sie werden uns noch mehr be-
effen. Deshalb ist es wichtig, diese Debatte in aller
rnsthaftigkeit zu führen.
Wir müssen uns fragen, ob unsere Ziele, die wir jahre-
ng verfolgt haben, noch die richtigen sind. Wir müssen
rüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Für
eine Fraktion sage ich ganz deutlich: Die Ziele, die wir
diesem Prozess haben, sind völlig unverändert. Wir
tehen nach wie vor eindeutig zu der für uns einzig sinn-
ollen Lösung: der Zwei-Staaten-Lösung. Wir wollen,
ass beide Staaten in Frieden und Sicherheit leben kön-
en, dass beide Staaten in die Lage versetzt werden, für
re Bürger eine Verbesserung der Lebensbedingungen
u erreichen. Auch das gehört zu einer solchen Lösung.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke
[DIE LINKE])
ußerdem möchten wir, dass diese Lösung ohne weitere
ilitärische Konflikte, ohne weiteres Blutvergießen und
hne weitere Tote erreicht wird. Das ist unser Ziel.
Die Elemente einer solchen Lösung sind seit Jahren
enau beschrieben – wir alle kennen sie –:
Erstens: die Gebietsfrage, Grenzen von 1967 plus ei-
em beiderseitigen einvernehmlichen Gebietsaustausch.
Zweitens: die Frage Jerusalems als Hauptstadt beider
taaten.
Drittens: die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge. Ich
öchte nicht verhehlen, dass ich die Lösung, die in der
enfer Initiative von 2003 beschrieben worden ist, im-
er noch für den richtigen und sinnvollen Ausgangs-
unkt der Diskussion halte.
Das heißt, die Themen liegen auf dem Tisch. Es be-
arf – in Anführungsstrichen – „nur noch“ eines Prozes-
es, um entsprechend weiterzukommen. Darum geht es
diesen Tagen.
Ich wiederhole gerne, was ich in jeder Debatte zu die-
em Thema hier sage – ich tue das mit Inbrunst, weil es
einem Denken entspricht –: Ich persönlich verstehe
ehr gut, dass im Zentrum jeglicher Überlegungen in Is-
el die Sicherheit des Staates stehen muss. Dafür habe
h vollstes Verständnis. Ich meine daher, dass manche
ritik an Israel übermäßig ist. Wir alle müssen wissen,
ass die Sicherheit Kern der Staatsräson Israels sein
uss. Angesichts der Veränderungen in der Region, an-
esichts der Geschichte Israels und angesichts neuer Ra-
eten, die Israel bedrohen, haben wir noch mehr Ver-
tändnis dafür, dass Israel die Sicherheit seines Staates in
en Vordergrund stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns fra-
en und die Freunde in Israel müssen sich fragen, wel-
he Vorgehensweise Israels Sicherheitsinteressen eigent-
ch nachhaltig befördert; diese Frage muss gestellt
erden.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja klar!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14773
Dr. Rainer Stinner
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)(B)
Was ist der richtige Weg, um Israels Sicherheitsinteres-
sen wirklich nachhaltig zu befördern? Ich habe in einer
Rede im Frühjahr schon gesagt: Ich finde zum Beispiel
die Israeli Peace Initiative bemerkenswert, angestoßen
von – ich darf das einmal so despektierlich sagen –
Hardlinern der israelischen Sicherheitsdebatte, vom Ex-
Mossad-Chef und von Exgenerälen. Sie haben uns hier
in Berlin gesagt: Helft uns dabei, die israelische Regie-
rung dahin zu bringen, dass sie in den Verhandlungspro-
zess einsteigt; bekanntlich arbeitet die Zeit – das sagen
wir seit Jahren – nicht für Israel. – Der Weg der Ver-
handlungen ist richtig, und wir sind nach wie vor dafür,
ihn zu gehen.
Die Palästinenser haben angekündigt, dass sie in die-
sem Monat in New York aktiv werden. Wir wissen noch
nicht genau, welchen Weg sie gehen werden. Das ist
auch bei ihnen noch sehr umstritten. Es kann jetzt noch
keine endgültige Positionierung zu einem Vorhaben ge-
ben, das noch gar nicht bekannt ist.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Wir wissen aber, dass es einige wichtige Determinanten
gibt. Neben der inhaltlichen Frage ist für meine Fraktion
ganz wichtig, dass die Europäische Union in dieser An-
gelegenheit möglichst – möglichst! – eine einheitliche
Position erreicht.
(Beifall des Abg. Hans-Ulrich Klose [SPD])
Das Ganze hat über den sachlichen Aspekt hinaus auch
für Europa erhebliche außen- und sicherheitspolitische
Konsequenzen, und deshalb müssen wir entsprechend
daran arbeiten.
Wir wissen, dass die Bundesregierung, insbesondere
der Außenminister, in diesem Zusammenhang seit Wo-
chen, seit Monaten mit den Kolleginnen und Kollegen
der Partnerstaaten in der Europäischen Union ganz in-
tensiv verhandelt. Natürlich können diese Verhandlun-
gen nicht immer am offenen Tisch ausgetragen werden.
Der Außenminister reist an diesem Wochenende in die
Region, um nochmals zu eruieren, welche einvernehmli-
chen Lösungen gefunden werden können. Das zeigt das
Commitment dieser Bundesregierung; das zeigt das
Commitment dieses Außenministers. Meine Fraktion
unterstützt ausdrücklich, Herr Minister, Ihre Initiative
und Ihr Commitment in diesem Zusammenhang.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Zur Entscheidung in den Vereinten Nationen sind
mehrere Überlegungen abzuwägen.
Erstens müssen sich die Palästinenser überlegen, was
für sie der richtige Weg ist. Wir alle wissen, dass auch
unter den Palästinensern bis zum heutigen Tage umstrit-
ten ist, was der richtige Weg ist.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Warten Sie
den Antrag ab!)
– Wir warten den Antrag ab. – Herr Fajjad hat sich sehr
skeptisch zu der Frage geäußert, ob es im Interesse Pa-
lästinas ist, den Weg nach New York zu gehen. Wir wer-
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en sehen, wie sich die Palästinenser einlassen. Wir wis-
en, dass sie noch über ihr Vorgehen verhandeln.
Zweitens müssen wir uns fragen, ob das, was in New
ork passiert, eine Zwei-Staaten-Lösung – unser erklär-
s Ziel – näher rücken lässt oder ob es uns von einer sol-
hen Lösung eher entfernt. Das ist eine Frage, die wir
ns stellen müssen. Sie ist weiß Gott nicht einfach zu be-
ntworten.
Wir müssen uns fragen, ob das, was in New York pas-
iert, und unsere Entscheidung uns unserem ausdrückli-
hen Ziel, weitere militärische Konfrontation sowie wei-
re Tote und Verwundete zu vermeiden, näher bringt
der ob die Gefahr besteht, dass das eventuell wieder
ufbricht. Wir müssen uns auch fragen, ob die Entschei-
ung in New York eine friedliche Lösung eher behindert
der befördert.
Das muss sich natürlich auch Israel sehr genau über-
gen; denn – das ist unsere Meinung, und diese Mei-
ung wird von vielen in Israel geteilt; das wissen wir alle
enau – die Zeit arbeitet nicht für Israel, und auch Israel
uss einen Weg nach vorne gehen.
Wir alle wissen noch nicht, liebe Kolleginnen und
ollegen, wie die Umbrüche in der arabischen Welt en-
en werden. Aber eines möchte ich schon wagen voraus-
usagen: Was auch immer dabei an staatlicher Struktur
Ägypten und in anderen Staaten dort herauskommt,
ie Position gegenüber Israel und die Position zwischen
rael und Palästina werden sich jedenfalls nicht zuguns-
n Israels verändern – das will ich einmal so einigerma-
en höflich ausdrücken –; denn es ist selbstverständlich,
ass sich jede neue ägyptische Regierung gegenüber
rael anders verhalten wird als Mubarak und sein Re-
ime. Damit müssen wir rechnen, und damit muss natür-
ch auch Israel rechnen.
Deshalb sage ich: Wir können nicht einfach so weiter-
achen wie bisher.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Haben Sie
auch eine Antwort auf Ihre Fragen?)
Ich bin noch nicht ganz zu Ende, warte aber natürlich
it großer Spannung auf Ihre Rede, Herr Gehrcke.
Wir können nicht so weitermachen wie bisher, den
alästinensern unsere Sympathien zu versichern und
ann nichts weiter zu machen. Deshalb stelle ich als Par-
mentarier in den Raum, dass die Lösung eines Non-
ember-Observer-Status für Palästina vielleicht ein
eg sein könnte, der hier in die richtige Richtung weist.
ie Lösung wird häufig verkleinernd, verniedlichend
it der Vokabel „Vatikan-Lösung“ umschrieben. Ich
alte das für falsch. Das ist keine Lösung für Briefmar-
enstaaten. Sowohl die Schweiz als auch die beiden
eutschen Staaten haben jahrelang mit dieser Lösung ge-
bt. Also hat diese Lösung eine gewisse Mächtigkeit.
ir sollten überlegen, ob das die richtige Lösung ist. Ich
eiß, es gibt durchaus Widerstände. Aber wir sind noch
icht am Ende des Tages, und wir müssen gucken, wie
ir das lösen.
Es geht uns darum, die Zwei-Staaten-Lösung zu be-
rdern, diesen Prozess entsprechend anzustoßen. Wir
14774 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Dr. Rainer Stinner
(A) )
)(B)
sind überzeugt, dass dazu eine einvernehmliche Ver-
handlungslösung das Beste ist. Der Außenminister ist in
diesen Tagen da, um das entsprechend anzuschieben.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Deutsche
Politik kann dazu nur einen Beitrag leisten. Überheben
wir uns bitte nicht! Wir können im Rahmen der Europäi-
schen Union einen Beitrag leisten. Der ist auch wichtig
genug. Ich habe ja einleitend gesagt, wie wichtig es für
die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Eu-
ropäischen Union ist, hier eine gemeinsame Position zu
finden. Ich weiß, das ist schwer genug. Ich gehe auch
keine Wetten ein, ob das am Ende des Tages gelingt.
Aber wir sollten es auf jeden Fall versuchen; denn es
geht hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, um viel. Es
geht um viel für Palästina. Es geht um viel für Israel. Es
geht um viel für die Region. Es geht aber auch um viel
für Europa.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat Günter Gloser für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Günter Gloser (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Juni ei-
nen Antrag zum heutigen Debattenthema eingebracht.
Ich darf den Titel wiederholen: „Den Nahost-Friedens-
bemühungen neuen Schwung verleihen“. Dabei haben
wir uns von jenen jungen Palästinensern inspirieren las-
sen, die in Ramallah, aber auch an anderen Orten im
Frühjahr zu Tausenden auf die Straße gegangen sind und
friedlich für ein Ende des politischen Stillstandes de-
monstriert haben. Das war und ist ein hoffnungsvolles
Zeichen in einer ansonsten recht verfahrenen Situation.
