Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen!
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)
– Drucksachen 17/200, 17/201 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013
– Drucksachen 16/13601, 17/626 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
Rede
Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt I.18 auf:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
– Drucksachen 17/614, 17/623 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Karl
Ewald Schurer
Ulrike Flach
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler
Zu Einzelplan 15 liegen drei Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbar
die Aussprache eineinhalb Stunden vorges
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
zung
n 19. März 2010
.00 Uhr
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Man muss
die Zeit nicht ausschöpfen!)
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Ewald Schurer (SPD):
Guten Morgen, Herr Präsident! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der Einzelplan 15 hat in den letzten Jahren einen deutli-
chen Aufwuchs erfahren, einen höheren als andere Ein-
zelpläne, und zwar durch die Zuschüsse aus dem Steuer-
topf für den Gesundheitsfonds. Dieser Fonds ist zwar
nur eine Kapitalsammelstelle, aber die Zuwächse sind
vorhanden. Im Haushalt 2010 sind das 15,7 Milliarden
Euro, die sich wie folgt aufsplitten: 11,8 Milliarden Euro
für gesellschaftlich notwendigen Bedarf, also Zuschüsse
an die GKV, und 3,9 Milliarden Euro für die zunächst
einmaligen krisenbedingten Zuschüsse für die Ausfälle
in der GKV durch die Wirtschafts-, Finanz- und Kon-
junkturkrise.
Der materielle Kern des Einzelplans beträgt nach ur-
sprünglich 467 Millionen Euro nach eigenen Berechnun-
text
gen nur noch circa 430 Millionen Euro. Da wurden Spar-
vorstellungen zum Haushalt realisiert. Wenn ich mir das
Sparen anschaue, werte Kolleginnen und Kollegen, dann
muss ich aber sagen: Da machen Sie schon Ihre ersten
Fehler.
Ich erwähne ausdrücklich einen Bereich, der für mich
und auch für uns, glaube ich, eine große politische Be-
deutung hat, nämlich: Prävention, Aufklärung und Pro-
grammmaßnahmen, zum Beispiel auf dem sehr wichti-
gen Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs.
Wer die praktischen Zahlen kennt, Herr Minister, und
weiß, was die Studien aussagen, die von Ihrer Amtsvor-
gängerin veröffentlicht wurden, müsste einsehen, dass es
und anhaltenden Bedarf gibt, Modell- oder
aßnahmen zu finanzieren. Was machen
n dieser Stelle fangen Sie an, rigide zu kür-
1 66 – Aufklärungsmaßnahmen auf dem
ung sind für
ehen. – Ich
einen großen
Aufklärungsm
Sie? Genau a
zen. Titel 53
Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs –:
2952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Ewald Schurer
(A) (C)
(D)(B)
minus 500 000 Euro. Titel 684 69 – Modellmaßnahmen
und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des Drogen-
und Suchtmittelmissbrauchs –: minus 740 000 Euro. Das
sind die falschen Weichenstellungen bei dem ansonsten
natürlich wichtigen Bestreben, den Haushalt zu konsoli-
dieren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Herr Minister, natürlich beschäftige ich mich als
Haushälter auch mit Ihren gesundheitsökonomischen
Überlegungen. Ich frage mich, welche Logik sie in sich
tragen, wenn es um das Ziel geht, das System umzu-
bauen.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Du musst
über den Haushalt reden und nicht über die
Logik!)
– Ich komme dazu. – In der Generaldebatte am Mitt-
woch hatte die Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel
nun wirklich alles versucht, um Herrn Rösler beizusprin-
gen; das kann man wirklich sagen. Sie hatte zwei Grund-
aussagen getroffen. Sie hat erstens ihre Hausphilosophie
noch einmal erneuert, dass künftig Solidarität im System
nur noch über den Steuerausgleich zu bewerkstelligen
ist. Das ist ja die Formel, die Sie im Land predigen. Die
zweite war das Bekenntnis dazu, die Lohnnebenkosten
von den steigenden Gesundheitskosten zu entkoppeln.
Das waren also die beiden Grundaussagen, die die Frau
Bundeskanzlerin in den Mittelpunkt gestellt hat.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Zu Recht!)
– Ich hoffe, dass Sie nachher die Chance haben, sich
wirklich manifest dazu zu äußern.
So wollen Sie die Gesundheitskosten begrenzen. Das
ist zunächst einmal ein ehrenwertes Ziel, geht aber, so
glaube ich, zulasten der Versicherten; ich werde auch sa-
gen, warum.
Wenn Sie die Arbeitgeberbeiträge im Rahmen der
volkswirtschaftlichen Wertschöpfungskette einfrieren,
dann gefährden Sie das bewährte paritätische System.
Im Gesundheitsbereich gibt es 4,6 Millionen Beschäf-
tigte und zahlreiche hochqualifizierte Jobs. Dort wird
mittlerweile ein Neuntel des Bruttoinlandsproduktes er-
wirtschaftet. Sie gefährden diese Wertschöpfungskette
durch ein ideologisches Versatzstück namens – ich kann
mich an den genauen Ausdruck nicht mehr erinnern –
Kopfgeldpauschale.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Falsche Begriffe
kommen von Herrn Lauterbach! – Georg
Schirmbeck [CDU/CSU]: Am besten, du
bleibst gesund!)
Sie variieren Ihre fachlichen Begründungen. Aber am
Schluss bleibt folgende Erkenntnis: Alle sollen einkom-
mensunabhängig die gleichen Beiträge zahlen. Es ist
also egal, wie viel man verdient.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer weniger
verdient, hat es schwerer!)
Sie wollen 40 Millionen Menschen zu Bittstellern eines
komplizierten Antragsverfahrens machen. Damit verun-
sichern Sie die Menschen. Viele werden sich fragen, ob
sie die eine oder andere medizinische Leistung noch be-
zahlen können, vor allen Dingen wenn man in Vorleis-
tung treten muss.
Herr Minister, ich unterstelle Ihnen, dass Sie einen
Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem wollen; das
ist offensichtlich. Liebe Freunde von der CSU, haben
Herr Söder und Herr Seehofer nicht recht, wenn sie
– wie Seehofer vorgestern in hart aber fair – von einer
geplanten Demontage der Solidarität im System spre-
chen? Liegt Herr Seehofer damit so falsch?
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir
haben hier doch keine Fragestunde! – Elke
Ferner [SPD]: Er liegt völlig richtig!)
Hat er nicht recht, wenn er Herrn Karl Lauterbach oder
der geschätzten Kollegin Elke Ferner beispringt?
(Beifall bei der SPD)
Herr Minister, so wie es aussieht, würden
50 Millionen Versicherte der GKV – einschließlich der
Mitversicherten sind es sogar 70 Millionen Menschen –
im Extremfall zu Bittstellern. Ich muss Ihnen unterstel-
len, dass Ihre Strategie auf eine Abschaffung des Sach-
kostenprinzips hinausläuft und dass schließlich ein Kos-
tenerstattungsprinzip gilt. Das alleine würde nach
meiner Meinung zu einer manifesten Leistungsausgren-
zung der Menschen führen, die keinen dicken Geldbeu-
tel haben. Diese müssen sich dann zweimal überlegen,
ob sie in Vorleistung gehen. Schon wenige Hundert Euro
wären eine große ökonomische Belastung für viele
Haushalte mit Kindern oder für Menschen, die keine
Gutverdiener sind.
(Beifall bei der SPD)
Blackboxmodelle haben einen gewissen Charme. Es
herrschen Laborbedingungen. Wenn Sie aber die Fach-
welt und die Leistungserbringer im System fragen, dann
werden Sie feststellen, dass diese von Ihrem System – so
ist es in der Ärzte Zeitung zu lesen – nicht überzeugt
sind. Aktuelle Umfragen haben ergeben: Mehr als
80 Prozent der Versicherten sowie der Patientinnen und
Patienten versprechen sich von Ihrer Kopfprämie oder
Kopfgeldprämie – wie immer sie auch heißen mag –
nichts Gutes. Sie haben eine negative Gefühlslage, ohne
vielleicht immer genau zu wissen, worum es geht.
Herr Minister, wenn Sie das bewährte Finanzierungs-
system, durch das Arbeitgeber und Arbeitnehmer im
Rahmen der Wertschöpfungskette zu gleichen Teilen be-
lastet werden – das ist der Grundsatz – und in das auch
Steuermittel zur Erfüllung gesellschaftlich notwendiger
Aufgaben fließen, durch eine fragile Konstruktion eines
steuerfinanzierten Sozialausgleichs ersetzen wollen,
dann muss ich Ihnen als Haushälter sagen: Das Geld ist
nicht da. Der Gesamthaushalt hat ein Volumen von über
320 Milliarden Euro. Der Anteil der Nettokreditauf-
nahme liegt bei 25 Prozent.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber
75 Prozent nicht! 75 Prozent sind keine Netto-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2953
Ewald Schurer
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(D)(B)
kreditaufnahme! Man muss das mal positiv se-
hen!)
Allein der Bund muss aufgrund der Folgewirkungen der
internationalen Finanzkrise neue Kredite in Höhe von
rund 80 Milliarden Euro aufnehmen. Herr Rösler, in der
letzten Stufe Ihres Modells geht es nicht um 10 Milliar-
den, sondern um 35 Milliarden Euro steuerfinanzierte
Zuschüsse. Das ist objektiv eine ökonomische Unmög-
lichkeit. Sie müssen sich darauf einstellen: Sie werden
auf diesem Weg, auf den Sie sich katapultiert haben, kei-
nen Erfolg haben. Sie werden keine Chance haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich mir Herrn Singhammer und den Kollegen Karl
von der CSU anschaue, dann weiß ich, dass sie aus Mün-
chen kein Go! für Ihr Hasardeurspiel, Herr Minister, be-
kommen werden, das ein bewährtes Finanzsystem in Ge-
fahr bringt.
Ideologie ist sicherlich nicht schlecht. Bei wohlwol-
lender Betrachtungsweise ist Ideologie so etwas wie Pro-
grammatik, also ein Ansinnen, etwas zu verändern. Sie
sollten aber darüber nachdenken, dass Sie hier ideologi-
sche Versatzstücke in den praktischen Vollzug bringen
wollen. Sie und auch der Herr Staatssekretär machen den
Menschen, wie ich finde, bei Ihren Auftritten Angst, an-
statt ihnen Orientierung zu geben. Die Menschen müs-
sen Angst um den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft
und davor haben, wie es weitergehen soll.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie machen doch
Angstkampagnen!)
Wenn man die Entwicklung von Reichtum und Armut in
dieser Gesellschaft betrachtet, dann kommt man zu dem
Schluss, dass das Sachleistungsprinzip für die Men-
schen eine wichtige ökonomische und gesundheitspoliti-
sche Grundlage darstellt, auf die zu verzichten sich die
Menschen schlicht und einfach nicht leisten können. Das
ist für mich der entscheidende Punkt.
Am Schluss möchte ich Ihnen sagen: Sie müssten drei
Aufgaben erfüllen, um diesen Irrweg zu verlassen. Ich
meine das nicht persönlich und nicht böse. Ich glaube,
dass Sie subjektiv einen guten Weg finden wollen, ob-
jektiv aber die falschen Rezepturen haben. Ich möchte
Ihnen daher drei Bitten bzw. Empfehlungen geben: Ers-
tens. Halten Sie an der paritätischen Finanzierung fest.
Bauen Sie diese wieder aus und ergänzen Sie sie da, wo
gesamtgesellschaftliche Aufgaben erfüllt werden müs-
sen, durch Steuermittel.
(Beifall bei der SPD – Daniel Bahr [Münster]
[FDP]: Ihr habt doch die paritätische Finanzie-
rung aufgehoben!)
Zweitens. Versuchen Sie die Kostensteigerungen, die im
System tatsächlich vorhanden sind – Krankenhäuser,
Pharmamarkt –, durch Effizienzsteigerung in den Griff
zu bekommen. Packen Sie den Stier der Pharmaindustrie
bei den Hörnern! Beweisen Sie Ihre Kraft! Das ist ganz
wichtig. Drittens. Steuern Sie die ärztliche Versorgung,
vor allen Dingen durch eine gute Abstimmung zwischen
Kliniken und niedergelassenen Ärzten. – Wenn Sie diese
drei Punkte beherzigen würden, hätten Sie eine Chance,
aus der verfahrenen Situation herauszukommen. Dann
hätte das Gesundheitssystem eine gute Zukunft.
Wir Sozialdemokraten sind doch die Letzten, die
nicht für Beratung zur Verfügung stünden. Nicht nur der
Kollege Lauterbach, der dafür prädestiniert ist,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo der gelandet ist,
haben wir schon mal gesehen! – Heinz
Lanfermann [FDP]: Das haben wir im letzten
Antrag gesehen!)
sondern auch andere Kolleginnen und Kollegen bieten
Ihnen jede Menge Sachverstand an. Das ist besser, als
sechs oder sieben Ministerkollegen einzuladen, die im
Wesentlichen fachfremd sind und zum Thema Gesund-
heit nichts beizusteuern haben. Holen Sie sich Sachver-
stand von den Krankenkassen, von den Leistungserbrin-
gern, den Patienten und den Versicherten. Versammeln
Sie diese an einem Know-how-Tisch und lassen Sie sich
von diesen beraten. Das täte uns allen gut.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Ulrike Flach für die Fraktion der
FDP.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ulrike Flach (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
Hauptberichterstatterin für dieses Ministerium möchte
ich mich erst einmal bei den Kollegen bedanken, die uns
positiv begleitet haben. Ich möchte mich auch bei Ihnen,
Herr Schurer, bedanken,
(Ewald Schurer [SPD]: Gebe ich zurück, Frau
Flach!)
auch wenn wir inhaltlich an vielen Stellen verschiedener
Meinung sind. Ich möchte mich weiterhin beim Ministe-
rium bedanken. Es hat uns auch in schweren Stunden po-
sitiv begleitet und uns viel zugeliefert. So können wir
weitermachen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Lieber Herr Schurer, der Haushalt des Bundesgesund-
heitsministeriums hat bekanntlich eine etwas eigenwil-
lige Struktur. Wir haben den gesetzlich vorgeschriebenen
Zuschuss zum Gesundheitsfonds, in diesem Jahr übri-
gens mit einem einmaligen Zuschuss von 3,9 Milliarden
Euro, die notwendig waren, weil Sie, lieber Herr
Schurer, uns eine Lücke hinterlassen haben. Wenn wir
uns auf Ihren Sachverstand verlassen würden, hätten wir
wahrscheinlich noch größere Lücken.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die neue Regierung hat schnell gehandelt und verhin-
dert, dass die Beiträge erhöht werden müssen. Auch das
2954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Ulrike Flach
(A) (C)
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muss wieder gesagt werden. Wir haben daneben Pro-
grammtitel und die nachgeordneten Behörden, die nur
rund 450 Millionen Euro ausmachen.
Wenn man diese Struktur sieht, wird klar, dass wir mit
den Einsparungen von immerhin 40 Millionen Euro das
Ministerium doch recht hart herangenommen haben. Wir
haben einen Haushalt vorgefunden, der noch von dem
politischen Wunschzettel von Ulla Schmidt geprägt war.
Wir haben auch feste Verträge vorgefunden, aus denen
wir, die wir eine neue politische Einstellung haben, nicht
sofort aussteigen können. Wir haben trotzdem einige
Pflänzchen, die, ehrlich gesagt, eher der medialen Dar-
stellung der Vorgängerin von Herrn Rösler dienten, be-
schnitten, so zum Beispiel im Zusammenhang mit der
von Ihnen eben angesprochenen Prävention oder bei
Modellmaßnahmen zum Suchtmittelmissbrauch.
(Ewald Schurer [SPD]: Da können Sie doch
nicht kürzen, Frau Flach! Das geht doch
nicht!)
Damit kein Irrtum aufkommt: Prävention ist für uns ein
Schwerpunktthema. Nur, wollen Sie den Leuten wirklich
klarmachen, dass wir eine Telefonhotline brauchen, über
die die Leute angerufen und gefragt werden, ob sie auf-
gehört haben, zu rauchen? Das hat uns Ulla Schmidt hin-
terlassen. Wollen Sie dafür Geld ausgeben? Ich frage
mich, ob der Steuerzahler sein Geld nicht lieber behält
und auf vernünftige Programme der neuen Regierung
wartet.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
Ferner [SPD]: Da wartet er aber lange!)
Übrigens stellt sich in diesem Zusammenhang auch
die Frage: Warum müssen Kitakinder in Berlin dazu be-
wegt werden, an einem Zirkusprogramm teilzunehmen?
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Lauterbach?
Ulrike Flach (FDP):
Ja, natürlich.
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Frau Flach, ich kann Ihrer Logik nicht folgen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
FDP – Heinz Lanfermann [FDP]: Das erleben
wir öfter!)
Sie tragen vor, Prävention habe Priorität für Sie. Gleich-
zeitig entfallen die einzigen konkreten Kürzungen, die
Sie bisher vorgeschlagen haben, auf diesen Bereich.
Diese Logik erschließt sich mir nicht, Frau Flach.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ulrike Flach (FDP):
Lieber Herr Lauterbach, hätten Sie die Sparvor-
schläge der FDP in Ruhe zur Kenntnis genommen und
würden Sie auf das warten, was ich Ihnen in wenigen Se-
kunden erzähle, dann wüssten Sie, dass das natürlich
nicht die einzigen Kürzungsvorschläge sind. Das ist der
eine Punkt.
(Ewald Schurer [SPD]: Meinen Sie die Staats-
sekretäre? – Lothar Binding [Heidelberg]
[SPD]: Es geht ja um die Fakten, nicht um die
Erzählungen!)
Das Zweite: Jede Regierung hat das Recht, ihre politi-
schen Schwerpunkte zu setzen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie kön-
nen kürzen, wo Sie wollen! Das stimmt!)
Die Schwerpunkte der Ulla Schmidt sind nicht die
Schwerpunkte des Philipp Rösler.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Wir werden die Fehler der Ulla Schmidt natürlich nicht
in die nächste Generation weitertragen. – Herzlichen
Dank.
(Zuruf von der LINKEN: Antworten!)
Ich will in meiner Rede fortfahren und damit ein biss-
chen zur Erleuchtung beitragen. Angesichts der Haus-
haltslage sind wir an solche Titel herangegangen, bei
denen zu kürzen dem Hause wehtut. Wir haben Kürzun-
gen bei den Bezügen der Beamten durchgeführt, bei
Dienstreisen, bei der Öffentlichkeitsarbeit – bei Ulla
Schmidt ein sehr beliebtes Spektrum –, beim Geschäfts-
bedarf und bei der Software. Ganz nebenbei haben wir
Sparvorschläge in Höhe von immerhin noch 6 Millionen
Euro aus unserem hochgeliebten Liberalen Sparbuch
umgesetzt.
(Beifall bei der FDP – Christian Lange [Back-
nang] [SPD]: Welchen Staatssekretär haben
Sie gestrichen?)
Ich weiß nicht, was Sie da quält. Die Haushälter der FDP
haben an diesem Haushalt ziemlich massiv gearbeitet.
Die vor dem Hintergrund der milliardenschweren
Steuerzuschüsse an den Gesundheitsfonds kleinen Kor-
rekturen werden natürlich nicht ausreichen. Da befinden
wir uns mit unserer Sorge um das Gesundheitssystem
auf demselben Weg, Herr Schurer. Wenn wir die Wachs-
tumsschwäche der GKV-Einkommensbasis nachhaltig
verbessern und Beitragserhöhungen verhindern wollen
– darum geht es –, dann brauchen wir eine große und
eine nachhaltige Korrektur bei der Finanzierung der ge-
setzlichen Krankenversicherung.
(Jens Ackermann [FDP]: Sehr richtig!)
170 Milliarden Euro werden in diesem Jahr vom Ge-
sundheitsfonds an die Kassen verteilt. Es fehlen 4 Mil-
liarden Euro – das ist eine Erbschaft von Ihnen –, was
über Zusatzbeiträge ausgeglichen werden muss. Die Ex-
perten haben uns in diesen Tagen gesagt: Für die nächs-
ten Jahre müssen wir mit Fehlbedarfen bis zu 15 Milliar-
den Euro rechnen.
(Ewald Schurer [SPD]: Aber die internationale
Finanzkrise ist doch ein FDP-Folge-Modell!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2955
Ulrike Flach
(A) (C)
(D)(B)
Das, lieber Herr Schurer, sind – trotz allem, was Sie eben
so filibusternd von sich gegeben haben – die Auswir-
kung und die Logik Ihrer Gesetze.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
Ferner [SPD]: Das stimmt doch überhaupt
nicht, Frau Flach!)
Die SPD stiehlt sich angesichts dieser desolaten finanz-
politischen Lage gesundheits- und haushaltspolitisch aus
der Verantwortung.
(Ewald Schurer [SPD]: Selbst das ist falsch!
Da passt ja nichts zusammen bei Ihnen!)
Wer fordert, die Zusatzbeiträge wieder abzuschaffen
– die er selbst eingeführt hat – und den unter Rot-Grün
eingeführten Sonderbeitrag der Versicherten und die Pra-
xisgebühr, der muss ernsthaft die Frage beantworten,
wie diese Ausfälle kompensiert werden sollen. Da kom-
men Sie mit Ihrer Bürgerversicherung, lieber Herr
Lauterbach. Von dieser Versicherung höre ich jetzt in der
vierten oder fünften Sitzung etwas, ohne dass wir von
Ihnen auch nur eine einzige Seite vorgelegt bekommen
haben.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Heinz Lanfermann [FDP]: Wo bleibt denn der
Antrag? – Christian Lange [Backnang] [SPD]:
Sie sind doch an der Regierung! Wo bleibt
denn Ihr Konzept? Bis heute nichts!)
Sie bleiben uns Ihr Konzept schuldig. Immer wieder ver-
weisen Sie pauschal, auch im Hinblick auf die Ausga-
benseite.
(Zuruf des Abg. Christian Lange [Backnang]
[SPD])
– Ich rede doch mit Herrn Lauterbach, lieber Herr
Lange.
Angesichts Ihrer Vorschläge im Ausgabenbereich
muss ich an dieser Stelle noch einmal darauf verweisen,
dass die SPD von 1998 bis 2009 an der Regierung war.
Die Ausgaben der GKV für Arzneimittel haben sich in
dieser Zeit von 19,2 Milliarden Euro auf 32,4 Milliarden
Euro erhöht. Was sind das denn für Arbeitsergebnisse?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an dieser Stelle ir-
gendetwas von Ihnen übernehmen.
(Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns ja früher
nie unterstützt an dieser Stelle! Niemals!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt, der
erste Haushalt der Ära Rösler, zeigt, dass die Koalition
auf dem richtigen Weg ist. Die Regierungskommission
wird eine tragfähige Finanzierung mit einer einkommens-
unabhängigen Prämie mit steuerlichem Sozialausgleich
vorlegen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nach der
NRW-Wahl! Sie wollen die Menschen hinters
Licht führen!)
Die Vorschläge zur Kostendämpfung bei den patentge-
schützten Arzneimitteln sind eine gute Basis für Ein-
griffe auf der Ausgabenseite. Der Haushalt des BMG
zeigt, dass die Zeit der Schmidt’schen Klientelpolitik
vorbei ist
(Lachen bei der SPD – Christian Lange [Back-
nang] [SPD]: Das ist ein guter Witz!)
und dass endlich Platz für nachhaltige Strukturen ge-
schaffen wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Michael Leutert für die Fraktion
Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Michael Leutert (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Bürgerinnen und Bürger interessiert im Gesundheits-
bereich in erster Linie, dass sie im Krankheitsfall die
bestmögliche Versorgung erhalten und dass diese auch
bezahlbar ist. Um die Finanzierung dieser Leistungen
wird in der Politik seit Jahren heftig gestritten. Was den
Bürger allerdings als Ergebnis dieser Debatten erreicht,
kann man mit den Worten „permanente Verschlechte-
rung“ zusammenfassen.
Da ist zum Beispiel der Ärztemangel und die damit
verbundenen langen Wartezeiten auf einen Arzttermin
zu nennen. Insbesondere in den ländlichen Räumen feh-
len Ärzte; die Wege sind zu lang. Da geht es zum Bei-
spiel um das Thema der schlechteren Behandlung und
der schlechteren Pflege. Das Schlagwort „blutige Entlas-
sung“ ist ja jedem hier ein Begriff. Da sind zum Beispiel
die Arztpraxen, die privatversicherte Patienten bevor-
zugt behandeln oder, noch schlimmer, nur diese behan-
deln. Die erste Frage beim Arzt lautet eben nicht mehr:
„Was fehlt Ihnen?“, sondern die erste Frage beim Arzt
lautet heutzutage: „Sind Sie privat versichert oder Kas-
senpatient?“.
(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/
CSU]: Stimmt doch gar nicht!)
– Na, dann gehen Sie einmal zum Arzt und fragen nach.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Bei mir hat
er das letzte Mal gesagt: Herr Schirmbeck, Sie
sehen gut aus!)
Und es findet natürlich immer wieder der Griff in die
Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger statt: Zuzahlung
zu Arzneimitteln, Praxisgebühr, Erhöhung der Kassen-
beiträge usw. usf.
Herr Minister Rösler, Sie setzen diese Politik der Ver-
schlechterung nahtlos fort und führen seit Amtsantritt
eine Debatte um die Kopfpauschale. Aber ob 25 oder
29 Euro – was bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder
einmal ankommt, ist, dass es bald wieder einen Griff in
die private Haushaltskasse geben wird. Jeder bereitet
sich natürlich auf diese weiteren Einschnitte vor. Unklug
war es allerdings von Ihnen, Herr Minister, die Einfüh-
2956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Michael Leutert
(A) (C)
(D)(B)
rung einer Kopfpauschale mit dem eigenen Kopf, der ei-
genen politischen Zukunft, zu verbinden.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Gähn!)
Wie lange wollen Sie eigentlich noch bis zu Ihrem Rück-
tritt warten, frage ich Sie.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Tätä! Tätä! Tätä! –
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ihre Witze
waren auch schon mal besser!)
Die Kanzlerin hat Ihnen in Ihrer Kommission sieben
weitere Minister als Aufpasser zur Seite gestellt. Die Mi-
nister der Union sympathisieren zwar mit Ihren Ideen
– davon bin ich überzeugt –, aber sie wissen auch, dass
die Kopfpauschale für die Union zu dem werden kann,
was Hartz IV für die SPD geworden ist.
(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach
[FDP]: Ach, Herr Leutert!)
Wenn die Kopfpauschale kommt, bringt das für Millio-
nen von Haushalten in Deutschland eine Schlechterstel-
lung mit sich. Millionen würden dann zu Bittstellern ge-
genüber dem Staat gemacht. Das sind alles Wählerinnen
und Wähler, auch von Ihnen. Wenn die Union zwischen
der Einführung einer Kopfpauschale – und als Folge
Wahlniederlagen – oder dem Kopf des Ministers wählen
muss, dann ist, wie ich denke, der Kopf des Ministers ein
lukrativeres Geschäft.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der
CDU/CSU)
Nun haben Sie zur Ablenkung die Debatte um die
Ausgabenbegrenzung bei den Arzneimitteln angescho-
ben. Der Nebel hat sich wieder verzogen. Was allerdings
während des Nebels geschah, ist genau das Gegenteil
– Stichwort: Klientelpolitik – davon, der Pharmalobby
Paroli zu bieten. Die einzige sinnvolle Maßnahme, die
im Zuge der Gesundheitsreform des Jahres 2004 unter
Ulla Schmidt eingeführt wurde, haben Sie begonnen zu
schleifen. Sie haben erst einmal im Apparat aufgeräumt
und den Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaft-
lichkeit im Gesundheitswesen beiseiteräumen lassen.
(Beifall des Abg. Dr. Lutz Knopek [FDP] –
Zurufe von der LINKEN: Pfui! – Johannes
Singhammer [CDU/CSU]: Beachten Sie die
Wortwahl!)
Was am 15. März in Spiegel Online unter der Überschrift
„Operation Hippokrates“ zu lesen war, liest sich wie ein
Räuberroman. Mit allen erdenklichen Mitteln und Tricks
ging es dem Chef des Instituts, Peter Sawicki, zielgerich-
tet an den Kragen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kannten Sie das In-
stitut überhaupt vor dem Spiegel-Artikel?)
Der war natürlich Ihnen und der Pharmaindustrie – ich
nenne wieder das Stichwort Klientel – seit langem ein
Dorn im Auge. Das ist ja auch kein Wunder, wenn der
Chef des Instituts, welches für die Kosten-Nutzen-Be-
wertung von Arzneimitteln verantwortlich ist, feststellt:
Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland
als Selbstbedienungsladen.
(Ulrike Flach [FDP]: Es ist doch bekannt, dass
wir überhaupt keine Stimme bei der Entschei-
dung hatten! – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie
wissen noch nicht einmal, wer was abgestimmt
hat!)
Das, Herr Rösler, sind zusammengefasst die Ergeb-
nisse Ihrer bisherigen Zeit als Gesundheitsminister. Da-
bei könnten Sie doch mit ganz einfachen Mitteln vor-
weisbare Ergebnisse bringen, Ergebnisse im Übrigen,
die bei den Menschen auch einmal für eine positive Er-
fahrung sorgen würden:
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sozialismus!)
Sie könnten zum Beispiel zur Senkung der Arzneimit-
telkosten den Vorschlag der Linken unterstützen. Ich for-
dere Sie auf: Senken Sie die Mehrwertsteuer auf Arznei-
mittel.
(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/
CSU]: Das sagt der Haushälter!)
Für Steuersenkungen ist die FDP doch immer zu haben.
In dem Bereich könnten wir es doch einmal machen.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wissen
Sie, wie viel wir aus der Steuerkasse in diesem
Jahr geben?)
Sie könnten auch unserem Antrag zustimmen, die nicht-
kommerzielle Pharmaforschung zu stärken. Das wäre
doch auch in Ihrem Interesse, Herr Minister, wenn es Ih-
nen wirklich um die Beschränkung der Macht der Phar-
makonzerne geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie könnten sich mit uns gemeinsam an anderer Stelle
dafür einsetzen, dass der Investitionsstau von 50 Milliar-
den Euro bei den Krankenhäusern aufgelöst wird. – Das
wären Maßnahmen, mit denen altbekannte Probleme ge-
löst oder die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre
korrigiert werden könnten. Im Übrigen wären das Maß-
nahmen, von denen die Bürgerinnen und Bürger tatsäch-
lich etwas hätten und die sie sofort spüren würden.
Die Linke – das ist bekannt – ist gegen eine weitere
Privatisierung und Kommerzialisierung im Gesundheits-
wesen.
(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Zöller
[CDU/CSU]: Ihr seid für Verstaatlichung! –
Jens Spahn [CDU/CSU]: „VEB Kranken-
kasse“ nennt sich das!)
Krankenhäuser und Arztpraxen sind keine Profitcenter,
sondern Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvor-
sorge. Sie gehören dementsprechend geschützt.
(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach
[FDP]: Sie müssen uns sagen, wo die Milliar-
den herkommen, lieber Herr Leutert!)
Sie wissen genau, dass die Menschen in unserem
Land keine Zweiklassenmedizin wollen.
(Ulrike Flach [FDP]: Wir auch nicht!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2957
Michael Leutert
(A) (C)
(D)(B)
Die Linke steht an ihrer Seite. Deshalb sind wir der Mei-
nung, dass der solidarische Charakter der Krankenversi-
cherung erhalten und gestärkt werden muss. Letztlich
halten wir eine solidarische Bürgerversicherung für
den geeigneteren Weg, die Gesundheitsversorgung auf
gleichem Niveau für alle sicherzustellen. Wir halten die
Bürger- und Bürgerinnenversicherung für einen geeigne-
teren Weg, eine soziale und gerechte Finanzierung des
Gesundheitssystems zu realisieren.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Eine Bürger-
verunsicherung!)
Solange Sie diese Forderung im Haushalt nicht realisiert
haben, können und werden wir diesem Haushalt nicht
zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach
[FDP]: Das überrascht uns jetzt wirklich! –
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Da sind wir
jetzt aber enttäuscht!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Alois Karl für die CDU/
CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jetzt erklär
ihnen das mal!)
Alois Karl (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Lieber
Herr Dr. Rösler! Herr Kollege Leutert, ich möchte kurz
auf Ihre Rede eingehen. Ich muss sagen, das war eine
von den Reden, von der ich den Anfang schon wieder
vergessen habe.
(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das ist ja
das Problem bei Ihnen!)
Den mittleren Teil habe ich nicht verstanden. Das Ende
habe ich herbeigesehnt. So ist das mit manchen Reden,
die man hier hört.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
der FDP)
Ich danke dem Ältestenrat – der nicht häufig gelobt
wird –, dass er den Haushaltsansatz des Gesundheits-
ministers als Höhepunkt,
(Elke Ferner [SPD]: Ja, das ist wirklich ein
Höhepunkt!)
quasi als Schlussstein wie in einem gotischen Gewölbe,
an das Ende der politischen Auseinandersetzung gesetzt
hat.
(Beifall des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/
CSU] – Christian Lange [Backnang] [SPD]:
So sind wir!)
Ich danke auch Ihnen, Herr Rösler,
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Reden Sie
doch mal über Seehofer!)
und Ihren eloquenten Staatssekretären für die – „Einflüs-
terungen“ hätte ich beinahe gesagt – guten Gespräche.
Auch mit Ihnen, liebe Frau Flach, haben wir den vorlie-
genden Haushalt nach vielen Sitzungen auf den Weg ge-
bracht.
Es wurde bereits angesprochen, dass der Haushalt un-
gewöhnlich ist. Es ist ein Rekordhaushalt. In Zeiten, in
denen Sparen angesagt ist, ist das für sich gesehen kein
Ruhmesblatt. Trotzdem haben wir das Volumen des
Haushalts um über 16 Milliarden Euro – um über
39 Prozent – ansteigen lassen.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist mehr
als die Mehrwertsteuersenkung!)
Wir mussten durch die krisenbedingten zusätzlichen
Ausgaben dem Haushalt einmalig 3,9 Milliarden Euro
zuschießen, um die Zuschüsse an den Gesundheitsfonds
einigermaßen in den Griff zu bekommen. Ich hatte ei-
gentlich gedacht – in den Gesprächen mit Ihnen, Herr
Bundesminister, deutete einiges darauf hin –, dass diese
3,9 Milliarden Euro nicht nötig sein werden, weil sich
die Konjunktur gegenüber 2009 verbessern wird. Trotz-
dem ist es richtig, was Sie gesagt haben: Die 3,9 Milliar-
den Euro gehen nicht verloren, sondern fließen in die
Rücklagen des Gesundheitsfonds. – So wird das sicher-
lich auch kommen.
Ich glaube übrigens schon, dass es eine starke Leis-
tung des Bundesgesundheitsministers war, dass er in den
ersten Tagen seiner Amtszeit – ich glaube, es war am
2. November – mit dem Finanzminister verhandelt und
3,9 Milliarden Euro bekommen hat. Es wurde, wie in
dieser Koalition üblich ist, eine schnelle Lösung gefun-
den und saubere Arbeit geleistet. Herzlichen Glück-
wunsch, sehr geehrter Herr Dr. Rösler.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dieser Haushalt zeichnet sich auf der einen Seite
durch Sparsamkeit aus. Frau Kollegin Flach ist darauf
ja schon eingegangen. Ich brauche nur noch einige we-
nige Punkte zu erwähnen:
Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit sind um
20 Prozent gekürzt worden. Auch die Zuschüsse für die
Erstattung der GKV-Beiträge für Aussiedler konnten
deutlich gekürzt werden. Ich muss auch sagen, dass ich
die Sache mit den Präventions- bzw. Aufklärungsmaß-
nahmen anders sehe als Sie, Herr Schurer: 13,2 Millio-
nen Euro standen in den letzten Jahren immer im Haus-
halt. So ist es auch bei diesem Haushalt. Keine Kürzung,
was die Prävention auf diesem Gebiet anbelangt. Keine
Kürzung, was die Aufklärung anbelangt.
(Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, was
sagen Sie zu Seehofer?)
Herr Schurer, ich bin allerdings schon der Meinung,
dass wir dieses Thema im Rahmen der nächsten Haus-
haltsberatungen in den Mittelpunkt rücken müssen.
(Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, sagen
Sie was zu Seehofer!)
Es geht zum Beispiel um die Gelder, die wir für Aids-
vorsorge und -aufklärung in der Ukraine einsetzen.
2958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Alois Karl
(A) (C)
(D)(B)
Sextourismus ist sicherlich eine unappetitliche Sache,
aber in Zeiten der völligen Freizügigkeit, in Zeiten der
offenen Grenzen können wir das nicht kontrollieren. Die
bisherigen Maßnahmen werden fortgesetzt, aber wir
können auch im nächsten Haushalt die Mittel nicht so er-
höhen, um die Aufklärungsmaßnahmen auch auf das
sonstige Osteuropa, auf Afrika und auf Asien auszudeh-
nen. Wir müssen in den nächsten Haushaltsberatungen
auf diesem Gebiet mehr Haushaltsdisziplin an den Tag
legen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Unglaublich!)
Erfreulich ist, dass wir 25 Millionen Euro entsperren
konnten für die Stiftung, die jenen materielle Hilfe zu-
kommen lässt, die vor über 20 Jahren mit HIV infiziert
worden sind.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
So können wir diese Stiftung wenigstens materiell unter-
stützen. Die immaterielle Not dieser Menschen kann so-
wieso nicht gelindert werden.
Trotz des Willens, zu sparen, haben wir auf der ande-
ren Seite auch investiert. Wir werden investieren, und
zwar intelligent.
(Elke Ferner [SPD]: Das wäre etwas Neues!)
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
dukte, das BfArM, wird in personeller Hinsicht deutlich
gestärkt. Das hat damit zu tun, dass dieses Institut jedes
Arzneimittel, bevor es auf den Markt kommt, auf seine
Unbedenklichkeit untersucht. Dafür fallen Gebühren an.
Durch das zusätzliche Personal können jetzt in kürzerer
Zeit mehr Arzneimittel getestet werden. Das will die In-
dustrie so. Das kommt dem Patienten zugute. Die Phar-
maindustrie muss die Zulassungskosten sowieso bezah-
len. Also fließt das Geld lieber jetzt als später. Ich finde,
das, was wir hier auf den Weg gebracht haben, ist intelli-
gentes Investieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wir investieren auch in das Robert Koch-Institut,
die zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung der
Bundesrepublik, wenn es um die Biomedizin geht. Das
Robert Koch-Institut ist auch zuständig für die Erken-
nung und Schadensbegrenzung bei Anschlägen mit bio-
logischen Agenzien. 2001, nach den Anschlägen von
New York, hat die Regierung Schröder/Fischer die Neu-
baumaßnahme auf den Weg gebracht. Aber es krankt bei
der Umsetzung, um in der Sprache des Haushaltes zu
bleiben. Obwohl jetzt neun Jahre vergangen sind, ist vor
lauter Planung, vor lauter Visionen und vor lauter Kos-
tenschätzungen noch nichts Wesentliches geschehen. Ich
hoffe, dass mit unseren Haushaltsansätzen, sehr geehrte
Frau Flach, wir es wenigstens noch erleben können, dass
der erste Stein gelegt wird. Das zieht sich in der Tat
schon neun Jahre so hin.
