Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der
Kollege Friedrich Merz als stellvertretendes Mitglied
aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nach-
folger wird der Kollege Dr. Michael Meister vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist der Kollege Dr. Michael
Meister als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungs-
ausschusses bestimmt.
(Beifall des Abg. Dr. Christoph Bergner
[CDU/CSU])
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der
CDU/CSU-Fraktion zur Neuverteilung der Sitze des
Deutschen Bundestages im Vermittlungsausschuss vor
dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsge-
richts vom 8. Dezember 2004 auf Drucksache 15/4494
erweitert und diese zu Beginn der heutigen Sitzung auf-
gerufen werden. Für die Beratung ist eine halbe Stunde
vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
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Redet
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU
Neuverteilung der Sitze des Deutschen Bun-
destages im Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 des
Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) vor
dem Hintergrund des Urteils des Bundesver-
fassungsgerichts vom 8. Dezember 2004
– Drucksache 15/4494 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat d
Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(C
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ung
5. Dezember 2004
0 Uhr
Volker Kauder (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundes-
ag in seiner Entscheidung aufgegeben, unverzüglich
nd zeitnah neu über die Verteilung der Sitze des Deut-
chen Bundestages im Vermittlungsausschuss zu ent-
cheiden. Damit hat das Bundesverfassungsgericht in
ollem Umfang einem Antrag der CDU/CSU-Bundes-
agsfraktion stattgegeben. Um das klar und eindeutig zu
ormulieren: Wir haben diesen Prozess gewonnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter]
[SPD]: Das ist völliger Unsinn! Das ist
falsch!)
ie Töne, die ich aus dem Lager der Regierungskoali-
ion höre, sind gegenüber dieser Entscheidung und ge-
enüber dem Bundesverfassungsgericht in keiner Weise
ngemessen.
(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Na, na, Herr
Kauder!)
Wir haben damals, als der Vermittlungsausschuss ein-
esetzt wurde, gesagt: Es gibt Verteilverfahren, die im
eutschen Bundestag akzeptiert werden und in den Ge-
ext
schäftsordnungen von Bundestag, Bundesrat und Ver-
mittlungsausschuss vorgesehen sind. Bei Anwendung
dieser Verteilverfahren hätte sich ergeben, dass sowohl
SPD als auch CDU/CSU im Vermittlungsausschuss je-
weils sieben Sitze bekommen hätten. Bei Anwendung
aller Zählverfahren, Herr Kollege Schmidt, ist jedes Mal
dasselbe Ergebnis herausgekommen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
Dieses Ergebnis wollten Sie im Übermut Ihres knappen
Wahlsieges einfach nicht akzeptieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter]
sinnig!)
Satz geprägt: Mehrheit ist Mehrheit und
heit machen wir, was wir wollen.
er Kollege [SPD]: Un
Sie haben den
mit dieser Mehr
13722 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Volker Kauder
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Wilhelm
Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie zitieren mich
falsch!)
Dieser Arroganz der Macht hat das Bundesverfassungs-
gericht jetzt einen Riegel vorgeschoben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.
Jörg van Essen [FDP])
Wie wenig man in der SPD bereit ist, diese Entschei-
dung zu akzeptieren, zeigt sich nicht an Ihren Äußerun-
gen, Herr Kollege Schmidt; das will ich ausdrücklich sa-
gen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, in-
dem Sie mich gerade falsch zitiert haben!)
Allerdings hat der stellvertretende Vorsitzende der SPD-
Fraktion, Herr Stiegler, gesagt:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ach, der war auf einer Advents-
feier!)
Die CDU/CSU kann ihren Wunsch nach einer raschen
Neuverteilung der Sitze „nach Himmelspforten an den
Weihnachtsmann verschicken“.
(Heiterkeit bei der SPD – Widerspruch bei der
CDU/CSU)
Dies ist kein adäquater Umgang mit Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Dr. Peter Ramsauer [CDU/
CSU]: Bodenlos! Das ist eine totalitäre Gesin-
nung!)
Angesichts dieser Aussage des Kollegen Stiegler muss
ich leider sagen: In früheren Jahrzehnten hat die SPD
noch den einen oder anderen großen Mann hervorge-
bracht. Stiegler zählt hundertprozentig nicht dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
mit dem Antrag, den wir heute vorlegen, nichts anderes
verlangt als die konsequente Umsetzung des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts. Worum geht es dabei? Das
Bundesverfassungsgericht hat klar und deutlich festge-
stellt, dass in Gremien des Deutschen Bundestages spie-
gelbildlich die Mehrheiten im Deutschen Bundestag dar-
gestellt werden sollen.
(Hermann Bachmaier [SPD]: Nicht nur!)
Es hat zugleich festgestellt, dass auch die aktuellen
Mehrheitsverhältnisse dargestellt werden sollen
(Hermann Bachmaier [SPD]: Eben!)
Es soll ein moderater Ausgleich zwischen dem Grund-
satz der Spiegelbildlichkeit und dem der Mehrheits-
verhältnisse hergestellt werden.
(Hermann Bachmaier [SPD]: Das ist richtig!)
Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch gesagt:
Wenn die Spiegelbildlichkeit der Mehrheitsverhältnisse
im Bundestag in verkleinerten Einrichtungen des Bun-
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estages, nämlich Ausschüssen, dazu führen könnte,
ass es zu Entscheidungen kommt, die im gesamten
eutschen Bundestag keine Mehrheit bekämen, bietet
ie Geschäftsordnung die Möglichkeit, die Zahl der Mit-
lieder von Ausschüssen so zu verändern, dass die Spie-
elbildlichkeit und die Mehrheitsverhältnisse nach Zähl-
erfahren dargestellt werden können. Diese Möglichkeit
st nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bun-
estages und des Bundesrates für den Vermittlungsaus-
chuss nicht gegeben. Deswegen haben Sie an der Zahl
er Ausschussmitglieder nichts verändern können.