Ich sehe diesen Willen der Jugend in Palästina zur Ver-
änderung deshalb auch als einen Bestandteil des arabi-
schen Frühlings. Wir sollten der palästinensischen Ju-
gend die gleiche Solidarität zusagen, die wir den jungen
tunesischen, ägyptischen, syrischen oder libyschen Re-
volutionären in diesen Tagen ganz selbstverständlich im-
mer wieder versprechen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Nun ist es aber auch fast ein halbes Jahr nach der
grundsätzlichen Einigung zur Bildung einer palästinensi-
schen Einheitsregierung noch immer nicht zu dieser Re-
gierungsbildung gekommen. Der Unmut wächst also
wieder. Eigentlich sollten doch alle Akteure – das gilt
nicht nur für die Palästinenser – vom arabischen Früh-
ling gelernt haben, dass Hinhaltetaktiken und Symbol-
politik von den Menschen nicht mehr toleriert werden.
Für das Erreichen einer Friedenslösung muss daher auf
palästinensischer Seite dringend neuer Schwung geholt
werden, indem eine international anerkennungsfähige
Regierung gebildet wird, die für alle Menschen in Gaza
und im Westjordanland sprechen kann.
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Doch nicht nur aufseiten der Palästinenser sind Hin-
ernisse für eine Verhandlungslösung auszumachen. Die
assenproteste Hunderttausender in Tel Aviv gegen die
raelische Regierung zeigen das Unbehagen vieler Is-
elis gegenüber ihrer Regierung. Der Protest richtet sich
war vor allem gegen die Wohnungspolitik, gegen hohe
ieten und steigende Kosten für die Lebenshaltung. Ich
ill in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf auf-
erksam machen, dass die Bürgerinnen und Bürger Is-
els selbst ohne Gefahr für Leib und Leben demonstrie-
n können, um ihre Rechte, um ihre Ansprüche
urchzusetzen, und dass das auch beispielgebend für an-
ere Regionen, für andere Länder in der Nachbarschaft
ein kann, wo das eben nicht möglich ist. Dieser Protest
eigt aber auch die Folgen der Vernachlässigung des
ohnungsbaus in Israel und der intensiven Förderung
es Siedlungsbaus im Westjordanland auf. Die israeli-
che Nichtregierungsorganisation Peace Now hat doku-
entiert, dass im letzten Jahr doppelt so viele Wohnun-
en in den Siedlungen gebaut wurden wie in ganz Israel.
as zeigt diese inneren Spannungen auf, das zeigt, dass
s nicht dem Zusammenhalt der israelischen Bevölke-
ng dient, wenn es eine derartige Spaltung gerade in so
inem wichtigen Bereich gibt.
Nun wollen die Palästinenser nach vielen Bemühun-
en ihre Staatlichkeit von den Vereinten Nationen aner-
ennen lassen. Das kann – ganz abgesehen von den
chwierigen völkerrechtlichen Fragen, die das aufwirft –
ine Verhandlungslösung nicht ersetzen. Darauf habe ich
uch vor einigen Wochen in diesem Parlament hingewie-
en. Wenn man nun die Verlautbarungen der israelischen
egierung dazu liest, so scheint es zwingend, dass diese
itiative der Palästinenser bei den Vereinten Nationen
ine Gewalteskalation zur Folge haben wird. Wir brau-
hen nur die entsprechenden Meldungen, Zeitungsbe-
chte und Lagebeurteilungen zu lesen. Ich möchte doch
nmerken, ob sich denn nicht auch eine andere Frage
tellt: Was passiert eigentlich dann, wenn nichts passiert,
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr
richtig!)
enn wieder ein „Fenster der Gelegenheit“ zugeschla-
en wird? Analyse hin oder her, jedenfalls tragen beide
eiten Verantwortung dafür, eine solche Eskalation zu
erhindern. Das heißt: Zurück an den Verhandlungs-
sch!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Die territoriale Integrität und die Sicherheit Israels
tehen für uns Sozialdemokraten nicht zur Disposition,
nd zwar für alle Zeiten. Die verbale Aufrüstung beider
eiten im Vorfeld des 20. September beobachten wir
eshalb auch mit großer Sorge. Ich stimme da mit Ihnen
berein, Kollege Stinner. Das gilt übrigens auch bezüg-
ch der Entwicklung zwischen Israel und der Türkei. An
nderer Stelle und in anderen Debatten haben wir ja im-
er herausgestellt, welch wichtige Rolle die Türkei in
ieser Region spielt, sei es in Bezug auf Syrien, den Iran,
ber auch in Bezug auf Israel. Ich sage den türkischen
reunden ganz bewusst, dass sie sich fragen sollten, ob
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14775
Günter Gloser
(A) )
)(B)
sie sich durch die Verlautbarungen und Töne der letzten
Zeit nicht ihrer eigenen politischen Gestaltungsmöglich-
keiten berauben, deren Wahrnehmung in dieser Region
ja eine Notwendigkeit darstellt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
Abg. Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP])
Die politische Konstellation im gesamten Nahen Os-
ten ist derzeit alles andere als stabil. In Ägypten werden
die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vielleicht
mehr Klarheit bringen. In Jordanien hat eben erst ein
Prozess zu mehr Bürgerbeteiligung begonnen. Aus Sy-
rien erreichen uns jeden Tag Schreckensmeldungen über
das unerbittliche, brutale Vorgehen des Assad-Regimes
gegen die eigene Bevölkerung. Und die politische Lage
im Libanon ist weiterhin fragil.
Die Frage ist doch: Welche Schlüsse sind aus dieser
Situation für den Nahostkonflikt zu ziehen? Ja, die Si-
tuation wird nicht besser werden. Sie war zwar schon
besser, aber sie wird nicht besser werden. Wir haben des-
halb die Bundesregierung bereits im Juni eindringlich
aufgefordert – ich zitiere aus unserem Antrag –, „sich für
die baldige Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche
zwischen Israel und den Palästinensern … einzusetzen
und dafür Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen
und der Europäischen Union zu starten“, weil sonst die-
ses berühmte „Fenster der Gelegenheit“ bald wieder zu-
geschlagen werden würde.
Herr Außenminister, wir waren im Frühjahr ja eigent-
lich auf einem ganz guten Weg. Das ist auch an dieser
Stelle zu betonen. Großbritannien, Frankreich und die
Bundesrepublik Deutschland hatten in den Vereinten Na-
tionen eine gemeinsame Initiative gestartet. Was pas-
sierte eigentlich danach? Heute müssen wir feststellen,
dass die Bundeskanzlerin und Sie, Herr Außenminister,
bislang zu wenig getan haben – wenn es anders wäre,
wäre es wirklich hinter verschlossenen Türen und nicht
transparent geschehen –, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Bundesregierung hat im letzten Vierteljahr entgegen
allen Beteuerungen versäumt, sich aktiv für ein soforti-
ges Ende des israelischen Siedlungsbaus in den palästi-
nensischen Gebieten zu engagieren. Dies ist umso ärger-
licher, als gerade die deutsche Regierung in den
vergangenen Monaten eine besondere Chance gehabt
hätte, aus der historischen Verpflichtung Deutschlands
gegenüber Israel und den Palästinensern heraus einen
konstruktiven Beitrag zu einer Verhandlungslösung zu
leisten.
Diese Chance hätte bestanden, wenn Deutschland zu-
erst mit den europäischen Partnern gesprochen hätte, um
frühzeitig eine gemeinsame Haltung zur Staatlichkeit
Palästinas zu erreichen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Doch die Kanzlerin hat es vorgezogen, sich bereits im
April beim Besuch des israelischen Premierministers
Netanjahu auf ein Nein zu jeglicher palästinensischer
Initiative in den Vereinten Nationen festzulegen.
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(Mechthild Rawert [SPD]: Das war falsch! –
Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ohne
Gründe!)
ie soll danach denn noch eine gemeinsame europäi-
che Haltung entstehen können? Sie, Herr Außenminis-
r, haben ja auch am informellen Rat in Sopot teilge-
ommen. Dort hat sich gezeigt, wie gegensätzlich die
ositionen sind.
An dieser Stelle haben Sie am Mittwoch dieser Wo-
he gesagt – ich zitiere wieder mit Genehmigung der
räsidentin –:
Die frühzeitige Festlegung auf eine bestimmte Op-
tion in der Frage der Anerkennung eines palästinen-
sischen Staates brächte weit mehr Risiken als Nut-
zen.
nd weiter:
Eine geschlossene Haltung der Europäischen Union
ist das Ziel. Sie vergrößert auch unsere Möglichkei-
ten.
Sie haben recht, Herr Westerwelle. Nur befinden Sie
ich damit im Widerspruch zur Bundeskanzlerin. Die
olge des Alleingangs der Kanzlerin ist: Sie hat damit
icht nur Deutschlands Möglichkeiten minimiert, son-
ern auch für die Handlungsunfähigkeit Europas ge-
orgt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
at denn die Regierung in den letzten Monaten nichts
azugelernt? Das ist doch das Gegenteil von gemeinsa-
er Europapolitik, aber vor allem das Gegenteil einer
tärkung der gemeinsamen europäischen Außenpolitik.
Wir finden es gut, dass Sie in diese Region fahren.
ir appellieren an Sie: Reden Sie mit den Parteien des
onflikts, und üben Sie endlich gemeinsam mit den
artnern in der EU Druck auf beide Seiten aus, sich zu
iner Verhandlungslösung zu bewegen! Alles andere
erkennt unsere Verantwortung für Israel und die Paläs-
nenser. Alles andere wird zu einer weiteren Verhärtung
er Positionen führen. Das dient nicht dem Frieden und
iderspricht unseren Interessen ebenso wie denen der
enschen in Israel und der Menschen in Palästina, die in
reiheit, Sicherheit und Würde leben wollen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]:
Warum ärgert sich denn Herr Westerwelle so?
Stimmte doch alles! Nicht ärgern!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Ruprecht Polenz für die
nionsfraktion.
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
nsere Debatte über den Nahostkonflikt führen wir im
orfeld der UN-Generalversammlung, wo wir mit einem
14776 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Ruprecht Polenz
(A) )
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möglichen Antrag der palästinensischen Führung rech-
nen, Palästina als Vollmitglied in die UNO aufzunehmen
und als Staat anzuerkennen. Nach allem, was man weiß,
würde es für einen solchen Antrag wahrscheinlich eine
Mehrheit in der Generalversammlung geben.
Trotzdem muss natürlich jeder, der den Konflikt
kennt, die Sorge haben, dass auch bei einer mehrheitli-
chen Annahme eines solchen Antrags sich für die Paläs-
tinenser vor Ort wenig Sichtbares ändert. In dem Fall
wäre die Enttäuschung in der palästinensischen Bevölke-
rung vorherbestimmt. Es käme zu Protesten, die nach al-
ler Erfahrung in der Region wahrscheinlich das Risiko
einer gewaltsamen Eskalation bergen würden.