(Abg. Ewald Schurer [SPD] meldet sich zu
einer Zwischenfrage)
– Der Herr Schurer möchte eine Zwischenfrage stellen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich wollte Sie gerade fragen. Jetzt fragen Sie mich.
Daher erteile ich großzügig Genehmigung.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)
Ewald Schurer (SPD):
Herr Kollege Karl, wir beide sind ja Haushälter und
deswegen noch mehr als alle anderen zur Wahrheit ver-
pflichtet.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sehr
gut!)
Wahrheit und Klarheit! Kontrolle des Parlaments! – Kol-
lege Karl, haben Sie schon einmal etwas von dem Pro-
gramm „RKI 2010“ gehört? Da ist über drei Jahre im
Personalbereich und bei der Ausstattung dieses Spitzen-
institutes, dieses Referenzinstitutes der deutschen Ge-
sundheitsmedizin viel gemacht worden, auch mit viel
Geld. Ich wollte Ihnen das begleitend andienen und dazu
sagen: Die Probleme des RKI sind nach meiner Meinung
nicht umfänglich, aber weitgehend gelöst worden, auch
durch gute Planungen der ehemaligen Bundesregierung.
Haben Sie das zur Kenntnis genommen? Das ist Punkt
eins.
Punkt zwei ist: Sie arbeiten sich jetzt an guten, sub-
stanziellen Themen aus dem Bereich des BMG ab; das
akzeptiere ich. Aber etwas vermisse ich. Ich habe den
Freundinnen und Freunden der CSU, mit denen ich im-
mer wieder sehr gerne diskutiere und den Dialog suche,
ein Dialogangebot gemacht; ich nenne es einmal so.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ja,
genau! – Ulrike Flach [FDP]: Oh!)
Ich habe aber noch nichts gehört. Ich würde Sie oder
Ihre Kollegen um eine manifeste Einschätzung bitten,
wie Sie die Einwürfe sozusagen von der Seite des Spiel-
felds sehen, die der bayerische Gesundheitsminister,
Herr Söder, und der bayerische Ministerpräsident, Horst
Seehofer, immer wieder machen. Sie sagen: Nein, diesen
Paradigmenwechsel weg von der Solidarität, eine
Durchbrechung der Parität können wir nicht mitmachen.
Mit uns geht das auf jeden Fall nicht. – Ich würde Sie
bitten, hier einmal eine Einschätzung vorzunehmen. Ich
bin davon überzeugt, dass die Menschen im Lande auf
eine Antwort vonseiten der CSU warten. Man ist ein biss-
chen verunsichert, was jetzt zählt. Zählt das aus Mün-
chen, haben Sie hier eine eigene Meinung, oder haben
Sie die gleiche Meinung?
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege.
Ewald Schurer (SPD):
Man muss da ein bisschen Orientierung schaffen.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Danke schön,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2959
(A) (C)
(D)(B)
Alois Karl (CDU/CSU):
Lieber Herr Schurer, ich verstehe ja Ihre Intention,
noch einmal ein Referat über das zu halten, was Sie vor-
hin schon nicht ganz klar vorgetragen haben.
(Ewald Schurer [SPD]: Ich frage Sie! – Harald
Weinberg [DIE LINKE]: Das liegt an Ihnen!)
Meine Redezeit beträgt noch 3 Minuten und 33 Sekun-
den. Ich komme auf dieses Thema also noch zu spre-
chen.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Du kannst
doch die Zeit jetzt nutzen!)
Sie können es offensichtlich kaum erwarten. Dass dieses
Thema – ich nehme es jetzt vorweg – noch nicht abge-
schlossen ist, hat der Bundesgesundheitsminister häufig
gesagt. Auch die Bundeskanzlerin hat hier häufig ausge-
führt, dass uns dieses Thema in den nächsten Jahren sehr
intensiv begleiten wird.
Um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin der Meinung,
dass es nicht sein kann, dass sich die Kosten der Arbeit
jedes Mal erhöhen, wenn die Gesundheit teurer wird.
Das ist ein Stück, das wir nicht weiterführen können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dass eine gewisse Abkopplung der Nebenkosten von
den Gesundheitskosten stattfinden muss, muss doch je-
dem klar sein.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da müssen wir
uns einig sein!)
Auf die Ergebnisse dieser Kommission, Herr Rösler,
sind wir natürlich gespannt. Politischer Dialog und poli-
tische Auseinandersetzung müssen sein. Sie können aber
nicht im Vorfeld beendet werden, Herr Schurer. Sie wer-
den sich noch wundern, welch tolle Ergebnisse wir am
Ende der Diskussion und des Dialogs haben werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Ewald Schurer [SPD]: Ich bedanke mich für
die Antwort!)
Ich fahre in meiner Rede fort. Ich bin der Meinung
– das ist vorhin schon ausgeführt worden –, dass wir
auch im Gesundheitswesen auf die Gleichwertigkeit der
Lebensbedingungen in Stadt und Land achten müssen.
Die Frage der Ärzteversorgung auf dem flachen Land
wird uns in den nächsten Jahren umtreiben. Die ländli-
chen Räume könnten deutlich ärmer werden, wenn wir
es nicht schaffen, dort in der Zukunft genügend Ärzte zu
installieren.
Der Bundesminister legt sich augenblicklich mit vie-
len Interessengruppen an.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: CSU!)
Wer sich mit der Pharmaindustrie anlegt, muss harte
Bandagen anlegen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Anlegen! –
Elke Ferner [SPD]: Ach!)
Kurzfristige Erfolge wird es kaum geben. Trotzdem
meine ich: Viel Feind, viel Ehr, lieber Herr Gesundheits-
minister, das wird eine Überschrift für Ihre Arbeit sein.
Aber wenn Sie diese Pläne weiterhin mit Konsequenz,
Nachdruck und großem Einsatz betreiben, werden Sie
unsere Unterstützung haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
Ferner [SPD]: Wo ist ein konkreter Vor-
schlag?)
Die Monopolstellung der Pharmaindustrie bei der Ge-
staltung der Preise für Arzneimittel muss gebrochen
werden.
(Lachen des Abg. Harald Weinberg [DIE
LINKE] – Elke Ferner [SPD]: Sie müssen sich
einmal einen anderen Redenschreiber suchen! –
Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
So einen Stuss muss man doch nicht vorlesen!)
Ich glaube, dass das von Ihnen zunächst ins Spiel ge-
brachte Einsparvolumen von 2 Milliarden Euro – die Li-
teratur spricht davon, dass noch genug Potenzial nach
oben vorhanden ist – zunächst einmal ein guter Anfang
ist. Zwangsrabatte und Preismoratorien sind gewiss
schnell wirkende Kostenbremsen. Wenn man bedenkt,
dass eine Anhebung der Herstellerrabatte um nur
1 Prozent eine Einsparung zugunsten der GKV in Höhe
von etwa 100 Millionen Euro bedeutet, dann wissen wir,
auf welchem Gebiet wir angreifen müssen. Hierbei ha-
ben Sie unsere Unterstützung, Herr Rösler.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo bleiben Ihre
Vorschläge?)
Es geht aber nicht allein um kurzfristige, sondern
auch um langfristige Lösungen.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)
Ich denke an Festbetragslösungen auch für patentge-
schützte Arzneimittel, insbesondere dann, wenn es sich
um Analogpräparate handelt. Diese müssen in die Ver-
träge, die zwischen den Krankenkassen und der Pharma-
industrie geschlossen werden, einbezogen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arznei-
mittelkosten sind in den letzten zehn Jahren um
50 Prozent oder mehr gestiegen.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: 30 Prozent!)
Man hat geradezu den Eindruck, dass in das Gesund-
heitssystem gar nicht so viel Geld hineingepumpt wer-
den kann, wie Jahr für Jahr durch übermäßige Medika-
tion und viel zu hohe Medikamentenpreise hinausfließt.
Ich meine, hier ist der richtige Ort, um darauf hinzu-
weisen, dass die Arzneimittelbepreisung für nie-
manden ein Selbstbedienungsladen sein darf. Bei der
Gestaltung der Arzneimittelpreise scheint jegliche Diszi-
plin verlorengegangen und Maßlosigkeit aufgekommen
zu sein.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Und wer hat
das befördert? Das wart doch ihr!)
Hier müssen wir in der Tat eingreifen und Vergleiche im
Hinblick auf Kosten und Nutzen auf den Weg bringen.
2960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Alois Karl
(A) (C)
(D)(B)
(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Dann tut es
doch! Los, anfangen!)
Das IQWiG ist nicht geschwächt worden, das IQWiG ist
in seiner vollen Blüte erhalten.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ach du meine
Güte! Das ist seine volle Blüte?)
Der Haushaltsansatz betrug in den letzten Jahren und be-
trägt in diesem Jahr 800 000 Euro.
Lieber Herr Bundesminister, wir sind gespannt, was
Sie im Hinblick auf die Handelsspannen des Phar-
magroßhandels und damit auch bezüglich der Gestaltung
der Rabatte für Apotheken unternehmen werden. Wir
sind auch gespannt, welche Einsparpotenziale Sie hier
feststellen, was zulasten des Großhandels und was zulas-
ten der Apotheken geht. Lassen Sie sich dabei nicht von
Querschüssen aus Bayern irritieren. Ich meine nament-
lich den dortigen Wirtschaftsminister, Ihren Parteifreund
Martin Zeil, der sich dazu geäußert hat.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der FDP sowie des Abg.
Dr. Karl Lauterbach [SPD])
Meine Damen und Herren, der demografische Wan-
del erfordert viel. Er erfordert auch ein Umdenken bei
der Finanzierung.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wird ja ein
Filibuster!)
Ich habe es angesprochen: Es kann nicht richtig sein,
dass die Gesundheitskosten allein an den Lohnnebenkos-
ten hängen.
(Elke Ferner [SPD]: Auch an den Versicherten,
oder nicht?)
Es liegen schwierige Aufgaben vor uns, die wir auch im
Rahmen der nächsten Haushalte zu bewältigen haben.
Für den Haushalt 2010, sehr geehrter Herr Gesundheits-
minister, gebe ich Ihnen unser Plazet. Wir stimmen dem
Haushalt zu. Wir meinen, dass Sie gute Arbeit geleistet
haben.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Sven-Christian Kindler für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bun-
deskanzlerin hat am Mittwoch in ihrer Rede zum Kanz-
leramtsetat erklärt, es sei nicht fair, dass die Opposition
beim Thema Gesundheit immer Dinge behauptet, die
nicht stimmen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist ja auch so!)
Die Beobachtung, dass viel über die Unsinnigkeit der
Kopfpauschale hergezogen wird, ist richtig. Die Behaup-
tung der Kanzlerin ist dennoch in mehrfacher Hinsicht
falsch.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was? Wieso?)
Erstens wird die Kopfpauschalendiskussion wesent-
lich durch Mitglieder der Parteien, die die Regierungs-
fraktionen stellen, mit Hohn und Spott befeuert. Oder
zählt Frau Bundeskanzlerin die Herren Seehofer, Söder
und Dobrindt mittlerweile schon zur Opposition?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald
Weinberg [DIE LINKE]: Das könnte man mei-
nen!)
Zweitens stützen wir Grünen uns bei der Bewertung
des Regierungshandelns auf Fakten, die uns die Regie-
rung liefert.
Beim Thema Gesundheitsreform treiben Sie ein dop-
peltes Spiel: Einerseits wird im Hinblick auf die Regie-
rungskommission immer darauf verwiesen, dass nichts
feststehe. Andererseits gackert der Hühnerhaufen täglich
wild aufs Neue los. Auch der Bundesgesundheitsminis-
ter beteiligt sich rege am Diskussionsprozess. So ver-
kommt Ihre Gesundheitspolitik doch in Wahrheit zur
Gesprächstherapie in Ihrer zerrütteten eheähnlichen
Wunschkoalition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald
Weinberg [DIE LINKE]: Das ist eine
Wunschehe!)
Aber nun wird sich die „unfaire“ Opposition einmal
den Fakten widmen. Wenn das Versprechen eines umfas-
senden Sozialausgleichs erfüllt werden soll, dann wird
die Einführung einer Kopfpauschale erstens teuer für
den Bundeshaushalt und zweitens für die Bürgerinnen
und Bürger zu einem bürokratischen Mehraufwand füh-
ren.
Die Rahmendaten sind im Wesentlichen klar. Bei der
vollen Umwandlung des bisherigen Systems in ein
Kopfpauschalensystem ist ein Sozialausgleich mit
Steuermitteln in Höhe von 22 bis 35 Milliarden Euro
notwendig. Fragt man den Finanzminister, wie sich dann
die Einkommensteuer verändern müsste, erfährt der er-
staunte Haushälter: Der Spitzensteuersatz müsste im
günstigsten Fall auf 73 Prozent steigen, im ungünstigs-
ten Fall sogar auf 100 Prozent. Das ist anscheinend die
neue FDP-Steuerpolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber auch die kleine Zusatzpauschale, gewisser-
maßen 29,99 Euro, kann nicht der richtige Weg sein.
Denn selbst für den mit ungefähr 5 Milliarden Euro ver-
gleichsweise günstigen Sozialausgleich würde der Bun-
deshaushalt 2010 die Mittel nicht hergeben, erst recht
nicht, wenn die Steuersenkung kommt, die die FDP zu-
mindest bis zur NRW-Wahl fordern wird.
(Ulrike Flach [FDP]: Die wird weiter ge-
fordert! Und sie wird umgesetzt!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2961
Sven-Christian Kindler
(A) (C)
(D)(B)
Wie sich die innere Logik dieser Reformen zusam-
menbringen lässt, kann anscheinend nur ein Orakel sa-
gen. Die einzige Antwort der FDP ist: Das geht irgend-
wie. Eigentlich muss einen das erstaunen: Nach elf
Jahren in der Opposition hat die FDP gerade einmal zwei
politische Themen, nämlich Steuersenkung und Kopf-
pauschale, und sie hat anscheinend keine Minute über-
legt, ob diese beiden Konzepte überhaupt zusammenpas-
sen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Am schlimmsten finde ich persönlich, dass Sie, wenn
der Steuerzuschuss kommt, Millionen Menschen, die
sich ihre Krankenversicherung bisher leisten konnten, zu
Bittstellern degradieren, die zum Sozialamt gehen müs-
sen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Man kann also nur zu der Bewertung kommen, dass
die Kopfpauschale Kleinverdiener und Geringverdiener
stärker belasten würde als Besserverdiener, dass die
Kopfpauschale Nonsens sei, dass die Kopfpauschale
blanke Illusion sei, dass die Kopfpauschale – egal ob
groß oder klein – unsolidarisch sei usw. usf. Diese Be-
wertung finden Sie vielleicht unfair; aber dann melden
Sie sich bitte bei der CSU.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/
CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Jens Spahn (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-
sundheitspolitik ist im Grunde die soziale Frage des
21. Jahrhunderts; denn anders als bei den anderen sozia-
len Sicherungssystemen geht es hier nicht nur und nicht
unmittelbar um Geld, sondern um Lebensqualität und,
wenn es ganz hart kommt, um zusätzliche Lebensjahre.
(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Sie sollten
die Beschäftigten nicht vergessen!)
Wir stehen bei diesem wichtigen sozialen Sicherungs-
system vor großen Herausforderungen. Die erste ist die
demografische Entwicklung. Wir werden alle gemein-
sam – auch Sie, Frau Bunge – älter in diesem Land. 2050
wird ein Drittel der Bevölkerung über 60 sein.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist nicht
schlimm!)
Das ist an und für sich schön; aber für die sozialen Si-
cherungssysteme ist es eine Herausforderung.
Die zweite Herausforderung ist der medizinische
Fortschritt. Erkrankungen, die vor zwanzig oder dreißig
Jahren nicht einmal diagnostiziert werden konnten, kön-
nen heute behandelt werden. So sind viele zusätzliche
Lebensjahre möglich.
Eine dritte große Herausforderung für uns – das sage
ich als Münsterländer, also als jemand, der aus einer eher
ländlichen Region kommt – ist die Frage, wie wir eine
flächendeckende Versorgung sicherstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Ich behaupte: Gerade die gute flächendeckende medizi-
nische Versorgung – 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Wo-
che, 24 Stunden am Tag, und das nicht nur in Berlin,
nicht nur in Hamburg, nicht nur in Düsseldorf, nicht nur
in München, sondern auch in den ländlichen Regionen:
in der Eifel, in Mecklenburg-Vorpommern, im Bayeri-
schen Wald – ist das Qualitätsmerkmal des deutschen
Gesundheitssystems, durch das sich unser System von
anderen Gesundheitssystemen deutlich abhebt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wer sich diesen Herausforderungen stellen will und
die Qualität, die wir haben, halten will, der wird auf die
Kostenentwicklung eine Antwort finden müssen. Denn
eines ist klar: Es wird auf jeden Fall teurer werden. So-
viel wir uns auch bemühen werden, Effizienzreserven zu
heben und da, wo es geht, ohne Qualitätsverlust zu spa-
ren, die ehrliche Botschaft muss lauten: Es wird teurer.
Wir haben in dieser Woche erste Schätzungen gehört,
wie sich das Defizit im nächsten Jahr entwickeln wird.
Je nachdem, wovon man ausgeht, wird das Defizit zwi-
schen 7 und 15 Milliarden Euro liegen. Der Wert in der
Mitte – 11 Milliarden Euro – macht die Größe der He-
rausforderungen, vor denen wir stehen, deutlich, macht
deutlich, dass das Gesundheitssystem so, wie es heute
ist, aber auch das System mit dem Zusatzbeitrag, das wir
übrigens gemeinsam verabschiedet haben, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der SPD, spätestens im nächs-
ten Jahr an Grenzen stoßen wird. Das System kann also
nicht bleiben, wie es heute ist. Darauf braucht es Ant-
worten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
Geschrei hilft nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo sind denn
Ihre Antworten?)
Wenn man Sie so reden hört – Herr Schurer hat gere-
det; gleich wird Herr Lauterbach reden –, bekommt man
öfters den Eindruck, es wäre der 2. Februar.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Da ist Mariä Licht-
mess!)
Am 2. Februar ist nämlich Murmeltier-Tag.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Den kennen wir
gar nicht!)
2962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Jens Spahn
(A) (C)
(D)(B)
Wenn ich Sie in den Debatten, die wir führen, reden
höre, geht es mir wie Phil in Und täglich grüßt das Mur-
meltier. Woche für Woche wird Ihre Abkehr von elf Jah-
ren Regierungspolitik immer deutlicher. Ihr neuer Partei-
vorsitzender, Sigmar Gabriel, hat kürzlich gesagt,
künftig gelte: „Zuerst die Partei, dann das Land“, das sei
das neue Motto der SPD.
(Widerspruch bei der SPD – Elke Ferner
[SPD]: Wo soll er das gesagt haben?)
– Das hat er so gesagt. Das können wir gerade in der Ge-
sundheitspolitik sehr deutlich erleben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie verabschieden sich von allem, was Sie in den letz-
ten elf Jahren an Erkenntnissen gewonnen haben:
(Ulrich Kelber [SPD]: Ekelhaft!)
in der Frage der Entlastung der Arbeitskosten von den
steigenden Gesundheitskosten, in der Frage der Zuzah-
lung, in der Frage der Zusatzbeiträge, die wir in der Gro-
ßen Koalition verabschiedet haben. Sie machen im
Grunde eine Abrechnung – das haben wir Ihnen schon
deutlich gesagt; das setzen Sie hier fort – vor allem mit
den Ministerjahren von Ulla Schmidt.
(Ewald Schurer [SPD]: Wir entwickeln wei-
ter!)
Sie müssen den Menschen erklären, warum heute nicht
mehr gelten soll, was noch vor einem Jahr in den Debat-
ten auch im Deutschen Bundestag von Ihrer Seite aus
klar und deutlich gesagt wurde. Das ist im Moment in
den Debatten Ihr Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Karl
Lauterbach [SPD]: Ablenkung!)
– Ablenkung ist ein gutes Stichwort, Herr Kollege
Lauterbach. Jede Woche kündigen Sie aufs Neue ein
durchgerechnetes Konzept zur Bürgerversicherung an.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren
doch! Kommen Sie zur Sache! Einfach zur Sa-
che! Ihre Vorschläge! – Harald Weinberg [DIE
LINKE]: Was denken Sie?)
Sie haben hier im Deutschen Bundestag im Dezember
angekündigt, Sie würden ein durchgerechnetes Konzept
– ich habe mir das Protokoll geben lassen – zur Bürger-
versicherung vorlegen. Auf dieses durchgerechnete
Konzept warten wir bis heute ebenso wie auf eine Ant-
wort.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Lauterbach?
Jens Spahn (CDU/CSU):
Bitte schön.
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Herr Spahn, können Sie uns erklären, weshalb Sie uns
mit falschen Darstellungen dessen, was Sie glauben, was
wir in der Vergangenheit gemacht oder gesagt hätten, die
Zeit stehlen, statt Ihre konkreten Vorschläge – Sie regie-
ren doch, nicht wir –
(Beifall bei der SPD sowie der Abg.
Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])
vorzulegen? Erklären Sie uns doch, weshalb von Ihrem
Minister nichts kommt, sodass Sie über unsere vergan-
gene Regierung reden müssen und nicht über das spre-
chen, was Sie jetzt tun könnten, Herr Spahn.
(Beifall bei der SPD)
Jens Spahn (CDU/CSU):
Über Ihre vergangene Regierung muss man deswegen
reden, weil wichtige Erkenntnisse, die wir in der Großen
Koalition gemeinsam gewonnen haben und die Sie auch
schon in der rot-grünen Regierungszeit gewonnen hatten
und die wir auch hier schon diskutiert haben, dass näm-
lich die von mir dargestellte ständige Steigerung der
Kosten im Gesundheitswesen nicht automatisch und
ständig die Arbeitskosten belasten darf,
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das bestreitet
niemand! Ich bitte Sie!)
heute von Ihnen infrage gestellt werden. Sie müssen be-
antworten, warum das so ist. Dieser Frage müssen Sie
sich einmal stellen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Heinz Lanfermann [FDP]: Sie waren doch mal
klüger!)
Angesichts dieser Debatten scheinen Sie eher er-
schrocken zu sein, dass wir in einigen Feldern das, was
Sie in elf Jahren Regierungszeit im Bundesministerium
für Gesundheit nicht geschafft haben, nun tatkräftig an-
gehen.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Elke
Ferner [SPD]: Was denn? – Christian Lange
[Backnang] [SPD]: Das ist das Problem, dass
Sie nichts angehen!)
Wir werden – darauf hat der Kollege gerade schon
hingewiesen – bei der Preisfindung im Arzneimittelbe-
reich das, was Sie in elf Jahren nicht geschafft haben,
durchsetzen,
(Elke Ferner [SPD]: Sie haben doch blo-
ckiert!)
nämlich dass wir bei Arzneimitteln nur für einen tatsäch-
lich erwiesenen Zusatznutzen dauerhaft mehr Geld zah-
len, sodass es hier eine Verbindung zwischen Preis und
Nutzen gibt. Sie haben elf Jahre lang regiert und das
nicht geschafft.
(Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns nicht
unterstützt!)
Nun sind Sie erschrocken darüber, dass es nun gerade
eine bürgerliche Koalition ist, die das erreichen wird.
Warten Sie ab! Wir werden das noch dieses Jahr hinbe-
kommen!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2963
Jens Spahn
(A) (C)
(D)(B)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wir warten schon
ewig und drei Tage!)
Ich will noch einige Sätze zum IQWiG sagen, zum
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge-
sundheitswesen und seiner Kosten-Nutzen-Bewertung.
Warten Sie erst einmal ab, was am Ende herauskommt!
Ich sage Ihnen: Wir werden das IQWiG, das Institut für
die Nutzenbewertung von Arzneimitteln, im Zweifel
personell, inhaltlich und in den Verfahren eher stärken
als schwächen.
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!)
Messen Sie uns an unseren Taten, nicht an Ihren eigenen
Worten!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ver-
suchen wir verzweifelt! Wenn Sie welche hät-
ten!)
Sie scheinen in noch einem weiteren Punkt erschro-
cken darüber zu sein, dass wir etwas wahrmachen, wo-
von Sie viele Jahre lang nur geredet haben.
(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])
Sie haben immer eingefordert – in der Zielsetzung nicht
einmal zu Unrecht –, dass es für die gesetzliche Kran-
kenversicherung eine breitere Finanzierungsgrund-
lage geben muss. Es kann nicht sein, dass alleine die ab-
hängig Beschäftigten und insbesondere ihre Arbeitgeber
mit ihren Beiträgen das Gesundheitswesen finanzieren.
(Elke Ferner [SPD]: Welche Steuern wollen
Sie denn erhöhen? – Ewald Schurer [SPD]: Sie
haben uns dabei nicht unterstützt!)
Wir haben dankenswerterweise in der Großen Koali-
tion einen ersten Schritt gemacht, indem wir die Zusatz-
beiträge eingeführt haben, die sich nun langsam entwi-
ckeln. Der entscheidende Punkt, um den es jetzt geht, ist,
dass wir einen steuerfinanzierten Sozialausgleich ein-
führen wollen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
der – das wissen wir im Übrigen ganz genau – natürlich
möglichst einfach und möglichst ohne großen zusätzli-
chen bürokratischen Aufwand funktionieren muss,
(Elke Ferner [SPD]: Sie haben den Sozial-
ausgleich blockiert!)
der aber als steuerfinanzierter Sozialausgleich das Ge-
sundheitswesen und insbesondere den Sozialausgleich
auf breitere Schultern stellen wird. Er wird auch zusätz-
liche Einnahmen wie Zinsen und Miet- und Kapitalein-
künfte durch die Steuern, die darauf erhoben werden, be-
rücksichtigen.
(Elke Ferner [SPD]: Aha!)
Damit erreichen wir das, wovon Sie seit vielen Jahren
reden, aber bis heute nicht ansatzweise ein Konzept vor-
gelegt haben. Das ist es doch, was Sie an dem, was wir
jetzt angehen, so wurmt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Elke Ferner [SPD]: Ist das eine An-
drohung von Steuererhöhungen?)
Insofern kann ich Ihnen, weil Sie gerade ja auch nach
konkreten Vorschlägen fragten, nur sagen: Die Grund-
linie ist klar, die Zielrichtung auch. Wir wollen den
Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung – insbe-
sondere auch für eine zukünftige moderate Kostenent-
wicklung –, bei der es nicht automatisch aufgrund der
Steigerungen der Ausgaben im Gesundheitswesen zu ei-
ner Erhöhung der Arbeitskosten kommt. Mit dieser kla-
ren Zielvorgabe haben wir einen ebenso klaren Auftrag
an die Regierungskommission erteilt, die in dieser Wo-
che zum ersten Mal getagt hat.
Ich empfehle Ihnen, diese Kommission jetzt einmal in
Ruhe arbeiten zu lassen, damit sie die Ergebnisse nach
und nach erarbeiten und dann vorlegen kann,
(Elke Ferner [SPD]: Wen meinen Sie denn jetzt?
Herrn Söder oder Herrn Seehofer?)
also einfach noch zwei, drei Monate zu warten, bis es
erste Ergebnisse der Regierungskommission und eine
erste Richtung gibt, um dann tatsächlich in die inhaltli-
che Auseinandersetzung einzusteigen, anstatt hier mur-
meltierartig jede Woche mit uns die gleiche Debatte zu
führen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das
größte Murmeltier steht vor uns!)
Lieber Herr Kollege Lauterbach, vielleicht haben Sie
bis dahin ja auch ein paar Zahlen zu Ihrem eigenen Kon-
zept. Dann könnten Sie sich inhaltlich so einbringen, wie
der Kollege Schurer das gerade für die SPD-Fraktion an-
gekündigt hat. Das wäre ja auch schon einmal eine
Menge wert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Es gibt eine weitere Anfrage bezüglich einer Zwi-
schenfrage, und zwar des Kollegen Lemme.
Jens Spahn (CDU/CSU):
Bitte.
Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Herr Abgeordneter Spahn, woher nehmen Sie denn
die notwendigen Steuermittel in Höhe von 5 Milliarden
Euro? Der Haushalt wird ja heute hier verabschiedet.
Wenn Sie das anpeilen, was Minister Rösler der Öffent-
lichkeit schon angedeutet hat, nämlich eine Kopf-
pauschale von 29 Euro, dann fehlt Ihnen ja dieser steuer-
liche Anteil. Woher nehmen Sie den aus dem
Nachtragshaushalt, und wann ist damit zu rechnen?
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auf Fehlinfor-
mationen brauchen wir nicht zu antworten!)
2964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
(A) (C)
(D)(B)
Jens Spahn (CDU/CSU):
Herr Kollege, wir reden gerade über den
Haushalt 2010. Im Übrigen hat das mit diesem Haushalt
noch gar nichts zu tun.
(Ewald Schurer [SPD]: Das macht die Kom-
mission, oder!? – Birgitt Bender [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegducken vor der
Zukunft!)
Daneben sind die Zahlen, die Sie genannt haben, keine
Zahlen, die – das hat der Minister auch schon dargestellt –
irgendetwas mit dem Ministerium zu tun haben, sondern
sie sind Gott weiß wo aus der Welt gegriffen worden.
Ohne Zweifel haben Sie aber recht, dass wir für den
steuerfinanzierten Sozialausgleich auch Geld aus dem
Bundeshaushalt brauchen; das ist ja überhaupt keine
Frage.
(Elke Ferner [SPD]: Ja! Woher nehmen Sie es
denn?)
Genau deswegen sitzen ja die mitbeteiligten und auch
mitbetroffenen Ressorts in dieser Regierungskommis-
sion mit am Tisch, um gemeinsam eine Lösung zu fin-
den.
(Elke Ferner [SPD]: Sie sollen dann einen
Sparbeitrag leisten, oder wie!?)
Eines geht aber eben nicht: Die Linke stellt hier An-
träge, 3 Milliarden Euro zusätzlich für Krankenhäuser
und andere Dinge zur Verfügung zu stellen, ohne zu sa-
gen, wie das finanziert werden soll. Ihr Kollege
Lauterbach sagte in einer gemeinsamen Diskussion all-
gemein – ich kann mich noch gut daran erinnern –: Die
künftigen Kosten der demografischen Entwicklung soll-
ten wir einfach irgendwie aus dem Bundeshaushalt fi-
nanzieren.
Glauben Sie mir: Wir werden ein sauber finanziertes
Konzept vorlegen. Dafür sitzt die Regierungskommis-
sion zusammen,
(Elke Ferner [SPD]: Da sind wir aber ge-
spannt, Herr Spahn! – Christian Lange [Back-
nang] [SPD]: Das wäre das erste Mal!)
und sie diskutiert eben nicht nur in Überschriften, wie
man sich das in der Opposition wohl leider erlauben
kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deswegen bleibe ich bei dem, was ich auch in den
vergangenen Debatten gesagt habe.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Man
kann das Falsche auch immer wiederholen;
das ist klar!)
Wir werden – –
(Abg. Bettina Hagedorn [SPD] meldet sich zu
einer Zwischenfrage)
– Herr Präsident.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Es gibt den Wunsch, eine weitere Zwischenfrage zu
stellen. – Bitte schön.
Bettina Hagedorn (SPD):
Kollege Spahn, ich spreche Sie als Haushälterin und
unabhängig von dem an, was wir hier jetzt über die
Kopfpauschale diskutieren.
Ich möchte Sie an die Gesundheitsreform 2007 erin-
nern. Im Haushaltsausschuss, dem wir damals gemein-
sam angehört haben, war für die Jahre 2007 bis 2016
eine Unterfinanzierung von aufsummiert 90 Milliarden
Euro absehbar. Diese kam durch die Leistungen zu-
stande, die wir in der Großen Koalition gemeinsam und
solidarisch für die Menschen und für die Patienten woll-
ten, für die es aber noch keine Gegenfinanzierung gab –
außer dem, was wir gemeinsam wollten und auch ge-
macht haben: Wir haben zugesagt, dass das aus Steuer-
mitteln geschehen wird. Wir wollten damals eine solide
Gegenfinanzierung aufbauen.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gibt es noch
eine Frage?)
Das ist damals an der CDU/CSU gescheitert.
Kollege Spahn, jetzt ist es aber so, dass dieser in
Treppenform ansteigende Steuerzuschuss geblieben ist
(Ulrike Flach [FDP]: Frage!)
und dass Sie mit der neuen Koalition beschlossen haben,
die Arbeitgeberbeiträge zu deckeln.
(Ulrike Flach [FDP]: Frage! – Heinz
Lanfermann [FDP]: Frage!)
Stimmen Sie mir zu,
(Heinz Lanfermann [FDP]: Nein!)
dass Sie die Versicherten und die Steuerzahler durch die
Deckelung der Arbeitgeberbeiträge ab 2011 mit die-
sen Mehrausgaben letzten Endes alleinlassen, ohne ein
Gegenfinanzierungskonzept zu haben?
Jens Spahn (CDU/CSU):
Die einfache Antwort wäre: Nein. Ich möchte aber zu
zwei Dingen, die Sie mir unterstellt haben, etwas sagen.
Erstens. Sie haben mal wieder den Begriff der Kopfpau-
schale, von dem ich nicht weiß, woher er kommt, ver-
wendet.
(Lachen bei der SPD)
– Sie können einmal versuchen, darüber nachzudenken.
Wir gehen jetzt schließlich ins Wochenende. – Allein der
Umstand, dass wir die beitragsfreie Mitversicherung von
Ehepartnern und Kindern beibehalten,
(Elke Ferner [SPD]: Das ist aber sehr
konstruiert!)
macht deutlich, dass es im Ergebnis nicht um einen Pro-
Kopf-Beitrag gehen wird,
(Elke Ferner [SPD]: Pro Kopf Mitglied GKV!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2965
Jens Spahn
(A) (C)
(D)(B)
sondern dass wir eine Lösung jenseits dessen finden
werden. Dies wird im Übrigen im Rahmen eines ver-
nünftigen steuerfinanzierten Sozialausgleichs gesche-
hen. Vielleicht geht das zur Abwechslung in Ihren Kopf
hinein.
(Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
– Ich bin gerade dabei, Ihre Frage zu beantworten.
Zweitens. Sie haben gesagt, wir hätten die Absicht,
den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben. Ich weiß nicht,
ob Sie sich daran erinnern, dass wir das bereits zusam-
men mit Ihnen gemacht haben.
(Elke Ferner [SPD]: Nein! Nicht dauerhaft,
Herr Spahn! Lügen Sie hier nicht! Das ist nicht
dauerhaft!)
Wir haben mit der Einführung des Gesundheitsfonds die
automatische Beitragssatzentwicklung bei den Kranken-
kassen durch eine zentrale Festsetzung des Beitragssat-
zes durch die Bundesregierung nach vorheriger Befas-
sung durch den Bundestag abgelöst.
(Elke Ferner [SPD]: Aber nicht dauerhaft,
Herr Spahn!)
Das ist nichts anderes als eine Festschreibung des Ar-
beitgeberbeitrags, die Sie vor wenigen Monaten noch für
notwendig gehalten haben.
(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt nicht!)
Ich bleibe dabei: Sie müssen einmal erklären, wieso
heute nicht mehr gelten soll, was noch vor wenigen Mo-
naten gegolten hat. Dieses Glaubwürdigkeitsproblem ha-
ben Sie in all diesen Debatten, liebe Frau Kollegin
Hagedorn.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wissen Sie
besser, Herr Spahn!)
Insofern bleibe ich im Ergebnis bei dem, was ich auch
schon in den vergangenen Wochen gesagt habe: Wir ge-
hen frohen Mutes gemeinsam mit dem Minister und un-
serem Koalitionspartner an diese Aufgabe heran,
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist
mal eine neue Botschaft!)
weil wir glauben, dass die Perspektive steigender Ge-
sundheitskosten, die sich aus der demografischen Ent-
wicklung und dem medizinischen Fortschritt ergeben,
und das Ziel, für den sozialen Ausgleich eine breitere
Finanzierungsgrundlage zu schaffen, es notwendig ma-
chen, über Wochen und Monate intensiv und gründlich
zu diskutieren und daran zu arbeiten. Wir müssen sehen,
wie man dies umsetzen kann, ohne es mit Kampfbegrif-
fen kaputtzumachen. Wir wollen dieses Ziel erreichen,
weil es ein hehres Ziel ist, das nicht die Partei in den
Vordergrund stellt. Es soll ein zukunftsfähiges Konzept
für das Land erarbeitet werden. Sie sollten an Inhalten
arbeiten, nicht an Überschriften. Vielleicht wäre das ein
Ansatz dafür, sich in der Opposition eine neue Rolle zu
suchen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Elke Ferner (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man sich die Reden der schwarz-gelben Koalition
anhört,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Christlich-liberal! –
Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Der Mitte!)
dann kann man wirklich nur sagen: Die schwarz-gelben
Chaostage gehen weiter. Ich hätte mir gewünscht, dass
die Kollegen von der CSU einmal klar und deutlich sa-
gen, ob sie denken, dass der bayerische Gesundheits-
minister und der bayerische Ministerpräsident und CSU-
Vorsitzende recht haben, und ob sie deren Haltung unter-
stützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir fragen uns auch, ob sie die Kosten, die sich durch
die demografische Entwicklung und den medizinischen
Fortschritt ergeben, künftig allein und unsolidarisch – es
ist unsolidarisch, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren –
auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung
verlagern wollen; so wollen es die schwarz-gelbe Koali-
tion und insbesondere Herr Rösler. Eine Antwort darauf
habe ich heute Morgen noch nicht gehört.
(Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]:
Das ist eine reine Verzerrung!)
Man muss sich einmal anschauen, was in den letzten
Tagen so hin- und hergeworfen wurde: So bezeichnet
zum Beispiel der eine den anderen als Quartalsspinner.
Herr Söder sagt: Er ist gegen eine Kopfprämie, egal ob
groß oder klein.
(Ulrike Flach [FDP]: Die sind alle nicht im
Bundestag!)
Frau Merkel sagte am Mittwoch in Ihrer Rede: Das
Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, dass die Arbeit-
geberbeiträge festgeschrieben werden.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber Sie haben es
doch gemacht!)
