Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur ersten Sitzung
des Bundestages in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen allen
ein gesundes,
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das können
wir gebrauchen!)
ein friedvolles, ein glückliches und natürlich auch ein er-
folgreiches Jahr 2007.
(Iris Gleicke [SPD]: Danke gleichfalls!)
Vor allem wünsche ich uns viel Kraft und Gesundheit,
damit wir unsere Aufgaben und unsere Verantwortung so
wahrnehmen können, wie es die Bevölkerung von uns
erwartet.
(Iris Gleicke [SPD]: Wir geben die guten
Wünsche zurück, Frau Präsidentin!)
– Herzlichen Dank.
Bezeichnenderweise beschäftigen wir uns gleich in
unserer ersten Sitzung mit der Gesundheitsreform.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
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Redet
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs-
stärkungsgesetz – GKV-WSG)
– Drucksachen 16/3950, 16/4020 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jug
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
(C
(D
ung
17. Januar 2007
0 Uhr
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei-
en Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
undesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ch möchte mich den guten Wünschen der Präsidentin
nschließen. Ich freue mich auf weiterhin anregende,
anchmal heftige, hoffentlich aber immer konstruktive
ebatten, die wir führen müssen, wenn wir für die Men-
chen in unserem Lande eine gute Gesundheitsversor-
ung organisieren wollen.
(Jürgen Koppelin [FDP]: Ja, genau! Aber wa-
rum haben Sie in Richtung SPD-Fraktion ge-
sehen, als Sie das gesagt haben? Das haben Sie
nämlich gerade getan!)
Ich habe ausnahmsweise einmal Herrn Spieth angese-
en.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Was heißt
denn hier „ausnahmsweise“? – Frank Spieth
ext
[DIE LINKE]: Das ist ja auch ganz freundlich
von Ihnen! – Heiterkeit)
Meine Damen und Herren, durch die Gesundheitsre-
form werden wir die Versorgung der Patienten verbes-
sern und den notwendigen Wettbewerb in unserem Ge-
sundheitssystem stärken. Die Reform kommt. Der
vorliegende Gesetzentwurf ist ein guter Gesetzentwurf.
Zum Wesen der parlamentarischen Demokratie gehört
der Kompromiss. Wir, die Koalitionsfraktionen, haben
einen guten Kompromiss erzielt. In den letzten Wochen
haben wir über viele Änderungsanträge und Ergänzungs-
vorschläge debattiert. Die Anregungen der Länder haben
gegriffen wie sachliche Vorschläge und
ie sich aus den Anhörungen ergaben. An
chtung der Reform – mehr Wettbewerb
Versorgung – halten wir fest.
end
wir ebenso auf
Forderungen, d
der Grundausri
für eine bessere
7488 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesministerin Ulla Schmidt
Einige Änderungen möchte ich besonders hervorhe-
ben.
Künftig wird für alle Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland eine Pflicht zur Versicherung bestehen. Für
diejenigen, die gesetzlich krankenversichert sind, besteht
bereits eine Versicherungspflicht; hier werden die letz-
ten Lücken geschlossen. In Zukunft wird allerdings auch
für privat Krankenversicherte eine Pflicht zur Versiche-
rung eingeführt.
(Beifall bei der SPD)
Dann werden erstmals alle Menschen in Deutschland
gegen das Risiko Krankheit umfassend abgesichert sein.
Ich betone: Bei der Lösung dieses Problems geht es nicht
nur um diejenigen, die bisher unversichert sind – das ist
leider eine wachsende Zahl von Menschen –, sondern
auch um zukünftige Generationen. Auch sie müssen wis-
sen: Die Behandlung von Krankheiten ist heutzutage
nicht selten sehr aufwendig und teilweise sehr teuer.
Niemand – auch kein etwas besser Verdienender – kann
die Behandlung einer schweren, zum Beispiel chroni-
schen Erkrankung aus eigener Tasche zahlen. Deshalb
hat der Staat die Aufgabe, die Menschen gegen dieses
Risiko umfassend abzusichern. Konkret ist vorgesehen,
dass sich all diejenigen, die weder gesetzlich noch privat
versichert sind noch über einen anderen Anspruch auf
Leistungen im Krankheitsfall verfügen, ab 2009 in ei-
nem Tarif der privaten Krankenversicherung versi-
chern müssen, der mindestens ambulante und stationäre
Leistungen umfasst. Dabei besteht im vorgesehenen Ba-
sistarif der privaten Krankenversicherung ein Kontrahie-
rungszwang. Dieser Basistarif wird so ausgestaltet, dass
er bezahlbar bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Problem der wachsenden Zahl Nichtversicherter ge-
hen wir früher an als geplant. Ehemals gesetzlich Versi-
cherte müssen sich ab dem 1. April dieses Jahres gesetz-
lich versichern. Ehemals privat Versicherte können sich
ab dem 1. Juli dieses Jahres ohne Risikozuschläge, ohne
Risikoprüfung, ohne Leistungsausschlüsse im heutigen
Standardtarif der privaten Krankenversicherung ver-
sichern; er wird also für alle bisher Unversicherten, die
der privaten Krankenversicherung zuzuordnen sind, ge-
öffnet. Ab 2009 werden diese Versicherten in den Basis-
tarif wechseln können, der dann den bisherigen Stan-
dardtarif ablöst.
Auch die privat Krankenversicherten dürfen finanzi-
ell nicht überfordert werden. In einem System, das Un-
ternehmen weitgehende Gestaltungsfreiheiten für die
einzelnen Tarife gibt, dürfen die Prämien für ältere Ver-
sicherte, die angeblich durch Altersrückstellungen ge-
deckt sind, nicht ins Unermessliche steigen, vor allen
Dingen aber keine Sozialhilfebedürftigkeit auslösen.
Diesen Versicherten steht künftig der Weg in den Basis-
tarif offen, bei dem die Bezahlbarkeit ebenso garantiert
wird wie die Behandlungspflicht.
Wenn jetzt vonseiten der privaten Krankenversiche-
rungen bzw. deren Interessenvertretern der Gang nach
Karlsruhe angedroht wird, dann sage ich: Dem sehe ich
gelassen entgegen. Denn die Verantwortung des Staates,
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ie medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung
icherzustellen, muss nach unserer Verfassung Vorrang
aben vor Lobbyinteressen und hat dies auch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Aber auch was die gesetzliche Krankenversicherung
ngeht, haben wir sinnvolle Veränderungen vereinbart,
um Beispiel, dass wir keine Rehaleistungen erster und
weiter Klasse wollen. Deshalb machen wir alle Rehabi-
itationsleistungen künftig zu Regelleistungen. Damit re-
gieren wir auf die Drohung der Krankenversicherun-
en, in diesem Bereich Einschnitte vorzunehmen.
ebenbei gesagt: Ich halte es schon für merkwürdig,
enn eine Branche androht, die Qualität der Leistungen
inzuschränken, und gleichzeitig verkündet, dass alles
eurer wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Geeinigt haben wir uns auch darauf, was die Regelun-
en bezüglich der Verbände angeht, bei der Reform zu
leiben. Ebenso bleiben wir dabei, dass wir die Insol-
enzfähigkeit auch der landesunmittelbaren Kassen ein-
ühren wollen. Wir haben sorgfältig beraten, wie wir si-
herstellen können, dass die Rechte der Beschäftigten
ei Veränderungen gewahrt bleiben. Die Beschäftigten
üssen sich also keine Sorgen machen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Montag?
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Ja.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es ist doch
Mittwoch!)
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke für die Witze.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU
und der FDP)
Danke, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, Sie haben
erade gesagt, dass Sie einer verfassungsrechtlichen
berprüfung des Gesetzentwurfs mit Gelassenheit ent-
egensehen. Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen,
ass der Rechtsausschuss heute Vormittag sehr lange
nd intensiv über die verfassungsrechtlichen Implikatio-
en dieses Gesetzentwurfs diskutiert hat. Dabei sind aus
llen Fraktionen erhebliche Bedenken geäußert worden,
uch aus den Reihen der Koalition, sowohl aus den Rei-
en der SPD als auch aus den Reihen der CDU/CSU,
nd zwar nicht nur vom Kollegen Merz, sondern auch
on vielen anderen. Sie können diese Argumente noch
icht kennen, weil der Rechtsausschuss gerade erst ge-
agt hat. Aber meine Frage an Sie lautet: Sind Sie per-
önlich und ist Ihr Haus bereit, diese Diskussion im
echtsausschuss des Deutschen Bundestages zum An-
ass zu nehmen, die verfassungsrechtlichen Schwierig-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7489
(A) )
(B)
Jerzy Montag
keiten dieses Gesetzentwurfs noch einmal zu überprü-
fen?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Herr Kollege Montag, ich bin darüber informiert, dass
Sie heute Morgen mit der Bundesjustizministerin und
dem zuständigen Staatssekretär des Innenministeriums
sehr intensiv über diese verfassungsrechtlichen Fragen
diskutiert haben.
Das, was im Gesetzentwurf steht, haben wir durch un-
sere Verfassungsressorts sehr intensiv prüfen lassen. Die
private Krankenversicherung sagt, es sei verfassungs-
rechtlich nicht zulässig, dass sie Menschen auch ohne
Prüfung des Gesundheitsrisikos mit einem Basistarif
versichern muss. Ich sage Ihnen und bin mir dabei sehr
sicher – darum ging es auch bei meinem Redebeitrag in
dieser Diskussion eben –: Ich hielte es für ein falsches
Verständnis unserer Verfassung, wenn der Schutzauftrag
des Staates, aufgrund dessen er dafür zu sorgen hat, dass
jeder Einzelne in diesem Lande das Recht auf die not-
wendige und für ihn bezahlbare Gesundheitsversorgung
hat, nicht höher als einseitige Geschäftsinteressen der
privaten Krankenversicherungen anzusehen wäre.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zu dieser Frage habe ich viele Urteile gelesen. Die Ent-
scheidungen der Gerichte waren immer sehr eindeutig,
weil der Schutzauftrag des Staates höher als die vielen
Einzelinteressen anzusetzen ist, die im Gesundheitswe-
sen stärker als in anderen Bereichen unseres Gemeinwe-
sens ausgeprägt sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ab-
schließend noch etwas zu den Bedenken und Interessen
sagen, die die Länder und Regionen artikuliert haben. Es
ist klar: Spätestens seit der Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts zum Risikostrukturausgleich ist die
gesetzliche Krankenversicherung eine Solidargemein-
schaft, wie das bereits seit 1989 auch in § 1 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch formuliert ist. Deswegen ist
Solidarität nicht teilbar.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Was für ein
Satz!)
Bei der Neuordnung und Finanzierung der gesetzli-
chen Krankenversicherung mittels des Gesundheits-
fonds ab 2009, der zu mehr Gerechtigkeit und Solidari-
tät führt, werden wir auch darauf achten, dass keines der
Länder eine überproportionale Belastung für seine Ver-
sicherten tragen muss. Wir wollen den Fonds; denn
durch ihn wird das Geld der Versicherten unabhängig
vom Einkommen gebündelt. Eine Krankenkasse hat
nämlich überhaupt keinen Einfluss darauf, ob sie in Re-
gionen tätig ist, in denen viele Menschen mit einem
niedrigen Einkommen leben, und ob ihr viele kranke
Versicherte angehören. Deshalb werden wir das Geld
über den Fonds zusammenführen, die Einkommen zu
100 Prozent ausgleichen und mit der Einführung des
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs dafür
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orgen, dass an die Krankenkassen, bei denen viele
ranke Menschen versichert sind, mehr Geld fließt als an
ie Krankenkassen, bei denen mehr gesunde Menschen
ersichert sind. Gleichzeitig geben wir den Kassen mehr
öglichkeiten an die Hand, die Versorgung über Rabatt-,
engen- und Preisverhandlungen sowie mit Qualitäts-
ereinbarungen und neuen Tarifen besser und wirtschaft-
icher zu organisieren.
Die Belange der neuen Länder sind in diesem Gesetz
esonders stark berücksichtigt. Sie sind eindeutig die
ewinner eines vollständigen Finanzkraftausgleichs,
nd aufgrund der Bevölkerungsstruktur profitieren sie
uch von dem neuen morbiditätsorientierten Risiko-
trukturausgleich.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage
er Kollegin Bunge?
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Frau Bunge.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Frau Ministerin, Sie haben eben die Umverteilungs-
irkungen des Fonds und bestimmte Vorteile für die
euen Bundesländer dargestellt, zu denen es zugegebe-
ermaßen kommen kann. Sie sagen, das Grundkonstrukt
es Fonds werde nicht zu Mehrbelastungen für die Ver-
icherten führen. Sie selbst haben aber diesen Fonds so
ngelegt, dass im Jahr 2010 nur noch 95 Prozent der
usgaben daraus gedeckt werden sollen. Wie kann das
eld, das im Fonds gebündelt wird und dann nur
5 Prozent der Ausgaben decken soll, zur Entlastung
der wenigstens zur Beibehaltung des Status quo von
ersicherten dienen? Schließlich haben die Krankenkas-
en auch andere Einnahmeausfälle zu verzeichnen, bei-
pielsweise dadurch, dass Sondertarife vereinbart wer-
en. Die Ausgaben bestehen zudem fort; auch die
rankenkassen haben Mehrbelastungen zu tragen.
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Frau Kollegin Bunge, ich glaube, Sie sind einem Irr-
um aufgesessen. Denn wenn der Fonds 2009 startet,
erden die Ausgaben zu 100 Prozent daraus gedeckt.
irgends ist schriftlich festgehalten, dass ab 1. Januar
010 nur noch 95 Prozent der Ausgaben gedeckt wer-
en. Das ist auch gegenwärtig nicht der Fall. Denn diese
Prozent würden, bezogen auf die heutigen Ausgaben
er gesetzlichen Krankenversicherung, rund 7,5 Mil-
iarden Euro ausmachen.
Wir setzen auf mehrere Instrumente. Erstens beginnen
ir ab dem kommenden Jahr mit der aufwachsenden und
esicherten Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems,
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das haben Sie
doch gestrichen!)
nd zwar bis zu einer Gesamtsumme von 14 Milliarden
uro. Das entspricht etwa 10 Prozent der heutigen Ge-
amtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.
)
7490 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesministerin Ulla Schmidt
Zweitens hoffen wir, dass die Entwicklung anhält, mehr
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu schaffen,
die sich am Arbeitsmarkt abzeichnet. Es sind immerhin
400 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
entstanden; dabei konnten – was besonders wichtig ist –
rund 200 000 Langzeitarbeitslose in Beschäftigung über-
führt werden. Wir hoffen, dass dieser Trend anhält und bis
2009 weitere Einnahmezuwächse zu verzeichnen sind.
Wir setzen drittens hinsichtlich der in den nächsten
zwei Jahren zu leistenden schwierigen Aufgabe, den
Schuldenabbau tatsächlich abzuschließen, darauf, dass
die einzelnen Kassen eine bessere Finanzbasis haben,
wenn sie 2009 in den Fonds starten.
Viertens sind die Maßnahmen zur Effizienzsteigerung
und mehr Wirtschaftlichkeit und die gesamten Verände-
rungen, die wir in der Organisation der Krankenkassen
auf den Weg bringen, zu nennen, die zu weiteren Einspa-
rungen führen mit dem Ziel, dass jeder Euro zielgenau
für die Versorgung kranker Menschen ausgegeben wird.
Überall da, wo heute noch Ausgaben getätigt werden,
die nicht notwendig sind, wollen wir dies einschränken.
Ich kann Befürchtungen zum Zusatzbeitrag nicht tei-
len. Langfristig gibt es in Bezug auf dessen Höhe schon
dadurch eine Sicherung, dass die Ausgabendeckung
durch den Fonds nie unter 95 Prozent sinken darf. Gege-
benenfalls müssten mehr Steuermittel zur Verfügung ge-
stellt werden oder die Beiträge von Arbeitgebern und
Versicherten gleichermaßen angehoben werden, damit
der Fonds das Gesundheitswesen wieder zu 100 Prozent
finanzieren kann.
Lassen Sie mich noch kurz auf die Frage eingehen,
wie mit der Reform auch für die Ärztinnen und Ärzte
eine bessere Planbarkeit erreicht wird. Wir haben auch
die Maßnahmen zur Honorarreform so weit entbürokra-
tisiert, dass wir 2009 tatsächlich mit ihrer Umsetzung
beginnen können. Vor allem in den neuen Ländern wird
nach der Reform der ärztlichen Vergütung mehr Geld zur
Verfügung stehen. Wir werden die Schritte, die wir bis
2009 durchführen wollen, um der bestehenden oder dro-
henden Unterversorgung durch höhere Arzthonorare zu
begegnen, so organisieren, dass schon in den nächsten
zwei Jahren mehr Geld dafür zur Verfügung steht, um zu
wirklichen Veränderungen zu kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Wir werden die parlamentarische Beratung der zahl-
reichen Änderungsanträge fortsetzen und abschließen.
Wir werden dieses Gesetz auf den Weg bringen. Ich bin
fest davon überzeugt, dass das Gesetz am 1. April in
Kraft treten wird. Was alle in der Diskussion zum Nach-
denken anregen sollte, sind die Interviews, die mittler-
weile von den Vorsitzenden der großen Krankenkassen
gegeben werden. Jenseits der Proteste weisen sie darauf
hin, welche neuen Chancen, besseren Versorgungsmo-
delle und Möglichkeiten für die Krankenkassen ab
1. April bestehen.
Die Krankenkassen können eine gute Versorgung or-
ganisieren und sollten den Ehrgeiz haben, in den nächs-
ten zwei Jahren die Voraussetzungen zu schaffen, gut
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orbereitet in die neue Finanzierung einzusteigen. Ich
laube, hier sollten wir unterstützen und Druck machen.
ür die kranken Menschen ist dies das Beste.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist nun der Kollege Heinz
anfermann für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Heinz Lanfermann (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Die Frau Ministerin hat versucht, das Thema der
erfassungswidrigkeit ein bisschen an die Seite zu
chieben. Ich will aber gern darauf eingehen, nicht nur
eil im Rechtsausschuss heute Morgen darüber gespro-
hen wurde, sondern auch weil wir die bemerkenswerte
ußerung von Kollegen Bosbach und anderen gehört ha-
en, dass hier doch erhebliche Bedenken bestehen. Tat-
ächlich laufen eher diejenigen, die sich hinter die Stel-
ungnahme von BMJ und BMI stellen, Gefahr, ihren
uristischen Ruf zu beschädigen; denn diese Stellung-
ahme zeigt ganz deutlich, dass gewisse Prüfungen, die
nbedingt notwendig gewesen wären, nicht stattgefun-
en haben.
(Beifall bei der FDP)
Schon auf Seite 2 dieser Stellungnahme wird zum
asistarif ausgeführt, er sei angemessen und den Unter-
ehmen zumutbar. Zur Begründung: Ihnen verblieben
oraussichtlich angemessene Verdienstmöglichkeiten.
llerdings lägen belastbare Zahlen, die deutlich mach-
en, wie sich der Kontrahierungszwang letztlich exakt
uswirken werde, nicht vor. „Voraussichtlich“ und „Zah-
en liegen nicht vor“: Das ist das Eingeständnis, das die
eamten aus den beteiligten Häusern schon am
3. Dezember 2006 im Gesundheitsausschuss machen
ussten. Auf meine mehrfachen und eindringlichen Fra-
en, von welchen Daten und Zahlen sie denn bei der
rüfung der Verhältnismäßigkeit ausgegangen sind – da-
um geht es bei der Belastung der Bestandsversicherten,
er Altkunden, die zur Quersubventionierung des Basis-
arifs höhere Beiträge zahlen werden –, wurde keine
ntwort gegeben bzw. konnte keine gegeben werden.
Die Vertreterin des Justizministeriums hat ausdrück-
ich betont, dass sie, also das Haus, nur den verfassungs-
echtlichen Rahmen darstellen könne; sie arbeiteten
icht mit Zahlen; das machten die Fachministerien.
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das sehen wir
ja!)
ie Fachministerien machen es offensichtlich nicht;
enn als das Fachministerium im Gesundheitsausschuss
anach gefragt wurde, wie viele Altversicherte, freiwil-
ig gesetzlich Versicherte und Neukunden voraussicht-
ich in den Basistarif wechseln, bekam man keine Ant-
ort. Vielmehr bekommt man nur Plattitüden zu hören,
nsbesondere von Frau Caspers-Merk.
(Beifall bei der FDP)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7491
(A) )
(B) )
Heinz Lanfermann
Sie sagte, Prognosen seien immer ungewiss und man
müsse die Entwicklung abwarten. Am tollsten wird es
dann, wenn man nachfragt, wie es sich finanziell aus-
wirkt. Dann heißt es nur: Das wissen wir nicht. – Aber
das muss die private Krankenversicherung, die PKV,
wissen. Sie muss ausrechnen können, welche Folgen
dieses Gesetz hat. Das erinnert mich an die Wildwest-
filme. Dort wird nicht gleich geschossen, sondern dem
Opfer zuerst der Spaten in die Hand gedrückt. Das ist der
Unterschied.
(Beifall bei der FDP – Annette Widmann-
Mauz [CDU/CSU]: Tiefe Schublade! Das Ni-
veau war auch schon besser!)
Diese Stellungnahme der Ministerien geht – nehmen
insbesondere Sie von der Union bitte Folgendes zur
Kenntnis; das habe ich irgendwo in den Untiefen von
Kopien gefunden – von bestimmten, vom Fachressort
übermittelten Sachverhalten und Annahmen aus, bei de-
ren Eintreten der Gesetzentwurf als verfassungskonform
bewertet werden kann. Dieser Satz fehlt leider in dem
Schreiben der beiden Staatssekretäre. Aber er hätte sich
auch dort sehr schön gemacht.
Das Gesundheitsministerium hat nichts geliefert. Die
Verfassungsressorts haben im luftleeren Raum geprüft.
Es fällt mir schwer, angesichts dessen das Wort „ge-
prüft“ in den Mund zu nehmen. Denn eines ist klar: So-
wohl der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit als
auch der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
der Versicherten sind dann verfassungswidrig, wenn die
Beiträge so stark steigen, dass die Steigerung nicht mehr
zumutbar ist. Die Zumutbarkeit kann man aber nur mes-
sen, wenn man einen Prozentsatz angibt, ab dem es un-
zumutbar wird. Irgendwo muss eine Grenze sein. Wenn
ich aber keine Zahl habe, dann kann ich auch keine
Grenze feststellen. Das ist die Art, wie hier Gesetze ge-
macht werden. Wenn sich dann Verfassungsressorts dazu
hergeben, den Stempel „verfassungsgemäß“ aufzudrü-
cken, dann braucht man sich über Reaktionen aus allen
Fraktionen, in denen es noch genügend Abgeordnete
gibt, die nicht einfach die Augen nach dem Motto „Ein-
fach mal durch, und dann sehen wir“ verschließen, nicht
zu wundern. Solange es solche Abgeordnete gibt, haben
wir noch die Hoffnung, dass auf die Verfassung geachtet
wird. Wenn Sie, Frau Schmidt, das nicht tun, dann geht
es Ihnen und den Abgeordneten so, wie es damals den
betreffenden Abgeordneten beim Europäischen Haftbe-
fehl gegangen ist, als sich die Richter in Karlsruhe nur
noch gewundert haben, was sich Abgeordnete alles von
der Regierung vorlegen lassen, ohne die einfachsten
Dinge nachzuprüfen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Jens Spahn für die
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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Jens Spahn (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Die heutige Einbringung des Gesetzentwurfs der
undesregierung, der nach der Behandlung im Bundes-
at zu uns kommt, gibt uns Gelegenheit, in dieser Woche
och einmal die Debatte zu führen, bevor wir dann in der
ächsten Sitzungswoche abschließend über die Gesund-
eitsreform beraten werden. Ich möchte drei Punkte an-
prechen:
Zum Ersten stehen wir, so glaube ich, vor dem Ab-
chluss eines parlamentarischen Verfahrens, das allen
nsprüchen, die an ein solches zu stellen sind, gerecht
ird.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist aber dreist! –
Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Große Leis-
tung!)
ir haben tagelange Anhörungen durchgeführt, um – zu
echt – die Möglichkeit zu geben, konstruktive Kritik
uch von Sachverständigen und Verbänden in das Ver-
ahren einzuspeisen.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie schicken
nachts die Anträge, die man morgens verab-
schieden soll! – Daniel Bahr [Münster] [FDP]:
Wir haben heute Nacht 22 Änderungsanträge
bekommen!)
ir haben viele Sondersitzungen des Gesundheitsaus-
chusses, die gerade auch von den Koalitionsparteien an-
eboten wurden, einberufen, um die Anträge einzubrin-
en und alle Fragen ausführlich zu beraten. Wir haben
das ist das Entscheidende – Änderungsanträge im Rah-
en dieses Gesetzgebungsverfahrens eingebracht – wir
erden das auch bis zum Ende desselben machen –;
enn wir laufen nicht einfach so durch die Welt, sondern
ir stellen uns konstruktiver Kritik, und zwar von allen
eiten, komme sie aus dem Bundesrat oder von den Ver-
änden.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Autosuggestion ist
das, Herr Kollege!)
b gemietete Demonstranten vor dem Reichstag zu kon-
truktiver Kritik beitragen, weiß ich nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD –
Daniel Bahr [Münster] [FDP]: So wie bestellte
Stellungnahmen!)
onstruktive Kritik haben wir aufgegriffen und eingear-
eitet. Dasselbe gilt auch für die Kritik in der öffentli-
hen Diskussion. Wir ringen alle gemeinsam um die
este Lösung. Wir schweben aber nicht im luftleeren
aum, sondern müssen auf die parlamentarischen Mehr-
eiten achten.
Zum Zweiten bleiben natürlich die Ziele, die wir uns
ür dieses Gesetzgebungsverfahren gesetzt haben. Sie
erden auch angegangen. Zunächst die Frage des Wett-
ewerbs im Gesundheitswesen und der Veränderung
on Strukturen. Wir werden erstmals – das ist eigentlich
ine jahrzehntelange Forderung gewesen – das Monopol
er kassenärztlichen Vereinigungen brechen und Wettbe-
erbsstrukturen einführen. Dabei haben wir zum Bei-
7492 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Jens Spahn
spiel bei der wohnortnahen Versorgung die berechtigte
und konstruktive Kritik aufgenommen. Wir kommen
weiterhin zu mehr Wettbewerb bei Hilfsmitteln und im
Bereich des Arzneimittelmarkts. Dort haben wir heute
kartellähnliche Zustände. So zahlt man zum Beispiel für
den Schlauch für einen Rollstuhl, der im Fahrradladen
nur einige Euro kostet, Mondpreise, weil Kartelle dafür
sorgen, dass die Preise hoch sind.
Wir kommen auch zu mehr Wettbewerb in der priva-
ten Krankenversicherung, etwa bei der Portabilität der
Altersrückstellungen. Herr Kollege Lanfermann, wir
nehmen natürlich verfassungsrechtliche Bedenken sehr
ernst und diskutieren sie. Ich kann Ihnen aber auch sa-
gen, dass ich noch nicht viele Gesetzgebungsverfahren
hier im Deutschen Bundestag erlebt habe – das ging hin
bis zur Viehnutzungsverordnung –, bei denen nicht ver-
fassungsrechtliche Bedenken angemeldet wurden und zu
denen nicht zehn Verfassungsrechtler zwölf verschie-
dene Meinungen geäußert haben.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Die waren sich alle
sehr einig!)
Deswegen ist bei einem solchen Gesetzgebungsver-
fahren für uns die Beurteilung der Verfassungsressorts,
des Bundesinnenministeriums und des Bundesjustiz-
ministeriums, maßgebend. Es ist auch nicht so, Herr
Kollege Lanfermann, als ob es keine Präzedenzfälle
gäbe. Wir haben schon heute in der privaten Kranken-
versicherung einen Standardtarif, der natürlich ein Stück
weit in die Vertragsfreiheit eingreift. Wir haben schon
heute Regelungen in der privaten Pflegeversicherung,
die auch in die Vertragsfreiheit eingreifen.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist
es!)
Zur Wahrheit gehört auch: Wir setzen mit dieser Form
des Basistarifs am Ende in weiten Teilen – es gibt nur
wenige Abweichungen – einen Vorschlag um, den der
Verband der privaten Krankenversicherungen selbst vor
zwei oder drei Jahren gemacht hat.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Aber so doch
nicht, wie Sie das jetzt machen!)
Wir stellen uns an diesem Punkt jeder Debatte. Wir be-
grüßen natürlich auch, dass sich der Rechtsausschuss mit
diesen Fragen beschäftigt. Sie müssen uns aber zugeste-
hen, dass wir am Ende einer Debatte im Zweifel zu an-
deren Ergebnissen kommen als Sie, Herr Lanfermann.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Ja, wenn Sie die
Verfassung besser auslegen als der Rechtsaus-
schuss, dann ist das Ihr Problem!)
Zudem wird es mehr Wettbewerb aufseiten der
Krankenkassen geben. Auch da wünsche ich mir manch-
mal, dass die Partei, die sonst immer von Wettbewerb re-
det und ihn in den Mittelpunkt stellt, das einmal kon-
struktiv-kritisch oder positiv anmerkt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden in Zukunft eine Tarifvielfalt haben, was
Selbstbehalttarife angeht, was Kostenerstattungstarife
angeht und was Tarife angeht, die die Erstattung von
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osten für homöopathische Leistungen – das wird im
weifel auch die Grünen freuen – regeln. Natürlich wird
s unübersichtlicher als heute, wo in vielen Bereichen
inheitliche Leistungen angeboten werden. Der Versi-
herte wird mehr Wahlmöglichkeiten haben.
Auch der Fonds ist ein Signal für mehr Wettbewerb.
tellen Sie bei einer Versammlung in Ihrem Wahlkreis
inmal die Frage, wer von denjenigen, die vor Ihnen sit-
en, weiß, wie hoch sein Beitragssatz in der gesetzlichen
rankenversicherung ist: 13,9 Prozent, 14,2 Prozent,
4,5 Prozent oder etwas anderes?
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Es sind mitt-
lerweile 14,8 Prozent! – Heinz Lanfermann
[FDP]: Das steigt wöchentlich!)
ch sage voraus, dass nicht besonders viele ihre Hand he-
en werden. Diejenigen, die ihre Hand heben, müssen
ie einmal fragen, wie viel Euro diesem Beitragssatz
ntsprechen und wie der Unterschied zum Beitragssatz
n anderen Kassen ist. Die Anzahl derjenigen Menschen,
ie wissen, wie viel sie zahlen, wird relativ überschaubar
ein.
Der Zusatzbeitrag – 5 Euro bei der einen Kasse, bei
iner anderen Kasse 8 oder 10 Euro, und wieder eine an-
ere Kasse gewährt vielleicht sogar eine Entlastung um
oder 10 Euro – hat eine klare Signalwirkung; denn die
reise für die Leistungen der Krankenkassen werden
anz unterschiedlich sein. Das wird anders als bisher für
ntsprechende Wechselbewegungen sorgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Außerdem geht es um die Frage der Nachhaltigkeit.
azu sage ich – auch als Vertreter der jüngeren Genera-
ion –: Da hätte ich mir natürlich mehr gewünscht.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Überhaupt etwas
hätten Sie sich schon gewünscht! Das ist ja
nichts!)
ch hätte mir gewünscht, dass wir auch zur Kapitalrück-
age kommen. Zur Wahrheit gehört aber auch, Herr Kol-
ege Lanfermann, dass man, wenn man den ersten Schritt
n Richtung Nachhaltigkeit tun möchte, beachtet: Bevor
an Kapitalrücklagen aufbaut, muss man Verschuldung
bbauen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das war nie er-
laubt!)
Ob es erlaubt war oder nicht, Herr Kollege Bahr, ist ei-
entlich egal; die Schulden sind da. Diese Schulden sind
uch dort gemacht worden, wo die FDP mit an der Re-
ierung ist.
Wir haben für Transparenz im Verschuldungsgesche-
en der Krankenkassen gesorgt. Wir werden auch dafür
orgen, dass es endlich einen einheitlichen Verschul-
ungsbegriff gibt. Bisher gibt es nicht einmal eine klare
efinition dessen, was Verschuldung einer Kranken-
asse ist. Wir werden die über 10 Milliarden Euro an
icht zurückgestellten Pensionsverpflichtungen – es ist
gal, warum dieses Geld nicht zurückgestellt wurde,
err Kollege Spieth; es wurde nicht zurückgestellt – für
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7493
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Jens Spahn
sogenannte DO-Angestellte bei den Krankenkassen he-
ben. Daher wird dieser Gesetzentwurf zwar nicht voll-
umfänglich, aber doch in wichtigen Schritten dem Prin-
zip der Nachhaltigkeit – dem Abbau von Verschuldung,
die mit diesem System verbunden ist – gerecht. Ich
finde, auch das muss an dieser Stelle einmal anerkannt
werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD – Daniel Bahr [Münster]
[FDP]: Homöopathische Dosierungen!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, insofern
wünsche ich mir von den Oppositionsfraktionen, die von
ganz unterschiedlichen Standpunkten ausgehen, manch-
mal weniger grobkeiliges Draufhauen in Überschriften.
Manchmal wäre etwas mehr konstruktive Kritik – sie ist
immer angebracht – sinnvoll, durch die die guten An-
sätze in diesem Reformprojekt gewürdigt werden.
Wir sind uns bewusst, dass wir natürlich nicht alle
Probleme des Systems lösen. Zur Wahrheit gehört auch
– an der einen oder anderen Stelle wünsche ich mir
manchmal eine ehrlichere Debatte –, dass wir viele Pro-
bleme, was verkrustete Strukturen, was die Herausforde-
rung, die von mehr Wettbewerb ausgeht, und was die
Verschuldungssituation der Krankenkassen betrifft, an-
gehen. Daher verdient dieser Gesetzentwurf in der
nächsten Sitzungswoche unser aller Unterstützung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich nun
der Kollegin Dr. Bunge.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Herr Spahn, Sie haben an mehreren
Stellen dargelegt, dass die Koalition auf die Anhörun-
gen, die Kritiken, die Hinweise und die Vorschläge re-
agiert hat, dass Änderungsanträge gestellt worden sind
und dass die Koalition nicht blind ist. Das ist für mich
als Ausschussvorsitzende – wir haben 26 Stunden zu-
sammengesessen – ein schönes Ergebnis. Auch Sie kön-
nen zuhören und Konsequenzen ziehen.
Der Charakter eines Großteils der Änderungsanträge
macht mir aber Sorgen. Es sind sehr viele wünschens-
werte Leistungsverbesserungen vorgesehen; die Kosten
sind aber unkalkulierbar. Kollege Lanfermann hat so
eben dargelegt, dass im Ausschuss keine Aussagen dazu
gemacht werden konnten, wie die finanziellen Kon-
sequenzen aussehen. Es sind Änderungen vorgesehen
– zum Beispiel bei der Palliativmedizin und bei den
Mutter-Kind-Kuren –, die nicht hinreichend untersetzt
sind.
Zudem sehen Sie in Ihren Änderungsanträgen unge-
deckte Wechsel vor. Es sind Zuschläge vorgesehen, um
die Versorgung in unterversorgten Gebieten zu verbes-
sern; es werden aber keine Regelungen im Hinblick auf
Abschläge für überversorgte getroffen. Hier wird die
Beitragssatzstabilität aufgehoben. Welche Konsequen-
zen hat das?
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Es entstehen neuerlich Verschiebebahnhöfe. Es ist
ehr gut, dass diejenigen, die in Werkstätten für Behin-
erte beschäftigt sind, nicht mit Zusatzbeiträgen belastet
erden; die Belastungen werden aber auf die Werkstät-
en und damit auf Dritte verschoben.
Ich denke, so kann man nicht mit guten Vorschlägen
nd ihren finanziellen Konsequenzen umgehen. Sie han-
eln nach meiner Meinung politisch nicht verantwort-
ich.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Spahn, bitte sehr.
Jens Spahn (CDU/CSU):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
unge, ich bin dankbar, dass Sie mir Gelegenheit geben,
och einmal darauf hinzuweisen, dass wir mit dieser Re-
orm auch zusätzliche Leistungen für die Versicherten
rmöglichen. Anders als bei vergangenen Reformen
erden die Versicherten bei dieser Reform nicht durch
usgliederungen oder durch die Einführung einer Pra-
isgebühr zusätzlich belastet. Wir werden empfohlene
mpfungen zu Pflichtleistungen machen. Damit stärken
ir den präventiven Charakter des Gesundheitswesens.
atürlich ist das Ziel, dadurch mittel- und langfristig
osten zu sparen. Die Kosten werden sinken, wenn die
mpfrate in Deutschland höher als heute sein wird.
Das Gleiche gilt für Rehamaßnahmen: Der Sinn von
ehamaßnahmen, gerade auch von geriatrischer Reha
wir wollen sie mit Blick auf die Pflegeversicherung
tärken –, ist, die Alltagsfähigkeit und die Gesundheit
er betroffenen Menschen zu stärken, damit sie auf
auer gesünder als ohne eine solche Rehamaßnahme
ind. Insofern werden kurzfristigen Ausgaben mittel-
nd langfristige Einsparungen gegenüberstehen.
Ich habe es so verstanden, dass eigentlich alle im
eutschen Bundestag zusätzliche Leistungen bei der
terbebegleitung und im Bereich der Hospize ermögli-
hen wollen. Es ist überhaupt keine Frage, dass das zu
usätzlichen Ausgaben führt. Ich denke aber, gerade die
etzten Monate eines Menschen und ein Sterben in
ürde sollten uns diese Millionen Euros wert sein.
Nun zur Frage der ungedeckten Schecks. Wenn ich
ir von einer Fraktion hier im Deutschen Bundestag
icht vorwerfen lasse, ungedeckte Schecks auszustellen,
ann ist das ja wohl Ihre Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
ch muss nur an die Anträge denken, die Sie so munter
tellen: Wir sollen mehr Steuergeld ins System schieben;
ie geben uns aber nicht einen Hinweis darauf, wo die
ielen Milliarden Euros, die Sie so gerne hätten, her-
ommen sollen.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ver-
mögensteuer! Umsatzsteuer!)
ie bringen munter Anträge ein, die sich mit der Frage
eschäftigen, wie wir mit den Einnahmen aus der Mehr-
7494 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
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Jens Spahn
wertsteuer umgehen sollen. Im Zweifelsfall sollen mög-
lichst alle Leistungen für alle in diesem Land umsonst
erbracht werden. Dabei erwähnen Sie mit keinem Satz
nachvollziehbare und umsetzbare Vorschläge – wir wis-
sen, dass Sie immer nur Parolen und Überschriften parat
haben –, wie die Ausgaben gedeckt werden können.
(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ich schicke
Ihnen ein Konzept!)
Bei aller Kritik, die ich mir gefallen lasse: Von Ihrer
Fraktion lasse ich mir ungedeckte Schecks nicht vorwer-
fen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat das Wort der Kollege Frank Spieth für die
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
von ungedeckten Schecks die Rede ist und gerade unse-
rer Fraktion vorgehalten wird, nur mit Mondbegriffen zu
arbeiten und keine konkreten Vorstellungen zu haben
(Beifall des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
– Herr Spahn, Sie klatschen zu früh –,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es passte gerade!)
kann ich zwei Positionen dagegensetzen: Wir brauchen
nur englische Verhältnisse
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Oh Gott!)
im Bereich der Börsenumsatzsteuer. Wir hätten jährlich
30 Milliarden Euro Mehreinnahmen, wenn hier die glei-
chen Kriterien gelten würden.
(Beifall bei der LINKEN)
Würden wir die Vermögensteuer nur auf dem Niveau er-
heben, wie das in den USA der Fall ist, hätten wir
20 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Wir könnten damit
locker wesentliche Teile der sozialen Sicherungssysteme
finanzieren. Das gehört zu unseren Vorschlägen, den
Vorschlägen der Linken.
(Beifall bei der LINKEN)
Das wollen Sie nur nicht wahrhaben. Ihnen ist die Ideo-
logie wichtiger als die Bewertung vernünftiger und
phantasievoller Vorschläge.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jens
Spahn [CDU/CSU]: Freibier für alle! – Jörg
Tauss [SPD]: Amerikanische Verhältnisse! –
Weitere Zurufe)
– An der Stelle könnte man in der Tat, Herr Kollege,
über amerikanische Verhältnisse reden. Vom Mutterland
des Kapitalismus kann man gelegentlich lernen. Viel-
leicht lernen auch frühere Sozialdemokraten noch etwas.
(Beifall bei der LINKEN)
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Zum eigentlichen Anliegen. Ich bin sehr erfreut da-
über, dass wir heute im Bundestag und damit auch für
ie Öffentlichkeit eine Debatte zum Entwurf des GKV-
SG, also dem Entwurf eines GKV-Wettbewerbsstär-
ungsgesetzes, führen können. Das war nicht gewollt.
ir als Opposition mussten erst eine Aktuelle Stunde
ndrohen, damit die Überweisung heute mit Debatte be-
chlossen wird und nicht einfach wie ein Schlafwagen-
xpress durchgewunken wird.