Deshalb ist es jetzt wichtig, zu schauen – das ist eine
weitere Sorge, die ich habe –, dass der Westen, die Euro-
päische Union im Vorfeld dieser Generalversammlung
möglichst gemeinsam auftritt. Denn wenn wir nicht ge-
meinsam votieren, dann hat die Europäische Union,
dann hat der Westen im Nachhinein noch weniger Ein-
fluss als jetzt. Das wäre verhängnisvoll.
Ebenso habe ich eine Sorge, wie diese Entwicklung
den arabischen Frühling beeinflussen würde. Bisher gab
es keine antiisraelischen, antiwestlichen Demonstratio-
nen auf dem Tahrir Square und anderswo. Aber ein Es-
kalieren der Spannungen zwischen den Israelis und den
Palästinensern würde den alten Herrschern Ablenkungs-
möglichkeiten bieten, wie sie sie in der Vergangenheit
gerne genutzt haben. Das ägyptische Militär hat nach
wie vor keinen klaren Kurs auf Demokratie und Rechts-
staatlichkeit. Vielleicht nutzt man dann solche Vor-
kommnisse und schwächt auf diese Weise die friedlichen
Reformbestrebungen in den arabischen Ländern. Auch
diese Nebenwirkungen können also von einer Ver-
schlechterung im Nahostkonflikt nach der Generalver-
sammlung ausgehen.
Auch habe ich nach den Anschlägen in Eilat, wo es
bei den Vergeltungsmaßnahmen Israels zum Tod ägypti-
scher Soldaten kam, die Sorge, dass inzwischen jede
kleine terroristische Splittergruppe in der Region weiß,
dass man bei dem vorhersehbaren Schema von Aktion
und Reaktion das Land oder die Region sehr schnell an
den Rand eines neuen großen Nahostkrieges bringen
kann.
Ich habe auch große Sorgen – Kollege Stinner hat es
angesprochen – wegen der Verschlechterung des israe-
lisch-türkischen Verhältnisses. Das hat angefangen mit
dem Streit um die Flotilla. Jetzt sind die diplomatischen
Beziehungen heruntergestuft. Beide Seiten schauen vor
allen Dingen auf die innenpolitische Situation und geben
dort Raum für jeweils gegenseitige Ressentiments. Ich
glaube aber, dass Israel in diesem Konflikt mehr zu ver-
lieren hat – egal wer recht hat. Denn die Herabstufung
der diplomatischen Beziehungen löst jetzt aus der Bevöl-
kerung heraus einen ziemlich starken Druck in Jordanien
und Ägypten aus, dasselbe zu tun. Damit wäre das, was
durch die Friedensverträge wenigstens im Hinblick auf
einen kalten Frieden erreicht worden ist, infrage gestellt.
Natürlich trägt auf der einen Seite – da stimme ich
dem Kollegen Stinner ausdrücklich zu – das Säbelras-
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eln in der Rhetorik von Erdogan überhaupt nicht dazu
ei, die Situation einigermaßen in Grenzen zu halten.
uf der anderen Seite möchte ich aber auf Folgendes
inweisen: Heute war in der Zeitung zu lesen, dass der
raelische Außenminister Lieberman unter der Über-
chrift „Zusammenarbeitsprogramm mit den Feinden der
ürkei“ ankündigt, sich jetzt besonders den Kurden und
en Armeniern im amerikanischen Kongress zuwenden
u wollen. Zwischen den Diplomaten Israels und der
ürkei war ja schon, soweit man lesen und hören konnte,
ine Formel gefunden, wie der Streit um die Flotilla bei-
elegt werden könnte. Das ist letztlich am israelischen
ußenminister gescheitert.
Bei all diesen Diskussionen geht unter – deshalb
öchte ich es hier erwähnen, vielleicht auch als Appell
n die israelische Seite, sich ein umfassendes Bild von
er Türkei zu machen –, dass die Türkei gerade jetzt zu-
estimmt hat, ein Hochleistungsradar im Osten des Lan-
es zu installieren, das – zusammen mit Schiffen der
SA – der Abwehr der ballistischen Raketen aus dem
an dienen soll. Das Kerninteresse Israels ist es, vor der
anischen Bedrohung geschützt zu sein. Hier steht auch
r die israelische Seite eine ganze Menge auf dem
piel.
Letztlich können beide, Türkei und Israel, nur verlie-
n, wenn es nicht gelingt, die Abwärtsspirale, in der wir
ns im Augenblick befinden, zu stoppen und den Streit
eizulegen. Ich denke, dass Deutschland hinter den Ku-
ssen – ich weiß, Herr Außenminister, dass Sie sich da-
m bemühen – vielleicht etwas dazu beitragen kann,
iesen Streit beizulegen. Das wäre sehr wichtig.
Ich habe diese Punkte genannt, um den Hintergrund
u beleuchten, der zeigt, wie wichtig es ist, einen Show-
own in der Generalversammlung der Vereinten Natio-
en möglichst zu vermeiden. Es ist heute noch zu früh,
m etwas über das Abstimmungsverhalten zu sagen. Der
ext ist noch nicht bekannt, und vor allen Dingen – das
t ganz wichtig, das hat heute noch keiner gesagt – ist
uch noch gar nicht bekannt, wie sich die Hamas zu die-
em Text einlässt. Es ist ja keine palästinensische Regie-
ng, die diesen Text einbringt.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]:
Der Präsident!)
Ja, der Präsident; aber die Hamas sagt dazu nichts. –
atürlich macht es einen Unterschied, ob die palästinen-
ische Initiative Israel verspricht, es gehe um die Gren-
en von 1967, das als Grundlage für Verhandlungen an-
ietet und das die Position ist, oder ob ein Teil der
alästinenser nach New York geht und sagt: Wir ergrei-
n jetzt die Initiative und, was den anderen Teil betrifft,
üssen wir mal schauen, den bringen wir schon noch
azu. – Das ist ein großer Unterschied.
Eine Zwei-Staaten-Lösung kann, wie Herr Stinner es
ereits ausgeführt hat, nur durch Verhandlungen entste-
en. Deshalb müssen wir daran festhalten, dass weitere
erhandlungen durch den Prozess in New York nicht be-
indert werden dürfen. Im Gegenteil: Wir sollten versu-
hen, ihm näherzukommen. Wir sollten auch dazu
eitragen, dass weitere Eskalationen möglichst nicht ein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14777
Ruprecht Polenz
(A) )
)(B)
treten. Das geht aber nur, wenn wir eine gemeinsame
Haltung der Europäischen Union zusammen mit den
Amerikanern erreichen.
Es steht aber außer Frage – auch hier schließe ich an
das an, was der Kollege Stinner gesagt hat und was auch
Sie gesagt haben, Herr Kollege Gloser –: Wir haben be-
sondere Beziehungen zu Israel. Die besonderen Bezie-
hungen Israels zu Deutschland verpflichten uns, dafür
einzutreten, dass der Staat Israel sicher in Frieden und
Freiheit mit seinen arabischen Nachbarn leben kann. Das
geht nur über eine Zwei-Staaten-Lösung. Das ist der
Konsens, den dieses Haus vielfach zum Ausdruck ge-
bracht hat und der im Grunde auch die Linie der Bundes-
regierung ist. Diese Zwei-Staaten-Lösung kann aber nur
durch Verhandlungen erreicht werden. Einseitige
Schritte, die die Beteiligten von Verhandlungen entfer-
nen, die Verhandlungen erschweren, sind falsch.
(Beifall der Abg. Bettina Kudla [CDU/CSU])
Herr Gloser, natürlich haben Sie recht damit, dass der
Siedlungsbau, Haus für Haus, sozusagen einen einseiti-
gen Schritt nach dem anderen bedeutet.
(Günter Gloser [SPD]: Und der ist materiell!)
– Richtig, der ist materiell. – Deshalb ist es wichtig – die
Bundesregierung tut es –, dies der israelischen Regie-
rung deutlich zu machen.
Herr Gloser, bei allem Respekt vor der Rolle der Op-
position: Es ist nicht richtig, hier der Regierung ein
Päckchen aufzupacken. Obama hat es mit all den Mitteln
und Möglichkeiten, die die Amerikaner gegenüber Israel
haben, vergeblich versucht, Israel vom Siedlungsbau ab-
zuhalten; er hat es, wie wir wissen, nicht geschafft. Das
ändert nichts an der Richtigkeit dieses Ziels. Aber wir
sollten eben auch nicht aus dem Auge verlieren, dass un-
sere Möglichkeiten, in diesem Konflikt hilfreich zu sein,
begrenzt sind; wir sollten nicht zu hohe Erwartungen er-
wecken.
Wir haben als wichtiges europäisches Land und ange-
sichts unseres besonderen Verhältnisses zu Israel die
Aufgabe, ehrlich zu sagen, wo unsere Sorgen liegen, was
auf dem Spiel steht und dass wir bereit sind, mitzuhel-
fen, eine Lösung zu finden. Dem soll auch die heutige
Debatte dienen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten der SPD und des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am
29. November 1947 beschloss die Generalversammlung
der Vereinten Nationen in der Resolution 181, die Tei-
lung des historischen Palästina in einen jüdischen und ei-
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en arabischen Staat vorzuschlagen. Großbritannien ent-
ielt sich der Stimme; alle anderen Vetomächte, also die
SA, China, Frankreich und die Sowjetunion, unter-
tützten diesen Teilungsplan. Im Mai 1948 rief Ben-
urion, fortan israelischer Premierminister, den Staat
rael aus. Es war, wenn man so will, ein einseitiger
chritt Israels, aber eben unter Berufung auf den Tei-
ngsvorschlag der Vereinten Nationen.
6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die
eutschen Nazis ermordet. Nur durch die in unserem
and begangenen Verbrechen kam es überhaupt zu ei-
em solchen UN-Beschluss. Deshalb müssen wir Deut-
che dafür eintreten, dass die Jüdinnen und Juden das
echt auf einen Staat haben, in dem sie die Mehrheit
tellen, aber – dies ist ebenso selbstverständlich – Nicht-
dinnen und Nichtjuden gleichberechtigt zu behandeln
aben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
Bettina Kudla [CDU/CSU]: Das stimmt ein-
fach nicht, was Sie hier sagen!)
ir müssen aber auch dafür eintreten, dass die Palästi-
enserinnen und Palästinenser in einem eigenen souve-
nen Staat leben können. Sie dürfen nicht für die von
en deutschen Nazis begangenen Verbrechen büßen
üssen.
Die UNO hatte 1947 einen Teilungsplan mit zwei
olitisch souveränen, unabhängigen Staaten, die aber
irtschaftlich eng verbunden sein sollten, vorgeschla-
en, also auch einen palästinensischen Staat. In Überein-
timmung mit sämtlichen UNO-Beschlüssen muss end-
ch der Staat Palästina in den Grenzen von 1967
nerkannt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
in Austausch von Territorien kann nur zwischen Israel
nd Palästina vereinbart werden.