Herr Kollege Beck, ich kann Ihnen nur ins Stamm-
uch schreiben: Urteile lesen und Urteile verstehen – das
issen wir seit PISA – sind zwei verschiedene Dinge.
ie mögen das Urteil gelesen haben, aber verstanden ha-
en Sie es nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
n einer Mitteilung des ddp von heute ist zu lesen, aus
hrer Sicht müsse im Grunde genommen nichts getan
erden, gefordert sei nur ein schonender Ausgleich zwi-
chen Mehrheitsprinzip und dem Proportionalitätsgedan-
en, also der Spiegelbildlichkeit.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das habe ich nicht gesagt!)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil
usdrücklich erklärt, dass die Spiegelbildlichkeit durch
hre Entscheidungen gerade nicht hergestellt worden ist,
ondern dass Sie sich überproportional bedient haben
nd damit gegen Grundsätze des Verfassungsrechtes ver-
toßen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:
Quatsch!)
etzt sagen Sie, es solle ein schonender Ausgleich herge-
tellt werden. Das ist nichts anderes als genau das, was
as Bundesverfassungsgericht verlangt. Dann müssen
ie unseren heutigen Antrag befürworten; denn damit
ird die Spiegelbildlichkeit genau so wiederhergestellt,
ie es notwendig ist.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das ist ein schonungsloser Raub-
zug und kein Ausgleich!)
Nun wird ja ständig versucht, das Urteil so zu inter-
retieren und die Menschen glauben zu machen, das
rteil sei für Sie von Vorteil. Damit dabei keine Miss-
erständnisse entstehen, will ich Ihnen mit Erlaubnis der
rau Präsidentin zwei entscheidende Passagen zitieren
damit wird übrigens auch mancher Blütentraum der
rünen ausgeträumt sein; denn sie werden darin gar
icht erwähnt –:
Der Beschluss weicht allerdings im Hinblick auf
die beiden stärksten Fraktionen im Bundestag
nur um diese beiden geht es –
nicht unerheblich
also erheblich –
von Grundsätzen der Spiegelbildlichkeit ab.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13723
(A) )
(B) )
Volker Kauder
Dann formuliert das Bundesverfassungsgericht die ent-
scheidenden Sätze:
Die gegenwärtige Sitzverteilung … gibt daher nicht
mehr in einem noch akzeptablen Umfang die tat-
sächlichen politischen Kräfteverhältnisse im Ple-
num des Bundestages wieder. Die vom Antragsgeg-
ner
– sprich: Mehrheit des Bundestages –
gewählte Lösung, den im Zählverfahren unberück-
sichtigt gelassenen Sitz auf der Bundestagsbank des
Vermittlungsausschusses der stärksten Fraktion zu-
zuweisen, ist mit dem … parlamentarischen Bin-
nenrecht grundsätzlich unvereinbar. Das von der
Antragstellerin angegriffene Verteilungsergebnis
lässt sich mit keiner der üblichen Berechnungsme-
thoden rechtfertigen;
– jetzt kommt der entscheidende Satz in Bezug auf das,
was Sie gemacht haben –
der „Korrekturfaktor“ steht dem Wortlaut und dem
Sinn des § 12 Satz 1 GOBT entgegen.
Damit ist entschieden, dass das, was Sie gemacht haben,
verfassungs- und rechtswidrig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nein, Sie
haben es nicht verstanden!)
Das muss korrigiert werden.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wir alle wissen, dass das
Verfassungsrecht nicht durch einen Gerichtsvollzieher
vollzogen werden kann. Es muss durch sich selbst und
vor allem durch die Einrichtungen in der Bundesrepublik
Deutschland gewährleistet werden, die in besonderer
Weise das Verfassungsrecht ausüben. Wenn das Verfas-
sungsrecht hier im Deutschen Bundestag nicht ernst ge-
nommen wird und wenn die Mehrheit glaubt, sie könne
mit der Verfassung umgehen, wie sie will, dann wird ein
großer Schaden verursacht.
Leider Gottes sind Sie inzwischen dafür bekannt, dass
Sie mit dem Verfassungsrecht nach Gutsherrenart will-
kürlich umgehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Peter Dreßen [SPD]: Ach, hör doch
auf! – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Bleiben
Sie sachlich!)
– Ich könnte eine ganze Latte von Beispielen anführen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Alles
Erblast der Regierung Kohl!)
Ich erinnere nur daran, wie Sie sich bezüglich des Zu-
wanderungsgesetzes im Bundesrat verhalten haben
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
So ist das! – Volker Beck [Köln] [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Bundesrat sitzen
wir gar nicht! Wir sind im Bundestag!)
und dass jetzt unsere Klage gegen den Haushalt notwen-
dig ist, weil Sie das Verfassungsrecht und das Europa-
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echt mit Füßen treten. Nun liegt Ihnen wieder eine Ent-
cheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Tisch
nd Sie versuchen mit Tricks und Methoden, die nicht zu
kzeptieren sind, alles, um diese Entscheidung nicht um-
etzen zu müssen.
(Peter Dreßen [SPD]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)
Herr Kollege Schmidt, Sie haben in einer ersten Stel-
ungnahme in Karlsruhe gesagt, Sie wollten alles beim
lten lassen. Ich kann Ihnen nur sagen: So kann es nicht
ehen; denn genau das gibt das Urteil des Bundesverfas-
ungsgerichts nicht her. Sie müssen etwas verändern. In
em Urteil steht ganz klar, dass wir benachteiligt sind.
as Bundesverfassungsgericht sagt nämlich, dass Sie
us dem durch die Sitzverteilung des Deutschen Bundes-
ages dargestellten tatsächlichen Vorsprung von 0,5 Pro-
ent – 41,6 Prozent der Sitze repräsentieren Sie, die
nionsfraktion repräsentiert 41,1 Prozent – durch Ihren
illkürakt bei der Zusammensetzung des Vermittlungs-
usschusses einen Unterschied von 13 Prozent gemacht
aben.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Unerhört!)