(Beifall bei der LINKEN)
o viel als Beleg dafür, wie offen und wie konstruktiv
ier miteinander diskutiert wird.
Ich denke schon, dass die Menschen einen Anspruch
arauf haben, zu erfahren, wie es mit ihrer Gesundheits-
icherung in Zukunft in Deutschland weitergeht. Die
enschen wollen eine solidarische und soziale Kran-
enversicherung. Auch nach den Anhörungen, auch
ach den Änderungsanträgen, auch nach dem Beschluss
ur Pflichtversicherung
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Pflicht
zur Versicherung!)
nd nach einigen strukturellen Verbesserungen, die Sie
ornehmen, werden die grundsätzlichen Probleme der
inanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im
esetzentwurf nicht gelöst. Die grundsätzlichen Pro-
leme der Finanzierung aus Arbeit, Rente und Arbeits-
osenbeiträgen bleiben. Es bleibt bei der Beitragsbemes-
ungsgrenze. Es bleibt bei der Finanzierung der
esetzlichen Krankenversicherung und deren Aufgaben
us dem Kreis derer, die geringe Einkommen haben. Die
utverdienenden, die Privilegierten in der Gesellschaft
leiben außen vor.
(Beifall der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE
LINKE])
m die Privatversicherungen werden Naturschutzparks
rrichtet. Das ist doch die Realität. Alles andere, was ge-
agt wird, ist Augenwischerei.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Gu-
cken Sie einmal in den Spiegel! Was machen
Sie gerade?)
Vier von fünf Bundesbürgern begreifen nicht, was die
undesregierung mit diesem Gesetz eigentlich erreichen
ill. Die Hälfte ist der Auffassung, dass sich ihre Situa-
ion nach der Gesundheitsreform 2004 verschlechtert
at. 95 Prozent sind der Auffassung, dass die Gesund-
eitskosten in den nächsten Jahren steigen werden. Das
st das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Befragung.
Dies kann angesichts der Erfahrungen, die die Men-
chen in den zurückliegenden Jahren gemacht haben,
icht verwundern. Es sei einmal erinnert an die Eintritts-
ebühr von 10 Euro beim Arztbesuch, an das Kranken-
austagegeld von bis zu 240 Euro im Jahr, daran, dass
ie Patienten mit erheblichen Zuzahlungen bei Medika-
enten – zwischen 5 und 10 Euro – zu rechnen haben
nd dass wir Anfang dieses Jahres die größte flächende-
kende Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen Kran-
enversicherung in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7495
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Frank Spieth
Deutschland erleben. Das alles ist doch kein Beleg dafür,
dass es in diesem Land gegenwärtig solidarisch und ge-
recht zugeht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir erreichen im Gegenteil mit Ihrem Gesetzentwurf
in jedem Fall eine weitere Zementierung der Zweiklas-
senmedizin in Deutschland. Das sagen viele Fachleute.
Das sagen auch viele Betroffene. Ich habe vor kurzem
mit einer Frau in Gera gesprochen, die seit langem ar-
beitslos ist, einen Hirntumor hatte und nach ihrer Akut-
behandlung im Krankenhaus wochenlang suchen
musste, bis sie einen neurologischen Facharzt gefunden
hat, der sie überhaupt als Patientin aufgenommen hat.
(Elke Ferner [SPD]: Das wird jetzt anders!)
Ich habe erlebt, dass dies bei Krebspatienten passiert.
Genau diese Probleme
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Die
packen wir an, ja!)
lösen Sie in den unterversorgten Gebieten nicht.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]:
Doch!)
Sie führen Liberalisierungen ein, die die Probleme nur in
den überversorgten Regionen mildern werden. Aber in
den unterversorgten Gebieten wird mit Sicherheit nichts
geändert werden.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das
Gegenteil ist der Fall!)
Sie haben eben nicht die Grundprobleme angepackt,
sondern sich als sozialdemokratische Bundestagsfrak-
tion von der Einführung der Bürgerversicherung verab-
schiedet;
(Elke Ferner [SPD]: Unsinn!)
jetzt tun Sie so, als sei mit dem, was den Menschen mit
diesem GKV-WSG offeriert wird, tatsächlich ein genia-
ler Fortschritt gelungen. Nein, im Grunde genommen hat
sich die CDU/CSU mit ihren Positionen durchgesetzt,
und zwar eins zu eins.
(Elke Ferner [SPD]: So ein Unsinn!)
Ich kann ja verstehen, dass Herr Müntefering nach der
Bundestagswahl nicht mehr gern an die Versprechungen
vor dieser Wahl erinnert wird. Sie hatten Ihren Wählerin-
nen und Wählern versprochen, eine Bürgerinnen- und
Bürgerversicherung einzuführen; genau diese bekom-
men die Menschen jetzt nicht. Es bleibt bei der Belas-
tung der Kranken, der Arbeitslosen, der Einkommens-
schwachen in dieser Gesellschaft. Die Privilegierten
lassen Sie außen vor. Das wäre mit einer Bürgerversi-
cherung anders.
Es gibt Berechnungen – sie stammen übrigens von ei-
nem sozialdemokratischen Gesundheitsexperten –
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Von
Lauterbach?)
auf der Basis des Jahres 2002 – nein, nicht von Herrn
Lauterbach; sie sind noch wesentlich solider – ,
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(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
ie davon ausgehen, dass man, wenn nicht nur die Ar-
eitseinkommen und Renten sowie die Arbeitslosenbei-
räge zur Finanzierung herangezogen würden, sondern
uch Kapital- und Vermögenseinkünfte, eine Bürgerver-
icherung zu einem Beitragssatz von 10 Prozent realisie-
en könnte, inklusive des medizinischen Fortschritts. Mit
em, was Sie uns in den letzten Monaten beschert haben
Erhöhung der Mehrwertsteuer, Senkung der Zuschüsse
n die Krankenkassen für Mutterschaftsleistungen – , ha-
en Sie dazu beigetragen, dass die Beiträge zur Kran-
enversicherung im Durchschnitt bereits bei über
5 Prozent liegen und wir uns mit der Reform in Rich-
ung der Marke von 16 Prozent bewegen.
Meine Damen und Herren, machen Sie Schluss mit
iesem Unsinn! Dieses Gesetz nutzt nicht den Menschen
n diesem Land; es nutzt, wenn überhaupt, nur der gro-
en Koalition um ihrer selbst willen. Das sollten wir den
ürgern dieses Landes ersparen.
(Beifall bei der LINKEN – Daniel Bahr
[Münster] [FDP]: Welcher Ökonom war das
jetzt?)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun erteile ich der Kollegin Birgitt Bender für die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am
onntagabend hat es sich gelohnt, ins Fernsehen zu
chauen: Dort war zu sehen, wie der oberste Vertreter
es Verbandes der privaten Krankenversicherung bei
wei führenden Gesundheitspolitikern der Union einlief.
ine Stunde später, vor der abschließenden Verhand-
ungsrunde der Koalition, verließ er das Büro wieder.
un ist es als solches nichts Ehrenrühriges, wenn man
ontakt zu Lobbyisten hat, aber in diesem Fall hat es an-
esichts dessen, was nach der Verhandlungsrunde he-
auskam, durchaus ein Geschmäckle: Die PKV hatte
ich auf ganzer Linie durchgesetzt. Na, so etwas aber
uch!
Die Union ist hier umstandslos zur Schutzheiligen der
KV geworden. Vorher schon waren in dem, was als so-
enannte Gesundheitsreform auf dem Tisch lag, äußerst
eringe Anforderungen an die Solidarbereitschaft wie
uch an die Innovationsfähigkeit der privaten Kranken-
ersicherungen enthalten. Dies wurde jetzt noch einmal
uf ein bisschen Basistarif zurechtgestutzt.
Was denkt sich eigentlich die Union dabei, wenn sie
as bisherige Geschäftsmodell der PKV in dieser Weise
erteidigt? Ich gestehe Ihnen zu, dass es politisch grund-
ätzlich legitim ist, für gute Rahmenbedingungen be-
timmter Wirtschaftsbereiche zu kämpfen; aber ich halte
ies dann nicht mehr für akzeptabel, wenn das Ganze auf
osten der Versicherten geht. Ihr Vorgehen führt dazu,
ass es noch weniger Wettbewerb und keine Erweite-
ung der Solidarität geben wird. Das geht auf Kosten der
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7496 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
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Birgitt Bender
Versicherten. Dafür trägt die Union in diesem Land die
Verantwortung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Ministerpräsidenten haben das Ganze noch ein-
mal verschlimmert. Sobald es um die Interessen be-
stimmter Leistungserbringer im Gesundheitswesen ging,
beispielsweise der Apotheker, war Verlass darauf, dass
die CDU-Ministerpräsidenten die Anforderungen aus
dem Gesetzentwurf erneut reduzieren. Manchmal wun-
dert man sich wirklich, dass die FDP in dieser Regierung
nicht vertreten ist.
Aber damit es hier nicht zu gemütlich wird, meine
Damen und Herren: Wir sehen es mitnichten so, dass
sich die SPD für eine gute Reform großartig geschlagen
hätte.
Wir erleben hier viel Getöse – die Ministerin hat es
vorhin wieder vorgeführt – um die Einführung einer
Versicherungspflicht, die angeblich eine gesundheits-
politische Großtat sei.
(Iris Gleicke [SPD]: Wollen Sie das etwa be-
streiten?)
Die Einführung einer Versicherungspflicht ist kein Wert
an sich. Es kommt doch darauf an, was dahinter steht.
Versicherungspflicht, so wie Sie sie jetzt verstehen, be-
deutet doch eben nicht, dass alle Bürgerinnen und Bür-
ger am Solidarausgleich beteiligt werden. Nein, es bleibt
dabei: Die Besserverdienenden und die Gesunden wer-
den eben nicht einbezogen – nicht mit ihren Einkom-
men, nicht mit ihrer Bereitschaft, sich am Solidaraus-
gleich zwischen Gesunden und Kranken zu beteiligen.
Das einzige, was wir bekommen werden, ist ein Rück-
kehrrecht in die PKV für diejenigen, die einmal aus der
PKV herausgeworfen worden sind.
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Weil sie die
Beiträge nicht bezahlt haben?)
Das, meine Damen und Herren, ist überfällig. Das ist
aber noch lange nicht der Weg zur Bürgerversicherung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wofür steht eigentlich die SPD? Es glaubt doch nie-
mand, dass wirklich die ganze Fraktion aus glühenden
Verfechtern der Bürgerversicherung besteht. Gewiss hört
man, dass es in ihren Debatten laut wird.
(Zurufe von der SPD: Was?)
Das ist auch ein Hinweis darauf, welche Kontroversen es
gibt. Auf die SPD-Ministerpräsidenten ist im Übrigen
auch Verlass, wenn es wieder einmal darum geht, die
Anforderungen an Wettbewerb, an Apotheker et altera
zu reduzieren. Das fällt nur deswegen weniger auf als
bei der Union, weil es inzwischen nur noch wenige SPD-
Ministerpräsidenten gibt.
Was bleibt von allem? Die Koalition versucht auf Bie-
gen und Brechen, irgendeine Reform durchzuziehen, da-
mit sie überhaupt etwas getan hat. Damit das funktio-
niert, reduziert man erst einmal den Ärgerpegel mit den
Lobbyisten: Man verspricht den Apothekern, das sei al-
les nicht so gemeint gewesen; den Ärzten verspricht
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an: Aber klar gibt es mehr Geld für alle, nicht nur für
iejenigen in den unterversorgten Gebieten, und die An-
orderungen an die PKV werden noch mehr gestutzt.
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat darüber in der letz-
en Woche geschrieben, indem sie an die Erzählung „Der
lte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway erin-
erte. Sie werden sich erinnern:
(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben es gele-
sen!)
a fährt ein Fischer hinaus aufs Meer, fängt einen gro-
en Fisch, und bei dem Versuch, den Fisch mit dem Boot
n den Hafen zu schleppen, bleiben am Ende, weil die
aie zubeißen, nur noch die Gräten übrig. Auch hier ha-
en die Haie zugebissen: Von den großen Zielen der Ko-
lition – da hieß es, die Gesundheitsreform werde nach-
altiger, gerechter und verlässlicher, man würde für
ehr Wettbewerb sorgen usw. – ist immer weniger übrig
eblieben, mit dem Unterschied allerdings, dass der
isch, den Sie auf den Tisch gelegt hatten, von vornhe-
ein nicht genießbar war.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nun will uns diese Regierung, diese Koalition aber
wingen, diese Gräten zu schlucken. Da kann ich nur
ünschen, dass sie sich im politischen Sinne an den Grä-
en verschlucken möge.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Zuruf von der CDU/CSU: Das neue Jahr fängt
gut an mit solchen Wünschen!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Elke Ferner für
ie SPD-Fraktion.
Elke Ferner (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
rau Bender hat eben gemeint, die Versicherungs-
flicht wäre nicht der große Wurf, wäre nicht das, was
an unbedingt brauche. Ich glaube, Sie haben die Eini-
ung, die wir jetzt erzielt haben, nicht richtig verstanden
vielleicht auch, weil Sie sie noch nicht schriftlich vor
ich liegen haben. Es geht nicht darum, alle zu verpflich-
en, in ein System hineinzugehen. Es geht darum, dass
eder und jede in dieser Republik in Zukunft Versiche-
ungsschutz hat und diesen auch zu bezahlbaren Kondi-
ionen erlangen kann.
(Iris Gleicke [SPD]: Das ist ein Wert an sich!)
ie Möglichkeit, einen Versicherungsschutz zu haben,
ützt nichts, wenn man ihn nicht bezahlen kann; das ist
er Status, den wir heute haben.
Im Übrigen wird die gesetzliche Krankenversiche-
ung genauso wie die private Krankenversicherung dazu
erpflichtet, all diejenigen wieder aufzunehmen, die
eute nicht versichert sind, aber zu dem jeweiligen Sys-
em gehören. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es
eute auch eine erkleckliche Anzahl von vormals gesetz-
ich Versicherten gibt, die wegen Altersgrenzen oder an-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7497
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Elke Ferner
derer Restriktionen, obwohl sie ihr Leben lang in der So-
lidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung
waren und bezahlt haben, heute nicht mehr in die gesetz-
liche Krankenversicherung hineinkommen. Das wird
sich ab dem 1. April 2007 ändern. Alle, die in der ge-
setzlichen Krankenversicherung waren und zu diesem
System gehören, heute aber nicht mehr versichert sind,
haben einen Anspruch, aber auch eine Verpflichtung,
sich wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung zu
versichern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Weiterhin besteht ab dem 1. Januar 2009 für alle Bür-
gerinnen und Bürger eine Versicherungspflicht.
Für ehemals Privatversicherte besteht schon ein hal-
bes Jahr früher als im Gesetzentwurf vorgesehen, näm-
lich ab 1. Juli dieses Jahres, die Möglichkeit, sich im
Standardtarif zu versichern, ohne dass das Risiko geprüft
wird und Risikozuschläge erhoben werden, sodass sie
ihn auch bezahlen können. Die Bezahlbarkeitsregelun-
gen werden denen für den vorgesehenen Basistarif ent-
sprechen. Die privaten Krankenversicherungsunterneh-
men müssen darüber hinaus dafür geradestehen, dass die
Behandlungen der Versicherten sichergestellt werden.
Heute haben wir ja leider die Situation, dass Menschen
zwar monatlich treu und brav die Versicherungsprämie
für den Standardtarif bezahlen, aber sich zumindest ei-
nige Gruppen von Ärztinnen und Ärzte weigern, die ent-
sprechenden Patientinnen und Patienten zu behandeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Nun komme ich zu Herrn Lanfermann, der diesbezüg-
lich verfassungsrechtliche Bedenken äußerte. Es gibt
eine, wie ich finde, exzellente Expertise vom Innenmi-
nisterium und vom Justizministerium des Bundes, in der
wirklich auf alle Fragen eine Antwort gegeben wird.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wie beim
Luftsicherheitsgesetz?)
– Ich freue mich ja, dass zu den Zeiten, Herr
Westerwelle, als Sie mit in der Regierung waren, kein
einziges Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht ge-
landet ist und kein einziges Gesetz vom Bundesverfas-
sungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das Problem
ist: Ich war noch gar nicht in der Regierung!)
Ich erinnere mich insbesondere an Gesetze, die die Fa-
milienförderung betrafen. Zu Ihrer Regierungszeit galt
das Motto: Same procedure as every year. Ich würde
mich da ein Stück weit zurückhalten.
Der Punkt ist doch, dass die privaten Krankenversi-
cherer bereits selbst einmal einen Basistarif ins Ge-
spräch gebracht haben. Die gesetzliche Krankenversi-
cherung ist heute ja verpflichtet, alle aufzunehmen, auch
die, die krank sind – es war bisher ein Privileg aus-
schließlich der privaten Krankenversicherung, nur die
Gesunden und nicht die Kranken zu versichern – , und
muss mit einem Beitragssatz, der im Durchschnitt deut-
lich niedriger liegt als die Prämie, die nachher für den
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asistarif bezahlt werden muss, die Behandlung sicher-
tellen. Ich frage mich, wieso die private Krankenversi-
herung, die nach Ihrer Auffassung so gut ist und alles
o blendend macht, plötzlich in wirtschaftliche Schwie-
igkeiten geraten soll, wenn auch für sie entsprechende
egelungen kommen? Das kann ich nicht nachvollzie-
en. Die diesbezüglichen Rechnungen der privaten
rankenversicherung, die ja auch mit der durchgeführ-
en Briefaktion nicht unbedingt gerade an Seriosität zu-
elegt hat, erschließen sich mir nicht
(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann
[FDP]: Da fängt das Problem an, dass Sie
manches nicht verstehen!)
Ich möchte auch noch einmal auf die Aussage von
rau Bender zurückkommen, wir seien vor den Lobbyis-
en eingeknickt. Ich will es am Arzneimittelbereich
eutlich machen, dass das nicht der Fall ist. Im Gesetz-
ntwurf steht, dass die Kassen einzelne Arzneimittel
der Wirkstoffe ausschreiben können und dann mit dem
ersteller Verträge abschließen können, der diese am
ünstigsten anbietet. Das bleibt so, wie es im Gesetzent-
urf vorgesehen ist.
Darüber hinaus hatten wir gesagt, es wäre gut,
öchstpreise statt Festpreise vorzuschreiben, damit auch
potheken mit den Herstellern verhandeln können.
emgegenüber wurden in der Anhörung Bedenken ge-
ußert; wie ich hörte, nicht nur von den Apothekern. Wir
aben diese aufgegriffen und auf die Eröffnung der Ver-
andlungsmöglichkeiten für Apotheker und das Aufbrin-
en einer einmaligen Ausfallbürgschaft in Höhe von
00 Millionen Euro verzichtet. Stattdessen wird der Ra-
att, den die Apotheken den Krankenkassen gewähren,
auerhaft von 2 Euro auf 2,30 Euro erhöht. Das entlastet
ie Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung jedes
ahr um 150 Millionen Euro bzw. bedeutet jedes Jahr
50 Millionen Euro weniger an Ausgaben.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Lötzsch?
Elke Ferner (SPD):
Gerne.
(Zuruf von der CDU: Ist heute Zwischenfrag-
tag oder was?)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich hatte mich an der
telle gemeldet, Frau Kollegin Ferner, als Sie sich zu
echt sehr kritisch mit den Aussagen der FDP zu den pri-
aten Krankenkassen auseinandergesetzt haben. Vor die-
em Hintergrund frage ich Sie: Warum haben Sie der Re-
elung zugestimmt, dass bei einem Wechsel aus der
rivaten Krankenversicherung zur gesetzlichen Kranken-
ersicherung künftig sämtliche Altersrückstellungen
ei den Konzernen der privaten Krankenversicherungen
erbleiben können, sodass der gesetzlichen Krankenver-
icherung Milliarden entgehen? Dass Sie dem zuge-
timmt haben, steht doch im Widerspruch erstens zur
7498 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Dr. Gesine Lötzsch
Programmatik Ihrer Partei – darüber wollen wir jetzt
nicht diskutieren – und zweitens zu der Argumentation,
der Sie sich gerade in Ihrer Rede bedient haben.
Elke Ferner (SPD):
Zum einen gibt es heute weder beim Wechsel inner-
halb der privaten Krankenversicherungen noch bei dem
– sehr eingeschränkt möglichen – Wechsel von der pri-
vaten zurück in die gesetzliche Krankenversicherung die
Möglichkeit, gebildete Altersrückstellungen mitzuneh-
men. Wir stellen jetzt, zumindest in einem Teilbereich,
die Portabilität sowohl für Bestandskunden als auch für
Neukunden sicher. Nun kann man sagen, das sei nicht
genug. Auch wir wären da gerne weitergegangen; das ist
völlig klar. Aber es ist mehr als das, was wir zurzeit ha-
ben.
(Iris Gleicke [SPD]: So ist es!)
Nach unserer Auffassung sollten die Altersrückstel-
lungen auch dann, wenn jemand – unter den bislang
noch sehr eingeschränkten Möglichkeiten – von der pri-
vaten in die gesetzliche Krankenversicherung zurück-
wechselt, übertragen werden können.
(Frank Spieth [DIE LINKE]: Das wäre rich-
tig!)
– Das wäre richtig, aber dazu braucht man Mehrheiten.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir unter-
stützen Sie gern! – Frank Spieth [DIE
LINKE]: Dabei können wir Ihnen behilflich
sein!)
Deshalb muss man das anders bewerten. Das wird Ihnen,
Frau Lötzsch, in den Koalitionen in den Ländern, in de-
nen Sie mitregieren, nicht anders gehen. Wenn man eine
Position nicht hundertprozentig durchsetzen kann – und
das kann man in Koalitionen naturgemäß nicht –, muss
man sich die Frage stellen, ob man sich seinem eigentli-
chen Ziel nähert oder ob man davon abrückt. Dieses Vor-
gehen legen wir hier zugrunde und das werden Sie dort,
wo Sie mitregieren, nicht anders machen. Das ist der
Grund, warum wir, obwohl wir nicht alles erreicht ha-
ben, was wir gerne erreichen wollten, unter dem Strich
doch sagen, dass wir unserem Ziel ein Stück näher kom-
men.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel
Bahr [Münster] [FDP]: Dann müsste man auch
Altersrückstellungen von der gesetzlichen in
die private mitnehmen!)
Zum anderen – um, Frau Bender, noch einmal auf die
Arzneimittel zurückzukommen – ist es so, dass die
Apotheken verpflichtet werden, die Arzneimittel mit den
verschriebenen Wirkstoffen abzugeben, die für die je-
weilige Kasse des Versicherten am günstigsten sind. Da-
mit werden die 500 Millionen Euro, die jetzt einmalig
verloren zu gehen scheinen, nicht nur kompensiert, son-
dern sogar überkompensiert. Im Übrigen werden die
Kassen auch in Bezug auf Zytostatika eine Regelung
über Verhandlungsmöglichkeiten erhalten, sodass an der
Stelle kein Geld verloren gehen wird.
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Richtig ist aber, dass wir noch ein Problem mit den
ändern zu klären haben,
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nur eins?)
ie wie immer sagen, dass an dieser oder jener Stelle
icht eingespart werden soll, aber den Einsparungen
eine anderen Vorschläge entgegensetzen. Das wird mit
en Ländern zu diskutieren sein, ebenso wie Detailrege-
ungen bezüglich der Insolvenzordnung.
Wir werden die Leistungen für die Versicherten ab
em 1. April dieses Jahres verbessern. Diese Gesund-
eitsreform ist die erste, bei der es – das ist vor allen
ingen der SPD zu verdanken – keine Leistungskürzun-
en gibt. Im Gegenteil, wir haben die Leistungen ausge-
eitet: Wir haben die Impfungen und die Rehaleistun-
en mit aufgenommen, und zwar alle, damit es, wie Ulla
chmidt sagte, keine Reha erster und zweiter Klasse
ibt. Leistungsausweitungen gibt es auch im Bereich der
alliativversorgung und der Hospize. Das ist insbeson-
ere in einer Gesellschaft, die älter wird, sehr wichtig.
s ist insgesamt Konsens in diesem Haus, dass für diese
atientengruppen mehr getan werden muss, nicht nur
us demografischen Gründen, sondern um den Men-
chen ein Sterben in Würde zu ermöglichen und ihnen
ie notwendigen Hilfen zuteil werden zu lassen, die sie
n ihrer Situation brauchen.
Zum anderen ist es wirklich wichtig, dass beispiels-
eise mehr Vorsorgeanreize und mehr Wahlmöglichkei-
en geschaffen werden, auch in Bezug auf besondere
ersorgungsformen, Hausarzttarife, integrierte Versor-
ung. Vor allen Dingen wird der Schnittstellenproblema-
ik, die zwischen den einzelnen Sektoren besteht und die
ns allen in den Wahlkreisen begegnet, deutlich stärker
egegnet.
Ich glaube, unter dem Strich ist es eine vernünftige
eform, die in die richtige Richtung weist. Allerdings
da muss ich Ihnen, Herr Spieth, entschieden wider-
prechen – haben wir weder in dieser Koalition noch mit
lick auf die Zukunft unser Bürgerversicherungskon-
ept aufgegeben; wir werden es weiterverfolgen.
(Beifall bei der SPD – Annette Widmann-Mauz
[CDU/CSU]: Aber nicht mit uns!)
ch muss jedoch feststellen, dass dieses Konzept in der
onstellation mit dem jetzigen Koalitionspartner und
rst recht im Bundesrat nicht umzusetzen ist. Aber poli-
isch bleibt eine Bürgerversicherung unser Ziel.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Konrad Schily.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Konrad Schily (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Wenn wir auf die letzten 30 Jahre schauen, kön-
en wir feststellen, dass von diesem Hohen Hause in den
ahren 1977 bis 2007 14 Gesetze zum Gesundheits-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7499
(A) )
(B) )
Dr. Konrad Schily
wesen verabschiedet worden sind. Die Reihe beginnt
1977 mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungs-
gesetz – lange Namen gab es schon damals – und wird in
diesem Jahr mit dem euphemistisch genannten GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz sicherlich nicht enden. All
die Gesetze, die dieses Hohe Haus verabschiedet hat,
hatten damit zu tun, die Kosten im Gesundheitswesen in
den Griff zu bekommen. Jedes Mal glaubte man, es
würde gelingen.
Wenn man sich nun einmal die zeitliche Häufung der
gesetzgeberischen Handlungen anschaut, so können wir
feststellen, dass von 1977 bis 1997, also in 20 Jahren,
sechs Gesetze verabschiedet worden sind. Von 1998 bis
2007, also in neun Jahren, waren es sieben Gesetze.
Wenn wir das zur Rede stehende GKV-Wettbewerbsstär-
kungsgesetz dazuzählen, werden es acht Gesetze sein.
Das erinnert stark an die Zunahme der Zahl der Natur-
katastrophen in den letzten zehn Jahren. Diese sind in
der letzten Zeit gehäuft aufgetreten. Nur: Bei den Natur-
katastrophen können wir nicht ganz so sicher sein, ob sie
wirklich allein von den Menschen ausgelöst wurden. Bei
den Gesetzen allerdings handelt es sich eindeutig um
Menschenwerk.
(Beifall bei der FDP)
Es ging dabei immer, wie gesagt, um Kostendämp-
fung. Aber es hat nie funktioniert. Jeder hier im Hohen
Haus weiß, dass trotz Leistungseinschränkung und Kos-
tendämpfung die Beitragssätze gestiegen sind und dass
eine Senkung der Lohnnebenkosten nicht gelungen ist.
Zurzeit haben wir – um den Börsenjargon anzuwenden –
ein Allzeithoch bei den Beitragssätzen der gesetzlichen
Krankenversicherung. Wir müssen feststellen, dass das
Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz, das
2006 verabschiedet wurde, bereits 2007 nachjustiert
werden muss. Wir wissen jetzt schon, dass auch nach
diesem Gesetz in immer rascherer Folge andere Gesetze
werden folgen müssen.
Der gesunde Menschenverstand müsste uns zu der
Frage veranlassen, ob hier nicht ein systematischer Feh-
ler vorliegt und die richtigen Instrumente gewählt wor-
den sind. Würden wir jemanden beobachten, der mit ei-
nem 16er-Schlüssel eine 20er-Schraube anziehen will,
würden wir ihn vielleicht bemitleiden und belächeln.
Würden wir beobachten, dass er es immer wieder ver-
sucht, würden wir diesen Menschen vielleicht mitleidig
fragen, warum er sich so vergeblich bemüht. Wenn wir
von ihm die Antwort erhalten würden „Mein Lieber, das
ist Chefsache! Das muss so gehen!“, dann würden wir
unsere eigenen Schlüsse ziehen und uns traurig abwen-
den.
(Beifall bei der FDP)
Auch im Fall des Gesundheitssystems ist der Fehler
systemisch. Die unpassenden Werkzeuge sind die Zen-
tralisierung und die eindeutige Ausrichtung des Systems
auf den Staat, es ist der Fonds und die zentrale jährliche
Festlegung der Beitragshöhe durch die Politik und die
damit verbundene Anfälligkeit, es sind die bürokrati-
schen Gebote bzw. die bürokratischen Verbote und
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elbstverständlich die damit wachsende Kontrollbüro-
ratie.
Es gilt, die Werkzeuge zu wechseln: nicht weltfremde
esetzliche Vorgaben und Zentralisierung, sondern Stär-
ung der freien Berufe im Gesundheitswesen und die
emündigung der Leistungserbringer und der Patienten.
o die Kompetenz vorhanden ist, muss die Verantwor-
ung liegen. Dort gibt es die Fähigkeit zur Problembe-
ältigung.
(Beifall bei der FDP)
Das Leben ist eben vielfältig und vielfältig werden
ie Lösungen sein, die in der jeweiligen Situation gefun-
en werden müssen. Die FDP steht für die Solidarität
uch im Gesundheitswesen. Aber sie weiß, dass solidari-
che Lösungen nicht unter Umgehung der Freiheit und
icht durch die Entmündigung der Betroffenen – seien es
ie Versicherungen, seien es die Leistungserbringer oder
eien es die Patienten – zu erreichen sind. Aber nicht nur
ie Solidarität ist unter Umgehung der Freiheit nicht zu
rreichen. Auch die wirtschaftliche Optimierung ist an
ie Freiheit der Handelnden gebunden. Das ist einer der
auptsätze der freien sozialen Marktwirtschaft, der auch
icht dadurch aufgehoben werden kann, dass ich etwas
ur Chefsache mache. Eine Stärkung der freien Berufe
nd die Bemündigung der Betroffenen würden uns zu
esseren Ergebnissen auch im Wirtschaftlichen führen.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Dr. Konrad Schily (FDP):
Ich komme zum Schluss. Vielen Dank.
Insofern heißt für mich „FDP“ nicht nur „Freie De-
okratische Partei“, sondern das heißt für mich jetzt
uch „für die Patienten“.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Willi Zylajew für die
DU/CSU-Fraktion.
Willi Zylajew (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
örte man auf Verbandsvertreter und auf die Lobbyis-
enszene, dann brauchten wir überhaupt keine Reform
m Gesundheitswesen. Ähnlich klingt das, was die verei-
igte Opposition uns hier heute Mittag und in den letzten
ochen, natürlich auch über die Medien, erklärt.
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wofür brau-
chen wir denn die Reform? – Frank Spieth
[DIE LINKE]: Wir können gern eine Finanzie-
rungsreform machen!)
Das werde ich Ihnen natürlich sagen. – Ich will noch
inmal deutlich sagen: Der Kollege Lanfermann hat ver-
assungsrechtliche Bedenken, Frau Bunge sorgt sich nun
das ist schon angesprochen worden – um die Finanzen,
7500 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
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Willi Zylajew
Herr Spieth hat zu wenig Staatskapitalismus im System
ausgemacht. Warum auch nicht?
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Verfassungs-
rechtliche Bedenken hatten auch Herr Merz,
Herr Bosbach, Herr Benneter!)
Am Schluss fehlt Frau Bender noch der Wettbewerb.
All dieses ist für mich wirklich nur schwer verständ-
lich, weil Sie überhaupt keine Antwort auf die anstehen-
den Fragen geben.
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Sie mit Ihrer Reform schon gar nicht!)
Auf Beitragserhöhungen und auf eine Beitragsschraube,
die sich dreht,
(Heinz Lanfermann [FDP]: Jetzt immer
mehr! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Die be-
kommt noch einmal Schwung!)
müssen wir doch irgendwie reagieren. Wir müssen doch
den Mut haben, auf Versorgungsengpässe einzugehen.
Wir haben jetzt schon Versorgungsengpässe, und es wird
weitere Versorgungsengpässe geben. Mit dieser Reform
schaffen wir hier zumindest Ansätze für eine Verbesse-
rung. Wir stellen die Weichen richtig.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Bender?
Willi Zylajew (CDU/CSU):
Ja.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Zylajew, stimmen Sie mir zu, dass Ihre
sogenannte Reform schon deswegen keine Antwort auf
steigende Beiträge ist, weil Sie diese mit dem Entzug
der Steuermittel aus der GKV und der Mehrwertsteuer-
erhöhung, die auch auf die Krankenkassen durchschlägt,
selbst verursacht haben?
Willi Zylajew (CDU/CSU):
Ich stimme Ihnen natürlich nicht zu,
(Heinz Lanfermann [FDP]: Schon aus Prinzip
nicht! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Aus grund-
sätzlichen Erwägungen! – Birgitt Bender
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber
ein Fehler!)
weil wir eine Dynamik über Tarife oder Steuern immer
haben werden. Man kann jetzt nicht ein einzelnes Seg-
ment herausnehmen und sagen, das sei die Ursache. Sie
wissen doch, Frau Bender, dass sich die Beitragsbelas-
tungsschraube mit großem Gewinde sehr schnell weiter-
drehen würde, wenn wir nicht durch diese Reform ge-
gensteuern.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle-
gen Spieth?
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Willi Zylajew (CDU/CSU):
Ich habe noch Zeit. Ja.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Herr Zylajew, Sie sagen, mit diesem Gesetz werde die
inanzielle Situation verbessert. Sagen Sie mir bitte, an
elcher Stelle Sie durch dieses Gesetz zu einer verbes-
erten Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenver-
icherung beitragen. Es gibt keine Erhöhung der Bei-
ragsbemessungsgrenze, es gibt keine Ausweitung auf
ndere Einkommensarten. Wie wollen Sie die Quadratur
es Kreises lösen, mit diesem Gesetz mehr Geld in die
esetzliche Krankenversicherung zu bringen? Das ist ja
as Grundproblem.
Willi Zylajew (CDU/CSU):
Ich habe nicht erklärt, dass wir mehr Geld hineinbrin-
en, sondern dass wir eine Verbesserung bei den Leis-
ungen erreichen, Herr Spieth.
(Frank Spieth [DIE LINKE]: Wie wollen Sie
das bezahlen?)
hnen fällt immer nur ein, die Einnahmen zu erhöhen,
nstatt unwirtschaftliche Elemente auszugliedern, anstatt
ine Optimierung zu erreichen, anstatt dafür zu sorgen,
ass die Mittel dorthin fließen, wo sie notwendig sind,
nd dass sie da, wo sie nicht notwendig sind, abgezogen
erden.
Wir sind der Auffassung, dass wir mit dieser Reform
ine gerechtere Finanzierung, insbesondere im Bereich
er niedergelassenen Ärzte, der Hausärzte, erreichen
önnen. Das wissen Sie; denn Sie haben in diesem Aus-
chuss mit diskutiert. Das ist eine aus unserer Sicht
ichtige Verbesserung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Ich habe angesprochen – dieser Punkt ist uns wichtig –,
ass es in einigen Bereichen Unterversorgung gibt. Ich
age sehr deutlich: Wir sind der Auffassung, dass all das,
as wir tun, im Endeffekt den Patienten zugutekommen
uss. Die Patienten müssen den entscheidenden Nutzen
aben – und weniger die Apparate der Versicherungen,
ie Verbände, die KVen oder andere Umverteilungsinsti-
utionen.
Auf der einen Seite wollen alle – die Opposition, auch
err Spieth, hat das deutlich gemacht – einfach nur mehr
eld in das System bringen. Die Gesundheitsbranche
nsgesamt brüllt schlichtweg: Wir brauchen mehr Geld,
nd dann ist die Welt in Ordnung.
(Widerspruch des Abg. Frank Spieth [DIE
LINKE])
uf der anderen Seite sind wir uns darin einig, dass in
inigen Bereichen Veränderungen notwendig sind. Ich
iederhole: Diese gehen wir an.
Jeder Anbieter im Gesundheitsbereich, die niederge-
assenen Ärzte, die Apotheker, die Krankenhäuser, die
rankenkassen, selbst der Rehabereich, die Heilmittel-
ersteller und -händler bis hin zu den Fahrdiensten, sagt:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7501
(A) )
(B) )
Willi Zylajew
Bitte geben Sie uns mehr Geld; dann kommen wir besser
zurecht. Dabei wissen wir alle, dass Beitragserhöhungen
gesamtwirtschaftlichen Schaden verursachen. Wir wis-
sen, dass der Faktor Arbeit durch weitere Beitragserhö-
hungen teurer wird und eine Belastung erfährt, die dem
Volk insgesamt nicht guttun wird.
(Frank Spieth [DIE LINKE]: Aber genau das
findet doch jetzt statt!)
– Das sehen wir deutlich anders.
Ich will kurz die Verwerfungen des derzeitigen Sys-
tems – von keiner der Oppositionsparteien gab es übri-
gens einen Hinweis, wie wir diese verändern können –
ansprechen. Viele Ärzte haben das Punktetreten im
Hamsterrad regelrecht satt. Sie müssen sich heute letzt-
endlich mehr um die Finanzierung ihrer Praxis- und Mit-
arbeiterkosten kümmern als um ihre Patienten. Sie fühlen
sich zwischen den Mühlsteinen der Krankenkassen und
der KVen nur mäßig wohl. Wir geben ihnen mit den Ver-
tragsmöglichkeiten, die wir nun in das Gesetz einbauen,
die Chance, direkte Verträge zu schließen. Wir geben ih-
nen die Freiheit – das ist ein wichtiger Bereich –, Ver-
träge mit Patienten und Patientengruppen abzuschließen
und mit diesen intensiver zu arbeiten. Wir halten dies für
eine wichtige Verbesserung; das ist der richtige Weg.
Die Patienten werden davon profitieren, dass wir im
Bereich der Verbände und Krankenversicherungen we-
sentlich mehr Transparenz schaffen. Diese Transparenz
wird von den Gremienvertretern sicherlich ungern gese-
hen. Aber allein die Straffung und Konzentration von
Gremien bietet wirtschaftliche Reserven, die wir im In-
teresse der Patienten nutzen können.
In weiten Bereichen stecken wir heute in einem Teu-
felskreis. Aus diesem Teufelskreis steigen wir mit dieser
Reform aus. Wir wissen sehr wohl, dass wir noch eine
Reihe von Aufgaben zu erledigen haben, dass wir in den
nächsten Jahren nach dieser Reform an dem einen oder
anderen Ende sicherlich noch Veränderungsbedarf weg-
zuarbeiten haben. Aber jede dieser Veränderungen führt
im Endeffekt dazu, dass wir mit den Finanzmitteln, die
uns zur Verfügung stehen, eine deutlich bessere Versor-
gung der Patienten erreichen können. Wir geben damit
allen Frauen und Männern die Chance, am medizini-
schen Fortschritt insgesamt auf Dauer teilzuhaben.
Ich sage abschließend: Es ist falsch, zu behaupten, die
Beiträge würden durch die Reform steigen. Richtig ist
vielmehr, Herr Spieth: Ohne diese Reform würden die
Beiträge noch schneller steigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD – Frank Spieth [DIE LINKE]:
Sie räumen also ein, dass sie steigen!)
Wir brauchen hier einen Umstieg. Dieser Umstieg wird
Zeit in Anspruch nehmen. Diese Zeit sollten wir uns
nehmen. Wir bleiben bei der Einschätzung: Mit dieser
Reform tun wir Gutes für die Menschen im Lande.
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Es hat vielleicht einen Grund, dass die
das nicht zu würdigen wissen!)
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Wir bitten Sie, noch einmal zu überlegen, wie Sie sich
n der Schlussberatung positionieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
ax Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Max Straubinger (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
esundheitsreformen sind die Reformen, die die Bürge-
innen und Bürger natürlich am meisten bewegen und
ber die in vielen Bereichen sehr emotional diskutiert
ird. Diese Reform betrifft immerhin mehr als 80 Millio-
en Menschen in Deutschland.
Ich gebe meinem Kollegen Jens Spahn ausdrücklich
echt, der darauf hingewiesen hat, dass wir in den vergan-
enen Wochen und Monaten im vorparlamentarischen
ereich sehr intensiv über die Inhalte dieses Gesetzent-
urfes diskutiert haben. Im Rahmen des geordneten par-
amentarischen Verfahrens haben wir sogar eine über
6 Stunden dauernde Anhörung zu diesem komplexen
hemenbereich durchgeführt.