Herr Polenz, Sie haben, was die Hamas betrifft, wahr-
cheinlich recht. Aber gerade wenn die UNO Palästina
ls Vollmitglied aufnimmt und dabei die Grenzen von
967 festlegt, wird die Hamas gezwungen, dies zu ak-
eptieren. Wir können doch nicht auf das Einverständnis
er Hamas warten. Ich bitte Sie!
(Beifall bei der LINKEN)
Viele Länder haben Botschafter mit Palästina ausge-
uscht. Aber die Bundesregierung traut sich das nicht.
h finde es falsch; das muss endlich geschehen.
Nach dem Sechs-Tage-Krieg hatte es etliche Versuche
egeben, den Konflikt auf friedlichem Wege zu lösen.
rinnert sei an den Friedensprozess unter Vermittlung
orwegens und an die zahlreichen Versuche auch ameri-
anischer Präsidenten, eine Zwei-Staaten-Lösung zwi-
chen Palästinenserinnen und Palästinensern und Israelis
ustande zu bringen. Aber alle diese Friedensprozesse
cheiterten. Sie haben recht: Auch der letzte Versuch von
S-Präsident Barack Obama, eine Zwei-Staaten-Lösung
uf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu erreichen,
lieb erfolglos.
14778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Dr. Gregor Gysi
(A)
)(B)
Nunmehr haben die Palästinenserinnen und Palästi-
nenser und ihr Präsident Abbas die Initiative ergriffen
und wollen bei den Vereinten Nationen beantragen, dass
Palästina endlich als Vollmitglied der internationalen
Staatengemeinschaft in die UNO aufgenommen wird.
Israel ist strikt dagegen. Warum eigentlich? Gerade wenn
sich die Lage zuspitzt, müsste Israel diesbezüglich sogar
initiativ werden und nicht ausschließlich versuchen, es zu
verhindern. Aber die USA sind auch dagegen. Deutsch-
land, Tschechien und die Niederlande sind ebenfalls dage-
gen. Länder wie Frankreich, Großbritannien, Spanien,
Belgien, Polen, Schweden, Finnland, Luxemburg und
viele andere Staaten sind aber dafür. Haben die alle un-
recht?
Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister
warnen vor einseitigen Schritten. Herr Westerwelle, was
soll daran einseitig sein? Israel ist schon Mitglied der
UNO. Warum soll nicht auch Palästina endlich Mitglied
werden? Das ist doch nicht einseitig.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir auf das Einverständnis der israelischen Regie-
rung warten, dann sind wir nicht besonders souverän in
dieser Frage. Vielleicht müssen wir dann noch sehr viele
Jahre warten. Auch das ist nicht akzeptabel.
Sie haben völlig recht: Die Lage im Nahen Osten und
in Nordafrika hat sich verändert. Wir wissen noch nicht,
welche Strukturen in Ägypten, Tunesien, Libyen, Syrien,
Jemen und Bahrain entstehen. Gerade in einer solchen
Situation wäre das friedliche Nebeneinander der Staaten
Israel und Palästina für den Friedens- und Demokratie-
prozess im Nahen Osten und in Nordafrika ungeheuer
wichtig. Durch eine Mitgliedschaft Palästinas in der
UNO stünde Palästina Israel etwas gleichberechtigter
gegenüber. Das ist doch nicht nichts, das hat doch Ge-
wicht, gerade auch für Friedensverhandlungen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist das Besondere: Es stärkte Palästina, ohne Israel
zu schwächen. Deutschland muss das Zwei-Staaten-Mo-
dell aktiv unterstützen, im Interesse der Palästinenserin-
nen und Palästinenser, im Interesse der Israelis und im
Interesse aller Menschen im Nahen Osten und der Welt-
gemeinschaft.
Herr Stinner, wir wissen, dass sich die Situation hin-
sichtlich des Antrags Palästinas noch ändern kann; das
stimmt. Vielleicht wird noch ein anderer Weg gefunden
und gegangen. Was wir aber entscheiden müssen, ist,
wie Deutschland sich verhält, wenn der Antrag Palästi-
nas auf Mitgliedschaft in der UNO zur Abstimmung ge-
stellt wird. Wir können uns doch nicht ewig davor drü-
cken, Herr Bundesaußenminister.
(Beifall bei der LINKEN)
Egal ob die Abstimmung im Sicherheitsrat – hier
üben wir den Vorsitz aus – oder in der UN-Vollversamm-
lung stattfindet: Deutschland müsste schon aus histori-
scher Verantwortung heraus dafür stimmen; alles andere
können wir uns meines Erachtens überhaupt nicht leis-
ten.
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(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Stinner
[FDP]: Für was?)
Für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der
NO. Erklären Sie einmal den Palästinenserinnen und
alästinensern, weshalb sie wegen unserer Geschichte
enachteiligt werden. Ich kann es ihnen nicht erklären,
h muss das ganz klar sagen. Das ist nämlich die
chwierigkeit dabei.
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Alles hat
mit unserer Geschichte zu tun!)
Natürlich hat das mit unserer Geschichte zu tun. Das
önnen Sie nun wirklich nicht leugnen.
Es ist zu befürchten, dass ein solcher Antrag im Si-
herheitsrat am Veto der USA scheitern wird. Der Be-
chluss des Sicherheitsrates kann aber durch eine Zwei-
rittelmehrheit der Mitglieder der UNO aufgehoben
erden. Völkerrechtlich wird dies unterschiedlich gese-
en, aber viele sehen es so. Mindestens 128 der 192 Mit-
liedstaaten müssten dafür stimmen; das ist durchaus
öglich.
Für mich ist es ein sehr positives Signal, dass sich
uch die Grünen und die SPD in diesem Sinne äußern,
odass sich wenigstens die drei Oppositionsfraktionen
iesbezüglich im Prinzip einig sind. Vielleicht werden
ir uns sogar noch im gesamten Bundestag einig, was
esonders wichtig wäre.
(Günter Gloser [SPD]: Die Hoffnung stirbt
zuletzt!)
Wir müssen unsere guten Beziehungen zu Israel auf-
chterhalten. Ebenso müssen wir aber den Staat Paläs-
na anerkennen und für die Mitgliedschaft Palästinas in
er UNO stimmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-
gin Kerstin Müller das Wort.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie Lage in der Region ist für Israel in den letzten Mo-
aten nicht gerade komfortabler geworden; viele Vorred-
er haben es schon dargestellt. Israel verhält sich gegen-
ber den arabischen Revolutionen eher abwartend.
Zum Teil kann man dies verstehen. Für viele Israelis
estätigen die Anschläge in Eilat vom 18. August das
isstrauen gegenüber den Veränderungen in den arabi-
chen Staaten. Welches Gefahrenpotenzial das derzeitige
yrische Regime für den Fall, dass es sein Ende kommen
ieht, darstellt, ist auch noch offen.
Ich will auch auf das Verhältnis zur Türkei eingehen.
ass sich Israel in dieser nicht einfachen Situation ge-
de jetzt, wo die Türkei zum einflussreichsten Staat in
er Region wird, ein dramatisches Zerwürfnis mit dem
trategischen Partner Türkei leistet, ist wirklich unver-
tändlich. Viele Demokraten in den arabischen Ländern
)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14779
Kerstin Müller (Köln)
(A) )
)(B)
sehen in der Türkei ein Vorbild. Dass die Türkei ihrer-
seits damit droht, dass Kriegsschiffe die Lieferungen
nach Gaza begleiten sollen, ist ein nicht akzeptabler, ein
sehr besorgniserregender Schritt zur weiteren Eskala-
tion; denn bisher war für beide, für die Türkei und Israel,
der jeweils andere ein extrem wichtiger strategischer
Partner in der Region. Wir sind uns offensichtlich einig,
dass man an beide Seiten eindringlich appellieren muss,
abzurüsten und wieder aufeinander zuzugehen; sonst
wird der außenpolitische Schaden für beide Seiten sehr
groß sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der LINKEN)
Hinzu kommt die völlige Blockade in den Nahostfrie-
densverhandlungen, der die Palästinenser im September
mit einem Gang zur UNO begegnen wollen. Die israeli-
sche Regierung meint: Würden die Palästinenser in die-
ser ohnehin sehr schwierigen Situation vor den Vereinten
Nationen erfolgreich sein, könnte die Lage noch weiter
eskalieren. Aber es ist nicht erkennbar, dass die israeli-
sche Regierung zu substanziellen Verhandlungen bereit
ist. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass sich die
Blockade in absehbarer Zeit lösen wird. Insofern kann
ich verstehen, dass sich die Palästinenser mit einem
Antrag an die UNO wenden. Man muss auch berück-
sichtigen: Premierminister Fajjad hat das Projekt der
Eigenstaatlichkeit immerhin seit zwei Jahren verfolgt,
übrigens finanziell und politisch unterstützt von der
UNO und der Europäischen Union. Es ist also eine kom-
plizierte Lage.
Herr Stinner, es ist leider keineswegs so, dass die
Bundesregierung offen in die Gespräche mit den Kon-
fliktparteien und den europäischen Partnern geht, son-
dern das Gegenteil ist der Fall: Die Festlegung von Bun-
deskanzlerin Merkel, eine solche Initiative – Klammer
auf: den Text kennen wir noch nicht, wie Kollege Polenz
eben zu Recht gesagt hat – abzulehnen, war kontrapro-
duktiv und aus meiner Sicht völlig überflüssig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der SPD und der LINKEN)
Denn in dieser Gemengelage – da gebe ich Ihnen recht –
ist es zunächst wichtig, dass es ein gemeinsames Vorge-
hen mit den Partnern in der EU gibt, vor allem mit den
wichtigsten: den Franzosen und den Briten. Derzeit ist
die EU gespalten, und das ist sozusagen unsere Verant-
wortung. Auf dem Außenministertreffen in Sopot – es
wurde schon erwähnt – konnte man keine gemeinsame
Position finden. Die Europäische Union ist in einer zen-
tralen außenpolitischen Frage wieder einmal gespalten,
und zwar aufgrund unserer Position. Das ist ein Trauer-
spiel.
Herr Westerwelle, ich habe heute gelesen, dass Sie am
Wochenende noch einmal in die Region fahren werden.