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass
ies rechts- und verfassungswidrig ist.
(Hermann Bachmaier [SPD]: Nein, eben
nicht!)
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit die
erfassung wieder zu ihrem Recht kommt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Wilhelm Schmidt, SPD-
raktion.
(Beifall bei der SPD – Werner Kuhn [Zingst]
[CDU/CSU]: Das wird jetzt schwer! Nicht
wieder tricksen!)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
egen! Auf den verfälschenden und polemischen Stil des
ollegen Kauder lasse ich mich nicht ein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN – Zurufe von CDU/CSU: Oh!)
as war ein unangemessener Umgang mit einem Urteil
es Bundesverfassungsgerichts.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen
bei der CDU)
ir werden Ihnen sagen, wie wir verfahren.
Das Urteil, das ich hinreichend zitieren werde und das
or einer Woche gefällt wurde, beinhaltet unter anderem
olgenden Satz:
Der Antragsgegner ist verpflichtet, über die Grund-
sätze, nach denen die Mitglieder des Deutschen
13724 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Bundestages in den Vermittlungsausschuss entsandt
werden, nach Maßgabe der Gründe dieser Entschei-
dung erneut zu beschließen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
– Herr Kauder, dort steht nicht mehr, aber auch nicht we-
niger.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das können wir
heute doch machen!)
Insofern sage ich Ihnen: Mit Ihrem Schnellschuss kön-
nen Sie hier natürlich nicht operieren. Sie setzen voraus,
dass das Verfassungsgericht schon klare Vorgaben ge-
macht hat. Ich werde gleich darlegen, dass dies nicht der
Fall ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/
CSU]: Oh, Gerichtsschelte!)
Die Behauptungen, die von der Union kurz nach der
Verkündung in die Welt gesetzt worden sind, waren
ziemlich abenteuerlich. Wer das Urteil liest, sieht, dass
das alles nicht so umgesetzt werden kann, wie Sie es
jetzt anstreben.
Rot-Grün hat das Recht nicht gebrochen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!)
Das ist ein Teil des Tenors dieses Urteils.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Trotz mancher Widersprüchlichkeit wird in diesem Ur-
teil klargestellt, dass – wörtlich – ein Verstoß gegen das
Verfassungsrecht nicht festgestellt werden kann
(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Hört! Hört!)
und dass vor allen Dingen im Zuge der damaligen
schnellen Entscheidungen, die nach der Konstituierung
des Bundestages erfolgen mussten, eine funktionie-
rende Gesetzgebung sicherzustellen war und somit alle
Gremien des Bundestages rasch zu besetzen gewesen
sind.
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist ein
Scheinargument! Das hätten Sie doch klären
können!)
Es war eine ausgewogene Neuregelung, was im Urteil
klar zum Ausdruck kommt. Dies will ich hier bekräfti-
gen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist nicht richtig, wie die Union direkt nach der Ur-
teilsverkündung und auch Herr Kauder heute erklärt hat,
dass die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses
sofort geändert werden muss. Nichts findet sich im Ur-
teil zu der Behauptung, der Union stände nunmehr ein
zusätzlicher Sitz im Vermittlungsausschuss zu. Entgegen
dieser Behauptung heißt es wörtlich:
Der Antragsgegner wird demnach zu entscheiden
haben
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also der Deutsche Bundestag, nicht die SPD-Fraktion,
m das deutlich zu sagen –,
ob er einen durch das bestehende Geschäftsord-
nungsrecht gedeckten neuen Beschluss nach § 57
Abs. 1 GOBT fasst oder die Geschäftsordnung un-
ter Beachtung der einschlägigen verfassungsrecht-
lichen Grundsätze ändert. … In Betracht kommt
vor allem, dass die Regeln der §§ 12, 57 GOBT
modifiziert, insbesondere um generelle Vorkehrun-
gen für Fälle wie den vorliegenden und ähnliche
Konstellationen ergänzt werden. Auch kann die
Möglichkeit einer Regelung in der Gemeinsamen
Geschäftsordnung des Bundestages und des Bun-
desrates für den Vermittlungsausschuss gemäß
Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG nicht von vorneherein
verworfen werden.
as ist das eigentlich tragende Prinzip dieses Urteils. Es
eigt uns auf, dass wir an der einen oder anderen Stelle
eue Regelungen treffen müssen. Aber an keiner Stelle
ird festgestellt, dass die bisherigen Regelungen rechts-
idrig sind. Auch wurden uns keine Vorgaben gemacht,
ach welchen Prinzipien wir diese Regeln zu ändern ha-
en.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Was steht
denn dann in dem Urteil?)
lso ist das, was Sie gerade vorgetragen haben, eine
lare Überinterpretation dessen, was das Urteil hergibt.
as kann nicht hingenommen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Was steht
denn in dem Urteil?)
as Gericht hat sich also nicht festgelegt. Es erlegt uns
ber die Pflicht auf, sorgfältig zu prüfen und nicht vor-
chnell zu handeln.
Nur nebenbei sei noch bemerkt, Herr Kauder, meine
amen und Herren von der Union, dass Sie es gewesen
ind, die in der 13. Wahlperiode eine Änderung des
ählverfahrens zulasten der PDS-Fraktion durchgesetzt
aben und dadurch seinerzeit ein verfassungsrechtliches
ebot verändert haben, damit sich die vom Wähler ge-
roffene Mehrheitsentscheidung nicht im Vermittlungs-
usschuss widerspiegelt. Erinnern Sie sich also an Ihr
igenes Vorgehen, das im Verhältnis zu dem, was hier
erade behandelt wird, viel gravierender war.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch Un-
sinn! – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/
CSU]: Das ist ja dreist!)