Ich denke, es ist wichtig, darauf aufmerksam zu ma-
hen, dass die Regierungsfraktionen und die Bundesre-
ierung das hochwertige Gesundheitssystem in Deutsch-
and für die Menschen zukunftsfest machen wollen. Ich
in überzeugt, dass es uns mit dem GKV-Wettbewerbs-
tärkungsgesetz gelingen wird, sicherzustellen, dass die
enschen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Ge-
chlecht, ihrer Herkunft oder ihren finanziellen Möglich-
eiten auch in Zukunft mit Spitzen- bzw. Höchstleis-
ungsmedizin versorgt werden. Wir wollen für alle
ürgerinnen und Bürger eine so breite medizinische
ersorgung gewährleisten, wie sie sich viele Menschen
n Europa und auf der ganzen Welt wünschen würden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben uns in diesem Zusammenhang mit den Fra-
en beschäftigt, wie unser Gesundheitssystem zukünftig
inanziert werden soll, ob ein Fondsmodell das richtige
inanzierungsmittel ist, und ob die gesetzliche und die
rivate Krankenversicherung weiterhin nebeneinander
estand haben sollen. Sie, Herr Kollege Spieth, haben
arauf hingewiesen, dass wir unser Gesundheitssystem
urch die Einführung neuer Steuern finanzieren könnten
als Beispiel nannten Sie die Börsenumsatzsteuer –, wie
an es auch in England getan hat.
(Frank Spieth [DIE LINKE]: Dort war die Si-
tuation allerdings anders!)
Man darf aber nicht immer nur die eine Seite der Me-
aille betrachten. Ohne das englische Gesundheitssys-
em infrage stellen oder kritisieren zu wollen, muss ich
agen: Ich bin überzeugt, dass das Gesundheitssystem
zw. die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit
esundheitsleistungen in Deutschland weit besser ist als
n England. Auch das gehört zur Wahrheit.
7502 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Max Straubinger
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Ich wage zu bezweifeln, dass es gut wäre, wenn wir im
Hinblick auf unser Gesundheitssystem und die medizini-
sche Versorgung der Menschen englische Verhältnisse
hätten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau! In England
muss man sechs Monate auf einen Zahnarzt-
termin warten! Das können wir nicht wollen!)
Darüber hinaus wurde gefordert, dass wir unserem
Gesundheitssystem noch mehr Steuermittel zukommen
lassen sollten. Durch einen solchen Schritt würde man
allerdings den Entwicklungen des medizinischen Fort-
schritts, den neuen Wettbewerbsmöglichkeiten und dem
Umstand, dass manche Angebote aufgrund des Wettbe-
werbs möglicherweise sogar billiger werden, in keiner
Weise gerecht. Man muss auch die Strukturen verändern.
Dieser Gedanke wurde im vorliegenden Gesetzentwurf
der Bundesregierung aufgegriffen. Ich glaube, dass wir
in vielerlei Hinsicht stolz auf diesen Gesetzentwurf sein
können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von
Frau Dr. Enkelmann?
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist hier doch
keine Fragestunde!)
Max Straubinger (CDU/CSU):
Ja.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Herr Kollege Straubinger, stimmen Sie mir zu, dass
man sich, wenn es um einen solch wichtigen Gesetzent-
wurf geht, zuallererst mit der Frage der Finanzierung be-
schäftigen muss? Haben Sie unserem Gesundheitssys-
tem nicht vor allen Dingen durch Ihren Umgang mit den
Einnahmen aus der Tabaksteuer und durch die Mehr-
wertsteuererhöhung Geld entzogen? Sind Sie nicht auch
der Meinung, dass es nicht ausreicht, ausschließlich das
Prinzip Hoffnung walten zu lassen?
(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/
CSU]: Hätten Sie den Gesetzentwurf doch nur
gelesen!)
Max Straubinger (CDU/CSU):
Frau Kollegin, die Bundesregierung und die sie tra-
genden Fraktionen arbeiten nicht nach dem Prinzip
Hoffnung. Im Gegenteil,
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja! Das merkt man! Sie haben schon
total aufgegeben! – Heinz Lanfermann [FDP]:
So ist es! Sie haben schon gar keine Hoffnung
mehr!)
wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts-
standortes Deutschland. Das hatte zur Folge, dass wir im
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ahre 2006 auf mehr als 300 000 neu geschaffene sozial-
ersicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ver-
eisen konnten. Dadurch, dass nun mehr Menschen als
isher Krankenversicherungsbeiträge zahlen, fließen so-
ohl dem System der gesetzlichen als auch dem System
er privaten Krankenversicherungen mehr Mittel zu.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dagmar
Enkelmann [DIE LINKE]: Aber das reicht
nicht aus! Sie haben es doch mitbekommen:
Die Beiträge werden erhöht!)
Zusätzlich haben wir dafür zu sorgen, dass die Finan-
ierung auf eine nachhaltige Grundlage gestellt wird. Wir
aben – ich sage das nicht, um irgendjemandem Vor-
ürfe zu machen – in der Vergangenheit die Augen ver-
chlossen und geduldet, dass die gesetzlichen Kranken-
assen Schulden in fast astronomischer Höhe gemacht
aben. Für die Zukunft ist es wichtig, den Bürgerinnen
nd Bürgern zu verdeutlichen: Diese Bundesregierung
etzt auf nachhaltige Finanzierung. Das bedeutet, über ei-
en längeren Zeitraum finanziell zu untermauern, dass
ie gesetzliche Krankenversicherung ihren Schuldenberg
bbaut sowie die Leistungsversprechen gegenüber den
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einhält.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist
es!)
ies macht diese Bundesregierung; ich glaube, das brin-
en wir in diesem Gesetzgebungsverfahren zum Aus-
ruck.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Schritt
für Schritt solide!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage des Kollegen Spieth?
Max Straubinger (CDU/CSU):
Ja.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Bitte sehr.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir in diesem
arlament die Gelegenheit haben, zu fragen, wenn Un-
larheiten entstehen. Ich habe vorhin gesagt, dass wir für
ie Einführung einer Börsenumsatzsteuer nach engli-
chem Vorbild sind – unabhängig von der Frage der Fi-
anzierung der Krankenversicherung – und dass wir für
ie Wiedereinführung der Vermögensteuer sind. Wir
aben gesagt, dass dies 50 Milliarden Euro mobilisieren
ürde.
(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Die laufen
schneller weg, als Sie zugreifen können!)
hr Finanzminister sagt, dass ihm jede Fantasie fehlt, wo-
er er die für die Steuerfinanzierung der gesetzlichen
rankenversicherung zugesagten 14 Milliarden Euro neh-
en soll, selbst wenn dieser Betrag schrittweise, über ei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7503
(A) )
(B) )
Frank Spieth
nen Zeitraum von zehn Jahren, aufgebaut werden sollte.
Deshalb die konkrete Frage: Wäre das nicht ein Ansatz,
die fehlenden Milliarden dort zu holen?
(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/
CSU]: Nein!)
Max Straubinger (CDU/CSU):
Auf keinen Fall, Herr Spieth.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ist ohne Börsenum-
satz auch nicht möglich!)
Ich sage ja nicht, dass es keine vernünftige Grundlage
ist, etwas über Steuern zu finanzieren.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Rich-
tig!)
Wir haben – auch wenn es in einzelnen Bereichen si-
cherlich verbesserungswürdig ist – ein vernünftiges
Steuersystem. Aber für mehr Beschäftigung in Deutsch-
land müssen wir zuvörderst unser Steuerrecht wettbe-
werbsfähig machen. Wir dürfen den Bürgerinnen und
Bürgern in Deutschland keine zusätzlichen Belastungen
aufbürden.
(Frank Spieth [DIE LINKE]: Sie greifen ei-
nem nackten Mann in die Tasche! – Gegenruf
des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]: So nackt
sehen Sie gar nicht aus!)
Der Union wird in diesem Gesetzgebungsverfahren
zum Vorwurf gemacht, sie habe sich am stärksten für den
Erhalt der privaten Krankenversicherung eingesetzt;
besonders wird das mit den Interessen der Versicherungs-
unternehmen in Verbindung gebracht. Verehrte Damen
und Herren, wir haben uns nicht für die Interessen und
Geschäftsmodelle der Versicherungsunternehmen einge-
setzt, sondern wir haben uns für die 8 Millionen in die-
sem Geschäftsmodell Versicherten eingesetzt, damit sie
durch die Reform nicht mit übergebührlichen Beitragser-
höhungen belastet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Damit tragen wir dazu bei, dass auch ihre Krankheitsver-
sorgung sichergestellt ist.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Be-
zahlbare Tarife!)
Das ist letztendlich das Ansinnen der Union – und nichts
anderes, wie es im politischen Wettbewerb manchmal
falsch dargestellt wird.
Ich glaube, dass die Union und die SPD im Verlauf
der Anhörungen in verschiedensten Bereichen durchaus
sinnvolle Änderungen aufgenommen haben, auch sehr
viele, die der Bundesrat eingebracht hat, bzw. Ände-
rungsvorschläge noch aufgreifen werden. Ich möchte
ausdrücklich begrüßen, dass wir die Krankenhäuser
nicht so belasten werden, wie es ursprünglich angedacht
war, und dass wir die psychiatrischen Kliniken von den
Einsparungen ausnehmen werden. Die andere Seite der
Medaille ist dann natürlich, dass die Bürgerinnen und
Bürger das, was nicht eingespart wird, durch Beiträge zu
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rbringen haben. Da ich aus einem Flächenwahlkreis
omme, füge ich hinzu: Für die Lebensqualität der Men-
chen ist es von großer Bedeutung, dass auch weiterhin
ine flächendeckende und ortsnahe Krankenhausversor-
ung gewährleistet ist.
(Iris Gleicke [SPD]: Allerdings!)
uch dies ist hier natürlich einzubeziehen. Aufgrund der
eränderungen, die die Krankenhäuser sowieso zu tra-
en haben, ist das gemachte Angebot sicherlich vernünf-
g.
Noch ein Zweites. Ich begrüße es ausdrücklich, dass
ie vorgesehenen Änderungen und Kürzungen beim
ettungsdienst nicht vorgenommen werden.
(Patrick Döring [FDP]: Sehr gut!)
er jemals auf einen Rettungswagen gewartet hat, weil
in Angehöriger in einer Notsituation war, der weiß, wie
ang diese Minuten sein können. Ich höre, dass die die
undesregierung tragenden Fraktionen entsprechende
nderungen herbeiführen wollen,
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie können ja unserem Änderungsan-
trag zustimmen!)
nd ich glaube, dass das eine sehr sinnvolle Lösung ist.
In diesem Sinne zeigt sich sehr deutlich, dass wir ein
esetz verabschieden werden, das letztendlich im Sinne
er Patientinnen und Patienten ist.
Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir sind damit am Ende der Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 16/3950 und 16/4020 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der
all. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
(Unruhe)
ch bitte diejenigen, die der weiteren Debatte nicht mehr
olgen wollen oder können, den Saal zu verlassen. – Die
undesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinetts-
itzung mitgeteilt: Umweltbericht der Bundesregie-
ung 2006.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
at der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
eaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.
(Unruhe)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Auf-
erksamkeit und darum, die Gespräche außerhalb des
aales zu führen, damit wir dem Bericht des Bundes-
inisters folgen können. – Herr Minister, bitte.
7504 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf
Ihnen den Umweltbericht 2006 vorstellen. Sie wissen si-
cher, dass die Bundesregierung nach dem Umweltinfor-
mationsgesetz alle vier Jahre einen Umweltbericht vor-
zulegen hat. Dies ist eine gesetzliche Pflicht, um sowohl
über den Zustand der Umwelt als auch über die vergan-
genen und die geplanten Maßnahmen der Umweltpolitik
Rechenschaft abzulegen.
Dieser Umweltbericht, der sich über vier Jahre er-
streckt, ist natürlich insofern interessant, als die Umwelt-
politik der vergangenen Regierung einen großen Teil
umfasst, während die Umweltpolitik der neuen Bundes-
regierung – dabei geht es also um das letzte Jahr – Ge-
genstand eines nur relativ kurzen Teiles ist. Sie werden
jedoch feststellen, dass es in vielen Bereichen ein hohes
Maß an Kontinuität gibt. Das ist im Sinne einer enga-
gierten Umweltpolitik sicherlich sinnvoll.
Wenn Sie sich im Bericht beispielsweise die Ausfüh-
rungen zu der Abfallwirtschaftspolitik und den darin er-
zielten Erfolgen in den letzten Jahren anschauen, dann
werden Sie sehen, dass die jetzige Bundesregierung
Kontinuität hinsichtlich der Weiterbearbeitung der dort
notwendigen Anpassungsmaßnahmen walten lässt. Auch
auf der europäischen Ebene befinden wir uns beispiels-
weise mit der jetzigen Debatte über die Abfallrahmen-
richtlinie in einer großen Kontinuität zu der vorherigen
Politik.
Das Gleiche gilt für die Erfolge im Bereich des Erneu-
erbare-Energien-Gesetzes. Ich glaube, es ist außerordent-
lich zufriedenstellend, dass die Entwicklung im Umwelt-
bereich – vielleicht anders als in früheren Jahren – nicht
mehr Gegenstand großer Kontroversen der hier im Hause
vertretenen Parteien ist. Sicher befinden wir uns im Wett-
bewerb über die Frage, wie man den Ausbau erneuerba-
rer Energien am schnellsten erreicht, aber es gibt keine
Debatte mehr über die Frage, ob das notwendig ist oder
nicht. Ich finde, dass das eine gute Entwicklung ist.
Sie werden also eine ganze Reihe von Dingen finden,
die in der letzten Legislaturperiode begonnen wurden
und jetzt ihre Fortsetzung finden. Sie werden aber natür-
lich auch eine Reihe von Punkten finden, bei denen wir
noch einen deutlichen Handlungsbedarf haben. Auf ei-
nige dieser Punkte möchte ich gerne eingehen.
Lassen Sie mich aber auch sagen, dass die Bundesre-
gierung, die von den Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und der SPD getragen wird, Wert darauf legt – ich
glaube, das ist verständlich –, festzuhalten, was sich in
den letzten zwölf bis 15 Monaten getan hat. Dazu will
ich einige Anmerkungen machen.
Wir haben die Mittel für Forschung und Entwicklung
im Bereich erneuerbare Energien fast verdoppelt. Sie be-
tragen bereits jetzt weit mehr als 80 Millionen Euro und
sollen auf 100 Millionen Euro pro Haushaltsjahr erhöht
werden. Was die Anreize für regenerative Wärme an-
geht, haben wir die Mittel von 130 Millionen Euro mit
diesem Haushaltsjahr auf weit über 210 Millionen Euro
erhöht. Bei der energetischen Gebäudesanierung haben
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ir den Anteil der Finanzmittel erhöht, mit denen wir je-
em Bürger, jeder Bürgerin und jetzt auch den Kommu-
en helfen wollen, etwas gegen Energieverschwendung
u tun, was positive Auswirkungen auf das Klima – weil
ie CO2-Emissionen sinken –, auf das Portemonnaie und
or allem auf die Konjunktur im Handwerk hat, wo wie-
er mehr eingestellt und ausgebildet wird. In diesem Be-
eich haben wir die Mittel mit der im Koalitionsvertrag
etroffenen Vereinbarung vervierfacht.
Wir haben das lange debattierte Projekt durchgesetzt,
25 000 Hektar wertvolle Naturfläche vor dem Verkauf
nd der Nutzung zu schützen, indem wir sie in die „Stif-
ung Deutsches Naturerbe“ einbringen.
Wir haben die Rechtsstreitigkeiten um die europäi-
che Natura-2000-Richtlinie im Bereich der Fauna-
lora-Habitat-Richtlinie gemeinsam mit den Ländern
eklärt. Wir sind mit den Ländern darin einig. Das Kla-
everfahren von der Europäischen Union gegen die Bun-
esrepublik Deutschland wegen der mangelnden Umset-
ung der Naturschutzrichtlinie im Bereich der FFH-
ebiete ist zurückgezogen worden.
Wir haben in der Europäischen Union mitgeholfen,
ach acht Jahren endlich 30 000 Altstoffe, die weit über
0 Prozent der Altchemikalien ausmachen, einem Regis-
rierungs-, Bewertungs- und Zulassungsverfahren zu un-
erziehen. Wir haben gemeinsam mit den Kolleginnen
nd Kollegen in der Europäischen Union die neuen Ab-
asstandards Euro 5 und Euro VI in der Europäischen
nion durchsetzen können. Die Kennzeichnungspflicht
st eingeführt worden. Wir haben die Partikelfilterpro-
lematik angehen können und gehen davon aus, dass sie
ndlich positiv abgeschlossen werden kann.
Wir haben das Fluglärmschutzgesetz verabschiedet.
Hinsichtlich der Verpackungsverordnung haben wir
emeinsam mit der Wirtschaft und den Ländern Eck-
unkte durchgesetzt, um die „Trittbrettfahrerei“ zu been-
en, dass manche Unternehmen die Verpackungen nicht
urücknehmen und trotzdem nicht in das Duale System
inzahlen, ihre Wirtschaftlichkeit also zulasten anderer
ptimieren.
Wir haben zudem ein Projekt in Gang gesetzt, das be-
eits für die letzte Regierung eine hohe Priorität hatte, und
war den Ausbau von Offshoreanlagen, also die Nutzung
er Windenergie etwa 50 Kilometer vor der deutschen
ordseeküste. Mit der Durchsetzung des Infrastrukturpla-
ungsbeschleunigungsgesetzes haben wir es geschafft, die
etzanbindung dieser Anlagen an das Übertragungsnetz
n Land umlagefähig zu machen, und damit die größte
ürde beseitigt, die bisher beim Ausbau der Offshore-
indenergieparks existiert hat.
Wir haben im Übrigen auch – darauf will ich an dieser
telle hinweisen – mit den Unternehmensverbänden und
en einzelnen Unternehmen der Umwelttechnologie – an
rster Stelle ist der Bundesverband Erneuerbare Energie
u nennen – verabredet, dass in den kommenden zwei
ahren 5 000 zusätzliche Ausbildungsplätze in der Um-
elttechnik zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich
laube, dass sich diese Bilanz der Regierungsarbeit in
iesem Bereich sehen lassen kann.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7505
(A) )
(B) )
Bundesminister Sigmar Gabriel
Wir haben die Beimischungspflicht bei den Biokraft-
stoffen weiterentwickelt, und trotz aller Auseinanderset-
zungen mit der Kommission über die Datengrundlage
beim Emissionshandel und den Nationalen Allokations-
plan kann man mit Fug und Recht darauf hinweisen,
dass wir deutlich stärker bereit sind, in Deutschland
mehr für den Klimaschutz zu tun, als es noch in der ver-
gangenen Legislaturperiode durchsetzbar war. Damals
hatten wir das Minderungsziel von 2 Millionen Tonnen
CO2 pro Jahr. Jetzt liegt selbst das Ziel, das die Bundes-
regierung gegenüber der Kommission vertritt, bei fast
50 Millionen Tonnen unter den Vorgaben der ersten
Handelsperiode. Insofern ist auch im Klimaschutz eine
deutliche Verbesserung zu verzeichnen.
Trotzdem gibt es Bereiche, die in den kommenden
Jahren noch erhebliche Anstrengungen erfordern wer-
den. Ich will jetzt nicht auf das Thema Energie eingehen
– möglicherweise gibt es dazu noch Fragen –, sondern
zwei Punkte beleuchten, die sonst weniger im Mittel-
punkt der Diskussion stehen.
Der erste Punkt ist die weltweite Ressourcenentwick-
lung über den Bereich Energieversorgung hinaus. Wir
sind heute 6,5 Milliarden Menschen auf der Erde. In ei-
nigen Jahren oder Jahrzehnten werden es 9 Milliarden
Menschen sein. Wenn unser Ressourcenverbrauch un-
verändert bleibt, dann brauchen wir dafür mindestens
zwei Planeten. Wir haben aber nur einen. Daraus erge-
ben sich schon heute dramatische Kennziffern, die klar-
machen, dass wir auf der einen Seite effizienter mit den
Ressourcen umgehen müssen und auf der anderen Seite
verstärkt auf nachwachsende Rohstoffe setzen müssen.
Bei den Böden ist es so, dass 66 Prozent der weltweit
genutzten Anbauflächen für Nahrungsmittel inzwischen
geschädigt sind. 11 Prozent der Erdoberfläche sind in-
zwischen so zerstört, dass dort kein Anbau mehr möglich
ist. In Afrika haben sich seit 1950 die landwirtschaftli-
chen Flächen um immerhin 65 Prozent verschlechtert.
Nur 1 Prozent der Erdoberfläche ist mit Süßwasser-
systemen bedeckt. Über 70 Prozent der Süßwasserquel-
len sind belastet oder schon zerstört. Der jährliche
Verbrauch an Grundwasser übersteigt die natürliche Re-
generationsrate bei weitem, und zwar um über 160 Mil-
liarden Kubikmeter. Die Vereinten Nationen warnen da-
vor, dass 60 bis 70 Prozent der Fischbestände voll ge-
nutzt bzw. übernutzt sind.
Oder betrachten Sie die Bodenschätze: Man muss
sich vorstellen, dass es heute 1,4 Milliarden Menschen
auf der Erde gibt, die in industrialisierten Gesellschaften
leben. In einigen Jahrzehnten werden es 4 Milliarden
Menschen sein. Das wird eine gigantische Steigerung
der Nachfrage nach Rohstoffen zur Folge haben. Wir
werden deshalb auf erneuerbare Rohstoffe setzen müs-
sen.
Da meine fünf Minuten Redezeit schon überschritten
sind, will ich zum Ende kommen und abschließend nur
noch auf den rasanten Artenschwund hinweisen, den wir
nicht nur in unserem Land, sondern weltweit zu ver-
zeichnen haben. Dieser Bereich bedarf einer weit größe-
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en Aufmerksamkeit als bisher; darüber haben wir schon
inmal im Bundestag eine Debatte geführt.
Auf diesen und weiteren Feldern müssen wir uns in
ukunft wesentlich stärker politisch und administrativ
etätigen, auch auf internationaler Ebene.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich bitte, zunächst die Fragen zu stellen, die unmittel-
ar den Themenbereich betreffen, über den gerade be-
ichtet wurde.
Als Erste Frau Bulling-Schröter.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Minister, danke für den Bericht. – Meine Frage
etrifft den Emissionshandel. Im Umweltbericht 2006
erden im Hinblick auf das Emissionsminderungsziel
efizite im Energiebereich deutlich benannt, während
m Abfallbereich und in der Landwirtschaft schon grö-
ere Minderungserfolge erreicht sind. In diesem Bericht
teht unter der Überschrift „Emissionshandel“, man
olle „stringente Emissionsziele“ festlegen. Die EU hat
ie Vorgabe gemacht, von 2008 bis 2012 den deutschen
ahresausstoß an CO2 auf 453 Millionen Tonnen zu ver-
ingern. Die Bundesregierung hat dagegen Einspruch er-
oben. Meine Fragen an Sie lauten: Wann wird die Bun-
esregierung beim NAP II zu einer Einigung kommen?
ntsprechen Zeitungsberichte der Tatsache, dass Sie
ine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen
es Emissionsausstoßes anstreben?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Meine Antwort auf Ihre Fragen lautet: Erstens. Die
undesregierung geht davon aus, dass wir mit der Euro-
äischen Kommission einig werden. Ich persönlich hoffe
edenfalls, dass das bis Ende Januar der Fall sein wird.
weitens. Es gibt seitens der Bundesregierung keinen
eschluss, eine Klage vor dem Europäischen Gerichts-
of anzustreben.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Heilmann, bitte sehr.
Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Herr Minister, auch ich danke Ihnen für den Bericht. –
ch habe eine konkrete Nachfrage. Auf Seite 107 formu-
ieren Sie als Ziel die Verringerung des Fluglärms, um
nwohner vor Gesundheitsschäden zu schützen. Vor
napp vier Wochen hat dieses Hohe Haus die Novellie-
ung des Fluglärmschutzgesetzes beschlossen. Alle Kol-
egen von der rechten Seite waren der Meinung, dass das
luglärmschutzgesetz nicht dazu dient, den Fluglärm zu
erringern und aktiven Lärmschutz zu betreiben, son-
ern nur passiven Lärmschutz gewährt.
Deshalb jetzt meine Nachfrage: Können Sie den Wi-
erspruch zwischen der Aussage im Umweltbericht,
7506 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Lutz Heilmann
man wolle Fluglärm verringern, und der Tatsache, dass
das Fluglärmschutzgesetz nur passiven Lärmschutz bie-
tet – das heißt, kein einziger Flughafen wird durch dieses
Gesetz leiser –, aufklären? Oder wird die Bundesregie-
rung in nächster Zeit, innerhalb der nächsten sechs Mo-
nate, eine Initiative starten, die ausdrücklich aktiven
Lärmschutz an Flughäfen vorsehen wird?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Herr Kollege, Sie akzeptieren sicher, dass ich als Mit-
glied der Bundesregierung keine Bewertung über das
Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag ab-
gebe. Wer rechts bzw. links sitzt, das kommt immer auf
die Perspektive an; das ist meine einzige Positionierung
dazu.
Jedenfalls gibt es den von Ihnen dargestellten Wider-
spruch nicht. Das hier im Haus verabschiedete Fluglärm-
schutzgesetz enthält hinreichend verschärfte Anforde-
rungen im Bereich des Luftverkehrs. Übrigens ist der
Gesetzestext wortgleich, wenn ich das richtig in Erinne-
rung habe, mit dem Entwurf der alten Bundesregierung
gewesen; lediglich in den Ausschussberatungen hat es
dann Veränderungen gegeben. Die Meinung, es gebe
keine verschärften Grenzwerte, teile ich nicht; für den
Bereich der Siedlungsentwicklung in der Nähe von Flug-
häfen zum Beispiel gibt es diese sehr wohl.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben sich eben intensiv für den
Schutz der Artenvielfalt ausgesprochen. Dabei wollen
wir Sie gern unterstützen. Es gibt einen besonders wich-
tigen Bereich, das Nationale Naturerbe, der, was die Ar-
tenvielfalt angeht, besonders kostbar ist. Die Bundesre-
gierung hat entschieden, dass sie diese Flächen kostenlos
an die Länder und an Dritte übertragen will. Die Frage
an Sie lautet: Mit welchen naturschutzfachlichen Aufla-
gen wollen Sie diese Übertragung an Dritte verbinden,
um diesen wertvollen Bestand zu bewahren?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Erstens haben wir den Verkauf zur wirtschaftlichen
Nutzung – wir sind ja bisher Eigentümer – nicht durch-
geführt. Zweitens gehen wir davon aus, dass dies bei der
Übergabe vertraglich gesichert wird. Drittens soll das in
eine Stiftung münden, wobei bereits der Stiftungszweck
beschreiben wird, wie der Schutz und die Entwicklung
dieser Flächen auszusehen haben.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wie wollen Sie unwiderruflich hinbekommen,
dass das auch gemacht wird?)
– Das hängt von der Vertragsgestaltung ab. Darüber hi-
naus kann es auch darum gehen – das hängt allerdings
von den jeweiligen Landesgesetzgebern ab –, die Flä-
chen in eine bestimmte Naturschutzkategorie zu bekom-
men, wenn sie noch nicht darin sind. Dies ist aber, wenn
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ch das rechtlich richtig einordne, nicht über die Bundes-
egierung möglich. Ein solches Verfahren müsste in den
eweiligen Ländern betrieben werden. Ich bin absolut si-
her, dass wir die vertraglichen Regelungen hinbekom-
en werden.
Frau Kollegin Höhn, wenn Sie mir diese Bemerkung
och gestatten: Wenn Sie eine gute Idee haben, dann sa-
en Sie sie uns. Wir haben kein Interesse daran, diese
lächen über einen langen Zeitraum von zehn oder
5 Jahren wieder zu verlieren. Wir sind für Anregungen
ffen.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Mache ich gerne! Ich wünsche Ihnen auf jeden
Fall erst einmal viel Glück!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die nächste Frage kommt vom Kollegen Fell.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben von einem Wettbewerb bei
en Ideen für erneuerbare Energien gesprochen. Wenn
ch in die Kurzfassung dieses Umweltberichtes schaue,
ann finde ich sie dort nicht dargestellt. Unter den politi-
chen Maßnahmen sind mit einer Ausnahme – 2006
urde das EEG erneut zugunsten stromintensiver Be-
riebe novelliert – ausschließlich Maßnahmen aus der
eit der rot-grünen Bundesregierung dargestellt. Unter
em Punkt Perspektiven, also was es Neues geben soll,
inde ich nur die drei Wörter „erneuerbare Energien aus-
auen“. Insofern würde mich schon sehr interessieren,
elchen Beitrag die Bundesregierung zu dem Wettbe-
erb bei neuen Maßnahmen zum Ausbau erneuerbarer
nergien leistet. Wie sieht es mit dem Erneuerbare-Ener-
ien-Gesetz oder mit dem Wärmegesetz aus? Wird es
in Biogaseinspeisungsgesetz geben? Viele Ideen sind in
er Diskussion – da haben Sie Recht –, aber im Umwelt-
ericht finde ich nichts darüber.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Herr Kollege Fell, wenn Sie mir die bösartige Bemer-
ung erlauben: Ich möchte Sie bitten, auch die Langfas-
ung zu lesen.
Ich will Ihnen aber gerne einige Hinweise geben, was
ort steht. Beginnen wir mit dem Thema Biokraftstoffe.
ie Tatsache, dass die Bundesregierung verabredet hat,
en Anteil der beizumischenden Biokraftstoffe zu erhö-
en – die bis 2009 begrenzte Steuerfreiheit für Biokraft-
toffe wird übrigens verlängert, die der BtL-Kraftstoffe
ogar bis 2015 –, ist Bestandteil einer Strategie zum
usbau der Nutzung erneuerbarer Energien.
Ich habe bereits auf den Teil „Windenergie“ hinge-
iesen. Sie haben recht: Offshorewindenergie war auch
nter Rot-Grün ein Ziel. Allerdings ist kein Instrument
efunden worden, mit dem man dafür sorgen kann, dass
nvestitionen in diesem Bereich – die Kosten sind relativ
och – interessant werden. Ich habe Ihnen ein Beispiel
afür genannt, dass wir auf diesem Gebiet unserer Mei-
ung nach einen ganz großen Schritt getan haben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7507
(A) )
(B) )
Bundesminister Sigmar Gabriel
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Europäische
Union in ihrem Energieaktionsplan ihre Ziele beim Aus-
bau der Förderung erneuerbarer Energien zwischen 2010
und 2020 festlegt. Aus meiner Sicht sind diese Ziele in
einigen Bereichen zu niedrig angesetzt. Was zum Bei-
spiel den Biokraftstoff angeht, sind jetzt 10 Prozent in
Rede. Wir sind der Meinung: 12,5 Prozent sind durchaus
erreichbar. Der Energieaktionsplan der Europäischen
Union enthält Post-2010-Ziele. Auch das schlägt sich im
Programm der Bundesregierung nieder.
Wie Sie wissen, werden wir in diesem Jahr eine Über-
prüfung, einen Review-Prozess, im Bereich des EEG ha-
ben. Darüber werden wir sicher auch hier im Haus dis-
kutieren müssen. Was die Nutzung der erneuerbaren
Wärme angeht, will ich nur auf Folgendes hinweisen: Zu
Zeiten der alten Bundesregierung sind ungefähr 60 000
bis 80 000 entsprechende Anträge – ich weiß die Zahl
nicht mehr ganz genau – gefördert worden; nunmehr ha-
ben wir diese Anzahl verdoppelt. Wir haben in diesem
Haushalt die Mittel von 130 Millionen Euro auf
213 Millionen Euro erhöht. Man kann immer sagen: Das
reicht noch nicht. Aber es ist auf jeden Fall deutlich
mehr, als zu Zeiten der alten Bundesregierung – weshalb
auch immer – durchsetzbar gewesen ist.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Behm, bitte.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben die Frage der erneuerbaren
Rohstoffe angesprochen. Da fällt mir als Agrarpolitike-
rin spontan das Thema Phosphor ein. Es gibt gewisse
Zielkonflikte: Auf der einen Seite wollen wir auf der
Fläche sehr viel anbauen, um so erneuerbare Energien,
sprich: Biomasse, zu fördern; auf der anderen Seite müs-
sen wir aber auch die Ernährung sicherstellen. Wir brau-
chen Phosphor also in einer bestimmten Größenordnung.
Die fossilen Vorräte sind nahezu erschöpft. Wir können
Phosphor aus Kläranlagen rückgewinnen; die notwen-
dige Technologie ist vorhanden. Aber sie wird nicht ge-
nutzt, weil sie im Moment noch zu teuer ist. Können Sie
sich vorstellen, dass Sie entweder mit ordnungspoliti-
schen Maßnahmen, mit einem geeigneten Förderpro-
gramm oder wie auch immer dafür sorgen, dass das Vor-
haben „Phosphorrückgewinnung aus Kläranlagen“ so
schnell wie möglich in die Gänge kommt?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Frau Kollegin, wir haben in unserem Haus ein erstes
Konzept für eine Ressourcenstrategie erarbeiten lassen.
Das Thema Phosphor ist ein größerer Bestandteil dieses
Konzepts, weil uns die Problematik bekannt ist.
Ob wir uns vorstellen können, mit ordnungspoliti-
schen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass dieses Vorha-
ben so schnell wie möglich in die Gänge kommt: Bitte,
haben Sie Verständnis dafür, dass ich diese Frage hier
nicht spontan beantworten kann. Aber in der Tat wird es
darum gehen, dass die Bundesregierung Initiativen er-
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reifen muss, um dem absehbaren und dem bereits exis-
ierenden Mangel in diesem Bereich abzuhelfen.
Ich möchte bei der Behandlung dieses wichtigen The-
as eine zweite Strategie benennen, die mit dem Einsatz
on Düngemitteln und anderem nichts zu tun hat. Es
eht eher um die Frage, ob wir eigentlich zu einem ande-
en Umgang mit erneuerbaren Energien, also mit nach-
achsenden Rohstoffen, kommen müssen. Zurzeit ma-
hen wir Folgendes – das werden wir eine Weile
eibehalten müssen, weil es in diesem Stadium die ein-
ige Möglichkeit ist –: Wir unterstützen diejenigen, die
ersuchen, aus einer Pflanze ein bestimmtes Produkt zu
rzeugen. Wir subventionieren diejenigen über den
trompreis, die durch die Verarbeitung einer Pflanze
trom erzeugen; wir befreien diejenigen von Steuern, die
urch die Verarbeitung einer Pflanze Benzin oder Diesel
rzeugen; wir lassen denjenigen Technologieförderung
ukommen, die durch die Verarbeitung einer Pflanze
ellulose oder Kleidungsstücke herstellen.
Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass
ir neben dem Anbau nachwachsender Rohstoffe gele-
entlich auch noch Nahrungsmittel anbauen wollen. An-
esichts der begrenzten Anbaufläche kommt es zu Nut-
ungskonkurrenzen. Ganz abgesehen davon ist eine
ebatte über Zertifizierungssysteme dringend notwen-
ig. Es macht wenig Sinn, die Zerstörung der Regenwäl-
er durch den Sojaanbau in Zukunft durch eine Zerstö-
ung der Regenwälder aufgrund der Gewinnung von
almöl zu ersetzen. Von diesem Problem einmal ganz
bgesehen, wird es darum gehen, dass wir aus jeder ein-
elnen Pflanze technologisch mehr herausholen müssen.
ahinter steckt das Konzept von Bioraffinerien. Im
runde müssen wir akzeptieren, dass die Chemieindus-
rie traditionell eine Plattformindustrie ist. Wir müssen
us der einzelnen Pflanze unterschiedliche Rohstoffe ge-
innen, die wir unterschiedlichen Nutzungen zuführen
önnen. Eine entsprechende Strategie müssen wir bera-
en. Dabei geht es auch um die Frage: In welche Rich-
ung lenken wir mit bestimmten Anreizsystemen, die wir
ntwickelt haben, die technologische Entwicklung? Wir
tehen noch vor der Auseinandersetzung über diese
rage. Wenn wir sie nicht angehen, wird es zu erhebli-
hen Nutzungskonkurrenzen kommen.
(Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wir werden Sie auf jeden Fall auf dem
Weg in Richtung Bioraffinerien unterstützen!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Hirsch.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Ich habe noch eine Frage zum Naturschutzrecht. Im
ericht wird angekündigt, dass im Zuge der Föderalis-
usreform Änderungen geplant sind. Wie soll das kon-
ret aussehen? Geht es um eine vollständige Änderung,
der geht es nur darum, die Regelungen zur Anlagege-
ehmigung zu ändern?
Im letzten Jahr gab es eine Entscheidung des Europäi-
chen Gerichtshofes, in der gefordert wurde, kleinere
7508 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Cornelia Hirsch
Änderungen vorzunehmen. Wann soll das angegangen
werden? Wie sehen hier die aktuellen Planungen aus?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Zur letzten Frage: Wir haben mit der Kommission
verabredet, dass sie keine weiteren Schritte in Richtung
eines Vertragsverletzungsverfahrens unternimmt. Klar
ist, dass wir die geforderten Änderungen am Bundesna-
turschutzgesetz nicht vornehmen können, solange wir
keine Klarheit darüber haben, welche Konsequenzen wir
aus der Verfassungsreform ziehen müssen. Das hat die
Kommission akzeptiert. Wir müssen nun die Debatte
über die Konsequenzen der Föderalismusreform abwar-
ten, um Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz vor-
nehmen zu können.
Die Frage, wie sich das Bundesnaturschutzrecht vor
dem Hintergrund der Föderalismusreform entwickelt, ist
in diesem Hause hochstrittig debattiert worden. Die
Rechtslage stellt sich nun so dar, dass wir, der Bund, die
Grundsätze des Naturschutzes weiterhin festlegen. Jetzt
wird es natürlich eine Diskussion um die Frage geben,
was zu den Grundsätzen des Naturschutzes gehört. Ich
gebe ein Beispiel: Ich halte es für einen Grundsatz des
Naturschutzrechtes, dass Eingriffe in den Naturhaushalt
ausgeglichen werden müssen. Mir kann jedes Bundes-
land erklären, es glaube nicht, dass das so sei; ich bin
aber der festen Überzeugung, dass es ein Grundsatz ist,
dass man nicht einfach so erheblich in Natur und Land-
schaft eingreifen kann, sondern sinnvollerweise für ei-
nen Ausgleich sorgen muss. Zunächst muss es aber zu
einer Abwägung kommen, ob der Eingriff überhaupt
notwendig ist.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir unserem Zeit-
plan folgen: Bis Mitte des Jahres wird ein Referentenent-
wurf vorliegen. Ich nehme stark an, dass Sie den Ent-
wurf parallel erhalten werden; so wurde bei allen
vorangegangenen Regierungen verfahren. Wir werden
uns dann wahrscheinlich schon vor der Beratung im
Deutschen Bundestag öffentlich über die Details unter-
halten.
Nur eine prinzipielle Bemerkung: Den Glauben, dass
alles Gute von oben kommt, dass ein guter Naturschutz
nur möglich ist, wenn alles bundesweit in Berlin geregelt
wird, teile ich schon aus biografischen Gründen nicht.
Das erste Umweltministerium gab es übrigens in einem
Land, 16 Jahre, bevor es das im Bund gab. Die Entste-
hung von Nationalparks in Westdeutschland war Länder-
angelegenheit; in Ostdeutschland wurden sie per Volks-
kammerentscheid am 12. September 1990 geschaffen.
Naturschutz wird seit vielen Jahren in den Ländern be-
trieben, und zwar engagiert und in eigener Kompetenz.
Ich teile nicht die Auffassung, dass Naturschutzfragen
ausschließlich beim Bund gut geregelt werden können.
Ich glaube, dass es auch in den Ländern engagierten Na-
turschutz gibt und auch in Zukunft geben wird. Ich bin
auch der Überzeugung, dass es Sinn macht, in den
16 Länderdemokratien, die es in Deutschland gibt, um
den Naturschutz zu streiten, ihn zu einem politischen
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hema zu machen und ihn nicht nur auf Bundesebene zu
etreiben. Das ist meine persönliche Haltung.
Es wird darum gehen, mit der Novelle des Bundesna-
urschutzgesetzes und im Rahmen des Umweltgesetzbu-
hes die Grundsätze des Naturschutzes so zu definieren,
ass Ideen zur Einschränkung des Naturschutzes aus den
ändern – ich sprach vorhin davon – nicht Realität wer-
en können.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Kotting-Uhl.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke schön. – Herr Minister, herzlichen Dank für
ie Vorlage des Berichtes. Um Ihren Hinweis an den
ollegen Fell aufzugreifen, möchte ich sagen: Da wir
en Bericht im Gegensatz zu Ihnen erst seit gestern ha-
en, konnten wir alle die 146 Seiten noch nicht gründ-
ich durchlesen. Nach dem, was ich – selektiv – gelesen
abe, muss ich sagen: Es steht manches Schöne drin, bei
em wir Sie auch gern unterstützen, manchmal aber
uch gern treiben würden.
(Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)
ie Langfassung bestätigt den Eindruck, den ich schon
ei der Kurzfassung gewonnen hatte, nämlich dass die
nalysen meist deutlich schärfer und gründlicher ausfal-
en als die Maßnahmen.
Ich habe eine konkrete Frage zur Ressourcenpolitik,
u der, wie wir alle wissen, in vorderster Linie auch die
bfallpolitik gehört. Warum wird im Umweltbericht der
undesregierung das Ziel einer vollständigen Verwer-
ung von Siedlungsabfällen bis 2020 nicht bei den weite-
en Ausbauzielen in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft
enannt, obwohl eine vom Umweltbundesamt zu dieser
ielvorgabe in Auftrag gegebene Studie 2005 zu dem
rgebnis gekommen ist, dass eine vollständige Verwer-
ung von Siedlungsabfällen bereits mit dem heutigen
tand der Technik erreichbar wäre, und eine Broschüre
es BMU zur Abfallwirtschaft vom Juli 2006 diese Ziel-
orstellung noch weitgehend enthält? Heißt das, dass die
undesregierung jetzt von dieser Zielvorgabe abrückt?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Nein.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Klare Antwort: „2020“ bleibt.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Sie haben mich gefragt, ob wir bei der Zielvorgabe
leiben. Darauf antworte ich: Ja. Wir werden dafür aber
emeinsam eine Menge tun müssen. Von allein wird das
icht geschehen. Ich halte das aber für realisierbar.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Warum steht es nicht darin?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7509
(A) )
(B) )
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. – Damit wir das
jetzt nicht zu formell betreiben, sage ich: Auch ich kenne
den Bericht in der Langfassung erst seit zwei Tagen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Haben Sie denn schon darin gelesen?)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt der Kollege Kauch aus der
FDP-Fraktion.
Michael Kauch (FDP):
Herr Minister, zwei Fragen zur Ratspräsidentschaft.
Erstens. Die Europäische Kommission hat einen Ent-
wurf vorgelegt, nach dem die Europäische Union eine
Reduktion der CO2-Emissionen um 20 Prozent unkondi-
tioniert und um 30 Prozent für den Fall vorsieht, dass an-
dere mitmachen. Ich glaube, alle Fraktionen dieses Hau-
ses haben sich für das 30-Prozent-Ziel ausgesprochen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang gern wissen, wie
die Bundesregierung als Ratspräsidentschaft hier agieren
will. Falls es beim 20-Prozent-Ziel bleibt: Wird die Bun-
desregierung bzw. werden die sie tragenden Fraktionen
bei ihrem 40-Prozent-Ziel zur Reduktion im nationalen
Bereich bleiben?
Die zweite Frage betrifft den Emissionshandel im
Luftverkehr. Hierzu gibt es einen Vorschlag des Um-
weltkommissars und eine Entschließung des Europäi-
schen Parlaments, die sich darin unterscheiden, ob man
ein eigenes System aufbaut – so das Europäische Parla-
ment – oder den Luftverkehr in das bestehende System
einbezieht. Hierzu möchte ich gern die Verhandlungs-
linie der Präsidentschaft wissen.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ich beginne mit der Beantwortung der zweiten Frage.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass die Präsidentschaft
bei Beginn der Verhandlungen ein bisschen zurückhal-
tend sein sollte, wenn es darum geht, öffentlich zu erklä-
ren, was sie am Ende erreichen will. Aber ich kann Ihnen
die Position des Umweltministeriums dazu darstellen.
Nach unserer Überzeugung muss man den Luftver-
kehr, der nach Europa geht oder aus Europa in andere
Staaten geht, in das System einbeziehen, weil es sonst zu
ganz erheblichen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb
Europas kommt. Ob uns das am Ende gelingt, wird von
vielen Verhandlungen abhängen. In diese Verhandlungen
müssen, finde ich, auch die Optimierungsstrategien im
Luftverkehr zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs
einfließen, bevor wir überhaupt mit dem Emissionshan-
del beginnen, zum Beispiel auch dadurch, dass wir die
Flugsicherungssituation ein Stück weit vereinheitlichen.
Wenn Sie mit den entsprechenden Gesellschaften reden,
werden Sie feststellen, wie viele Umwege, aus welchen
Gründen auch immer, geflogen werden – mit gigan-
tischem Spritverbrauch, der völlig überflüssig ist. Das ist
ein ziemlich umfassendes Thema.
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Die Ratspräsidentschaft hat es entgegen mancher öf-
entlicher Wahrnehmung kaum in der Hand, eigene Vor-
tellungen durchzusetzen, sondern hat das wesentliche
iel, überhaupt zu Verständigungen zu kommen. Wenn
ir allen anderen erst einmal erklären, wie schlau wir
ind, ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie uns zei-
en wollen, dass wir uns mit unserer Schlauheit nicht
urchsetzen, relativ hoch. Mit der uns eigenen Zurück-
altung wollen wir damit also ein bisschen vorsichtig
mgehen. Aber Sie merken, in welche Richtung das
eht.
Die erste Frage war: Wie verhält es sich mit dem
0-Prozent-Ziel? – Die Bundesregierung strebt eine Re-
uktion um 30 Prozent bis 2020 an und will natürlich al-
es dafür tun, dass wir eine internationale Vereinbarung
arüber erreichen. Sie wissen, dass der Deutsche Bun-
estag kurz vor der Konferenz in Nairobi beschlossen
at, dass Deutschland eine Minderung um 30 Prozent für
uropa für richtig hält und in diesem Fall bereit ist, nati-
nal eine Reduktion um 40 Prozent zu erreichen. Der
undestag hat sich in seinem Beschluss auf die von ihm
ingesetzte Enquete-Kommission „Klimaschutz“ bezo-
en.
Für diese Zielsetzung muss man übrigens keinen be-
onderen Mut haben. Vielmehr ist klar, dass es in Europa
in Burden-Sharing geben wird, wenn es 30 Prozent er-
eichen will: Es wird, wie heute auch, Staaten geben, die
eniger zu diesem Ziel beitragen, während andere mehr
azu beitragen. Heute lautet das Ziel der Europäischen
nion acht Prozent, und Deutschland muss 21 Prozent
ringen, damit das Acht-Prozent-Ziel der Europäischen
nion erreicht wird. Das ist die Beschlusslage des Deut-
chen Bundestages, die ich als Mitglied der Bundes-
egierung nicht zu kommentieren habe.
Hinsichtlich der 20 Prozent muss man darauf achten,
ass keine falsche Interpretation wahrgenommen wird.
ie Europäische Union hat erklärt, selbst dann eine Re-
uzierung um 20 Prozent anzustreben, wenn alle ande-
en internationalen Verhandlungen scheitern. Warum?
eil dies das dringend notwendige Signal an die euro-
äischen Investoren auf dem Energiemarkt ist, dass sie
icht glauben dürfen, dass es in Europa keinen oder nur
enig Klimaschutz gibt.
Das Signal heißt: Selbst für den unwahrscheinlichen
all, dass es nach 2012 kein internationales Abkommen
m Anschluss an das von Kioto gibt, wird es in Europa
icht bei dem Ziel acht Prozent bleiben; vielmehr wird
iese Marke auf mindestens 20 Prozent gesteigert wer-
en. Warum sagt man das? Natürlich, damit die Investo-
en in Europa nicht davon ausgehen, sie könnten, durch
elche Maßnahmen auch immer, entweder den Klima-
chutz konterkarieren oder müssten sich in ihren wirt-
chaftlichen Berechnungen nicht darauf einstellen. Des-
egen halte ich dieses Signal, dass selbst im
chlimmsten Fall des Scheiterns der Kioto-Anschluss-
erhandlungen, was wir alle nicht wollen, unilateral in
uropa mehr und nicht weniger Klimaschutz realisiert
erden wird, für wichtig. Das empfand ich als unterstüt-
enswerten Ansatz. Aber die Bundesregierung hat
benso wie die Kommission das Ziel, 30 Prozent im in-
7510 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesminister Sigmar Gabriel
ternationalen Bereich zu erreichen, weil wir anderenfalls
das Ziel von 60 bis 80 Prozent Reduktion bis 2050 nicht
erreichen werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt der Kollege Heilmann aus der
Fraktion Die Linke.
Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Herr Minister, zu Seite 100 Ihres Berichtes, Punkt
3.2.3, Stärkung der Häfen und der Schifffahrt, habe ich
eine konkrete Nachfrage. Derzeit werden der Jade-We-
ser-Port realisiert und der Ausbau des Hamburger Ha-
fens betrieben. In diesem Zusammenhang gab es schon
einmal Bestrebungen seitens der Bundesregierung; daher
frage ich Sie: Wann wird ein Seehafenkonzept der Bun-
desregierung vorgelegt, das konzeptionell darlegt, wel-
che Häfen wo und wie entstehen bzw. ausgebaut werden
sollen? Denn es macht wenig Sinn, wenn wir erst alle
Häfen ausbauen und im Nachhinein ein Konzept auf-
grund der Ausbauten erstellen.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ich zitiere von der gleichen Seite:
Zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfä-
higkeit der deutschen Seehäfen hat die Bundesre-
gierung beschlossen, ihre Bemühungen um eine
leistungsfähige und anforderungsgerechte Infra-
struktur der Seehafenstandorte zu verstärken sowie
ihre Strategie für die see- und landseitige Anbin-
dung der Häfen fortzuentwickeln und auf der
Grundlage der „Gemeinsamen Seehafenplattform“
mit den Ländern abzustimmen ... Dabei ist es das
Ziel der Bundesregierung, die notwendigen seewär-
tigen und landseitigen Anbindungen der deutschen
Seehäfen gezielt und koordiniert auszubauen.
Aus dem Zitat erkennen Sie, dass diese Konzeption in
der Bundesregierung in Arbeit ist. In Bezug auf Ihre
konkrete Nachfrage nach den Zeitplänen bitte ich Sie um
Verständnis, dass wir diese Informationen nachliefern
müssten, weil ich dazu die beiden dafür originär zustän-
digen Minister, die Kollegen Tiefensee und Glos, fragen
müsste.
Zu der Frage nach Hamburg und Wilhelmshaven
kann ich mich allerdings etwas detaillierter äußern; das
hat etwas damit zu tun, dass ich mich in einer früheren
Funktion sehr für die Entwicklung eines Tiefwasserha-
fens eingesetzt habe. Zwischen diesen beiden Häfen be-
steht in diesem Punkt relativ wenig Konkurrenz, denn
geht man von der Containerschiffsgeneration, für die der
Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven gebaut wird, und von
den Vertragskonstruktionen zwischen Niedersachsen
und Bremen – früher auch mit Hamburg; Hamburg ist
dann später ausgestiegen – aus, so stellt man fest, dass
der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven als Ergänzungs-
hafen für diejenigen Containerschiffe gedacht war, die
die lange Revierfahrt von 80 Kilometern nach Hamburg
aufgrund ihres großen Tiefgangs und ihrer Größe nicht
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ewältigen können. Das ist sozusagen die Idee des Tief-
asserhafens Wilhelmshaven.
Natürlich gibt es vonseiten der Freien und Hansestadt
amburg die Idee, nicht den Hafen auszubauen, sondern
ie Elbe weiter zu vertiefen, um damit die Möglichkeit
u schaffen, dass auch Schiffe mit einem größeren Tief-
ang nach Hamburg fahren. Ob das bei der Containerge-
eration, über die ich eben geredet habe, überhaupt mög-
ich ist, weiß ich nicht – dazu bin ich nicht mehr genug
n der Thematik drin. Außerdem gibt es darüber natür-
ich eine erhebliche Diskussion, beispielsweise was die
rage der Deichsicherheit betrifft. Schon zu meiner Zeit
ab es Abbruchkanten an der Elbe. Es stellt sich die
rage, inwieweit eine weitere Elbvertiefung technisch
berhaupt möglich ist. Die Auseinandersetzung hierzu
at etwas mit Umweltschutz, aber sehr stark auch mit
eichsicherheit zu tun.
Jedenfalls gibt es in der ursprünglichen Hafenkonzep-
ion keinen Wettbewerb zwischen Hamburg und Wil-
elmshaven. Vielmehr ergänzen sich beide Häfen in die-
em Seehafenkonzept. Denn der eigentliche Wettbewerb
indet zwischen der deutschen Nordseeküste und den so-
enannten ARA-Häfen – Amsterdam, Rotterdam, Ant-
erpen – statt. Wenn Sie sich dagegen wenden, Wil-
elmshaven auszubauen, dann ist die Folge nicht, dass
er Hamburger Hafen besser ausgelastet wird. Vielmehr
üssen Sie dann damit rechnen, dass ein Teil der Con-
ainerschiffe in den ARA-Häfen anlandet, die Wert-
chöpfung dort erfolgt, die Arbeitsplätze dort entstehen
nd übrigens auch die landseitigen Infrastrukturverbin-
ungen dort entstehen. Das ist der Grund, warum man
inmal zu einer Konzeption gekommen ist, in der sich
iefwasserhafen Wilhelmshaven und Hamburger Hafen
rgänzen.
Nichtsdestotrotz bleiben aus meiner Sicht eine Menge
ffener Fragen hinsichtlich der ökologischen Verträg-
ichkeit einer weiteren Elbvertiefung und der Gefähr-
ung der Deichsicherheit.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bevor ich dem nächsten Kollegen das Wort für eine
rage gebe, mache ich darauf aufmerksam, dass wir in
er erfreulichen Situation sind, dass wir sehr wissbegie-
ige Abgeordnete haben und einen Minister, der ausge-
prochen detailliert Bescheid weiß und antwortet. Soll-
en alle Abgeordneten, die jetzt noch eine Frage haben,
uch noch zu Wort kommen wollen, bitte ich um kurze,
räzise Fragen und, Herr Minister, soweit es geht, auch
m kurze, präzise Antworten. Manchmal reicht viel-
eicht ein Verweis darauf, wo sich die Kollegen noch
iefgründiger sachkundig machen können. Dann schaf-
en wir vielleicht noch alle, die sich gemeldet haben.
Das Wort hat der Kollege Schmitt aus der SPD-Frak-
ion.
Heinz Schmitt (Landau) (SPD):
Frau Präsidentin, ich werde den Anforderungen, die
ie beschrieben haben, gerne nachkommen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7511
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Heinz Schmitt (Landau)
Ich möchte dem Herrn Minister für die Vorstellung
des Berichtes danken und konkret nach den Anforderun-
gen fragen, die sich für die europäische Ebene ergeben.
Sie haben eben den Bereich des Klimaschutzes angeris-
sen; Sie werden die deutsche EU-Präsidentschaft sicher-
lich dazu nutzen, sich um diesen Bereich zu kümmern.
Es gibt aber noch andere Bereiche, in denen wir Vorrei-
ter sein könnten und die sich auch aus der Beschreibung
im vorliegenden Bericht ergeben. Wieweit werden wir
hinsichtlich der globalen Ebene die Chancen nutzen und
die Anforderungen aufnehmen, Umweltpolitik zu beein-
flussen und zu initiieren?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Wenn ich jetzt der Aufforderung der Präsidentin
nachkommen soll, dann würde ich einfach nur darauf
hinweisen, dass in dem Bericht natürlich die Stichworte
dafür genannt sind. Da geht es einerseits um das Thema
Luftreinhaltung, das insbesondere ein europäisches
Thema ist, bei dem es für uns einen Konflikt zwischen
Europäischem Parlament und Europäischem Rat zu lö-
sen gilt. Es geht weiterhin um das Thema Biodiversität,
also Artenvielfalt. Sie wissen, dass wir im Jahre 2008 die
Biodiversitätskonferenz in Bonn haben werden. Die Vo-
raussetzung dafür ist, dass wir die Strategie zur nationa-
len biologischen Vielfalt hier einbringen – sonst wirken
wir da nicht besonders glaubwürdig. Wir haben natürlich
die Absicht, die EU-Ratspräsidentschaft und auch die
G-8-Präsidentschaft dazu zu nutzen, das vorzubereiten.
Die Frau Bundeskanzlerin hat in ihr G-8-Präsident-
schaftsprogramm ausdrücklich das Thema „Schutz der
Regenwälder“ aufgenommen. Wald ist eines der zentra-
len Themen für die CBD im kommenden Jahr in Bonn.
Sie finden dort ansonsten natürlich eine Vielzahl von
Themen. – Angesichts der Ermahnung der Präsidentin
traue ich mich jetzt nicht, diese weiter auszuführen. Viel-
leicht können wir hier aber einmal eine kräftige Umwelt-
debatte führen.
(Heinz Schmitt [Landau] [SPD]: Danke schön,
sehr gern!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Bulling-Schröter für die
Fraktion Die Linke.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Noch einmal zurück zum Klima. In dem Umweltbe-
richt ist zu lesen, dass die verkehrsbedingten CO2-Emis-
sionen von 1990 bis 2003 um zwei Prozent zugenom-
men haben. Jetzt wird behauptet bzw. geht man davon
aus, dass die europäische Autoindustrie bis 2008 die
Selbstverpflichtung von 140 Gramm pro Kilometer er-
reichen wird. Ich meine, dass dies absolut verfehlt wird;
auch alle Sachverständigen sagen das. Ich denke auch,
Selbstverpflichtungen sind immer ganz schwierig.
Meine Frage an Sie: Wie gedenken Sie, dafür zu sor-
gen, dass vor allem die deutsche Autoindustrie hier jetzt
einmal tätig wird?
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Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Ich möchte einen Punkt richtigstellen – ich habe eben
och einmal nachgefragt –: Im Bericht steht als genaue
ormulierung, dass die europäische Automobilindustrie
ich nach eigenen Angaben noch im Zielkorridor befin-
et. Das stimmt auch. Wir wissen aber alle – die Auto-
obilindustrie bestreitet das auch nicht –, dass es eher
nwahrscheinlich ist, dass die Automobilindustrie das
iel ihrer Selbstverpflichtung, den CO2-Ausstoß auf
40 Gramm pro Kilometer bis zum Jahre 2008 zu sen-
en, erreicht. Darüber hinaus hat die europäische Auto-
obilindustrie erklärt, ohne eine genaue Jahreszahl zu
ennen, dass als nächster Schritt 120 Gramm pro Kilo-
eter angestrebt werden.
Aus meiner Sicht – das wird bereits im Februar in ei-
er ersten politischen Orientierungsdebatte im Europäi-
chen Umweltrat eine Rolle spielen – müssen wir zur
enntnis nehmen, dass das Ziel der Selbstverpflichtung
icht erreicht wird, dass die Erklärungen der Automobil-
ndustrie dafür nicht völlig falsch sind, aber uns aus Kli-
aschutzgesichtspunkten nicht zufriedenstellen kön-
en. Deshalb müssen wir in diesem Bereich
echtsetzungsmaßnahmen vornehmen. Sie kennen
eine Position. Diesbezüglich wird es aber mit Sicher-
eit einen erheblichen Debattenbedarf im Rat geben.
nser Ziel ist es, in der Junisitzung des Europäischen
mweltrates alle 27 Mitglieder auf einen gemeinsamen
tandpunkt zu verpflichten.
Die Koalitionsfraktionen haben ja erklärt, dass sie
eine Möglichkeit sehen, zur Erreichung des 140-Gramm-
iels den Einsatz von Biokraftstoffen anzurechnen, zur
rreichung des 120-Gramm-Ziels sich dies aber vorstel-
en können. Ich glaube, um das 120-Gramm-Ziel und
rgendwann einmal das 100-Gramm-Ziel zu erreichen
die Debatte wird sich ja ähnlich wie bei den Schad-
toffnormen Euro 4 und Euro 5 entwickeln –, müssen
rei Faktoren beachtet werden:
Erstens müssen wir uns die Motorentechnik an-
chauen. Das ist übrigens auch gut für die Verbraucher;
enn wenn man weniger Sprit verbraucht, spart man
eld.
Zweitens müssen wir die weitere Entwicklung von
iokraftstoffen im Auge behalten.
Drittens muss Einfluss auf das Fahrverhalten der
ahrzeuge und Kraftfahrzeugführer genommen werden.
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Ent-
wicklung vor allen Dingen!)
Ich weiß nicht, ob es sich hier um ein Missverständnis
andelt. In meinem ersten Punkt ging es ja um die Moto-
entechnik und ihre Entwicklung.
Alle drei genannten Bereiche müssen wir, wie ich
laube, in den Blick nehmen, wenn wir die engagierten
ielsetzungen erreichen wollen, und wir müssen sie er-
eichen, sonst erreichen wir die Klimaschutzziele auf
einen Fall.
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Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt der Kollege Fell aus der Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, herzlichen Dank für den Hinweis auf
die Langfassung des Umweltberichtes.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ich habe extra gesagt, ich meine es nicht böse.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe das auch nicht als bösartig aufgefasst. Ich
persönlich wäre nur nie auf die Idee gekommen, dass
man in der Kurzfassung tolle Ideen der Bundesregie-
rung, die in der Langfassung enthalten sind, ver-
schweigt. Deshalb war ich etwas irritiert.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Eins zu eins.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gestatten Sie mir, dass ich noch einmal nachfrage,
weil ich in der Kurzfassung erneut einen ganz zentralen
Punkt vermisse. Sie haben von den Biokraftstoffen ge-
sprochen und dabei die Vorgaben zur Beimischung er-
wähnt, die wir unterstützen. Im Reinkraftstoffmarkt hat
die Bundesregierung ja eine Besteuerung von Biokraft-
stoffen beschlossen, die schon jetzt verheerende Wirkun-
gen in diesem großen Marktsegment zeitigt: Biodiesel-
produzenten schließen ihre Produktionsstätten in
Deutschland und wandern ins Ausland ab, die Abnahme-
mengen sinken, reine Pflanzenöle haben größte Pro-
bleme, sich am Markt zu behaupten, usw. Gibt es denn
wenigstens in der Langfassung einen Rettungsvorschlag
der Bundesregierung für die Produzenten von reinen Bio-
kraftstoffen? Die bisherige Beschlusslage ist für diese ja
schlichtweg verheerend.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ich teile Ihre Auffassung nicht. Der Entwicklungsvor-
schlag steht schon in der Kurzfassung.
Erstens ist es so, dass die Bundesregierung und der
Deutsche Bundestag keine Besteuerung beschlossen ha-
ben, sondern auf der Basis der Debatte mit der Europäi-
schen Kommission die Überförderung von Biokraftstof-
fen haben einstellen müssen. Es gab ja eine interessante
Entwicklung, nämlich eine neue Form der Ölpreisbin-
dung. Beim Gas kennen wir diese ja. Aber wieso parallel
zu steigenden Preisen bei fossilen Energieträgern wie Öl
und Benzin auch die Biokraftstoffe teurer wurden, hat
uns keiner so richtig erklären können. Die Wahrschein-
lichkeit ist hoch, dass hier Mitnahmeeffekte eine Rolle
gespielt haben. Die Kommission hat zu Recht darauf
hingewiesen, dass dies gegen europäisches Wettbe-
werbsrecht verstößt, sodass wir mit der Einführung der
Besteuerung lediglich diese Überförderung abschöpften.
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Zweitens. Eine Gefährdung auf diesem Markt kann
ch, zumindest zum heutigen Tag, nicht erkennen; denn
ir haben gleichzeitig große Schritte bezüglich einer
nhebung der beizumischenden biologisch basierten
raftstoffe geplant. Das heißt, der Markt wächst in dem
ereich, und zwar ganz enorm. Von daher – wir haben ja
uch verabredet, dass wir uns diesen Markt immer wie-
er anschauen – sehe ich die von Ihnen beschriebenen
efahren nicht. Ich wehre mich ein bisschen dagegen,
enn dem Finanzminister und der Bundesregierung un-
erstellt wird, wir hätten hier sozusagen die volle Besteu-
rung eingeführt. Sie wissen, dass das nicht der Fall ist.
ir waren gezwungen – sonst wären wir vor dem EuGH
elandet –, die Überförderung bei Biokraftstoffen abzu-
auen. Genau das tut die Bundesregierung.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt die Kollegin Behm.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, dass infolge des Klimawandels ex-
reme Witterungsereignisse wie verstärkte Dürren und
ochwässer auf uns zukommen, weiß inzwischen jeder,
benso, dass der Landschaftswasserhaushalt auch aus
iesem Grunde unserer besonderen Fürsorge bedarf. Ich
rage Sie deshalb: Teilen Sie meine Auffassung, dass
ufgrund dieser Tatsache die Planung des Ausbaus der
undeswasserstraßen, also die Vertiefung und Verbreite-
ung der Flüsse, unbedingt zu den möglichen Folgen des
limawandels in Bezug gesetzt werden muss und dass
iese bei den Planungen berücksichtigt werden müssen?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Ja.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine kurze und präzise Antwort. – Die nächste Frage
tellt der Kollege Hans-Kurt Hill aus der Fraktion Die
inke.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Vielen Dank. – Herr Minister, meine Kollegin hat
chon darüber gesprochen. Die „Saarbrücker Zeitung“
itelt heute sehr schön: „Sigmar Gabriel zieht gegen die
pritschlucker zu Felde“. Auch ich komme aus einem
utoland. Nicht viele wissen, dass das Saarland ein Au-
oland ist; aber dort ist ein sehr großes Autowerk.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Es ist doch schön, wenn man beim Deutschen Bun-
estag auch einmal einen Erkenntniszuwachs hat. Das
ar mir auch nicht klar.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Dieses Autowerk baut ein wunderschönes Auto, das
it Bioethanol betrieben wird, allerdings für den schwe-
ischen Markt; aber man kann es auch hier in Deutsch-
and beziehen. Ich möchte für dieses Auto werben, damit
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7513
(A) )
(B) )
Hans-Kurt Hill
auf den Straßen weniger CO2 ausgestoßen wird. – Aber
damit ist der Werbeblock für das Saarland auch schon zu
Ende.
Die EU-Kommission hat sich in ihrem letzte Woche
vorgestellten Maßnahmenpaket zur Energie- und Klima-
politik dafür ausgesprochen, eine Trennung von Netzbe-
treibern und Energieversorgern herbeizuführen. Dies ist
unserer Meinung nach nicht nur im Blick auf die Ener-
giepreise erforderlich, sondern stellt auch eine entschei-
dende Bedingung für die notwendige Umgestaltung des
Energiesektors hin zu den erneuerbaren Energien dar. Im
Umweltbericht der Bundesregierung, soweit ich ihn ge-
lesen habe, wird diese Problematik meines Erachtens mit
keinem Wort erwähnt. Gibt es dafür einen Grund, oder
hat man das einfach vergessen?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Das haben wir nicht vergessen, sondern wir haben
versucht, uns auf einen Bereich zu konzentrieren, bei
dem die Menschen durch ihren Alltagssachverstand un-
mittelbar darauf kommen, dass dieser Bereich etwas mit
Umwelt zu tun hat. Für das Thema des Wettbewerbs auf
dem deutschen und dem europäischen Strommarkt in-
teressieren sich vermutlich erst einmal der Verbraucher-
schutz und die Wirtschaftspolitik. Trotzdem besteht na-
türlich die Notwendigkeit, dazu eine Position zu finden.
Die Bundesregierung befindet sich in der Abstimmung
dieser Position. Den Presseberichterstattungen der letz-
ten Tage ist zu entnehmen, dass wir da durchaus differie-
rende Meinungen haben.
Vielleicht zur Erläuterung: Die Kommission bietet
zwei Wege an, nämlich das echte Ownership-Unbund-
ling und das sogenannte Independent Operator System.
Nun wird man schnell Fälle finden, in denen nicht so
ganz sicher ist, dass das Independent Operator System
funktioniert. Ich zähle Deutschland nicht dazu; denn im
Unterschied zu anderen europäischen Mitgliedstaaten
haben wir nachweislich – das sagt auch die Kommission –
eine starke Regulierungsbehörde, die die Voraussetzung
dafür ist, dass das Independent Operator System die glei-
chen Wettbewerbserfolge erzielt wie Ownership-Un-
bundling. Aber da gibt es durchaus differierende Mei-
nungen. Darüber werden wir sicherlich in den nächsten
Tagen und Wochen auch hier zu beraten haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die letzte Frage zu diesem Tagesordnungspunkt stellt
die Kollegin Kotting-Uhl.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank.–
(Zuruf des Bundesministers Sigmar Gabriel)
– Aber immer, Herr Minister. Sie sind doch immer sou-
verän, bei jeder Antwort.
Ich habe eine Frage, die normalerweise nicht im Zen-
trum unserer Debatten steht. In meinen Augen macht sie
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ber den Misserfolg, was die industrielle Selbstver-
flichtung angeht, deutlich. Der Blaue Engel wird im
ericht als Erfolg gefeiert. Auf Seite 66 dieses Berichts
erden unter der Aufzählung der Produkte, die dieses
mweltzeichen tragen dürfen, auch Handys genannt. Ich
ehe einmal davon aus, dass der Bundesregierung be-
annt ist, dass kein einziges Handy auf dem Markt die-
es Umweltzeichen trägt – obwohl ein Drittel dies
önnte –, weil die Hersteller den Blauen Engel boykot-
ieren.
Meine Frage lautet: Gibt es eine Strategie der Bun-
esregierung – wenn ja, wie sieht sie aus? –, um im In-
eresse der Handybenutzer zu einer Kennzeichnung zu
ommen?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Ich muss ehrlich antworten, dass ich da überfragt bin.
ie haben mich an einer Stelle erwischt, wo ich nicht so
ouverän bin. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob wir eine
echtliche Möglichkeit haben, entsprechend Einfluss zu
ehmen.
Tatsache ist aber, dass Sie recht haben. Am Bundes-
mt für Strahlenschutz läuft sogar ein Untersuchungs-
rogramm, mit dem es jedem Einzelnen problemlos
öglich ist, festzustellen, ob er sein Handy gefahrlos
utzen kann oder ob es bestimmte Werte überschreitet.
Sie haben vorhin gesagt, Sie wollen mich gelegentlich
reiben. Nun treiben Sie mich. Ich werde versuchen, das
u klären.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich beende die Befragung und danke dem Minister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 16/4022 –
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die
arlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
ur Verfügung.
Die Fragen eins und zwei der Kollegin Dr. Gesine
ötzsch werden schriftlich beantwortet. Ich danke der
taatssekretärin, dass sie sich für die Beantwortung zur
erfügung gestellt hat.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
raucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamenta-
ische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Behm auf:
Inwiefern hält die Bundesregierung die vorgesehenen
Sanktionen für Landwirte, die Pflanzenschutzmittel anwen-
den, die in Deutschland nicht zugelassen sind, für ausrei-
chend, und gibt es aufgrund der jüngsten Berichte über den
Verkauf nichtzugelassener Pflanzenschutzmittel Überlegun-
gen zu Änderungen?
7514 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Die Anwendung eines nichtzugelassenen Pflanzen-
schutzmittels ist nach der derzeitigen Rechtslage eine
Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von
bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Ich habe mich er-
kundigt: Im vergangenen Jahr wurden Strafen in ähnli-
cher Höhe, nämlich von bis zu 40 000 Euro, verhängt.
Ein Verstoß gegen das Verbot der Anwendung nicht-
zugelassener Pflanzenschutzmittel kann darüber hinaus
im Rahmen der sogenannten Cross-Compliance-Kon-
trollen zu einer zusätzlichen Kürzung der Direktzah-
lungen führen. Die Bundesregierung hält die Sanktions-
möglichkeiten daher für ausreichend.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zur Nachfrage.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich würde gerne wissen: Wie groß ist die Zahl der
aufgedeckten Fälle im Verhältnis zu den Kontrollen?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Ich kann Ihnen generell sagen, dass im vergangenen
Jahr 2 000 Kontrollen durchgeführt wurden. In
0,5 Prozent der Fälle konnten Verstöße festgestellt wer-
den.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
frage.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gibt es Hinweise darauf, ob die in ihrer Höhe nicht
ganz unerheblichen Strafen eine abschreckende Wirkung
gezeigt haben?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Ich gehe davon aus, dass solche Strafen Wirkung zei-
gen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Kollegin Höhn hat noch eine Nachfrage.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden,
dass im letzten Jahr 2 000 Kontrollen durchgeführt wor-
den sind? Das würde bei 0,5 Prozent Verstößen bedeu-
ten, dass zehn Verstöße aufgedeckt worden sind. Ist
diese absolute Zahl richtig? Es wäre gut, wenn Sie in
diesem Zusammenhang sagen würden, wie viele Bauern
es in Deutschland gibt, damit wir die Zahl von 2 000
Kontrollen besser einordnen können.
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Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz:
Wenn 0,5 Prozent von 2 000 10 sind, dann trifft es so
u, wie Sie es formuliert haben.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Können Sie noch sagen, wie viel Bauern wir in
eutschland haben?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz:
Wir haben einige Hunderttausend. Es gibt aber da-
über hinaus auch viele Private, die Pflanzenschutzmittel
nwenden – ich nehme an, auch Sie gehören dazu –: im
arten, im Umfeld, zur Unkrautbekämpfung. Es geht
lso weit darüber hinaus.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatssekretär. – Damit sind wir am Ende
hres Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Die
rage 4 der Kollegin Cornelia Behm wird schriftlich be-
ntwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
nd Entwicklung. Die Fragen 5 und 6 des Kollegen
r. Karl Addicks werden ebenfalls schriftlich beantwor-
et.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums des Innern auf. Hier hätte der Parlamentarische
taatssekretär Peter Altmaier zur Beantwortung zur Ver-
ügung gestanden, aber auch die Fragen 7 und 8 des Kol-
egen Josef Philip Winkler werden schriftlich beantwor-
et.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beant-
ortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
agmar Wöhrl bereit.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Hans-Kurt Hill auf:
Welchen Einfluss auf den Emissionshandel und auf die
Versorgungssicherheit Deutschlands mit bezahlbarer Energie
hat die aktuelle Planung von Kraftwerken mit fossilen Brenn-
stoffen bzw. Ersatzbrennstoffen, EBS, und hält die Bundesre-
gierung eine Beurteilung dieser Frage auf der Grundlage der
Liste der geplanten Großkraftwerke, die zum dritten Energie-
gipfel im April 2006 von ihr veröffentlicht wurde, für ausrei-
chend, obwohl die aktuellen Planungen der Energieversor-
gungsunternehmen mittlerweile deutlich von denen in der
oben genannten Liste abweichen?
Frau Staatssekretärin.
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Wirtschaft und Technologie:
Herzlichen Dank. – Die Frage hat zwei Aspekte. Ein-
al geht es um den Emissionshandel und um seine Um-
etzung in Deutschland. Hier haben wir die Zielsetzung,
en CO2-Ausstoß zu senken und Anreize zur Effizienzer-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7515
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl
höhung auch im Rahmen des Kraftwerksneubaus zu
schaffen. Wir haben mit unserem NAP I eine sehr güns-
tige und langfristige Allokationsregel auf den Weg ge-
bracht, eben auch für hocheffiziente Neubauten. Damit
realisieren wir auch hier die Ziele, Investitions- und Pla-
nungssicherheit zu geben sowie Anreize für rasche In-
vestitionen in diesem Bereich zu bieten.
Die Kommission hat jetzt gegen die langfristige Be-
freiung von Minderungspflichten im NAP II entschie-
den, also gegen die Frist von 14 Jahren, die wir gerne ge-
habt hätten. Aber wir werden hier das Ziel in der zweiten
Periode im Rahmen eines Systems effizienzorienterter
CO2-Standards realisieren. Ein Maximum an Investi-
tions- und Planungssicherheit streben wir auch im Rah-
men eines Benchmarkings an.
Dann kommen wir zum zweiten Aspekt, zur Versor-
gungssicherheit. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz ist
es Aufgabe der Energieversorgungsunternehmen, für
eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucher-
freundliche, effiziente und umweltverträgliche Versor-
gung mit Elektrizität zu sorgen. Sie haben auf dem Ener-
giegipfel Zusagen auch für Investitionen im Kraftwerks-
und Netzbereich gemacht, und daran müssen sie sich
letztlich messen lassen.
Auch wenn die Energieversorgungsunternehmen an-
lässlich der aktuellen Entwicklung beim Emissionshan-
del ihre Investitionen überdenken, wie sie angekündigt
haben, gehen wir davon aus, dass sie ihre Zusagen zum
Kraftwerksneubau bis zum Jahre 2012 einhalten werden.
Das ist wichtig, um den angestrebten breiten Energiemix
bei uns zu erreichen, und es ist auch Voraussetzung für
die Erhaltung der Versorgungssicherheit zu bezahlbaren
Preisen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für Ihre Antwort –
sie stellt mich natürlich nicht zufrieden. Ich habe bereits
in mehreren Anfragen direkt an das Wirtschafts-
ministerium gebeten, mir mitzuteilen, wie nun die Pla-
nung des Kraftwerksbaus aussieht. Sie beziehen sich
konsequenterweise auf den Energiegipfel, auf dem die
entsprechenden Energieversorgungsunternehmen eine
Planung offengelegt haben. Aber wie Sie selber aus Zei-
tungsberichten ersehen können, ist diese Planung mitt-
lerweile obsolet und es gibt neue Planzahlen. Daher
stelle ich die ganz einfache Frage: Stehen Ihnen diese
Planzahlen zur Verfügung?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Wir gehen von den Zahlen aus, die uns auf dem Ener-
giegipfel im Rahmen der Zusagen von Energieversor-
gungsunternehmen vorgelegt worden sind. Hinsichtlich
neuerer fixierter Planungen liegt uns nichts vor.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben noch eine zweite Nachfrage.
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Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Es tut mir leid, Frau Staatssekretärin. Aber diese Ant-
ort kann mich nicht zufrieden stellen; das können Sie
ich vorstellen. Ich sage es noch einmal: Selbst in ent-
prechenden Fachzeitschriften und in Publikationen der
nergieversorger, also in der Öffentlichkeit, wird über
eue Planungen gesprochen und berichtet. Hat Ihr Minis-
erium denn nicht das Ziel, von neuen Daten auszugehen,
nd wäre es nicht Ihre Pflicht, einen Datenaustausch mit
en Energieversorgungsunternehmen durchzuführen?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Wirtschaft und Technologie:
Dies ist eine andere Frage als die vorherige Frage, die
ie gestellt haben. Sie haben mich gefragt, ob vonseiten
er Energieversorgungsunternehmen Zusagen bestehen.
ch habe gesagt: Die Zusagen, die wir haben, haben wir
uf dem Energiegipfel bekommen.
Dass angesichts veralteter und modernisierungsbe-
ürftiger Kraftwerke die Notwendigkeit besteht, den Bau
on mit besseren Technologien ausgestatteten Kraftwer-
en auf den Weg zu bringen – dies betrifft in Deutschland
inen Bereich von 40 000 Megawatt Leistung –, wissen
ir natürlich. Deswegen hoffen wir, dass es vonseiten
er Energieversorgungsunternehmen kurzfristig und sehr
chnell angegangen wird, die teilweise modernisierungs-
edürftigen und nach unserer Meinung vor allem in Be-
ug auf CO2-Emissionen nicht mehr auf dem neuesten
echnologischen Stand befindlichen Kraftwerke zu erset-
en.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Frau Staatssekretärin. – Ich rufe die Frage 10,
benfalls vom Kollegen Hans-Kurt Hill gestellt, auf:
Wie informiert sich die Bundesregierung über die aktuel-
len Entwicklungen und geplanten Kraftwerke im Stromerzeu-
gungssektor, und ist sie gewillt, das Parlament über die aktuel-
len Entwicklungen zu informieren?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege Hill, Sie haben nach den Informations-
uellen in Bezug auf aktuelle Entwicklungen und Inves-
itionen im Kraftwerksbereich gefragt. Dies schließt an
hre Frage an, woher wir Informationen haben. Informa-
ionen haben wir wie Sie aus Veröffentlichungen in
ach- und Tageszeitungen, von den Unternehmen selbst
der auch von Branchenverbänden. Darüber hinaus ha-
en wir Daten aufgrund der Anmeldungen der Energie-
ersorgungsunternehmen im Rahmen des Emissionshan-
els, im Rahmen des NAP I und NAP II. Diese haben
ich verpflichtet, sich anzumelden, sofern, wie jetzt auch
NAP II vorgesehen, in der laufenden Zuteilungsperiode
ine Zuteilung für eine neue oder Ersatzanlage erfolgen
oll.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Hill, Sie haben das Wort zu einer ersten Nach-
rage.
7516 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
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Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Es tut mir leid.
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Dafür sind
wir da.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Aber ich hätte gern meine Frage beantwortet. Die
Frage lautete, ob Sie über die aktuellen Entwicklungen
in Bezug auf geplante Kraftwerke im Stromerzeugungs-
sektor informiert sind und ob Sie gewillt sind, uns diese
Informationen mitzuteilen.