Ich bitte Sie: Revidieren Sie die bisherige Position des
voreiligen Neins. Gehen Sie offen in die Gespräche mit
den Konfliktparteien und setzen Sie vor allem alles da-
ran, innerhalb der Europäischen Union zu einer gemein-
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amen Position zu kommen. Das ist von zentraler Be-
eutung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Es gibt eine gute Grundlage für eine solche gemein-
ame europäische Position – es wurde bereits erwähnt –:
ämlich die gemeinsame Stimmerklärung der EU-3 vom
ebruar 2011 zur sogenannten Siedlungsfrage. Da hat
uropa klar und mit einer Stimme gesprochen. Ich frage
ich: Wie bringt man das voreilige Nein der Regierung
ur Anerkennungsfrage mit dieser Erklärung vor dem
N-Sicherheitsrat zusammen? In der Erklärung werden
ie Parameter für die notwendigen Verhandlungen klar
nd deutlich benannt: die Festlegung der Grenzen, die
insetzung von Sicherheitsarrangements, die Regelung
er Flüchtlingsfrage und Jerusalem. Für meine Fraktion
age ich Ihnen klar: Wir teilen diese Position und diese
arameter. Wir fanden es richtig, dass es diese Stimm-
rklärung gegeben hat.
Leider hat die israelische Regierung – nicht zuletzt
etanjahu mit seiner Rede im Mai in Washington – we-
entliche Teile dieser Parameter zurückgewiesen. Auch
er Siedlungsausbau wird vorangetrieben. In dieser Si-
ation stellt sich erneut und dringlich die Frage, was ge-
n werden kann, um das Konzept einer Zwei-Staaten-
egelung überhaupt noch zu retten. Das ist die eigentli-
he Frage, die sich viele besorgt stellen, übrigens auch in
rael und in den USA.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Richtig!)
Der intensive Siedlungsausbau führt dazu, dass viele
nicht nur bei den Palästinensern – die Zwei-Staaten-
egelung in weiter Ferne sehen. Natürlich wird es die
wei-Staaten-Regelung letztlich erst durch Verhandlun-
en geben – da gebe ich allen Kollegen recht –, also
urch das Ende der Besatzung. Aber die Frage ist doch,
b der Gang der Palästinenser zur UNO die Blockade in
en Verhandlungen lösen kann, uns also der Zwei-Staa-
n-Regelung näher bringt, oder ob er die Fronten ver-
ärtet.
Ein Ende der Besatzung wird damit nicht erreicht.
ine Zustimmung, etwa zu einer Aufwertung des paläs-
nensischen Status bei der UNO zum „Nichtmitglied-
taat“ durch eine große Mehrheit der Generalver-
ammlung – Herr Polenz, darüber wird zurzeit wohl
iskutiert –, würde aber signalisieren: Die internationale
emeinschaft steht zu einer Zwei-Staaten-Regelung –
nd dazu gehört langfristig auch die Anerkennung eines
igenständigen palästinensischen Staates.
Noch ein Argument: Natürlich kann es zu einer Eska-
tion kommen. Es kann aber auch sein, dass ein solches
ignal der internationalen Gemeinschaft ein Stück weit
ie Frustration auffängt, die sich aufgrund der politi-
chen Blockade in der Bevölkerung angestaut hat.
Es wird immer gesagt – auch das ist ganz wichtig –,
as würde zu einer Delegitimierung des Staates Israel
hren: Dieses Argument kann ich nicht nachvollziehen;
14780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Kerstin Müller (Köln)
(A) )
)(B)
denn die Palästinenser fordern einen eigenen Staat neben
Israel.
(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Eben!)
Es geht also um das Selbstbestimmungsrecht der Palästi-
nenser und nicht darum, in irgendeiner Form den Staat
Israel infrage zu stellen.
In der UNO macht es letztlich einen Unterschied, ob
die Europäer dabei sind oder nicht. Voraussetzung dafür
ist, dass es eine gemeinsame Position gibt. Ich sage: Das
ist offen. Das hängt von dem Text ab, der letztlich vor-
liegt. Die Frage ist, ob er uns weiterbringt oder nicht.
Umso wichtiger ist, dass die Bundesregierung offen in
die Verhandlungen geht. Wir spielen dabei eine zentrale
Rolle. Weil es den Palästinensern wichtig ist, dass die
Europäer dabei sind, haben sie sogar angeboten, den
Text mit der Europäischen Union abzustimmen. Deshalb
gilt: keine Vorfestlegungen und offen in die Verhandlun-
gen gehen. Im Gegenteil: Wir sollten eher die Vorausset-
zungen formulieren, unter denen wir gegebenenfalls be-
reit wären, einer Resolution zuzustimmen.
Ich finde, das wäre das richtige Vorgehen. Wir dürfen
Europa nicht erneut spalten und leichtfertig Einfluss-
möglichkeiten verspielen, wie das bei der Libyen-Ent-
scheidung der Fall war; denn das wäre zum Schaden ei-
ner gemeinsamen europäischen Außenpolitik. Das darf
auf keinen Fall passieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Johann Wadephul für
die Unionsfraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Im Vorfeld einer möglichen Zuspitzung des
Nahostkonflikts vor dem Hintergrund der zu erwarten-
den palästinensischen Anträge ist es sicherlich gut, dass
sich das Hohe Haus mit diesem Thema auseinandersetzt
und sich der Herr Bundesaußenminister trotz der Haus-
haltsdebatte in dieser Woche und der drängenden Pro-
bleme im Euro-Raum und in Europa diesem Thema wid-
met und in diesen Tagen in die Region reisen wird, um
sich des Themas vor Ort anzunehmen.
Bei allen Übereinstimmungen, die im Großen und
Ganzen in diesem Hause herrschen – einige Erläute-
rungen des Kollegen Gysi waren, glaube ich, sehr hilf-
reich –, möchte ich den Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition doch sagen: Durch das Verhalten des
Bundesaußenministers bzw. der Bundesregierung wer-
den alle Optionen, zu einer gemeinsamen europäischen
Position zu kommen, gewahrt. Deswegen danke ich aus-
drücklich für das Verhalten in den letzten Wochen und
für die Position, die zu diesem Thema eingenommen
wurde.
Wir sind uns darüber einig, dass Europa in der Lage
sein muss, auch zu einem so gewaltigen Problem wie
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em Nahostkonflikt eine gemeinsame Position zu for-
ulieren. Das erfordert einerseits, dass die handelnden
ersonen – an dieser Stelle möchte ich die Hohe Vertre-
rin, Lady Ashton, ausdrücklich nennen – ihre Aufga-
en und ihr Amt wahrnehmen. Die europäische Außen-
olitik hängt nicht nur von den Grundlagen ab, die im
issabonner Vertrag festgelegt wurden, sondern sie
ängt auch von den Personen ab, die die europäische
ußenpolitik gestalten wollen. Sie müssen Formulierun-
en finden und das Heft des Handelns in Europa in die
and nehmen. Ich glaube, wir können Lady Ashton nur
rmutigen, etwas deutlicher voranzugehen und sich zu
emühen, die europäischen Positionen zu bündeln.
Auf der anderen Seite erwarten wir, dass kein Mit-
liedstaat vorprescht, sondern sich alle bemühen, zu ei-
er gemeinsamen Position zu kommen. Frau Kollegin
üller, ich glaube, es ist etwas zu früh, an dieser Stelle
on einem gespaltenen Europa zu sprechen. Natürlich
ann man gar nicht leugnen, dass es unterschiedliche
ositionen gibt und man unterschiedlich an die Frage-
tellung herangeht. Das letzte Treffen der Außenminister
abe ich aber so verstanden, dass man sich auf eine ge-
einsame Lösung zubewegt.
An dieser Stelle, Herr Kollege Gysi, muss man sagen:
ie Frage einer Anerkennung des palästinensischen
taates darf man zum jetzigen Zeitpunkt – ich habe Ihren
usführungen entnommen, dass Sie dies unstreitig stel-
n; möglicherweise habe ich Sie falsch verstanden – mit
ug und Recht mit einigen Fragezeichen versehen. Die
nerkennung ist schon aus völkerrechtlicher Sicht nicht
onstitutiv für eine Staatsqualität. Hierzu braucht es ein
enau definiertes Staatsgebiet, ein Staatsvolk, eine
taatsgewalt und eine Anerkennung nach Art. 4 der VN-
harta: Nur ein friedliebender Staat kann Mitglied wer-
en. An die palästinensische Seite, insbesondere an die
amas, besteht die Aufforderung, sich vor den Verhand-
ngen klar zum Friedensprozess zu bekennen, auf Ge-
alt zu verzichten und insbesondere das Existenzrecht
raels anzuerkennen. Das ist eine Voraussetzung für
erhandlungen.
Wenn Sie, Herr Gysi, abschließend sagen, dass wir
ute Beziehungen zu Israel brauchen, sage ich, dass das
ollkommen klar ist. Vor dem Hintergrund nicht nur der
edrohung durch den Iran, sondern der gesamten Situa-
on in dieser Region muss allen Parteien klar sein, dass
as Existenzrecht Israels außer Frage steht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
as sage ich nicht nur in Ihre Richtung, sondern auch in
ichtung der Palästinenser, die natürlich erwarten, dass
tzt Bewegung in den Prozess kommt.
Ich schließe mich auch der kritischen Bemerkung des
ollegen Polenz im Hinblick auf die Siedlungspolitik,
ie Israel betreibt – der Siedlungsstopp wurde nicht ver-
ngert –, an. Die Europäische Union – das hat Lady
shton klar formuliert – hat das mit großer Enttäu-
chung zur Kenntnis genommen; dies gilt auch für die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14781
Dr. Johann Wadephul
(A) )
)(B)
Vereinigten Staaten von Amerika. Israel bleibt weiterhin
aufgefordert, seine Position zu korrigieren.
Ich würde gern abschließend in Richtung Nordafrika
blicken. Natürlich sehen wir die Demokratisierungsbe-
wegungen überall mit großer Freude, auch mit freudiger
Erwartung auf das, was dadurch entstehen kann. Aber
wir dürfen diese Entwicklung nicht mit Naivität betrach-
ten. Ich glaube, diese Entwicklung ist eine Chance. Herr
Stinner, da bin ich vielleicht etwas optimistischer als Sie.
Sie haben gesagt – so habe ich Sie verstanden –, besten-
falls bleibe der Status quo für Israel gewahrt. Es kann
auch besser werden.
Betrachten wir beispielsweise die Entwicklung in
Ägypten. Ägypten hat, glaube ich, schon allein aufgrund
seiner Größe und seines Bevölkerungsreichtums dort
den größten Einfluss. Wenn es in Ägypten eine Entwick-
lung zu Rechtsstaatlichkeit, zur Wahrung von Men-
schenrechten und zu einem wirklichen Demokratisie-
rungsprozess gibt, dann bieten sich für Israel dadurch
natürlich größere Chancen in der Zukunft, als vielleicht
bei einem Fortbestehen des Mubarak-Regimes oder ei-
nes möglichen Nachfolgeregimes bestanden hätten.
Aber wir müssen auch die Gefahren zur Kenntnis
nehmen. Entsprechende Befürchtungen auf israelischer
Seite sind natürlich gut zu verstehen. Bis vor kurzem
konnte man sich durchaus sicher sein, dass der Friedens-
vertrag zwischen Ägypten und Israel eingehalten wird.