Der Antrag der Union, der darauf abzielt, ihr einen
usätzlichen Sitz im Vermittlungsausschuss zu verschaf-
en, kann wohl nicht ernst gemeint sein. Wie ich schon
ngedeutet habe, ist dies ein Schnellschuss, der von uns
icht mitgetragen werden kann.
Die Umsetzung des Urteils ist für den Deutschen
undestag und für die Parlamentarier keine leichte
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13725
(A) )
(B) )
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Aufgabe. Das wurde übrigens auch in einem der
Minderheitenvoten dieses Urteils zum Ausdruck ge-
bracht. Frau Lübbe-Wolff hat erklärt:
Der Fall wirft zwei Fragen auf: Darf der Bundestag
für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermitt-
lungsausschuss ein Berechnungsverfahren wählen,
welches die Abbildung der die Regierung tragenden
Parlamentsmehrheit sicherstellt? Wenn ja: Muss er
dazu, um nicht Rechte der Antragstellerin zu ver-
letzen, ein anderes als das am 30. Oktober 2002
beschlossene Verfahren wählen? Auf die erste
Frage … finde ich in der Entscheidungsbegründung
keine klare Antwort. Die Antwort auf die zweite
halte ich für falsch …
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber die Mehr-
heit ist doch klar!)
Sie sehen, wie umstritten dieses Urteil sogar innerhalb
des Senats gewesen ist. Deswegen ist dies für uns eine
ganz wichtige Auseinandersetzung, die wir in Ruhe und
in aller Sorgfalt miteinander austragen werden.
(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/
CSU]: Sie müssen jetzt nur noch behaupten,
dass Sie gewonnen haben!)
Ich will an dieser Stelle noch ein Zitat aus der Presse
wiedergeben, von dem ich glaube, dass es treffend die
Reaktion auf das Urteil beschreibt. In der „Süddeutschen
Zeitung“ vom 9. Dezember, einen Tag nach dem Urteil,
steht:
(Jörg van Essen [FDP]: Die Hauswurfzeitung
der SPD!)
Das Rätsel von Karlsruhe. So viel Ratlosigkeit war
selten nach einem Urteil des Bundesverfassungsge-
richts.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Urteilsschän-
dung!)
Recht hat die Zeitung. In dem Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts bleibt vieles unklar.
Was folgt daraus? Der Bundestag hat sorgfältig zu
prüfen, welche Konsequenzen er zu ziehen hat. Das Ge-
richt fordert von uns, den Grundsatz der Spiegelbildlich-
keit mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehr-
heitsbildung zu einem schonenden Ausgleich zu
bringen. Dies haben wir nicht nur sofort zugesagt,
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Unverzüg-
lich!)
sondern wir haben es auch in Angriff genommen. Der
Kollege Beck und ich haben schon einen Tag nach der
Urteilsverkündung den Bundestagspräsidenten ange-
schrieben und ihn gebeten, den Geschäftsordnungsaus-
schuss des Bundestages unverzüglich mit der Prüfung zu
beauftragen und dem Parlament entsprechende Vor-
schläge zu unterbreiten. Das ist inzwischen erfolgt. Das
ist der angemessene Umgang mit einem solchen Urteil.
(Beifall bei der SPD)
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ast zeitgleich habe ich auch mit Ihnen, Herr Kauder
wenn Sie sich bitte erinnern wollen –, darüber ein län-
eres Telefonat geführt und Ihnen mitgeteilt, dass wir
er Auffassung sind, dass wir diese sorgfältige Prüfung
ornehmen müssen. Diese unverzügliche Kontaktauf-
ahme zwischen uns beiden gehört auch zu den Aufla-
en, die das Gericht uns, den Mehrheitsfraktionen und
em Bundestag insgesamt, gemacht hat, nämlich sofort
ie Dinge einzuleiten, die zur Umsetzung des Gerichts-
rteils notwendig sind.
Ihr Antrag ist hingegen ein Schnellschuss, den wir
icht mittragen werden. Das Gericht selber eröffnet uns
, wie ich angedeutet habe, mehrere Optionen, zum Bei-
piel eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundes-
ges – dann hätten wir es in der Hand, darüber mit
ehrheit zu entscheiden – oder aber eine Änderung der
eschäftsordnung, die wir gemeinsam mit dem Bundes-
at für den Vermittlungsausschuss erlassen haben. Im
tzteren Fall werden wir uns der Zustimmung des Bun-
esrates zu versichern haben. Ob es eine gibt, kann ich
icht sagen; das wird sich zeigen.
Sie wollen einfach den Beschluss vom Oktober 2002
msetzen. Damit erreichen Sie nicht die Nachhaltigkeit
ines solchen Beschlusses, die das Gericht von uns for-
ert. Sie wollen vielmehr eine kurzfristige Reaktion, die
an aber aus dem Urteil nicht ableiten kann. Von daher
erbietet sich die Art und Weise des Vorgehens, das Sie
ollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Langer Rede kurzer Sinn: Wir werden dieses Urteil
orgfältig prüfen, erst im Geschäftsordnungsausschuss,
ann in den Fraktionen. Wir sichern Ihnen dabei eine zü-
ige Vorgehensweise zu. Es entspricht nicht unserer Art,
ine Verzögerungstaktik anzuwenden. Wir werden alles
nternehmen, um zu einem gerechten Ausgleich zu
ommen, der diesem Gerichtsurteil wenigstens in Ansät-
en gerecht wird. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Mehr
ann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ihrem An-
ag können wir auf jeden Fall nicht zustimmen; denn
as ist ein Schnellschuss, der sich verbietet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]:
Unglaublich!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Jörg van Essen, FDP-
raktion.