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Ihre Frage lautete: Wie informiert sich die Bundesre-
gierung? Eine Antwort darauf habe ich Ihnen gegeben.
Die Bundesregierung informiert sich aus Veröffentli-
chungen der Unternehmen, in Gesprächen mit den Un-
ternehmen selbst und im Rahmen der Anmeldungen, die
Energieversorgungsunternehmen im Rahmen des Emis-
sionshandels vornehmen müssen. Diese sind ja notwen-
dig; denn sonst kann keine Zuteilung erfolgen. Wenn
Zahlen vorliegen, steht nichts dagegen, dem Parlament
diese Zahlen zur Verfügung zu stellen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich nehme an, Sie haben eine zweite Nachfrage?
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Ja. – Ich habe einfach die Bitte: Stellen Sie doch dem
Parlament diese Zahlen zur Verfügung. Dann bräuchte
ich diese Frage nicht zu wiederholen. Machen Sie das?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Wenn Sie die Frage gestellt hätten, wie die Zahlen
lauten, hätte ich Ihnen gesagt, dass wir Ihnen diese zu-
künftig gern zur Verfügung stellen. Sie haben diese
Frage jetzt indirekt gestellt, und wir werden Ihnen die
Zahlen zuleiten.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke. – Dann kommen wir zur Frage 11 der Kolle-
gin Bärbel Höhn:
Inwiefern will die Bundesregierung den Ölverbrauch
Deutschlands in den nächsten Jahren angesichts der Unterbre-
chungen von Öllieferungen aus Russland verringern, und ist
in diesem Zusammenhang die Besteuerung von Biokraftstof-
fen weiterhin sinnvoll?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Liebe Frau Kollegin Höhn, Sie haben nach der Verrin-
gerung des Ölverbrauchs gefragt. Die Bundesregierung
verfolgt schon seit einigen Jahren eine Gesamtstrategie,
die Deutschland vor allem von importierten fossilen
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nergieträgern unabhängiger macht. Die Senkung des
lverbrauchs wird unter den Gesichtspunkten der Ver-
orgungssicherheit, des Klimaschutzes und der Wirt-
chaftlichkeit betrachtet. Hierzu werden ordnungsrecht-
iche und förderpolitische Maßnahmen durchgeführt
owie verstärkte Verbraucherinformationen im Hinblick
uf den Gebäudebereich gegeben. Dies haben wir schon
n der Vergangenheit gemacht und werden es auch in Zu-
unft tun. Denn so kann der Verbrauch von Heizöl be-
rächtlich reduziert werden.
Wir haben auf dem Energiegipfel Anfang Oktober
006 einen Aktionsplan für mehr Energieeffizienz vor-
elegt, in dem wesentliche Handlungsfelder aufgeführt
orden sind. Es wurden geeignete Maßnahmen vorge-
chlagen. Hierzu gehören die laufende Novellierung der
nergieeinsparverordnung und die Fortsetzung des CO2-
ebäudesanierungsprogramms der KfW. Aktuell wurde
on der Bundesregierung und der Mineralölwirtschaft
ine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die den ver-
tärkten Einsatz heizölsparender Brennwerttechnik und
chwefelarmen Heizöls zum Ziel hat.
Außerdem hat der Deutsche Bundestag im Hinblick
uf den Straßenverkehr mit dem am 1. Januar 2007 in
raft getretenen Biokraftstoffquotengesetz ein ambitio-
iertes Vorhaben für den Einsatz von Biokraftstoffen be-
chlossen. Darin wurde die Verpflichtung formuliert, bis
um Jahre 2015 eine Biokraftstoffquote von 8 Prozent
u erreichen.
Darüber hinaus wird der Reinkraftstoffmarkt durch
is Ende des Jahres 2011 gewährte Steuererleichterun-
en für unvermischte Biokraftstoffe, die nicht der Erfül-
ung der Quote dienen, gestützt. Die zweite Generation
er Biokraftstoffe erfährt sowohl hinsichtlich der Anre-
henbarkeit auf die Quote als auch hinsichtlich der ener-
iesteuerrechtlichen Behandlung eine besondere Förde-
ung. Die Bundesregierung strebt an, bis zum Jahr 2020
inen Anteil von 12,5 Prozent zu erreichen. Im Rahmen
ieses Gesamtkonzepts ist der Einstieg in die Besteue-
ung der Biokraftstoffe nicht nur ökonomisch und ökolo-
isch sinnvoll, sondern auch haushaltspolitisch erforder-
ich und EU-rechtlich geboten.
Weitere spezifische Senkungen des Verbrauchs von
ahrzeugen werden zusätzlich zur Minderung des Ein-
atzes von Erdölprodukten beitragen. Langfristig wird
er Ölverbrauch auch durch die im Frühjahr 2006 for-
ulierte Strategie der Bundesregierung zur Förderung
er Wasserstofftechnologie deutlich eingeschränkt.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Nachfrage.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, der Biokraftstoffverband BBK
eklagt, dass es insbesondere durch den Beschluss der
undesregierung und der Mehrheit des Bundestages, die
einen Biokraftstoffe zu besteuern, auf diesem Sektor im
ugust letzten Jahres zu einem massiven Einbruch um
5 Prozent gekommen ist. Dieser Biokraftstoffverband
acht darauf aufmerksam, dass die Biokraftstoffe schon
m Jahre 2007 einen Anteil am gesamten Kraftstoffsek-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7517
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Bärbel Höhn
tor in Höhe von 11 bis 12 Prozent hätten haben können
und dass durch die Beschlüsse der Bundesregierung ge-
nau dieses ehrgeizige Ziel nun nicht mehr zu erreichen
ist. Sie wollen die Ziele, die der BBK eigentlich schon
für dieses Jahr angepeilt hat, erst im Jahre 2020 errei-
chen, also sehr viel später. Die Bundeskanzlerin hat vor
kurzem im „Deutschlandfunk“ gesagt, dass bei Biokraft-
stoffen noch Spielraum besteht. Bedeutet das, dass Sie
den verheerenden Beschluss der Besteuerung der reinen
Biokraftstoffe, der in diesem Jahr umgesetzt werden soll,
überdenken werden?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Das soll diese Aussage nicht bedeuten. Wir wissen
genau, dass damals aus haushaltstechnischen Gründen
kein anderer Beschluss möglich war. Die Bedenken und
Aussagen des Biokraftstoffverbandes, die Sie angeführt
haben, muss man natürlich ernst nehmen; das ist klar.
Daher werden wir nach einer gewissen Zeit eine Evalu-
ierung vornehmen, deren Ergebnisse eine Rolle spielen
werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der von mir erwähnte Biokraftstoffverband hat darauf
aufmerksam gemacht, dass es schon jetzt Überlegungen
gibt, bestehende Anlagen abzubauen und sie in Öster-
reich wieder aufzubauen, weil dort die Bedingungen
besser sind, und die Planung neuer Anlagen nicht weiter
zu verfolgen. Wir haben also nicht mehr viel Zeit und
dürfen nicht zögern. Momentan wird die Infrastruktur
nicht ausgebaut. Es besteht sogar die Gefahr, dass die
vorhandene Infrastruktur abgebaut wird. Im Übrigen
weise ich darauf hin, dass auch Abgeordnete der Großen
Koalition dem damaligen Besteuerungsbeschluss im
Bundestag nicht zugestimmt haben, dass es dagegen also
massiven Widerstand gab.
Sind Sie wie ich der Meinung, dass wir, wenn wir un-
sere Abhängigkeit vom Öl und in diesem Zusammen-
hang insbesondere unsere Abhängigkeit von Russland
verringern wollen, dringend unsere Biokraftstoffquote
erhöhen müssen und dass die gegenwärtigen Beschlüsse
der Bundesregierung nicht optimal sind, um dieses Ziel
zu erreichen?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Ich stimme mit Ihnen nicht darin überein, dass die Be-
schlüsse der Bundesregierung in dieser Hinsicht nicht
optimal sind. Dass man Beschlüsse später verbessern
kann, steht außer Frage. Wir wissen, dass wir den Ener-
giemix fortentwickeln müssen, und werden das in unse-
ren beiden Gesetzgebungsverfahren zu tun wissen. Ich
glaube, wir alle stehen dahinter, den Anteil der erneuer-
baren Energien – auch an der Stromerzeugung – bis zum
Jahr 2020 auf 20 Prozent auszubauen. Wir werden hier
entsprechende Gesetze entwerfen.
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Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke. – Wir kommen damit zur Frage 12 – diese
rage hat ebenfalls die Kollegin Bärbel Höhn gestellt –:
Welche der von der EU-Kommission vorgeschlagenen
Entflechtungsvarianten für den Strommarkt favorisiert die
Bundesregierung für Deutschland: die eigentumsrechtliche
Entflechtung oder die Einrichtung eines unabhängigen System-
operators?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Wirtschaft und Technologie:
Deutschland gehört zu den Mitgliedstaaten der Euro-
äischen Union, die die geltenden Binnenmarktvor-
chriften zur rechtlichen Entflechtung des Netzbetriebes
ollständig umgesetzt haben; leider sind dies gerade ein-
al sieben Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung ist of-
en für die anstehende Diskussion über die Vorschläge
er Europäischen Kommission für eine Verschärfung der
ntflechtungsbestimmungen. Für uns ist wichtig, dass
ir hier mehr Wettbewerb und einen diskriminierungs-
reien Netzzugang bekommen. Hinsichtlich einer voll-
tändigen Eigentumsentflechtung des Netzes – das ist
ekannt – haben wir rechtliche Bedenken: Es ist zu über-
rüfen, inwiefern so etwas verfassungsrechtlich zulässig
st. Auch die wirtschaftlichen Folgen werden zu disku-
ieren sein.
Wir präferieren im Moment das Modell einer unab-
ängigen Netzsteuerung. Denn wir wissen, dass eine rein
ationale Perspektive zukünftig nicht mehr ausreichen
ird. Wir brauchen Strukturen, die die Entwicklung
renzüberschreitender Transportnetzgesellschaften för-
ern, vielleicht zuerst auf regionaler, dann auf europäi-
cher Ebene. Wichtig ist – auch da wir die EU-Ratsprä-
identschaft innehaben –, zunächst einmal in die
rörterungen mit den anderen Mitgliedstaaten einzutre-
en. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, erst ein-
al zu überprüfen, wie das geltende System umgesetzt
orden ist bzw. wo noch Mängel hinsichtlich der Um-
etzung bestehen und wie wir es schaffen, die Unabhän-
igkeit der Netzsteuerung zu verstärken. Doch zunächst
uss – ich wiederhole es, weil es so wichtig ist – die gel-
ende Rechtslage von allen Mitgliedstaaten umgesetzt
erden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, Ihr Minister, der Wirtschaftsmi-
ister, sieht das offensichtlich viel problematischer und
ieht mehr Eile geboten. Denn das Fehlen von Wettbe-
erb auf dem Energiemarkt führt ja dazu, dass wir zu
ohe Preise haben, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit
ines großen Teils der Wirtschaft gefährdet ist und wo-
urch auch die Bevölkerung massiv belastet ist. So plä-
iert Ihr Minister erheblich stärker und deutlicher als Sie
ür eine Entflechtung von Netz und Produktion. Im Ge-
ensatz dazu hat sich der Fraktionsvorsitzende der CDU/
SU, Volker Kauder, letzte Woche in der „Passauer
euen Presse“ gegen eine eigentumsrechtliche Entflech-
7518 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
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Bärbel Höhn
tung von Stromnetzen und Stromerzeugung ausgespro-
chen, mit den Worten: Die Netze gehören den Betrei-
bern. Das wäre Enteignung und rechtlich problematisch.
Welche Position ist jetzt die Position der Bundesre-
gierung? Die des Wirtschaftsministers? Oder favorisiert
die Bundesregierung mittlerweile die Position des Frak-
tionsvorsitzenden Kauder?
Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie:
Wir kennen die Vorschläge, die die Kommission ge-
macht hat, und wir wissen, dass die Kommission zu ei-
ner eigentumsrechtlichen Entflechtung tendiert. Wir
müssen darüber im Rahmen unserer EU-Ratspräsident-
schaft offen diskutieren; ich glaube, es darf in diesem
Zusammenhang keine Denkverbote geben. Denn es sind
wichtige Dinge, um die es hier geht. Ich kann mir – wie
der Minister – ohne Weiteres ein stufenweises Vorgehen
vorstellen: Erst einmal müssen bestehende Gesetzesvor-
gaben umgesetzt werden, auch von den anderen Mit-
gliedstaaten; das haben bis jetzt, wie gesagt, einschließ-
lich Deutschland nur sieben getan. Ein zweiter Schritt
könnte die Einrichtung eines unabhängigen Systembe-
treibers sein. Wenn auch das nicht ausreicht, muss man
über weitere Schritte nachdenken. Aber wie gesagt: Wir
brauchen zunächst eine offene Diskussion. Ich glaube
nicht, dass es gut wäre, wenn wir, die wir die EU-Rats-
präsidentschaft innehaben, mit einer vorgefertigten Mei-
nung in die Verhandlungen gingen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bevor Sie Ihre zweite Nachfrage stellen, wiederhole
ich meinen Hinweis von vorhin noch deutlicher: Im
landläufigen Sinne ist eine Frage ein Satz, welcher mit
einem Fragezeichen endet. Wenn es nötig ist, lassen wir
im Allgemeinen noch eine Erläuterung zu, weshalb die
Frage gestellt wird. Wir können auf diese Art und Weise
aber keine Debatten entweder vorwegnehmen oder nach-
holen. – Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte mich bei meiner zweiten Nachfrage prä-
zise auf diesen ersten Schritt konzentrieren. – Sie haben
gesagt, der erste Schritt, den der Wirtschaftsminister an-
gedeutet habe – das hat der Umweltminister übrigens
auch gesagt –, sei, eine Trennung von Netz und Produk-
tion unter dem Dach des Energiekonzerns zu erreichen.
Heute steht in der „Wirtschaftswoche“, dass die EU-
Kommission Unternehmen kontrolliert und dabei festge-
stellt hat, dass diese Trennung unter einem Dach nicht
funktioniert und dass die Netzbetreiber diesen ersten
Schritt nicht sauber umsetzen, obwohl sie ihn schon um-
gesetzt haben müssten, sodass sie weiterhin von den
Vorteilen daraus profitieren, dass sie die Allmacht über
die Netze und die Produktion haben.
Sehen Sie nicht auch die Notwendigkeit, dringend
und schnell zu handeln und nicht erst einmal einen ersten
Schritt anzukündigen, den man ja schon gegangen ist?
Ist das, was der Minister jetzt als ersten Schritt angekün-
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igt hat, nicht bereits geltendes Recht, und müsste er
icht schon lange gegangen worden sein?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Frau Staatssekretärin, Sie dürfen sich jetzt eine Frage
ussuchen, die Sie beantworten.
Dagmar Wöhrl (CDU/CSU):
Die Frau Kollegin Höhn hat eigentlich genau das in
hrer Frage verpackt, was ich vorhin in meiner Antwort
ereits angesprochen habe, dass wir nämlich gesetzliche
orgaben haben und dass wir im ersten Schritt dafür sor-
en müssen, dass diese gesetzlichen Vorgaben umgesetzt
erden.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Aber das ist doch schon umgesetzt!)
ir haben sie umgesetzt. Wenn es bei dieser Umsetzung
efizite gibt, dann sind diese natürlich zu beheben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
erzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Gesundheit auf. Es antwortet die Parlamenta-
ische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Dr. Martina Bunge
uf:
Wie viele der gesetzlichen Krankenversicherungen haben,
gegliedert nach Kassenarten, ihre Beitragssätze gesenkt, un-
verändert belassen bzw. angehoben, und wie stark ist der
durchschnittliche Beitragssatz gestiegen?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
undesministerin für Gesundheit:
Frau Kollegin Bunge, Sie fragen nach der derzeitigen
enntnis über die Beitragssatzerhöhungen in der gesetz-
ichen Krankenversicherung. Dazu ist zu sagen, dass wir
ine umfassende Übersicht über die Beitragssatzverän-
erungen sämtlicher landes- und bundesunmittelbarer
rankenkassen im Bereich der gesetzlichen Krankenver-
icherung zum 1. Januar 2007 noch nicht veröffentlichen
önnen, weil uns erst nach dem 1. Februar 2007 eine sol-
he komplette Übersicht vorliegen wird. Ich bin gerne
ereit, Ihnen diese nach dem Februar schriftlich zukom-
en zu lassen. Ich kann Ihnen also nur den heutigen
tand mitteilen.
Nach dem heutigen Stand – das ist uns durch das
undesversicherungsamt mitgeteilt worden – haben 90
er 138 Krankenkassen, die der Aufsicht des Bundesver-
icherungsamts unterstehen, eine Beitragssatzerhöhung
um Anfang des Jahres 2007 beschlossen. Die exakte
öhe des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes
st erst Anfang Februar darstellbar, also dann, wenn die
eldungen sämtlicher Krankenkassen über die Beitrags-
ätze vorliegen. Das heißt, wir können jetzt nur eine Mo-
entaufnahme abbilden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7519
(A) )
(B) )
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Frau Staatssekretärin, es gibt ja diverse Veröffentli-
chungen. Mir ist klar, dass Sie darauf nicht zurückgrei-
fen können. Insbesondere durch eine gewisse Gesamt-
übersicht über die Beitragssatzsteigerungen der AOKen
wurde die Ministerin dazu veranlasst, zu sagen – sie
wurde so zitiert –, ihr sei das rätselhaft. Geht Ihnen das
auch so, oder wo sehen Sie die Ursachen?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Gesundheit:
Ich kann und will mich nicht dazu äußern, was Sie ge-
hört haben. Lassen Sie uns doch einfach einmal die Fak-
ten anschauen.
Sie wissen, dass das Bundesgesundheitsministerium
nur für die bundesunmittelbaren Kassen zuständig ist.
Regionale Kassen, also auch die AOKen, unterliegen der
Landesaufsicht. Wir können nicht überschauen, ob die
Landesaufsichten in jedem Fall ihr Prüfrecht ausüben
und ob dort jede Beitragssatzerhöhung notwendig ist.
Wenn uns von regionalen AOKen Beitragssatzerhöhun-
gen von über 1 Prozent gemeldet werden, dann erstaunt
dies deshalb, weil die Durchschnittserhöhung der bun-
desunmittelbaren Kassen bei 0,5 Prozentpunkten liegt.
Es kann immer wieder sein, dass regionale Kassen eine
besondere Verschuldungssituation aufweisen, aber da
hierfür die Landesaufsicht zuständig ist, kann ich darü-
ber nur spekulieren. Eine Übersicht über die tatsäch-
lichen Beitragssatzerhöhungen liegt nach Ablauf des
Monats Februar vor. Ich bin bereit, Ihnen diese umfas-
sende Übersicht zukommen zu lassen. Zurzeit gibt es nur
eine Momentaufnahme der bundesunmittelbaren Kas-
sen, aber wir haben noch keine Gesamtübersicht über die
gesamten 251 gesetzlichen Krankenkassen der Bundes-
republik Deutschland.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben noch eine zweite Nachfrage. Bitte.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Ich beziehe mich noch einmal auf die Veröffentli-
chungen. Es sind sehr gravierende Beitragssatzerhöhun-
gen vorgesehen. Wie ist Ihre Prognose: Werden die Bei-
tragssätze einmalig erhöht oder wird sich das 2008 bzw.
nach Inkrafttreten der Reform 2009 fortsetzen?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Gesundheit:
Vielen Dank für das Vertrauen in meine prognosti-
schen Fähigkeiten, Frau Kollegin Bunge. Es würde mich
überraschen, wenn ich über diese Fähigkeiten verfügen
würde, zumal die Kassen selbst erst im Herbst eines lau-
fenden Jahres entscheiden, wie hoch der Beitragssatz im
kommenden Jahr sein wird. Dass ich in der Lage sein
soll, dies aus der Entfernung vorauszusagen, ehrt mich,
aber tatsächlich ist es für uns schwierig.
Wenden wir uns den drei Punkten zu, die wir beein-
flussen können. Die derzeit vorgesehenen Beitragssatzer-
höhungen sind zum Teil auf politische Rahmenbedingun-
gen zurückzuführen. Die Mehrwertsteuererhöhung, aber
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uch der im Vergleich zu früher geringere Bundeszu-
chuss verursachen eine Beitragssatzerhöhung in der
rößenordnung von 0,3 Prozentpunkten; sie erklären
ber keine Beitragssatzerhöhungen in einem größeren
mfang. Diese gehen offenbar auf den tatsächlichen
chuldenstand zurück, der bei den einzelnen Kassen un-
erschiedlich hoch ist. Das heißt, wir haben richtig daran
etan, im Zuge der Gesundheitsreform strikte Regelun-
en zu verabreden, um einen einheitlichen Verschul-
ungsbegriff und strenge Kontrollen einzuführen, und
ie Kassen zu verpflichten, die Verschuldung innerhalb
on zwei Jahren abzubauen. Dies ist die entscheidende
aßnahme, die greifen wird, damit es solche Beitrags-
prünge in Zukunft nicht mehr gibt.
Wir haben mit einer wichtigen Maßnahme dazu bei-
etragen, dass die Beitragssätze nicht mehr in einem
olchen Maße steigen. Wir wissen alle, dass die Bei-
ragssatzerhöhungen auch ein Reflex auf Ausgabenstei-
erungen sind. Der medizinische Fortschritt und eine äl-
er werdende Gesellschaft haben dazu beigetragen, dass
ie Ausgaben für Gesundheitsleistungen in Deutschland
estiegen sind. Hier ist keine Prognose möglich. Wir se-
en vielmehr, dass es in den Leistungsbereichen Unter-
chiede gibt. Wir reagieren auf die vorhandenen Ent-
icklungen. Wie Sie wissen, haben wir mit dem Gesetz
ur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arznei-
ittelversorgung auf den Kostenanstieg im Arzneimit-
elbereich reagiert. Es ist gut, dass jetzt die Wirksamkeit
ieses Gesetzes erkennbar wird. Denn wir haben derzeit
inen deutlich geringeren Anstieg bei den Arzneimittel-
osten zu verzeichnen. Insofern liegt es auch bei uns als
esetzgeber, wie wir auf die Ausgabendynamik reagie-
en.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir sind noch immer bei Frage 13. Der Kollege
pieth hat eine Nachfrage.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Staatssekretärin, Sie haben zu Recht darauf hin-
ewiesen, dass die Mehrwertsteuererhöhung und die Ab-
enkung des Bundeszuschusses einen Anteil an der Bei-
ragssatzsteigerung bei den gesetzlichen Krankenkassen
on mindestens 0,3 Prozentpunkten ausmachen. Können
ie auch angeben, wie hoch der Anteil aus der gesetzlich
eschlossenen Absenkung der Krankenversicherungs-
eiträge für Arbeitslose und durch die Änderungen der
rbeitszeitregelung im Gesundheitswesen ist?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
undesministerin für Gesundheit:
Dies können wir nicht abschätzen. Denn es gibt eine
ülle von sehr unterschiedlichen Regelungen zur Ar-
eitszeit. Es gibt Kliniken, die mit einem modernen Ar-
eitszeitmanagement ohne Mehrkosten auskommen. In
nderen Kliniken sieht es ganz anders aus.
Der Bund hat zur Abfederung der Herausforderungen
eschlossen, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
ns liegt aber kein umfassendes Bild dieser Entwick-
ung vor. Deswegen können wir zu den Kosten keine
ussage machen.
7520 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke. – Damit kommen wir zur Frage 14 der Kolle-
gin Dr. Martina Bunge:
Für wie viele Versicherte ist der Beitragssatz um mehr als
0,5 Prozent gestiegen, obwohl die Bundesregierung im Som-
mer 2006 einen Anstieg der Beitragssätze für das Jahr 2007
von lediglich 0,5 Prozent angekündigt hatte?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Gesundheit:
Die Zahl der von Beitragssatzanhebungen von mehr
als 0,5 Beitragssatzpunkten betroffenen Mitglieder lässt
sich – wie bereits in der Antwort auf Frage 13 von mir
dargestellt – ebenfalls erst auf der Basis der uns im
Laufe des Februars vorliegenden Statistik für den Monat
Januar ermitteln. Bei einem zu erwartenden durch-
schnittlichen Beitragssatzanstieg von 0,5 bis 0,6 Bei-
tragssatzpunkten bewegt sich die Gesamtsteigerung im
Rahmen der Erwartungen. Überproportionale Beitrags-
satzanhebungen von mehr als 1 Beitragssatzpunkt waren
bislang entweder bei regionalen Krankenkassen oder bei
sehr kleinen Krankenkassen zu verzeichnen, die der
Gruppe der Betriebskrankenkassen zuzuordnen sind.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte Ihre erste Nachfrage.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Frau Staatssekretärin, wird es dann, wenn die Zahlen
vorliegen, möglich sein, Aussagen über die Zahl der be-
troffenen Versicherten, aufgeschlüsselt nach Region und
sozialer Struktur, zu treffen?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Gesundheit:
Über die regionale Verteilung kann man sicherlich et-
was sagen, weil es sowohl regional als auch bundesweit
tätige Krankenkassen gibt. Zur sozialen Verteilung lie-
gen uns keine Zahlen vor. Ich denke, wir sollten über das
Bild, das wir im Februar bekommen, im Fachausschuss
diskutieren; dazu besteht sicherlich ausreichend Gele-
genheit. Lassen Sie uns über die Zahlen reden, wenn sie
vorliegen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Frau Dr. Bunge, Sie haben keine zweite Nach-
frage? – Dann hat der Kollege Spieth das Wort zu einer
Nachfrage.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Staatssekretärin, halten Sie die Auskunftsfähig-
keit Ihres Hauses – dies frage ich nicht rhetorisch – an-
gesichts der dramatischen Beitragssatzanhebungen, die
nach meiner Berechnung – Sie können aber auch „Spie-
gel online“ oder andere Quellen heranziehen – mittler-
weile 147 Krankenkassen mit circa 75 Millionen gesetz-
lich Krankenversicherte vorgenommen haben, auf der
Höhe der Zeit?
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Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
undesministerin für Gesundheit:
Herr Kollege Spieth, ich finde es interessant, dass Sie
ich etwas fragen, was Sie selbst schon wissen. Wenn
ie es wissen, brauchen Sie eigentlich nicht zu fragen.
ie verweisen darauf, was in der Presse verlautbart wird.
ber Sie erwarten von uns, der Bundesregierung, sicher-
ich, dass wir gesicherte und belastbare Zahlen nennen.
ochmals: Sie wissen besser als ich – weil Sie einmal
ür eine regionale Krankenkasse Verantwortung hatten –,
ass dem Bund zum heutigen Datum nur die bundesun-
ittelbaren Zahlen vorliegen und dass wir erst, wenn wir
lle Zahlen von den Bundesländern erhalten haben, eine
esamtschau haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Es gibt eine weitere Nachfrage der Kollegin
nkelmann.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Frau Staatssekretärin, könnte es sein, dass Ihnen,
achdem die Bundesregierung noch im vergangenen
ahr versprochen hatte, es werde keine Beitragserhöhun-
en geben, die Frage danach unangenehm ist und dass
ie deswegen nicht antworten wollen?
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
undesministerin für Gesundheit:
Frau Kollegin Enkelmann, mir ist diese Frage nicht
nangenehm. Ich bin jederzeit und überall auskunftsfä-
ig und auskunftswillig. Sie selber wissen, dass schon
or der großen Diskussion über die Gesundheitsreform
on vielen Seiten darauf aufmerksam gemacht wurde,
ass es zu Beitragssatzerhöhungen kommen wird, und
war allein aufgrund der Tatsache, dass der Steuerzu-
chuss zurückgeht und die Mehrwertsteuer angehoben
ird. Zudem gebe ich im Fachausschuss – das ist eine
tändige Übung; das können Sie nicht wissen, weil Sie
icht Mitglied des Fachausschusses sind – jedes Viertel-
ahr Auskunft über die Situation, wie sie sich aktuell dar-
tellt.
Wir haben beispielsweise umfassende Informationen
ber den Schuldenstand der Krankenkassen angefordert.
ir brauchen eine bundesweit vergleichbare Verschul-
ungsdefinition; das ist uns ein ernstes Anliegen. Es darf
icht sein, dass Bund und Länder unterschiedliche Ver-
chuldungsmesslatten anlegen und dass deswegen das
ahre Bild der Verschuldungssituation unklar bleibt.
enau dem wollen wir mit unserer Gesundheitsreform
bhelfen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 15 und 16 des Kollegen Frank Spieth wer-
en nach I Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Frage-
tunde schriftlich beantwortet. Das heißt, wir beschäfti-
en uns an anderer Stelle mit dem Gegenstand dieser
ragen.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
undesministeriums für Gesundheit.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7521
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-
kretär Michael Müller zur Verfügung.
Die Fragen 17 und 18 des Kollegen Dr. Reinhard
Loske wurden von Ihnen schon schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Hans-Josef Fell
auf:
Plant die Bundesregierung, ein Wärmegesetz für erneuer-
bare Energien auf den Weg zu bringen und, wenn ja, zu wel-
chem Zeitpunkt?
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Es ist sicherlich zwischen uns und auch hier im Haus
unbestritten, dass wir im Bereich der Wärme zu ver-
stärkten Anstrengungen auch auf der Basis erneuerbarer
Energien kommen müssen, allein schon um einerseits
das Klimaschutzziel zu erreichen und andererseits den
Zielvorstellungen der Europäischen Kommission ge-
recht zu werden.
Ihnen ist klar, dass die am Montag letzter Woche prä-
sentierten Vorstellungen bedeuten, dass in allen Mit-
gliedstaaten die Anstrengungen zur Nutzung von erneu-
erbaren Energien in allen drei Feldern – im Strombereich,
im Wärmebereich und im Verkehrssektor – massiv ver-
stärkt werden müssen. Die Bundesregierung zielt aller-
dings nicht nur auf ein Wärmegesetz zur Förderung die-
ses Bereiches. Sie wissen, dass insbesondere das
Marktanreizprogramm in der Zwischenzeit ein bewähr-
tes Instrument geworden ist, mit dem sowohl der Ausbau
der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt als auch die
Entwicklung von innovativen Techniken in diesem Be-
reich gefördert werden. Seit 2000 wurden durch die För-
derung Investitionen mit einem Volumen von
6,5 Milliarden Euro ausgelöst. Diese Förderung soll jetzt
bedarfsgerechter gestaltet werden. Für das Haushaltsjahr
2007 wurde daher insbesondere wegen des Antrags-
booms gegenüber dem Mittelansatz das Finanzvolumen
für das MAP um 39 Millionen Euro auf nunmehr 213 Mil-
lionen Euro deutlich angehoben.
Der andere Bereich, in dem wir tätig geworden sind,
ist ein Wärmegesetz. Sie wissen, dass wir in unserem
Hause ein Konsultationspapier erstellt haben, das in ei-
ner öffentlichen Debatte zur Diskussion gestellt worden
ist. Das geschah in einer Anhörung von unter anderem
Vertretern der Energie- und Industrieverbände sowie von
Wohnungsbaugesellschaften. Es hat erheblichen Wider-
spruch von unterschiedlichen Gruppen gegeben. Wir
sind deshalb in einer Überarbeitungsphase. Wir wollen
auf jeden Fall ein Wärmegesetz vorlegen. Dabei sind un-
terschiedliche Wege in der Diskussion. Sie wissen, dass
man das nach den Vorgaben des EEG in der Form eines
Bonusmodells, eines Quotenmodells oder eines Einsatz-
pflichtenmodells machen kann. Wir stimmen im Augen-
blick einen Gesetzentwurf im Hause ab. Dieser Vor-
schlag wird dann in den nächsten Wochen mit den
anderen Ministerien und den Fraktionen abgestimmt
werden.
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Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die ausführliche
ntwort. – Mich würde im Detail noch interessieren, ob
s schon eine Position des Ministers gibt, in welche
ichtung das Wärmegesetz gehen soll.
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
ister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Unsere Position ist insofern klar, als wir schon davon
usgehen müssen, dass ein Wärmegesetz bis zum
ahr 2020 eine Größenordnung von mindestens
2 Prozent umfassen muss, um die bestehenden Poten-
iale im Wärmebereich zu erschließen. Insofern muss es
in ehrgeiziges Gesetz sein. Allerdings haben wir noch
eine endgültige Entscheidung über die Einzelheiten der
nstrumente getroffen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine zweite Nachfrage? – Sie verzichten.
Die Kollegin Höhn hat noch eine Nachfrage, bevor
ir zur Frage 20 kommen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, es gibt mehrere Stimmen aus der
DU/CSU, die dieses Wärmegesetz nicht wollen. Was
ollen Sie eigentlich tun, um die CDU/CSU zu überzeu-
en?
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
ister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich glaube, dass es vor dem Hintergrund der europäi-
chen Vorgabe und vor dem Hintergrund der Klimadaten
eine Alternative dazu gibt. Das wird jeder begreifen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Hans-Josef Fell
uf:
Hält die Bundesregierung bei den erneuerbaren Energien
sektorale Zielvorgaben der EU für sinnvoll?
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
ister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Es ist völlig richtig, dass die Dringlichkeit einer euro-
äischen Energiepolitik immer deutlicher geworden ist.
llerdings ist das noch keine Antwort auf die meines Er-
chtens genauso wichtige Frage, welche Energiepolitik
n Europa gemacht werden soll. Sie wissen, dass es in-
erhalb von Europa unterschiedliche Ansätze gibt. Wir
uf jeden Fall wollen bei einer europäischen Energie-
olitik vor allem diese beiden Schwerpunkte ins Zen-
rum rücken: Effizienzstrategien und erneuerbare Ener-
ien. Das muss das Markenzeichen werden.
Insofern unterstützen wir im Grundsatz den Fahrplan
ur Förderung erneuerbarer Energien. Dieser Fahrplan
urde von der EU-Kommission am 10. Januar vorge-
tellt. Dieser Fahrplan sieht vor, dass der Anteil erneuer-
7522 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
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Parl. Staatssekretär Michael Müller
barer Energien insgesamt, also auf allen drei Sektoren,
bis zum Jahre 2020 auf 20 Prozent des Primärenergie-
verbrauchs ausgebaut werden muss. Er enthält die kon-
krete Vorgabe, in Bezug auf den Verkehrssektor mindes-
tens 10 Prozent – der Minister hat vorhin gesagt, dass
wir 12,5 Prozent erreichen wollen – zu erreichen. Nach
den bisherigen Entwicklungen geht der Trend dahin,
dass wir im Strombereich zwischen 25 und 27 Prozent
erreichen. Ein Anteil des Verkehrssektors von etwa
12 Prozent bedeutet, dass die Anstrengungen im Wärme-
und möglicherweise auch im Strombereich deutlich ver-
stärkt werden müssen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Meine Frage
zielte vor allem darauf, ob die Bundesregierung die EU
auffordern wird, die sektoralen Ziele – im Entwurf der
EU-Kommission sind sie bisher nicht beschrieben – zu
benennen. Im Rahmen der Ratspräsidentschaft Deutsch-
lands ist es möglich, darauf hinzuwirken. Ich möchte
gerne wissen, ob das geschieht.
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Wie gesagt, es gibt zwei Ziele: Das eine ist das allge-
meine Ziel – 20 Prozent –, und das zweite ist das sekto-
rale Ziel, nämlich dass der Anteil des Verkehrssektors
bei mindestens 10 Prozent liegt.
Diese ehrgeizige Zielsetzung unterstützen wir im
Grundsatz. Aber man muss schon akzeptieren, dass es in
den einzelnen Mitgliedstaaten möglicherweise anteils-
mäßige Unterschiede zwischen Wärme, Strom und Ver-
kehrssektor gibt. Insofern halte ich eine solche Grund-
philosophie für richtig. Wir müssen schon darüber
diskutieren, wie die Ziele in den einzelnen Mitgliedstaa-
ten möglicherweise mit unterschiedlichen Maßnahmen
verfolgt werden. Ich wiederhole: Im Grundsatz unter-
stützen wir die Zielsetzung – das soll der Schwerpunkt
der deutschen Ratspräsidentschaft werden –, dass das
Markenzeichen der europäischen Politik erneuerbare
Energien und Effizienz werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sektorale Ziele: Man kann auch eine andere Auftei-
lung in Sektoren vornehmen, nämlich nach Sparten er-
neuerbarer Energien, zum Beispiel Windbereich, Solar-
wärmebereich, Solarstrombereich, Meeresenergien. Hält
es die Bundesregierung für sinnvoll, endlich auch auf
der EU-Ebene hinsichtlich dieser Sektoren ambitionierte
Ziele zu verfolgen? Bisher geht es immer nur um die
Summe der erneuerbaren Energien und nicht um eine
spezifische, direkte Unterstützung der einzelnen Sparten.
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Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
ister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich will mit Ihnen jetzt gar nicht darüber diskutieren,
b so etwas sinnvoll ist. Nach unseren Erfahrungen ver-
reten die einzelnen Mitgliedstaaten der EU höchst un-
erschiedliche Konzepte. Das hat viel damit zu tun, wel-
he historischen Ausgangsbedingungen vorhanden sind,
ie die Nachfragestruktur ist und welche geografischen
öglichkeiten bestehen. Deshalb stellt sich schon die
rage, ob eine so weit gehende Detaillierung richtig ist.
ch bin nicht so sicher, dass es so ist, wie Sie es in Ihrer
rage andeuten. Meines Erachtens ist es wichtig, dass
ir ehrgeizige Zielvorstellungen haben. Ich finde, es
ollte so viel Offenheit bestehen, dass die Länder diese
iele je nach Möglichkeit auf unterschiedlichen Pfaden
erfolgen. Ich halte das übrigens auch unter Wettbe-
erbsgesichtspunkten für sehr sinnvoll.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beant-
ortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatsse-
retär Andreas Storm bereit.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Krista Sager auf:
Welche Maßnahmen zur Halbierung der Schulabbrecher-
quote sollen in der von Bundesministerin Dr. Annette
Schavan angekündigten Bund-Länder-Offensive für den Bil-
dungsaufstieg vereinbart werden, und was soll der Beitrag des
Bundes dabei sein?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Bildung und Forschung:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Sager, jährlich verlas-
en mehr als 200 000 Jugendliche die Schule ohne aus-
eichende Ausbildungsreife, darunter 80 000 ohne
chulabschluss. Jugendliche mit Migrationshintergrund
ind dabei in besonderem Maße betroffen. Angesichts
tändig steigender Qualifikationsanforderungen, aber
uch im Hinblick auf die demografische Entwicklung
ann Deutschland es sich nicht mehr länger leisten, die
otenziale dieser jungen Menschen ungenutzt zu lassen.
ie Bundesregierung strebt daher im Einklang mit den
ielsetzungen der EU gemeinsam mit den Ländern die
albierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss
owie konzertierte Maßnahmen zur Stärkung der Ausbil-
ungsreife an.
Nach bereits angelaufenen Vorgesprächen mit den
ändern ist beabsichtigt, gemeinsame Strategien zu erar-
eiten und diese Zielsetzungen koordiniert im jeweiligen
uständigkeitsbereich umzusetzen. Der Bund kann in
einem Zuständigkeitsbereich hierzu insbesondere durch
aßnahmen in den Bereichen der frühkindlichen Bil-
ung, der außerschulischen Bildung, der Ausbildungs-
orbereitung, der außerschulischen Berufsbildung so-
ie der Bildungsforschung beitragen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7523
(A) )
(B) )
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte Sie fragen, welche Maßnahmen im Be-
reich der frühkindlichen Förderung der Bund konkret
umsetzen wird. Welche Mittel wird er dafür zur Verfü-
gung stellen?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Der Bund kann insbesondere durch Forschungsvorha-
ben auch den Ländern Impulse geben. Für den Bereich
der frühkindlichen Bildung ist die Einrichtung eines For-
schungsschwerpunktes „Bildung in der frühen Kindheit“
vorgesehen. Dabei geht es um die Intensivierung der Zu-
sammenarbeit zwischen Eltern und Erzieherinnen und
Erziehern sowie Lehrerinnen und Lehrern an den Grund-
schulen, um gemeinsame qualifizierende Maßnahmen,
um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und
um Unterstützung bei der Entwicklung und Begleitung
von Bildungshäusern für Kinder von drei bis zehn Jah-
ren.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung geht es insbe-
sondere auch um die Ausbildung individueller Lernstra-
tegien, um individuelle Sprachförderung und um das He-
ranführen an Naturwissenschaften. Dadurch sollen die
Bildungschancen aller Kinder verbessert und Benachtei-
ligte frühzeitig unterstützt werden. Hierzu kann der
Bund insbesondere im Bereich der Forschung Pilotpro-
jekte unterstützen.
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ministerin Schavan hat gesagt:
Mein Ziel ist es, die Zahl der Schulabgänger ohne
Abschluss zu halbieren.