Aber man hat natürlich auch gesehen – das könnte sich
jetzt negativ auswirken –, dass eine Popularisierung die-
ses Friedensvertrages beispielsweise – pars pro toto – in
Ägypten unterblieben ist. Das birgt durchaus eine große
Gefahr, die wir ernst nehmen müssen.
Deswegen müssen wir allen, die jetzt politische, ge-
sellschaftliche und militärische Verantwortung in diesen
Ländern übernehmen, sagen: Pacta sunt servanda, solche
Verträge müssen gewahrt werden. Sie müssen auch ge-
lebt werden. Es wird für die neuen politischen Eliten, die
dort allenthalben entstehen, eine große Herausforderung
sein, dieser Friedenspolitik, die entstanden ist und die
beispielsweise in Ägypten schon seit vielen Jahrzehnten
Staatspraxis nach außen hin war, auch innerhalb des
Landes zu einer Mehrheit zu verhelfen. Ich denke, wenn
das gelingt, ist der Demokratisierungsprozess im Nahen
Osten eine große Chance für Israel.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer für die
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Christoph Strässer (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, die Debatte heute zeigt, wie man ernst und
ohne Provokationen eine Debatte über ein ganz schwie-
riges Thema führen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.
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(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
h hoffe, dass das auch im Fortgang dieser Diskussion
o bleiben wird.
Ich möchte mit dem Hinweis des Kollegen Gysi auf
as Jahr 1947 einsteigen. Ich glaube, dass damals Wei-
hen für völkerrechtliche Entwicklungen gestellt worden
ind, die wir noch heute zur Kenntnis nehmen sollten.
Wenn man so will, dann kann man, glaube ich, zu
em Ergebnis kommen, dass mit der damaligen Resolu-
on 181 der Generalversammlung der Vereinten Natio-
en zumindest die Weichen für eine Zweistaatenlösung
dieser Region gestellt worden sind. Das war vor
4 Jahren. Diese Entscheidung ist mittlerweile in die Ge-
chichte eingegangen. Aus meiner Sicht – da bin ich
ielleicht etwas anderer Auffassung als Sie, Herr Kol-
ge Wadephul – hatte diese Entscheidung auch völker-
chtliche Wirkung. Diese völkerrechtliche Wirkung,
ehrfach bestätigt durch verschiedenste Entscheidungen
er Generalversammlung, aber auch des Weltsicherheits-
tes, bedeutet, dass das palästinensische Volk ein
taatsvolk ist
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)
nd dass das palästinensische Volk insofern auch eigen-
tändig von seinem Selbstbestimmungsrecht, einen eige-
en Staat zu gründen, Gebrauch machen darf.
Dieser Realität muss man sich stellen. Dabei geht es
m folgende Fragen: Was ist eigentlich in den letzten
4 Jahren in dieser Region passiert? Wie hat sich die in-
rnationale Staatengemeinschaft zu diesen Entwicklun-
en verhalten? Welche Konsequenzen ziehen wir heute
araus? Ich habe angesichts der Entwicklungen in dieser
egion – ich sage das einmal ganz persönlich und privat –
urchaus Verständnis dafür, dass Abbas jetzt die entspre-
henden Anträge, von denen wir alle noch nicht wissen,
ie sie letztendlich aussehen, einbringt. Das ist ver-
tändlich, auch aus Gründen der Legitimierung der Pa-
stinensischen Autonomiebehörde gegenüber der eige-
en Bevölkerung. Ich glaube, dass viele Menschen in
ieser Region sehr genau hinschauen, was in New York
assiert und wie sich welches Land verhält.
Auch ich habe Bedenken – das sage ich ebenfalls
anz deutlich –, ob der Schritt, Palästina jetzt zu einem
ollmitglied der Vereinten Nationen zu erklären, tatsäch-
ch die Folgen haben wird, die sich Abbas und andere
avon versprechen. Darüber muss man nachdenken. Es
tellt sich die Frage: Ist eigentlich klar bzw. kann man
avon ausgehen, dass durch eine solche Entscheidung
ie Lösung der Probleme in dieser Region leichter wird?
ines dürfte uns allen klar sein: Machen die USA im
eltsicherheitsrat von ihrem Recht auf Einlegung eines
etos in Bezug auf eine entsprechende Empfehlung nach
rt. 4 der Charta der Vereinten Nationen nicht Ge-
rauch, kommt es also zu einer Zustimmung, sodass es
Zukunft ein neues Vollmitglied der Vereinten Natio-
en gibt, werden die Probleme für die Menschen in die-
er Region definitiv nicht gelöst sein. Dazu braucht es
ehr viel mehr. Ich würde gleich gerne noch in aller
14782 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Christoph Strässer
(A) )
)(B)
Kürze auf die menschenrechtliche Situation in dieser Re-
gion eingehen.
Man kann feststellen – das haben wir bei Staatsneu-
gründungen in den letzten zehn Jahren immer wieder er-
lebt; als Beispiele nenne ich den Südsudan und das Ko-
sovo –: Die Erwartung, durch die Gründung eines neuen
Staates würden die Probleme in der Region und die Pro-
bleme der Menschen gelöst, war und ist ein Irrglaube. Im
Sudan sieht man das heute noch ganz deutlich, obwohl
dem Prozess der Staatsgründung ein einvernehmlicher
Friedensvertrag zugrunde lag und entsprechende Abma-
chungen getroffen wurden. Nichtsdestotrotz gehen die
Konflikte weiter, und sie verschärften sich sogar. Ich
finde, man muss darüber nachdenken, ob dieser Schritt
als endgültige Lösung für diese Region wirklich geeig-
net ist, um die dortigen Probleme zu lösen. Ich glaube,
das ist in dieser Situation nicht der Fall. Man könnte,
sollte und müsste an dieser Stelle über andere Möglich-
keiten, mit denen man der Lösung der Probleme näher-
kommt, nachdenken. Das gilt auch mit Blick auf die Ver-
handlungen.
Wir alle wissen, dass wir seit vielen Jahrzehnten ver-
handeln, ohne dass es vorangeht; das rechtfertigt auch
unsere Ungeduld. Das ist nachvollziehbar. Aber ich er-
warte von der Bundesregierung, dass sie uns Auskunft
darüber erteilt, wie der Stand der Diskussion innerhalb
der Bundesregierung darüber ist, den Status der palästi-
nensischen Vertretung in Berlin zu verändern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
LINKEN)
In Frankreich und anderen EU-Ländern wurde sehr
deutlich: Auf diesem Weg kann man es vielleicht schaf-
fen, einen Verhandlungsweg einzuschlagen, für eine
Aufwertung zu sorgen, die Palästinenser einzubinden
und ihnen mehr Verantwortung zu übertragen, als es bis-
her der Fall ist. Ich glaube, dies wäre ein erster Schritt,
der dazu führen würde, dass der Bundesaußenminister
auch eine gute Botschaft in die Region tragen kann,
wenn er, was ich sehr unterstütze, dorthin fährt.
Lassen Sie mich noch zwei oder drei Sätze zu der
Menschenrechtssituation und dazu, was auf die Men-
schen in dieser Region zukommt und wie sehr sie im
Moment leiden, sagen; man kann es wirklich so sagen:
wie sehr sie leiden. Ich erinnere wieder einmal an Fol-
gendes – ich finde, man kann diese Debatte im Deut-
schen Bundestag nicht führen, ohne das zu tun –: Wir
fordern – würde diese Forderung erfüllt, wäre das auch
eine positive Grundlage für Verhandlungen – die Freilas-
sung von Gilad Schalit. Das muss an dieser Stelle noch
einmal betont werden.
(Beifall im ganzen Hause)
Genauso sollten wir uns – ich kann das jetzt nicht
mehr ausführen – massiv für die Verbesserung der Situa-
tion von Kindern und Frauen im Gazastreifen einsetzen.
Diese ist in menschenrechtlicher Hinsicht nach wie vor
desolat.
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(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
h finde, das muss man immer wieder ansprechen. Ich
öchte an dieser Stelle eine Forderung des Bundes-
ußenministers wiederholen – das tue ich nicht oft –: Als
ine der Voraussetzungen für einen vernünftigen Frie-
ensprozess muss die Blockade Gazas beendet werden.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wie bereits angesprochen worden ist, haben wir noch
ndere Probleme. Diese können wir nicht allein lösen.
o müssen der Siedlungsbau und auch die Regelung des
renzverlaufs in den besetzten Gebieten im Westjordan-
nd immer wieder thematisiert werden. Denn dort ist
ie Situation für die Menschen sehr schwierig. Es ist für
ie schwer, sich frei zu bewegen, in die Schule zu gehen
der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zu bekom-
en. Auch darüber muss man reden.
Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen – der
t Ihrer Aufmerksamkeit vielleicht entgangen –: Anfang
ktober tagt in Straßburg wieder die Parlamentarische
ersammlung des Europarates. Dort wird über einen An-
ag der Palästinensischen Autonomiebehörde über eine
artnerschaft für Demokratie, also sozusagen über eine
eobachtende Mitgliedschaft in diesem Gremium, im
uroparat, zu entscheiden sein.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist ein
sehr guter Antrag!)
Ich habe heute gelesen, dass der Politische Ausschuss
ieses Europarates sich einstimmig dafür ausgesprochen
at, dies zu unterstützen. Diese Möglichkeit gibt es erst
eit 2009. Das erste Mitglied, das aufgenommen wurde,
ar Marokko. Ich könnte mir vorstellen, dafür zu wer-
en, dass der Antrag der Palästinensischen Autonomie-
ehörde angenommen wird. Denn dann haben wir neue
öglichkeiten der Verhandlungen über den Fortgang des
rozesses. Im Sinne der Menschen aus der Region wäre
in solcher Schritt sinnvoll, um endlich zu einem Ende
ieses furchtbaren Konfliktes zu kommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die
nionsfraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU)
Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits
or der Sommerpause haben wir hier am 1. Juli 2011
ber die Anerkennung Palästinas als eigenständigen
taat debattiert. Meine Auffassung, die ich damals geäu-
ert habe, kann ich nur unterstreichen. Einseitige
chritte, egal von welcher Seite, sind dem Friedenspro-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14783
Thomas Silberhorn
(A) )
)(B)
zess eher abträglich als zuträglich. Bei dem erwägten
Antrag handelt es sich um einen einseitigen Schritt. Al-
lerdings ist Bewegung in diese Debatte gekommen, die
sich schlecht ergebnislos beenden lässt. Man darf des-
halb nichts unversucht lassen, um in den wenigen Tagen
bis zum Beginn der UN-Generalversammlung eine Frie-
densperspektive zu entwickeln, die den Interessen beider
Seiten Rechnung trägt.