Da frage ich mich, in welchem Land wir eigentlich le-
ben. Das Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, auch
künftig sicherzustellen, dass alle Menschen, unabhängig
von ihrem Einkommen und unabhängig von ihrer Kran-
kenversicherung, eine medizinisch hochwertige Versor-
gung bekommen, und zwar dann, wenn sie sie brauchen,
und nicht nur dann, wenn sie das Geld dafür haben.
(Beifall bei der SPD)
Wer den Arbeitgeberbeitrag festschreiben will,
muss den Menschen klar und deutlich sagen, wie der
Rest bezahlt werden soll.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist
es!)
2966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Elke Ferner
(A) (C)
(D)(B)
Aber das tun Sie nicht. Sie faseln hier davon, wenn das
über Steuern finanziert werde mit einem Sozialausgleich
– der weder finanzierbar noch organisierbar ist –, sei das
alles viel gerechter. Herr Spahn, welche Steuern wollen
Sie denn erhöhen? Sie haben eben gesagt, künftig sollen
auch Zinseinkünfte, Kapitaleinkünfte zur Finanzierung
herangezogen werden. Welche Steuer wollen Sie ganz
konkret erhöhen?
(Christian Lange [Backnang] [SPD], an den
Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] gewandt: Ja, sa-
gen Sie das mal!)
Wenn Sie keine Steuer erhöhen wollen, heißt das, es gibt
keinen Sozialausgleich, zumindest keinen ausreichen-
den, und das wiederum bedeutet, dass die Menschen hö-
here Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, und
zwar die GKV-Mitglieder allein. Das ist der Ausstieg aus
einem bewährten, solidarisch finanzierten System.
(Beifall bei der SPD)
Das kann man vielleicht als kleine Fraktion wie die FDP
wollen; aber eine große Fraktion wie die CDU/CSU ist
wirklich schlecht beraten, einen solchen Weg zu gehen.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Lotter von der FDP-Fraktion?
Elke Ferner (SPD):
Aber sehr gerne.
Dr. Erwin Lotter (FDP):
Frau Kollegin Ferner, die strikte Bindung der Ge-
sundheitskosten an die Arbeitskosten hat, weil man die
Arbeitskosten nicht ausufern lassen wollte, zu einem
Budgetierungsdruck geführt, der schon nah an der Ratio-
nierung war. Stimmen Sie mir zu, dass, wenn die Arbeit-
geberkosten festgeschrieben werden, ein enormer Druck
aus diesem System herausgenommen wird
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! Ausgerech-
net bei den Versicherten! Da ist viel Geld zu
holen! So denkt ihr!)
und die am Gesundheitswesen Beteiligten dann in der
Lage sind, das für ihre Patienten zu tun und zu verord-
nen, was notwendig und angezeigt ist?
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wie war das mit Netto vom Brutto?)
Elke Ferner (SPD):
Ich bedanke mich sehr für diese Frage. Sie zeigt näm-
lich wirklich, wes Geistes Kind Sie sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Sie den Arbeitgeberbeitrag festschreiben, errei-
chen Sie zunächst einmal eines: dass ein wichtiger
Player in dem ganzen Finanzierungssystem künftig über-
haupt kein Interesse mehr daran hat, auf die Ausgaben-
seite zu achten.
(Ulrike Flach [FDP]: Aber das ist doch Ihr Ge-
setz! Das ist doch Schizophrenie! – Christine
Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das haben Sie
doch selbst so gemacht!)
Wenn Sie sagen, das führe dazu, dass mehr verschrieben
wird – in Klammern: das kostet dann auch mehr – und
dass das dann bezahlt werden kann, frage ich Sie: Von
wem soll das denn bezahlt werden? Von den Versicher-
ten oder von den Patienten über Zuzahlungen? Das wer-
den Sie uns hoffentlich irgendwann noch erzählen, vor
der NRW-Wahl sicher nicht mehr,
(Ulrike Flach [FDP]: Wir warten erst mal auf
Ihre Bürgerversicherung!)
weil das dann doch zu viele abschrecken würde, einen
gravierenden Fehler bei ihrer Wahlentscheidung zu ma-
chen. Das zeigt genau, wes Geistes Kind Sie sind. Sie
wollen die Versicherten mehr belasten als bisher und die
Arbeitgeber aus der Kostenverantwortung entlassen. Das
wird mit uns nicht zu machen sein. Die Menschen in
Nordrhein-Westfalen werden am 9. Mai an der Wahlurne
die Möglichkeit haben, darüber abzustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein zweiter Punkt, dem ich mich jetzt widmen will:
Wir haben von Herrn Rösler die ganze Zeit nichts ande-
res gehört, als dass er die Kopfpauschale will.
(Lars Lindemann [FDP]: Hat er nicht gesagt! –
Ulrike Flach [FDP]: Was hören Sie eigent-
lich?)
Es soll einen automatischen Sozialausgleich geben –
kein Mensch weiß, wie das gehen soll. Außerdem hören
wir, die Arzneimittelausgaben sollen jetzt begrenzt wer-
den und der Pharmaindustrie gehe es an den Kragen.
(Ulrike Flach [FDP]: Jetzt wird es bizarr!)
Wo sind denn die Vorschläge dazu? Ich habe bisher
noch keinen Vorschlag auf dem Tisch dieses Hauses ge-
sehen.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Er bespricht gar nicht
alles mit Ihnen! Das ist das Problem!)
– Es ist sehr parlamentarisch, Herr Lanfermann, dass Sie
es nicht für notwendig halten, das, was in Gesetzen gere-
gelt werden soll, dem Bundestag zur Beratung vorzule-
gen.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Zur rechten Zeit,
Frau Ferner! Bei den Vorplanungen wird die
Opposition nicht so sehr einbezogen! Das ist
durchaus in Ordnung so!)
Drittens will ich einen Blick auf die Defizitentwick-
lung werfen. Das Bundesversicherungsamt geht von bis
zu 15 Milliarden Euro im nächsten Jahr aus. In Sachen
Ausgabenbegrenzung geschieht nichts, zumindest bisher
nicht.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Warten
Sie es mal ab!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2967
Elke Ferner
(A) (C)
(D)(B)
– Je länger Sie warten, umso schwieriger wird es. Das
weiß eigentlich jeder, der sich in dem System auch nur
ein bisschen auskennt. – Wenn man sich einmal an-
schaut, was diese 15 Milliarden Euro für die Mitglieder
der GKV bedeuten, kommt man auf 24 Euro pro Monat
und Kopf. Das kann man ja wollen; aber dann sagen Sie
mir bitte, mit welcher Begründung die Sekretärin ge-
nauso 24 Euro bezahlen soll wie ihr Chef.
(Ewald Schurer [SPD]: Ökonomischer Unsinn
ist das!)
Weil sie ein niedrigeres Einkommen hat? Weil sie von ei-
ner Steuerentlastung, die Sie durchführen wollen – dann
wieder nicht und dann wieder doch –, weniger profitiert
als ihr Chef? Warum soll das eigentlich so geregelt wer-
den? Ich frage mich, welches Verständnis von Solidarität
Sie haben. Keines, muss ich feststellen. Das Schlimme
ist, dass auch die Union sich davon verabschiedet hat.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt möchte ich noch etwas zu den Vorwürfen von
Herrn Spahn sagen. Wir haben nie den Arbeitgeberbei-
trag
(Heinz Lanfermann [FDP]: Na?)
einfrieren wollen. Nie! Das wissen Sie ganz genau.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Nur festsetzen!
Nicht einfrieren!)
– Nein, schauen Sie mal in das Gesetz. Lesen bildet be-
kanntlich, Herr Kollege. Wir haben ihn nicht dauerhaft
eingefroren.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben ihn per
Gesetz festgesetzt! – Ulrike Flach [FDP]: Das
ist doch Ihr Gesetz gewesen!)
Sie wollten erst wieder an den Beitrag heran, wenn die
Einnahmen des Fonds nur noch 90 Prozent der Ausga-
ben der GKV ausmachen. Wir haben gesagt, dass schon
bei 98 Prozent eingegriffen werden muss. Das Ganze ist
ein Kompromiss gewesen.
(Ulrike Flach [FDP]: Sie haben es doch
gemacht!)
Das wissen Sie genauso gut wie ich. Vor allen Dingen
können Sie uns nicht vorwerfen, dass wir unsere Posi-
tion durchsetzen wollen genauso wie Sie, die Sie schon
immer das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages und eine
Entsolidarisierung im Gesundheitswesen wollten.
(Ulrike Flach [FDP]: So kann man sich die
Welt schönreden!)
Der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und uns ist
folgender: Sie wollen die Versicherten alleine die zu-
künftig zusätzlichen Kosten tragen lassen. Wir wollen
eine solidarische Finanzierung. Sie machen Politik ge-
gen die Mehrheit der Bevölkerung, und wir machen
Politik für die Mehrheit der Bevölkerung.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Die Wähler und Wählerinnen in Nordrhein-Westfalen
werden das am 9. Mai entsprechend quittieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]:
Das glaube ich aber nicht, Frau Ferner! –
Heinz Lanfermann [FDP]: Traumtänzerei!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun der Bundesminister für Gesundheit,
Philipp Rösler.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zunächst einmal möchte ich die gute Tradition
fortsetzen und mich bei den Berichterstattern des
Einzelplans 15 ausdrücklich auch im Namen aller mei-
ner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die gute Zu-
sammenarbeit bedanken. Die Ergebnisse für den Haus-
halt waren nicht immer angenehm, aber zumindest die
menschliche Zusammenarbeit.
Die Gesundheitspolitik steht vor großen Aufgaben.
Sie wurden schon zu Recht beschrieben. Wir werden im-
mer älter, wir werden auch gesünder älter. Wir freuen
uns über den medizinisch-technischen Fortschritt. Er ist
ein Segen für die Menschheit. Aber all das muss natür-
lich auch bezahlt werden. Deswegen müssen wir hier
alle ehrlich zu den Menschen sein. Zur Wahrheit gehört
dann eben, dass Gesundheit und Gesundheitsversorgung
in Zukunft besser werden, aber eben nicht billiger. Diese
Wahrheit gehört zur Ehrlichkeit einer jeden gesundheits-
politischen Debatte einfach dazu.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf
des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Weil das so ist, brauchen wir ein robustes Finanzie-
rungssystem. Die Menschen müssen die Sicherheit ha-
ben und die Gewissheit bekommen, dass das Geld, das
sie heute einbezahlen, morgen auch für Vorsorge und
Versorgung tatsächlich zur Verfügung steht. Diese Ge-
wissheit haben sie bisher nicht. Wir sind als christlich-
liberale Regierungskoalition angetreten, diese Gewiss-
heit herzustellen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ihr Finanzierungssystem, in dem wir uns heute befin-
den,
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Reden
Sie über Ihres!)
ist nicht in der Lage, diese Sicherheit den Menschen
weiterhin zu geben,
(Elke Ferner [SPD]: Ihres erst recht nicht!)
weil es sich im Prinzip in einem Zustand befindet wie
eine Straße nach einem elf Jahre langen Winter. Überall
tun sich neue Löcher auf. Es reicht eben nicht, einfach
nur Notreparaturen durchzuführen. Statt Flickschusterei
brauchen wir endlich ein solides Finanzierungsfunda-
ment für unsere gesetzliche Krankenversicherung.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
Ferner [SPD]: Nach Flickschusterei wollen Sie
Abriss!)
2968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
(A) (C)
(D)(B)
Gerade jetzt in Krisenzeiten sehen wir doch die Kon-
junkturanfälligkeit reiner lohnbezogener Beiträge. Wir
gleichen einen Großteil durch 3,9 Milliarden Euro aus,
weil wir alle wissen, dass es fatal wäre, den Beitragssatz
in der jetzigen Krisenzeit zu erhöhen. Das würde näm-
lich zu mehr Arbeitslosigkeit und zu weniger Einnahmen
aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung füh-
ren. Dieses System schadet dem Arbeitsmarkt, auch der
Krankenversicherung und damit den Menschen insge-
samt. Deswegen ist es richtig, die Krankenversiche-
rungskosten auf der einen Seite von den Lohnzusatz-
kosten auf der anderen Seite stärker zu entkoppeln als
bisher; denn wir wollen nicht weniger Arbeitsplätze,
sondern endlich wieder mehr.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wir wollen auch mehr Gerechtigkeit. Ich habe Ihnen
eine kurze Situationsbeschreibung mitgebracht. Ich darf
zitieren: Angenommen, ein Bankdirektor mit 1 Million
Euro Jahresgehalt wäre bei der AOK versichert. Als
Spitzenverdiener zahlt er 296,25 Euro.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die Bei-
tragsbemessungsgrenze könnte wegfallen! –
Gegenruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]:
Die kann nicht wegfallen aus verfassungs-
rechtlichen Gründen!)
Das entspricht einem Beitragssatz von 0,36 Prozent sei-
nes Bruttogehaltes. Wörtlich heißt es weiter:
Die Haushälterin des Bankiers und ihr als Gärtner an-
gestellter Ehemann, Jahresgehalt jeweils 25 000 Euro,
sind auch noch bei der AOK.
Zusammen zahlen sie 329,17 Euro an die Kranken-
kasse. Das sind gut 30 Euro mehr als ihr Chef.
Das, meine Damen und Herren, sind keine Zahlen von
CDU/CSU oder FDP, sondern Zahlen aus dem Spiegel
der letzten Woche. Der Spiegel steht ja nicht im Ver-
dacht, ein reines Regierungsverlautbarungsblatt zu sein.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)
Deswegen darf ich das Zitat weiterführen:
Willkommen in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung – dem vermutlich einzigen Solidarsystem der
Welt, wo Putzfrauen bisweilen ihre Chefs subven-
tionieren …
Wer das System noch solidarisch nennt, der hat es
nicht verstanden.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Das ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit, und
deswegen werden wir das System verbessern.
(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])
Die Regierungskommission wird dazu die richtigen Vor-
schläge unterbreiten.
Wir wollen die Einnahmeseite stabilisieren,
(Elke Ferner [SPD]: Durch mehr
Niedriglöhne, oder wie?)
und zwar durch einen höheren Anteil einkommensunab-
hängiger Beiträge. Wir werden jeden, je nach seiner
Leistungsfähigkeit, zu einem steuerfinanzierten Solidar-
ausgleich heranziehen. Wir werden dafür sorgen, dass
nur diejenigen Hilfe erhalten, die unsere Unterstützung
wirklich benötigen.
(Elke Ferner [SPD]: Das hört sich sehr
unbürokratisch an!)
In unserem System wird es jedenfalls keinen Solidaraus-
gleich für Banker geben. Unser System ist gerechter und
sorgt endlich für mehr Solidarität in der Krankenversi-
cherung.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist
abstrakt! Sagen Sie es mal konkret!)
Wir werden aber nicht nur die Einnahmeseite stabili-
sieren, sondern auch auf die Ausgaben achten. Wir sind
es den Menschen schuldig, dafür zu sorgen, dass sie
nicht mehr als notwendig für die Krankenversicherung
bezahlen.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber
wie?)
– Das beste Beispiel ist der Arzneimittelsektor. Sie,
Herr Kollege, mit all Ihren Vertretern der ehemals gro-
ßen Volkspartei SPD hatten elf Jahre lang Zeit, etwas im
Arzneimittelsektor zu tun.
(Elke Ferner [SPD]: Bundesrat!)
Sie haben einfach weggesehen, als die Arzneimittel-
industrie den Menschen die Preise diktiert hat. Sie sind
die Letzten, die uns an dieser Stelle Ratschläge erteilen
sollten.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jens
Spahn [CDU/CSU]: Ich sage nur: Rotweingip-
fel im Kanzleramt!)
Wir brauchen Innovationen im Arzneimittelmarkt.
Wir wollen auch eine schnelle Markteinführung. Trotz-
dem können wir nicht akzeptieren, dass die Industrie den
Menschen die Preise diktiert. Das geht nämlich zulasten
der Versicherten, zulasten der Patientinnen und Patien-
ten.
Deswegen brauchen wir ein neues Preissystem. Künf-
tig muss jedes Unternehmen, das einen höheren Preis
haben will, zunächst einmal einen höheren Nutzen für
Patientinnen und Patienten belegen. Ich finde, die Indus-
trie ist diesen Beweis bisher schuldig geblieben. Deswe-
gen werden wir sie gesetzlich dazu verpflichten, einen
solchen Beweis in Form von Studien vorzulegen. Wir je-
denfalls lassen unsere Patientinnen und Patienten nicht
im Stich.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Diese Studien werden dann selbstverständlich die
Grundlage für Vertragsverhandlungen zwischen den
Kassen auf der einen Seite und der Industrie auf der an-
deren Seite sein. Seien Sie versichert: Wir werden dafür
sorgen, dass die Partner sich an einem Tisch zusammen-
finden, um schnellstmöglich Verträge abzuschließen;
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2969
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
(A) (C)
(D)(B)
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Wer nicht
mehr weiterweiß, der gründet einen Arbeits-
kreis!)
denn neben den mittel- und langfristigen Maßnahmen
werden wir selbstverständlich auch schnell wirksame In-
strumente einsetzen, beispielsweise Preismoratorien
oder verpflichtende Rabatte. Diese Maßnahmen und In-
strumente werden so lange erhalten bleiben, bis die mit-
tel- und langfristigen Instrumente anfangen zu wirken.
Gute Versorgung mit Medikamenten zu niedrigeren Prei-
sen, das, meine Damen und Herren, ist unser Ziel.
(Elke Ferner [SPD]: Das wollen wir mal se-
hen, was Sie da vorlegen, Herr Rösler! Wir
sind ganz gespannt!)
Wir als Regierungskoalition werden dabei erfolgreich
sein und dieses Ziel auch erreichen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Sie sehen bei diesen Haushaltsberatungen: Selbstver-
ständlich kann es gelingen, auf der Einnahmeseite das
System robuster und stabiler zu gestalten und die Ausga-
ben besser als bisher zu kontrollieren. Wir sind angetre-
ten, damit im deutschen Gesundheitssystem endlich et-
was passiert. Wir werden ein Gesundheitssystem auf den
Weg bringen, das zukunftsorientiert zu Ende gedacht ist
(Elke Ferner [SPD]: Hauptsache, es passiert
was, egal welche Auswirkungen!)
und endlich wieder sozial gerecht ist. Das haben wir den
Menschen versprochen, und das, meine Damen und Her-
ren, werden wir auch einhalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Anhaltender Beifall bei der FDP und der
CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Fritz Kuhn.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Hat der keine Rede-
zeit gekriegt?)
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben Ehrlichkeit als Prinzip in der
Gesundheitspolitik reklamiert. Das kann man natürlich
immer tun, weil es niemanden gibt, der gegen Ehrlich-
keit ist. Aber Sie haben nicht gesagt, was Sie wollen.
Wenn die Forderung nach Ehrlichkeit und Glaubwürdig-
keit irgendeinen Sinn haben soll, dann muss man in der
aktuellen Diskussion sagen, in welche Richtung man ge-
hen will. Das haben Sie noch nicht einmal ansatzweise
gemacht. Sie sind im Allgemeinen geblieben.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie dürfen
nicht schlafen!)
– So wach, wie ich bin, ist so schnell kein anderer.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe mich aus folgendem Grund zu dieser Kurz-
intervention gemeldet: Sie diskutieren über die Einfüh-
rung einer kleinen Kopfpauschale oder eines kleinen Ge-
sundheitsbeitrages, wie Sie es nennen. Es ist übrigens
kein besonderer Ausweis von Konsequenz, wenn man
nach 140 Tagen Regierung und Koalitionsverhandlun-
gen eine Kommission aus acht Ministern – das ist das
halbe Kabinett – braucht, um endlich zu sagen, in welche
Richtung man gehen will.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel
Bahr [Münster] [FDP]: Sie hatten doch die
Rürup-Kommission! Was soll das denn?)
Wenn ich mir das Verhältnis von großer Kopfpau-
schale zu kleiner Kopfpauschale anschaue, dann fällt mir
ein Vergleich aus der Landwirtschaft ein: Ob nun ein
großer Haufen oder ein kleiner Haufen stinkt, beide stin-
ken; beide sind Mist. Der Weg, den Sie gehen, ist nicht
vernünftig.
(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
– Sie können doch niemandem im Land erklären, warum
Sie etwas Großes nicht machen können, weil Teile der
eigenen Regierung sagen, das sei Mist, wohl aber etwas
Kleines nach dem Motto: Das bekommen wir schon hin.
Zur Gerechtigkeit. Wenn Sie sagen, eine Kopfpau-
schale – ob groß oder klein – sei gerechter, dann müssen
Sie auch sagen, wie Sie sich das steuerlich vorstellen.
Herr Rösler, Sie, der Sie einer Partei angehören, die für
Steuersenkungen eintritt und sogar eine Flattax von
35 Prozent für Bestverdienende will, können hier doch
niemandem erzählen, dass die zusätzlichen Belastungen
durch den Sozialausgleich im Gesundheitswesen von de-
nen bezahlt werden, die Sie steuerlich massiv entlasten
wollen. Sie werden nicht bestreiten können, dass eine
Senkung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 35 Prozent
eine Entlastung für Bestverdienende ist.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie – das ist ehrlich
gemeint –: Warum behaupten Sie, dass eine kleine Kopf-
pauschale für mehr Gerechtigkeit sorgt, weil der Sozial-
ausgleich über Steuern finanziert wird?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Minister.
Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit:
Vielen Dank. Ich helfe gern. – Zuerst zu der Frage, in
welche Richtung die Arbeit der Regierungskommission
gehen soll. Das ist einfach und klar zu beschreiben. Das
ist auch nachzulesen; das steht im Koalitionsvertrag. Ich
schicke Ihnen diesen gerne zu. Es lohnt sich übrigens,
sich auch alle anderen Kapitel durchzulesen. Herr Kol-
lege, die Aufgabe der Regierungskommission ist nicht,
das endgültige System zu beschreiben – das steht bereits
im Koalitionsvertrag –, sondern, den Weg vom Zustand
heute zum Idealzustand von morgen genau vorzugeben;
denn nach elf Jahren roter und rot-grüner Gesundheits-
politik
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Zu Ihren Plänen!)
wird man nicht von heute auf morgen das System
schlagartig verbessern können.
2970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
(A) (C)
(D)(B)
Wir werden daher in kleinen Schritten – das macht
Sinn – auch einkommensunabhängige Beiträge einfüh-
ren; denn wir dürfen weder die steuerlichen Finanzie-
rungssysteme noch die Menschen überfordern. Diese
Vorgehensweise ist richtig. Das Ziel ist klar benannt. Der
Weg dorthin wird von der Regierungskommission be-
schrieben. Wir wollen eine vernünftige Gesundheitsver-
sicherung, die solidarischer und gerechter ist als all das,
was Sie bisher auf den Weg gebracht haben.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Harald Weinberg für die
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Harald Weinberg (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Rösler sprach
gerade von einer Gewissheit, die man habe. Die einzige
Gewissheit, die wir bisher haben, ist, dass diese Gesund-
heitsprämie für die Versicherten, vor allem für die
schlecht verdienenden Versicherten, teurer wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Was wird tatsächlich angegangen? Die Bundesregie-
rung verweigert bislang der Opposition sämtliche Aus-
künfte über ihre Vorhaben in der Gesundheitspolitik mit
dem Hinweis, das werde die Regierungskommission
schon regeln; so lange müsse man eben Geduld haben.
Aber weder wir noch die Menschen draußen wollen sich
weiter gedulden. Die Menschen draußen verlieren die
Geduld – die Umfragen zeigen das deutlich –, wahr-
scheinlich weil ihre Erfahrungen mit Regierungskom-
missionen – wenn man zum Beispiel an die Hartz-Kom-
mission denkt – nicht die allerbesten sind.
(Beifall bei der LINKEN)
In der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte gibt
es immer wieder Auseinandersetzungen um die Begriffe.
Herr Spahn von der Union und Herr Lanfermann von der
FDP würden uns ja am liebsten verbieten, von einer
Kopfpauschale zu reden. Stattdessen sollen wir schön
brav immer „einkommensunabhängige Gesundheitsprä-
mie mit automatischem Sozialausgleich“ sagen.
(Beifall bei der FDP – Heinz Lanfermann
[FDP]: Richtig! Sie haben es ja doch verstan-
den!)
Einmal abgesehen davon, dass das ein Begriffsungetüm
ist, kann man nur sagen: Netter Versuch, Herr Spahn;
netter Versuch, Herr Lanfermann. Herr Bahr von der
FDP, heute Staatssekretär, hat früher an dieser Stelle den
Versuch unternommen, Begriffsklärungen mithilfe des
Duden herbeizuführen. Wir tun es Ihnen einfach einmal
gleich: Unter dem Stichwort „Kopfpauschale“ finden Sie
dort – Zitat –:
von allen Versicherten in gleicher Höhe zu entrich-
tender Beitrag zur Krankenversicherung.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist eben nicht
so!)
Wenn wir von dem Detail der Familienversicherung ein-
mal absehen, dann ist es genau das, was Sie einführen
wollen.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Das sind Millionen
Versicherte!)
– Nun seien Sie einmal ruhig! – Jeder und jede soll
denselben Beitrag zahlen. Was, denken Sie, Herr
Lanfermann, steht im Duden unter dem Stichwort „Ge-
sundheitsprämie“? Nichts, kein Eintrag.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Das wollen wir ja
füllen!)
Laut Duden gibt es dieses Wort gar nicht. Es ist eine Er-
findung von Ihnen und von Herrn Spahn, von all denen,
die die Kopfpauschale einführen wollen, ohne dass die
Bevölkerung es merkt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen aber: Dieser Versuch geht schief. Die
Menschen sind nicht so dumm, dass sie sich von Ihnen
hinters Licht führen lassen.
(Heinz Lanfermann [FDP]: So kommen wir
sogar in den Duden!)
Den Kampf um die Begriffshoheit haben Sie längst ver-
loren. Deshalb wiederhole ich hier in aller Deutlichkeit:
Die Kopfpauschale ist unsozial, die Kopfpauschale ist
unfinanzierbar, auch die schrittweise Einführung der
Kopfpauschale ist ein Anschlag auf den Sozialstaat. Die
Kopfpauschale muss weg.
(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann
[FDP]: Sie kann nicht weg! Sie ist ja noch gar
nicht da!)
Zum Schluss muss noch über ein Stück Schmieren-
theater gesprochen werden; es war gerade hier Thema.
Der Gesundheitsminister merkt langsam, dass er etwas
machen muss. Er kann nicht immer nur unterhaltsame
Anekdoten von sich geben, gute Miene zum bösen Spiel
machen und ansonsten untätig bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
Heinz Lanfermann [FDP]: Freundliche Miene
zum guten Spiel!)
Das kauften Ihnen die Medien und die Öffentlichkeit vor
einigen Monaten ab, jetzt aber nicht mehr. Es wird über-
all berichtet, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, vor
allen Dingen die der Arzneimittel; das war gerade
Thema. Nun denkt sich Minister Rösler: Von mir als
FDP-Mitglied – Sie wissen, eine Übersetzung von FDP
ist: Freundeskreis der Pharmaindustrie –
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der
FDP: Oh!)
erwartet niemand, dass ich der Pharmaindustrie die Ren-
dite kürze, aber die Menschen im Land fänden das viel-
leicht gut. Also tue ich einmal so, als ob. Ich treffe mich
mit den Vertretern der Pharmaindustrie hinter verschlos-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2971
Harald Weinberg
(A) (C)
(D)(B)
senen Türen und frage sie, welche Vorschläge sie haben,
um die Pillen billiger zu machen.
Nun gut, die Pharmaindustrie macht dann einen Vor-
schlag, nämlich dass die großen Konzerne nicht mehr für
alle Krankenkassen zugleich die Preise festsetzen sollen,
sondern zukünftig mit jeder einzelnen Kasse in Verhand-
lungen treten sollen. Dreimal dürfen Sie raten, wer ge-
winnt, wenn ein multinationaler Konzern mit einer
Betriebskrankenkasse in Verhandlungen tritt. Und nun
kommt das Theater: Herr Rösler sagt in der Bild-Zei-
tung: Ich lege die Pharmaindustrie an die Leine. Ihr dürft
nicht mehr allen Krankenkassen zugleich die Preise
diktieren, sondern müsst zukünftig Verhandlungen mit
jeder einzelnen Kasse führen. – Die Pharmaindustrie tut
so, als wäre sie hart getroffen, ist es aber nicht. Sie ist
wieder einmal geschickt um eine wirkliche Preisregulie-
rung der Arzneimittel herumgekommen. Das glauben
Sie nicht? Im Spiegel vom 15. März – auch Herr Rösler
hat gerade aus dem Spiegel zitiert – ist der Vorsitzende
des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie,
Bernd Wegener, zitiert. Er sagt dort wortwörtlich:
Interessant, dass man uns zu unseren eigenen Vor-
schlägen zwingen will.
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Birgitt Bender für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mi-
nister Rösler, wenn man Ihnen zuhört, dann muss man
sagen: Sie unterschätzen den IQ Ihres Publikums erheb-
lich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Heinz
Lanfermann [FDP]: Besser als andersherum!)
Denn wer soll glauben, was Sie da erzählen? Nach Ihrer
Darstellung ist der Bankdirektor Mitglied der gesetzli-
chen Krankenversicherung. Ha, ha! In Deutschland ist er
in der Regel Mitglied einer privaten Krankenversiche-
rung. Wollen Sie das ändern und ihn in das Solidarsys-
tem einbeziehen? Nein, das wollen Sie nicht. Sie haben
in den Koalitionsvertrag eine Bestandsgarantie für die
PKV geschrieben. Also, was soll das Argument?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Ein kleiner Tipp: Da, wo es Kopfgeldsysteme, deren
Fan Sie sind, gibt, nämlich in den Niederlanden und in
der Schweiz, ist der Bankdirektor allerdings mit dabei,
immerhin. Aber genau das will die FDP verhindern, um
die Privilegien der Besserverdienenden zu verteidigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Jetzt komme ich auf Ihr Rechenbeispiel zu sprechen.
Nehmen wir einmal an, der Bankdirektor wäre tatsäch-
lich in der GKV und zahlte die 296 Euro Kopfpauschale.
Wie sähe es bei Ihrem Kopfgeldsystem aus? Dieser
Bankdirektor würde in Zukunft 140 Euro oder 150 Euro
zahlen.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die hat es im-
mer noch nicht kapiert!)
Wenn man eine Grundschule besucht hat, dann weiß
man, dass das die Hälfte von dem ist, was er bis dahin
gezahlt hat.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Würde das durch Steuermittel kompensiert? Nein. Sie
wollen die Steuern doch gar nicht erhöhen. Im Gegen-
teil: Sie wollen den Spitzensteuersatz, den der Bank-
direktor zahlt, auch noch reduzieren. Dennoch erzählen
Sie hier etwas von Solidarität. Dazu sagt man in der Um-
gangssprache: Hallo?
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LIN-
KEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt passen
Sie sich aber dem Niveau von Herrn Kuhn an!)
Da stimmt doch etwas nicht.
Herr Minister, immer wieder hört man hier von Ihnen
– es ist schon ein Hammer –: Große Aufgaben liegen vor
uns; ein robustes Finanzierungssystem brauchen wir.
Was passiert? Sie setzen eine Kommission ein. Diese
Kommission besteht noch nicht einmal aus Fachleuten;
Fachkenntnis dürfte da eher hinderlich sein. Ihnen assis-
tieren zwei FDP-Minister, die noch nie etwas vom Ge-
sundheitssystem gehört haben, und Sie werden von fünf
Ministern aus der Union misstrauisch überwacht. Sie
sind vor allem in dieser Kommission, um zu verhindern,
dass vor der NRW-Wahl irgendetwas Böses passiert. Bis
dahin soll sowieso Ruhe sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ist das eine gute Nachricht? Nein, ist es nicht. Es ist
ein Skandal. Was ist denn mit dem Gesundheitssystem
los? Allein in diesem Jahr fehlen 4 Milliarden Euro. Im
nächsten Jahr sind es – das ist kein Geheimnis; das ha-
ben Sie sich gerade vortragen lassen – 15 Milliarden
Euro, die dem System fehlen. Woher könnte man dieses
Geld nehmen? Ein Steuerzuschuss in Höhe von
15 Milliarden Euro? Haben Sie nicht. Beitragserhöhun-
gen, etwa 1,5 Beitragssatzpunkte paritätisch? Wollen Sie
nicht. Kopfgeld – dies lässt sich umrechnen in 25 Euro
pro Person –: Genau das könnte Ihr Ziel sein. Aber da ist
noch nicht eingepreist, dass der Finanzminister kommen
und
(Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble,
kommt in den Saal – Heiterkeit)
2972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Birgitt Bender
(A) (C)
(D)(B)
im nächsten Jahr garantiert sagen wird: 16 Milliarden
Euro Steuerzuschuss, darüber reden wir aber noch ein-
mal.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Herr Schäuble, ich bin mir sicher, dass ich in Ihrem
Sinne rede. Das, was die FDP plant, wird mit einem Fra-
gezeichen versehen, und dann wird die Kopfpauschale,
durch die einseitig die Versicherten belastet werden,
noch einmal höher.
Fazit: Ruhe ist nur bis zur NRW-Wahl am 9. Mai.
Dann folgen vier weitere Sitzungen dieser Kommission.
Diese Sitzungen wird man damit verbringen, einen
Kompromiss zu inszenieren. Wie könnte dieser Kom-
promiss aussehen? Den Testballon mit 29 Euro Kopf-
pauschale, eingepreist 0,9 Beitragssatzpunkte, die bisher
von den Versicherten gezahlt werden, haben Sie schon
steigen lassen. Wie geht es dann weiter? Die Geringver-
dienenden brauchen einen Sozialausgleich. In Ihrer
Rechnung sind das 5 Milliarden Euro – Geld, das Sie
nicht haben. Durchschnittsverdienende zahlen im Jahr
100 Euro mehr und Gutverdienende ab einem Einkom-
men von 3 200 Euro würden entlastet. Ich gratuliere!
Ich sage Ihnen, Herr Minister: Ein solcher Teilaus-
stieg aus dem Solidarsystem ist ebenfalls ein Ausstieg.
Natürlich verfolgen Sie damit das Ziel des Komplettaus-
stiegs. Die Versicherten sollen in Zukunft höher belastet
werden – das hat der Kollege Lotter vorhin mit bemer-
kenswerter Unbefangenheit gesagt; da spürt man den
politischen Neuling –, und die Arbeitgeber sollen an der
Finanzierung nicht mehr beteiligt werden. Man glaubt,
dass man mehr Geld ins System holen kann, wenn man
den Versicherten in die Tasche langt. Das ist ungerecht,
und es wird auch nicht funktionieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Sollen wir glauben, dass die CDU das nach den Wah-
len in NRW verhindern wird? Nein! Die CDU wird sehr
einverstanden sein. Sollen wir glauben, dass die CSU,
die sich derzeit als Held des Solidarsystems gibt, das
verhindern wird? Schauen wir uns einmal an, was
Markus Söder letzte Woche im Bayerischen Landtag ge-
sagt hat. Da wurde er von einer grünen Abgeordneten
gefragt, wie er den Passus im Koalitionsvertrag interpre-
tiere, dass man einkommensunabhängige Arbeitnehmer-
beiträge wolle. Seine Antwort war so: Die Anforderung
der Einkommensunabhängigkeit beziehe sich nicht auf
den ganzen Krankenversicherungsbeitrag, sondern nur
auf den Zusatzbeitrag, eine Kopfpauschale in ihrer
reinen Form lehne er ab. Im Klartext: Eine kleine Kopf-
pauschale ist mit der CSU sehr wohl zu machen. Diese
Haltung unterscheidet sich aber gar nicht von dem, was
Sie, Herr Minister, inzwischen sagen. Sie haben ja in-
zwischen auch schon von der großen Ankündigung auf
den kleinen Einstieg umgestellt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom-
men.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mache ich. – Der CSU wird nur wichtig sein, dass das
Geld aus dieser Kopfpauschale nicht in den Finanzaus-
gleich der Kassen einbezogen wird, damit dieses Geld in
Bayern hängen bleibt. Auch das ist dann wieder ein
Stück Entsolidarisierung.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir glauben, dass diese Kommission dazu da ist, –
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin!
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– ein Theaterstück aufzuführen, bei dem das heraus-
kommt, was ich eben gesagt habe. Wir werden das zu
verhindern wissen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Rolf Koschorrek, CDU/
CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
sind in den Beratungen zum ersten Haushalt der neuen
Regierung und des neuen Ministers Rösler selbstbewusst
an die Arbeit gegangen und haben deutlich gemacht,
dass wir zu dem stehen, was vorher in der Gesundheits-
politik gemacht worden ist, und dass es uns nicht darum
geht, alles schlechtzureden, was vorher gelaufen ist, aber
sehr wohl darum, die Dinge weiterzuentwickeln. Wir
führen Bewährtes fort und wollen die Finanzierung an-
gefangener Projekte auch in Zukunft weiter sicherstel-
len. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Verbesse-
rung der Versorgung Pflegebedürftiger, die Förderung
der Kindergesundheit und natürlich auch die Verbesse-
rung der Versorgung chronisch Kranker. Kurz gesagt:
Wir machen nicht alles anders, aber Vieles und Wesentli-
ches deutlich besser.
Wichtige Entscheidungen, die angesichts der Verän-
derungen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft
und auch infolge der Einflüsse der Globalisierung nötig
sind, wurden jahrelang aus ideologischen Gründen im
BMG verhindert und verschleppt. Wir müssen jetzt
längst überfällige Weichenstellungen vornehmen und
haben keine Zeit mehr zu verlieren, um tragfähige und
nachhaltige Lösungen auf den Weg zu bringen. Dabei
geht es nicht allein um die zukunftsfeste Finanzierung
unseres Gesundheitssystems, die seit Monaten im Zen-
trum der öffentlichen Diskussion steht, oder um Einspa-
rungen im Arzneimittelbereich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2973
Dr. Rolf Koschorrek
(A) (C)
(D)(B)
Ich rate den Kolleginnen und Kollegen der Opposi-
tion, nicht immer jede Parole, die in irgendeinem sozia-
listischen Kampfblatt montagmorgens durch den Äther
geistert,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Meinen Sie den Spiegel? – Ewald
Schurer [SPD]: Bayernkurier! Herz-Jesu-
Marxisten! – Christian Lange [Backnang]
[SPD]: Spiegel oder Bayernkurier?)
hier gleich zur Grundlage bzw. zur Basis der Regie-
rungspolitik zu machen, sondern einmal abzuwarten,
was denn die sehr wohl kompetent besetzte Kommis-
sion der Regierung berät. Wir werden im Laufe dieses
Jahres einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch
haben und können diesen dann sicherlich auch mit dem
von Herrn Lauterbach angekündigten durchgerechneten
Konzept einer Bürgerversicherung seitens der SPD ver-
gleichen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dem,
was wir gemeinsam mit Minister Rösler und der Regie-
rungskommission dort entwickeln werden, am Ende zei-
gen können, dass es nachhaltiger, gesellschaftlich ver-
träglicher und vor allen Dingen auch gerechter sein wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Lassen Sie mich aber den Fokus auch auf einige an-
dere Bereiche der Gesundheitspolitik der nächsten Mo-
nate und auch Jahre richten. Wir haben uns einige Bau-
stellen vorgenommen. Neben den mit der Neuordnung
im Arzneimittelbereich verbundenen Einsparungen ha-
ben wir noch mehr vor. Ich möchte einige Stichworte
nennen:
Wir werden uns der Sicherung der ärztlichen Versor-
gung in der Fläche widmen.