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts des formu-
lierten Zieles nicht für einen etwas geringen Beitrag des
Bundes, wenn er sich nur an der Forschung beteiligt?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete, die Stärkung der frühkindlichen
Bildung ist nur ein Element bei der Schaffung der struk-
turellen Voraussetzungen dafür, dass es in wenigen Jah-
ren deutlich weniger Schulabgänger ohne Abschluss ge-
ben wird. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Instrumente.
Ich darf an dieser Stelle nur drei davon nennen.
Erstens: das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung
und Betreuung“. Es umfasst die Bereitstellung der Infra-
struktur für Ganztagsschulen.
Zweitens: die Förderung von Kindern und Jugendli-
chen mit Migrationshintergrund. In dieser Gruppe junger
Menschen treten teilweise Probleme auf. Insbesondere
durch eine bessere Sprachförderung soll die Basis für ei-
nen besseren schulischen Erfolg geschaffen werden.
Drittens: Programme zur Ausbildungsförderung und
Nachqualifizierung. Durch die verstärkte Einbindung
der Ausbildungsberater der Kammern und der Unterneh-
men und durch eine verstärkte Zusammenführung der
Akteure, etwa der Schulen, der Kammern, der Arbeits-
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genturen, der kommunalen Einrichtungen und der Bil-
ungsträger, soll die Voraussetzung dafür geschaffen
erden, dass am Ende der Schulzeit ein besserer Erfolg
teht und die Schule mit Abschluss verlassen werden
ann.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Kollegin Hinz hat noch eine Nachfrage.
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Staatssekretär, nach meinem Verständnis von
ildungsbiografien ist eine Nachqualifizierung nicht ge-
ignet, um die Schulabbrecherquote zu verringern, weil
ie Schule bereits abgebrochen worden ist, wenn man
ine solche Maßnahme in Anspruch nimmt. Das Ganz-
agsschulprogramm und die Migrantenförderung sind
or der Föderalismusreform ins Leben gerufen worden.
eshalb möchte ich Sie jetzt fragen: Welche organisato-
ischen, strukturellen und finanziellen Maßnahmen will
ie Bundesregierung tatsächlich jetzt, ab 2007, ergreifen,
m gemeinsam mit den Ländern das Ziel zu erreichen,
en Anteil der Schulabbrecher zu verringern?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete, ich habe bereits darauf hingewie-
en, dass die Vorgespräche mit den Ländern begonnen
aben und dass dieses Thema einer der zentralen Gegen-
tände bei der nächsten Tagung der Ministerinnen und
inister Ende Februar sein wird. Es geht um die Erar-
eitung einer gemeinsamen Strategie, bei der die Länder
nd der Bund in den Bereichen, in denen sie jeweils zu-
tändig sind, ihren Beitrag dazu leisten, dass die gemein-
am formulierten Ziele erreicht werden. Diese Ziele
üssen bei der Tagung im Februar aber erst noch formu-
iert werden.
Es gibt bereits jetzt ein Einverständnis darüber, dass
ir nicht nur die Halbierung der Zahl der Schulabbre-
her, sondern darüber hinaus auch eine Verbesserung der
usbildungsreife erreichen wollen. In diesem Zusam-
enhang ist das von mir genannte Thema der Nachqua-
ifizierung zu sehen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine weitere Nachfrage hat die Kollegin Hirsch.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, Sie haben sich hier positiv auf
LK-Programme bezogen und dargestellt, dass bei-
pielsweise das Förderprogramm für Migrantinnen und
igranten durchaus einen Beitrag dazu leisten könnte,
ie Zahl der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher
u senken. Stimmen Sie mir darin zu, dass es durchaus
ünschenswert wäre, solche Programme fortsetzen zu
önnen, aber dass Sie sich diese Möglichkeit mit der Fö-
eralismusreform haben aus der Hand nehmen lassen,
nd planen Sie, da in irgendeiner Form doch wieder zu
nderungen zu kommen?
7524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, im Zusammenhang mit der
Föderalismusreform sind den Ländern für diese Thema-
tik zweckgebundene Mittel bereitgestellt worden. Es
zeichnet sich bereits jetzt ab, dass insbesondere die Mig-
rantenförderung von den Ländern auch in den kommen-
den Jahren mit dem gemeinsam verfolgten Ziel fortge-
führt werden wird.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vorerst herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Zur Beantwortung der Frage 22 steht der Parlamenta-
rische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Hinz auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
am 10. Januar 2007 im Kabinett verabschiedeten „Zweiten
Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchfüh-
rung des Stammzellgesetzes“ im Hinblick auf die vor allem
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geforderte Ände-
rung des Stammzellgesetzes?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Sehr geehrte Frau Kollegin Hinz, der zweite Stamm-
zellbericht der Bundesregierung, der sich auf den Zeit-
raum bis zum Jahr 2005 bezieht, enthält die Schlussfol-
gerung, dass sich das Stammzellgesetz bis dorthin
bewährt hat. Die mit dem Stammzellgesetz eröffneten
Möglichkeiten für die Grundlagenforschung wurden
nämlich wahrgenommen.
Die Bundesregierung hat der DFG zugesagt, die Stel-
lungnahme der DFG gemeinsam mit dem Parlament ein-
gehend zu prüfen und auszuwerten. Ob die in Deutsch-
land verwendbaren Stammzelllinien mit Blick auf die
auch in der DFG-Stellungnahme angeführte internatio-
nale Entwicklung des Forschungsgebiets künftig noch
für Forschungszwecke ausreichend nutzbar sind, darüber
wird die Bundesregierung und, so denke ich, wird auch
das Parlament unter Einbeziehung aller Argumente, ins-
besondere auch ethischer und rechtlicher Implikationen,
breit diskutieren müssen.
Aus Sicht der Bundesregierung muss diese Debatte
primär im Parlament geführt werden; denn schließlich
wurde der Entwurf des Stammzellgesetzes 2002 aus der
Mitte des Parlaments in den Bundestag eingebracht. Es
wird deshalb Aufgabe des Bundestages sein, zu ent-
scheiden, ob er einen Vorschlag zur Änderung des
Stammzellgesetzes einbringen will. Ich denke, auch die
Wissenschaft sollte in diesen Diskussionsprozess einbe-
zogen werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Staatssekretär, Sie haben schon auf etwas hinge-
wiesen, das im zweiten Stammzellbericht der Bundesre-
gierung steht. Wörtlich heißt es darin: „Die gesetzlichen
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egelungen über die Einfuhr und Verwendung von
umanen embryonalen Stammzellen zu Forschungszwe-
ken, das Genehmigungsverfahren und die Einbezie-
ung einer zentralen Ethikkommission für Stammzell-
orschung haben sich bewährt.“
In derselben Woche, in der der Kabinettsbeschluss zu
iesem Bericht gefasst wurde, hat Bundesministerin
chavan mitgeteilt und öffentlich bekräftigt, dass sie
ine Lockerung desselben Stammzellgesetzes, das sich
aut Bericht der Bundesregierung bewährt hat, für mög-
ich hält. Sie hat aber auch gesagt – wörtlich –: „Ich bin
benso wie die katholischen Bischöfe davon überzeugt,
ass wir wegmüssen von der Forschung an embryonalen
tammzellen.“
Ich möchte von Ihnen gern wissen, wie die Haltung
er Ministeriumsspitze zu der Frage einer Lockerung des
tammzellgesetzes in dieser Woche ist.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung:
Die Position der Bundesregierung habe ich gerade be-
chrieben. Sie besteht in der klaren Absicht, sich ent-
prechend ihrer gegenüber der DFG gemachten Zusage
n der Diskussion zu beteiligen und insofern die Mög-
ichkeiten zu erörtern, wie wir auf jeden Fall die ethische
ubstanz des Stammzellgesetzes wahren, aber gleichzei-
ig sicherstellen wollen, dass auch künftig die Forschung
m Bereich der embryonalen Stammzellforschung durch
mport ausländischer Stammzelllinien unter strengen
oraussetzungen möglich bleibt.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Wenn eine Diskussion über das Thema erfolgen soll,
ie die Stammzellforschung perspektivisch in Deutsch-
and fortgesetzt werden soll, dann ist aus unserer Sicht
ine Bewertungs- und Publikationspflicht hinsichtlich
nternationaler Projekte embryonaler Stammzellfor-
chung notwendig, bei der nicht nur die Erfolge, sondern
uch die Misserfolge der Stammzellforschung, vor allem
er embryonalen Stammzellforschung, aufgeführt wer-
en müssen. Können Sie sich diese Position zu eigen
achen und vor allem in der EU für eine solche Be-
ichtspflicht eintreten?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung:
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein genau
eregeltes Verfahren, das unter anderem beinhaltet, dass
ie zentrale Stammzellkommission ebenfalls in regelmä-
igen Abständen einen Bericht vorlegt; in Kürze ist ein
euer Bericht zu erwarten. In der Europäischen Union
erden die entsprechenden Daten anhand ihres eigenen
erfahrens übermittelt. Daraus ist auch zu erkennen,
elche die humanen embryonalen Stammzellen betref-
enden Forschungsprojekte in der Europäischen Union
urchgeführt werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7525
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Kollegin Sager hat noch eine Nachfrage. Bitte.
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, die Spielregeln für die Stamm-
zellforschung sind im 7. Forschungsrahmenprogramm
der EU die gleichen geblieben wie im 6. Forschungs-
rahmenprogramm. Teilen Sie meine Einschätzung, dass
die Behauptung, nach der Verabschiedung des 7. For-
schungsrahmenprogramms werde von der europäischen
Ebene Druck entstehen, in Deutschland etwas am
Stammzellgesetz zu ändern, falsch ist, oder wie ist Ihre
Auffassung dazu?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Bewertungen einzelner Abgeordneter möchte ich
nicht kommentieren. Richtig ist auf jeden Fall, dass die
EU-Kommission als Ergebnis der Diskussion im Som-
mer 2006 für das 7. Forschungsrahmenprogramm eine
im Gegensatz zum 6. Forschungsrahmenprogramm ver-
bindliche, die Kommission selbst bindende Erklärung
niedergelegt hat, die auch Teil der Beschlüsse und des
EU-Bulletins geworden ist, sodass im 7. Forschungs-
rahmenprogramm eine insgesamt eher noch restriktivere
Regelung als im 6. Forschungsrahmenprogramm getrof-
fen wurde.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatssekretär.
Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich be-
antwortet nun wieder der Parlamentarische Staatssekre-
tär Andreas Storm.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Hirsch auf:
Was schlägt die Bundesregierung zur Lösung des im Eva-
luierungsbericht zur Auslandsförderung nach dem BAföG
aufgeführten Problems vor, dass die Anzahl der Studierenden,
die zeitweise im Ausland studiert haben, umso höher ist, je
höher ihre soziale Herkunft ist, und stehen diese Vorschläge
im Einklang mit den Vorhaben in der angekündigten BAföG-
Novelle?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, Sie haben nach der Aus-
landsförderung gemäß BAföG sowie einer beabsichtig-
ten Novellierung gefragt.
Durch die Auslandsförderung nach dem BAföG wird
gerade Studierenden aus sozial schwächeren Familien
ein studienbezogener Auslandsaufenthalt ermöglicht. In
den vergangenen Jahren konnte die Zahl der Geförderten
im Ausland erfreulicherweise erheblich gesteigert wer-
den; mit fast 20 000 Studierenden mit BAföG im Aus-
land waren es im Jahr 2005 nahezu doppelt so viele wie
im Jahr der BAföG-Reform 2001.
Mit der für dieses Jahr geplanten BAföG-Novelle be-
absichtigt die Bundesregierung, einige wesentliche Vor-
schläge aus der Evaluierung der Auslandsförderung um-
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usetzen, um die Attraktivität der Auslandsförderung
ach dem BAföG weiter zu steigern. Dies beinhaltet eine
bschaffung der sogenannten Orientierungsphase, so-
ass Studierende künftig BAföG-Förderung für ein Voll-
tudium im EU-Ausland erhalten können. Zudem sollen
ie Durchführung von Auslandspraktika außerhalb der
U wesentlich erleichtert und auch für Berufsfachschü-
er inhaltlich sinnvolle Auslandsausbildungen über die
eine Vermittlung von Sprachkenntnissen hinaus ermög-
icht werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
In meiner Frage, die ich eingereicht hatte, habe ich
rimär danach gefragt, was die Bundesregierung zu tun
edenkt, um die sozial ungleiche Beteiligung an Aus-
andsaufenthalten zu ändern. Ich denke, dass das maß-
ebliche Problem nicht nur in formellen Fragestellungen
iegt – also ob es eine Orientierungsphase gibt oder Ähn-
iches –, sondern dass sich für die Studierenden auch und
erade die Frage stellt, wie denn so ein Auslandsstudium
u finanzieren ist. Da würde ich doch gerne nachfragen,
as denn die Vorhaben in dieser Novelle sind, also wie
anz konkret zukünftig Auslandszuschläge im Rahmen
es BAföG erstattet werden und wie zukünftig mit Stu-
iengebühren umgegangen wird, die an ausländischen
ochschulen anfallen. Wie will die Bundesregierung si-
herstellen, dass eine Beteiligung von BAföG-Empfän-
erinnen und BAföG-Empfängern an Auslandsaufent-
alten tatsächlich weiterhin möglich sein wird?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, die deutliche Ausweitung
er Auslandserfahrung der Studierenden gehört in der
at zu einer wesentlichen Zielsetzung der deutschen
ochschulpolitik. Allerdings stellt sich die Frage, mit
elchen Instrumenten man beim BAföG darauf reagie-
en soll. Die Instrumente, die wir hier einzuführen be-
bsichtigen, haben zum Ziel, Auslandsaufenthalte mit
AföG-Bezug generell zu erleichtern. Deswegen fällt
um Beispiel die Orientierungsphase weg. Es gibt an-
ere Bereiche, in denen eine Gleichbehandlung durchaus
inn macht. Es wird ein Leitmotiv für die BAföG-
ovelle sein, eine Gleichbehandlung zwischen der För-
erung im Ausland und der im Inland herbeizuführen. In
iesem Sinne ist die Überführung der Auslandszu-
chläge, die bisher als Zuschuss gewährt werden sollten,
n die Normalförderung vorzusehen. Es ist auch eine
berführung der Erstattung von Studiengebühren, die
m Ausland anfallen, von der Zuschussförderung in die
ankdarlehensförderung vorgesehen. Auch das wäre ein
eispiel dafür, wie wir in Zukunft eine Gleichbehand-
ung mit der Förderung im Inland erreichen können.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zu einer weiteren Nach-
rage.
7526 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Ich möchte noch allgemein eine Frage zur geplanten
BAföG-Novelle bzw. insgesamt dem Umgang der Bun-
desregierung mit dem BAföG stellen. Es gab gestern die
Kabinettsentscheidung, dass keine Anpassung der Be-
darfssätze und Freibeträge erfolgen soll. Meine Frage ist,
wie es zu dieser Entscheidung kam. Morgens wurde
noch gesagt, das würde gar nicht auf der Tagesordnung
stehen. Plötzlich kam dann doch die Nachricht. Was für
Diskussionen fanden darüber statt, und wie ist diese Ent-
scheidung letztlich getroffen worden?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, es war nach der normalen
Zeitplanung der Bundesregierung beabsichtigt, dass der
regelmäßig zu erstattende BAföG-Bericht im Kabinett
am gestrigen Tag vorgelegt werden sollte, so wie das
auch stattgefunden hat. Ich selbst hatte im Ausschuss an-
gekündigt, dass dies zeitnah zum Jahreswechsel ge-
schieht.
Vor dem Hintergrund der Einschätzung der gesamt-
wirtschaftlichen Lage, aber auch der finanzpolitischen
Situation des Bundeshaushaltes und der öffentlichen
Haushalte insgesamt sehen wir derzeit keinen Spielraum
für eine allgemeine Anhebung der Bedarfssätze und der
anderen Anpassungssätze beim BAföG. Wir sehen aber
durchaus in einigen strukturellen Bereichen einen Hand-
lungsbedarf, insbesondere was die Stärkung der Studie-
renden betrifft, die BAföG beziehen und Kinder erzie-
hen. Dies wird ein wesentlicher Gegenstand der
geplanten BAföG-Novelle sein.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Hirsch auf:
Welche Probleme ergeben sich aus Sicht der Bundesregie-
rung mit der Gründung von gewinnorientiert arbeitenden
Hochschulen, wie beispielsweise die Private Hanseuniversität
Rostock?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, die staatliche Anerkennung
privater Hochschulen und die damit verbundene Quali-
tätsbewertung fällt in die Zuständigkeit der Wissen-
schafts- bzw. Kultusministerien der Länder. Die Bundes-
regierung sieht keine grundsätzlichen Bedenken gegen
gewinnorientierte Hochschulkonzepte.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Meine Nachfrage ist, ob es tatsächlich der Fall ist,
dass der Bund keinerlei Änderungsmöglichkeiten oder
Einflussmöglichkeiten in diesen Fragen hat oder ob es
Punkte gibt – beispielsweise die Qualitätssicherung oder
die Zulassungs- und Abschlussregelungen –, über die
doch in irgendeiner Form Einfluss auf das genommen
werden kann, was in den Ländern passiert.
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Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Bildung und Forschung:
Das ist natürlich im Rahmen der gesetzlichen Mög-
ichkeiten machbar. Ich verstehe aber Ihre Frage nicht so
anz, weil erst einmal ein konkreter Handlungsbedarf
egeben sein müsste, der natürlich von vornherein im
all der von Ihnen konkret angesprochenen Hochschule
icht erkennbar ist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Frage.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Ich möchte versuchen, das in meiner zweiten Frage
och einmal kurz zu konkretisieren. Wir halten gewinn-
rientiert arbeitende Schulen oder Hochschulen schon
ür ein Problem, weil wir meinen, dass solche Institutio-
en im Widerspruch zum Grundrecht auf Bildung ste-
en. Die Frage wäre also, ob die Bundesregierung diese
edenken teilt oder sie von vornherein von sich weist.
enn diese Bedenken in der Bundesregierung in keins-
er Weise bestehen, dann ist es natürlich logisch – da
ebe ich Ihnen recht –, da auch keinen Handlungsbedarf
u sehen.
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Bildung und Forschung:
Die Bundesregierung teilt diese Bedenken in dieser
orm nicht.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
es auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister
ernot Erler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Bellmann auf:
Gibt es nach dem Beschluss des Europäischen Parlaments
zur Einrichtung des Europäischen Institutes für Gleichstel-
lungsfragen in Vilnius nach Kenntnis der Bundesregierung
Pläne für weitere neue EU-Agenturen, und hält die Bundes-
regierung die Einrichtung weiterer EU-Agenturen für notwen-
dig?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Ist die Kollegin da?
(Veronika Bellmann [CDU/CSU]: Ja!)
Entschuldigung.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Gelegentlich fragen auch Kolleginnen und Kollegen
us der Koalition. Das ist ihr gutes Recht.
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin Bellmann, in den Gremien der Euro-
äischen Union wird derzeit die Gründung einer Grund-
echteagentur und eines europäischen Technologieinsti-
utes beraten. Bezüglich der Gründung einer EU-
rundrechteagentur wurde im Rat für Justiz und Inneres
m 4. und 5. Dezember 2006 eine politische Einigung
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7527
(A) )
(B) )
Staatsminister Gernot Erler
erzielt. Die formelle Beschlussfassung steht noch aus.
Ferner hat der Europäische Rat am 14. und
15. Dezember 2006 hervorgehoben, dass im Jahr 2007
ein Beschluss zur Schaffung eines europäischen Techno-
logieinstitutes gefasst werden soll. Die Bundesregierung
hat in den Beratungen immer deutlich gemacht, dass es
sich dabei primär um ein Netzwerk bestehender For-
schungs- und Innovationsgemeinschaften handeln müsse.
Außerdem befindet sich derzeit die Aufsichtsbehörde für
Galileo im Aufbau.
Grundsätzlich verfolgt die Bundesregierung eine res-
triktive Haltung, was die Einrichtung neuer Agenturen
betrifft. Allerdings ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, in-
wieweit Effizienz und Spezialisierung die Übertragung
bestimmter Aufgaben an Agenturen erforderlich ma-
chen. Agenturen sind Einrichtungen, die sehr spezifische
fachliche, wissenschaftliche oder administrative Aufga-
ben erfüllen und somit der effizienten Umsetzung von
EU-Politiken in fachspezifischen Bereichen dienen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bevor ich der Kollegin Bellmann das Wort zu den
Nachfragen erteile, ein geschäftsleitender Hinweis an
die Fraktionen: Wir haben nach dieser Frage hier im Ple-
num noch zwei Fragen zu behandeln. Ich beabsichtige,
danach sofort die Aktuelle Stunde aufzurufen. Ich bitte
die Kolleginnen und Kollegen, das bei ihren Zeitplanun-
gen zu beachten.
Ihre erste Nachfrage, bitte, Frau Bellmann.
Veronika Bellmann (CDU/CSU):
Herr Staatsminister Erler, wir hatten heute Morgen im
Europaausschuss eine ziemlich kontroverse Diskussion
über das Thema Agenturen, speziell über die Grundrech-
teagentur und die Doppelstruktur bei Mandat und Auf-
gabe bezüglich Europäischem Gerichtshof für Men-
schenrechte und Europarat. Gleiches trifft meiner
Ansicht nach auch auf die Gleichstellungsagentur zu.
Teilt die Bundesregierung die von verschiedener Seite
geäußerte Skepsis, dass zum Erreichen des Zieles
Gleichstellung und der damit verbundenen Aufgaben-
stellung, Informationen und Daten zur Gleichstellung zu
analysieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu ma-
chen, tatsächlich ein neues Institut auf EU-Ebene nötig
ist? Wäre nicht eine Aufgabenerledigung durch oben ge-
nannte Institutionen statt durch eine Gleichstellungs-
agentur effizienter?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin, wie ich eben schon gesagt habe, ver-
folgt die Bundesregierung, was die Schaffung neuer
Agenturen angeht, in der Tat eine restriktive Politik. Wir
bestehen darauf, dass in all den Fällen, wo es um die Er-
richtung neuer Agenturen geht, sehr genau geprüft wird,
dass keine Doppelstrukturen entstehen und Aufgaben
nicht parallel wahrgenommen werden, damit eine
schlanke Struktur entsteht.
Wir haben derzeit 22 verschiedene EU-Agenturen.
Dazu kämen noch die, die ich eben genannt habe. Das
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ären dann also 25. Wir glauben, dass bezüglich der
ründung neuer Agenturen Zurückhaltung angebracht
st. Wir haben uns aber, wie ich berichtet habe, bei die-
en drei Agenturen, die ich genannt habe, doch mit dem
tarken Willen der anderen europäischen Partner ausei-
andersetzen müssen, die Gründung dieser Agenturen
uf den Weg zu bringen. Wir konzentrieren uns darauf,
as nach den Kriterien zu machen, die ich eben genannt
abe.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte.
Veronika Bellmann (CDU/CSU):
Zweite Nachfrage zur Gleichstellungsagentur: Es
ird von einem Kostenvolumen von 52 Millionen Euro
ür die Jahre 2007 bis 2013 gesprochen. Welcher Perso-
alaufwand steht dem gegenüber, und ist bei den im
ufbau befindlichen Agenturen eventuell schon eine zur
msetzung der Dienstleistungsrichtlinie REACH in Hel-
inki geplant?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Ich kann im Augenblick zu den Details der Umset-
ung dieses Beschlusses hier keine Angaben machen,
uf jeden Fall nicht zu der Frage der personellen Beset-
ung. Das müssten wir nachliefern.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Der Kollege Beck hat die Möglichkeit zu einer Nach-
rage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatsminister, weil Sie die Grundrechteagentur
ngesprochen haben und es da einen Konflikt mit der
ehrheit des Europaausschusses gibt, frage ich Sie, ob
ie nicht durch die Grundrechteagentur die Chance se-
en, zu überprüfen, ob sich die Beitrittsländer, insbeson-
ere die neuen, auch nach dem Beitritt an den rechts-
taatlichen Standard, den der europäische Acquis
ommunautaire beinhaltet, halten. Würden Sie zustim-
en, dass es neben der Grundrechteagentur eigentlich
einen EU-rechtlichen Mechanismus gibt, um die Ein-
altung der rechtsstaatlichen Anforderungen an eine EU-
itgliedschaft zu implantieren?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Beck, das war in der Tat der Grund,
eshalb wir uns den Argumenten für die Bildung dieser
rundrechteagentur dann doch nicht verschließen konn-
en. Es geht darum, das Gemeinschaftsrecht so durchzu-
ühren, dass bei allen bisherigen Mitgliedstaaten und na-
ürlich auch bei den neuen Mitgliedstaaten die
neingeschränkte Achtung der Grundrechte abgesichert
ird. Sie wissen, dass diese Agentur auf der bisherigen
rbeit der Europäischen Stelle zur Beobachtung von
assismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien beruht.
ir glauben, dass dieser Bereich ein ganz wesentliches
ätigkeitsfeld der jetzt zu bildenden Agentur sein soll.
ir sehen auch einen Bedarf dafür, der durch die breite
rbeit des Europarats, der ansonsten für die allgemeine
7528 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Staatsminister Gernot Erler
Durchsetzung von Menschenrechten in Europa zustän-
dig ist, nicht gedeckt wird.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke. – Die Fragen 26 und 27 der Kollegin
Dağdelen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Beck (Köln) auf:
Welche Initiative hat die Bundesregierung im Rahmen ih-
rer EU-Ratspräsidentschaft ergriffen oder will sie noch ergrei-
fen, um die Auflösung des US-Lagers in Guantanamo Bay auf
Kuba zu befördern bzw. durchzusetzen, und welche Elemente
enthält sie gegebenenfalls?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Beck, die Bundeskanzlerin hat bereits
am 9. Januar 2006 öffentlich erklärt, dass eine Institution
wie Guantanamo so nicht auf Dauer existieren dürfe und
dass Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit den
Gefangenen gefunden werden müssten. Diesen Stand-
punkt hat sie auch bei ihrem Antrittsbesuch am 12. und
13. Januar 2006 gegenüber Präsident Bush vertreten.
Auch die EU vertritt diesen Standpunkt und hat dies wie-
derholt gegenüber den Vereinigten Staaten deutlich ge-
macht. Das Thema wurde unter anderem prominent auf
dem letzten EU/USA-Gipfel in Wien am 21. Juni 2006
angesprochen. Die Bundesregierung wird diese Linie
weiterhin auch in ihrer Eigenschaft als EU-Ratsvorsit-
zende in politischen Gesprächen mit den Vereinigten
Staaten vertreten.
Bundesregierung und EU führen darüber hinaus mit
den USA einen Dialog über Rechtsfragen, die sich im
Kampf gegen den Terrorismus stellen. Ziel dieses Dia-
logs ist es unter anderem, Möglichkeiten aufzuzeigen,
wie der internationale Terrorismus unter Wahrung des
Völkerrechts effektiv bekämpft werden kann.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bitte.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie beurteilen Sie gerade im Zusammenhang mit die-
sem Dialog die Aussage des Menschenrechtsbeauftrag-
ten der Bundesregierung zu der Frage einer Initiative der
EU-Ratspräsidentschaft gegen Guantanamo, welche lau-
tet:
Ich wehre mich beim Thema Guantanamo dagegen,
ständig zu sagen, die Amerikaner blickten über-
haupt nicht durch und verstünden nicht, worum es
geht. Hinter ihrem Handeln steckt die Angst vor
terroristischen Anschlägen. Auf der Seite der Euro-
päer gibt es manchmal eine zu naive Einschätzung
der realen Bedrohungslage.
Das empfand ich als sehr merkwürdige Äußerung des
Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung. Des-
halb wollte ich wissen, mit welcher Position Sie in die
Gespräche gehen und ob Sie die Position, die hier vorge-
tragen wird, teilen oder zurückweisen.
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Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Ich möchte nicht wiederholen, welche Position die
eutsche EU-Ratspräsidentschaft einnehmen wird. Das
abe ich vorhin schon ausgeführt.
Sie zitieren hier den Beauftragten für Menschen-
echtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen
mt, Herrn Günter Nooke. Er hat wiederholt erklärt,
ass gerade im Kampf gegen den Terrorismus die Men-
chenrechte nicht beeinträchtigt werden dürfen. In den
usführungen zu Beginn seiner Amtszeit hat er festge-
tellt, dass das Lager in Guantanamo geschlossen wer-
en muss. Diese Auffassung teilt auch die Bundesregie-
ung.
Wir haben das Plädoyer von Herrn Nooke so verstan-
en, dass er keine unterschiedliche Bewertung von Men-
chenrechtsverletzungen akzeptiert. Er spricht sich für
inen Einsatz gegen Menschenrechtsverletzungen aus,
nabhängig davon, wo sie auftreten. Ich finde, das ist
nterstützenswert.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
rage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wenn dem so wäre, wäre ich damit einverstanden.
ber leider spricht er in diesem Zusammenhang davon,
ass die Freiheit der Andershandelnden, also derjenigen,
ie die Freiheit abschaffen wollen, schwieriger zu ge-
ähren sei. Mir scheint, dass mit dieser Aussage
chlichtweg das Thema verfehlt wird. Denn entweder
andelt es sich um Menschen, die terroristischer Hand-
ungen verdächtigt werden – dann sind sie als Tatver-
ächtige strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen –,
der es handelt sich nicht um solche. Dann kann es sich
ur noch um Kriegsgefangene handeln, die als solche zu
ehandeln sind.
Wenn sie keiner der beiden Kategorien zuzuordnen
ind, dann stellt sich nicht die Frage, wie die Freiheit der
ndershandelnden zu beurteilen ist. Denn in diesem Fall
ind es keine Andershandelnden, sondern unbescholtene
usländische Staatsbürger, die freizulassen sind.
Stimmen Sie mir zu, dass meine Beschreibung der
echtsverhältnisse etwas präziser ist als die in dem In-
erview des Menschenrechtsbeauftragten geäußerte Be-
chreibung?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Beck, ich habe mir vor dieser Frage-
tunde, wohl wissend, welche Zusatzfragen Sie stellen
ürden, das komplette Interview von Herrn Nooke an-
eschaut. Ich kann Sie insofern beruhigen, als er aus-
rücklich genau das gesagt hat, was Sie gerade geäußert
aben, nämlich dass es nur zwei Möglichkeiten gibt:
ntweder es handelt sich bei diesen Guantanamo-Häft-
ingen um Kriegsgefangene – in diesem Fall muss die
enfer Konvention angewandt werden –, oder es handelt
ich um zivile Strafgefangene; dann ist das amerikani-
che Recht anzuwenden. Das steht ausdrücklich in die-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7529
(A) )
(B) )
Staatsminister Gernot Erler
sem Interview. Insofern besteht zwischen Ihrer Position
und der des Menschenrechtsbeauftragten kein wirklicher
Unterschied.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Volker
Beck:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung von
Menschenrechtsorganisationen, dass die Mitgliedstaaten der
EU die Bereitschaft erklären sollten, Gefangene, die nicht als
Tatverdächtige vor amerikanische Gerichte gestellt werden,
aufzunehmen (vergleiche unter anderem Human Rights
Watch, Internet: http://hrw.org/german/docs/2007/01/11/
global15046.htm)?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Beck, die Aufnahme solcher Personen
liegt in erster Linie in der Verantwortung der Länder, de-
ren Staatsangehörigkeit diese besitzen. Diesem Prinzip
folgend, haben bereits mehrere EU-Mitgliedstaaten ehe-
malige Insassen des Lagers in Guantanamo Bay aufge-
nommen.
Die USA führen außerdem mit mehreren Ländern,
aus denen Staatsangehörige in Guantanamo inhaftiert
sind, Verhandlungen über Rückführungsabkommen oder
haben solche bereits abgeschlossen. Soweit eine Auf-
nahme in den Heimatländern der Betroffenen nicht in
Betracht kommt, liegt die humanitäre Verantwortung für
die Lösung der letztlich durch die Inhaftierung der Per-
sonen entstandenen Situation bei den Vereinigten Staa-
ten.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Zusatzfrage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
In dem Fall kann ich lobend auf das Interview des
Menschenrechtsbeauftragten zurückkommen. Er schlägt
vor, dass wir, also die Bundesrepublik Deutschland bzw.
die Europäer, unsere Bereitschaft erklären sollen, Men-
schen, die nicht in ihre Heimatstaaten zurückverbracht
werden können – ich nenne zum Beispiel die Uiguren,
eine islamische Minderheit im Westen Chinas, die von
den Chinesen verfolgt wird –, aufzunehmen, um eine
Auflösung des Camps in Guantanamo stärker zu unter-
stützen. Übernimmt die Bundesregierung diese Haltung
des Menschenrechtsbeauftragten, oder prüft die Bundes-
regierung, welche Schritte sie in diese Richtung gehen
kann?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Beck, die Haltung der Bundesregierung
ist, dass in solchen Fällen zunächst einmal die Vereinig-
ten Staaten von Amerika dafür zuständig sind, nach
einem anderen Aufenthaltsort Ausschau zu halten.
Selbstverständlich sind wir in diesem Fall gehalten, Ein-
zelfallentscheidungen nach humanitären Gesichtspunk-
ten zu treffen.
Schwierig wird es, wenn man ein pauschales Ge-
samtangebot macht. Das ist mit unserer Rechtsauffas-
sung nicht in Einklang zu bringen. Aber wir sind selbst-
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erständlich bereit, im Einzelfall humanitäre Aspekte zu
rüfen und dann eine Einzelfallentscheidung zu treffen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine zweite Nachfrage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das Ganze ist kein rechtliches Problem. Unser Zu-
anderungsgesetz hat einen Paragrafen ausschließlich
ür solche politisch motivierten Aufnahmeentscheidun-
en, –
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Im Einzelfall!
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– der der Bundesregierung auch ein solches Angebot
rmöglicht. Meinen Sie nicht, dass unsere Forderung
ach Auflösung des Lagers glaubhafter wäre, wenn wir
ereit wären, hier einen Beitrag zu leisten, also unsere
ereitschaft erklärten, in mehreren Einzelfällen selbst-
erständlich den Amerikanern etwas von der Last abzu-
ehmen, wenn sie im Gegenzug bereit wären, Guanta-
amo aufzulösen?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Die Bundesregierung ist durchaus bereit, einen Bei-
rag dazu zu leisten, wenn sie dazu aufgefordert wird
nd wenn es, auch unter Berücksichtigung anderer poli-
ischer Wirkungen einer solchen Maßnahme, Sinn
acht, das zu tun. Aber das muss, wie Sie, Herr Kollege
eck, ja eben auch gesagt haben, dann einer Einzelfall-
rüfung unterliegen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde und des
agesordnungspunktes 3.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD
Bewertung der anhaltend dynamischen Inves-
titionstätigkeit deutscher Unternehmen und
der kräftigen Belebung der Binnennachfrage
bei andauernd hohen Wachstumsraten im Au-
ßenhandel
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
inister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und
echnologie:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Ich meine, das Jahr 2006 war für Deutschland ein
ervorragendes Jahr. Wir sind wieder auf einen klaren, ro-
7530 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesminister Michael Glos
busten Wachstumskurs zurückgekehrt. Das Wachstum
hat mit 2,5 Prozent – so ist es statistisch genau erfasst –
alle Erwartungen übertroffen. Andere würden von
2,7 Prozent sprechen; so hoch war das tatsächliche
Wachstum. Aber wir sind ganz vorsichtig und berück-
sichtigen die Tatsache, dass es 2006 weniger Feiertage
gab. Wir rechnen es ganz genau aus, damit wir ja nicht zu
positiv dastehen. Es sind exakt 2,7 bzw. 2,5 Prozent, wie
immer Sie wollen.
Ich vergleiche jetzt einmal die heutige Situation mit
der zu Beginn des letzten Jahres. Damals war es noch
verboten, Optimismus zu zeigen. Ich habe damals ge-
sagt: Ich schätze das Wachstum etwas höher ein als die
sogenannten Experten. Daraufhin ist offiziell eine niedri-
gere Zahl genannt worden, und dann hat man gleich be-
hauptet, der neue Wirtschaftsminister habe von Wirt-
schaft keine Ahnung. Wenn es allerdings nach solchen
Kriterien geht, müsste ich heute von denselben Experten
auf Händen getragen werden. Aber darauf verzichte ich
natürlich dankend.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
der SPD)
Ich kann selber laufen, ich kann selber aufrecht gehen,
und ich kann mich auch selber gegen alle Kritiker weh-
ren. Außerdem sind einige derjenigen, die mir als Be-
amte zugearbeitet haben, heute nicht mehr in diesen Äm-
tern.
Aber ich wollte hier die Zukunftserwartungen realis-
tisch darstellen. Auch hier hat es jede Menge Unter-
gangspropheten gegeben, die gesagt haben: Das ist ja al-
les wunderbar, was 2006 läuft, aber wartet auf 2007. Die
Mehrwertsteuererhöhung wird alles wieder kaputtschla-
gen.
Nun haben wir nicht aus Jux und Tollerei die Mehr-
wertsteuer erhöht, sondern weil wir konsolidieren wol-
len und müssen. Wir denken ja nicht nur von Quartal zu
Quartal, sondern wir denken längerfristig an die Sanie-
rung unseres Landes; denn das ist eine der Aufgaben, die
sich diese Große Koalition gestellt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Wir werden bald neue offizielle Zahlen bekannt ge-
ben. Ich darf es leider nicht vorwegnehmen, weil die
Zahlen zwischen den Ressorts noch abgestimmt werden.
Die Zahl, die wir in der übernächsten Woche vorstellen
werden, wird aber höher sein als die bisherige Prognose
von 1,4 Prozent für das laufende Jahr, weil sich in der
Tat zeigt, dass der Aufschwung robust ist. Er ist nicht
nur von der guten Auslandskonjunktur und von der gu-
ten Situation des Welthandels getragen. Das Wachstum
wird übrigens auch gestützt durch die zurückgehenden
Ölpreise. Das ist ein zusätzliches Glück, aber Glück hat
auf die Dauer nur der Tüchtige. Warum soll der Tüchtige
nicht auch Glück haben?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauch-
ten diese Mehrwertsteuererhöhung. Sie wird sich aber
entgegen den Erwartungen, die von der Opposition ge-
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ußert worden sind, nicht negativ auf das Wachstum aus-
irken. Herr Brüderle, ich kann Ihre Äußerungen gut
erstehen; sie gehören auch dazu. Es wäre ganz
chlimm, wenn die Opposition die Maßnahmen der Re-
ierung nicht stark hinterfragen und in Frage stellen
ürde. Dann wäre sie wirklich ihr Geld nicht wert. Aber
iese Befürchtungen – sie waren nicht aus der Luft ge-
riffen; sie hatten einen realen Hintergrund – haben sich
ott sei Dank nicht bewahrheitet. Es wird stabil weiter-
ehen.
Nun komme ich zu einem großen Unterschied. Das
achstum ist bereits im letzten Jahr zu drei Vierteln aus
iner anziehenden Inlandsnachfrage entstanden; das ist
ntscheidend. Diese Inlandsnachfrage wird in diesem
ahr nicht abreißen. Wir hatten zuletzt 600 000 Arbeits-
ose weniger als vor Jahresfrist. Das bewirkt nicht nur
ei den direkten Finanzströmen etwas, sondern lässt na-
ürlich auch bei immer mehr Menschen mehr Zuversicht
ufkommen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)
enn man keine Angst mehr um den Arbeitsplatz hat,
enn man keine Angst mehr hat, dass die Frau, der
ann, die Tochter oder der Sohn ihre Arbeit verlieren,
ann ist man wieder zuversichtlicher und damit ausgabe-
reudiger, sodass ich davon ausgehe, dass der private
onsum zunimmt. Die Investitionen im Inland jeden-
alls haben angezogen, und sie halten an. Es ist heute
um Beispiel eine Tatsache, dass die Nachfrage nach
auleistungen auf reduzierte Kapazitäten stößt und es
chon Engpässe gibt. Auch im Rahmen des energeti-
chen Gebäudesanierungsprogramms zum Beispiel gab
s Engpässe sowohl in der Ausführung als auch in der
elieferung mit entsprechenden Dämmstoffen.
Was ist die Ursache für die bessere Wirtschaftslage?
a ist vor allen Dingen natürlich zu erwähnen, dass die
eschäftigten in den letzten Jahren durch stabilitätsge-
echte Lohnabschlüsse dazu beigetragen haben. Dazu
aben die Investitionen der Unternehmungen und die
atsache beigetragen, dass die Unternehmungen ihre
ausaufgaben gemacht haben. Dazu hat aber natürlich
uch die neue Bundesregierung durch ihr Wachstums-
nd Impulsprogramm und die Tatsache beigetragen, dass
ir gesagt haben: Kauft langlebige Wirtschaftsgüter in
006, wenn ihr vermeiden wollt, dass ihr von der Mehr-
ertsteuererhöhung betroffen seid. Auch das hat gehol-
en, das Ganze anzuschieben. Wir möchten, dass dies so
eitergeht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Dazu gehört, dass wir weiterhin Reformen durchfüh-
en. Wir müssen den Prozess des Aufschwungs nutzen,
m die Reformen auszuführen. Nun hat es etwas lange
edauert – es war zäh –, bis man bei der Reform des Ge-
undheitswesens weitergekommen ist. Eine solche Re-
orm ist nie populär. Jetzt kommt es darauf an, was bei
er Umsetzung daraus gemacht wird.