Jörg van Essen (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
er Kollege Kauder hat vorhin – wie ich finde, zu
echt – in seinem Beitrag für die CDU/CSU-Fraktion
en Umgang der Koalition mit dem Urteil des Bundes-
erfassungsgerichts kritisiert. Ich als Redner der FDP
nterstreiche das nachdrücklich.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben angedeutet, dass Sie
nverzüglich mit dem Kollegen Kauder Kontakt aufge-
ommen haben. Das ist nicht die verfassungsgerichtliche
orgabe.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
13726 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Jörg van Essen
Wir haben die Vorgabe, das unverzüglich zu ändern, und
zwar zeitnah.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gab nicht die Vorgabe, dass die Geschäftsführer un-
verzüglich miteinander telefonieren.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: In der
15. Wahlperiode, wie Sie wissen!)
– Im Urteil selbst steht „unverzüglich“ und „zeitnah“.
Als Jurist darf ich Ihnen sagen: „Unverzüglich“ heißt:
ohne schuldhaftes Zögern. Das wiederum heißt, dass
heute eine Entscheidung möglich ist, weil die Prinzipien
klar und offen liegen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich werde das begründen. Es gibt zwei Prinzipien, die
hier miteinander streiten. In den beiden anderen Rede-
beiträgen ist das schon angedeutet worden. Auf der
einen Seite gibt es den Grundsatz der Spiegelbildlich-
keit. Das ist der vordringliche Grundsatz, wie ich finde,
aus vernünftigen Gründen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist
unstreitig! – Volker Beck [Köln] [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finden Sie, das
findet aber nicht das Gericht!)
Wenn zwei Fraktionen bei der Bundestagswahl etwa
41 Prozent erzielen, wie es bei der letzten Bundestags-
wahl bei der SPD und der CDU/CSU der Fall war – Un-
terschiede gab es nur in den Stellen hinter dem
Komma –,
(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Ein biss-
chen genauer!)
dann kann es nicht sein, dass die eine Fraktion acht Sitze
und die andere nur sechs im Vermittlungsausschuss hat.
Es ist vollkommen klar, dass das ein deutlicher Verstoß
gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wir haben allerdings auch den Grundsatz zu beachten
– darauf hat das Bundesverfassungsgericht hingewie-
sen –, dass sich die Mehrheitsverhältnisse der Koali-
tion in den Ausschüssen widerspiegeln müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Dieser Grundsatz wird in der Arbeit innerhalb der Aus-
schüsse des Bundestages von uns selbstverständlich
nicht infrage gestellt. Er sichert die Arbeitsfähigkeit des
Bundestages. Aber ich habe bereits in der Debatte, die
wir damals zu führen hatten, deutlich gemacht, dass das
für mich in Bezug auf den Vermittlungsausschuss nicht
gilt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses sind
– das geht aus der Verfassung hervor – ausdrücklich
nicht an Weisungen gebunden. Sie vertreten dort also
nicht ihre jeweilige Fraktion; der Sinn ihrer Tätigkeit in
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em Ausschuss liegt vielmehr darin, einen vernünftigen
usgleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu erzie-
en. Deshalb ist es sinnvoll, dass auf der Bundesratsseite
ie Länder nicht nach dem Proportionalitätsprinzip ge-
essen an ihrer Größe vertreten sind, sondern dass jedes
and einen Sitz hat. Insofern kann nach meiner Auffas-
ung das Mehrheitsprinzip auch für die Mitglieder des
undestags im Vermittlungsausschuss nicht gelten. Es
st schon deshalb nicht sinnvoll, weil es keine Koalition
n der Opposition gibt. Als Vertreter der FDP im Ver-
ittlungsausschuss weiß ich, dass wir schon oft genug
nders entschieden haben als die CDU/CSU. Auch das
acht deutlich, dass das Mehrheitsprinzip, das im Bun-
estag gelten muss, im Vermittlungsausschuss nicht an-
ebracht ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Von daher unterstützt die FDP-Bundestagsfraktion
en Vorschlag der CDU/CSU klar und eindeutig. Dieser
orschlag ist verfassungsfest und er ermöglicht es, den
uftrag des Bundesverfassungsgerichts, unverzüglich
nd zeitnah zu entscheiden, umzusetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Volker Beck, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!
ch denke, eine genauere Lektüre des Urteils wäre zu-
unsten der Klarheit der Debatte durchaus nützlich.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jeden-
falls bei der Union!)
eschätzte Kollegen von der Union, nach der Entschei-
ung des Bundesverfassungsgerichts haben Herr Kauder
nd der bayerische Ministerpräsident Stoiber behauptet,
as Gericht habe festgestellt, wir hätten einen Verfas-
ungsbruch begangen. Ein Blick in das Urteil zeigt das
egenteil. Das Gericht hat festgestellt, dass der von uns
efasste Beschluss zu diesem Zeitpunkt voll und ganz
ulässig war.
(Jörg van Essen [FDP]: Nur weil es schnell
gehen musste!)
n dem Urteil heißt es dazu:
Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht kann insoweit
nicht festgestellt werden, als der Deutsche Bundes-
tag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Inte-
resse einer funktionierenden Gesetzgebung zu einer
raschen Besetzung des Vermittlungsausschusses ge-
nötigt war und es deshalb schon an zeitlichen Mög-
lichkeiten fehlte, eine ausgewogene Neuregelung
möglichst im Konsens aller Fraktionen für eine neu
sich ergebende Frage der proportionalen Sitzvertei-
lung zu schaffen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13727
(A) )
(B) )
Volker Beck (Köln)
Sehr richtig. Wenn Sie also Ihre Behauptung weiterhin
äußern, dann verbreiten Sie – das muss ich leider fest-
stellen – die Unwahrheit. Vulgo: Es ist eine Lüge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch dann, wenn der Kollege van Essen in seinem
Redebeitrag an anderer Stelle über den Wortlaut des
Urteils hinwegstolpert, entsteht ein nicht wahrheitskon-
former Eindruck. Das Gericht sagt:
Der Antragsgegner
– also der Bundestag –
ist … verpflichtet, unverzüglich und unter Aus-
schöpfung der in Geschäftsordungsangelegenheiten
üblichen Kooperation zwischen allen Fraktionen
des Bundestages einen entsprechenden Beschluss
nach § 57 Abs. 1 GOBT neu vorzubereiten und
zeitnah zu fassen.