Wir werden neue Approbationsordnungen für Ärzte
und Zahnärzte auf den Weg bringen.
Wir werden den Aufbau einer telematischen Infra-
struktur beschleunigen.
Wir werden neue Gebührenordnungen zunächst im
privatärztlichen und privatzahnärztlichen Bereich auf
den Weg bringen.
Als letzte Baustelle haben wir uns die Angleichung
der zahnärztlichen Honorare zwischen Ost und West
vorgenommen.
Das sind nur einige Beispiele für die Bereiche, in de-
nen wir umgehend Initiativen ergriffen haben. Wir arbei-
ten daran, schnellstmöglich in Gesprächen mit den Be-
troffenen zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen.
Die längst überfällige Novellierung der seit 1988 un-
veränderten Gebührenordnung für Zahnärzte bringen
wir als Erstes auf den Weg.
(Zuruf von der SPD: Die armen Zahnärzte!)
– Es geht nicht um arme Zahnärzte, liebe Kolleginnen
und Kollegen, überhaupt nicht. Aber eine Gebührenord-
nung, deren Inhalt in wissenschaftlich-fachlicher Hin-
sicht seit 1988 nicht weiterentwickelt worden ist, erfüllt
die Bedürfnisse der Versorgung für die Jahre 2010 und
folgende nicht mehr. Zur Finanzierung dieses Bereichs
kommen wir später. Es geht zunächst um das Definieren
einer wissenschaftlichen Gebührenordnung, die drin-
gend überfällig ist,
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
und das nicht nur im zahnmedizinischen Bereich, son-
dern auch im ärztlichen Bereich; denn die Gebührenord-
nungen sind nicht mehr zeitgemäß – das müssen wir ak-
zeptieren – und in Anbetracht der Tatsache, dass die
derzeitige Gebührenordnung seit 1988 gilt, mache ich
keinen Hehl daraus, dass die ein oder andere wirtschaft-
liche Anpassung dieser Gebührenordnung erforderlich
ist.
Das werden wir in einer konstruktiven Zusammenar-
beit zwischen Politik, Leistungserbringern, aber auch
den Kostenerstattern im Bereich der privaten Kranken-
versicherung sowie der Beihilfestellen lösen. Ich bin zu-
versichtlich – die Vorgespräche sind gut verlaufen –,
dass wir schon in den nächsten Wochen Eckpunkte ver-
einbaren und zügig, möglichst noch im Laufe dieses Jah-
res, vorschlagsreif entwickeln können. Die Gebühren-
ordnung für Zahnärzte wird eine Blaupause für das sein,
was im ärztlichen Bereich ansteht. Ich bin zuversicht-
lich, dass wir auch dort zu tragfähigen und zukunftsfes-
ten Konzepten kommen.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung,
was die Angleichung der Verhältnisse zwischen den
neuen Bundesländern und den restlichen Bundesländern
angeht, ist eine letzte Aufgabe übriggeblieben, und zwar
die Angleichung der Honorare im zahnmedizinischen
Bereich. Auch diese Aufgabe müssen wir angehen, das
ist längst überfällig. Es ist nicht mehr zu rechtfertigen,
dass unterschiedliche Honorare gezahlt werden, wenn
man bedenkt, dass sich die Lebens- und Arbeitsverhält-
nisse zum Großteil angeglichen haben, und auch vor
dem Hintergrund, dass in allen anderen Bereichen eine
Angleichung bereits durchgeführt worden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Die Gesundheitspolitik darf sich nach unserer Über-
zeugung den notwendigen Neuansätzen nicht länger ver-
weigern. Die älter werdende Gesellschaft in Deutsch-
land, die Folgen der globalisierten Wirtschaft und der
medizinische Fortschritt, der allen Patienten in unserem
Lande zugänglich sein und bleiben muss, verlangen von
uns Mut für Neuerungen. Wir brauchen eine verbesserte
telematische Infrastruktur. Angesichts der älter wer-
denden Bevölkerung, aber auch angesichts der zuneh-
menden Zahl von chronisch erkrankten Menschen, die
dank des medizinischen Fortschritts länger leben und da-
mit länger chronisch krank sind, können wir nicht darauf
verzichten, uns der neuen technischen Möglichkeiten bei
der Betreuung dieser Patienten zu bedienen.
Wir müssen erhebliche Anstrengungen machen, dass
die Infrastruktur für telematische Anwendungen in der
Bundesrepublik verbessert wird. Wir haben das Pro-
blem, dass wir durch die in Teilen sehr skurrile und auch
durchaus unsinnige Diskussion über die Einführung und
Organisation der E-Card in den letzten Jahren einiges an
2974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. Rolf Koschorrek
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Gelände verbrannt und Zeit verloren haben. Aber auch
dort sind wir willens und in der Lage, die Bestandsauf-
nahme sehr schnell voranzutreiben und zusammen mit
den Kostenerstattern und Leistungserbringern tragfähige
Konzepte zu erarbeiten, um zu schlanken Strukturen und
datensicheren Verhältnissen zu kommen, um dafür zu
sorgen, dass daraus weitere telemedizinische Entwick-
lungen, Qualitäten und Schnittstellen definiert werden,
sodass ein Wettbewerb um die beste Versorgung und die
beste Qualität auf dem Markt stattfinden wird.
Wir haben in den nächsten Jahren einiges vor. Unter
anderem wollen wir als Querschnittsaufgabe zusammen
mit den Kollegen aus dem Bereich des Bundesminis-
teriums für Forschung und Bildung und des Wirtschafts-
ministeriums dafür sorgen, unseren Nachholbedarf
– zum Beispiel die Versorgungsforschung in der Bun-
desrepublik Deutschland – zu beheben und diesen Be-
reich nachhaltig auf eine bessere Grundlage zu stellen.
In den Haushalten der drei Ministerien ist eine entspre-
chende Steigerung der zur Verfügung stehenden Mittel
vorgesehen.
Wir haben eine gute Versorgung, aber um sie besser
zu machen, müssen wir wesentlich mehr über die Ver-
sorgungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland
wissen. Dieses Vorhaben werden wir auf den Weg brin-
gen. Wir wollen, dass Deutschland auch in den nächsten
Jahrzehnten eines der international besten Gesundheits-
systeme behält. Nach all den Gesundheitsreformen der
letzten Jahre, die hauptsächlich der kurzfristigen Kosten-
senkung dienten, müssen wir das System nachhaltig neu
justieren und nicht immer komplizierter, sondern trans-
parenter machen und für alle Beteiligten die Mitwir-
kungsmöglichkeiten deutlich verstärken. Deshalb rich-
ten wir den Blick nach vorne und arbeiten für ein
System, das über den Tag hinaus zukunftsfähig sein
wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Karl Lauterbach für die SPD-Frak-
tion.
(Beifall bei der SPD)
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe mich extra an das Ende der Rednerliste
meiner Partei setzen lassen,
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie hätten
sich auch streichen lassen können! – Heinz
Lanfermann [FDP]: Das ist schon in Ord-
nung!)
weil ich auf die inhaltlichen Aussagen und Ankündigun-
gen des Ministers reagieren wollte. Ich kann nur sagen:
Das hat sich nicht gelohnt. Es ist nichts gesagt worden,
worauf ich reagieren könnte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heinz
Lanfermann [FDP]: Dann können Sie sich ja
wieder hinsetzen! – Georg Schirmbeck [CDU/
CSU]: Einfach setzen!)
Was haben wir gehört? Was haben wir gelernt?
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Sie haben nichts gelernt!)
Wir haben gelernt, dass es die Wahrheit ist, dass wir älter
werden und das Gesundheitssystem teurer wird. Wer hat
das je bestritten? Wir haben nicht einen einzigen konkre-
ten Vorschlag gehört. Gar nichts.
(Ulrike Flach [FDP]: Doch! Natürlich! Wo
waren Sie denn?)
Oder täusche ich mich? Ist hier jemand im Haus, der
vom Minister heute einen einzigen konkreten Vorschlag
zur Gesundheitspolitik gehört hat?
(Zurufe von der SPD: Nein!)
– Niemand.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist ein
einziges Gegröle! – Lars Lindemann [FDP]:
Ihr könnt beim nächsten Mal noch rote Fähn-
chen mitbringen! – Ulrike Flach [FDP]: Sie
müssen bei Herrn Gabriel gewesen sein!)
Somit kann ich nur auf das reagieren, was ich schon
vor der Rede wusste. Seit Mittwoch gibt es die Kommis-
sion zur Gesundheitsreform. So soll die Kopfpauschale
in Deutschland eingeführt werden. Das ist, wenn man so
will, die Abrissbirne für unser Solidarsystem. Das ist,
wenn man so will, ein Himmelfahrtskommando. Daher
wird sofort das halbe Kabinett zur Verstärkung gerufen,
um diese Aufgabe wuppen zu können, weil man ganz
genau weiß, wie unbeliebt das ist. Es soll nicht den Aus-
stieg aus der Kernenergie geben, sondern den Ausstieg
aus dem Solidarsystem, aus einer gerechten und durch-
finanzierten Gesundheitsversorgung, und das ist eine
Aufgabe.
Bei allem Respekt vor den zum Teil bereits eingear-
beiteten, zum Teil fachfremden Ministern: Unterschät-
zen Sie diese Aufgabe nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist so: Selbst 75 Prozent der FDP-Wähler lehnen die
von Ihnen gewünschte Kopfpauschale ab
(Ulrike Flach [FDP]: Das wollen wir ja auch
nicht!)
und 80 Prozent der Nicht-FDP-Wähler. Oder sollte ich
vielleicht sagen: 75 Prozent der ehemaligen FDP-Wäh-
ler lehnen diese Kopfpauschale ab?
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie
des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Heinz Lanfermann
[FDP]: Mit ehemaligen Wählern kennen Sie
sich ja aus!)
Herr Rösler, bei allem Respekt, Sie haben sich Sorgen
gemacht über die Größe der „ehemals großen“ Volks-
partei SPD. Zunächst einmal: Der Lack ist noch nicht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2975
Dr. Karl Lauterbach
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ganz ab. Größer als Sie sind wir allemal. Machen Sie
sich lieber Sorgen über Ihre zukünftige Größe und nicht
über unsere. Wir sind im Aufwind, Sie sind im Abwind,
(Ulrike Flach [FDP]: Also, in Nordrhein-West-
falen nicht, lieber Herr Lauterbach!)
und das verdanken wir unter anderem Ihrer Arbeit, Herr
Rösler.
(Beifall bei der SPD)
Die einzige Verstärkung im Kabinett, die man sich
hier gewünscht hätte, ich sage einmal: die einzige Fach-
frau im Kabinett zur Kopfpauschale, ist nicht dabei.
(Ulrike Flach [FDP]: Aber die Kopfpauschale
wollen wir ja nicht!)
Das ist nämlich Frau Merkel selbst. Frau Merkel ist da-
für nicht dumm genug. Sie kennt den alten Spruch der
Industrie: Einen Fehler zu machen, ist verzeihlich, aber
wer den Fehler wiederholt, fliegt raus. Die Gefahr ist
hier groß; denn Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, ist
mit der Kopfpauschale schon einmal auf die Nase gefal-
len. Sie wird zusehen, wie es Herrn Rösler ergeht. Sie
selbst wird sich daran nicht die Finger verbrennen. Das
Leipziger Programm hat die Union damals Stimmen
ohne Ende gekostet. Das ist der Weg, den die FDP jetzt
antritt. Das ist das, was Ihnen bei der Nordrhein-West-
falen-Wahl bevorsteht. Erinnern Sie sich an meine
Worte.
(Beifall bei der SPD)
Was soll bis zur NRW-Wahl passieren? Mit Täu-
schungsmanövern soll in der Öffentlichkeit die Absicht
der Kommission verschleiert werden. Mal heißt es, die
Kopfpauschale ist gar keine Kopfpauschale, sondern nur
eine Prämie pro Kopf. Aber worin liegt der Unterschied
zwischen einer Pauschale pro Kopf und einer Kopfpau-
schale?
(Ulrike Flach [FDP]: Sie werden das nie
begreifen!)
Ich frage Sie: Was sollen diese billigen semantischen
Tricks? Wen glauben Sie damit noch täuschen zu kön-
nen?
Dann heißt es, es gäbe einen Sozialausgleich. Man
kann aber nicht sagen, wer diesen bezahlt, wie er bezahlt
und wie lange er bezahlt wird. Das Einzige, was wir hö-
ren, ist, dass er automatisch fließen soll. Das erinnert
mich an den biblischen Spruch von der wundersamen
Brotvermehrung. Bitte machen Sie sich doch nichts vor:
Wenn nicht klar ist, wer bezahlt, woher das Geld kommt,
wenn Bund, Länder und Kommunen pleite sind, was soll
denn dann automatisch fließen? Das ist doch plumpe
Wählertäuschung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Ulrike Flach [FDP]: Das ist Kasperletheater,
was Sie machen!)
Daher würde es mich schon interessieren, was Herr
Schäuble wirklich über diese Pläne denkt, was hier sei-
ner Meinung nach wirklich gespielt wird, wer das seiner
Meinung nach bezahlen soll. Hier werden bis zu
35 Milliarden Euro notwendig. Aber wir befinden uns
im Prinzip in einer Situation, in der wir knapp an einem
Nothaushalt vorbeischrammen.
(Lachen des Abg. Heinz Lanfermann [FDP])
Was haben wir in der Gesundheitspolitik bisher er-
lebt? Wir haben nur eine allgemeine Verunsicherung der
Bevölkerung erlebt
(Lars Lindemann [FDP]: Die Sie betreiben!)
und einen absurden Vorschlag zum Thema Pharma-
industrie.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Es sind doch Ihre
falschen Informationen, die die Leute verunsi-
chern!)
Den Vorschlag, den die Pharmaindustrie selbst unterbrei-
tet hat, wollen Sie uns jetzt verkaufen. Bei dem Vor-
schlag geht es darum, dass die Pharmaindustrie wie die
Teppichhändler erst die Preise um 20 Prozent erhöht,
was dann wieder zurückverhandelt werden soll. Dieser
Vorschlag ist so schlecht, dass sich sogar die Teppich-
händler bei mir beschwert haben, dass sie mit den unse-
riösen Geschäftspraktiken der FDP nicht in Zusammen-
hang gebracht werden wollen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab-
geordneten der LINKEN)
Wenn es so weit ist – bei allem Respekt vor dieser
Handelsgruppe; nicht alle Teppichhändler sind unseriös;
(Elke Ferner [SPD]: Aber die FDP schon!)
auch das sind Wähler –, dass selbst die Teppichhändler
die ehemalige Wirtschaftspartei FDP schmähen, wie
weit ist es gekommen, wie weit sind die Vorschläge, die
wir heute hören, von einer seriösen Gesundheits-, Haus-
halts- und Finanzpolitik entfernt? Wir hören keinen ein-
zigen konkreten Vorschlag. Die Vorschläge, die wir hö-
ren, sind entweder unseriös oder nicht finanzierbar oder
beides.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Demnächst sollen bis zu 35 Milliarden Euro aus ei-
nem – ich nenne es einmal so – automatischen Sozial-
ausgleich kommen.
(Ulrike Flach [FDP]: Das haben Sie schon
gesagt!)
Dabei sind Sie nicht in der Lage, die sinnvollen Vorbeu-
geprogramme, die jetzt laufen, ausreichend zu finanzieren.
Sie müssen in diesem Haushalt 500 000 Euro bei Program-
men für Bewegung und ausgewogene Ernährung sparen.
Sie sparen 400 000 Euro bei der Armutsbekämpfung. Sie
schränken um 1,24 Millionen Euro bei Programmen gegen
den Drogenmissbrauch ein. 400 000 Euro sparen Sie bei
der Bekämpfung von HIV-Infektionen. Sie müssen bei
den Kränksten und Ärmsten einzelne kleine Eurobeträge
einsammeln. Sie müssen die Vorbeugung beschneiden,
2976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. Karl Lauterbach
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und erzählen uns hier Märchen über einen – nicht finan-
zierten – automatischen Sozialausgleich,
(Ulrike Flach [FDP]: Sie erzählen wirklich
gerade Unsinn, Herr Lauterbach!)
für den niemand zahlen wird, zuletzt der Gutverdie-
nende, der von Ihren Steuervorschlägen noch eine Ent-
lastung erwartet. Auch das ist ein Teil der Wahrheit.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Ich komme zum Ende; dies wird mein letzter Satz. –
Die Wahrheit ist: Wir werden älter, und die Gesundheits-
versorgung wird teurer. Aber die Wahrheit ist auch: Es
darf nicht allein um die Entlastung der Arbeitgeber und
der Gutverdiener gehen. Es muss auch um die Weiter-
führung eines Solidarsystems gehen, auf welches wir
bisher gemeinsam stolz waren. Das werden Sie auch mit
der Abrissbirne, mit Ihrem gesamten halben Kabinett
nicht abreißen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN – Ulrike Flach [FDP]: Das war nun
ein dickes Ende!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Rudolf Henke für die CDU/CSU-
Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Rudolf Henke (CDU/CSU):
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr
Lauterbach, Sie waren jetzt vier Jahre lang in der
Schmollecke der SPD-Fraktion.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wäre das
erste Mal in meinem Leben gewesen!)
Vier Jahre lang haben Sie hinnehmen müssen, dass Ulla
Schmidt die Gesundheitspolitik gestaltet hat. Sie hatten
vier Jahre Zeit, sich auf den Zeitpunkt der Übernahme
der gesundheitspolitischen Führungsrolle in der SPD
vorzubereiten. Wie schlecht haben Sie sich eigentlich in
den vier Jahren vorbereitet, um jetzt in dieser Haushalts-
debatte eine solche Rede zu halten?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Hier hätten Sie auftrumpfen können. Hier hätten Sie
die ganze Kritik, die Sie seit einem halben Jahr vortra-
gen, und Ihre Alternative beschreiben können.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren
doch! Wer stellt denn die Regierung? Regieren
wir oder Sie? – Elke Ferner [SPD]: Sie regie-
ren!)
Hier hätten Sie sagen können, wie Ihr Konzept einer
Bürgerversicherung aussieht. Aber weder Sie erläutern
Ihr Konzept einer Bürgerversicherung noch die Grünen
noch die Linke. Sie tun nur eines: Sie versuchen, mit
Blick auf den Muttertag, auf den Termin der nordrhein-
westfälischen Landtagswahl,
(Elke Ferner [SPD]: Nein, das machen Sie!)
durch das Erzeugen von Verhetzungspotenzial Stim-
mung zu machen, Punkte zu machen, eine unsachliche
Debatte zu führen und in diese Wahlauseinandersetzung
einzugreifen.
(Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Sie missbrauchen diese Haushaltsdebatte zum Wahl-
kampf.
(Zuruf von der LINKEN: Wählerhetzer! –
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Populismus!)
Um das zu verdecken, arbeiten Sie mit semantischen
Tricks, die unglaublich sind.
(Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie einmal ein
Blutdruckmittel!)
Verehrter Herr Kollege Lauterbach, Sie können das
eigentlich besser. Eigentlich sind Sie in der Lage, zu un-
terscheiden.
(Ewald Schurer [SPD]: Sie scheinbar nicht!
Sie nicht! Kein Vorschlag!)
– Ich bin sehr gut in der Lage, zu unterscheiden. – Ich
habe mir genau gemerkt,
(Ewald Schurer [SPD]: Wieder nicht! Ein
Wahnsinn!)
dass Herr Lauterbach hier behauptet und in den Mittel-
punkt stellt, dass die Politik der Koalition darauf gerich-
tet sei, den Ausstieg aus dem Solidarsystem herbeizu-
führen.
(Elke Ferner [SPD]: Ja, natürlich!)
Ich sage Ihnen: Das, was Sie mit Ihrer Bürgerversiche-
rung anstreben, ist die Vorbereitung auf einen Ausstieg
aus dem Solidarsystem. Ich werde Ihnen jetzt erklären,
warum.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie vorher eine Zwischen-
frage des Kollegen Lauterbach?
Rudolf Henke (CDU/CSU):
Ja, natürlich. Wenn mir das nicht von der Redezeit ab-
gezogen wird, gerne.
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Herr Henke, ich bin konkret gewesen und habe ein
paar Vorschläge gemacht. Aber hier ist niemand, der sich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2977
Dr. Karl Lauterbach
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mit den Vorschlägen von Herrn Rösler beschäftigt hat.
Tragen Sie doch Ihre eigenen Vorschläge vor,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
ob positiv oder negativ, was auch immer. Aber ich bin
doch noch nicht der Minister,
(Heiterkeit – Heinz Lanfermann [FDP]: Gott
sei Dank! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]:
Um Himmels willen! Dazu darf es niemals
kommen!)
sondern Herr Rösler ist der Minister. Wo sind denn Ihre
konkreten Vorschläge? Nennen Sie Ihre eigenen Vor-
schläge. Wir regieren doch noch nicht, Herr Henke.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Rudolf Henke (CDU/CSU):
Lieber Herr Lauterbach, das, was Sie in den Mittel-
punkt der Debatte stellen, ist doch die Frage,
(Zuruf von der SPD: Kommen jetzt mal
Vorschläge?)
ob mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich,
(Elke Ferner [SPD]: Wer will den denn?)
wie er in allen Vorschlägen der Koalition und in der ge-
samten Philosophie des Gesundheitsministers enthalten
ist, oder mit einem beitragsfinanzierten Sozialausgleich
besser auf die heutige Situation reagiert werden kann.
Das, was Sie immer in den Vordergrund rücken, ist, dass
Sie unter allen Umständen und egal zu welchen Kosten
und Bedingungen am beitragsfinanzierten Sozialaus-
gleich als dem einzigen Instrument festhalten wollen,
dem Sie überhaupt attestieren, das Prädikat „solidarisch“
zu verdienen. Genau damit zementieren Sie eine finan-
zielle Engführung dessen, was im Gesundheitswesen zu
leisten ist.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gesagt haben, es
besteht Konsens darüber, dass wir eine Alterung der Be-
völkerung zu verzeichnen haben und dass der demogra-
fische Wandel seinen Preis verlangt. Ich bin Ihnen dank-
bar dafür, dass Sie sagen, der medizinische Fortschritt
führt dazu, dass das Gesundheitswesen teurer wird. Aber
dann müssen Sie doch auch eine Antwort auf die Frage
geben, wie Sie in dem von Ihnen propagierten Alterna-
tivmodell einer Bürgerversicherung den Solidaraus-
gleich verbessern wollen.
(Elke Ferner [SPD]: Sagen Sie doch erst einmal,
wie hoch Ihre Kopfpauschale sein wird!)
Mit genau dieser Frage möchte ich mich jetzt gerne
auseinandersetzen, weil sie die Kernfrage ist: Brauchen
wir bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung
eine Stärkung der steuerfinanzierten Anteile, oder brau-
chen wir eine Konzentration allein auf die Beitragsfinan-
zierung? Das ist die Kernfrage.
(Zuruf von der SPD: So ist es!)
Sie weigern sich natürlich, Ihr angeblich klug konstru-
iertes Modell auch nur ein einziges Mal konkret zu be-
schreiben,
(Elke Ferner [SPD]: Legen Sie doch auch mal
etwas vor!)
weil Sie wissen, dass dieses Modell ohne Zukunft ist,
wenn die Bürger erfahren, wie Ihr Modell konkret aus-
sieht.
(Ewald Schurer [SPD]: Sie haben doch jetzt
die Mehrheit! Sie müssen jetzt regieren! Aber
Sie machen es nicht!)
Sie wissen, dass es verfassungsrechtlich völlig ausge-
schlossen ist, eine Bürgerversicherung einzuführen, in
der Abgaben erhoben werden, für die das Äquivalenz-
prinzip verlassen wird. Aber Sie täuschen die Bürger,
indem Sie sie darüber im Unklaren lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Elke
Ferner [SPD]: Nein! Sie lassen die Bürger im
Unklaren!)
Von der vermeintlich idealen Solidaritätsleistung in
der Bürgerversicherung sind gerade die ausgenommen,
denen es am besten geht, während gleichzeitig die
durchschnittliche Belastung der mittleren Schichten weit
stärker steigt, als es bei jedwedem einkommensunabhän-
gigen Beitrag mit sozialem Ausgleich je der Fall sein
könnte.
Wo wir soziale Verantwortung ernst nehmen, da set-
zen Sie sich für ein Modell ein, das nichts und nieman-
den so sehr schont wie den leistungslosen Wohlstand.
(Elke Ferner [SPD]: Ach! Das ist doch
Quatsch!)
Mittwochs beklagen Sie hier den leistungslosen Wohl-
stand, und freitags werben Sie mit Ihrem Eintreten für
die Bürgerversicherung dafür, leistungslosen Wohlstand
zu belohnen. Unsere Überzeugung ist, dass eine Zusatz-
finanzierung, in der Steuermittel den Sozialausgleich or-
ganisieren, eine stärkere Beteiligung derer sicherstellt,
die auf der sonnigsten Seite des Lebens stehen. Das ist
der Unterschied: Wir nehmen das Solidaritätsgebot
ernst, aber Sie tun nur so, als nähmen Sie es ernst, und
versuchen, ein Verwirrspiel zu spielen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
Ferner [SPD]: Sie wollen den Sozialstaat platt-
machen! Das ist die Wahrheit!)
Herr Lauterbach, vielleicht gestatten Sie mir, dass ich
Ihnen in Erinnerung rufe, was die SPD-Fraktion zu Zei-
ten Ihrer Vorgänger über die Bürgerversicherung gedacht
hat:
Eine ganz entscheidende Frage bei der Bürgerversi-
cherung ist, bis zu welchem Einkommen Beiträge
gezahlt werden müssen.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Darum geht es
heute doch überhaupt nicht! Es geht um Ihre
Vorschläge!)
Hier gibt es die Überlegung, die Beitragsbemes-
sungsgrenze deutlich anzuheben oder sie ganz auf-
zuheben. Das wird uns aus verfassungsrechtlichen
Gründen aber nicht gelingen. Man kann nicht die
Beitragsbasis beliebig ausweiten, ohne die Leistun-
2978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Rudolf Henke
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gen anzupassen. Das hat das Bundesverfassungsge-
richt in mehreren Urteilen deutlich gemacht. Daher
wird die Grenze wohl in der Nähe des heutigen Be-
trags … bleiben … Das heißt, auch bei einer Bür-
gerversicherung werden die Gutverdienenden auf
einen großen Teil ihres Einkommens keine Beiträge
zahlen.
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es! Das ver-
schweigt die SPD!)
Besonders deutlich wird das Problem, wenn auch
noch Zinsen oder Mieteinnahmen einbezogen wer-
den. Davon sind dann nämlich nur die Bezieher von
geringen und mittleren Einkommen betroffen. Die
Reichen werden verschont. Das ist nicht das, was
ich mir unter einer guten Bürgerversicherung vor-
stelle.
Das hat Frau Schaich-Walch, damals stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der SPD, im Jahr 2003 erklärt.
(Zuruf von der SPD: Fast zehn Jahre her!)
Daran hat sich nichts geändert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Rudolf Henke (CDU/CSU):
Ja. – Wir haben diese Debatte fortgeführt. Deswegen
sind wir überzeugter denn je, dass es richtig ist, den Soli-
darausgleich stärker auf Steuermittel abzustellen, als Sie
es wollen.
(Widerspruch bei der SPD)
Das ist der konzeptionelle Unterschied, der in dieser De-
batte deutlich wird.
(Zuruf von der SPD: Wieder nichts Neues!)
Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der
Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsan-
träge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst ab-
stimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
sache 17/1037? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung der
Fraktion Die Linke mit den Stimmen des übrigen Hauses
abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
sache 17/1038? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit wie
zuvor abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
sache 17/1039? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, der FDP und von Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der Linksfraktion bei
Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
Wir kommen nun zu der Abstimmung über den
Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der beiden Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositions-
fraktionen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32
Bundesschuld
– Drucksache 17/621 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
daher gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 32 –
Bundesschuld – in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan ist mit den Stimmen der beiden Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfrak-
tionen angenommen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt auf:
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
– Drucksache 17/622 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.
Bevor wir dem Einzelplan 60 in der Ausschussfas-
sung zustimmen können, müssen wir über zwei Ände-
rungsanträge befinden, die die Fraktion Die Linke einge-
bracht hat.
Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag auf
der Drucksache 17/1040. Wer stimmt gegen diesen Än-
derungsantrag? – Wer enthält sich? – Damit ist der Än-
derungsantrag abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf der
Drucksache 16/1041? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 60 – Allge-
meine Finanzverwaltung – in der Ausschussfassung ab.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2979
Präsident Dr. Norbert Lammert
(A) (C)
(D)(B)
Stimmt jemand gegen diesen Einzelplan 60? – Wer ent-
hält sich? – Der Einzelplan ist in der Ausschussfassung
damit mehrheitlich angenommen.
Ich rufe nun auf:
Haushaltsgesetz 2010
– Drucksachen 17/624, 17/625 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
Auch hier ist eine Aussprache in der zweiten Bera-
tung nicht vorgesehen.
Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über das
Haushaltsgesetz in der Ausschussfassung. Hierzu liegt
ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der
Drucksache 17/1009 vor, über den wir zuerst abstim-
men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 2010 in der Aus-
schussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Das Haushaltsgesetz ist mit der Mehrheit der
Koalition gegen die Oppositionsfraktionen angenom-
men.
Wir kommen nun zum Finanzplan des Bundes 2009
bis 2013 auf den Drucksachen 16/13601 und 17/626.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 17/626, den Finanzplan zur Kenntnis zu
nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die erkenn-
bar große Mehrheit des Hauses ist bereit, den Finanzplan
zur Kenntnis zu nehmen, was hiermit so protokolliert
wird.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)
– Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 17/616,
17/619 bis 17/622, 17/623, 17/624, 17/625,
17/1077 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
Es wurden insgesamt 13 Entschließungsanträge ein-
gebracht, über die wir nach der Schlussabstimmung ab-
stimmen werden. Ich weise darauf hin, dass wir später
über das Haushaltsgesetz sowie über einen Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der SPD namentlich abstim-
men werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Petra Merkel für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Petra Merkel (Berlin) (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Schlussrunde
der ersten Lesung des Haushalts 2010 im Januar stand
ich auch hier und habe gesprochen. Wenn ich jetzt über-
lege, was in den letzten acht Wochen dazwischen pas-
siert ist, dann stelle ich fest, dass wir lange und intensive
Beratungen hinter uns haben.
Die einzelnen Fachausschüsse haben zum Haushalt
2010 getagt. Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem
Haushaltsausschuss haben in Berichterstatterrunden be-
raten. Vor allen Dingen gab es lange Sitzungen im Haus-
haltsausschuss: 8 Sitzungen, runde 80 Stunden, über
1 130 Anträge haben wir im Haushaltsausschuss abge-
stimmt, damit wir hier im Plenum in dieser Woche die
abschließenden Beratungen des Haushalts 2010 durch-
führen konnten. Wir sind jetzt wenige Meter vor dem
Ziel.
„Sind Sie denn mit dem Ergebnis zufrieden?“, wurde
ich am Tag nach der Bereinigungssitzung von der Presse
gefragt. Na ja, ich war erst einmal froh, dass ich nach der
14-stündigen Bereinigungssitzung, die erst gegen
3.30 Uhr morgens beendet war, wieder aus den Augen
gucken konnte. Das ging sicherlich allen Kolleginnen
und Kollegen so. Natürlich kann kein Haushälter und
keine Haushälterin mit einer Nettokreditaufnahme von
80,2 Milliarden Euro zufrieden sein.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr!)
Das ist nun einmal eine Rekordverschuldung.
(Otto Fricke [FDP]: Stimmt!)
Das ist wahrlich kein Grund zum Jubeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
LINKEN)
Jetzt kommt sicherlich der Hinweis darauf, dass im
Verlauf der parlamentarischen Beratungen immerhin
5,6 Milliarden Euro eingespart werden konnten. Ja, das
stimmt.
(Otto Fricke [FDP]: Auch das!)
Aber das ist nicht Ihr Verdienst, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der schwarz-gelben Koalition. Das ist auf
eine bessere Konjunktur und auf zum Glück weniger
Ausgaben für Arbeitslosigkeit zurückzuführen.
80,2 Milliarden Euro schmerzen mich besonders, weil
Peer Steinbrück 2008 dicht vor dem Ziel war, keine
neuen Schulden mehr aufnehmen zu müssen. Dann kam
die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir haben gehandelt.
Wir mussten riesige Summen in die Hand nehmen und
wieder Schulden machen, um der Krise zu begegnen.
2980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Petra Merkel (Berlin)
(A) (C)
(D)(B)
Das war erfolgreich. Die Konjunkturpakete haben ge-
wirkt, die Kurzarbeit ist ein gutes Instrument, die wirt-
schaftliche Entwicklung verlief besser als erwartet. Der
Haushalt 2009 – Steinbrücks letzter – konnte mit fast
15 Milliarden Euro geringerer Schuldenaufnahme als
geplant abgeschlossen werden. So weit zum vergange-
nen Jahr.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Davon profitieren jetzt Sie von der schwarz-gelben
Koalition. Sie haben erst einmal noch einen kräftigen
Schluck genommen, statt sofort die zusätzlichen Einnah-
men zu nutzen und auf die Schuldenaufnahme zu
verzichten; denn das neue Jahr begann mit dem Inkraft-
treten Ihres schwarz-gelben Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetzes, das seinem Namen nicht gerecht werden
wird. Selbst der Sachverständigenrat mahnt Sie in sei-
nem Jahresgutachten, die Zukunft nicht aufs Spiel zu
setzen.
Zurück zu den 80,2 Milliarden Euro Nettoneuver-
schuldung in diesem Jahr. Ein Leitartikel in der Berliner
Morgenpost – wahrlich kein sozialistisches Kampfblatt,
Herr Koschorrek – stammt von Jochim Stoltenberg und
ist überschrieben mit: „Ein Haushalt ohne politischen
Ehrgeiz“. Ich zitiere daraus:
Das können die Schönfärber in der schwarz-gelben
Koalition selbst wohl nicht ganz ernst meinen: Als
Sparkurs zu bewerten, was jetzt nach den soge-
nannten Bereinigungsverhandlungen im Haushalts-
ausschuss mit den Stimmen von CDU, CSU und
FDP für den Bundesetat 2010 beschlossen worden
ist, kommt im freundlicheren Betrachtungsfall ritu-
alhafter Parteilichkeit gleich, bei realistischer
Bewertung verantwortungsloser finanzpolitischer
Ignoranz.
Ich habe mich morgens nach der Bereinigungssitzung
mit kleinen Augen, aber wachem Verstand immer wieder
gefragt: Warum hat Schwarz-Gelb nicht wenigstens ver-
sucht, unter 80 Milliarden Euro Neuverschuldung zu
bleiben? Warum ist es nicht „nur“ eine Verschuldung,
die im Bereich der 70er-Marge bleibt? Meine Erfahrun-
gen in einer Regierungsfraktion liegen ja noch nicht so
lange zurück. Ich bin mir sicher, Peer Steinbrück hätte
uns getrieben, dass wir unter 80 Milliarden Euro kom-
men – ganz sicher.
(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]:
Egal, ob vernünftig oder nicht: Ihr hättet das
einfach gemacht! Hauptsache 79, weil sich das
besser anhört! So seid ihr!)
Was fällt auf? Bei Steinbrück lag die strukturelle
Verschuldung, nämlich die Verschuldung, die Investi-
tions- und Wachstumsförderung bedingt, bei knapp
40 Milliarden Euro. Ihre liegt jetzt bei 68 Milliarden
Euro. Sie müssen doch erklären, warum Sie trotz besse-
rer wirtschaftlicher Entwicklung und trotz einer nicht so
stark wie befürchtet gestiegenen Arbeitslosigkeit eine so
hohe Verschuldung aufnehmen. Sie hätten locker unter
eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro kommen
können. Wenn Sie gewollt hätten, dann hätten Sie durch-
aus bei 77 bis 78 Milliarden Euro landen können. Das al-
les hat mit der Schuldenbremse zu tun.
Vom Haushalt 2011 an gilt die Schuldenbremse, das
Ergebnis der Föderalismuskommission II. Ich war dort
Mitglied und kann mich gut an die Verhandlungen erin-
nern. Damals war die Haltung der Vertreter von Schwarz
und der Vertreter von Gelb – noch nicht in einer Koali-
tion, aber ganz im Geiste eines unsichtbaren Bandes –
eindeutig: Erklärtes Ziel war die Nullschuldenregel. Der
Staat sollte keinen Puffer haben und keine strukturellen
Schulden aufnehmen dürfen, also nicht die Möglichkeit
haben, Investitionen und Wachstum mit Schulden zu för-
dern – weder der Bund noch die Länder. Die Regel
konnte gar nicht streng genug sein. Und jetzt dieses Er-
gebnis im Haushalt 2010!
Eines steht fest: Mit diesem Haushalt verschafft sich
Schwarz-Gelb ein Polster. Mit diesem Haushalt legt
Schwarz-Gelb die Höhe der Stufen für die nächsten
sechs Jahre fest; denn 2016 muss eine Neuverschuldung
in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein-
gehalten werden. Anders ausgedrückt: 2016 dürfen die
strukturellen Schulden nicht höher als ungefähr
8 Milliarden Euro sein. Das bedeutet pro Jahr durch-
schnittlich 10 Milliarden Euro bis zu 15 Milliarden Euro
– wenn die Zinsen steigen – Kürzungen im Haushalt. Sie
schaffen sich jetzt das Polster, aus dem Sie dann zumin-
dest in den ersten Jahren wie bei einer Luftmatratze die
Luft rauslassen können.
(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] – Otto
Fricke [FDP]: Großer Applaus!)