(Detlef Parr [FDP]: Daraus kann nichts wer-
den!)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7531
(A) )
(B) )
Bundesminister Michael Glos
Wir müssen bei der nächsten Reform, bei der Reform
der Pflegeversicherung, darauf achten, dass sie nicht auf
höhere Lohnzusatzkosten hinausläuft. Wir müssen ver-
suchen – das beginnt bei der Gesundheitsreform –, die
Lohnzusatzkosten bzw. die Kosten für diese Versiche-
rungssysteme auf Dauer von den direkten Lohnkosten zu
entflechten.
Wir müssen vor allen Dingen auch darauf schauen,
dass die Versprechungen in Sachen Unternehmensteuer-
reform, die wir gegeben haben und die natürlich Erwar-
tungen geweckt haben, die zu Investitionen geführt ha-
ben, jetzt umgesetzt werden. Wir müssen sehen, dass
auch die Erbschaftsteuerreform im Hinblick auf Be-
triebsvermögen umgesetzt wird.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wo ist der Gesetzentwurf?)
Denn das alles trägt dazu bei, dass die entfachte Glut
nicht abkühlt, sondern in Zukunft anhält.
Dazu gehört zum Beispiel, dass wir den bürokrati-
schen Dschungel lichten. Das ist eine Daueraufgabe;
damit haben wir begonnen. Das nächste Mittelstandsent-
lastungsgesetz ist, nachdem das erste im Bundesgesetz-
blatt steht, auf dem Weg. Wir müssen auch darauf
achten – darüber könnte ich noch sehr lange reden; aber
nach mir sollen auch andere sprechen –, dass sich die
Energiekosten, die uns sehr viele Sorgen machen
(Gudrun Kopp [FDP]: Aha!)
und die in manchen Bereichen stärker zu Buche schlagen
als die Lohnkosten, im Zaum halten. Auch das ist eine der
wichtigen Aufgaben unserer EU-Ratspräsidentschaft.
Insofern lade ich alle dazu ein, zugunsten unseres
Landes mitzuhelfen, dass der Reformweg weitergegan-
gen und damit der Aufschwung weitergeführt wird.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Rainer Brüderle für die
FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Rainer Brüderle (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Glos, ich freue mich, dass Sie hier sind. Wahr-
scheinlich sind auch Sie froh, dass Sie hier sind. Wahr-
scheinlich sind Sie über jeden Tag froh, den Sie nicht in
Bayern sein müssen.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
Die Konjunktur zieht an; das ist erfreulich. Die Wirt-
schaftslage hat sich ohne Zweifel gebessert. Auch im
Hinblick auf die dauerhaft Beschäftigten sind auf dem
Arbeitsmarkt immerhin erste bescheidene Beschäfti-
gungseffekte festzustellen.
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Aber eigentlich müssten alle Mitglieder der Bundes-
egierung schon einen Tennisarm haben, weil sie so viele
ankeskarten schreiben müssen: an die Unternehmen,
ie sich sehr erfolgreich restrukturiert haben;
(Beifall bei der FDP – Laurenz Meyer [Hamm]
[CDU/CSU]: Das ist jetzt aber ein Eiertanz!)
n den deutschen Mittelstand, der sich engagiert hat; an
ie Mitarbeiter, die großartige Leistungen erbracht ha-
en;
(Beifall bei der FDP)
n die Gewerkschaften, die zurückhaltend agiert haben;
n Klinsmann, der die Stimmung verändert hat;
(Klaus Barthel [SPD]: Und an die FDP dafür,
dass sie in der Opposition ist! – Heiterkeit bei
Abgeordneten der SPD)
n China, weil dieses Land so hohe Wachstumsraten hat;
n Indien, weil dieses Land ähnlich hohe Wachstumsra-
en hat, und an Petrus, weil das schöne Wetter der Bau-
irtschaft geholfen hat.
(Beifall bei der FDP)
In Wirklichkeit haben Sie, die schwarz-rote Koalition,
iese Aktuelle Stunde beantragt, um sich selbst zu be-
eihräuchern. Sie schmücken sich allerdings mit frem-
en Federn. Daher sage ich Ihnen: Aus einem nackten
uppenhuhn wird auch mit Verkleidung kein stolzer
fau.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Detlef
Parr [FDP]: Ein schönes Bild!)
Dass wir diese erfreuliche Entwicklung zu verzeich-
en haben, verdanken wir den Umständen, dass andere
änder ein höheres Tempo und ein stärkeres Wachstum
orgelegt und sich unsere Exporte entsprechend ent-
ickelt haben. Erfreulicherweise, Herr Kollege Meyer,
urde davon auch unsere Binnenkonjunktur erfasst. Der
onsum ist allerdings immer noch etwas zu schwach.
as sogenannte Konjunkturprogramm der Bundesregie-
ung, das Sie jetzt wahrscheinlich wieder zelebrieren
erden,
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das wurde doch schon gemacht!)
at dazu nur einen sehr geringen Beitrag geleistet.
(Ortwin Runde [SPD]: Aber es hat dazu beige-
tragen! Immerhin!)
ie die Berechnungen des Sachverständigenrates zur
egutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage gezeigt
aben, wurde es überkompensiert: durch die Kürzung
on Steuervergünstigungen und durch Ihre Arbeits-
arktpolitik. Eigentlich bescheinigt der Sachverständi-
enrat der Regierung also, dass ihre Maßnahmen eher
estriktiv waren.
(Franz Obermeier [CDU/CSU]: Das hätte die
FDP nicht gemacht! – Gegenruf der Abg.
Gudrun Kopp [FDP]: Oh doch!)
7532 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
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Rainer Brüderle
– Ich zitiere nur. – Auf die Vorzieheffekte durch die an-
stehende Mehrwertsteuererhöhung zu setzen, das ist ein
Konjunkturprogramm, das ich nicht zur Wiederholung
empfehle.
(Beifall bei der FDP)
Wenn man schon ein Konjunkturprogramm auflegt,
sollte man intelligenter vorgehen.
Erfreulich ist, dass die Bruttoanlageinvestitionen nach
fünf Jahren Flaute deutlich gestiegen sind. Diese Ent-
wicklung muss verstetigt werden. Wir sollten genau ana-
lysieren, ob die verbesserten Abschreibungsbeding-
ungen dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.
Ich vermute, dass das der Fall ist. Wenn dem so ist, dann
sollte man sie beibehalten und diese Entwicklung da-
durch verstetigen.
Wir hoffen, dass das gegenwärtige Niveau der Bauin-
vestitionen gehalten werden kann. Die Entwicklung auf
diesem Gebiet wurde sicherlich auch durch Einmal-
effekte wie die Abschaffung der Eigenheimzulage und
die Vorzieheffekte der Mehrwertsteuererhöhung beflü-
gelt. Man kann sagen: Die Menschen und die Unterneh-
men sowie insbesondere der Mittelstand in Deutschland
haben sich tüchtig ins Zeug gelegt. Die Bundesregierung
hat das nicht getan.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Genau! Die Menschen haben das ge-
schafft! Und zwar trotz dieser Regierung!)
Sie sollten die jetzige Situation nutzen, um die Rah-
menbedingungen dauerhaft zu verbessern. Aber das tun
Sie nicht. Es gibt keine betrieblichen Bündnisse für Ar-
beit und keine Modernisierung des Kündigungsschutzes.
Stattdessen machen Sie ein wachstumsschädliches Anti-
diskriminierungsgesetz und ein verfassungsbedenkliches
Verbraucherinformationsgesetz. Sie sollten lieber Ihr
Haus in Ordnung bringen, eine vernünftige Gesundheits-
reform zur Entlastung bei den Lohnnebenkosten und zur
Verbesserung der Effizienz durchführen,
(Beifall bei der FDP)
einen überzeugenden Ansatz im Hinblick auf die Reform
der Pflegeversicherung erarbeiten, ein Steuerkonzept
entwickeln, das zum Abbau nicht mehr durchschaubarer
Regelungen beiträgt,
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)
und einen wirklichen Bürokratieabbau einleiten. Aber
Sie tun das Gegenteil. Gesetzentwürfe, die vom Plenum
des Bundestags vorgeschlagen werden, müssen nicht
vom Normenkontrollrat überprüft werden.
Dem Wirtschaftsminister muss ich attestieren, dass er
ordnungspolitisch in vielen Fragen den richtigen Kurs
eingeschlagen hat. Das ist zum Beispiel in der Energie-
politik der Fall;
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)
denn er macht sich ernsthaft Gedanken über eine mög-
liche Entflechtung. Hier haben Sie unsere Unterstützung.
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err Bundeswirtschaftsminister Glos, Sie haben auch in
nderen Fragen mutige Entscheidungen angesprochen.
ber diese Entscheidungen müssen auch von der Regie-
ung durchgesetzt werden.
(Beifall bei der FDP)
s nützt nichts, wenn wir zwar gemeinsam über diese
hemen diskutieren, wenn aber nicht gehandelt wird.
Die Novellierung des Gentechnikgesetzes steht noch
mmer aus. Sie ist von elementarer Bedeutung, um den
tandort Deutschland attraktiver zu gestalten. Denn in
ieser Branche können zukünftig viele Arbeitsplätze ent-
tehen.
(Beifall bei der FDP)
ch verweise in diesem Zusammenhang auf das Stand-
rt-Ranking der Bertelsmann Stiftung. Bei der Arbeits-
arktentwicklung bzw. beim Wirtschaftswachstum bele-
en wir unter den wichtigsten Industrienationen
latz 21. Das ist immer noch beschämend und das muss
ich ändern. Sie haben eine übergroßen Mehrheit: im
undestag 73 Prozent und im Bundesrat eine Zweidrit-
elmehrheit. Deshalb sage ich Ihnen: Wenn das Wetter
chön ist, soll man das Dach reparieren. Man kann es
uch bei Regen; aber das ist mühevoller und schwieriger.
eshalb mein dringender Appell an Sie, die überfälligen
eformen durchzuführen. Gemacht haben Sie bisher
ichts.
Die Timelags wirtschaftspolitischer Maßnahmen lie-
en bei 18 bis 36 Monaten; insofern können Sie zum
ufschwung nicht so viel beigetragen haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zum
chluss.
Rainer Brüderle (FDP):
Ich bin beim letzten Satz, Frau Vizepräsidentin. – Der
ufschwung ist ein Schröder-Effekt, sagt die SPD. Der
ufschwung ist ein Merkel-Effekt, sagen die Dunklen.
ch sage, er ist ein Deutschlandeffekt: weil die Deut-
chen tüchtig sind, trotz einer lahmen Regierung.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Christian
ange das Wort.
Christian Lange (Backnang) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Lieber Herr Brüderle, ein Wort des Dankes ha-
en Sie vergessen: Dank an die FDP dafür, dass sie in
er Opposition ist. Denn ich bin mir nicht sicher, ob wir
onst in der heutigen Aktuellen Stunde so wunderbare
ahlen präsentieren könnten.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Das Wachs-
tum wäre doppelt so hoch, Herr Kollege!)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7533
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Christian Lange (Backnang)
Ich will deshalb fragen: Wer ist schuld an diesem Auf-
schwung? In einem haben Sie recht: Jawohl, Industrie
und Handwerk haben sich restrukturiert. Mit der Politik
hat der Aufschwung aber auch etwas zu tun. Denn sonst
wäre Ihr Schlussappell – wir müssten unsere Reformen
fortsetzen – sinnlos. Genau das wollen wir tun; deshalb
sprechen wir ja heute darüber.
Das Wirtschaftswachstum lag 2006, wenn wir alle
Arbeitstage mitrechnen, die ein Jahr gemeinhin hat, bei
2,7 Prozent; ansonsten sind es 2,5 Prozent. Ich will nur
daran erinnern: Im Boomjahr 2000 hatten wir ein
Wachstum von 3,2 Prozent. Von daher – da stimme ich
ausdrücklich zu – können wir uns noch anstrengen, um
ein Wachstum wie im Erfolgsjahr der rot-grünen Bun-
desregierung zu erreichen. Die neue Bundesregierung
kann auf dem soliden Fundament aufbauen, das ihr Rot-
Grün hinterlassen hat: Die Haushaltskonsolidierung ist
unter Rot-Grün begonnen worden und wird jetzt von
Peer Steinbrück fortgesetzt. 2006 konnte er mit einer
Nettokreditaufnahme von 27,9 Milliarden Euro
10,3 Milliarden Euro unter dem Ansatz im Haushalts-
plan bleiben. Das kann sich sehen lassen.
Heute, am 17. Januar, ist allerdings noch nicht die
Zeit, weitere Sparpakete zu fordern, wie man es in eini-
gen Tickermeldungen lesen kann. Meine Damen und
Herren, lassen Sie uns erst einmal abwarten, wie sich die
wirtschaftliche Lage entwickelt, ob die Prognosen ein-
treffen. Erst wenn wir wissen, wie sich die Mehrwert-
steuererhöhung tatsächlich auswirkt, können wir über
weitere Sparanstrengungen reden, aber keine Sekunde
früher.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ein weiterer Punkt. Ja, wir haben eine größere In-
landsnachfrage. Auch da können wir aufbauen auf dem,
was uns die alte Bundesregierung hinterlassen hat, auf
der größten Steuerreform in der Geschichte der Bundes-
republik, durch die die Steuerzahlerinnen und Steuerzah-
ler seit 1998 – das dürfen wir nicht vergessen – um
59,1 Milliarden Euro entlastet worden sind. Jetzt gibt es
wieder mehr Aufträge, die Leute haben Zuversicht und
investieren auch bei uns im Inland. Wir werden der Ein-
kommensteuerreform von Rot-Grün eine Unternehmen-
steuerreform und eine Erbschaftsteuerreform folgen las-
sen. Denn die Unternehmen stehen im Wettbewerb
miteinander, und auch wir als Bundesrepublik Deutsch-
land stehen in einem Wettbewerb, nämlich in einem
Standortwettbewerb. Deshalb werden wir den Körper-
schaftsteuersatz von 25 Prozent auf 15 Prozent senken
und die Gewerbesteuermesszahlen von 5 auf 3,5, sodass
der Steuersatz für Unternehmen in Deutschland in Zu-
kunft nicht mehr 38,6 Prozent, sondern nur noch
29,8 Prozent betragen wird. Das haben wir uns in der
Koalition vorgenommen, und das werden wir auch um-
setzen. Dazu gehört auch die Reform der Erbschaft-
steuer, die wir uns vorgenommen haben und die wir, gar
keine Frage, durchführen werden. Diejenigen Unterneh-
men, die zehn Jahre erfolgreich tätig sind und Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäfti-
gen, sollen belohnt werden. Deshalb werden wir eine
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ntsprechende Erbschaftsteuerreform – in Form des Ab-
rbeitungsmodells – präsentieren.
Der Aufschwung ist kein Strohfeuer. Deshalb ist es
ein Wunder, dass er den Prognosen zufolge über 2007
inaus anhalten wird. Für 2007 wird ein Wirtschafts-
achstum zwischen 1,4 und 2,1 Prozent prognostiziert.
m Jahr 2008 wird es nach der OECD immerhin für bis
u 2,1 Prozent reichen. Also: Vorsicht ist die Mutter die
orzellankiste. Es sieht aber gut aus. Deshalb dürfen wir
n der Tat nicht nachlassen. Für all das, was wir tun,
üssen wir aber auch Verständnis bei den Menschen we-
ken; denn all die guten Maßnahmen, die wir uns vorge-
ommen haben, nützen uns nichts, wenn wir die Bürge-
innen und Bürger bei unseren Vorhaben nicht
itnehmen.
Deshalb sage ich Ihnen, Herr Minister, dass ich entge-
en Ihrer Aussage zu den konjunkturellen Risiken die
eltwirtschaftliche Lage als eines der großen Risiken
nsehe, so sehr wir uns alle auch über die Ölpreisent-
icklung freuen. Schauen Sie sich den Irak-, den Iran-
nd den Syrienkonflikt sowie das Verhalten der Verei-
igten Staaten von Amerika an! Ich glaube, hier liegen
inige der größten weltwirtschaftlichen Risiken, die wir
m Augenblick zu gewärtigen haben. Da wir als Bundes-
epublik Deutschland zum fünften Mal in Folge Export-
eltmeister sind, sind diese weltwirtschaftlichen Um-
tände für unsere konjunkturelle Entwicklung – und
uch für die Binnenkonjunktur – sehr wohl von großer
edeutung.
Schließlich will ich nicht verhehlen, dass wir mit un-
eren Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit getrof-
en haben, auch in einem der Kernbereiche des Mittel-
tandes Erfolge haben, die sich heute positiv auswirken.
ch denke dabei ans Handwerk. Schauen Sie sich zum
eispiel die letzte Statistik des Zentralverbandes des
eutschen Handwerks an. Sie bestätigt diesen Kurs.
ach dieser Statistik ist die Zahl der Betriebe seit 2004
m 40 712, das heißt um 4,8 Prozent, gestiegen.
Meine Damen und Herren, wir setzen uns dafür ein,
ass sich dieser Zuwachs an neuem Mut und an Selbst-
tändigkeit fortsetzen wird. Das Handwerk ist ein positi-
es Beispiel dafür. In diesem Sinne bin ich guten Mutes
ür 2007.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege
r. Schui.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ko-
lition hat eine Feierstunde auf die Tagesordnung ge-
etzt, die ohne große Beteiligung der Koalition abgehal-
en wird. Auf Wunsch der Koalition begehen wir heute
en Tag des Wirtschaftswachstums. 2,5 Prozent sind zu
eiern. Das ist das weitaus größte Wachstum seit vielen
7534 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
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Dr. Herbert Schui
Jahren. Durch dieses Wirtschaftswachstum wurde aber
offenbar eine noch größere Euphorie ausgelöst. Wir ha-
ben es mit einem Euphoriewachstum zu tun. Ich will das
alles durch einige statistische Informationen dämpfen.
Zunächst sollte ich darauf aufmerksam machen, dass
eine kapitalistische Wirtschaft in Zyklen wächst. Es geht
also grundsätzlich immer wieder einmal rauf und runter.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Eine kom-
munistische Wirtschaft wächst nie!)
– Na ja, gut. – Den letzten kompletten Zyklus gab es von
1993 und 2003. Danach ging es wieder aufwärts, aber
langsamer als sonst.
Die Investitionsausgaben der Unternehmen schwan-
ken innerhalb solcher Zyklen erheblich. In diesem letz-
ten kompletten Zyklus von 1993 und 2003 gab es bei
den Investitionen Wachstumsraten von minus
7,8 Prozent und minus 9,1 Prozent und auf der anderen
Seite von plus 4,6 Prozent und plus 5,3 Prozent. Es
würde mich wundern und restlos überraschen, wenn sich
die normalerweise sehr schwankenden Wachstumsraten
der Investitionen aufgrund des geistlichen Zuspruchs des
Bundeswirtschaftsministers auf einmal verstetigen wür-
den. Deshalb sollte die Regierung weniger Brimborium
um diese Investitionsausgaben machen. Schauen wir
einmal.
Ein weiteres Problem: Ein knappes Drittel des Wachs-
tums im vergangenen Jahr kam durch die deutschen Ex-
porte zustande. Diese werden im kommenden Jahr ganz
sicherlich weiter anwachsen, allerdings langsamer. Das
ist auch normal, weil das Exportwachstum im
Jahre 2006 von 12,4 Prozent der totale Ausreißer ist.
Ähnliches gab es nur im Jahre 2000. Ansonsten lag das
Exportwachstum sehr weit darunter, und es gibt keinen
Grund, von einem stetigen Exportwachstum auszugehen.
Das dritte Problem für das Wachstum ist die Sanie-
rung des Bundeshaushaltes. Ich habe hier ja schon oft
darauf hingewiesen, dass ich ein Freund der Sanierung
des Bundeshaushaltes bin. Wir müssen weniger Schul-
den aufnehmen. Die Methode ist aber falsch. Man muss
den Haushalt mit den Steuereinnahmen sanieren, die
aufgrund von Einkommen erzielt werden, die ohnehin
nur zu einem geringen Teil ausgegeben werden. Das
heißt, dass die Einkommen aus Unternehmertätigkeit
und Vermögen stärker besteuert werden müssen. Dann
ist die Chance größer, den Haushalt zu sanieren, ohne
dabei die Konjunktur abzuwürgen.
Der bedeutendste Faktor sind aber die privaten Kon-
sumausgaben, die nicht vom Fleck kommen. Das Ein-
kommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ist im
vergangenen Jahr nominal um 6,9 Prozent gestiegen, das
Arbeitseinkommen um 1,3 Prozent. Das ist entschieden
zu wenig. Die Ausgabenfreude derjenigen, die Einkom-
men aus Unternehmertätigkeit und Vermögen beziehen,
ist offenbar – trotz der verlängerten Ladenschlusszeiten –
gering.
Das vergleichsweise gute Jahr 2006 hat also einzig
die ohnehin Wohlhabenden weiter begünstigt. Es hat ih-
nen zu mehr Wohlstand verholfen. Dass die Beschäfti-
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ung bei dieser Gelegenheit leicht angestiegen ist, ist
ine Begleiterscheinung. Denn der vermehrte Wohlstand
ür die Wohlhabenden musste schließlich produziert
erden. Dazu brauchte es ein paar Arbeitsstunden mehr.
n der hohen Arbeitslosigkeit ändert das nichts.
Wie kommen wir zu mehr Wachstum, bis uns in eini-
en Jahren wieder turnusgemäß der nächste Abschwung
rwischt? Die Löhne müssen, weil sich der private Ver-
rauch unzureichend entwickelt, in diesem Jahr mindes-
ens ebenso rasch steigen wie das Einkommen aus Un-
ernehmertätigkeit und Vermögen. Sie müssen also
eutlich höher steigen, als es manche Tarifkommission
ancher Gewerkschaften angibt. Steigen die Löhne,
ann wächst der private Verbrauch.
Der Mindestlohn muss diese Lohnentwicklung unter-
tützen. Wir müssen davon wegkommen, dass zum Bei-
piel in Hamburger Hotels die Reinigungskräfte mit
,47 Euro bezahlt werden. Diese Menschen haben nichts
um Ausgeben. Sie sind außerstande, den privaten Ver-
rauch zu stützen. Außerdem sollte das Arbeitslosen-
eld II angehoben werden.
Damit habe ich nur die wesentlichen Posten genannt.
Das Lohn- und Sozialeinkommen muss also steigen.
enn das nicht der Fall ist, dann werden wir im dritten
der vierten Quartal dieses Jahres auf eine Wachstums-
arke von etwa 1 Prozent zurückfallen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs
[CDU/CSU]: Ihre Prognosen sind grund-
falsch!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege
r. Fuchs.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
en! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber
ollege Brüderle, in Ihrer Auflistung hat mir der Dank
n den Bundeswirtschaftsminister gefehlt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
ch stelle mir vor: Wenn Sie heute Wirtschaftsminister
ären, dann könnten Sie vor Kraft kaum noch laufen.
ie würden sich auf einer Sänfte durch Rheinland-Pfalz
ragen lassen und alle Weinköniginnen auffordern, Sie
rneut zu küssen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen festhalten, dass in diesem Fall die Wachs-
umszahlen, die der Bundeswirtschaftsminister eben ver-
ündet hat, bei Ihnen zu Freudentänzen Anlass geben
ürden. Es ist auch richtig und gut, dass wir uns darüber
reuen. Dass Sie versuchen, das schlechtzureden, habe
ch nicht verstanden. Davon, dass der Bundeswirt-
chaftsminister erheblichen Anteil an diesen Wachstums-
ahlen hat, können Sie ausgehen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7535
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Dr. Michael Fuchs
Ein Blick auf die Zahlen insgesamt zeigt, dass die
Zahl der Arbeitslosen um 600 000 gesunken ist. Das ist
die richtige Politik, Herr Schui.
Noch besser ist – das ist für mich die wichtigere
Zahl –, dass wir 360 000 sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze mehr haben. Nur dann, wenn es uns ge-
lingt, am ersten Arbeitsmarkt neue Arbeitsplätze zu
schaffen, erreichen wir ein stetiges Wirtschaftswachs-
tum. Denn dann können auch die von Ihnen genannten
Menschen am Konsum teilhaben, Herr Schui. Mit Ein-
kommen aus Hartz IV etc. wird das sicherlich nicht
möglich sein.
Ich bin erfreut darüber, dass die OECD endlich wie-
der einen Grund hat, uns in ihrem Jahresbericht zu loben.
Seit Jahren haben wir nur Schelte bezogen. Dieses Jahr
ist festgestellt worden, dass Deutschland das einzige
Land ist, das Ehrgeiz bei der Defizitsenkung zeigt und
dabei Erfolge erzielt hat. Wir sind zu Jahresbeginn noch
von einer Nettoneuverschuldung in Höhe von 38 Mil-
liarden Euro ausgegangen. Es sind aber ungefähr 20 Mil-
liarden Euro.
Wir haben das ehrgeizige Ziel, in 2007 19,7 Milliar-
den Euro zu unterschreiten. Das bedeutet, dass die Neu-
verschuldung erstmalig unter den Stand vor der Wieder-
vereinigung sinkt. Das ist der richtige Weg im Sinne der
Generationengerechtigkeit. Dies sind wir den jungen
Leuten in unserem Land schuldig. Wir dürfen die Finan-
zierung über eine Defiziterhöhung nicht unbegrenzt fort-
setzen.
Leider lobt uns die OECD nicht in jeder Beziehung.
Wir sollten daher den Dreiklang, den die Bundeskanzle-
rin angesprochen hat, nämlich Sanieren, Reformieren
und Investieren, im Auge behalten und fortsetzen. Natür-
lich müssen wir weiter reformieren. Ich weiß, dass der
Bundeswirtschaftsminister hier Druck machen wird. Die
OECD hat uns gesagt, dass wir auf dem Arbeitsmarkt
noch erheblichen Deregulierungsbedarf haben. Es liegt
eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch. Über diese
werden wir angesichts der nach wie vor viel zu hohen
Arbeitslosigkeit weiter diskutieren müssen. Sie alle sind
gefordert, gute Vorschläge zu machen.
Auf dem Weg des Investierens sind wir einen guten
Schritt vorangekommen. Ich nenne als Beispiele nur das
Wachstumspaket, die Hightechstrategie und das Investi-
tionsgeschehen in der Wirtschaft, aber auch die Pro-
gramme, die wir über die KfW sowohl im Energieein-
sparbereich als auch bei der Finanzierung von jungen
Unternehmen neu aufgelegt haben. Genau das ist der
richtige Weg. Hier sollten wir helfen. Wir brauchen mehr
unternehmerische Kraft und Initiative. Dann entstehen
zusätzliche Arbeitsplätze. Im Handwerk ist es besonders
gut gelaufen. Es gibt viele Bereiche, in denen es inzwi-
schen einen Mangel an bestimmten Produkten gibt. Ver-
suchen Sie zurzeit einmal, in Deutschland Dämmmate-
rialien zu bekommen! Diese sind so gut wie ausverkauft.
Ich habe gehört, dass wir mittlerweile Dachlatten aus
Litauen importieren müssen, weil in Deutschland nicht
mehr so schnell produziert werden kann, um den stei-
genden Bedarf an Dämmmaterialien und Dachlatten zu
befriedigen. Das alles zeigt, dass sich hier etwas tut. Ge-
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ade in den kleinen Handwerksunternehmen sind Ar-
eitsplätze entstanden. Diese brauchen wir.
Wir dürfen uns aber angesichts der guten Zahlen und
er erheblich höheren Steuereinnahmen nicht zur Ruhe
etzen. Vielmehr müssen wir die anstehenden Reform-
rogramme, von der Unternehmensteuerreform bis zur
flegeversicherung, umsetzen. Wir müssen zudem stän-
ig darauf achten – das ist für mich genauso wichtig –,
b wir nicht zusätzliche Deregulierungen auf dem Ar-
eitsmarkt vornehmen müssen; denn es ist nicht ganz
on der Hand zu weisen, dass wir in Deutschland den re-
uliertesten Arbeitsmarkt in Europa haben. Laut OECD-
tudie belegen wir hier unter 28 Ländern den letzten
latz. Das kann uns nicht gefallen. Darüber müssen wir
achdenken.
Ich fordere alle Kollegen auf, daran mitzuarbeiten,
amit wir den Aufschwung verstetigen und in Deutsch-
and Arbeitsplätze schaffen und damit es in diesem Land
ieder vorangeht und weiterhin so viel Spaß macht wie
islang.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Margareta Wolf für die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
egen! Sehr geehrter Herr Minister Glos, Sie haben zu
eginn Ihrer Rede gesagt, wir alle müssten Sie eigent-
ich auf Händen tragen. Das würden wir gerne tun. Aber
ch frage mich, ob die Tatsache, dass gerade einmal elf
olleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion an dieser De-
atte teilnehmen, dafür ausreicht, dass wir Sie in Form
iner menschlichen Sänfte durch das Parlament tragen.
ch habe meine Bedenken. Im Ernst, Herr Kollege Glos,
ch frage Sie, warum Sie uns zu dieser kleinen, sehr inti-
en Feierstunde am späten Nachmittag eingeladen und
icht stattdessen eine Regierungserklärung vor diesem
ohen Hause abgeben haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ie hätten diesen freudigen Moment wirklich feiern und
ns – dafür hatten Sie vermutlich nicht genügend Zeit –
hre Instrumente zur Verstetigung des Aufschwungs vor-
tellen können. Die Wirtschaftsgeschichte der Bundes-
epublik Deutschland zeigt – das ist der einzige Punkt, in
em ich Ihnen ausnahmsweise einmal recht geben muss,
err Schui –, dass Aufschwünge volatil sein können
ich erinnere nur an das Jahr 2000 –, dass sie aber durch
ntsprechende Instrumente verstetigt werden können.
Wir alle wissen, dass der jetzige Aufschwung auf
wei Beinen steht. Das eine Bein ist der Export. Hier
ibt es schon länger eine positive Entwicklung. Das
weite Bein ist – darüber freuen wir uns besonders – die
estiegene Binnennachfrage. Ich möchte diese Debatte
azu nutzen, Herr Minister, diese beiden Faktoren und
ie Risikopotenziale zu beleuchten, denen die Regierung
7536 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
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Margareta Wolf (Frankfurt)
im nächsten Jahr begegnen muss. Dies zu tun, hat uns
der Kollege Fuchs gerade aufgefordert.
Erstens, Herr Minister. Eine ganz große Herausforde-
rung für die Regierung besteht nach wie vor im Niedrig-
lohnsektor. Wir alle wissen, dass man sich bei einem
wirksamen Umbau des Niedriglohnsektors auf die Frage
konzentrieren muss, wie einfache Arbeit wieder ren-
tabler wird. Da ist es für uns unbefriedigend – im Übri-
gen unbefriedigend für die Binnennachfrage und die
Verstetigung dieser Tendenz –, wenn Sie mit den Kolle-
gen von der SPD seit nunmehr acht Monaten darüber
diskutieren, ob ein Kombilohn oder ein Mindestlohn ein-
geführt werden soll. Diese Debatte ist sehr unbefriedi-
gend. Wir haben Ihnen unser Progressivmodell vorge-
legt. Wir würden gerne weiterhin die Debatte mit Ihnen
darüber führen.
Zweitens, Herr Minister. Die Lohnquote ist seit dem
Jahr 2000 von 72 Prozent auf 62 Prozent gesunken. Es
gab in den letzten sechs Jahren einen Nettolohnzuwachs
von 0,3 Prozent. Gleichzeitig ist die Binnennachfrage im
letzten Jahr um 0,6 Prozent gestiegen. Das ist sehr er-
freulich. Aber angesichts dieser, wie ich finde, nicht sehr
berückenden Zahlen weiß ich nicht, ob es so klug oder
psychologisch richtig ist, ausgerechnet zu Anfang dieses
Jahres, in dem die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte
gestiegen ist und in dem wir – so Gott will oder auch
nicht will – eine Gesundheitsreform mit einer Beitrags-
steigerung von 0,3 Prozentpunkten bekommen werden,
die Tarifparteien zu Lohnzurückhaltung aufzufordern.
Sie wissen, dass ich über ein solches Thema eigentlich
ungern rede. Wir wissen alle, dass der Aufschwung ein
Stück weit der Lohnzurückhaltung in den vergangenen
Jahren geschuldet ist. Sie hat aber auch die reduzierte
Binnennachfrage in den letzten Jahren bewirkt. Ich
würde mir wünschen, dass man in einen ganz pragmati-
schen Diskurs mit den Gewerkschaften eintritt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Drittens, Herr Minister. Wir haben im ersten Halbjahr
die G-8-Präsidentschaft und wir haben die EU-Präsi-
dentschaft inne. Ich weiß, dass Sie ein Minister sind, der
sich sehr für die Außenwirtschaft interessiert. Was mich
wirklich sorgt, ist die Welthandelsrunde und das, was
wir im Moment in Asien beobachten. Gestern hat sich
die weltgrößte Freihandelszone unter Einbeziehung von
China und Indien gebildet. Und was machen wir? Die
Bundeskanzlerin läuft vor der Präsidentschaft durch die
Gegend und sagt: Wir wollen ein Freihandelsabkommen
mit den USA. – Sie geht nach Washington, aber Bush
reagiert gar nicht auf ihren Vorschlag. Heute lese ich zu
meiner großen Freude, dass der Sherpa, der Ihr Staatsse-
kretär ist, davor explizit warnt. Wir brauchen eine Linie,
wenn wir die WTO beleben wollen. Wir brauchen die
WTO und den Multilateralismus. Da müssen wir uns
stark aufstellen; denn wir wissen genau, dass die Chine-
sen und die Inder Multilateralismus für ein Instrument
halten, das lediglich den Fußlahmen hilft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine letzte Bemerkung, Herr Minister. Wir lesen täg-
lich von ehrgeizigen Vorhaben der RAG und der DB AG,
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as Börsengänge angeht. Sie haben nichts dazu gesagt,
ie der größte Börsengang, nämlich der von der RAG,
ealisiert werden soll. Wir wissen, dass Sie sich vor der
PD ducken, die meint, sie brauche einen Sockelberg-
au, um die nächsten Wahlen in NRW zu gewinnen. Ich
ordere Sie auf: Unterstützen Sie das Vorhaben der
AG! Denn das ist industriepolitisch und für den Che-
iestandort wichtig, und das ist eine der wichtigsten
ntscheidungen, die im Jahr 2007 neben der Privatisie-
ung der DB AG getroffen werden muss, die Sie, wie ich
eiß, unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
einhard Schultz.
Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ch halte es für durchaus angemessen, dass man nach
inem guten Jahr innehält und Revue passieren lässt,
as eigentlich geschehen ist; denn das hätte zu Beginn
es vergangenen Jahres niemand geglaubt: ein stetiges,
rdentliches, stabiles Wachstum, eine Wachstumsper-
pektive über den Tag hinaus für dieses und wahrschein-
ich auch für das kommende Jahr, keine nennenswerte
achstumsdelle im Zusammenhang mit der Mehrwert-
teuererhöhung, die vorher prognostiziert worden ist. Es
ab deswegen keine Delle, weil sich alle Beteiligten
sowohl die Bevölkerung als auch alle anderen Ak-
eure – sehr geschickt und psychologisch schlau auf die
ehrwertsteuererhöhung vorbereitet haben. Die Politik
at das sehr rechtzeitig getan, der Handel hat gleitend
arauf reagiert und nicht abrupt zum ersten Januar. Im
egenteil: Man kann sogar sagen, dass sich die Mehr-
ertsteuererhöhung in vielen Bereichen des Handels auf
ie Preise überhaupt nicht ausgewirkt hat, weil der Wett-
ewerb dies verhindert. Alle mir vorliegenden Untersu-
hungen hinsichtlich der Situation des Einzelhandels,
um Beispiel die von KMPG, besagen: Die Lage hat sich
icht nur in 2006 stabilisiert; vielmehr wird sie sich auch
n dem jetzt begonnenen Jahr weiter deutlich stabilisie-
en.
Ohne Frage: Wir blicken auf einige schwierige Jahre
urück. Strukturreformen waren notwendig. Allerdings
atten wir alle gemeinsam – auch die Union war mit ver-
eilten Rollen bei vielen dieser Reformen letztendlich
it im Boot, genauso wie die Grünen – das Pech, dass
ehr schwierige Reformen im Rahmen einer wirtschaft-
ich bescheidenen Situation, deren Eintreten keiner ah-
en konnte, durchgeführt wurden.
Die Appelle, auch die von Herrn Brüderle, den wirt-
chaftlichen Rückenwind, dieses Mehr an Wachstum – es
acht es durchaus leichter, auf das eine oder andere zu
erzichten, da neue Einkommen generiert werden –, für
eitere Reformen zu nutzen, sind völlig richtig; das ist
och gar keine Frage. Das heißt nicht, dass man zu jeder
eformidee Ja sagt. Vom Grundsatz her ist Reformieren
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7537
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Reinhard Schultz (Everswinkel)
in Wachstumsphasen leichter als in einer Phase des wirt-
schaftlichen Gleit- oder sogar Sinkflugs.
Man muss feststellen: Die alte Bundesregierung hat
die Rahmenbedingungen geschaffen; sie wirken sich auf
den Arbeitsmarkt positiv aus. Die jetzige Bundesregie-
rung hat etwas gemacht, was auch wir für richtig halten
und was sich ausgezahlt hat. Peer Steinbrück spricht im-
mer von den zwei Tonlagen der Finanzpolitik: Auf der
einen Seite soll man die öffentlichen Haushalte sanieren,
konsolidieren und unnötige Ausgaben zurückfahren, und
gleichzeitig soll man auch dafür sorgen, dass Wachstum
auch mithilfe des Gesetzgebers und der öffentlichen
Hand entsteht. Beides haben wir gemacht. Die psycholo-
gische Bremse bei denjenigen, von denen wir erwartet
haben, dass sie investieren und konsumieren, um mehr
Binnennachfrage zu generieren – diese Bremse war
Ende 2005/Anfang 2006 noch vorhanden –, ist durch die
Politik der Bundesregierung gelöst worden.
Dazu haben bessere Abschreibungsbedingungen bei
Investitionen, die Unterstützung der privaten Haushalte
bei der Inanspruchnahme von Reparaturen und Dienst-
leistungen und selbstverständlich auch das Gebäudesa-
nierungsprogramm – große Teile der damals noch auf
dem Bauch liegenden Bauindustrie und des Baugewer-
bes leben davon heute – einen hilfreichen Beitrag geleis-
tet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Baugewerbe ist bei der Beurteilung der Konjunk-
tur immer ein wichtiger Beobachtungsgegenstand. Der
gesamte Baubereich verzeichnet zum ersten Mal wieder
Zuwächse von 3,6 Prozent. So viel hat es seit 1994 nicht
mehr gegeben. Diese Zuwächse hat es in erster Linie
nicht beim Einfamilienhausbau – aufgrund des Alters-
aufbaus unserer Bevölkerung brauchen wir dort keine
Zuwächse – gegeben, sondern beim Geschosswohnungs-
bau, bei der Sanierung des Bestandes und interessanter-
weise beim Industriebau. Das hat etwas mit den Investi-
tionen zu tun. Auch die Bauindustrie lebt von
Investitionen. Hilfreich war zu guter Letzt die Tatsache,
dass auch der Bund und andere Ebenen der öffentlichen
Hand selbst im Bereich der Infrastrukturinvestitionen
nicht gerade kleinlich gewesen sind. Auch dort hat man
die Zukunft beherzt in die Hand genommen und dadurch
sowohl Wachstum als auch eine Menge Arbeitsplätze
geschaffen.
Ich bin Westfale, und, Herr Schui, ich neige nicht so
sehr dazu, mich übermäßig euphorisieren zu lassen. Ich
sage es einmal, wie es ein Westfale mit einem Höchst-
maß an Euphorie sagen würde: So schlecht läuft’s nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege
Eckhardt Rehberg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
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Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Steige-
ung von Wirtschaftswachstum, Steigerung von Ausrüs-
ungsinvestitionen und Bauinvestitionen, Steigerung der
nlandsnachfrage, das sagt dem Einzelnen, der Arbeit
at, aber insbesondere demjenigen, der Arbeit sucht,
och nicht sehr viel. Kollege Schultz, mir ist es ähnlich
ie Ihnen im Januar 2005 gegangen: Ich hätte diese Ent-
icklung so nicht erwartet. Ich glaube, wenn man dies in
inem Gespräch mit Unternehmern oder mit Arbeitneh-
ern so beschrieben hätte, dann wäre einem erwidert
orden: Das ist nichts als Schönfärberei.