Ohne eine Annäherung zwischen Israel und Palästina
wird man den Stillstand im Friedensprozess nicht über-
winden können. Tragfähige Fortschritte erfordern aber
direkte Verhandlungen zwischen den beteiligten Akteu-
ren in Richtung einer Zweistaatenlösung. Es besteht wei-
terhin die erhebliche Gefahr, dass das geplante palästi-
nensische Vorgehen nicht nur erfolglos bleibt, was die
Eigenstaatlichkeit anbelangt, sondern dass es zu einer
Verhärtung der Positionen auf beiden Seiten oder – noch
schlimmer – zu einer erneuten Eskalation der Gewalt
kommt. Niemandem wäre mit einem solchen Ergebnis
gedient.
Sowohl die Abläufe bei der Generalversammlung und
im Sicherheitsrat als auch ihre Auswirkungen auf den
Friedensprozess sind noch mit vielen Fragezeichen ver-
sehen. Wir wissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
nicht, was genau Gegenstand eines palästinensischen
Antrags sein und an wen dieser Antrag gerichtet sein
wird. Verschiedene Äußerungen von palästinensischer
Seite, so zum Beispiel von Außenminister al-Maliki,
deuten darauf hin, dass Präsident Abbas noch vor Eröff-
nung der UN-Generalversammlung am 19. September
2011 dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon persönlich
einen Antrag auf staatliche Anerkennung übergeben
könnte.
Ein solches Vorgehen – wir haben das mehrfach ge-
hört – ist bereits heute zum Scheitern verurteilt, auch
wenn 9 der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates angekün-
digt haben, dieses palästinensische Anliegen unterstüt-
zen zu wollen. Es ist in jedem Fall mit einem Veto der
USA zu rechnen. Das hat das amerikanische Außen-
ministerium gestern bereits öffentlich angekündigt.
Mit einer Abstimmung in der Generalversammlung
stünde ein Alternativweg offen. Man könnte mit einfa-
cher Mehrheit und ohne Veto eine Aufwertung des Sta-
tus der Palästinenser in den Vereinten Nationen herbei-
führen. Statt des bisherigen Status eines nichtstaatlichen
Beobachters hätten die Palästinenser dann den Status ei-
nes nichtstaatlichen Mitglieds mit weitreichenderen
Rechten in der Generalversammlung und mit Zugang zu
Organisationen wie der UNESCO oder dem Internatio-
nalen Strafgerichtshof.
In einem dritten Szenario könnten die Palästinenser ei-
nen völkerrechtlich nicht verbindlichen Resolutionstext
in die Generalversammlung einbringen, der Kriterien und
Bedingungen für eine künftige Friedenslösung enthält.
Allerdings darf man nicht verkennen, dass eine solche
Festlegung Fakten schaffen würde, hinter die die Palästi-
nenser in Verhandlungen kaum zurückgehen könnten.
Das muss eine Verhandlungslösung nicht unbedingt er-
leichtern. Das kann sie auch erschweren.
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(C
(D
Neben all diesen Fragezeichen ist nach wie vor auch
lles andere als klar, ob ein Antrag bei den Vereinten Na-
onen sowohl von der Fatah als auch von der Hamas
itgetragen wird. Die Palästinenser müssen im eigenen
teresse Klarheit über ihr weiteres Vorgehen schaffen.
ir können nur darauf setzen, dass sie sich dabei von
ugenmaß und Realismus leiten lassen.
Kurzfristig gilt es, vor allem zwei Ziele zu erreichen:
inerseits muss für den geplanten Antrag der Palästinen-
er ein diplomatischer Weg des Umgangs gefunden wer-
en, mit dem sich dauerhafte Schäden am Friedenspro-
ess vermeiden lassen. Andererseits heißt das: Das zu
rwartende Scheitern des Antrags auf staatliche Aner-
ennung darf nicht zu einem erneuten Ausbruch von Ge-
alt führen. Die Protestaufrufe, die in den palästinensi-
chen Gebieten für den 20. September zirkulieren, lassen
ier nicht unbedingt Gutes erwarten.
Gleiches gilt für die hohen Erwartungen der palästi-
ensischen Bevölkerung an eine Abstimmung in den
ereinten Nationen. Ein Ergebnis von Meinungsumfra-
en ist, dass mehr als 75 Prozent der Palästinenser den
chritt vor die Vereinten Nationen befürworten. Eine
st gleich hohe Mehrheit spricht sich für eine Ausdeh-
ung der palästinensischen Souveränität auf das ganze
estjordanland aus, auch zum Preis einer Konfrontation
it Israel. Hier kommt der palästinensischen Führung
ine hohe Verantwortung zu, die Erwartungen in der Be-
ölkerung auf ein realistisches Maß zu drosseln und jeg-
che gewaltsamen Aktivitäten zurückzuweisen und zu
nterbinden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Klar ist allerdings auch: Selbst wenn diese kurzfristi-
en Ziele erreicht werden können, so sind die zentralen
ragen noch lange nicht gelöst: Wie kann ein Ausweg
us der Sackgasse, in der der Friedensprozess derzeit
teckt, gefunden werden? Wie können Fortschritte für
ine Verhandlungslösung erzielt werden? Das sind die
ntscheidenden Fragen, denen sich alle beteiligten Ak-
ure stellen müssen, denn in der Frustration über den
nbefriedigenden Zustand der Verhandlungen liegt ein
esentlicher Grund für den Weg zu den Vereinten Natio-
en, den die Palästinenser beschreiten wollen.
Diese Frustration ist zu einem gewissen Grad ver-
tändlich. Die Palästinenser haben in den letzten Jahren
ubstanzielle Fortschritte beim Aufbau eines Staatswe-
ens gemacht, was international wiederholt bestätigt
orden ist. Damit nimmt eine der wesentlichen Voraus-
etzungen für eine Zweistaatenlösung mehr und mehr
estalt an.
Die israelische Regierung unter Premier Netanjahu
at mehrmals öffentlich ihre Bereitschaft zu Friedens-
erhandlungen bekräftigt, zuletzt vor wenigen Tagen.
ber diese Haltung, die grundsätzlich zu begrüßen ist,
ird zugleich an substanzielle Einschränkungen ge-
nüpft, an Bedingungen für eine Verhandlungslösung,
ie die Kontrolle über ganz Jerusalem, und an eine Fort-
etzung des Siedlungsbaus im Westjordanland. Zuletzt
urden Mitte August 200 Baugenehmigungen für Häu-
er in einer israelischen Siedlung angekündigt. Das war
14784 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Thomas Silberhorn
(A) (C)
(D)(B)
allein im August das dritte Mal, dass die israelische Re-
gierung einer Ausweitung der Siedlungsaktivitäten im
Westjordanland zugestimmt hat.
Es ist der Eindruck nicht ganz zu vermeiden, dass die
rhetorischen Zugeständnisse in erster Linie verhand-
lungstaktischer Natur sind und das Interesse an einer
Fortsetzung des Friedensprozesses in Wahrheit geringer
ausgeprägt ist, als es scheint. Der israelische Historiker
Moshe Zimmermann spricht daher in der FAZ vom
2. September dieses Jahres nicht ohne Grund von – ich
zitiere –
Netanjahus Taktik, von den Palästinensern die Auf-
nahme der Friedensverhandlungen zu verlangen,
ohne das Ende der Siedlungspolitik zu signalisie-
ren, um so die Friedensverhandlungen ad calendas
graecas zu vertagen.
Dieser Eindruck könnte leicht zerstreut werden, in-
dem die israelische Regierung darlegt, wie aus ihrer
Sicht eine Verhandlungslösun
Interessen beider Seiten gerec
Ich bin der festen Überzeu
ten Friedenslösung würde ger
einen wäre sie die angemesse
mentalen Veränderungen, die
Osten erleben. Zum anderen
Stellung als Leuchtturm der Demokratie im Nahen Osten
stärken.
Unabhängig vom Ausgang des palästinensischen An-
trags bei den Vereinten Nationen gilt: Fortschritte im
Friedensprozess können nur in Verhandlungen erzielt
werden.
Aus diesem Grund müssen alle Kräfte nun darauf
konzentriert werden, die Wiederaufnahme der direkten
Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern
zu erreichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ng des Deutschen Bun-
September 2011, 13 Uhr,
6 Uhr)
Berichtig
124. Sitzung, Seite 14678
vierte Satz ist wie folgt zu lese
schaft in Deutschland ist mit 4,5
und einem Finanzvolumen von
Euro sowie einem erheblichen
Kernbranche unserer Volkswirts
ung
C, dritter Absatz, der
n: „Die Gesundheitswirt-
Millionen Beschäftigten
nahezu 300 Milliarden
Wachstumspotenzial eine
chaft.“
g aussehen sollte, die den
ht wird.
gung: Von einer dauerhaf-
ade Israel profitieren. Zum
ne Antwort auf die funda-
wir im größeren Nahen
würde sie Israel in seiner
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzu
destages auf Mittwoch, den 21.
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 14.1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14785
(A) )
)(B)
ordnung
stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Zweites Gesetz zur Änderung der Bundes-Tierärzte-
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.09.2011
Anlage 1
Liste der entschuldigte
*
A
2
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Behrens, Herbert DIE LINKE 09.09.2011
Brüderle, Rainer FDP 09.09.2011
Canel, Sylvia FDP 09.09.2011*
Daub, Helga FDP 09.09.2011
Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 09.09.2011
Edathy, Sebastian SPD 09.09.2011
Glos, Michael CDU/CSU 09.09.2011
Göppel, Josef CDU/CSU 09.09.2011
Goldmann, Hans-
Michael
FDP 09.09.2011
Golze, Diana DIE LINKE 09.09.2011
Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.09.2011
Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.09.2011
Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 09.09.2011
Kamp, Heiner FDP 09.09.2011
von Klaeden, Eckart CDU/CSU 09.09.2011
Kossendey, Thomas CDU/CSU 09.09.2011
Kramme, Anette SPD 09.09.2011
Krestel, Holger FDP 09.09.2011
Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.09.2011
Lambrecht, Christine SPD 09.09.2011
Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 09.09.2011
Laurischk, Sibylle FDP 09.09.2011
Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 09.09.2011
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A
(C
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates
nlage 2
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 885. Sitzung am 8. Juli
011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
on der Marwitz, Hans-
Georg
CDU/CSU 09.09.2011
ast, Katja SPD 09.09.2011
ahles, Andrea SPD 09.09.2011
eumann (Bremen),
Bernd
CDU/CSU 09.09.2011
ietan, Dietmar SPD 09.09.2011
ink, Manfred SPD 09.09.2011
feiffer, Sibylle CDU/CSU 09.09.2011
othmer, Brigitte BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.09.2011
r. Ratjen-Damerau,
Christiane
FDP 09.09.2011
r. Röttgen, Norbert CDU/CSU 09.09.2011
upprecht (Tuchenbach),
Marlene
SPD 09.09.2011*
chieder, Werner SPD 09.09.2011
chreiner, Ottmar SPD 09.09.2011
erner, Katrin DIE LINKE 09.09.2011
ieczorek-Zeul,
Heidemarie
SPD 09.09.2011
underlich, Jörn DIE LINKE 09.09.2011
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
14786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
(A) )
)(B)
– Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgeset-
zes und weiterer Gesetze
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a (§ 11 Absatz 2
IfSG)
Der Bundesrat stellt fest, dass als eine Erkenntnis aus
dem aktuellen EHEC-Ausbruchsgeschehen festzuhalten
ist, dass die im Infektionsschutzgesetz normierten Fris-
ten für die Übermittlung von gemeldeten Erkrankungs-
fällen durch das Gesundheitsamt an die zuständige Lan-
desbehörde und von dort an das Robert Koch-Institut
den Erfordernissen und Möglichkeiten eines schnellen
Informationsverfahrens in einer akuten Bedrohungssi-
tuation weder gerecht werden, noch die Realität wider-
spiegeln. Während der besonderen Gefahrensituation
durch den EHEC-Erreger haben die zuständigen Behör-
den und Stellen bereits über die gesetzlichen Vorgaben
hinaus täglich EHEC-Erkrankungen sowie Erkrankun-
gen am hämolytisch-urämischen Syndrom auf elektroni-
schem Wege gemeldet und auf diese Weise eine schnel-
lere Informationsweitergabe gewährleisten können.