Ich komme jetzt zum nächsten Punkt. Das ist Haus-
haltstechnik. Hier sehe ich gerade uns Haushälter gefor-
dert. Gerade bei einer so hohen Neuverschuldung müs-
sen wir viel stärker als früher den tatsächlichen
Mittelabfluss kontrollieren.
Man wirft uns ja durchweg in allen Fraktionen Buch-
haltermentalität vor. Manchmal ist Buchhaltung aber
ganz gut. Wir müssen das Soll durchgehend mit dem Ist
vergleichen. Wir müssen den aktuellen Stand des gesam-
ten Haushalts regelmäßig bei der Verwaltung abfragen
und von ihr erhalten. Nur so können wir Haushälter er-
kennen, wo die Mittel abfließen, wo Reste sind und wo
Luft ist. Es reicht nicht mehr aus, einmal im Jahr die
Liste mit den Istmitteln in die Hand zu bekommen.
Wir wissen doch: Der Bund hat kein Geld, die Kom-
munen erst recht nicht, und die Länder auch nicht. Ge-
rade weil das so ist, muss es zumindest jetzt einen Kon-
sens dahin gehend geben, dass die Steuern in allen
Bundesländern in gleichem Maße erhoben werden müs-
sen, Stichwort: Bundessteuerverwaltung. Meine Frak-
tion hat sich im Rahmen der Föderalismuskommission
dafür eingesetzt, dieses Thema endlich in Angriff zu
nehmen. Schätzungen zufolge wurde von jährlichen
Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 8 Milliarden
Euro ausgegangen. Die Bundessteuerverwaltung bringt
auch eine Vereinfachung und eine Entbürokratisierung
mit sich. Herr Finanzminister Schäuble, auch Sie müssen
ein Interesse daran haben. Diskutieren Sie mit Ihren Kol-
leginnen und Kollegen aus den Ländern, auf welche
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2981
Petra Merkel (Berlin)
(A) (C)
(D)(B)
Weise Steuern zu erheben sind. Diskutieren Sie mit ih-
nen bitte noch einmal über eine Regelung in Bezug auf
eine Bundessteuerverwaltung. Es gibt verschiedene Mo-
delle; diese liegen alle vor.
Es ist wirklich ein Skandal, wenn in einem Bundes-
land Steuerfahnder aus dem Amt gedrängt oder gemobbt
werden, weil sie zu erfolgreich sind. In einer Zeit, in der
diskutiert wird, ob Steuerdaten-CDs aus der Schweiz ge-
kauft werden, um so Steuerhinterzieher zu verfolgen,
müssen wir im eigenen Land doch alle Möglichkeiten
ausschöpfen, um die dem Staat zustehenden Steuern zu
erhalten.
(Beifall bei der SPD)
Ich komme zum Schluss. Für mich war es eine Pre-
miere; denn es war der erste Etat, den ich als Vorsitzende
des Haushaltsausschusses begleiten konnte. Deshalb
möchte ich mich jetzt bei einigen Menschen bedanken:
Herr Finanzminister Schäuble, ich danke Ihnen ganz be-
sonders, dass Sie heute an der Abschlussrunde teilneh-
men. Gestatten Sie mir außerdem ein ganz persönliches
Wort: Wir alle haben uns Sorgen um Sie gemacht. Wir
hoffen sehr, dass Sie die nächste Zeit nutzen, um Kraft
zu tanken, und sich diese Zeit auch nehmen können. Sie
haben harte Wochen und Monate vor sich. Denn Sie
müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen von einem rigi-
den Sparkurs überzeugen.
(Otto Fricke [FDP]: Nein! Überzeugen muss
er nicht!)
Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte mich ganz offiziell bei meinen Kollegin-
nen und Kollegen im Haushaltsausschuss für die gute
Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des gesamten Haus-
haltsausschusssekretariats, die die langen Sitzungen vor-
bereitet, nachbereitet und uns während der Sitzungen bis
in die Morgenstunden begleitet haben. Einige von ihnen
haben hinter der Bundesratsbank Platz genommen.
(Beifall)
Ich bedanke mich außerdem bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Ministerien, beim Parlamentari-
schen Staatssekretär Steffen Kampeter, beim Rech-
nungshof und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Fraktionen sowie aus den Abgeordnetenbüros. Auch
wenn Sie es nicht so recht glauben: Ich freue mich schon
auf die Beratungen für den nächsten Haushalt, die im
Herbst stattfinden werden.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei
Abgeordneten der LINKEN und des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke
[FDP]: Ich glaube ihr das!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zunächst freuen wir uns auf die nächste Rede, die
vom Kollegen Norbert Barthle für die CDU/CSU-Frak-
tion gehalten wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Ich weise vorsichtshalber darauf hin, dass die vorge-
sehene Redezeit zur Verlesung des dicken Bandes, das
Sie mitgebracht haben, sicher nicht reicht.
(Heiterkeit)
Norbert Barthle (CDU/CSU):
In Ordnung. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich will sagen: Heute ist ein schöner
und ein guter Tag.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ein schlechter Tag! – Zuruf von der
LINKEN: Für wen denn?)
Denn wir können heute den Bundeshaushalt 2010 ab-
schließend beraten. Nach langer harter Arbeit wird er
dem Bundespräsidenten und dem Bundesrat übergeben
und somit in das Gesetzblatt gehievt. Damit endet nicht
nur der Winter, sondern auch die vorläufige Haushalts-
führung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Lassen Sie mich nach diesen Beratungen zunächst al-
len Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss
und deren Mitarbeitern einen ganz herzlichen Dank aus-
sprechen. Ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Ich
möchte auch dem Haushaltsausschusssekretariat, das
uns unter neuer Führung hervorragend unterstützt hat,
ganz herzlich danken: herzliches Dankeschön. Ich danke
natürlich auch der Frau Vorsitzenden für die gute Füh-
rung. Liebe Frau Kollegin, ich wünsche Ihnen noch eine
jahrelange, vielleicht auch jahrzehntelange Ausübung
dieser Aufgabe.
(Heiterkeit und Beifall – Petra Merkel [Berlin]
[SPD]: Keine Hoffnung!)
Mein herzlicher Dank richtet sich auch an Bundes-
finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Staatsse-
kretäre. Dies gilt natürlich auch für sein Haus, das uns
unter neuer Führung bestens unterstützt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Lassen Sie mich nun auf den Haushalt zurückkom-
men. Die Fakten bleiben Tatsachen, auch wenn es von-
seiten der Opposition immer wieder anders dargestellt
wird. Wir befinden uns in einer historischen Krisen-
situation. Dieser historischen Krisensituation ist auch
eine historisch hohe Nettokreditaufnahme geschuldet.
Das erfreut niemanden in diesem Hause, im Gegenteil.
Nicht nur wir Haushälter sehen das mit großer Sorge und
empfinden diesen Schuldenberg sozusagen fast als kör-
perlich spürbare Last. Ich bin deshalb unserer Bundes-
kanzlerin sehr dankbar, dass sie diese bedrückende Si-
tuation in aller Deutlichkeit dargelegt hat.
2982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Norbert Barthle
(A) (C)
(D)(B)
Aber der Schuldenberg liegt nicht am mangelnden
Sparwillen der christlich-liberalen Koalition,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Aber auch!)
weit gefehlt. Denn trotz der Krise haben wir die Netto-
kreditaufnahme durch schwierige, schmerzhafte Ein-
schnitte um 5,6 Milliarden Euro abgesenkt;
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Das hatten wir doch schon mal!)
das sind 6,5 Prozent. Eigentlich waren es sogar
5,9 Milliarden Euro. Da wir aber auf der Einnahmeseite
sehr vorsichtig kalkuliert haben, verbleiben 5,6 Milliar-
den Euro. Nennen Sie mir eine andere Koalition als die
der christlich-liberalen, die so etwas schon einmal ge-
schafft hätte! Da werden Sie wahrscheinlich sprachlos
bleiben müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Schauen wir uns einmal die Sparbemühungen der Op-
position an. Denn eines muss festgehalten werden: Eine
um 1 oder 2 Milliarden Euro niedrigere Nettokreditauf-
nahme rettet die Welt nicht. Mehr war aber auch bei der
Opposition nicht zu sehen.
Schaue ich mir die Änderungsanträge der SPD an,
stelle ich fest, dass mit ihnen unter dem Strich eine um
2 Milliarden Euro niedrigere Nettokreditaufnahme vor-
gesehen ist als bei der Koalition. So weit, so gut. Bei ge-
nauerer Betrachtung der Einzelpläne aber sieht man,
dass in Summe 840 Millionen Euro mehr ausgegeben
werden sollten, die Einsparungen aber nur durch niedri-
gere Zins-ausgaben, eine globale Minderausgabe und un-
realistisch angesetzte Steuermehreinnahmen erreicht
werden sollten. Das sind, mit Verlaub, Luftbuchungen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Stimmt ja gar
nicht!)
– Doch, schauen Sie es nach.
Ähnlich sieht es bei den Grünen aus. Die Grünen
wollten über alle Haushalte hinweg 14 Milliarden Euro
mehr ausgeben. Auch hier sollten Einsparungen nur
durch unrealistische Steuermehreinnahmen und eine um
1,1 Milliarden Euro geringer veranschlagte Position bei
den Zinsausgaben erfolgen. Auch das sind Haus-
haltstricks.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Quatsch!)
Dass die Grünen überdies im Verteidigungsetat mal eben
1,8 Milliarden Euro kürzen wollten, will ich nur am
Rande erwähnen, vielleicht auch in Richtung des Kolle-
gen Johannes Kahrs, der unsere Einsparungen vehement
kritisiert hat, obwohl auch die SPD-Fraktion fast
140 Millionen Euro in diesem Etat einsparen wollte.
Dann weiß der Kollege Kahrs, wo seine wahren Freunde
sind.
Jetzt lassen Sie mich noch auf die Linken blicken. Die
Änderungsanträge der Linken zeigen, dass trotz einer
Kürzungsorgie von 3,7 Milliarden Euro im Verteidi-
gungsetat
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
unter dem Strich 44 Milliarden Euro mehr ausgegeben
werden sollten, frei nach dem Motto: Im Himmel ist
Jahrmarkt, wir schöpfen aus dem Vollen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Barthle, der Kollege Bonde wollte ver-
mutlich zu Ihren Anmerkungen zu den Vorschlägen der
Grünen noch eine Zwischenfrage stellen.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Gerne.
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Barthle, sind Sie bereit, Ihre doch sehr
reduzierten Lesekünste auf das gesamte Antragswerk der
Grünen auszuweiten und zu bestätigen, dass wir mit den
Haushaltskonzepten, die wir Ihnen vorgelegt haben, un-
ter anderem durch den Abbau von klima- und umwelt-
schädlichen Subventionen in Höhe von 9 Milliarden
Euro und durch eine vorgeschlagene Reduzierung im
Haushalt in einer Größenordnung von 4,7 Milliarden
Euro, ein Paket geschnürt haben, mit dem wir einerseits
belegt haben, dass wir sowohl die eine oder andere von
uns gewünschte Investition mehr hätten tätigen können,
aber andererseits auch gezeigt haben, dass die Netto-
neuverschuldung für dieses Jahr um 7,5 Milliarden Euro
niedriger hätte liegen können als bei Ihrer Rekordver-
schuldung?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Lieber Herr Kollege Bonde, ich gehe gerne nochmals
mit Ihnen jeden einzelnen Antrag der Grünen durch. Ich
habe die Auflistung in meinem Büro; wir können sie uns
gerne anschauen. Dann kann ich Ihnen zeigen, dass Sie
zwar innerhalb der einzelnen Einzelpläne durchaus Ge-
genfinanzierungen für die von Ihnen geplanten Mehraus-
gaben vorgesehen hatten, dass aber über alle Einzelpläne
hinweg – mit Ausnahme der Einzelpläne 32 und 60 – un-
ter dem Strich 14 Milliarden Euro Mehrausgaben blie-
ben. Das können wir uns gerne noch einmal anschauen;
dann werden auch Sie vielleicht schlauer werden. –
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vor diesem Hintergrund erscheinen viele der in dieser
Woche hier aus den Reihen der Opposition vorgetrage-
nen Vorwürfe in einem ganz anderen Licht. Da wurde
immer wieder behauptet, wir wollten gar nicht, nicht
ernsthaft oder zu wenig sparen. Das relativiert sich sehr
schnell.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz zurück-
kommen auf die ominöse 900-Millionen-Euro-Sperre
bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist in der Tat ominös, was Sie da
gemacht haben!)
Das war schon eine besondere Nummer. Da stellen die
Haushälter der SPD-Fraktion diese Sperre als Kürzung
dar. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bringt es gar
fertig, öffentlich per Pressemitteilung nur noch von Kür-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2983
Norbert Barthle
(A) (C)
(D)(B)
zung zu reden. Dabei kennen die erfahrenen Kollegen im
Haushaltsausschuss den Unterschied zwischen einer
Sperre und einer Kürzung ganz genau. Darüber hinaus
wissen sie sogar, dass wir in aller Regel – mit wenigen
Ausnahmen – diese Sperre irgendwann im Haushaltsaus-
schuss aufheben.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das muss aber
schnell passieren! In der April-Sitzung!)
Sie wird also nicht zu einer Kürzung führen. Das wissen
Sie genau. Trotzdem stellen Sie es in der Öffentlichkeit
anders dar. Das finde ich nicht korrekt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
An diesem geradezu paradigmatischen Beispiel kann
man sehen, dass viele der hier aus den Reihen der Op-
position vorgetragenen Kritikpunkte billige Effektha-
scherei und teilweise Polemik waren. Leider ist in dieser
Woche die Kritik teilweise in persönliche Diffamierun-
gen ausgeartet. Da wünsche ich mir für künftige Haus-
haltsberatungen wieder etwas mehr Kultur in den Debat-
ten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Barthle, möchten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Hagedorn beantworten?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Gerne.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich will zwischendurch darauf hinweisen, dass ich
aufgrund der von uns vereinbarten Gesamtredezeit nicht
geneigt bin, eine sich abzeichnende substanzielle Aus-
weitung der Debattenzeit durch eine Fülle von Zusatz-
fragen und Kurzinterventionen zuzulassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte daher schon jetzt um eine freiwillige Sortie-
rung entsprechender Wünsche bitten. – Bitte, Frau Kol-
legin Hagedorn.
Bettina Hagedorn (SPD):
Die Anzahl der Wünsche nach Zwischenfragen wird
sich sicherlich reduzieren, wenn das, was hier vorgetra-
gen wird, auch den Tatsachen entspricht.
Herr Kollege Barthle, zu der 900-Millionen-Euro-
Sperre. Ich habe nicht von einer Kürzung, sondern von
einer faktischen Kürzung gesprochen. Sie haben vorhin
gesagt, dass jede Sperre irgendwann einmal aufgehoben
wird.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Nicht jede, aber viele.
Bettina Hagedorn (SPD):
Irgendwann, haben Sie gesagt.
Als wir in der Bereinigungssitzung mit Frau von der
Leyen über die Sperre gesprochen haben, habe ich sie
gefragt, wann diese Sperre aufgehoben sein muss, damit
die 900 Millionen Euro noch in diesem Jahr für aktive
Arbeitsmarktpolitik ausgegeben werden können. Die
Ministerin hat daraufhin gesagt, sie müsste spätestens in
der Plenarwoche im April aufgehoben werden, damit das
Geld noch ausgegeben werden kann. Können Sie das be-
stätigen? Wird Schwarz-Gelb die Sperre am 21. April in
der Haushaltsausschusssitzung aufheben?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Verehrte Frau Kollegin, ich möchte Ihnen Folgendes
antworten:
Erstens. Sie haben tatsächlich von einer faktischen
Kürzung gesprochen. Aber darunter versteht die Öffent-
lichkeit eben eine Kürzung. Ihre feine Unterscheidung
versteht kein Mensch.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des
Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU])
Zweitens. Sie haben vollkommen recht: Die Frau Mi-
nisterin hat im Ausschuss dargelegt, dass es sinnvoll und
gut wäre, wenn diese Sperre noch in den ersten beiden
Quartalen aufgehoben werden könnte, möglichst bis
Ende April. In diesem Monat haben wir noch eine Sit-
zungswoche. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es unserer
Ministerin, die sehr tüchtig ist, gelingen wird, bis zu
diesem Termin ein Konzept vorzulegen, das zeigt, wie
dieses Geld zweckentsprechend, zielgerichtet und öko-
nomisch sinnvoll eingesetzt werden kann.
Verehrte Frau Kollegin, ich muss Ihnen noch eines sa-
gen: Die SPD hat dieses Land elf Jahre lang regiert. Da
kann es nicht falsch sein, einmal nachzuschauen, ob das
Geld tatsächlich ökonomisch sinnvoll und zielgerichtet
eingesetzt wird. Dies ist im Sinne von uns Haushältern.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Zurück zum Haushalt 2010. Wir haben erste Signale
hin zu einer Konsolidierungspolitik für künftige Haus-
halte bereits in diesem Gesetz gegeben. Ich erinnere
daran: Im Bereich der Verwaltungs- und Personalkosten
haben wir 500 Millionen Euro eingespart. Rund 2 600 Stel-
len brutto werden durch eine wieder eingeführte pau-
schale Stelleneinsparung abgebaut.
An dieser Stelle möchte ich gerne mit Erlaubnis des
Präsidenten aus der Neuen Osnabrücker Zeitung zitie-
ren. Dort gab es am 16. März Lob vom Bund der Steuer-
zahler. Das ist ja eher die Ausnahme als die Regel. Der
Präsident des Bundes der Steuerzahler, Herr Däke, wird
folgendermaßen zitiert:
Die Änderungen zeigten, „dass das Parlament sein
Budgetrecht ernst nimmt und nicht jedem Wunsch
der Bundesregierung erliegt“ …
Das bestätigt die Anstrengungen von uns Haushältern.
Ich gebe dieses Lob gerne an die gesamte christlich-libe-
rale Koalition weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
2984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Norbert Barthle
(A) (C)
(D)(B)
Wir alle wissen, dass man es sich beim Sparen bei den
Ausgaben nicht leicht machen darf. Das ist ein schwieri-
ges Unterfangen. Dabei gibt es immer wieder auch
scharfen Gegenwind aus den Reihen der Fachpolitiker,
aus den Ländern, aus den Kommunen. Deshalb haben
wir uns in mühevoller Kleinarbeit darangemacht, diese
5,9 Milliarden Euro einzusparen. Das lassen wir uns von
niemandem, auch nicht von der Opposition, madigma-
chen. Das ist eine großartige Leistung in diesem Haus-
halt.
Wir haben den Blick schon auf die Maastricht-Krite-
rien und auf die Schuldenbremse gerichtet. Das steht
vor uns. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede dazu ge-
sagt: Es wird eine Herkulesaufgabe sein, die Vorgaben
zu erfüllen. Wir werden uns mit großem Elan daranma-
chen.
Die Schuldenbremse ist ein historischer Erfolg der
letzten Legislaturperiode. Gerade in dieser Krisenzeit
zeigt die Schuldenbremse bereits, dass sie ihre Wirkung
entfalten wird. Das wird den Druck zur Konsolidierung
aufrechterhalten, und dafür bin ich sehr dankbar.
Nun gab es in diesen Tagen die Aufforderung der EU-
Kommission an Deutschland, noch mehr zu sparen. Das
betrifft aber nicht den jetzigen Haushalt; das betrifft
kommende Haushalte. Das betrifft natürlich insbeson-
dere unsere Partnerländer. Wenn ich dorthin schaue,
stelle ich fest, dass wir mit unserer Defizitquote von
5,5 Prozent an der Spitze liegen. Das ist im Vergleich zu
Frankreich – 8 Prozent –, Spanien – rund 10 Prozent –
und Großbritannien – rund 13 Prozent – deutlich besser.
Das heißt, dieses Land wurde und wird gut regiert. Wir
stehen in dieser Krisenzeit besser da als so manch an-
dere. Deshalb hat Jean-Claude Juncker dieser Tage das
deutsche Modell der Schuldenbremse als ein Modell für
die Euro-Zone in ganz Europa dargestellt. Dem ist ei-
gentlich nichts mehr hinzuzufügen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dann kön-
nen wir ja aufhören!)
Meine Damen und Herren, damit Sie auch sehen, dass
wir nicht nur in Milliarden- oder Millionenbeträgen den-
ken, habe ich den ersten Band des Haushalts 2009 mitge-
bracht. Der gesamte Haushalt erscheint ja in zwei Bän-
den. Die sind mir zu schwer; deshalb habe ich nur einen
Band mitgebracht. Wir Haushälter haben auch im Klei-
nen gespart. Wir werden den Haushalt 2010 nicht mehr
vielhundertfach in zwei solch dicken Bänden drucken,
sondern nur noch in geringer Stückzahl. Wir werden ihn
für die Kolleginnen und Kollegen in elektronischer Form
zur Verfügung stellen. Dann kann sich jeder den Part
ausdrucken, den er braucht, und wird nicht von zwei
schweren Bänden sozusagen erschlagen. Auch da sparen
wir also Geld ein.
Sie sehen: Wir Haushälter lassen keine Gelegenheit
aus, mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umzugehen.
In diesem Sinne freue ich mich auf die künftigen Haus-
haltsberatungen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Kahrs
das Wort.
Johannes Kahrs (SPD):
Lieber Norbert, du hast gesagt, dass die SPD sich zu
Recht über die Kürzungen im Verteidigungsbereich
aufgeregt hat.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nein!)
Den Vorgang muss man sich einmal auf der Zunge zer-
gehen lassen. Der Inspekteur des Heeres hat alle
91 Flugabwehrpanzer Gepard, jede Menge Schützenpan-
zer Marder und die Panzerhaubitzen stillgelegt, weil
schon jetzt kein Geld mehr für Munition und Instandhal-
tung vorhanden ist. In dieser Situation der Bundeswehr
– mit Einsätzen in Afghanistan, auf dem Balkan und an-
derswo – habt ihr in laufender Sitzung über 450 Millio-
nen Euro aus dem Verteidigungsetat herausgestrichen:
100 Millionen Euro beim A400M, 30 Millionen Euro
beim Tiger, 30 Millionen Euro beim NH-90 usw. Zu al-
lem gibt es feste Verträge. Da kommt man gar nicht he-
ran. Das heißt, der Staatssekretär Wolf muss im laufen-
den Haushaltsjahr 450 Millionen Euro aus dem
Verteidigungsetat herausstreichen, wo doch schon jetzt
Panzer stillgelegt werden, weil nicht genug Geld da ist.
Das Ganze habt ihr gemacht, ohne eure eigenen Fach-
politiker, die von der CDU/CSU, zu beteiligen. Das
Ganze habt ihr gemacht ohne Wissen eures Ministers.
Das Ganze habt ihr gemacht ohne Absprachen mit den
Staatssekretären. Das heißt, ihr habt in einer Nacht-und-
Nebel-Aktion den Verteidigungshaushalt rasiert. Nichts
gegen Sparen, aber es muss schon schlau sein. Das ist
hier nicht der Fall.
Im nächsten Jahr werden die Soldaten an allen Ecken
und Enden bespart werden: bei Infrastruktur, bei In-
standhaltung; das tägliche Leben wird eingeschränkt –
und das nach all den warmen Worten, die ihr bei dem
Beschluss zu Afghanistan gefunden habt, dass nämlich
den Soldaten, die wir irgendwo hinschicken, immer das
beste Gerät mitgegeben wird. Ich finde, das ist schäbig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ihr hättet wenigstens mit euren Fachpolitikern, dem Kol-
legen Beck und den anderen Kollegen aus dem Verteidi-
gungsausschuss, reden können, um zu erfahren, was sie
zu dem Thema sagen. Fragt doch mal den Minister, wa-
rum er in der Debatte über den Einzelplan seines Minis-
teriums nicht geredet hat! Fragt doch mal die Staatsse-
kretäre und die Berichterstatter!
Ich finde, so kann man mit der Bundeswehr, der
Truppe nicht umgehen: auf der einen Seite schöne, wohl-
feile Sonntagsreden halten und auf der anderen Seite un-
abgestimmt einen Haushalt regelrecht rasieren, der so-
wieso schon knapp genäht ist, ohne eine Alternative
anzubieten. Norbert, das hat nichts mit Sparen zu tun.
Das ist eine unintelligente Schikane eines Ministers. Das
hat die Armee nicht verdient.
(Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2985
(A) (C)
(D)(B)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Barthle, da Sie offenbar erwidern wol-
len: Ich habe eigentlich den Eindruck, dass es noch ge-
nügend Redner gibt – angefangen mit dem Finanzminis-
ter bis zu den Kollegen aus der Fraktion –, die auf die
angesprochenen Fragen antworten können, sodass wir
wiederum im Sinne des vereinbarten Gesamtzeitbudgets
auf eine weitere Erwiderung verzichten können. Können
wir das machen?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Nur einen Satz. Ich mache es ganz kurz.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Gut, einen Satz.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Herr Kollege Kahrs, ich will nicht auf die Einzelhei-
ten eingehen, da das zu weit führen würde. Nur so viel:
Wir erleben hier ein Phänomen, das man häufiger be-
obachten kann. Dort, wo wir gespart haben, schreien die
jeweiligen Fachpolitiker: Hilfe, bei uns nicht, lieber wo-
anders! – Dort, wo es Zuwächse gibt, heißt es: Ihr habt
zu wenig draufgelegt. Warum nicht mehr? – Das kann
man durch jeden Einzelplan durchdeklinieren. Aber die-
ses Spiel hilft uns nicht weiter.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin
für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, haben am Mitt-
woch in Ihrer Rede kein Wort darüber verloren, wie Sie
den Haushalt langfristig sanieren wollen. Wir reden hier
über 80 Milliarden Euro Neuverschuldung. Hinzu kom-
men über 27 Milliarden Euro Kapitalhilfen und fast
17 Milliarden Euro für den Tilgungsfonds. Das macht in
der Summe über 124 Milliarden Euro. Frau Merkel,
mehr Haushaltsnotstand geht wirklich nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Merkel, Sie haben eine Rede gehalten, die ich – um
einen Begriff der Börsensprache aufzugreifen – als einen
typischen Leerverkauf bezeichne.
(Otto Fricke [FDP]: Da kennst du dich ja mit
aus!)
Sie haben eine große Steuerreform versprochen, ohne
dafür einen einzigen Euro in der Tasche zu haben. Was
Sie wirklich haben, ist über 1 Billion Euro Schulden.
Damit sich die Zuschauer das vorstellen können:
1 Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Sie, Frau
Merkel, gehen riskante Wetten ein und hoffen, dass die
Einnahmeverluste durch Wunder ausgeglichen werden.
Aber solche Wunder gibt es in der Politik nicht. Machen
Sie endlich eine vernünftige, nachhaltige Politik und si-
chern Sie die Einnahmeseite des Haushaltes!
(Beifall bei der LINKEN)
Statt die Einnahmen zu sichern, diskutieren Sie über
eine wirklich irrwitzige Idee. Sie wollen noch vor der
Wahl in Nordrhein-Westfalen quasi als Geschenk für die
Wählerinnen und Wähler – eigentlich als Geschenk für
Herrn Rüttgers, den Sie vor dem Untergang retten wol-
len – Steuersenkungen mit einem Volumen von 10 Mil-
liarden Euro beschließen. Sie haben das halbherzig de-
mentiert. Aber ich glaube, wenn wir am kommenden
Sonntagabend den Fernseher einschalten, dann werden
wir sehen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben. Ich
sage Ihnen ganz deutlich: Für mich wäre es wirklich ein
Missbrauch der Demokratie, wenn die Vorsitzenden der
Koalitionsparteien am Sonntag eine Blitzsteuerreform,
wie sie es offensichtlich geplant haben, beschließen wür-
den. Es darf nicht sein, dass wir hier im Parlament eine
ganze Woche um einen vernünftigen Haushalt ringen
und dann am Wochenende eine Steuerreform von drei
Parteivorsitzenden beschlossen wird. So sieht seriöse,
demokratische Politik nicht aus, Frau Merkel.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will Ihnen erklären, welche Gemeinsamkeiten
zwischen der Arbeit der Bundesregierung und dem Köl-
ner U-Bahn-Bau bestehen. Beide haben die Stützpfeiler
verkauft und wundern sich nun, dass alles zusammen-
bricht. Der Bundeshaushalt, über den wir reden, hat nur
noch zwei Stützpfeiler: die Lohnsteuer und die Mehr-
wertsteuer. Den Stützpfeiler Gewinnsteuer haben die Re-
gierungen der letzten 20 Jahre für ein paar Spenden an
ihre Klientel verkauft.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Anteil der Einnahmen aus der Gewinnsteuer am ge-
samten Steueraufkommen betrug 1960, also vor 50 Jah-
ren, 35 Prozent. Heute beträgt er nur noch 20 Prozent.
Das heißt, um es zu übersetzen: Die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer müssen nahezu die gesamte Steuerlast
allein tragen. Das ist verantwortungslos, und das ist
keine soziale Politik.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich füge hinzu: Der Pfeiler Lohnsteuer gerät durch den
wachsenden Niedriglohnsektor weiter unter Druck. Wer
prekäre Arbeitsverhältnisse zum Standard machen will,
der darf sich nicht wundern, wenn Steuern und Sozialab-
gaben spärlicher fließen. Darum brauchen wir endlich
den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn und
vernünftige Arbeitsverhältnisse.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit hätten wir nebenbei endlich auch europäischen
Standard erreicht, wo sich die Regierung doch gerne als
Lehrmeister Europas aufspielt. Wenn wir uns an europäi-
schen Standards orientieren würden, dann müssten wir
diese Maßnahme endlich im Bundestag beschließen.
Wir als Linke wollen nicht, dass der Bundeshaushalt
das gleiche Schicksal wie das Kölner Stadtarchiv erlei-
2986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. Gesine Lötzsch
(A) (C)
(D)(B)
det. Darum fordern wir, dass wieder starke Pfeiler in un-
ser Steuersystem eingezogen werden. Das ist nämlich
die Voraussetzung für einen funktionierenden Sozial-
staat. Wir, die Linke, sind die einzige Partei, die wirklich
eine deutliche Umverteilung von oben nach unten will.
Ich sage Ihnen, meine Herren und Damen von der FDP,
auch: Armut kann man nur bekämpfen, wenn man
Reichtum begrenzt. Das ist unsere Position. Ihre ist es
nicht, das weiß ich.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundeskanzlerin und auch andere haben immer wie-
der darauf hingewiesen, dass wir immer mehr Geld für
Soziales ausgeben müssen. Das wird als Ausweis einer
besonders guten Sozialpolitik angeführt. Das stimmt
nicht. Das ist kein Ausweis einer guten Sozialpolitik,
sondern Ausweis einer ganz schlechten Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftspolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn diese Regierung prekäre Arbeitsverhältnisse und
Minijobs zur Dauereinrichtung machen will, dann wird
sich diese Situation immer mehr verschärfen. Wir brau-
chen, um unseren Haushalt zu stützen, um die Sozialkas-
sen zu stärken und um den Menschen die Möglichkeit zu
geben, in Würde zu arbeiten, endlich gute Arbeit zu gu-
ten Löhnen, aber keine prekären Verhältnisse.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundeskanzlerin hat die Lohnzurückhaltung der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelobt und die
Gier der Manager getadelt. Schauen wir uns einmal an,
ob die Manager diesen Tadel beherzigen. Er hat sie über-
haupt nicht beeindruckt. Es ist doch geradezu unanstän-
dig, dass Herr Ackermann, der diese Krise durch sein
Verhalten mit verursacht hat und der durch hochriskante
Spekulationen sein Geld verdient, jetzt schon wieder ein
Gehalt von fast 10 Millionen Euro im Jahr bekommt. Da
können Sie sehen, Frau Merkel, wie Ihre Tadel wirken.
Augenscheinlich sind die gar nicht ernst gemeint. Was
tun Sie wirklich, um die Gier zu begrenzen? Wir brau-
chen endlich Gesetze zur Finanzmarktregulierung.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Der Internationale Währungsfonds, IWF, soll noch in
diesem Jahr einen Vorschlag zur Beteiligung der Banken
an den Krisenkosten vorlegen. Warum eigentlich nur
eine Beteiligung? Warum, frage ich Sie, gilt nicht die
alte Regel, dass derjenige, der einen Schaden verursacht,
auch dafür aufkommen muss? Wir als Linke werden uns
nicht damit abfinden, dass die Banken nur einen symbo-
lischen Beitrag zahlen sollen. Wir haben klare Forderun-
gen an die Banken. An dieser Stelle zeigt sich, dass un-
sere Forderung richtig war, den Rettungsschirm für die
Banken mit klaren Bedingungen zu verbinden. Sie haben
das abgelehnt. Jetzt haben Sie keinerlei Druckmittel ge-
gen die Banken in der Hand. Das ist nicht hinnehmbar.
Sie lassen sich weiter von den Banken erpressen. Diese
Politik muss endlich beendet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn ich die Kanzlerin am Mittwoch richtig verstanden
habe – davon gehe ich aus –, dann will sie den Banken-
schirm zu einer Dauereinrichtung machen. Das heißt im
Klartext: Die Banken können jetzt die Gewissheit haben,
dass der Staat sie immer auffangen wird, auch wenn sie
in den Kasinos der Welt weiter zocken und die Banker
dicke Boni einstreichen.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Eben nicht!)
Ich kann wiederholen, was ich schon am Dienstag gesagt
habe: Dieser Haushalt ist gut für Spekulanten, aber
schlecht für Menschen, die einer ehrlichen Arbeit nach-
gehen, und ganz schlecht für Arbeitslose. Kehren Sie
endlich um! Gestalten Sie eine soziale, gerechte und
nachhaltige Politik! Die ist an diesem Haushalt nicht ab-
lesbar. Darum werden wir ihn ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Koppelin für
die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach den vielen Beratungen im Haushaltsausschuss und
den vielen Debatten hier im Plenum zum Bundeshaus-
halt 2010 wird heute ein Bundeshaushalt in schwieriger
finanz- und wirtschaftspolitischer Zeit verabschiedet.
Genauso wie meine Vorredner möchte ich erst einmal
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushalts-
ausschusses einen ganz herzlichen Dank sagen. Ich
möchte mich auch für die faire Zusammenarbeit mit den
Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen bedanken,
bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger; das ist
ganz klar.
Wir hatten einen schwierigen Haushalt zu beraten.
Schwierig war er dadurch, dass er noch vom Finanz-
minister Steinbrück vorgelegt wurde.
(Johannes Kahrs [SPD]: Steinbrück, guter
Mann! – Zurufe von der SPD)
– Ja, sicher. Das ist doch bekannt; das ist kein Geheim-
nis. – Er hatte eine sehr hohe Neuverschuldung vor-
gesehen. Unsere Koalition hatte sich ganz fest vorge-
nommen, sich mit einer Neuverschuldung in der von
Steinbrück geplanten Höhe nicht der deutschen Öffent-
lichkeit zu präsentieren. Uns war zwar klar, dass wir mit
einer hohen Neuverschuldung leben müssen; aber sie
sollte weniger hoch ausfallen.
Kollegin Merkel von der SPD – Sie sind hier heute als
haushaltspolitische Sprecherin aufgetreten –, Sie sagen,
die Neuverschuldung könnte geringer als 80 Milliarden
Euro sein.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Deutlich!)
– „Deutlich“. – Dazu sage ich Ihnen Folgendes:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2987
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
(A) (C)
(D)(B)
Erstens. Wir betreiben keine Schönfärberei, sondern
wir wollen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.
Zweitens. Dieser Vorwurf geht doch ins Leere. Wür-
den wir all den von Ihnen gestellten Erhöhungsanträgen
folgen, dann würde die Neuverschuldung noch höher als
von Steinbrück vorgesehen ausfallen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordne-
ten der SPD)
– Empören Sie sich ruhig. – Ich nenne nur ein Beispiel:
Haben Sie in der Kulturdebatte hier einen einzigen
Streichvorschlag gemacht, oder haben Sie eine einzige
Kürzung für in Ordnung erklärt? Stattdessen haben Sie
zig Erhöhungsvorschläge gemacht und haben uns dafür
kritisiert, dass wir an diversen Stellen nicht mehr Mittel
zur Verfügung stellen. Lesen Sie nach, was Sie gesagt
haben, als Sie hier am Rednerpult gestanden haben.
Ähnlich war es bei allen anderen Beratungen: Sie haben
nur Erhöhungsvorschläge gemacht.
Ich sage Ihnen bei dieser Gelegenheit auch: Ich bin
sehr stolz darauf, dass wir über 50 Prozent der Punkte
unseres Liberalen Sparbuchs – wir haben es hier lange
Zeit präsentiert – durchgesetzt haben.
(Beifall bei der FDP – Volker Beck [Köln]
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist ei-
gentlich aus dem Vorschlag geworden, Staats-
sekretäre abzuschaffen?)
Ich schaue jede Woche in die Spiegel-Bestsellerliste.
Allmählich müsste auch das Liberale Sparbuch dort er-
scheinen, so oft ist das zitiert worden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Das Verlangen danach ist anscheinend groß. Vielleicht
stimmt mit dieser Liste etwas nicht. Ich kann nur sagen:
Wir haben das Liberale Sparbuch nicht zu den Akten ge-
legt. Wir arbeiten die darin enthaltenen Punkte weiter ab.
Ich muss die Opposition fragen: Wo sind Ihre Ein-
sparvorschläge gewesen? Sie können uns kritisieren,
auch im Hinblick auf dieses Sparbuch – das muss man
aushalten können –; aber legen Sie doch selber einmal
ein solches Sparbuch vor. Das tun Sie nicht; denn dann
müssten Sie Farbe bekennen und erklären, an welchen
Stellen gespart werden sollte. Allerdings täten Sie damit
auch Ihrer Klientel weh, und deswegen verweigern Sie
sich dem. Sie sind nicht in der Lage, ein solches Spar-
buch vorzulegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ich fordere Sie auf, bis zu den nächsten Haushaltsbera-
tungen selber ein solches Sparbuch vorzulegen.
Die einzige Alternative zu unserer Politik und zur
Politik dieser Koalition, die ich in dieser Woche gehört
habe, war die Kritik der Sozialdemokraten an der Erhö-
hung des Kindergeldes.
(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr!
Das war der Freibetrag!)
– Das können Sie nachlesen. Auch der Kollege
Schneider hat diese Erhöhung in seiner Rede kritisiert. –
Ich nenne Ihnen den Unterschied zwischen Ihrer und un-
serer Politik: Wir haben das Kindergeld angehoben. Wir
sind für eine gerechte Familienbesteuerung. Sie hinge-
gen haben – das war eine Ihrer letzten großen Taten –
5 Milliarden Euro für die Abwrackprämie bereitgestellt.
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
(Beifall bei der FDP)
Ein Wort zu den Grünen. Wenn wir hier noch eine
Woche länger debattiert hätten, dann hätte ich womög-
lich geglaubt, die FDP sei der Erfinder von Hartz IV
gewesen; so haben Sie hier diskutiert. Sonst kam gar
nichts. Sie hatten nur ein einziges Motto: Sie haben sich
am Parteivorsitzenden der FDP, am Außenminister, ab-
gearbeitet.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Erfolglos!)