Das heißt, wir müssen unverzüglich mit der Arbeit be-
ginnen. Nachdem das Urteil am Mittwoch erfolgte, ha-
ben wir als Geschäftsführer das am Donnerstag getan.
Der Bundestagspräsident hat das Entsprechende veran-
lasst. Schneller konnten wir nicht handeln; sonst hätten
wir vor dem Urteil tätig werden müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/
CSU]: Das wäre genau richtig gewesen!)
Wir gehen seriös vor. Es geht darum, ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. In diesem Ur-
teil ist aber nicht von einem schonungslosen Raubzug
die Rede, wie Sie ihn mit Ihrem Antrag vorschlagen,
sondern von einem schonenden Ausgleich zwischen
zwei grundlegenden Prinzipien, nämlich dem Propor-
tionalitätsprinzip und dem Mehrheitsprinzip. Es hat uns
also die Aufgabe gegeben, zu prüfen, wie wir zu einer
Lösung kommen, die einen Ausgleich ermöglicht: zwi-
schen dem Mehrheitsprinzip – unser Wille ist es schließ-
lich, die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag
auch auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschus-
ses abzubilden – und dem Prinzip der Proportionsge-
rechtigkeit. Wenn das Bundesverfassungsgericht tatsäch-
lich Ihrer Auffassung gewesen wäre, hätte es in seinem
Urteil sagen können: Der Sitz gehört dem Antragsteller,
Punkt, aus, Ende der Durchsage! – Genau das hat das
Bundesverfassungsgericht aber nicht getan.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Die Welt ist nicht – das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts erst recht nicht – so einfach, wie Sie es sich ma-
chen wollen.
Das Bundesverfassungsgericht weist uns drei Lö-
sungswege. Erster Lösungsweg. Wir können über ein
neues Zählverfahren zu einem befriedigenden Ergebnis
bzw. Ausgleich kommen. Es ist ja nicht gesagt, dass bei-
spielsweise die Verfahren nach Saint Lague/Schepers
und d’Hondt der Weisheit letzter Schluss sind.
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Zweiter Lösungsweg. Das Urteil gibt uns auch die
öglichkeit, die Geschäftsordnung von Bundestag und
undesrat zum Gemeinsamen Ausschuss zu ändern. Das
ürde praktisch bedeuten, die Zahl der Mitglieder des
ermittlungsausschusses zu verändern. Hier gibt es ei-
en ganz einfachen Lösungsweg: Auf der Bundestags-
ank gibt es 18 statt 16 Plätze. Die Plätze 17 und 18 fal-
en nach dem Zählverfahren sowieso an die Koalition.
amit hätten wir kein Problem. Aber vielleicht hätte der
undesrat ein Problem.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind ein
schlechter Verlierer!)
er bekäme denn auf der Bundesratsbank den 17. und
8. Sitz? Ich meine, dass auch dieses Problem zwischen
en Verfassungsorganen leicht zu lösen wäre. Meine
uffassung als Nordrhein-Westfale ist ganz klar: Das
rößte Bundesland ist Nordrhein-Westfalen.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wollen wir
mal sehen, ob Sie das im nächsten Juni auch
noch sagen!)
ch weiß aber nicht, ob darüber Konsens erzielt werden
ann. Deshalb müssen wir dies sorgfältig prüfen.
Dritter Lösungsweg. Möglich ist nach dem Urteil des
undesverfassungsgerichts auch eine Änderung des § 12
er Geschäftsordnung des Bundestages. Dort können wir
eu und verfassungskonform die Prinzipien und das Pro-
edere festlegen, wie wir bei Ausschüssen verfahren
ollen, bei denen aufgrund ihrer Mitgliederzahl das
ehrheitsprinzip mithilfe der klassischen Zählverfahren
icht abbildbar ist. Das Bundesverfassungsgericht rügt,
ass wir für das, was wir damals getan haben, keine dau-
rhafte geschäftsordnungsrechtliche Grundlage geschaf-
en haben. Darüber müssen wir reden.
Jetzt werden wir Ihren Antrag an den zuständigen
achausschuss überweisen. Dann, im neuen Jahr, wer-
en wir eine Anhörung zu diesen Fragen machen und
chauen, welcher Weg der beste ist. Vielleicht werden
ir auch Gespräche mit dem Bundesrat führen, um zu
ehen, ob eine gemeinsame Lösung möglich ist. Dann
erden wir die Vorgaben des Urteils so zeitnah umset-
en, dass wir den Anforderungen des Bundesverfas-
ungsgerichts genügen. Aber auf die Hallodrinummer,
ie die Union vorschlägt, wird die Koalition nicht he-
einfallen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu dem Antrag der Fraktion der
DU/CSU auf Drucksache 15/4494. Die Fraktion der
DU/CSU wünscht Abstimmung in der Sache. Die
raktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
ünschen Überweisung an den Ausschuss für Wahlprü-
ung, Immunität und Geschäftsordnung. Die Abstim-
ung über den Antrag auf Ausschussüberweisung geht
13728 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
nach ständiger Übung vor. Ich frage deshalb: Wer stimmt
für die beantragte Überweisung? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Dann ist die Überweisung so be-
schlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf
Drucksache 15/4494 nicht ab.