Als ich mich auf die heutige Aktuelle Stunde vorbe-
eitet habe, war ich von den Arbeitsmarktzahlen, insbe-
ondere im Osten, beeindruckt. Es gibt in Deutschland
eine geteilte Entwicklung. In den neuen Bundesländern
st die Zahl der Arbeitslosen um 150 000 zurückgegan-
en; darunter – das ist besonders erfreulich – waren
5 000 Menschen unter 25 Jahren.
Weiter muss man sagen: Wir haben in den neuen Bun-
esländern einen Bestand von 133 000 offenen Stellen;
avon mehr als die Hälfte aus dem ungeförderten Be-
eich. Um das Gesamtstellenangebot zu schätzen, muss
an die Zahl der ungeförderten offenen Stellen mal drei
ehmen; so ergibt sich ungefähr die Richtgröße. So kann
an davon ausgehen, dass es in den neuen Bundeslän-
ern ein Gesamtangebot von 180 000 bis 200 000 unge-
örderte Stellen gibt. Aus meiner Sicht ist es in diesem
ahr die wesentliche Herausforderung, diese Stellen zu
esetzen.
Im Schiffbau gibt es einen Fachkräftemangel. Die So-
ialpartner müssen einen Pool schaffen, damit sie das
rbeitsaufkommen ausgleichen können; ich bin kein
an von Zeit- und Leiharbeitsfirmen. Nebenbei gesagt:
m Augenblick ist es schwer, Schiffbauer oder Schwei-
er aus Polen anzuheuern; der Arbeitsmarkt ist ausge-
eizt. Schauen Sie ins verarbeitende Gewerbe!
Herr Kollege Schui, wichtiger, als Horrorszenarien an
ie Wand zu malen und sich mit dem Auf und Ab zu be-
assen, ist es, sich Gedanken darüber zu machen, wie
an diese offenen Stellen mit qualifizierten Fachkräften
esetzt. Ich sage Ihnen eines voraus – so mutig bin ich
eute –: Wir werden zu Beginn des Jahres 2008 eine
hnliche Situation wie heute haben. Die spannende
rage in den kommenden Monaten wird also sein: Wie
esetzen wir die offenen Stellen, gerade auch in den
euen Bundesländern?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Andere Zahlen sind aus meiner Sicht genauso beein-
ruckend. Auch beim CO2-Gebäudesanierungspro-
ramm gibt es keine geteilte Entwicklung. Wenn man
en Bevölkerungsanteil zugrunde legt, stellt man fest,
ass die ERP- und KfW-Programme in den neuen Bun-
esländern deutlich überproportional in Anspruch ge-
ommen werden. Bei den ERP-Programmen gibt es ins-
esamt einen Zuwachs von 3,1 Milliarden Euro in 2005
uf 5,1 Milliarden Euro in 2006. Das ist ein Zuwachs um
ast zwei Drittel. Wer sich ein bisschen mit den ERP-
rogrammen auskennt, der weiß, dass es hierbei um
7538 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
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Eckhardt Rehberg
Gründerprogramme für kleine und mittelständische Un-
ternehmen geht. Über diese Investitionsprogramme wer-
den die Arbeitsplätze von morgen geschaffen.
Nehmen Sie die Programme aus dem Bundeswirt-
schaftsministerium: Inno-Watt, NEMO, Pro Inno usw.
Sie sind gegenüber dem letzten Jahr deutlich – um
25 Millionen Euro – aufgestockt worden. Mehr als
50 Prozent fließen in die neuen Bundesländer. Ange-
sichts dieses Zahlenreigens bin ich fest davon überzeugt,
dass dies keine Einmalentwicklung ist.
Herr Brüderle, natürlich haben die Menschen in
Deutschland den Hauptanteil an dieser Entwicklung;
aber ohne vernünftige politische Rahmenbedingungen
kommt es nicht zu solch einer positiven Entwicklung.
Ich glaube, der Dreiklang, den wir in der großen Koali-
tion gewählt haben – Sanieren, Reformieren und Inves-
tieren –, ist der richtige Ansatz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Schluss möchte ich Ihnen eine Meldung aus der
„Ostsee-Zeitung“ von heute in Bezug auf Mecklenburg-
Vorpommern zeigen:
Top 100: Jede dritte Firma stellt wieder mehr Leute
ein
Ich wünsche mir, dass ich, wenn ich hier im Januar 2008
wieder reden darf, davon berichten kann, dass nicht jede
dritte, sondern jede zweite Firma neue Beschäftigte ein-
stellt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Andreas
Steppuhn das Wort.
Andreas Steppuhn (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Es geht aufwärts in Deutschland,
und das ist gut so. Es ist ein Anlass, uns auch einmal zu
freuen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Die konjunkturelle Situation in Deutschland hat sich
spürbar und nachhaltig verbessert. Die Binnennachfrage
hat sich deutlich erhöht; die Wachstumsraten belegen
dies.
Dies ist auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Wir kön-
nen eine insgesamt sinkende Arbeitslosigkeit bei einer
gleichzeitig steigenden Anzahl von offenen Stellen ver-
zeichnen. Wohlgemerkt: Dies ist ein Anstieg bei den
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Im Jahres-
durchschnitt gab es im Vergleich zum Vorjahr rund
400 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr.
Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Arbeitslosen im
Bundesdurchschnitt um 374 000, das heißt um 7,7 Pro-
zent, zurückgegangen – ein deutlicher Erfolg.
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Die – nicht nur wegen der Fußball-WM – entstandene
ositive Grundstimmung und das Wachstum müssen
eiter forciert werden. Beschäftigungspolitisch ist dies
ie Chance, wieder mehr junge Menschen in Arbeit und
or allem in Ausbildung zu bringen, was auch schon ge-
chehen ist. Aber es bietet sich uns auch die Möglichkeit,
ie sogenannte Generation „50 plus“ und gerade qualifi-
ierte ältere Arbeitnehmer wieder neu in den Arbeits-
arkt zu integrieren.
Besonders erfreulich ist – das ist schon angesprochen
orden –, dass es auch in der heimischen Bauwirtschaft
ieder aufwärtsgeht. Schon seit langem hatten wir nicht
ehr eine so niedrige Winterarbeitslosigkeit im Bauge-
erbe. Dies hat nicht nur etwas mit dem milden Wetter
u tun. Wir haben nicht nur ein viel höheres Auftragsvo-
umen, sondern wir haben im vergangenen Jahr außer-
em arbeitsmarktpolitisch die Einführung des Saison-
urzarbeitergeldes für die Beschäftigten am Bau
eschlossen. Auch das hat dazu geführt, dass Winterar-
eitslosigkeit nicht mehr in dem Maße wie in der Ver-
angenheit vorhanden ist.
Wesentlich für die positive konjunkturelle Situation
m Baugewerbe sind jedoch das von der Bundesregie-
ung aufgelegte Investitionsprogramm im Rahmen der
nergetischen Gebäudesanierung sowie die Wirkung der
erbesserten steuerlichen Absetzbarkeit von Handwer-
er- und Dienstleistungen. Zusammen ist dies ein Kon-
unkturprogramm, das insbesondere dem Handwerk mit
einen vielen kleinen, aber auch mittelständischen Un-
ernehmen sowie den dort beschäftigten Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmern zugutekommt. Die Konjunk-
urlokomotive Bau steht wieder unter Dampf und das ist
ut für die Konjunktur und die gesamte Wirtschaft.
Positive Wachstumsraten hier, ausgelöst durch Inves-
itionen im Inland, aber auch anhaltend hohe Wachs-
umsraten im Export und zugleich eine verbesserte Bin-
ennachfrage müssen in diesem Jahr – das sage ich, auch
enn der Wirtschaftsminister das vielleicht nicht ganz
o gern hört – Auswirkungen auf die Lohnpolitik der Ta-
ifvertragsparteien haben.
(Beifall bei der SPD)
s gilt, die Binnennachfrage weiter zu stärken, auch
urch eine erhöhte Kaufkraft, sodass der Weg dafür ei-
entlich frei sein dürfte. Ich will die Tarifvertragspar-
eien ausdrücklich dazu ermuntern, sich im Rahmen
hrer Lohnpolitik wieder auf höhere Löhne zu verständi-
en. Am Wachstum sollten auch diejenigen teilhaben,
ie mit dazu beigetragen haben, nämlich die Arbeitneh-
erinnen und Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften haben
aher die volle Unterstützung von uns Sozialdemokra-
en, wenn es darum geht, in diesem Jahr wieder einmal
öhere Löhne durchzusetzen. In den Branchen, in denen
s besonders gut geht, kann die Lohnerhöhung, der soge-
annte Schluck aus der Pulle, durchaus größer ausfallen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese gute
onjunkturelle Entwicklung, flankiert von einer beschäf-
igungspolitisch wirksamen Investitionstätigkeit und ei-
er vorwärtsgerichteten Arbeitsmarktpolitik, nutzen, um
n Deutschland noch mehr Menschen wieder in Arbeit zu
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7539
(A) )
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Andreas Steppuhn
bringen! Die Rahmendaten stimmen. Die von Rot-Grün
begonnene und von der Großen Koalition fortgesetzte
Politik trägt erste Früchte. Es gibt noch viel zu tun. Pa-
cken wir es weiter gemeinsam an!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Lena Stroth-
mann das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lena Strothmann (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Stimmung verbessert“, „Geschäftsklima auf Zehnjah-
reshoch“, „Umsätze und Aufträge deutlich angezogen“,
„Beschäftigtenabbau stark verlangsamt“, „Investitionen
gestiegen“ – das sind nach zehn Jahren der Rezession
und nach harten Einschnitten positive Meldungen aus
dem Handwerk.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Seit 1995 hat das Handwerk über 1,8 Millionen Ar-
beitsplätze abbauen müssen, allein im Kammerbezirk
Ostwestfalen-Lippe 50 000. Zum Vergleich: Das sind
deutlich mehr, als im Steinkohlenbergbau in ganz Nord-
rhein-Westfalen beschäftigt sind.
„Handwerk“ heißt fast immer: lebenslang in Deutsch-
land. 95 Prozent aller Handwerksbetriebe sind aus-
schließlich im Inland tätig. Nur 5 Prozent sind exportori-
entiert. Natürlich bemühen sich die Kammern, diesen
Anteil zu erhöhen, aber der Wirtschaftszweig Handwerk
ist in starkem Maße von der Binnenkonjunktur abhängig.
Aber auch im Handwerk – das ist die gute Nachricht – ist
der Aufschwung endlich angekommen. Dies hat Auswir-
kungen auf 950 000 Betriebe, 4,8 Millionen Beschäf-
tigte und 480 000 Auszubildende in Deutschland. Ein
Drittel der kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland
sind Handwerksbetriebe; wenn es ihnen gut geht, dann
geht es auch dem Land gut.
Die Gründe für den Aufschwung sind klar: die allge-
meine Stimmung – denn auch hier trifft die alte Weisheit
zu, wonach 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie sind –,
Vorzieheffekte wegen der Mehrwertsteuererhöhung und
unsere politischen Maßnahmen.
Zwei dieser politischen Maßnahmen haben besondere
Auswirkungen auf das Handwerk. Erstens gilt dies für
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Die Nachfrage
bei Eigentümern, Vermietern und Kommunen ist unge-
brochen hoch. Die Baufirmen bekommen kaum noch
Dämmmaterial, wie wir eben schon gehört haben. Auch
das ist ein Indiz für die große Nachfrage. Drei Viertel
des Wohnungsbestandes in unserem Land stammen aus
der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung von
1978. Das bedeutet einen enormen Sanierungsbedarf.
Das genannte Programm ist mehrfach erfolgreich: Es
spart Energie und verbessert die Wohnqualität, es ver-
mindert CO2-Emissionen und schützt die Umwelt, und
es kurbelt die Baukonjunktur an und schafft Arbeits-
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lätze. Zur Erinnerung: 1 Milliarde Euro Investitionen
chaffen oder sichern 25 000 Arbeitsplätze.
(Zuruf von der FDP: Wie bei der Steinkohle!)
Die Konjunkturlokomotive innerhalb des Handwerks
st das Baugewerbe, das mehr als 40 Prozent des gesam-
en Handwerks ausmacht. Auch die zweite politische
aßnahme, die Absetzbarkeit von Handwerkerleistun-
en bei der Einkommensteuer, setzt auf die Zugkraft der
auwirtschaft. Wir hören, dass unsere Betriebe bereits
ür die Zeit bis weit ins Frühjahr hinein Aufträge akqui-
ieren konnten und so dem befürchteten Dämpfer durch
ie Mehrwertsteuererhöhung entgehen werden.
Beim Einstellen neuer Mitarbeiter agieren die Hand-
erksbetriebe noch verhalten. Allerdings ist die Zahl der
nsolvenzen rückläufig, und die Investitionsquote steigt.
erzeit fließt ein großer Teil der Investitionen nur in Er-
atz- und Reparaturinvestitionen; der Anteil der Neuin-
estitionen muss noch höher werden. Erfreulich ist
benso, dass die Auszubildendenquote steigt, weil ge-
ade die Ausbildung junger Menschen an Aufträge und
erspektiven für die Zukunft gebunden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der momentane
irtschaftliche Aufschwung ist noch kein Selbstläufer.
ir haben wichtige Impulse gesetzt, aber für einen an-
auernden Aufschwung sind weitere Maßnahmen not-
endig. Als Stichworte nenne ich den Bürokratieabbau,
ie Unternehmensteuerreform und die weitere Senkung
er Lohnzusatzkosten. Aber auch das Innovationspro-
ramm für KMU von Frau Schavan ist ein wichtiger An-
atz. Gerade im Handwerk sind die Themen Innovation
nd Bildung von Bedeutung. Abgesehen davon, dass
nnovation ein häufig genutzter Begriff ist, sind Innova-
ionen bei Produkten, Dienstleistungen und Manage-
entmethoden für die Zukunft des Wirtschaftszweiges
andwerk bedeutend. Eine Prognos-Studie mit dem Ti-
el „Zukunft Handwerk!“ hat dem Handwerk ausdrück-
ich Innovationsfähigkeit bestätigt.
(Zuruf von der FDP: Trotz dieser Politik!)
Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten
eg. Man stelle sich vor, nur jeder zweite Handwerks-
etrieb in Deutschland könnte einen weiteren Mitarbei-
er einstellen: Wir hätten 500 000 Arbeitslose weniger.
achen wir also weiter so!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Duin das Wort.
Garrelt Duin (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
n dieser Aktuellen Stunde wurde schon von vielen ge-
agt, dass wir nach etwas mehr als einem Jahr Großer
oalition in der Tat Grund haben, jetzt, Mitte Januar,
inmal einen positiven Blick zurück auf das Jahr 2006 zu
erfen. Dafür, dass dies vonseiten der Opposition natür-
ich mit einem grauen Schleier versehen werden muss,
ass man diesen Optimismus und die hier angesprochene
7540 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) (C)
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Garrelt Duin
gestiegene Euphorie in Deutschland nicht teilen kann,
habe ich Verständnis.
(Gudrun Kopp [FDP]: Realismus ist auch not-
ist. Lassen Sie uns in eine offensive Strategie des Quali-
tätswettbewerbes einsteigen und Innovation als Schlüssel
zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung in Deutschland
wendig!)
Dann war es eben nicht die Politik, sondern Klinsmann,
sagt Herr Brüderle; Petrus und alles Mögliche wird be-
müht, nur mit der Großen Koalition und der Politik der
Großen Koalition habe es angeblich nichts zu tun. Herr
Schui redet von Euphoriewachstum, weil natürlich eine
Partei wie die Linkspartei PDS nicht von Euphorie lebt,
sondern von Depression
(Lachen bei Abgeordneten der Linken)
und es deswegen viel besser wäre, wenn es nicht so gut
liefe in Deutschland.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Optimis-
mus, den viele Menschen in diesen Wochen und Mona-
ten zurückgewinnen, nutzen müssen. Wir müssen sagen:
Wir sehen bei der Globalisierung nicht nur die Gefahren,
sondern wir sehen auch die Chancen und wir stellen uns
erfolgreich dem Wettbewerb.
(Zuruf von der FDP)
– Wie bitte? Wenn Sie Zwischenrufe machen, dann ma-
chen Sie sie so, dass ich sie hören kann, dann kann ich
auch darauf reagieren; ansonsten muss ich sie erst im
Protokoll nachlesen. – Wir stellen uns diesen Märkten,
aber eben nicht nur mit Blick auf die Kosten, sondern
vor allen Dingen mit Blick auf die Qualität. Deutschland
hat auf den Weltmärkten dann eine Chance, wenn wir
auf Qualität setzen, wenn wir uns spezialisieren, wenn
wir innovativ sind, und nicht dann, wenn wir glauben,
wir könnten es durch immer niedrigere Kosten schaffen,
in diesem Wettbewerb erfolgreich zu sein. Deswegen
brauchen wir gerade in solchen Debatten, wie wir sie
hier heute führen, eine andere, eine neue Qualität von
Standortdebatte, die nicht einseitig auf vermeintliche
Starrheiten des Arbeitsmarktes, auf Kosten und Steuern
ausgerichtet ist, sondern die die Bedingungen für einen
Qualitätswettbewerb in den Mittelpunkt stellt.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben hier immer wieder von den angeblichen
Starrheiten des Arbeitsmarktes gehört. Ich bin aber über-
zeugt, dass wir, wenn wir immer nur über Kündigungs-
schutz und dessen Abschaffung reden, über die Mitbe-
stimmung, die angeblich zu weit ginge und an die man
auch die Axt anlegen müsse, genau das nicht erreichen,
was die Menschen in diesem Land brauchen, nämlich
das Gefühl von Sicherheit. Das Gegenteil erreichen wir,
wenn wir ihnen ihre erkämpften Rechte wegnehmen
wollen!
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie uns deswegen wegkommen von einer De-
fensivstrategie, die mit Vorschlägen von tariffreien Zonen
bis hin zu pauschalen Arbeitszeitverlängerungen garniert
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ehen. Natürlich ist Deutschland ein Hochlohnland; das
oll es auch bleiben. Das sage ich nicht zuletzt mit Blick
uf Herrn Schui und seine Bemerkungen hier heute. Er
at sogar höhere Löhne gefordert, als das die Gewerk-
chaften tun. Herr Schui, ich glaube, es ist richtig, wenn
ir den Tarifvertragsparteien und den Gewerkschaften
enügend Kompetenz zutrauen, diese Forderungen selber
u stellen, und uns nicht als Politik besserwisserisch ein-
ischen. Gleichwohl will ich hier deutlich machen, dass
an denen, die dort verhandeln, schon klar sagen kann: In
iner wirtschaftlich so positiven Zeit wie der jetzt zu ver-
eichnenden ist es richtig, ordentliche Tarifabschlüsse zu
achen. Aber überlassen Sie das den Tarifvertragspar-
eien, und lassen Sie uns nicht von außen schlaue Vor-
chläge machen.
(Dr. Herbert Schui [DIE LINKE]: Man kann
sie ermuntern!)
Man kann sie unterstützen auf diesem Weg.
Klar ist jedenfalls, dass wir in Deutschland auf bes-
ere Produkte und Dienstleistungen setzen müssen und
icht auf billigere Löhne, so wie das von manchen nach
ie vor eingefordert wird. Dasselbe gilt natürlich auch
n der Debatte um die Mindestlöhne. Wir werden – das
st in diesen Tagen auch durch die Medien gegangen – in
inigen Bereichen, was das Entsendegesetz angeht,
chon zu konkreten Maßnahmen kommen. Wir werden
as in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich
och weiter diskutieren müssen. Aber seien Sie sicher:
ie Menschen in Deutschland haben zu Recht die Er-
artung an die Große Koalition, dass wir beim Thema
indestlöhne etwas zustande bringen. Wir werden das
n den nächsten Wochen und Monaten umsetzen, damit,
ie ich eben schon gesagt habe, neben den positiven
irtschaftlichen Zahlen auch ein Gefühl von Sicherheit
n dieser Gesellschaft entsteht, das sich darin ausdrückt,
ass nicht mehr Abstieg droht, sondern Aufstiegsmög-
ichkeiten geboten werden. Dafür wollen wir als Große
oalition arbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 18. Januar 2007,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
inen erfolgreichen und vielleicht auch erholsamen
bend.
(Schluss: 17.55 Uhr
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7541
(A) )
(B) )
Sondererträge die reale Körperschaftsteuerbelastung der Un-
ternehmen? tungsfähigkeit führen.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
Anlage 2
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE
LINKE) (Drucksache 16/4022, Frage 1):
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Gesamtentlas-
tung von Unternehmen durch die Neuregelung der Behand-
lung der Körperschaftsteuerguthaben, und wie senken diese
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Andres, Gerd SPD 17.01.2007
Bülow, Marco SPD 17.01.2007
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 17.01.2007
Ernst, Klaus DIE LINKE 17.01.2007
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 17.01.2007
Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 17.01.2007
Hilsberg, Stephan SPD 17.01.2007
Kasparick, Ulrich SPD 17.01.2007
Dr. Küster, Uwe SPD 17.01.2007
Lintner, Eduard CDU/CSU 17.01.2007*
Lührmann, Anna BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
17.01.2007
Merten, Ulrike SPD 17.01.2007
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
17.01.2007
Schily, Otto SPD 17.01.2007
Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 17.01.2007
Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 17.01.2007
Veit, Rüdiger SPD 17.01.2007
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
Die Neuregelung der Behandlung des Körperschaft-
teuerguthabens führt nicht zu einer Entlastung der Un-
ernehmen. An die Stelle der bisherigen ausschüttungs-
bhängigen Auszahlung tritt lediglich eine Erstattung in
ehn gleichen Jahresraten. Die Bundesregierung geht da-
on aus, dass auch nach bisherigem Recht das gesamte
uthaben ausgezahlt worden wäre, sodass es durch den
eänderten Auszahlungsmodus nur zu Verschiebungen
nnerhalb der einzelnen Haushaltsjahre kommt.
Anders als bisher erfolgt die Auszahlung unabhängig
on der jährlichen Körperschaftsteuerfestsetzung. Der
uszahlungsbetrag hat daher keine Auswirkung auf die
estzusetzende Körperschaftsteuer.
Die Umstellung des Systems war aus europarecht-
ichen Gründen notwendig.
Die bisherige Regelung war auf Ausschüttungen in
eutschland beschränkt und musste im Rahmen der Um-
etzung der Fusionsrichtlinie aus EU-rechtlichen Grün-
en auf EU-weite Ausschüttungen ausgedehnt werden.
a sich die bisherige ausschüttungsabhängige Lösung
renzüberschreitend nicht administrieren lässt, wurde sie
urch die neue ratierliche Auszahlung des Körperschaft-
teuerguthabens ersetzt.
nlage 3
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
rage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (BÜND-
IS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4022, Frage 2):
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass das
Geldvermögen der privaten Haushalte 2006 um rund 240 Mil-
liarden Euro überdurchschnittlich gestiegen ist, was nach
Aussage einer Studie auf Kursgewinne am Aktienmarkt zu-
rückzuführen ist (Berliner Zeitung, 11. Januar 2007), und wa-
rum ist die Bundesregierung nicht bereit, die Kursgewinne zu
besteuern?
Der Bundesregierung ist die in der Frage angeführte
tudie der Dresdner Bank nicht bekannt. Im Übrigen be-
bsichtigt die Bundesregierung, die im Rahmen der vom
essischen Ministerpräsidenten Roland Koch und vom
undesminister der Finanzen Peer Steinbrück geleiteten
rbeitsgruppe zur Reform der Unternehmensteuer be-
chlossenen Eckpunkte zur Abgeltungssteuer in einem
esetzgebungsverfahren umzusetzen und die Gewinne
us der Veräußerung von Wertpapieren im Privatvermö-
en auch außerhalb der geltenden Jahresfrist der Be-
teuerung zu unterwerfen.
Insoweit entspricht der in der Frage angeführte Sach-
erhalt nicht den Tatsachen, da die durch die Veräuße-
ung realisierten Kursgewinne zukünftig umfassend be-
teuert werden sollen. Allerdings bleibt es auch dabei,
ass nicht realisierte Kursgewinne steuerlich unbeacht-
ich sind, da sie zu keinem Zuwachs an finanzieller Leis-
7542 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) )
(B) )
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage
der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/4022, Frage 4):
Wie bewertet die Bundesregierung die vonseiten der Län-
der Berlin und Brandenburg für das Jahr 2007 beabsichtigte
Nutzen-Kosten-Untersuchung zur Wiedereinrichtung der
„Stammbahn“ zwischen Potsdam und Berlin hinsichtlich ei-
ner mittelfristigen Realisierung des Vorhabens, und wird sie
aufgrund der geplanten Nutzen-Kosten-Untersuchung die
Frist zur Rückforderung der vom Bund geleisteten Bundes-
mittel für das Einführungsbauwerk am Gleisdreieck in Höhe
von 26 Millionen Euro von der Deutsche Bahn AG über das
Jahr 2006 hinaus verlängern?
Das Vorgehen der Länder Berlin und Brandenburg,
eine Nutzen-Kosten-Untersuchung für den Wiederauf-
bau der Potsdamer Stammbahn in Auftrag zu geben, ist
mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung und der DB Netz AG abgestimmt. Die Bun-
desregierung ist bereit, von der Rückforderung abzuse-
hen, bis das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Untersuchung
vorliegt. Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft der
DB Netz AG, ab 1. Januar 2007 Zinsen auf die vom
Bund bereits zur Verfügung gestellten Mittel für das Ein-
führungsbauwerk zu leisten. Diese Zusage hat die
DB Netz AG inzwischen auch abgegeben.
Anlage 5
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Karin Kortmann auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Karl Addicks (FDP) (Druck-
sache 16/4022, Fragen 5 und 6):
Hat die Bundesregierung im Rahmen der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit mit Madagaskar Aufträge an Un-
ternehmen erteilt, die dem Präsidenten von Madagaskar, Marc
Ravalomanana, gehören oder an denen er beteiligt ist?
Werden alle Aufträge, die im Rahmen der Entwicklungs-
zusammenarbeit an einheimische Unternehmen vergeben
werden, ausgeschrieben und die Angebote geprüft?
Zu Frage 5:
Die Bundesregierung erteilt im Rahmen der Entwick-
lungszusammenarbeit (EZ) keine direkten Aufträge an
madagassische Unternehmen. Die Deutsche Gesellschaft
für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Madagaskar
hat im Jahre 2006 Papier und Büromaterial im Wert von
850 Euro bei einer Firma erworben, die M. Ravalomanana
gehört. Im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit
(FZ) erteilt der Partner die Aufträge; die Finanzierung
über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erfolgt
im Zuge von Ausschreibungen, deren Modalitäten die
KfW mit dem Partner regelt. Die Auswertung der Aus-
schreibung erfolgt auch in Madagaskar nach dem festge-
legten FZ-Verfahren, wobei bei gleichwertigen Angebo-
ten der preiswerteste Anbieter den Zuschlag erhält.
Unternehmen des Präsidenten haben in diesem Rahmen
keinen Zuschlag erhalten.
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u Frage 6:
Alle Aufträge, die im Rahmen der bilateralen FZ ver-
eben werden, sind grundsätzlich lieferaufgebunden und
erden gemäß der verbindlichen Regelungen der OECD
nternational ausgeschrieben. Die KfW, die von der Bun-
esregierung mit der Umsetzung der FZ beauftragt ist,
ereinbart dazu mit den Projektträgern des Partnerlandes
indeststandards, die der Projektträger bei den Aus-
chreibungen zu einem FZ-finanzierten Vorhaben beach-
en muss. Die KfW prüft bei Auftragsvergabe, ob diese
tandards – insbesondere die drei Prinzipien Wettbe-
erb, Fairness und Transparenz – angewendet worden
ind. Für Aufträge, die an einheimische Unternehmen
ergeben werden, gelten dieselben Standards. Die ein-
chlägigen Ausschreibungsrichtlinien können über das
nternet bei der KfW eingesehen werden.
nlage 6
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Fragen
es Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN) (Drucksache 16/4022, Fragen 7 und 8):
Welche Maßnahmen leitet die Bundesregierung aus den
Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz über
die Tätigkeit der Scientology-Organisation ab?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Bevöl-
kerung über die Arbeitsweise und die Methoden von Scien-
tology aufzuklären und sie davor zu schützen?
u Frage 7:
Die Bundesregierung widmet der Scientology-Organi-
ation in besonderer Weise und dauerhaft Aufmerksam-
eit und ergreift im Rahmen der gesetzlichen Bestim-
ungen alle erforderlichen Maßnahmen. Dazu gehört
nsbesondere auch die Möglichkeit nachrichtendienstli-
her Beobachtung, die vom Verwaltungsgericht Köln mit
rteil vom 11. November 2004 für rechtmäßig erklärt
orden ist. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse zeigen
ach wie vor, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher
ittel erforderlich und auch angemessen ist. Die daraus
ewonnenen Erkenntnisse fließen in die Aufklärungs-
aßnahmen ein, die von der Bundesregierung vorgenom-
en werden.
u Frage 8:
Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffas-
ung, dass die Scientology-Organisation keine Reli-
ions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist. Die Ver-
assungsschutzberichte des Bundes dokumentieren seit
ahren eindrücklich, dass die Scientology-Organisation
m Widerspruch zur demokratischen Werteordnung un-
eres Grundgesetzes steht, und leisten damit einen um-
assenden Beitrag zur Information und Aufklärung der
ffentlichkeit über die Scientology-Organisation. Schon
m Jahre 1996 waren sich Bund und Länder darin einig,
ass den Aktivitäten und Praktiken der Scientology-Or-
anisation entschlossen und konsequent mit allen rechts-
taatlichen Mitteln entgegengewirkt werden muss. Zu
eginn des Jahres 1997 wurde daher die Interministe-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007 7543
(A) )
(B) )
rielle Arbeitsgruppe zur Scientology-Organisation eta-
bliert, zu der auch einige Bundesländer gehören. Diese
Arbeitsgruppe ist das zentrale Instrument der Auseinan-
dersetzung. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die
jüngsten Aktivitäten der Scientology-Organisation in
Berlin zeigen, dass die kontinuierliche Arbeit erfolgreich
war und ist. Die Bundesregierung wird diese nachhaltige
Politik fortsetzen.
Anlage 7
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
Fragen des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE)
(Drucksache 16/4022, Fragen 15 und 16):
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich
Entschuldungsregelungen von gesetzlichen Krankenkassen,
und wie viele Krankenkassen haben bislang Entschuldungsre-
gelungen vorgelegt?
Welche Arten von Schulden werden von diesen Regelun-
gen erfasst, und welche Vorgaben bzw. konkrete Verabredun-
gen existieren für die Entschuldungspläne bei Landesauf-
sichtsbehörden bzw. beim Bundesversicherungsamt?
Zu Frage 15:
§ 265 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in
der Fassung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes
sieht zum einen vor, dass die Spitzenverbände der Kran-
kenkassen bis zum 31. Januar 2007 die Satzungsregelun-
gen beschließen müssen, die zur Sicherstellung der Ent-
schuldung der Krankenkassen ihrer Kassenart
erforderlich sind. Außerdem müssen die Krankenkassen,
die am 31. Dezember 2005 eine Verschuldung aufwei-
sen, ihrer Aufsichtsbehörde bis zum 31. Januar 2007
nachprüfbar darlegen, wie die Verschuldung zum 31. De-
zember 2007 beseitigt werden soll. Das Bundesministe-
rium für Gesundheit hat die Spitzenverbände der Kran-
kenkassen im Dezember 2006 aufgefordert, den Stand
der Umsetzung des § 265 a SGB V für die jeweilige Kas-
senart mitzuteilen. Bisher liegt das Antwortschreiben ei-
nes Spitzenverbands vor, mit der Zusage, die entspre-
chenden Beschlussfassungen bis zum 31. Januar 2007
zuzuleiten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Spit-
zenverbände der Krankenkassen den vom Gesetzgeber
eingeräumten Zeitraum für die Vorlage der Satzungsre-
gelung ausschöpfen werden. In Bezug auf die Entschul-
dungspläne der einzelnen Krankenkassen liegen der
Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da insoweit
keine Vorlagepflicht beim Bundesministerium für Ge-
sundheit besteht.
Zu Frage 16:
Nach Auffassung der Bundesregierung liegt eine Ver-
schuldung vor, wenn die Summe von Betriebsmitteln,
Rücklagen, Geldmitteln zur Anschaffung und Erneue-
rung von Verwaltungsvermögen einen negativen Vermö-
gensstand ergibt. Zur Sicherstellung der Anwendung
eines einheitlichen Verschuldensbegriffs durch alle Be-
teiligten (Aufsichtsbehörden, Krankenkassen, Spitzen-
verbände der Krankenkassen) bringen die Fraktionen der
CDU/CSU und SPD einen Änderungsantrag in das par-
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amentarische Verfahren zum Entwurf eines GKV-Wett-
ewerbsstärkungsgesetzes ein, durch den der Verschul-
ungsbegriff in § 265 a SGB V im oben dargelegten
inne klargestellt wird.
nlage 8
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Fragen
es Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN) (Drucksache 16/4022, Fragen 17 und 18):
Hält die Bundesregierung eine Reduktionsvorgabe von
20 Prozent weniger CO2 bis 2020 angesichts des Klimawan-
dels für ausreichend?
Hält die Bundesregierung die Atomenergie für ein wirksa-
mes Mittel gegen den Klimawandel?
u Frage 17:
Übergeordnetes Ziel der Bundesregierung ist es, eine
lobale Temperaturerhöhung um mehr als 2 Grad Celsius
egenüber vorindustrieller Zeit zu verhindern. Dazu
üssen die Treibhausgasemissionen weltweit bis 2050
albiert werden (Basis 1990). Industriestaaten müssen
hre Emissionen bis 2020 um 30 Prozent und bis 2050 um
0 bis 80 Prozent reduzieren. Die EU-Kommission hat in
hrer am 10. Januar 2007 veröffentlichten Mitteilung zum
limaschutz gefordert, dass die entwickelten Länder und
ie EU sich im Rahmen eines internationalen Klima-
chutzregimes für die Zeit nach 2012 verpflichten, ihre
reibhausgasemissionen bis 2020 um 30 Prozent gegen-
ber 1990 zu reduzieren. Schwellenländer müssen umge-
end ihr EmissionsWachstum begrenzen und nach 2020
hre Emissionen ebenfalls reduzieren. Die Kommission
chlägt darüber hinaus vor, dass sich die EU unabhängig
om Abschluss der internationalen Klimaverhandlungen
erpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß um mindestens
0 Prozent zu senken (eigenständiges Ziel). Die Bundes-
egierung begrüßt, dass die Kommission eine integrierte
limaschutz- und Energiestrategie vorgelegt hat, die Kli-
aschutz als wesentlichen Treiber für die energiepoliti-
chen Entscheidungen beinhaltet. Die Kommission un-
erstützt explizit die Forderung der Bundesregierung
iner 30-prozentigen Emissionsminderung für die EU in
inem künftigen Klimaschutzregime. Deutschland ist
ann bereit, seine Emissionen darüber hinaus zu senken.
Mit dem aus den energiepolitischen Planungen und
limapolitischen Notwendigkeiten abgeleiteten eigen-
tändigen Minderungsziel von 20 Prozent für die EU
ird die EU bereits vor der Vereinbarung eines neuen
limaschutzregimes aktiv und unterstreicht, dass der
missionshandel der EU über 2012 hinaus weitergeführt
ird. Das ist ein wichtiges Signal für alle Investoren am
uropäischen Energiemarkt. Niemand kann jetzt mehr
weifel hegen, dass es in Europa auch nach dem Auslau-
en der ersten Kioto-Periode nach 2012 stärkere An-
trengungen im Klimaschutz geben wird. Selbst dann
icht, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten würde
nd kein internationales Kioto-Folgeabkommen ge-
chlossen wird. Deshalb unterstützt die Bundesregierung
iesen zweistufigen Ansatz der Kommission.
7544 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
(A) (C)
(B) )
Zu Frage 18:
Bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung
vom 11. November 2005 wurde verdeutlicht, dass inner-
halb der Bundesregierung unterschiedliche Auffassun-
gen zur Nutzung der Kernenergie bestehen. Ein Teil der
Bundesregierung hält die Kernenergie im Hinblick auf
ihre Risiken für nicht zukunftsfähig und daher auch nicht
für ein adäquates Mittel für den Klimaschutz. Durch
Nutzung der enormen technischen und wirtschaftlichen
Potenziale bei der Steigerung der Energieeffizienz, den
weiteren deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien
(mindestens 20 bis 25 Prozent Anteil an der Stromver-
sorgung bis 2020), die verstärkte Nutzung von Biokraft-
stoffen sowie durch die gerade in Deutschland weit fort-
geschrittenen Kraftwerkstechnik könne die Kernenergie
zien und Massenabschiebungen bei der marokkanischen Re-
gierung zu protestieren, die Letztere mit Verweis auf die For-
derung der Europäischen Union nach Kooperation bei der
Bekämpfung der illegalen Migration begründet hat?
Zu Frage 26:
Die Bundesregierung hat von den angesprochenen
Vorfällen ebenfalls von Amnesty International und aus
den Medien erfahren. Sie bemüht sich über die ihr zur
Verfügung stehenden Kanäle noch um weitere Aufklä-
rung in Detailfragen. Der UNHCR hat die Verhaftungen
und die Verbringung zahlreicher Menschen an die algeri-
sche Grenze bestätigt. Er hat zudem bestätigt, dass von
den Vorfällen auch 73 anerkannte Flüchtlinge und Asyl-
bewerber betroffen waren, die alle jedoch mittlerweile
an ihre regulären Aufenthaltsorte in Marokko zurück-
ökologisch angemessen ersetzt werden und entsprechend
den im Atomgesetz festgelegten Regelungen auslaufen.
Dagegen ist ein anderer Teil der Bundesregierung der
Überzeugung, dass auf den Einsatz der Kernenergie
nicht verzichtet werden sollte. Eine wirtschaftliche und
klimaneutrale Substitution dieser Stormerzeugung sei
nicht möglich. Der größte Teil müsse entweder durch
vermehrten Gaseinsatz oder durch eine Ausweitung der
Kohleverstromung ersetzt werden.
Anlage 9
Antwort
des Staatsministers Gernot Erler auf die Fragen der Ab-
geordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache
16/4022, Fragen 26 und 27):
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassungen von
Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international,
dass die von marokkanischen Behörden am 23., 25. und 29.
Dezember 2006 durchgeführten gewalttätigen Razzien gegen
Hunderte von Flüchtlingen und deren Massenabschiebungen
in die Wüste an der marokkanisch-algerischen Grenze, von
denen auch vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge und Asyl-
antragstellerinnen und Antragsteller betroffen waren und in
deren Verlauf es zu Vergewaltigungen und gewaltsamen Über-
griffen kam bzw. circa 100 Personen noch immer vermisst wer-
den, eine Verletzung des internationalen Flüchtlingsrechts und
von Menschenrechtsstandards darstellen (Presseerklärung
amnesty international EU Office vom 9. Januar 2007; offener
Brief marokkanischer und europäischer Menschenrechts- und
Flüchtlingsorganisationen vom 4. Januar 2007)?
Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen
ihres Vorsitzes der EU-Ratspräsidentschaft gegen diese Raz-
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ehren konnten. Der UNHCR betrachtet den Vorfall als
erstoß, zumindest gegen den Geist der Genfer Flücht-
ingskonvention, auch wenn offenbar keine physische
bschiebung nach jenseits der marokkanischen Grenze
tattgefunden hat. Der UNHCR steht in engem Kontakt
it den marokkanischen Behörden, um solche Vor-
ommnisse in der Zukunft zu verhindern. Bei einem
reffen des UNHCR in Rabat mit hochrangigen Vertre-
ern des marokkanischen Innen- und Außenministeriums
m 8. Januar 2007 sind Absprachen zwischen beiden
eiten zur Intensivierung der Kooperation, zur Verbes-
erung der Dokumentation der Flüchtlinge und zur bes-
eren Schulung der marokkanischen Polizei in Bezug auf
lüchtlingsrechte getroffen worden. Die Bundesregie-
ung erwartet von Marokko, dass das internationale
lüchtlingsrecht sowie die von Marokko unterzeichneten
enschenrechtskodifikationen eingehalten werden.
Zu Frage 27:
Die Vorfälle sind bereits im Kreise der Botschafter
er EU-Mitgliedstaaten in Marokko diskutiert und bei
inem Treffen mit dem marokkanischen Premierminister
ettou am 16. Januar 2007 angesprochen worden. Die
undesregierung unterstützt die Bemühungen des UNHCR,
u einer verbesserten Zusammenarbeit mit Marokko und
inem effektiveren Schutz der Flüchtlinge zu gelangen.
ie Bundesregierung wird das Thema auch im Rahmen
hrer EU-Präsidentschaft in den zuständigen Arbeits-
ruppen in Brüssel ansprechen und sich dafür einsetzen,
ass es in den bilateralen Gremien mit Marokko aufge-
riffen wird.
91, 1
0, T
75. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2007
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9