Ich will das einmal an einem Beispiel erläutern: Es ist
doch peinlich, wenn man hier in einer Diskussion über
den Justizetat fast den Eindruck gewinnt, Herr
Westerwelle sei der neue Justizminister, da Sie sich
hauptsächlich mit ihm beschäftigen. Warum konnten Sie
nicht zur Sache kommen? Warum konnten Sie mit uns
nicht sachlich diskutieren? Sie hatten nur ein Thema.
Das war mehr als peinlich.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich möchte auf einen weiteren Aspekt aufmerksam
machen. Hier ist kritisiert worden, wir hätten keine Sym-
pathie für die Kommunen, die sich in einer schwierigen
Finanzsituation befänden. Ich kann Ihnen sagen: Es
stimmt, deren Finanzsituation ist schwierig. Nur, darauf
haben wir Freien Demokraten, zum Beispiel meine Kol-
legin Piltz und andere, schon seit mehreren Jahren hin-
gewiesen.
Was haben Sie denn gemacht? Sie haben sich doch
darum überhaupt nicht gekümmert. Soll ich Ihnen sagen,
was Sie gemacht haben? Ich sage es Ihnen:
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Gewerbesteuer abschaffen!)
Peer Steinbrück hat mehrfach in seinen Reden bis zum
Schluss hier erklärt, dass es den Städten doch besser
gehe als dem Bund. Das hat er hier wörtlich erklärt. Sie
hatten damals Redeverbot; Sie durften nichts dazu sa-
gen.
(Widerspruch bei der SPD – Bettina Hagedorn
[SPD]: Stimmt doch überhaupt nicht!)
Jetzt sind Sie in der Opposition und beklagen die Situa-
tion der Kommunen. Auch dieses Themas werden wir
uns annehmen.
Schade, dass Peer Steinbrück sich hier nicht selber
äußern kann; denn man liest ja im Spiegel, Peer
Steinbrück habe Redeverbot – nicht von der SPD; das
kommt vielleicht noch – bis zum Sommer, bis zum Er-
scheinen seines Buches, für das er ein Honorar in Höhe
von 200 000 Euro bekommt. Bis dahin dürfe er keine
Aussage machen. Das finde ich interessant. Ich hätte
2988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
(A) (C)
(D)(B)
gerne einmal gehört, wie der Abgeordnete Steinbrück zu
den Aussagen in seinen früheren Reden steht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]:
Ich glaube, Sie brauchen dringend seinen Rat!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Verabschie-
dung des Etats 2010 werden wir Haushaltspolitiker der
Koalition uns umgehend mit den Vorarbeiten zum Haus-
halt 2011 beschäftigen. Es ist uns klar, beim Haushalt
2011 müssen wir noch größere Anstrengungen unterneh-
men. Das haben wir uns als Ziel vorgenommen. Es muss
ein Haushalt der Bescheidenheit werden.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Der jetzige ist schon bescheiden!)
Wir müssen weitergehen auf dem Wege der Konsolidie-
rung, und vor allem sollten Sie, damit meine ich alle Mi-
nister und Ministerinnen, bei Ihren Vorschlägen für den
Haushalt 2011 darauf achten, dass wirklich nur Notwen-
diges von Ihnen gewünscht und verlangt wird. Möglich-
keiten zur Erhöhung sehe ich nicht. Ehe Sie auf die Idee
kommen, starke Anhebungen zu fordern oder Wunsch-
kataloge vorzulegen, sollten Sie sich vielleicht vorher
lieber mit den Haushaltspolitikern in Verbindung setzen,
damit Sie nicht nur eine Absage vom Finanzminister be-
kommen. Von unserer Seite sehe ich keine Chance für
solche Pläne. Also, auch für Sie gilt schon für den Ent-
wurf: Sparen, sparen und noch einmal sparen! Das hal-
ten wir für einen wichtigen Schritt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Als Obmann der FDP-Fraktion im Haushaltsaus-
schuss möchte ich mich ganz herzlich vor allem natür-
lich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der Union für
eine sehr, sehr faire und sachliche Zusammenarbeit be-
danken. Hierbei denke ich vor allem an den Obmann
Barthle; das ist ganz klar. Wir sind miteinander immer in
einem guten Gespräch gewesen. Ich möchte aber auch
Ihnen, Herr Minister Schäuble, Ihrem Ministerium und
Ihrem Staatssekretär Kampeter Dank sagen. Es war eine
hervorragende Zusammenarbeit, es war eine harmoni-
sche Zusammenarbeit. Man hatte kaum den Eindruck,
dass da Vertreter mehrerer Parteien zusammensitzen; das
sage ich sogar in Richtung CSU. Es war eine hervorra-
gende Zusammenarbeit, für die ich mich zu bedanken
habe.
Ich bin guten Mutes, dass wir in dieser Art der guten
Zusammenarbeit den Haushalt 2011 ebenfalls meistern
werden – der Kollege Meister redet ja gleich noch – in
der Verantwortung gegenüber dem deutschen Steuerzah-
ler. Ansonsten sind wir niemandem verantwortlich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Sven Kindler für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ich
letzten Oktober in den Bundestag gewählt wurde, werde
ich häufig gefragt, warum ich unbedingt Mitglied des
Haushaltsausschusses werden wollte.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das haben
wir uns auch gefragt!)
Ich werde gefragt: Ist das nicht langweilig? Geht es da
nicht um trockene Rechnerei und endlose Zahlenkolon-
nen? Ich antworte immer: Das ist eine hochspannende,
hochinteressante Aufgabe, weil ja der Haushalt in Zah-
len gegossene Politik darstellt. Außerdem finden die
meisten politischen Projekte ja schon lange Eingang in
den Bundeshaushalt, bevor sie dann Realität werden.
Der Bundeshaushalt ist also eigentlich auch in Zahlen
dargestellte politische Zukunft; das gilt aber nicht für
diesen Bundeshaushalt: Er ist leider in Zahlen gegossene
Vergangenheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundeskanzlerin predigt ja immer, die Bundes-
republik müsse gestärkt aus der Krise herausgehen. Das
ist auch richtig. Wir haben nicht nur eine extrem schwere
Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir haben auch eine sehr
gefährliche Klimakrise. Wir haben eine globale Ernäh-
rungskrise; denn es hungern über 1 Milliarde Menschen.
Wir brauchen Antworten auf diese verschiedenen Kri-
sen, die sich gegenseitig bedingen. Aber diese Antwor-
ten finden wir nicht im Bundeshaushalt, und das trotz
einer Rekordverschuldung, einer Neuverschuldung in
Höhe von 80,2 Milliarden Euro. Und das ist noch nicht
einmal das ganze Ausmaß der Verschuldung; denn die
Schattenhaushalte, die sich nicht im Haushalt finden las-
sen, lassen Sie immer gerne unter den Tisch fallen.
Nimmt man nämlich die krisenbedingten Sonderausga-
ben für Bankenrettung und für den Investitions- und Til-
gungsfonds hinzu, liegt die wahre Neuverschuldung im
Jahr 2010 sogar bei 126 Milliarden Euro.
Der bisherige Schuldenrekordhalter war ja Bundes-
finanzminister Theo Waigel mit rund 40 Milliarden Euro
im Jahr 1996. Auch das geschah damals unter einer
schwarz-gelben Regierung. Doch jetzt verdreifachen
Sie, Herr Schäuble, diese einheitsbedingte Rekordver-
schuldung. Respekt: Verdreifachung! Da heißt es im-
mer, Mitte-Links-Regierungen könnten nicht mit Geld
umgehen. Wenn ich mir Ihren Haushalt so anschaue,
muss ich sagen: Sie, Konservative und Wirtschaftslibe-
rale, können nicht mit Geld umgehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Es stimmt: Dieser Haushalt wird in einer wirtschaft-
lich schwierigen Lage aufgestellt. Es stimmt auch, dass
die hohe Verschuldung größtenteils darauf zurückzufüh-
ren ist. Politik muss darauf reagieren – Herr Schäuble,
ich komme gleich darauf zu sprechen –, besser gesagt:
müsste; denn Sie reagieren nicht. Sie schrauben die Aus-
gaben nach oben, aber ändern nichts an der Struktur. Sie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2989
Sven-Christian Kindler
(A) (C)
(D)(B)
steuern nicht um. Dieser Haushalt ist ein Haushalt der
verpassten Chancen, weil er keine Rendite für die Zu-
kunft bringt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die schwarz-gelbe Koalition rühmt sich, dass sie die
Neuverschuldung gesenkt hätte. Aber haben Sie wirklich
gespart? Haben Sie unsinnige Ausgaben gekürzt? Haben
Sie falsche Subventionen gestrichen? Das alles haben
Sie nicht gemacht. Sie haben leider nichts anderes ge-
macht, als die konjunkturelle Entwicklung und ihre posi-
tiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu berück-
sichtigen. Das alles haben wir aber der Leistung von
Betrieben, Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern zu verdanken. Mit Sparanstrengung hat
das nichts zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben Ihnen aufgezeigt, wie man sparen kann. Es
ist nicht so, als ob es kein Sparpotential im Haushalt
gebe, zum Beispiel bei den Subventionen, mit denen Sie
immer noch den Klimawandel befeuern statt ihn zu be-
kämpfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Staat fördert mit Milliardensummen die Anschaf-
fung von schweren Dienstwagen mit hohem CO2-Aus-
stoß, die schmutzige Kohleenergie und befreit die Flug-
unternehmen bei Inlandsflügen von der Kerosinsteuer.
Der Abbau dieser ökologisch schädlichen Subventionen
und Steuervergünstigungen würde allein im Bundes-
haushalt 2010 rund 8,5 Milliarden Euro bringen. Wir
hätten damit eine doppelte Rendite: Einerseits hätten wir
Einsparungen, andererseits betrieben wir Klimaschutz.
Es kann nicht sein, dass wir weiterhin mit Milliarden-
summen den Klimawandel subventionieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber wenn schon nicht gespart wird, wird dann we-
nigstens gestaltet? Werden im Haushalt neue Schwer-
punkte gesetzt? Wird in Zukunftsbereiche wie Bildung
oder Umwelt investiert? Werden soziale Ungleichheiten
angegangen? Stellt sich die Koalition ihrer internationa-
len Verantwortung? Das kann man anhand einiger Bei-
spiele prüfen.
Zu den Zukunftsinvestitionen. Umweltminister
Röttgen hat während der Haushaltsdebatte am Dienstag
wieder einmal sehr allgemein über die Verbindung von
Ökologie und Ökonomie gesprochen. Er hat aber nicht
erklären können, warum ausgerechnet im Umweltetat
bei dem Titel zur Förderung von Einzelmaßnahmen zur
Nutzung erneuerbarer Energien 20 Millionen Euro ge-
kürzt werden und rund ein Viertel – 115 Millionen Euro –
gesperrt ist. Wenn die Sperre nicht zurückgenommen
wird, muss Minister Röttgen – im schlechtesten Fall –
eine Kürzung von 135 Millionen Euro verantworten, und
das bei einem Titel, bei dem es um konkrete Maßnahmen
geht, wie zum Beispiel den Austausch von Wärme-
pumpen oder Mini-KWK-Anlagen. Dadurch werden
Energiekosten gespart, das entlastet die Umwelt, und es
schafft vor allen Dingen Arbeitsplätze beim Handwerk
und bei kleinen und mittleren Unternehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Das ist das Fatale an der Kürzung und der Sperre: Sie
wracken nicht nur den Klimaschutz ab, sondern Sie ge-
fährden gleichzeitig auch Arbeitsplätze. Mit der Verbin-
dung von Ökonomie und Ökologie hat das nichts zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Ich komme zum Thema soziale Ungerechtigkeiten.
Was machen Sie in diesem Bereich? Setzen Sie sich da-
für ein, die soziale Schere in unserem Land zu schlie-
ßen? Nein, das machen Sie nicht! Das Verfassungsge-
richt hat festgestellt, dass das Hartz-IV-Niveau nicht
verfassungskonform berechnet wird. Zusammen mit den
Wohlfahrts- und Sozialverbänden setzen wir uns dafür
ein, dass die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II auf
mindestens 420 Euro steigen. Außerdem müssen wir
Kinderarmut bekämpfen. Dazu brauchen wir eine eigen-
ständige Berechnung der Kinderregelsätze und perspek-
tivisch eine Kindergrundsicherung.
Wir fordern das nicht einfach nur, sondern wir haben
im Haushaltsverfahren eine solide Gegenfinanzierung
vorgelegt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war keine Überraschung, dass Sie auf unsere Vor-
schläge nicht eingegangen sind. Was machen Sie
stattdessen? Sie sperren 900 Millionen Euro für die Wie-
dereingliederungshilfe von Langzeitarbeitslosen. Herr
Kollege Koppelin, dass der selbsternannte Sozialstaats-
beauftragte der Bundesregierung, Herr Westerwelle, von
spätrömischer Dekadenz spricht
(Otto Fricke [FDP]: Meine Güte!)
und gegen angeblich leistungsunwillige Arbeitslosen-
geld-II-Empfänger hetzt, finde ich extrem unseriös, vor
allem angesichts der Tatsache, dass nur sehr wenig
Sanktionen verhängt werden und insgesamt 1,4 Millio-
nen Menschen aufstocken, also ALG II beziehen, ob-
wohl sie arbeiten gehen. Es ist also nicht nur inhaltlich
falsch, sondern extrem unanständig. Das vergrößert die
Spaltung unserer Gesellschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Ich komme jetzt zu den internationalen Verpflich-
tungen, die die Bundesrepublik Deutschland eingegan-
gen ist. Die Bundesrepublik hat als Industriestaat im
Norden eine besondere Verantwortung für globale Pro-
bleme wie den Klimawandel oder den Hunger. Deshalb
hat sich die Bundesregierung auch verpflichtet, die
ODA-Quote zu erfüllen und 2010 0,51 Prozent des Brutto-
nationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit
bereitzustellen. Außerdem haben sich Kanzlerin Merkel
und Umweltminister Röttgen in Kopenhagen verpflich-
2990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Sven-Christian Kindler
(A) (C)
(D)(B)
tet, 420 Millionen Euro zusätzlich – ich betone: zusätz-
lich – für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzu-
stellen. Doch in beiden Fällen haben sie unversehens
und ohne Scham die Versprechen gebrochen. Das ist
eine Bankrotterklärung der Bundesregierung. Damit ver-
spielen Sie die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik auf
dem internationalen Parkett.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Damit ist klar: Die richtigen Schwerpunkte werden in
diesem Haushaltsentwurf nicht gesetzt. Die Rekordver-
schuldung wird nicht genutzt, um Investitionen in die
Zukunft zu ermöglichen. Das ist ganz und gar nicht ge-
nerationengerecht. Der Gestaltungsspielraum wird durch
zusätzliche Zinsbelastungen weiter eingeschränkt, und
Sie investieren nicht in Projekte, von denen Kinder und
Jugendliche heute und in Zukunft profitieren würden.
Warum nicht? Sie meinen, dafür sei kein Geld da. Aber
warum ist kein Geld da? Weil Sie, statt in den sozial-
ökologischen Umbau der Wirtschaft zu investieren, lie-
ber Klientelgeschenke verteilen. Das konnte man ganz
klar am „Schuldenbeschleunigungsgesetz“ sehen, mit
dem Sie vor allem Erben, Gutverdiener und Hoteliers
entlastet haben.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer aber in die Zukunft und in soziale Gerechtigkeit
investieren will, darf die Einnahmen des Staates nicht
weiter verkleinern, weil er ihn sonst irgendwann hand-
lungsunfähig macht. Im Gegenteil: Für eine gerechte
Zukunft brauchen wir eine Einnahmeverbreiterung.
Diejenigen, die vor der Finanzkrise von den laxen Regu-
lierungen profitiert haben, müssen jetzt, in der Krise, an
den Kosten der Krise beteiligt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb fordern wir eine Abgabe auf große Vermö-
gen und setzen uns für eine Finanztransaktionsteuer ein,
damit auch die Spekulationen auf den Finanzmärkten
eingeschränkt werden. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben
sich verbal für eine solche Steuer eingesetzt, gemacht
haben Sie bisher aber noch gar nichts. Dieser Haushalts-
entwurf macht klar: Ihnen fehlt der Wille, aus der Fi-
nanzkrise zu lernen und endlich umzusteuern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie geht es nun weiter?
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das fragen
wir uns auch!)
Sie denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie ha-
ben keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Sie haben
vergessen, einen einzubringen. Stattdessen haben Sie,
Herr Schäuble, in allerletzter Minute den alten Finanz-
plan Ihres Vorgängers vorgelegt. Dass dieser Finanzplan
völlig veraltet und damit wertloser Schrott ist, ist Ihnen
offensichtlich total egal. Hauptsache, Sie müssen vor der
NRW-Wahl keine Giftlisten vorlegen, in denen aufge-
führt wird, wo gestrichen werden soll.
(Otto Fricke [FDP]: Aber Sie haben uns doch
gerade Giftlisten vorgeworfen!)
Dabei wäre es doch für alle interessant, auch für die
Wählerinnen und Wähler, wie das alles zusammengehen
soll. Einerseits haben Sie eine Rekordverschuldung, die
Sie in den kommenden Jahren abbauen müssen, anderer-
seits haben Sie die Steuern gesenkt. Sie diskutieren über
die Abschaffung der Gewerbesteuer, obwohl die Kom-
munen sowieso schon unter Ihrem Steuersenkungswahn
leiden,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Wer hat Ih-
nen diesen Unsinn aufgeschrieben?)
und jetzt wollen Sie auch noch Ihren Kopfpauschalen-
nonsens finanzieren und weitere Steuersenkungen
durchführen.
Das heißt dann: 10 Milliarden Euro Senkung der Neu-
verschuldung, 10 Milliarden Euro Kopfpauschale und
bis zu 20 Milliarden Euro Steuersenkungen. Insgesamt
sind das bis zu 40 Milliarden Euro, die Sie finanzieren
müssen. Herr Schäuble, wo wollen Sie das eigentlich
hernehmen? Das passt alles nicht zusammen. Damit trei-
ben Sie den Bundeshaushalt und die Kommunen weiter
in den Ruin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Wenn man wie ich frisch in den Bundestag gewählt
worden ist, ist am Anfang vieles neu und ungewohnt.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das merkt
man!)
Da ist es wirklich schön, wenn einem eine Sache vertraut
ist, wenn da etwas ist, das man kennt. So hat sich bei mir
ein Gefühl eingestellt, das mich durch meine ganze
Kindheit und meine Jugendzeit begleitet hat und mich
der Politik nahegebracht hat. Schon damals habe ich ver-
standen – das bestätigt sich leider jeden Tag aufs Neue –:
Schwarz-Gelb kann es einfach nicht.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Bundesfinanzminister
Dr. Wolfgang Schäuble.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Gegen Ende der Haushaltsberatungen möchte
ich mich zunächst bedanken bei den Mitgliedern und der
Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, bei den Mitar-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2991
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(A) (C)
(D)(B)
beitern des Haushaltsausschusses und allen Abgeordne-
ten, bei den Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums,
besonders bei den Parlamentarischen und beamteten
Staatssekretären. Dass wir am 19. März 2010 im Bun-
destag den Haushalt 2010 verabschieden können, beruht
auf einer Anstrengung aller, in ungewöhnlich kurzer Zeit
die vorläufige Haushaltsführung zu Ende zu bringen. Ich
möchte mich für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Ich bedanke mich auch für die guten Wünsche an mich;
ich kann sie gebrauchen und werde davon Gebrauch ma-
chen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
der FDP)
Wie auch immer Sie das interpretieren wollen.
Herr Kollege Kindler, die Argumente sind zwar schon
oft vorgebracht und oft widerlegt worden, aber – viel-
leicht haben auch Sie das früher gehört – repetitio est
mater studiorum, die Wiederholung ist die Mutter des
Lernens. Warum haben wir es geschafft, den Haushalt so
schnell vorzulegen, den Entwurf so schnell zu beraten
und zu verabschieden? Wir sind von einem Haushalts-
entwurf ausgegangen, den wir schon in der vergangenen
Legislaturperiode aufgestellt haben. Sonst wäre das
nicht möglich gewesen.
(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Diesen haben wir um bestimmte Sofortmaßnahmen zum
1. Januar 2010 ergänzt. Wir haben darauf verzichtet, eine
Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung vor-
zulegen, was gesetzlich möglich war. Sie wird mit dem
nächsten Haushaltsentwurf vorgelegt. Ferner haben wir
die wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem
Arbeitsmarkt dazu genutzt, die Verschuldung weiter
zurückzuführen. Die Neuverschuldung ist mit 80,2 Mil-
liarden Euro außergewöhnlich hoch, und das macht
Sorgen. Übrigens, Frau Kollegin Merkel, ob es nun
79,9 oder 80 Milliarden Euro sind, ist nicht so wichtig.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: 77 Milliarden
Euro!)
– Na gut. – Wissen Sie, es hat mit Kosmetik zu tun, ob
man die Zahl nun knapp unter oder knapp über
80 Milliarden Euro ansetzt. Wir haben uns bei den Haus-
haltsberatungen sehr bewusst für Substanz statt Kosme-
tik entschieden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dahinter verbirgt sich genau wie hinter Ihrer Doppel-
kritik ein Problem – liebe Kolleginnen und Kollegen,
das wissen wir doch alle; Kollege Koppelin hat es gerade
noch einmal beschrieben und glossiert –: Sie kritisieren
natürlich auf der einen Seite, dass die Verschuldung viel
zu hoch ist. Zugleich kritisieren Sie, dass wir viel zu we-
nig ausgeben. Das passt nicht richtig zusammen. Sie
müssten dann Steuererhöhungen fordern. Sie nennen das
Subventionsabbau, aber in Wahrheit meinen Sie, wenn
Sie Subventionsabbau sagen, Steuererhöhungen; damit
wir uns da klar verstehen.
(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und
dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Abbau von Privilegien!)
Wir glauben, dass in der gegebenen wirtschaftlichen Ge-
samtsituation Steuererhöhungen für die weitere wirt-
schaftliche Entwicklung Gift wären.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Nun stehen wir vor dieser außergewöhnlich anstren-
genden und herausfordernden Aufgabe, die die Bundes-
kanzlerin am Mittwoch in der Generalaussprache be-
schrieben hat: Auf der einen Seite müssen wir in einer
ungewöhnlich schwierigen und unsicheren wirtschaftli-
chen Lage Schritt für Schritt die Voraussetzungen für
wirtschaftliche Nachhaltigkeit, Leistungsfähigkeit und
Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. Übrigens ist in die-
sem Haushalt eine Stärkung der Aufwendungen für For-
schung und Bildung von 12 Milliarden Euro für diese
Legislaturperiode enthalten. Das sind Aufwendungen für
die Infrastruktur, für die Zukunftssicherung unseres Lan-
des.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Auf der anderen Seite müssen wir die kurzfristig zu hohe
Neuverschuldung in den Haushalten von Bund, Ländern
und Gemeinden zurückführen.
Die Bundeskanzlerin hat zu Recht gesagt, dass dies
vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft
geschehen muss, einer Gesellschaft, die durch rückläu-
fige Geburtenzahlen und – das ist ein Glück für uns alle –
steigende Lebenserwartung geprägt ist.
Diesen Dreiklang müssen wir leisten. Er ist unge-
wöhnlich herausfordernd. Deswegen ist es richtig, dass
wir den Haushalt für das Jahr 2010 mit dieser Neuver-
schuldung, auf Sicht und mit den Impulsen, die wir ge-
setzt haben, so umsetzen, wie wir ihn jetzt zur Verab-
schiedung vorschlagen. Deswegen bitte ich Sie um
Zustimmung zum Bundeshaushalt 2010.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Im internationalen bzw. europäischen Vergleich sind
wir übrigens gar nicht so schlecht. Die britische Zeit-
schrift The Economist – in britischen Zeitschriften wer-
den wir nicht immer nur gelobt – hat davon gesprochen,
Deutschland sei wirtschaftspolitisches Vorbild.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist
aber nicht Ihr Verdienst! – Gegenruf des Abg.
Otto Fricke [FDP]: Es ist doch ganz egal, wes-
sen Verdienst das ist!)
– Daran haben wir alle mitgewirkt. Herr Kollege
Schneider, Sie sollten bei Ihrer Kritik gelegentlich be-
denken, dass ich immer erwähnt habe: Der erste Entwurf
dieses Haushalts ist noch von meinem Vorgänger
Steinbrück in der vergangenen Legislaturperiode vorge-
legt worden. Warum die Gräben tiefer machen, als sie
sind? Die Aufgabe ist groß genug. Wir sollten die Grä-
ben nicht tiefer machen, als sie sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
2992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(A) (C)
(D)(B)
Auch hinter mancher kritischen Aussage unserer fran-
zösischen Freunde verbirgt sich ein Stück weit Lob da-
für, dass Deutschland seine Aufgabe relativ gut macht.
(Beifall der Abg. Peter Altmaier [CDU/CSU]
und Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP])
Ich glaube, dass wir in Europa alle miteinander darauf
setzen müssen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken; das
ist auch der Inhalt der Lissabon-Strategie. Deswegen
werde ich weiterhin dafür eintreten, dass Deutschland
wettbewerbsfähig bleibt und dass sich die, die vielleicht
ein bisschen schwächer sind, anstrengen und nicht um-
gekehrt. Sonst wird das nämlich nicht funktionieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Den Entwurf dieses Haushalts werden wir im Kabi-
nett vor der Sommerpause verabschieden, einschließlich
einer Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung.
Diese wird so ehrgeizig, wie es der Kollege Koppelin
gerade beschrieben hat. Das erfordert das Grundgesetz.
Diese Herausforderung müssen wir vor dem Hintergrund
unseres föderalen Systems bewältigen.
Frau Kollegin Merkel, es nützt nichts: Ob eine Bun-
dessteuerverwaltung leistungsfähiger wäre oder nicht,
darüber kann man endlos streiten. Aber die Ordnung des
Grundgesetzes ist so, wie sie ist.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Aber man kann
sich doch bemühen, etwas noch ein bisschen
besser zu machen!)
Deswegen werden wir diese Herausforderung im födera-
len Verständnis unseres Bundesstaates bewältigen.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nicht hinter
dem Grundgesetz verstecken! Das kann man
durchaus verändern! – Fritz Kuhn [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! So ist es nicht!
Natürlich kann man eine Bundessteuerverwal-
tung machen!)
– Bitte?
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Selbstverständlich kann man eine Bundessteuer-
verwaltung machen! – Petra Merkel [Berlin]
[SPD]: Genau!)
– Dazu muss man das Grundgesetz ändern.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja! Na und?
Dann machen wir das!)
Aber dafür hatten Sie in der Föderalismusreform-
kommission II keine Mehrheit. Das Grundgesetz gilt in
der Form, in der es jetzt ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Otto
Fricke [FDP], zur SPD gewandt: Das wollen
doch eure Länder auch! Die SPD-Länder wol-
len das doch auch!)
Ich bin überzeugt, dass unser föderales System leis-
tungsfähig ist. Ich bin überzeugt, dass wir diese Aufga-
ben meistern. Deswegen hat die Koalition beschlossen,
dass wir uns zunächst der nachhaltigen Stärkung der
Finanzbasis der Kommunen widmen; mit dieser Arbeit
haben wir genauso begonnen wie mit der Arbeit an der
Reform unseres Gesundheitssystems. Das ist die Grund-
lage unseres föderalen Systems: eine nachhaltige Stär-
kung der Selbstständigkeit und Leistungsfähigkeit unse-
rer kommunalen Selbstverwaltung. Dabei muss man die
Ausgaben- und die Einnahmeseite betrachten und ohne
Tabus vorgehen. Nur so können wir diese Aufgabe be-
wältigen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schulden-
bremse des Grundgesetzes werden wir in der Tat erfüllen
müssen. Das heißt, wir müssen das strukturelle Defizit in
den kommenden Jahren um etwa 10 Milliarden Euro
jährlich zurückführen. Ich warne Neugierige: Im Jahre
2011 ist die Anstrengung vergleichsweise gering. Im
Jahre 2012 wird sie größer, und im Jahre 2013 wird sie
noch größer. Das muss jeder und jede wissen. Aber diese
Aufgabe müssen wir erfüllen. Damit halten wir den
Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt ein.
Sollte ihn die Bundesrepublik Deutschland nicht einhal-
ten, würde er scheitern. Wenn er scheitert, scheitert mehr
als nur der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! So
ist das!)
Wir brauchen in dieser Welt der Globalisierung ein
starkes, ein verlässliches, ein handlungsfähiges Europa
und eine starke europäische Währung. Wir müssen un-
sere Verantwortung auch vor diesem Hintergrund sehen.
Mit dem Dank für die gute Zusammenarbeit bei der
Beratung des Haushalts 2010 verbinde ich die Bitte um
Unterstützung und gute Zusammenarbeit bei der Bewäl-
tigung der noch schwierigeren Aufgabe der Beratung des
Haushalts 2011 und bei der mittelfristigen Finanzpla-
nung.
Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und
der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß für die
SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker
Kauder [CDU/CSU], an die SPD-Fraktion ge-
wandt: Ein bisschen mehr Beifall, ihr müden
Krieger!)
Joachim Poß (SPD):
Sie können ja mitklatschen, Herr Kauder.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor sieben Mo-
naten hätte ich es noch gemacht!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Schäuble, wir
wollen die Gräben nicht tiefer machen; aber wir wollen
die Realität in diesem Lande beschreiben.
(Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2993
Joachim Poß
(A) (C)
(D)(B)
Auch nach Ihrer Rede gilt: Sie haben in keinem Be-
reich ein Konzept für die nächsten Jahre: nicht für die
Stabilisierung der Finanzsituation der Kommunen, nicht
für die Haushalts- und nicht für die Steuerpolitik und
auch nicht dafür, wie es an den Finanzmärkten weiterge-
hen soll. Das ist die Realität.
(Beifall bei der SPD)
Zur Realität gehört, dass in Ihrem Ministerium, dem
Finanzministerium – einem der wichtigsten Ministerien –,
Stillstand herrscht, weil der Ressortchef seinem Haus jeg-
liche Aktivität verboten hat. Die Bundeskanzlerin redet
zu allen möglichen Fragen viel – so hier am Mittwoch –;
aber bei keinem der Schlüsselprobleme der deutschen
Politik bekommt sie in dieser Koalition Boden unter die
Füße. Das ist die Realität.
(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/
CSU]: Hervorragende Rede! Die müssen wir
mal nachlesen!)
Diese Regierung, lieber Kollege Barthle, haben die
Bürgerinnen und Bürger – das kann man nach dieser
Woche wohl sagen – nicht verdient. Sie versagen ange-
sichts der Probleme, die Sie lösen sollen. Das ist die Si-
tuation.
(Beifall bei der SPD)
Davon haben Frau Merkel und Herr Schäuble in die-
ser Woche mit betulichen Reden abzulenken versucht.
Auch der europäische Währungsfonds ist so ein Ablen-
kungsthema. Man könnte noch mehr sagen, zum Bei-
spiel dazu, was die Äußerungen von Frau Merkel euro-
papolitisch bedeuten und wie das zu bewerten ist; aber
dazu bleibt hier nicht die Zeit. Sie haben in dieser Woche
versucht, sich in einer bestimmten Weise zu inszenieren.
Ihre Redebeiträge hatten ein Ziel: zu zeigen, dass die
Kanzlerin und der Finanzminister alles im Griff haben
und beide stetig und solide an der Lösung auch der größ-
ten Probleme arbeiten;
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Reali-
tät!)
denn damit hätten Sie das Vertrauen der Bürgerinnen
und Bürger verdient. Das ist Ihnen aber nicht gelungen,
Frau Merkel, Herr Schäuble.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Fakten und die Wirklichkeit lassen sich durch eine
Rede nicht verdecken.
(Beifall bei der SPD)
Die Menschen sind kritisch geworden in den letzten Wo-
chen und Monaten, und sie werden immer kritischer.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ge-
genüber der SPD, ja!)
Deswegen ist in den letzten Tagen wieder die Steuerpanik
bei Ihnen ausgebrochen. Immer, wenn Sie nicht weiter-
wissen, kommen Sie – das ist schon irrational – auf das
Steuerthema. Dabei hatten Sie einander im „Borchardt“
versprochen, bis zur NRW-Wahl Ruhe zu halten. Einige
Wochen hat das erstaunlicherweise geklappt. Aber jetzt
geht es wieder rund, und jeder ist sich selbst der
Nächste, wie in diesen Tagen wieder zu hören und zu le-
sen ist. Zu Recht wächst bei Ihnen die Angst vor der
Wahl in NRW. Die Regierungskoalition sucht ihr Heil
jetzt in hektischen Aktivitäten. Entgegen Ihrer Inszenie-
rung wurde in dieser Woche überdeutlich: Frau Merkel
hat nichts im Griff, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
An keiner Stelle arbeiten Sie seriös und überlegt an der
Lösung der anstehenden Probleme. Schon Ihre Koali-
tionsvereinbarung passt nicht zur Lage. Von Anfang an
haben Sie die wirtschaftliche, die soziale und die finan-
zielle Realität ignoriert. An dieser Realität scheitern Sie
zurzeit; der Realität kann man sich eben nicht entziehen.
Jetzt kommt Frau Merkel und verlangt „neues Den-
ken“. Was soll das heißen? Mit welchem neuen Denken
wollen Sie die Probleme, von denen ich gerade gespro-
chen habe, bewältigen? Sie haben keine Antworten, und
auch in dieser Woche sind keine gekommen.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen verspielen Sie schrittweise das Vertrauen
der Bürgerinnen und Bürger. Taktisch versuchen Sie da-
mit umzugehen, indem Sie die Regierungstätigkeit bis zur
Landtagswahl einstellen, und haben daher strikte Wei-
sung an Ihr Haus erteilt, Herr Schäuble, nicht zu arbeiten,
weder an einem Haushaltskonsolidierungskonzept noch
an steuerpolitischen Positionen. Aus der Finanzmarktab-
teilung kommt auch nichts Eigenes. Die wenigen Finanz-
marktgesetze, die Sie bisher in fünf langen Monaten vor-
gelegt haben, sind weitgehend die Umsetzung von EU-
Verordnungen und -richtlinien; nichts darüber hinaus.
Die letzten Wochen waren mit Blick auf die NRW-
Wahl voll von Ankündigungen aus Ihren Reihen: Ban-
kenabgabe, neues Bankeninsolvenzrecht, die Neustruktu-
rierung der Aufsicht oder auch das Verbot von Leerver-
käufen. All das soll bald kommen. Aber, Herr Schäuble,
warum soll irgendjemand Ihren in den letzten Wochen ge-
machten Ankündigungen Glauben schenken, wo doch
Ihre bisherige Regierungszeit an dieser Front so gar
nichts bewegt hat? Warum sollte Ihnen da jemand glau-
ben, Herr Schäuble? Mit dieser Vorgehensweise vertreten
Sie keine glaubwürdige Politik mehr. Ankündigungspoli-
tik ist das, nichts anderes.
(Beifall bei der SPD)
Sie sind doch mit Ihrem Koalitionspartner in allen
Fragen über Kreuz. Ihre Kanzlerin hat Sie vorgestern im
Bundestag bei der Bankenabgabe höchstselbst gestoppt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
– Ja, lesen Sie einmal nach, was Frau Merkel zur Ban-
kenabgabe gesagt hat
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das
hat sie nicht gesagt!)
und in welchem Verhältnis das zu Ihrer Ankündigung
steht, Sie würden noch im April ein Konzept vorlegen.
So sieht es aus, wenn die neue Regierung an den Proble-
men arbeitet.
2994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Joachim Poß
(A) (C)
(D)(B)
Herr Schäuble, Sie werden schon im Bundeskabinett
keinen Entwurf zu einer Bankenabgabe durchbekom-
men, weder im April noch später,
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie
träumen!)
weil Sie dazu nie und nimmer einen Konsens in der Re-
gierungskoalition erreichen werden. Sie und die Kanzle-
rin sind zu schwach, um sich gegen die Bankenlobbyisten
in der FDP und in Ihrer eigenen Partei durchzusetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich zitiere aus dem Handelsblatt vom Dienstag zum
Thema Bankenabgabe:
In der Union zeigte man sich überrascht über die
Ankündigung,
– die Ankündigung Schäubles –
schon im April einen Regierungsbeschluss herbei-
zuführen.
Herr Wissing von der FDP wird zitiert: „Noch ist kein
Konsens in Sicht.“
(Otto Fricke [FDP]: Guter Mann, der
Wissing!)
Das ist Ihre Finanzmarktpolitik: reine Ankündigun-
gen vor der NRW-Wahl, die dann auch noch in der Ko-
alition relativiert und dementiert werden.
In der Steuerpolitik, Herr Schäuble, sind Sie der ver-
antwortliche Minister. Aber ich frage Sie zur Idee eines
5- bis 10-Milliarden-Euro-Paketes, die jetzt in der Koali-
tion herumgeistert: Was wissen Sie eigentlich davon?
Werden Sie hier von der Kanzlerin und den Koalitions-
partnern vorgeführt?
Es gibt keine einzige Vorstellung, kein Papier aus
dem Hause Schäuble darüber, was steuerpolitisch jetzt
passieren soll. Sie überlassen das Feld den Steuerfantas-
ten der FDP und in Ihren eigenen Reihen. Es kann doch
wohl nicht angehen, dass ein so wichtiges Land wie un-
ser Land de facto von Steuerfantasten geführt wird.
(Beifall bei der SPD)
Politische Führung, lieber Herr Kollege Schäuble, lieber
Herr Minister, sieht anders aus.
Von Ihnen kommt immer nur ein Satz, nämlich der
Verweis auf die Steuerschätzung im Mai. Als ob man
im Mai etwas grundlegend Neues für die Entscheidun-
gen in der Steuerpolitik erfahren würde! Eine solch bil-
lige Ausrede ist weit unter Ihrem Niveau.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch Sie gehen die Dinge ausschließlich parteipolitisch-
taktisch an, so wie die Bundeskanzlerin.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was
machen Sie?)
Aber allein mit Taktik löst sich kein einziges Sachpro-
blem. Bisher haben Sie kein einziges Sachproblem ge-
löst.