Die frühzeitige Erkennung von Infektionsgefahren
mit überregionalem Bezug und deren Bewertung setzen
auch im Routinebetrieb eine rasche Information an die
Landesbehörden und das Robert Koch-Institut voraus.
Dem sollten die gesetzlichen Regelungen Rechnung tra-
gen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die
in § 11 des Infektionsschutzgesetzes geregelten Über-
mittlungsfristen und Verfahren zu überprüfen und mit ei-
ner entsprechenden Gesetzesinitiative umgehend anzu-
passen.
– Gesetz zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für
die Fortentwicklung des Emissionshandels
– Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung
eines Sondervermögens „Energie- und Klima-
fonds“ (EKFG-ÄndG)
– Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgeset-
zes
– Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für
die Förderung der Stromerzeugung aus erneuer-
baren Energien
Der Bundesrat hat ferner beschlossen, die folgende
Entschließung zu fassen:
1. Zu Artikel 7 (Änderung des EEWärmeG)
Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich
eine Gesetzesinitiative für ein Erneuerbare-Energien-
Wärmegesetz als marktfinanziertes Anreizmodell zu er-
greifen. Dieses sollte insbesondere Wirkung für den Alt-
baubestand entfalten
Begründung:
Die Energiewende muss in einem ganzheitlichen An-
satz verfolgt werden und darf sich nicht allein auf
den Stromsektor konzentrieren. Dabei bietet der Ein-
2
a
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e
f)
g
(C
(D
satz erneuerbarer Energien im Altbaubestand das
größte Potenzial, die zukünftigen klimapolitischen
Ziele tatsächlich zu erreichen.
. Zum Gesetz insgesamt
) Der Bundesrat stellt fest, dass der Ausbau der erneu-
erbaren Energien der Schlüssel zu einer sicheren
klima- und umweltverträglichen Energieversorgung
ist. Dieser Ausbau muss durch geeignete Maßnah-
men konsequent fortgesetzt und beschleunigt wer-
den.
) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit einem
wachsenden Anteil erneuerbarer Energien an der
Stromversorgung neben dem quantitativen Wachstum
auch Fragen der Integration der Erneuerbaren in das
energiewirtschaftliche System an Bedeutung gewin-
nen, um damit Versorgungssicherheit und Effizienz
bei der Stromversorgung zu gewährleisten. Der Bun-
desrat erkennt an, dass mehr Flexibilität im Stromver-
sorgungssystem eine der wesentlichen Grundlagen
für einen erfolgreichen Umbau des deutschen Ener-
gieversorgungssystems ist.
) Der Bundesrat stellt fest, dass Wind- und Sonnenen-
ergie eine entscheidende Rolle beim Zubau neuer Er-
zeugungskapazitäten zukommen wird. Ihr Beitrag
zur Stromversorgung wird stetig zunehmen und da-
mit der Anteil fluktuierender Energiequellen bei der
Erzeugung.
) Der Bundesrat sieht in der Schaffung geeigneter Spei-
cherkapazitäten zum Ausgleich dieser Volatilitäten
eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Gewähr-
leistung der Netzstabilität und Versorgungssicherheit
in einem durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Ener-
gien geprägten Energiesystem. Dabei sind bewährte
und ausgereifte Technologien wie Pumpspeicher-
kraftwerke ebenso erforderlich wie die möglichst ra-
sche Entwicklung und Markteinführung neuer Spei-
chertechnologien.
) Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregie-
rung, dass bei der Umlage der Lasten, die durch das
Fördersystem des EEG anfallen, auf eine möglichst
gerechte Verteilung geachtet werden muss und Um-
gehungstatbestände so weit wie möglich beseitigt
werden müssen.
Der Bundesrat fordert aber, dass die gesetzlichen
Grundlagen so gestaltet sein müssen, dass der erfor-
derliche Ausbau der Speicherkapazität und der freie
Zugang zu Speichern durch alle Marktteilnehmer mit
angemessenen Maßnahmen angereizt und Hemm-
nisse beseitigt werden.
) Der Bundesrat stellt fest, dass das jetzt vorgelegte
Gesetz zu § 37 EEG die Zwischenspeicherung von
Strom weder mit hinreichender Klarheit noch in er-
forderlichem Maße von der EEG-Umlage befreit.
Die vorgesehene Regelung belastet Energieverluste,
die beim Speichern unvermeidlich anfallen, mit
EEG-Umlage, was selbst effiziente Pumpspeicher-
kraftwerke unnötig wirtschaftlich belastet und neue
Technologien mit geringerem Wirkungsgrad erst
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011 14787
(A) )
)(B)
recht in ihrer Entwicklung behindert. Der Rest der
gespeicherten Energie ist nur dann frei von EEG-
Umlage, wenn der Speicherbetreiber diese aus eige-
nen Kraftwerken füllt. Damit würden Energieversor-
ger ohne eigene Speicher beziehungsweise Speicher-
betreiber ohne eigene Kraftwerke benachteiligt.
h) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, das
Erneuerbare-Energien-Gesetz beim Punkt Zwischen-
speicherung von Energien grundlegend auf Hemm-
nisse für den Speicherausbau zu überprüfen, diese in
einer Überarbeitung des Gesetzes rasch zu beseitigen
und insbesondere eindeutig sicherzustellen, dass
Energie, die zur Speicherung benötigt wird, nicht
durch die Kosten aus der EEG-Umlage belastet wird.
– Erstes Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtli-
cher Vorschriften
– Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des
Netzausbaus Elektrizitätsnetze
– Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtli-
cher Vorschriften
Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge-
fasst:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, baldmög-
lichst einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes
zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschrif-
ten vorzulegen, in dem die Verordnungsermächtigung des
§ 21 a EnWG um Regelungen zur Anwendung und Be-
stimmung eines generellen sektoralen Produktivitätsfak-
tors erweitert wird.
Begründung:
Netzentgelte für die Nutzung der Energieversorgungs-
netze werden seit dem 1. Januar 2009 im Wege der
Anreizregulierung nach der Verordnung über die An-
reizregulierung der Energieversorgungsnetze (ARegV)
bestimmt.
Die ARegV ist auf Grund der Ermächtigungsgrund-
lage nach § 21 a Absatz 6 Satz 1 EnWG erlassen
worden, welche die Bundesregierung zum Erlass ei-
ner Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundes-
rates ermächtigt, in der Einzelheiten zur Einführung
und Durchführung der Anreizregulierung geregelt
werden können.
In zahlreichen bei den Oberlandesgerichten anhängi-
gen Verfahren ist strittig, wie einzelne Vorschriften
der ARegV auszulegen sind.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr erstmals mit
zwei Beschlüssen vom 29. Juni 2011 zu einzelnen
Vorschriften der ARegV entschieden. Wie der Mittei-
lung Nr. 114/2011 der Pressestelle zu entnehmen ist,
findet nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die in
§ 9 ARegV vorgesehene Berücksichtigung eines
netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts in der
Verordnungsermächtigung des § 21 a EnWG keine
–
–
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gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und ist daher
unzulässig.
Da nach dieser Rechtsprechung der in § 9 ARegV ge-
regelte generelle sektorale Produktivitätsfaktor man-
gels Rechtsgrundlage keine Anwendung mehr findet,
sondern allein die allgemeine Geldwertentwicklung
nach § 8 ARegV, wird die Regulierungsformel weit-
gehend entwertet, da der generelle sektorale Produk-
tivitätsfaktor erhebliche Auswirkungen auf die Erlös-
obergrenzen hat.
Die Einfügung schafft daher eine gesetzliche Grund-
lage für die Berücksichtigung des notwendigen netz-
wirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts in der An-
reizregulierung.
Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der
Entwicklung in den Städten und Gemeinden
… Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und
… Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengeset-
zes
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3
atz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung
u den nachstehenden Vorlagen absieht:
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2011
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 11 02 Titel 632 01 – Beteiligung des
Bundes an der Grundsicherung im Alter und bei Er-
werbsminderung – bis zur Höhe von 5,484 Mio. Euro
– Drucksachen 17/6008, 17/6392 Nr. 1.5 –
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– Bericht gem. § 56 a GO-BT des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung
Technikfolgenabschätzung (TA)
Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag –
Eine Bilanz
– Drucksachen 17/3010 –
– Bericht gem. § 56 a GO-BT des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung
Technikfolgenabschätzung (TA)
Innovationsreport
Stand und Bedingungen klinischer Forschung in
Deutschland und im Vergleich zu anderen Ländern un-
ter besonderer Berücksichtigung nichtkommerzieller
Studien
– Drucksachen 17/3951 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden
nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei-
er Beratung abgesehen hat.
14788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/3280 Nr. A.4
EuB-BReg 123/2010
Drucksache 17/6176 Nr. A.6
Ratsdokument 16903/10
Drucksache 17/6407 Nr. A.1
EuB-BReg 162/2011
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 17/6010 Nr. A.19
Ratsdokument 9419/11
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 17/5822 Nr. A.50
Ratsdokument 6666/11
Drucksache 17/5822 Nr. A.51
Ratsdokument 8718/11
Drucksache 17/6010 Nr. A.20
Ratsdokument 9334/11
Drucksache 17/6176 Nr. A.22
Ratsdokument 9800/11
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 17/4509 Nr. A.37
EuB-EP 2101
125. Sitzung
Berlin, Freitag, den 9. September 2011
Inhalt:
Redetext
Tagesordnungspunkt 1a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015
Epl. 12: BMVBS
Schlussrunde
Haushaltsgesetz 2012
Tagesordnungspunkt 2 Vereinbarte Debatte
Für eine Verhandlungslösung im Nahostkonflikt
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2