(Unruhe)
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte diejenigen,
die der Befragung der Bundesregierung nicht beiwohnen
wollen, den Saal zu verlassen und außerhalb des Saals
ihre Gespräche fortzuführen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettsitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen, Dr. Manfred Stolpe.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf
Sie darüber unterrichten, dass im Kabinett heute der Ent-
wurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Bundesstif-
tung Baukultur“ beschlossen worden ist. Wir haben in
Deutschland allen Grund, die Leistungen der deutschen
Planer, der Ingenieure und der Architekten stärker zu be-
achten und dafür Sorge zu tragen, dass sie Unterstützung
erfahren und auch im Ausland wahrgenommen werden.
Auf diesem Hintergrund ist dieses Gesetz vorgesehen.
Damit verbunden ist das Ziel, die Belange der Baukul-
turschaffenden stärker herauszustellen und auf das Leis-
tungsniveau der Architekten, Ingenieure und Planer in
Deutschland hinzuweisen. Hier hat man gelegentlich den
Eindruck, dass das weithin unterschätzt wird. Tatsäch-
lich können wir uns durchaus mit anderen messen. Wir
wollen also von vornherein darauf achten, dass die Wir-
kungen einer solchen Stiftung im nationalen und im in-
ternationalen Bereich zur Geltung kommen werden.
Unserer Ansicht nach braucht die Baukultur wie die Be-
reiche Kultur, Denkmal- und Umweltschutz neue For-
men der Motivierung und der Mobilisierung.
Mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs will die
Bundesregierung auch einem Beschluss des Bundestages
vom vorigen Jahr gerecht werden. In diesem Beschluss
ist seinerzeit fraktionsübergreifend festgelegt worden,
dass für gutes Planen und Bauen mehr getan werden soll.
In diesem Beschluss war die Einrichtung einer solchen
Institution angedacht.
Wie Sie alle wissen, hat Deutschland das größte Bau-
volumen in Europa überhaupt: 25 Prozent aller Bauleis-
tungen in Europa werden in Deutschland getätigt. Wir
brauchen hier eine stärkere Motivation, eine stärkere
Unterstützung dieses wichtigen Sektors, der bekanntlich
durchaus seine Probleme hat. Wir wissen zugleich, dass
Städte und Regionen im internationalen Wettbewerb
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ehr darauf achten müssen, dass sie ihr kulturelles Erbe,
ber auch die Qualität des neuen Bauens als wichtige
aktoren für Standortentscheidungen bei Investoren ins
piel bringen müssen. Die Bedeutung dessen wird si-
herlich noch wachsen.
Ich möchte nur daran erinnern, dass wir mit dieser
ufgabenstellung im Deutschen Bundestag schon seit
iner Reihe von Jahren beschäftigt sind. Bereits im Jahr
000 wurde ein Dialog über die Baukultur in Deutsch-
and eröffnet. Im Jahr 2002 wurde im Parlament zum
rsten Mal über die Lage zur Baukultur in Deutschland
erichtet. Im April des Jahres 2003 hat ein erster Kon-
ent der Baukultur stattgefunden. Nach meiner
eobachtung wurden dabei zwei wichtige Leistungen er-
racht: Dieser Konvent hat zunächst einmal – leider war
as bisher eher die Ausnahme – die Planer, die Inge-
ieure und die Architekten zusammengeführt. Außer-
em hat er die Aufgabe der Baukultur in das Bewusst-
ein der Öffentlichkeit gerückt.
Wir verbinden mit unserer Initiative und dem Bemü-
en um ein Gesetz zur Errichtung einer „Bundesstiftung
aukultur“ die Vorstellung, dass der Dialog verstetigt
erden kann. Darüber hinaus hoffen wir, dass wir mit
er Einrichtung eines solchen unabhängigen und mit ho-
er Fachautorität versehenen Gremiums das Bewusst-
ein für Baukultur in der breiten Öffentlichkeit stärken
önnen. Ferner wollen wir so auch dazu beitragen, die
ationale Baukultur mehr in das Blickfeld der internatio-
alen Öffentlichkeit zu rücken.
Wir haben die Bereitstellung eines Anfangsvermö-
ens von 250 000 Euro vorgesehen. Man wird in den
rsten Jahren jährlich eine Unterstützung gewähren müs-
en. Aber wir gehen davon aus, dass die Einrichtung die-
er Stiftung ganz stark im Interesse der Allgemeinheit,
ber natürlich auch im Interesse der Planer, der Inge-
ieure und der Architekten ist, sodass es zu einer Unter-
tützung von dritter Seite kommen wird. Wir werden
ann erleben, dass die Finanzierung weithin aus dieser
ichtung kommt.
Ich darf abschließend Folgendes sagen: Ich habe die
berzeugung, dass diese Stiftung auch Auswirkungen
uf die breite Öffentlichkeit haben kann, nämlich dahin
ehend, dass ein stärkeres Bewusstsein für die Qualität
es Bauens geschaffen wird. Am Ende geht es neben der
aukultur auch um Bauwirtschaft. Ich möchte Sie darum
itten, dass wir im weiteren Prozess der Gesetzgebung
emeinsam etwas dafür tun. Das Gesetz zur Errichtung
er Stiftung kann ein erstes wichtiges Signal sein.
Danke.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zunächst Fra-
en zu dem Themenbereich zu stellen, über den berichtet
urde.
Das Wort hat die Kollegin Blank.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13729
(A) )
(B) )
Renate Blank (CDU/CSU):
Herr Minister, wir sind parteiübergreifend mit der
Aufnahme des Themas „Baukultur in Deutschland“ ein-
verstanden. Eigentlich ist unser Ziel – das ist auch das
Ziel des Konvents gewesen –, die deutsche Baukultur
weltweit bekannt zu machen. Meine Frage dazu: Ist ge-
plant, das auch im Titel zu verankern? Wir sind uns, wie
gesagt, einig bei der Aufgabe, die deutsche Baukultur,
die zwar einen Namen hat, aber weltweit leider nicht so
bekannt ist – ausgenommen einige Architekten oder Ar-
chitekturbüros –, zu fördern.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Abgeordnete, ich bin ganz sicher, dass diese
Frage in der weiteren Arbeit noch bedacht werden wird.