(Beifall bei der SPD)
Inzwischen schauen auch internationale Organisa-
tionen mit immer größerer Sorge auf die politischen Füh-
rungsprobleme in unserem Lande. Dass jetzt wieder die
Steuerpanik in der Regierung ausbricht, wird mit Sicher-
heit nicht zur Beruhigung unserer Partner in Europa und
beim Internationalen Währungsfonds beitragen. Die EU-
Kommission hat Ihnen in dieser Woche eine schwere
Rüge erteilt. Die deutsche Regierung, so die Kommis-
sion, müsse ihre Konsolidierungsstrategie endlich präzi-
sieren.
(Otto Fricke [FDP]: Dann hat sie ja eine!)
Bisher reiche die Konsolidierung allerdings nicht aus.
Die größten Gefahren seien die Steuersenkungspläne der
Koalition. – Ein klarer Schuss vor den Bug der Bundes-
regierung!
Die EU-Kommission zeigt die Klarheit, die Sie ver-
weigern, die die Menschen aber immer stärker von Ihnen
einfordern werden. Die Wunschkombination Schwarz-
Gelb scheitert an der Praxis. Das konnten wir in den letz-
ten Monaten jeden Tag erleben. In dieser Woche konnten
wir es noch besser beobachten als sonst.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Otto Fricke ist der nächste Redner für die FDP-Frak-
tion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Otto Fricke (FDP):
Geschätzter Präsident! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Herr Poß, eigentlich fühlt man sich ja zu ei-
ner sofortigen Replik veranlasst, aber das will ich heute
nicht tun.
Ich will auf etwas hinweisen, was mir gestern Abend
aufgefallen ist: Ich war in der vergangenen Nacht vor
20 Jahren zum ersten Mal in meinem Leben in Berlin,
und es war für mich, damals noch als Student in einer
spontanen Aktion aus Freiburg kommend, schon bemer-
kenswert, zu sehen, was alles in einem Land möglich ist,
wenn man ein Ziel hat. Schauen Sie sich an, was wir in
den 20 Jahren alles geschafft haben, was das für eine
Herkulesaufgabe in diesen 20 Jahren war, wer die Ver-
antwortung gehabt hat, wie Wahlen überraschend ausge-
hen können und wie dann andere Leute Verantwortung
übernehmen und die Arbeit machen.
Sie werden sich wundern, was diese Koalition in den
vier Jahren, für die sie den Auftrag hat – Sie können so
viel reden, wie Sie wollen: Sie wird den Auftrag behal-
ten –, noch erreichen wird. Sie werden sich auch über
das wundern, was im Bereich des Haushalts noch alles
kommen wird und was ohne auch nur einen einzigen
konstruktiven Vorschlag von der Opposition gemacht
werden muss, weil Sie nicht in der Lage sind, Wahrhei-
ten auf den Tisch zu legen, sondern nur kritisieren kön-
nen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2995
Otto Fricke
(A) (C)
(D)(B)
Es ist viel von Herkulesaufgaben geredet worden. Da-
bei ist mir als Erstes eingefallen, dass es ja eigentlich
„Herakles“ – er war ja ein Grieche – heißt und dass
„Herkules“ der lateinische Name ist. Bleiben wir aber
bei dem Begriff der Herkulesaufgaben.
Es waren die zwölf Arbeiten des Herkules – oder des
Herakles; wie man will –, die wichtig waren. Wenn ich
nach links gucke, würde mir bei manchen Dingen als
Erstes der Augiasstall einfallen, aber belassen wir es lie-
ber bei der Aufzählung von zwölf Punkten.
Wir haben 310 Ausgabensenkungen vorgenommen,
bei denen Sie fast immer mit Nein gestimmt haben, weil
Ihnen nichts anderes einfiel. Wir haben kurzfristig die
Hilfe für Haiti gesichert. Wir haben mehrere Steuersen-
kungen – unsere Steuersenkungen und übrigens auch Ihre
Steuersenkungen aus den Zeiten der Großen Koalition –
und unsere Kindergelderhöhung eingearbeitet. Wir haben
Subventionen gekürzt. Sicherlich kann man noch viel
weiter gehen, aber wir haben damit angefangen. Wir ha-
ben die CO2-Gebäudesanierung gesichert. Wir haben bei
den Flexibilisierungen pauschale Kürzungen vorgenom-
men. Wir haben Deckungsverbünde entflochten. Wir ha-
ben nicht bei den Sozialleistungen gekürzt. Wir haben die
NKA so weit wie noch nie reduziert. Wir haben anderer-
seits die Mittel für Bildung und Forschung und für die
Kultur erhöht. Wir haben die Verwaltungsausgaben des
Staates, des Bundes, reduziert, was anderen Ebenen unse-
res Landes sehr schwerfällt, und wir haben den Perso-
nalabbau vorangetrieben. Schließlich – das ist der zwölfte
Punkt; zählen Sie nach – haben wir die Investitionen kon-
stant gehalten.
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!)
Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir in dieser Legis-
laturperiode wiederholen werden. Das ist die erste, und
es werden weitere folgen. Sie werden weiterhin auf den
Zuschauerplätzen sitzen bleiben.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sich in den
letzten Wochen ja mehr oder weniger im Windschatten
befunden hat und meint, es seien eigene Leistungen, hat
hier gerade wieder wunderbar vorgetragen, wie viel an-
ders sie das machen würde und dass sie ja ganz gerechte
Steuererhöhungen vorschlagen würde.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Genau!)
Wenn es dann aber um die konkreten Steuererhöhun-
gen und darum geht, den Bürgern konkret zu sagen, wo
Sie ihnen in den nächsten Jahren das Geld aus der Ta-
sche nehmen wollen, dann bleiben Sie die Antwort
schuldig,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
bewegen Sie sich in grünen Fantastereien und erzählen,
es sei alles gerecht. Rechnen Sie einmal aus, was Ihre
Anträge bedeuten!
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das haben wir ausgerechnet!)
Bei dem Papier, das wir erhalten haben, kann ich das im
Übrigen auch der SPD nur empfehlen.
Sie versuchen das immer auf 2 Milliarden Euro he-
runterzurechnen, wenn es im wirklichen Leben tatsäch-
lich 8 oder 9 Milliarden Euro sind, und dann sagen Sie
immer: Tut uns leid, wir haben uns halt verrechnet.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Jemand, der das
Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen
hat, sollte lieber ruhig sein! Wirklich!)
Ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingen wird, auf Dauer
in diesem Windschatten zu fahren. Sie müssen dann
auch Farbe bekennen,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Haben wir doch!)
und die Farbe ist dann leider nicht grün, sondern eher
grau.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, ich möchte einen ganz
wichtigen Punkt noch einmal klarmachen, weil das auch
seitens der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses ange-
sprochen wurde, die ich zu ihrer Arbeit, aber natürlich
auch zu ihrem Sekretariat beglückwünschen möchte.
Frau Merkel,
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Herr Fricke!)
Sie sagen immer, die Koalition habe das nur durch güns-
tigere wirtschaftliche Bedingungen erreicht.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Genau!)
Ich erinnere die Bürger draußen daran: Es hat in der Ver-
gangenheit immer wieder günstigere wirtschaftliche Be-
dingungen gegeben.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 10 Milliar-
den Euro habt ihr verprasst! Lobbyistenregie-
rung!)
Der Unterschied war aber: Wann immer die SPD an der
Regierung war, haben Sie gesagt: Oh, wir haben günsti-
gere wirtschaftliche Bedingungen. Könnte nicht der So-
zialminister Scholz noch ein paar Milliarden Euro ausge-
ben? Könnte man nicht da und nicht dort noch ein
bisschen mehr ausgeben? – Jedes Mal, sobald die wirt-
schaftlichen Bedingungen besser waren, haben Sie die
Ausgaben gesteigert.
Das tun wir nicht. Im Gegenteil: In vertrauensvoller
Zusammenarbeit – ich will das nochmals betonen – sen-
ken wir die Ausgaben in einem Rekordtempo, was Sie
uns nicht zugetraut haben, worüber Sie jetzt aber gar
nicht mehr gerne reden wollen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich möchte noch auf den Stil der Haushaltsberatungen
zu sprechen kommen. Ich habe hier wirklich viele Stun-
den gesessen und mir Reden zu unterschiedlichen Berei-
chen angehört. Im Rahmen der Fachdiskussionen hat
niemand gesagt – das sollte der Bürger bei aller Kritik an
einer Regierung in einer Demokratie berücksichtigen –:
Lassen Sie uns an dieser Stelle mehr sparen. Lassen Sie
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Otto Fricke
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uns da weniger ausgeben. Lassen Sie uns an jener Stelle
etwas herunterfahren. –
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das stimmt ja
gar nicht!)
Die Linken sprechen immer von Verteilung – das ist un-
gefähr alles, was sie wollen – und fordern, international
eingegangene Verpflichtungen aufzukündigen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir wol-
len keinen Krieg! Das ist alles!)
Andere sprechen von Ökologie. Über die SPD wollte ich
an dieser Stelle eigentlich nicht mehr reden. Ein großer
Sozialdemokrat, der aufgrund seiner Lebensleistung in
die Geschichtsbücher eingegangen ist, hat aber einmal
gesagt: Opposition ist Mist. – Deswegen muss man aber
keinen Mist machen und erst recht nicht Mist reden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort der Kollegin Barbara Höll für die
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Barthle, vorneweg eine Bemerkung:
Diesen Haushalt als Kunstwerk zu bezeichnen, ist eine
Beleidigung der Kunst.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
[CDU/CSU]: Im Gegenteil!)
Die Bundeskanzlerin nannte am Mittwoch hinsicht-
lich der Verschuldung zwar Zahlen. Das war aber nicht
einmal die halbe Wahrheit; denn gerade in der Debatte
über den Bundeshaushalt müssen wir die Situation des
gesamten Gemeinwesens im Blick haben. Genau in die-
sem Moment beträgt die Verschuldung der öffentlichen
Haushalte 1,684689 Billionen Euro. Die letzten Zahlen
ändern sich so schnell, dass ich sie hier gar nicht vorle-
sen kann. Die Schulden nehmen pro Sekunde um
4 481 Euro zu. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung
in Höhe von 20 610 Euro. Das sind die Fakten, denen
wir uns stellen müssen.
Sie aber betreiben eine Politik nach dem Sankt-
Florians-Prinzip – verschon’ mein Haus, zünd’ andre an –,
indem Sie die Belastungen auf die Länder und insbeson-
dere die Kommunen, auf die Bürgerinnen und Bürger
abwälzen. So haben Sie zum Beispiel den Zuschuss des
Bundes für die Unterkunftskosten der Bezieherinnen und
Bezieher von Hartz-IV-Leistungen rückwirkend ab Ja-
nuar gekürzt, und zwar von 26 Prozent auf 23,6 Prozent.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaub-
lich!)
Das heißt, Sie lassen die Kommunen auf Problemen sit-
zen, die sie weder verursacht haben noch lösen können.
Gerade für Städte wie meine Heimatstadt Leipzig bedeu-
ten diese verringerten Bundeszuschüsse enorme Mehr-
kosten. Das geht zulasten der Erfüllung von freiwilligen
Aufgaben wie Kultur und Sport, aber auch Bildung ins-
besondere der jüngeren Generation.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie für die Umsetzung
der finanziellen Eigenverantwortung der Kommu-
nen. Geben Sie ihnen ausreichende Möglichkeiten zur
Selbstfinanzierung. Wandeln Sie die Gewerbesteuer in
eine Gemeindewirtschaftsteuer um. Unser Vorschlag
dazu liegt auf dem Tisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sparen bei den Kommunen; Sie sparen aber auch
an vielen anderen Stellen. Herr Bundesfinanzminister
Schäuble sagte, dieser Haushalt sei ein Haushalt der
Notwendigkeit. Da stellt sich schon die Frage: Sind alle
Dinge, die im Haushalt zu finden sind, notwendig? Ist
der Eurofighter notwendig,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)
der untaugliche NATO-Hubschrauber,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)
das Großraumtransportflugzeug A400M?
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)
Wir als Linke sagen klar: Nein.
(Beifall bei der LINKEN)
Notwendig sind lebenswerte Kommunen, in denen
sich alle Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Rentner, Kul-
turschaffende und Arbeiter, wohlfühlen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Merkel, Ihrer Regierung und Ihrer Koalition fällt
nichts weiter ein als Sparmaßnahmen auf Kosten der
Mehrheit der Bevölkerung. Am Mittwoch kündigten Sie
notwendige jährliche Einsparungen in Höhe von 10 Mil-
liarden Euro an. Die Vermögenden und die Unternehmen
werden sicher nicht belastet werden.
Ich möchte ein Beispiel aus diesem Haushalt nennen.
Es gab einmal einen Goldenen Plan Ost – wir waren
immer für einen Goldenen Plan Ost und West – für die
Förderung von Sportstätten. Dafür waren 2 Millionen
Euro vorgesehen. Diese sind in der letzten Sitzung, der
Bereinigungssitzung, gestrichen worden. Dadurch kön-
nen in den neuen Bundesländern jährlich drei bis vier
Sportstätten nicht mehr saniert werden. Diese Sanierung
aber wäre lebenswert, nicht der Eurofighter.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
[CDU/CSU]: Wozu haben wir denn ein Kon-
junkturprogramm?)
Wir suchen trotz des Urteils des Bundesverfassungs-
gerichts vergebens eine Erhöhung der Hartz-IV-Regel-
sätze für Kinder. Wir suchen vergebens die überfällige
Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert
West. Ebenso suchen wir vergebens die Schließung der
Überführungslücke im Rentenrecht. Ich kann Ihnen sa-
gen: Die in der DDR geschiedenen Frauen sind sehr ver-
bittert, dass diese Regierung scheinbar auf eine biologi-
sche Lösung hofft.
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Dr. Barbara Höll
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Trauen Sie sich doch endlich einmal an den Geldbeu-
tel derjenigen heran, die das finanziell locker verkraften:
an die Profiteure der Finanzkrise, Vermögende und Spit-
zenverdiener! Die Idee einer Bankenabgabe ist endlich
auch bei Ihnen angekommen; aber mit der Umsetzung
lassen Sie sich fahrlässig viel Zeit. Angekündigt ist wie-
der: irgendwie vor dem Sommer, vielleicht, ein bisschen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zudem spielen Sie die Bankenabgabe auch noch gegen
die notwendige Finanztransaktionsteuer aus, statt die
Kraft und den Mut zu entwickeln, beides durchzusetzen;
denn beides ist notwendig, um Finanzmärkte zu regulie-
ren, Spekulationen zu begrenzen und Einnahmen zu er-
zielen. Doch Ihnen fällt lediglich eine Kopfpauschale in
der gesetzlichen Krankenversicherung ein, sozial unge-
recht wie Ihre gesamte Politik.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern Sie als Linke auf: Führen Sie endlich den
gesetzlichen Mindestlohn ein,
(Beifall bei der LINKEN)
da auch dadurch die sozialen Sicherungssysteme ge-
stärkt und die Steuereinnahmen erhöht werden! Ein Min-
destlohn gibt vielen Menschen ihre Würde zurück – das
sollte für uns entscheidend sein –,
(Beifall bei der LINKEN)
Menschen, die heute trotz Erwerbsarbeit auf staatliche
Unterstützung angewiesen sind. Des Weiteren würde ein
gesetzlicher Mindestlohn dafür sorgen, dass die Binnen-
nachfrage gestärkt wird und Handelsungleichgewichte
abgebaut werden.
Damit sind wir beim Thema Gerechtigkeit. Gerech-
tigkeit heißt auch, gerecht zu besteuern. Ihr laut Koali-
tionsvertrag geplanter Stufentarif für die Einkommen-
steuer, von dem wir nicht wissen, wann er kommen
wird, ist alles andere als gerecht. Jeder Stufentarif ver-
stößt gegen das Gerechtigkeitsprinzip der Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; denn er
entlastet vorrangig Bezieher hoher Einkommen und reißt
riesige Finanzlöcher, die im Endeffekt zu weiteren Ein-
sparorgien führen. Laut Bundesfinanzministerium ist zu-
mindest der FDP diese Entlastung der Reichen 67 Mil-
liarden Euro wert. Dabei muss der Bund in diesem
Haushalt 80 Milliarden Euro Schulden aufnehmen.
Trotzdem sind Sie der Ansicht, dass Sie die 67 Milliar-
den Euro für den Stufentarif aufbringen können, nach
dem Motto: Das Geld haben wir locker, auch wenn wir
uns wieder Geld borgen müssen.
Besteuern Sie endlich Kapitalerträge genauso hoch
wie Lohneinkommen! Die Abgeltungsteuer gehört abge-
schafft. Erhöhen Sie den Spitzensteuersatz! Heben Sie
die Körperschaftsteuersätze an! Drücken Sie bei der
Bankenabgabe und der Finanztransaktionsteuer aufs
Tempo! Und erheben Sie endlich wieder die Vermögen-
steuer!
(Beifall bei der LINKEN)
Dadurch ließen sich die 25 Milliarden Euro für Kinder-
betreuung, die Anhebung des Rentenwertes Ost auf das
Niveau West, einen Hochschulpakt und die Aufstockung
der Hartz-IV-Regelsätze locker finanzieren.
Herr Barthle, es ist schlicht gelogen, wenn Sie am
Ende der Haushaltsberatungen sagen, wir hätten keine
Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eine Streichor-
gie bei der Bundeswehr! Das habe ich doch
gesagt!)
Eine Vielzahl von Vorschlägen liegt auf dem Tisch. Man
muss sich natürlich die Mühe machen, diese zu lesen
und vielleicht auch geistig zu verarbeiten.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
[CDU/CSU]: Nehmen Sie das zurück!)
Tun Sie nicht so, als ob es keine Vorschläge gäbe! Wir
Linken bieten konkrete Alternativen für eine sozial ge-
rechte, demokratische Politik. Ihren Haushalt können
wir nur ablehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Michael Meister ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kol-
lege Barthle ist ein aufrechter und wahrhaftiger Kollege.
Die Beleidigung lassen wir uns als Fraktion nicht gefal-
len.
(Lachen bei der LINKEN)
Der Kollege Barthle macht hervorragende Arbeit im
Haushaltsausschuss.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich stelle erstens fest, dass die Bundesrepublik
Deutschland hervorragend vorbereitet in die Wirt-
schafts- und Finanzkrise gegangen ist – das ist ein Ver-
dienst der Arbeit, die wir seit 2005 geleistet haben – und
dadurch überhaupt in der Lage war, Krisenbekämpfung
aktiv zu betreiben.
Ich stelle zweitens fest: Wir haben in dieser Haus-
haltsdebatte gesehen, dass das außergewöhnliche Defizit
– ein Defizit in Höhe von 80 Milliarden Euro hatten wir
noch nie – eine Folge bewusst getroffener politischer
Entscheidungen ist, durch Konjunkturprogramme und
über das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren
der Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenzusteuern. Da-
mit haben wir die Krise entschärft. Die Folge ist das
extrem hohe Defizit, das wir dieses Jahr in Kauf nehmen
müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
2998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. Michael Meister
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Ich stelle drittens fest: Wir, die christlich-liberale Ko-
alition und die Bundesregierung, haben eine Strategie,
wie wir dieses extrem hohe Defizit zurückführen kön-
nen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jetzt bin
ich gespannt!)
Diese Strategie, die deutlich geworden ist, besteht aus
drei Elementen. Diese Elemente sind: erstens sparsame
Haushaltsführung, zweitens Anregen von Wachstum und
drittens die Bereitschaft, Strukturen in diesem Land auf
den Prüfstand zu stellen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!)
Zu diesen drei Elementen will ich etwas sagen.
Zum ersten Element. Wir haben in den Haushaltsbe-
ratungen mit der Rückführung der Nettokreditauf-
nahme um 5,6 Milliarden Euro unseren Sparwillen klar
und deutlich bewiesen. Herr Kollege Schneider hat vor-
hin dazwischengerufen. Deswegen möchte ich ihm di-
rekt antworten. Sie haben zu Beginn der Haushaltswo-
che ein Programm vorgelegt, das den Bund jedes Jahr
14 Milliarden Euro mehr kosten würde. Wo ist denn Ihr
Beitrag zum Sparen? Sie machen Vorschläge, die uns auf
Dauer jedes Jahr teuer zu stehen kommen würden. Wir
haben den Willen, zu sparen. Wir haben eine andere
Strategie als Sie, Herr Schneider.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich will betonen: Für uns heißt Sparen nicht Einnah-
meverbesserung durch Steuererhöhungen. Das war die
Antwort, die der Kollege vom Bündnis 90/Die Grünen
gegeben hat. Er hat davon gesprochen, man müsse die
Basis verbreitern, auf der Steuern erhoben werden.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ja, auch! Und Subventionen
weg!)
Er hat davon gesprochen, dass wir in Deutschland keine
energieintensive Industrie mehr haben wollen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
Schauen Sie sich doch mal Großbritannien an. Dort hat
die Industriepolitik dazu geführt, dass es keine Industrie
mehr gibt. Wir können sehen, was mit einem solchen
Land in der Finanz- und Wirtschaftskrise geschieht. Das,
was Sie hier vorschlagen, ist doch keine zukunftsfähige
Politik für die Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Zum zweiten Element. Sparen alleine reicht nicht.
Wir müssen auch gezielt Wachstumsimpulse setzen,
um die Einnahmebasis zu stärken, zu stabilisieren und
auszuweiten.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Darauf
warten wir!)
Wir sind sehr wohl der Meinung, dass es richtig war, die
Menschen im Jahr 2010 in der Krise um 24 Milliarden
Euro zu entlasten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass
die Sozialbeiträge nicht ansteigen. Das war eine richtige
politische Entscheidung als Impuls für mehr Wachstum.
Ich will Ihnen noch Folgendes sagen: Wir werden
eine Steuerreform auf den Weg bringen, die das Ziel hat,
das deutsche Steuerrecht einfacher zu gestalten; denn die
Komplexität des Steuerrechts ist ein massives Hindernis
für Wirtschaftswachstum in diesem Land. Deswegen ist
Steuervereinfachung für uns ein wichtiges Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir wollen die Menschen auch motivieren, mehr Leis-
tung zu erbringen. Wenn sie mehr Leistung erbringen,
dann können wir ihnen aber nicht gleichzeitig einen
Großteil der Mehreinnahmen, die sie erwirtschaften,
wegbesteuern. Deswegen werden wir etwas gegen die
kalte Progression und den Mittelstandsbauch im Steuer-
recht tun.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Macht doch!
Das hätten Sie schon längst machen können!)
Jetzt sagen viele, wir wären nach der Steuerschät-
zung nicht schlauer. Ich sage, wir werden im Mai
schlauer sein als heute.
(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nach der NRW-Wahl!)
Die letzte Steuerschätzung, mit der der mittelfristige
Finanzplanungszeitraum in Augenschein genommen
wurde, datiert vom Mai 2009. Damals gab es ganz an-
dere Beschäftigungszahlen und Wachstumszahlen, als
wir sie heute erwarten können. Deshalb gehe ich fest
davon aus, dass uns die Steuerschätzung im Mai neue
Erkenntnisse bringen wird, auf deren Basis wir in sach-
licher und nicht in politischer Weise diesen Wachstums-
impuls geben können. Diese Geduld muss man an den
Tag legen. Wir haben sie. Wir werden dann handeln,
wenn wir die sachlichen Grundlagen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt
[CDU/CSU]: Das ist vernünftig!)
Zum dritten Element. Ja, wir brauchen Strukturän-
derungen in diesem Land. Wir brauchen mehr For-
schung und Entwicklung. Wir brauchen weniger Büro-
kratie. Dies sind nur zwei Beispiele. Auch hier will ich
darauf hinweisen, lieber Herr Schneider: Was haben Sie
denn vorgeschlagen? Sie haben zu Beginn dieser Woche
nicht vorgeschlagen, wie Strukturen zukunftsfähig wei-
terentwickelt werden können, sondern Sie haben vorge-
schlagen, durchgeführte Strukturreformen zurückzudre-
hen. Zurück in die Vergangenheit – das ist nicht die
Antwort, die wir brauchen. Wir brauchen keine Verfesti-
gung der Arbeitslosigkeit, sondern Flexibilität, um Ar-
beitslosigkeit in Deutschland abzubauen. Deshalb müs-
sen wir für neue Strukturreformen offen sein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Haben Sie
denn schon was gemacht? Ein Beispiel!)
Diese Strategie hilft übrigens auch den Kommunen.
Ein riesiges Problem der Kommunen sind steigende Ar-
beitslosenzahlen und, dadurch verursacht, steigende So-
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Dr. Michael Meister
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zialausgaben. Deshalb ist jeder Beitrag, den wir zu mehr
Beschäftigung leisten, auch eine Maßnahme zugunsten
der kommunalen Haushalte.
(Bettina Hagedorn [SPD]: So ein
Schwachsinn!)
Deshalb sind wir an der Stelle auf dem richtigen Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen nicht das, was Sie verkünden. Wir möch-
ten die Kommunen nicht in eine stärkere Abhängigkeit
von Bund und Ländern bringen, sondern wir stehen für
eine Politik, die mehr kommunale Selbstverwaltung zum
Ziel hat.
(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Mit weniger Geld!)
Deshalb wollen wir den Kommunen nicht Schecks aus
Berlin überbringen, sondern wir wollen mit ihnen da-
rüber diskutieren, wie die kommunale Selbstverwaltung
gestärkt werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Dafür müssen wir den Kommunen auf der Ausgaben-
seite mehr Freiraum geben, und wir müssen ihre Einnah-
meseite verstetigen und stabilisieren. Deshalb freue ich
mich darüber, dass der Bundesfinanzminister die Ge-
meindefinanzkommission eingerichtet hat. Ich möchte
an Sie appellieren, möglichst zügig und schnell zu arbei-
ten, damit wir über die Kommunen nicht nur reden, son-
dern ihnen am Ende des Tages auch helfen; denn das ist
der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Jetzt möchte ich einmal etwas zur Frage der Wett-
bewerbsfähigkeit sagen. Alle Debatten, die wir nach
dem Motto „Wir sind zu wettbewerbsfähig“ führen, sind
doch nicht von dieser Welt.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Deutschland
braucht den Mindestlohn! Das sagen sogar die
konservativen Franzosen!)
Wir mögen das in Deutschland diskutieren. Es gibt viel-
leicht noch den einen oder anderen, der das in Europa
diskutiert. Aber die eigentliche Herausforderung liegt
nicht in Deutschland oder in Europa; die eigentliche He-
rausforderung liegt darin, was in Asien – in China, in Ja-
pan, in Indien – geschieht. Es geht darum, dass wir als
Europäer und als Deutsche in diesem Wettbewerb beste-
hen können. Ich behaupte: Da sind wir zwar fit, aber
nicht so fit, dass wir auf dem Stand stehen bleiben dür-
fen. Deshalb müssen wir an dieser Stelle weiter nach
vorn gehen, Forschung, Innovation, Flexibilität in unse-
rem Land nach vorn bringen.
Ich trete dafür ein, dass wir im Haushalt trotz des Spa-
rens die Mittel für Projektförderung ausweiten und mehr
Geld dahin lenken, gleichzeitig aber über die Frage
nachdenken, ob wir neben der Projektförderung eine
steuerliche Forschungsförderung einführen können. Das
haben wir uns im Koalitionsvertrag gemeinsam als
Prüfaufgabe gestellt. Wir werden prüfen, ob wir damit
einen Schritt weiterkommen und Deutschland für die
Zukunft innovationsfähiger aufstellen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Carsten
Schneider [Erfurt] [SPD]: Die FDP ist begeis-
tert!)
Jetzt komme ich zum Thema Finanzmärkte. Das ist
eine wesentliche Basis für die Frage, ob es uns gelingt,
den Staatshaushalt, die Finanzen für künftige Generatio-
nen wohl zu ordnen. Wir haben die klare Botschaft ge-
sendet: Wir wollen Märkte, Marktteilnehmer, Produkte
in Zukunft beaufsichtigen, und zwar umfassend, was
nicht heißt, dass wir keine Wettbewerbswirtschaft mehr
zulassen. Wir definieren aber, dass wir eine bessere Re-
gulierung für alle Marktteilnehmer, für alle Produkte und
für alle Finanzmärkte brauchen.
An dieser Stelle möchte ich an etwas erinnern, Herr
Schneider; vielleicht haben Sie damals noch nicht so gut
aufgepasst.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Na ja!)
Die Finanzmarktpolitik in Deutschland, wie sie heute ist,
wurde wesentlich von Ihnen mitbestimmt. Sie wurde in
der Zeit zwischen 1998 und 2005 gemacht. Deshalb
müssten Sie, wenn Sie hier alles kritisieren, einmal in
den Spiegel schauen und nicht immer zu anderen hin.
Das würde der Debatte guttun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Wir wollen eindeutig Vergütungsregeln ändern – das
haben wir bereits gemacht –, weil wir glauben, dass Ver-
gütungsregeln ein Problem waren. Wir sind dabei, ein
Gesetz zum Thema Rating zu machen, um das Problem
der Ratingagenturen aufzugreifen und zu erreichen, dass
sie nicht unreguliert tätig sind. Wir sind dabei, ein neues
Insolvenzrecht für Banken zu erarbeiten, damit in Zu-
kunft nicht mehr derjenige aufgefangen wird, der Miss-
wirtschaft betrieben hat, sondern das System stabilisiert
wird und wieder die Grundregel gilt: Wer in der Markt-
wirtschaft Misswirtschaft betreibt, geht aus dem Markt
und wird nicht künstlich im Markt gehalten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das sind richtige Positionen. Die werden wir umset-
zen – in aller Ruhe und Gelassenheit,
(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wann denn?)
sodass die nächste Krise vielleicht weniger wahrschein-
lich wird.
Wir werden als Nächstes das Thema Verbraucher-
schutz angehen, weil wir natürlich auch einen Schirm
für unsere Mitbürger brauchen. An der Stelle werbe ich
für ein bestimmtes Verbraucherbild. Wir dürfen dem
Verbraucher die Entscheidung nicht abnehmen; aber wir
müssen darauf achten, dass er wirklich in der Lage ist,
Entscheidungen zu treffen. Deshalb brauchen wir Infor-
mation und Transparenz für einen mündigen Verbrau-
cher. Wir brauchen Verantwortung für all diejenigen, die
Information kommunizieren und Entscheidungen tref-
fen. Deshalb wird das Thema „Verantwortung und Haf-
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Dr. Michael Meister
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tung“ im Mittelpunkt stehen müssen. Außerdem rate ich
uns, Verbraucherschutz nicht als Instrument zu nehmen,
Wettbewerb auszuhebeln. Wir brauchen wettbewerbs-
neutrale Lösungen: mehr Schutz für die Verbraucher,
aber kein Aushebeln des Wettbewerbs; denn der ist auch
im Interesse der Verbraucher dringend notwendig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Letzte Bemerkung zum Thema Finanzmarkt. Mich
hat in dieser Woche gestört, dass wir – bedauerlicher-
weise – aufgrund der Haltung der britischen Regierung
nicht in der Lage waren, auf europäischer Ebene Rege-
lungen betreffend die Hedgefonds zu treffen. Ich appel-
liere an unsere Bundesregierung, in dieser Richtung wei-
ter tätig zu sein; denn es kann nicht sein, dass wir
einfach so lange zuschauen, bis das nächste Problem da
ist. Wir wissen, dass es Probleme geben kann. Deshalb
brauchen wir eine vernünftige Aufsicht und Transpa-
renz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sehe das Bankenthema wenig entspannt. Ich
glaube, wir sind noch mitten in der Finanzkrise. Wir ha-
ben sie noch nicht hinter uns. Die Anforderung der
Märkte an uns wird über die Finanzkrise hinaus sein, das
Eigenkapital der Banken zu stärken. Deshalb müssen wir
das Ganze von der Zeitschiene und vom Zusammenwir-
ken her so klug organisieren, dass es noch möglich ist,
dass sich die Realwirtschaft und die Privaten von den
Banken finanzieren lassen können. Deshalb appelliere
ich, keine Schnellschüsse zu machen. In Zukunft darf
nicht der Steuerzahler, sondern muss das Finanzsystem
selbst die Kosten von Fehlentwicklungen tragen. Wenn
die Bundesregierung uns zeitnah Vorschläge dazu macht,
Herr Finanzminister, werden wir sie wohlwollend prüfen
und diskutieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Klaus Brandner ist der nächste Redner für die SPD-
Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Klaus Brandner (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
In der Abschlussrunde der Haushaltsberatungen kann
man nur ein Resümee ziehen: Diese Regierung ist re-
kordverdächtig. Kollege Meister, Sie haben gerade ein
weiteres Beispiel für diesen Rekordverdacht gegeben,
indem Sie einen Kanon an Unverbindlichkeiten und An-
kündigungen angestimmt haben. Das passt genau zur
Politik der Bundesregierung.
(Beifall bei der SPD)
Die Regierung ist rekordverdächtig, wenn es um nega-
tive Schlagzeilen geht. Sie ist rekordverdächtig, wenn es
um Zank, Streit und Chaos geht. Sie ist rekordverdächtig
wegen einer Neuverschuldung von sage und schreibe
80,2 Milliarden Euro. Für diese Rekorde können Sie
keine Medaillen erwarten; denn für diese Resultate ha-
ben Sie – Kollege Barthle, Sie haben uns einen schönen
Tag angekündigt – die Note „mangelhaft“ verdient. Das
kann man nicht anders beschreiben.
(Beifall bei der SPD)
Anstatt die Schulden abzubauen, betreiben Sie Klien-
telpolitik und verteilen Steuergeschenke an reiche Erben
und Hoteliers.
(Otto Fricke [FDP]: Warum haben Sie alle
denselben Redenschreiber?)
Als angeblich soziale Komponente erhöhen Sie zwar das
Kindergeld. Aber das kommt bei den Grundsicherungs-
empfängern gar nicht und bei den Beziehern hoher Ein-
kommen doppelt an. Das nennen Sie auch noch sozial.
Die Belastungen aufgrund der hohen Schulden haben zu-
künftige Generationen zu tragen. Für die Mehrheit der
Bürger enthält das von Ihnen verpackte Geschenk unan-
genehme Überraschungen. Statt dafür zu sorgen, dass
die Bürger mehr netto vom Brutto haben, wie Sie es ge-
betsmühlenartig wiederholen, holen Sie die Kosten
durch Abgaben, Gebühren und Zinsen wieder herein.
(Joachim Poß [SPD]: Hat heute keiner mehr
von denen gesagt!)
In diesem Zusammenhang darf ich auf Sie verweisen,
Herr Meister. Sie haben wieder ein einfacheres Steuer-
system angemahnt. Ihre Gesetzgebung zur Hotelier-
steuer ist der beste Beweis dafür, dass Sie den Bürokra-
tieabbau nicht ernst nehmen. Herr Meister, Sie haben
damit ein Meisterstück dafür abgeliefert, wie man es
nicht machen darf.
(Beifall bei der SPD)
Bei Ihrer Politik muss ich an eine Inschrift an einem
Fachwerkhaus in der alten Stadt Rheda-Wiedenbrück in
meinem Wahlkreis Gütersloh denken: „Hüte dich vor
den Katzen, die vorne lecken und hinten kratzen.“ Ihre
Politik ist ein gigantisches Täuschungsmanöver. Auch
das ist rekordverdächtig.
(Beifall bei der SPD)
Dieses Täuschungsmanöver setzt schon jetzt bei den
Jüngsten an. Wir alle sind uns wohl darüber einig, dass
gute Bildung der Schlüssel für den Einstieg in ein er-
folgreiches Berufsleben und der Ausgangspunkt für die
Teilhabe in unserer Gesellschaft ist. In eine gute Bil-
dungsinfrastruktur müssen vorrangig die Finanzmittel
fließen. Stattdessen setzen Sie die finanzielle Grundlage
der Kommunen aufs Spiel. Ob bei der Erbschaftsteuer,
den Unternehmensteuern, der Mehrwertsteuer oder dem
Kindergeld, überall zahlen die Kommunen mit. Im
Gegenzug werden die Kitagebühren erhöht, die Schul-
bibliotheken werden nicht mehr ausreichend gefördert,
Schwimmbäder und Theater werden geschlossen, und
für die Benutzung von Sportplätzen und Sporthallen
müssen Gebühren eingeführt oder deutlich erhöht wer-
den. Das führt nicht zu mehr netto vom Brutto, sondern
das führt zu weniger netto vom Brutto.
(Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3001
Klaus Brandner
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Ihre Aufgabe wäre stattdessen, durch Investitionen in
Bildung dafür zu sorgen, dass junge Menschen auf die
Arbeit von morgen vorbereitet sind. Dabei geht es aber
nicht um Arbeit um jeden Preis. Nicht billig ist besser.
Auch gilt nicht der Satz: „Sozial ist, was Arbeit schafft“,
sondern: „Sozial ist, was gute Arbeit schafft“. Wir brau-
chen gute Arbeit zu fairen Bedingungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Was unternehmen Sie? Nehmen wir das Beispiel der
Generation Praktikum. Der Missbrauch von Praktikan-
ten wird nicht beendet. Prekäre Beschäftigungsverhält-
nisse nehmen immer weiter zu. Was lesen wir heute?
Anstatt sie einzuschränken, sollen sie erleichtert werden.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie im Koali-
tionsvertrag als Sicherung des Kündigungsschutzes be-
schrieben haben. Sie sorgen für mehr Unsicherheit an-
statt für mehr Sicherheit. Da sollten Sie den Hebel
ansetzen.
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie mich zur Leiharbeit und dem gesetzlichen
Mindestlohn kommen. Das sind Baustellen, wo Sie die
Würde der Arbeit wiederherstellen könnten. Aber bei Ih-
nen ist hier durchweg Fehlanzeige. Jetzt lese ich, dass
sich die konservative französische Regierung wegen des
fehlenden Mindestlohns in Deutschland über eine Wett-
bewerbsverzerrung zwischen den beiden Volkswirt-
schaften beschwert. Auf Exportüberschüsse, die mit
Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen er-
zielt werden, dürfen wir nun gerade nicht stolz sein.
(Beifall bei der SPD)
Wir sollten vielmehr auf Arbeit, die unter guten Bedin-
gungen qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleis-
tungen schafft, stolz sein. Ich kann Ihnen nur anheim-
stellen, sich daran zu orientieren.
Bei einigen Themen spitzen Sie, immer wenn es eng
wird, die Lippen. Dann kündigen Sie an, was Sie viel-
leicht vorhaben. Ich denke an die Ankündigungen von
Frau von der Leyen im Zusammenhang mit der Zeit-
arbeit oder auch an Herrn Rüttgers, der Hartz IV als
himmelschreiendes Unrecht empfindet. Das gilt auch für
den nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialminister
Karl-Josef Laumann, den ich sonst schätze, der nach ei-
nem gesetzlichen Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche
ruft. Aber wenn es konkret wird, dann bleiben die Ergeb-
nisse aus. Es reicht nicht, dass man die Lippen spitzt,
man muss auch pfeifen. Man muss die Dinge konkret an-
gehen. Ansonsten bleibt man unglaubwürdig.
(Beifall bei der SPD)
Da Sie, außer bei der Neuverschuldung, mit Ihrem
Haushalt kein ausreichendes Wachstum erzeugen, führen
Ihre Maßnahmen zu allem Möglichen, aber nicht zu
mehr qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen. Genau das
aber wäre die Voraussetzung für einen nachhaltigen
Schuldenabbau.
Auch den Rentnern in unserem Land bietet die Regie-
rung nichts. Es gibt keine Rentenerhöhung auf lange
Sicht. Wir müssen uns vor Augen führen, dass in diesem
Jahr die Renten in Westdeutschland um 2,1 Prozent ge-
senkt werden müssten. Das ist einmalig in Deutschland.
Würde es passieren, dann würde das zu großer Verun-
sicherung und zu einer weiteren Schwächung der Bin-
nennachfrage führen. Man kann nur durch ordentlich be-
zahlte Arbeit einen solchen Trend stoppen. Auf dem
Gebiet ist bei Ihnen Fehlanzeige.
(Beifall bei der SPD)
In diesem Haushaltsjahr stellen Sie die falschen Wei-
chen. Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz
ist doch in Wahrheit, wie Sie selbst wissen und wie in
vielen Presseveröffentlichungen nachzulesen war, ein
Wachstumsverhinderungsgesetz.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein
Umverteilungsbeschleunigungsgesetz!)
Statt einer Traumkoalition erleben wir jeden Tag einen
Regierungsalbtraum, verzweifelte Kommunen und einen
Anstieg von Gebühren und Abgaben. Ihnen fehlen we-
gen Ihrer inneren Zerrissenheit der Mut und die Kraft,
aus der Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wachs-
tum erzielt man anders. Wachstum und Arbeit schaffen
wir durch höhere Bildungsinvestitionen. Wachstum und
Arbeit schaffen wir durch finanziell gesunde Kommu-
nen. Sie stemmen den Löwenanteil öffentlicher Investi-
tionen, Investitionen in neue Technologien für die Märkte
von morgen, in Schlüsselfelder wie Energieeffizienz, Ma-
terialeffizienz, erneuerbare Energien, Antriebstechnolo-
gien und in eine verbesserte Kommunikationsinfrastruk-
tur.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wachstum und Arbeit schaffen wir durch mehr Binnen-
nachfrage, nicht zuletzt durch bessere Löhne und mehr
Einkommensgerechtigkeit sowie durch Entlastungen für
die Menschen, die es am meisten brauchen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wachstum und
Arbeit schaffen wir auch durch mehr solidarische Betei-
ligung derer, die es am besten verkraften können. Dieser
Aspekt fehlt in Ihrem Haushalt 2010. Angesichts solch
gravierender Mängel können wir diesem Haushalt nicht
zustimmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hans Michelbach
für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese Haushaltswoche neigt sich dem Ende entgegen. Es
ist an der Zeit, ein Fazit zu ziehen: Unsere christlich-
liberale Koalition steht für eine Krisenbewältigung und
für einen Neuaufschwung. Die Opposition dagegen redet
alles schlecht. Das ist der Unterschied, den wir heute zur
Kenntnis nehmen müssen.
3002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Dr. h. c. Hans Michelbach
(A) (C)
(D)(B)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wo bleibt denn Ihre Alternative? Neid, Angst, Mangel-
verwaltung, Steuererhöhungen, Ausgabenmehrungen sind
eben keine Alternative.
Wir reagieren in kurzer Zeit auf die tiefgreifende Fi-
nanzmarktkrise und den schwersten Wirtschaftseinbruch
der Nachkriegszeit. Das sind die Tatsachen. Wir lassen,
ökonomisch richtig, die automatischen Stabilisatoren
wirken. Wir stellen wirtschaftliche Dynamik in den Mit-
telpunkt, und wir schaffen eine neue Vertrauensbasis für
Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es ist eine Tatsache: Die-
ser Haushalt ist antizyklisch, krisenbekämpfend, arbeits-
platzschaffend, wachstums- und investitionsfreundlich.
Wir verfolgen eine klare Wachstumsstrategie für neue
Sicherheit, Konsolidierung und wirtschaftlichen Auf-
schwung.
Für die Realwirtschaft ist wichtig, dass wir zunächst
einmal für einen stabileren Finanzmarkt sorgen. Die
christlich-liberale Koalition hat bewirkt, dass die Politik
– das ist wesentlich – wieder das Primat über die Finanz-
märkte hat. Diese Koalition hat die Finanzierungschan-
cen für die Wirtschaft wieder in Gang gebracht. Das hilft
allen, insbesondere im Hinblick auf Investitionen und
Arbeitsplätze in diesem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben bisher gar
nichts gemacht!)
Wir sanieren und regulieren die Finanzmärkte neu.
Wir haben Schutzschirme aufgespannt und Konjunktur-
pakete geschnürt. Wir haben den Kreditmediator einge-
führt. Wir haben bereits neue Finanzmarktrichtlinien
verabschiedet. Wir haben die Stärkung der Finanzmarkt-
und Versicherungsaufsicht vorgenommen. Wir haben die
Regelungen über die Angemessenheit der Vorstandsver-
gütung und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ver-
abschiedet.
Zweifellos müssen wir noch mehr verabschieden.
Denn eine solche Finanzmarktkrise darf sich nie mehr
wiederholen. Das ist die Botschaft, die wir senden müs-
sen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wir werden ein neues Insolvenzrecht, neue Ratingver-
ordnungen, ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe und si-
cher auch eine Regelung zur Kostenbeteiligung der Ban-
ken auf den Weg bringen. Hier ist Vernunft angesagt.
Wer nationale Alleingänge startet, begibt sich nämlich
auf den Holzweg. Das Beschreiten internationaler
Wege ist notwendig, wenn wir unsere Wettbewerbs-
fähigkeit erhalten wollen.
Wir wollen natürlich keine Substanzbesteuerung. Ei-
nes darf nicht passieren: dass die Bankkunden und die
Kreditnehmer in Zukunft über eine Bankenabgabe die
Zeche zahlen; das wollen wir nicht. Vielmehr wollen wir
Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Basis und die
Stärkung unserer Realwirtschaft.
Wir kämpfen gegen die Verletzung des Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakts, für dessen Schaf-
fung Theo Waigel mitverantwortlich ist. Wir als wirt-
schaftliche Lokomotive in Europa müssen bei der Ein-
haltung dieses Pakts natürlich Vorbild sein. Ich bin
zuversichtlich, dass wir über die mittelfristige Finanz-
planung diese Vorbildfunktion in Europa übernehmen.
Wer soll denn das sonst tun, meine Damen und Herren?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Deswegen ist es so wichtig, dass keine Nivellierung
der Wirtschaftsleistung Deutschlands stattfindet.
Diese wirtschaftsstarke Nation ist für ganz Europa wich-
tig und bedeutend. Wenn man nämlich zwei Kranke ins
Bett legt, kommt noch lange kein Gesunder heraus. Des-
wegen ist Nivellierung das Falscheste, was man in die-
sem Bereich tun könnte.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Dr. Kirsten Tackmann [DIE
LINKE]: Das kommt darauf an!)
Wir haben ein klares Konzept zur Stabilisierung des
Finanzmarktes. Vonseiten der Regierungskoalition möchte
ich Ihnen einmal sagen: Rot-Grün hat in der Vergangen-
heit die Kasinotüren weit geöffnet. Heute tun Sie so, als
ob Sie nicht gewusst hätten, dass man da Roulette spielt.
Sie haben nämlich letzten Endes die Deregulierung der
Hedgefonds vorgenommen.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das wollten Sie
doch auch!)
Sie haben die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne
von Konzernen eingeführt. Da wurde Roulette gespielt.
Das ist der Ausgangspunkt für das Finanzmarktkasino.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Sie von Rot-Grün sind die Verursacher hiervon. Das ist
Tatsache, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Unschuldig sind
Sie auch nicht!)
Im Übrigen, der Finanzminister hieß damals Hans
Eichel.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass unsere
Realwirtschaft wieder neue Leistungsanreize bekommt.
Für die Stärkung der Binnenwirtschaft haben wir
Steuersenkungen beim Tarif in Höhe von 20 Milliarden
Euro, Kindergelderhöhungen und Korrekturen bei den
krisenverschärfenden Elementen der Unternehmen- und
Erbschaftsteuer vorgenommen. Ich kann nicht verstehen,
wenn ausgerechnet Manager dies nicht anerkennen. Es
war eine große Leistung, dass wir Korrekturen bei der
Substanzbesteuerung vorgenommen haben und damit
die Möglichkeiten der Verlustnutzung in den Unterneh-
men zur Sanierung und Erhaltung der Arbeitsplätze wie-
der gestärkt haben. Das war eine großartige Leistung, die
wir hier vollbracht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3003
Dr. h. c. Hans Michelbach
(A) (C)
(D)(B)
Wir wollen weiterhin eine Steuerreform, die zu mehr
Vereinfachung und Gerechtigkeit führt, zum Beispiel
durch Reduzierung der kalten Progression, weil das den
Menschen, der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in un-
serem Land dient. Hierzu gibt es keine Alternative. Wir
wollen, dass sich Leistung in Deutschland wieder lohnt,
meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das musste jetzt auch noch einmal ge-
sagt werden!)
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, sagen, bei all dem handle es sich letztendlich um
Steuergeschenke, dann entgegne ich Ihnen darauf: Sie
haben ein falsches Staatsverständnis. Sie glauben, dass
alles Geld der Bürger zunächst dem Staat gehört.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das lasse ich
mir aber von Ihnen nicht vorschreiben! Das ist
ja unglaublich!)
Das Geld gehört aber zunächst den Bürgern selbst; diese
müssen bereit sein, einen entsprechenden Obolus zu leis-
ten. Hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen
Ihrer und unserer Philosophie.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Reden Sie doch
einmal mit den Bürgern! – Zuruf des Abg.
Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Abschließend möchte ich folgendes Fazit ziehen: Wir
werden die Haushaltskonsolidierung vornehmen, neues
Wachstum schaffen, die Sozialsysteme stabilisieren. Die
Herausforderung ist zweifellos groß, weil das Ganze mit
einer dramatischen Veränderung des Altersaufbaus unse-
rer Gesellschaft einhergeht.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ihnen laufen die Wähler davon!)
Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Wir
werden diese Herausforderung offensiv und positiv an-
gehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das war aber ein schwacher Auftritt!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für
die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Florian Toncar (FDP):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Dieser Haushalt ist das Beste, was
man in der jetzigen Lage aus der Haushaltssituation ma-
chen kann. Er ist ein Haushalt, der angesichts der Lage,
in der wir uns befinden, ausgesprochen gelungen ist.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Glauben Sie doch selber nicht!)
Ich möchte schon sagen, weil Sie, Kollege Bonde, wie
eigentlich immer bei mir üblich, dazwischenrufen: Es ist
unredlich,
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Da muss man doch zwischenrufen!)
dass die Opposition hier den Eindruck erweckt, dass
man mit einer Neuverschuldung in einer ganz anderen
Größenordnung arbeiten könnte.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: 7,5 Milliarden Euro weniger!)
Man kann über jeden einzelnen Posten sprechen und sa-
gen, da oder da wäre etwas anderes sinnvoller. Aber der
Eindruck, den Sie erwecken, der ist einfach unredlich.
Ich möchte einmal daran erinnern, Kollege Bonde,
womit Sie abgetreten sind, als Sie im Jahre 2005 von den
Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden sind.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Woher wissen
Sie das denn?)
Da hatten wir nicht einmal eine im Ansatz vergleichbare
Wirtschaftskrise. Die Neuverschuldung, für die Sie auch
persönlich mit verantwortlich waren, betrug 4,2 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes. Deutschland war damals ei-
nes der Sorgenkinder Europas. Heute ist das nicht der
Fall. Heute gehört Deutschland, was die Neuverschul-
dung angeht, zur Spitzengruppe Europas.
(Joachim Poß [SPD]: Aber weshalb?)
Ich glaube, das ist ein beträchtlicher Unterschied, auf
den man hinweisen sollte.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schon mit-
bekommen, dass wir eine Rekordverschuldung
haben!? – Zuruf der Abg. Petra Merkel [Ber-
lin] [SPD])
– Das sind Tatsachen. Sie kennen die gesamte Problema-
tik. Bei Rot-Grün war das jahrelang ein Problem.
Es ist mitnichten so, dass die Höhe der diesjährigen
Neuverschuldung irgendjemanden beruhigen könnte. Sie
wissen, wie das alles zusammenhängt. Das hat mit der
Krise zu tun, die weltweit zuschlägt.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Regierungskrise!)
Herr Kollege Bonde, es wäre redlich, wenn Sie darauf
hinweisen würden, wie hoch die Neuverschuldung in
den Ländern ist, die mit Deutschland verglichen werden
können: in den USA zweistellig, Großbritannien zwei-
stellig, Frankreich über 8 Prozent, Italien fast zweistellig
und Spanien zweistellig. Das sind Industrieländer wie
Deutschland, die von uns nicht weit weg sind. Die Neu-
verschuldung liegt dort weit höher als in Deutschland.
Es wäre redlich, das zu erwähnen. Bei all den Sorgen,
die wir uns um den Haushalt machen müssen, stelle ich
3004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Florian Toncar
(A) (C)
(D)(B)
fest: Wir machen es besser als alle vergleichbaren Län-
der um uns herum.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Wo gibt es denn
so was?)
Sie als Opposition haben darauf hingewiesen, dass es
im vorliegenden Haushalt im Vergleich zum Regierungs-
entwurf – auch im Vergleich zum Entwurf von Minister
Steinbrück im letzten Jahr – Entlastungen durch die
konjunkturelle Entwicklung und eine günstigere Arbeits-
marktentwicklung gegeben hat. Wir haben bereits darauf
hingewiesen, dass wir die frei gewordenen Mittel für den
Abbau der Staatsschulden verwenden.
Sie haben verschwiegen – das wäre bei einer vollstän-
digen Darstellung Ihrerseits zu erwarten gewesen –, dass
wir im selben Zeitraum erhebliche Zusatzbelastungen
hatten,
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja, die Hotel-
steuer zum Beispiel!)
für die wir Vorsorge treffen mussten. Als Ihre Regie-
rungsmitglieder im letzten Oktober abgetreten sind, ha-
ben Sie uns ein heruntergewirtschaftetes Gesundheits-
system hinterlassen. Einen Monat nach der Wahl ist
herausgekommen, dass der Gesundheitsfonds eine Lü-
cke von 3,9 Milliarden Euro aufweist, die wir mit Mit-
teln aus dem vorliegenden Haushalt stopfen müssen. Es
sind Belastungen hinzugekommen, die Sie uns aufgebür-
det haben und die wir im vorliegenden Haushalt berück-
sichtigen mussten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Da muss
die Frau Merkel aber versagt haben!)
Selbstverständlich gab es weitere Belastungen, die
wir einarbeiten mussten, wie die Afghanistankonferenz
und die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Kopenhagen haben Sie nicht ein-
gearbeitet!)
Man muss feststellen: Wir haben trotz dieser Zusatzbe-
lastungen und unter Berücksichtigung der Entlastungen
einen Haushalt hinbekommen, der hinsichtlich der ge-
planten Neuverschuldung deutlich unter dem liegt, was
im letzten Jahr von Herrn Steinbrück und auch im zwei-
ten Regierungsentwurf vorgesehen war.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie verteilen Klientelgeschenke!)
Die Frage ist, wie wir wieder zu mehr Wirtschafts-
wachstum kommen. Die Kolleginnen und Kollegen von
der Union haben bereits darauf hingewiesen, dass die
Koalition beabsichtigt, in diesem Jahr das Thema Steu-
ern anzugehen.
(Joachim Poß [SPD]: Welche Rede haben Sie
vor einem Jahr gehalten?)
Ich kann mich dieser Absicht nur anschließen, und zwar
aus zwei Gründen. Was das Wirtschaftswachstum an-
geht, haben wir in der momentanen Situation zwei Pro-
bleme: Das eine ist der Bereich der privaten Investitio-
nen. Sie bleiben aus, weil Unternehmen oft nicht richtig
planen können und daher zurückhaltend sind. Das an-
dere – das ist eine dauerhafte Schwäche Deutschlands –
ist der private Konsum, also das, was die Bürgerinnen
und Bürger für ihren Bedarf ausgeben bzw. ausgeben
können. An diesen beiden Punkten können Steuersen-
kungen ansetzen und für die Wirtschaft tatsächlich etwas
erreichen. Wir wollen diese Punkte angehen. Wir wollen
eine Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Ein-
kommen, weil das fair ist und vor allem die Schwäche
unserer Binnenkonjunktur beseitigt. Das ist die Voraus-
setzung dafür, dass es wirtschaftlich wieder bergauf ge-
hen kann.
Darüber hinaus wollen wir eine Entlastung im investi-
ven Bereich, Stichwort steuerliche Forschungsförde-
rung. Es stellt sich die Frage, wie wir mit Investitionen,
Abschreibungen und all den Instrumenten umgehen, die
Unternehmen jetzt brauchen, damit sie wieder investie-
ren können. Diese Strategie ist abgestimmt. Wir werden
im nächsten Jahr die Schuldenbremse, die es in Deutsch-
land zum Glück gibt, penibel einhalten. Wir werden den
Haushalt Schritt für Schritt konsolidieren. Dieser Haus-
halt ist ein Anfang. Wir haben bereits einiges eingespart.
Diesen Weg werden wir weitergehen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nichts gespart habt ihr! – Sven-
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nicht gespart! Klientelgeschenke habt
ihr verteilt!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun bitte ich Sie noch um Aufmerksamkeit für den
letzten Redner in dieser Debatte. Es ist der Kollege Leo
Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zum Haushalt ist ausrei-
chend viel gesagt worden. Darüber ist ausreichend de-
battiert worden. Ich möchte für meine Fraktion dennoch
einige Dinge zur Finanzmarktproblematik und zur
Finanzmarktpolitik darlegen, weil der Bund bei vielen
finanzmarktpolitischen Aufgaben in einer finanziellen
Verantwortung steht. Dieser Verantwortung kommen wir
in Form bestimmter Sonderfonds und Sonderhaushalte
nach. Deshalb gehört es zu einer Haushaltsdebatte, dass
wir auch Bereiche des Finanzmarktes beleuchten. Auf-
grund der Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
wurde der Bund schließlich in erheblichem Maße in An-
spruch genommen.
Verehrter Herr Kollege Poß, Ihr Vorhalt geht im
Grunde fehl. Ich glaube, Sie sollten unser gemeinsames
Wirken hier nicht unter Wert verkaufen.
(Joachim Poß [SPD]: Das mache ich nicht!)
Das gilt insbesondere für das, was wir mit dem Finanz-
marktstabilisierungsgesetz und den Weiterentwicklun-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3005
Leo Dautzenberg
(A) (C)
(D)(B)
gen dieses Gesetzes auf den Weg gebracht haben, und
dafür, wie wir die Stabilisierung des Finanzmarktes be-
trieben haben.
(Joachim Poß [SPD]: Auch die Konjunktur-
pakete und die Managervergütung waren nicht
schlecht!)
Wir als Union werden die Politik auf dieser Grundlage
fortsetzen.
Wenn Sie dem Minister hier vorhalten, er hätte sich
vorschnell zum EWF, zum Europäischen Währungs-
fonds, geäußert, sage ich Ihnen: Nehmen Sie bitte zur
Kenntnis, dass er unabhängig von der Situation Grie-
chenlands das Erfordernis anderer Strukturen und Me-
chanismen als Handlungskasten sieht, um den Euro zu-
künftig weiterhin stabil zu halten. Wenn man das unter
das Thema „Europäischer Währungsfonds“ subsumiert,
kann das von der Aufgabenstellung her im Grunde nur
richtig sein. Was damit in keiner Weise beabsichtigt war
– das ist hier immer klargestellt worden –, ist, den Ein-
druck zu vermitteln, dass wir nur vordergründig einen
Fonds gründen wollen, der nichts anderes als einen
Finanzausgleich herbeiführen soll. Das kann vielleicht
am Ende eines Prozesses stehen, wenn der Instrumenten-
kasten für eine Fortentwicklung des Stabilitätspaktes
und der Maastricht-Verträge für alle Staaten vorhanden
ist. Von daher war das ein richtiger Beitrag, der in die
Zukunft wies.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was haben wir bisher schon auf den Weg gebracht?
Das waren nationale Stützungsmaßnahmen. Es gibt
jetzt eine stärkere Aufsicht über die Ratingagenturen;
das werden wir umsetzen. Es gibt höhere Eigenkapital-
vorgaben, auch vom Baseler Ausschuss, die wir um-
zusetzen haben. Außerdem haben wir ein Gesetz zur
Angemessenheit der Vorstandsvergütung auf den Weg
gebracht.
(Joachim Poß [SPD]: Richtig! Alles
Vorschläge der SPD!)
Außerdem kann die Aufsicht über die Finanzinstitute
jetzt aufgrund der Aufsichtsrichtlinie auch auf die Ver-
gütungssysteme in den Banken im Bereich unterhalb der
Vorstandsebene Einfluss nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das sind doch entscheidende Beiträge, die wir schon auf
den Weg gebracht haben.
Herr Kollege Poß, es wäre hilfreich gewesen, wenn
Sie es positiv unterstützt hätten, als sich unsere Regie-
rung und unser Finanzminister am Montag auf der Fi-
nanzministerkonferenz für eine Regulierung von Hedge-
fonds eingesetzt haben. Da Großbritannien sich gegen
die Umsetzung sperrt, müssen wir doch nachdrücklich
um Unterstützung nachsuchen, damit wir auch auf die-
sem Gebiet eine Regulierung auf den Weg bringen kön-
nen,
(Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns einig!)
damit wir das umsetzen können, was in unserem Koali-
tionsvertrag steht. In Zukunft soll es keine Finanz-
märkte, keine Finanzprodukte mehr geben, die nicht ei-
nem Mindestmaß an Regulierung unterliegen.
(Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns ja
einig!)
Von daher sollten wir positiv registrieren, dass die
Vorschläge, die Obama vorgelegt hat, zeigen, dass in den
USA zumindest Handlungsbedarf erkannt worden ist.
Wir sollten die Zeit nutzen, um das auch auf unserer
Ebene, auf europäischer Ebene nach vorne zu bringen.
Wir sollten mit nationalen Maßnahmen anfangen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Wir haben schon vor Monaten Eckpunkte vorgestellt
– das war nicht überraschend; denn daran arbeiten wir
schon seit Monaten – und gesagt, wo wir auf nationaler,
europäischer und internationaler Ebene Handlungsbe-
darf hinsichtlich der Regulierung der Finanzmärkte se-
hen. Das ist im Grunde – ich nenne das einmal so – unser
Dreiklang: eine verbesserte, effektivere Finanzaufsicht
– durch Bündelung der Finanzaufsicht bei der Bundes-
bank – verbunden mit einem weiter gehenden Insolvenz-
recht für Finanzinstitute und einem Restrukturierungs-
fonds, der diese Maßnahmen begleiten und auf den Weg
bringen soll.
Das wollen wir mit einer Sonderabgabe für den
Finanzsektor verbinden. Ich betone bewusst Finanzsek-
tor, weil wir neben den Banken auch den Versicherungs-
bereich einbeziehen müssen. Von daher sollte Herr
Brüderle überlegen, ob es sinnvoll ist, von Anfang an be-
stimmte Bereiche des Bankensektors davon auszuschlie-
ßen. Gehen Sie davon aus, dass wir eine solche Sonder-
abgabe in den jeweiligen Säulen des Bankensektors nach
Risikogewichtung und nicht pauschal für den ganzen
Banken- und Finanzsektor vornehmen werden.
(Joachim Poß [SPD]: Da sieht man, dass die
Koalition nicht handlungsfähig ist! Er spricht
Herrn Brüderle an!)
Von daher, Kollege Poß, sind wir hier auf gutem Wege.
Gehen Sie davon aus, dass der Finanzminister und die
Bundesregierung uns auf Grundlage dieser Forderungen
im Frühjahr rechtzeitig Eckpunkte zu diesen Bereichen
präsentieren werden.
(Joachim Poß [SPD]: Was sagt die FDP? Was
sagt Herr Brüderle?)
Wir gehen davon aus, dass wir dies dann auch auf
europäischer Ebene durchsetzen können.
(Joachim Poß [SPD]: Sie gegen die FDP zu unter-
stützen, das könnten wir uns überlegen!)
Wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen, die wir na-
tional in Gang setzen, mit den EU-Vorgaben kompatibel
sind; sonst wäre das im Endeffekt kontraproduktiv.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Noch eines: Denen, die hier immer betonen, man
sollte einige Bereiche des Finanzsektors von der Sonder-
abgabe ausschließen, weil sie die Krise nicht mit verur-
3006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Leo Dautzenberg
(A) (C)
(D)(B)
sacht haben, muss ich sagen: Wenn der Staat und damit
der Steuerbürger die erfolgten Rettungsaktionen nicht
unternommen hätte, wäre der gesamte Finanzbereich in
Mitleidenschaft gezogen worden. Deshalb sollte man
keinen Bereich von Anfang an aus einer bestimmten
Pflicht entlassen. Wie gesagt, die Sonderabgabe wird
risikoadjustiert sein.
Daran sehen Sie: Die Union bleibt in der Finanzpoli-
tik auf Kurs.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Auf dem falschen Kurs!)
Schritt für Schritt werden wir die richtigen Maßnahmen
umsetzen. Wir setzen darauf, dass wir sie auch auf inter-
nationaler Ebene umsetzen können, um damit einen we-
sentlichen Beitrag zu leisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über das
Haushaltsgesetz 2010. Es geht dabei um die Druck-
sachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 17/616, 17/619 bis
17/625 sowie 17/1077. Es ist namentliche Abstimmung
verlangt. Ich weise darauf hin, dass nach dieser nament-
lichen Abstimmung noch eine weitere namentliche so-
wie zahlreiche einfache Abstimmungen über Entschlie-
ßungsanträge folgen werden.
Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,
ihre vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. –
Ist dies erfolgt? Sind die Plätze an den Urnen alle be-
setzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstim-
mung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme bei dieser ersten namentlichen Abstimmung
nicht abgegeben hat? – Ich frage vorsichtshalber noch
einmal, da gerade noch Stimmen abgegeben wurden:
Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimme ab-
gegeben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Ab-
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen nun
zu den Entschließungsanträgen. Wir beginnen mit der
Abstimmung über drei Entschließungsanträge der Frak-
tion der SPD.
Über den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1083
soll namentlich abgestimmt werden. Dazu bitte ich die
Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze wieder
einzunehmen. Ist das erfolgt? Sind alle Plätze an den Ur-
nen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Ab-
stimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das die
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
1) Ergebnis Seite 3007 C
nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte auch hier die Schriftführer um die Auszählung.
Auch dieses Ergebnis wird Ihnen später bekannt gege-
ben.2)
Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie,
nach Möglichkeit Platz zu nehmen, damit wir die weite-
ren Abstimmungen vornehmen können und wir hier eine
Übersicht über die Mehrheitsverhältnisse haben.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/1082. Wer stimmt dafür? –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/1088. Wer stimmt dafür? –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Grünen und
der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der SPD-
Fraktion.
Wir stimmen nun über sechs Entschließungsanträge
der Fraktion Die Linke ab, zunächst über den Entschlie-
ßungsantrag auf Drucksache 17/1081. Wer stimmt
dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen und der SPD abgelehnt gegen die Stimmen
der Linken.
Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1084. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –
Auch dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt mit dem
gleichen Stimmenverhältnis.
Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1086. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Auch
dieser Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Stim-
menergebnis abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-
sache 17/1087. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? –
Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist ebenfalls
abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Linken.
Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1089. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist abgelehnt gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller übrigen
Fraktionen.
Nun kommen wir zum Entschließungsantrag auf
Drucksache 17/1090. Wer stimmt dafür? – Wer ist dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist ab-
gelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke.
2) Ergebnis Seite 3009 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3007
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Ilse Aigner Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jürgen Herrmann Dr. Karl A. Lamers
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Manfred Behrens (Börde)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Peter Altmaier Land) Ansgar Heveling (Heidelberg)
Nun kommen wir zur A
schließungsanträge der Frak
nen. Zunächst der Entschl
sache 17/1085. Wer ist dafür
Enthaltungen? – Der Entschl
mit den Stimmen der Koalitio
tion der Linken bei Enthaltun
gen die Fraktion der Grünen.
Entschließungsantrag auf
stimmt dafür? – Wer ist dageg
Entschließungsantrag ist eb
Stimmen der Koalitionsfrakti
bei Enthaltung der Fraktion
men der Grünen.
Entschließungsantrag auf
stimmt dafür? – Wer ist dageg
Entschließungsantrag ist geg
mit den Stimmen aller übrige
Entschließungsantrag auf
stimmt dafür? – Wer stimmt d
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 569;
davon
ja: 313
nein: 256
Ja
CDU/CSU
bstimmung über vier Ent-
tion Bündnis 90/Die Grü-
ießungsantrag auf Druck-
? – Wer stimmt dagegen? –
ießungsantrag ist abgelehnt
nsfraktionen und der Frak-
g der Fraktion der SPD ge-
Drucksache 17/1091. Wer
en? – Enthaltungen? – Der
enfalls abgelehnt mit den
onen und der SPD-Fraktion
Die Linke gegen die Stim-
Drucksache 17/1092. Wer
en? – Enthaltungen? – Der
en die Stimmen der Grünen
n Fraktionen abgelehnt.
Drucksache 17/1093. Wer
agegen? – Enthaltungen? –
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Auch dieser Entschließungsa
Stimmenergebnis abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und K
namentlichen Abstimmunge
Deshalb unterbreche ich die
der Ergebnisse der beiden nam
(Unterbrechung von 1
Vizepräsidentin Gerda H
Liebe Kolleginnen und K
Sitzung ist wieder eröffnet.
Es liegen nun die von d
Schriftführern ermittelten
namentlichen Abstimmung
bekannt geben möchte.
Zunächst das Ergebnis de
stimmung über den Gesetzen
das heißt über das Haushal
Stimmen 569. Mit Ja haben g
ben gestimmt 256, Enthaltun
setzentwurf ist damit angenom
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
ntrag ist mit dem gleichen
ollegen, die Ergebnisse der
n liegen noch nicht vor.
Sitzung bis zum Vorliegen
entlichen Abstimmungen.
3.36 bis 13.43 Uhr)
asselfeldt:
ollegen, die unterbrochene
en Schriftführerinnen und
Ergebnisse der beiden
en vor, die ich Ihnen gerne
r namentlichen Schlussab-
twurf der Bundesregierung,
tsgesetz 2010: abgegebene
estimmt 313, mit Nein ha-
gen gab es keine. Der Ge-
men.
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
3008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Stefan Müller (Erlangen)
Nadine Müller (St. Wendel)
Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)
Anita Schäfer (Saalstadt)
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
(Wiesbaden)
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster (Weil am
Rhein)
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)
Peter Weiß (Emmendingen)
Sabine Weiss (Wesel I)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Marco Bülow
FDP
Jens Ackermann
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr (Münster)
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner (Berlin)
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
(Lausitz)
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
(Lüdenscheid)
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Nein
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Hubertus Heil (Peine)
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)
Frank Hofmann (Volkach)
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel (Berlin)
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3009
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
(Schwandorf)
Werner Schieder (Weiden)
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Carsten Schneider (Erfurt)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
(Beifall bei der CDU
Nun kommen wir zu dem
Abstimmung über den Entsc
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
/CSU und der FDP)
Ergebnis der namentlichen
hließungsantrag der Frak-
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck (Köln)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz (Herborn)
tion der SPD auf Drucks
Stimmen 565. Mit Ja haben g
eine Enthaltung. Dieser Ents
abgelehnt.
Kerstin Müller (Köln)
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
ache 17/1083: abgegebene
estimmt 253, mit Nein 311,
chließungsantrag ist damit
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
DIE LINKE
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Yvonne Ploetz
Paul Schäfer (Köln)
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)
Monika Lazar
3010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 565;
davon
ja: 253
nein: 311
enthalten: 1
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Hubertus Heil (Peine)
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)
Frank Hofmann (Volkach)
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel (Berlin)
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
(Schwandorf)
Werner Schieder (Weiden)
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Carsten Schneider (Erfurt)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Paul Schäfer (Köln)
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck (Köln)
Cornelia Behm
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz (Herborn)
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3011
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Manfred Behrens (Börde)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg)
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)
Nadine Müller (St. Wendel)
Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)
Anita Schäfer (Saalstadt)
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
(Wiesbaden)
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster (Weil am
Rhein)
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)
Peter Weiß (Emmendingen)
Sabine Weiss (Wesel I)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr (Münster)
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Joachim Günther (Plauen)
3012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) (C)
(D)(B)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner (Berlin)
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
(Lausitz)
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
(Lüdenscheid)
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Enthaltung
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Damit sind wir am Ende der Debatte über den Haus-
halt 2010 und auch am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste S
destages auf Mittwoch, 24.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes, wenn auch kur-
zes Wochenende und schließe die Sitzung.
.45 Uhr)
wurde, es solle eine Sonderm
Fraktion Die Linke gesagt: Ja
Deutschland austragen, dann
gen, zumal es zu zusätzlichen
ünze geben, haben wir als
wohl, wenn wir eine WM in
möge sich der Bund beteili-
Einnahmen kommt.“
itzung des Deutschen Bun-
März 2010, 13 Uhr, ein.
(Schluss: 13
Berichtigung
31. Sitzung, Seite 2868 (A), erster Absatz, der erste
Satz ist wie folgt zu lesen: „Als darüber gesprochen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3013
(A) (C)
(D)(B)
zung nachwachsender Rohstoffe
– Drucksachen 16/14061, 17/591 Nr. 1.29 –
DIE GRÜNEN
– Drucksachen 16/12955, 17/591 Nr. 1.10 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Aktionsplan der Bundesregierung zur stofflichen Nut-
Koch, Harald DIE LINKE 19.03.2010
Koenigs, Thomas BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Anlage 1
Liste der entschuldi
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aken, Jan van DIE LINKE 19.03.2010
Barchmann, Heinz-
Joachim
SPD 19.03.2010
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 19.03.2010
Bollmann, Gerd SPD 19.03.2010
Buchholz, Christine DIE LINKE 19.03.2010
Burchardt, Ulla SPD 19.03.2010
Cramon-Taubadel,
Viola von
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Dörmann, Martin SPD 19.03.2010
Göring-Eckardt,
Katrin
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Götz, Peter CDU/CSU 19.03.2010
Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 19.03.2010
Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.03.2010
Golze, Diana DIE LINKE 19.03.2010
Granold, Ute CDU/CSU 19.03.2010
Hempelmann, Rolf SPD 19.03.2010
Hoff, Elke FDP 19.03.2010
Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Jung (Konstanz),
Andreas
CDU/CSU 19.03.2010
Keul, Katja BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Anlagen zum Stenografischen Bericht
gten Abgeordneten
Anlage 2
Amtliche Mitteilungen
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mitgeteilt,
dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Ge-
schäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nach-
stehenden Vorlagen absieht:
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Nationaler Biomasseaktionsplan für Deutschland
Kopp, Gudrun FDP 19.03.2010
Kossendey, Thomas CDU/CSU 19.03.2010
Mattheis, Hilde SPD 19.03.2010
Möller, Kornelia DIE LINKE 19.03.2010
Pflug, Johannes SPD 19.03.2010
Roth (Esslingen),
Karin
SPD 19.03.2010
Scharfenberg,
Elisabeth
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Dr. Scheer, Hermann SPD 19.03.2010
Senger-Schäfer,
Kathrin
DIE LINKE 19.03.2010
Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 19.03.2010
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2010
Dr. Troost, Axel DIE LINKE 19.03.2010
Werner, Katrin DIE LINKE 19.03.2010
Wieczorek-Zeul,
Heidemarie
SPD 19.03.2010
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
3014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010
(A) (C)
(D)(B)
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden
Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei-
ner Beratung abgesehen hat.
Innenausschuss
Drucksache 17/720 Nr. A.4
Ratsdokument 17686/09
Drucksache 17/720 Nr. A.5
Ratsdokument 17697/09
Drucksache 17/720 Nr. A.6
Ratsdokument 17702/09
Finanzausschuss
Drucksache 17/178 Nr. A.8
Ratsdokument 15047/09
Drucksache 17/504 Nr. A.17
Ratsdokument 10875/09
Drucksache 17/592 Nr. A.2
Ratsdokument 17760/09
Haushaltsausschuss
Drucksache 17/504 Nr. A.19
Ratsdokument 12448/09
Drucksache 17/592 Nr. A.3
Ratsdokument 17588/09
Drucksache 17/720 Nr. A.11
Drucksache 17/136 Nr. A.74
Ratsdokument 10883/09
Drucksache 17/136 Nr. A.75
Ratsdokument 11374/09
Drucksache 17/136 Nr. A.76
Ratsdokument 11717/09
Drucksache 17/136 Nr. A.77
Ratsdokument 11778/09
Drucksache 17/136 Nr. A.78
Ratsdokument 12671/09
Drucksache 17/178 Nr. A.26
Ratsdokument 15305/09
Drucksache 17/504 Nr. A.20
EuB-EP 1985; P7_TA-PROV(2009)0063
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 17/136 Nr. A.84
Ratsdokument 12097/09
Drucksache 17/720 Nr. A.13
Ratsdokument 5272/10
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Drucksache 17/136 Nr. A.99
EuB-EP 1975; P7_TA-PROV(2009)0019
Drucksache 17/315 Nr. A.4
EuB-EP 1981; P7_TA-PROV(2009)0056
Drucksache 17/315 Nr. A.5
EuB-EP 1983; P7_TA-PROV(2009)0059
Drucksache 17/315 Nr. A.6
EuB-EP 1984; P7_TA-PROV(2009)0060
Drucksache 17/592 Nr. A.7
Ratsdokument 5175/10
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Drucksache 17/136 Nr. A.72
EuB-EP 1962; P6_TA-PROV(2009)0370
Drucksache 17/136 Nr. A.73
Ratsdokument 10628/09
EuB-EP 1995; P7_TA-PROV(2009)0103
Drucksache 17/592 Nr. A.8
EuB-EP 1996; P7_TA-PROV(2009)0104
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 17/136 Nr. A.118
Ratsdokument 12814/09
32. Sitzung
Berlin, Freitag, den 19. März 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2