Ich bin sehr aufgeschlossen dafür, diesen Zusammen-
hang darzustellen. Es geht um Deutschland. Es geht um
deutsche Leistungen. Es geht aber auch darum, auf der
internationalen Bühne im internationalen Wettbewerb
zur Geltung zu kommen. Ich halte das für durchaus dis-
kussionsfähig.
(Abg. Renate Blank [CDU/CSU] meldet sich
zu einer weiteren Frage)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Später, Frau Kollegin.
Herr Kollege Schulz, bitte.
Sören Bartol (SPD):
Liebe Frau Präsidentin, ich bin der Kollege Bartol,
(Heiterkeit)
man verwechselt mich gern mit dem Kollegen Schulz.
Das ist nicht so schlimm. Ich habe gewusst, wer gemeint
war.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben auf den erfolg-
reichen Konvent zur Baukultur im April 2003 hingewie-
sen. Ich möchte Sie jetzt fragen: Welche Rolle wird die
Idee dieses Konvents nach der Gründung einer solchen
Bundesstiftung spielen?
Vielen Dank.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Abgeordneter, wir haben die Vorstellung, dass
dieser Konvent die geballte Kompetenz derjenigen, die
im Bereich der Baukultur tätig sind, zusammenführen
kann, dass er sehr intensiv an Fragen der Standort-
bestimmung und zur Lage der Baukultur arbeiten kann
– da haben wir in der Tat noch einiges aufzuholen –,
dass er die Möglichkeit haben wird, Leistungen, die hier
erbracht werden, zu würdigen – dazu gibt es so manche
Gelegenheit –, und dass er immer wieder den Hand-
lungsbedarf in diesem Feld, bis in den politischen Raum
hinein, benennt. Ich denke, dass ein solches Gremium, in
dem dann schon einige Hundert tätig sein werden,
durchaus Gehör finden wird.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Weis, bitte.
Petra Weis (SPD):
Herr Minister, Sie haben das finanzielle Engagement
es Bundes für das kommende Jahr quantifiziert und
arauf hingewiesen, dass es für den Erfolg der Stiftung
atürlich wichtig ist, den Finanzbedarf langfristig auch
us Mitteln Dritter zu decken. Meine Frage an Sie lautet
un: Wie hoch wird nach Ihrer Einschätzung der jährli-
he Finanzbedarf der Stiftung sein und welche konkreten
öglichkeiten sehen Sie, Dritte zur Mitfinanzierung zu
otivieren und entsprechende Mittel zu mobilisieren?
Danke.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
ehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass die Stif-
ung, wenn sie voll wirksam sein wird und die Aufgaben
ngeht, die ihr zugedacht sind, Mittel in der Größenord-
ung von etwa 2,5 Millionen Euro für ihre Arbeit benö-
igen wird. In der Anlaufphase wird das deutlich gerin-
er sein können. Aber schon in der Anlaufphase wird die
öglichkeit bestehen, einen Teil der Aufgaben zu erfül-
en, indem man zumindest das Signal in die Öffentlich-
eit hineingibt.
Im Blick auf die Beteiligung Dritter ist eine Vielzahl
on Gesprächen geführt worden. Ich bin bei einigen Ver-
nstaltungen dabei gewesen. Wir haben eine große Auf-
eschlossenheit erlebt, aber zugleich natürlich auch die
rage gehört: Kommt das Gesetz nun oder kommt es
icht? In dem Augenblick, wo wir das Gesetz haben und
rkennbar wird, dass das Anliegen auch in der Breite ge-
ragen wird, werden wir sicherlich noch einiges gewin-
en können. Immerhin ist das ganze Vorhaben ja nicht
n Schreibtischen von Politikern erdacht worden, son-
ern im Gespräch mit den Fachleuten entstanden. Diese
aben daran also Interesse. Wir haben aber auch deutlich
emacht, dass es nicht ausreicht, theoretisches Interesse
u bekunden, sondern dass sich das Interesse auch ganz
andfest materiell ausdrücken müsste.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Blank, bitte.
Renate Blank (CDU/CSU):
Herr Minister, durch das Gesetz soll eine Bundesstif-
ung errichtet werden. Meine Frage lautet: Wie verhalten
ich die Länder? Man könnte ja einmal darüber nachden-
en, daraus eine nationale Stiftung unter Beteiligung der
änder zu machen. Wie verhalten sich die Länder zu die-
er Idee einer Bundesstiftung bzw. welche Rückmeldun-
en haben Sie aus den Ländern bekommen?
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
ehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Abgeordnete, wir haben uns von Anfang an sehr
ntensiv zu dem Vorhaben mit den Ländern ausge-
auscht, weil auch uns klar ist, dass die Länder in diesem
ereich ganz klar definierte Kompetenzen haben. Für
13730 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe
uns kommt als Aufgabenstellung all das infrage, was
länderübergreifend oder von internationaler Bedeutung
ist. Das kann natürlich nur in Übereinstimmung mit den
Ländern gestaltet werden. Ich darf Ihnen berichten, dass
wir von den Bauministern aller Länder eine starke Un-
terstützung bei dem Projekt erfahren haben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Kubatschka, bitte.
Horst Kubatschka (SPD):
Herr Minister, welche Rolle wird der Denkmalschutz
im Rahmen dieser Stiftung spielen?
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Abgeordneter, wir gehen davon aus, dass Bau-
kultur in einem sehr umfassenden Sinne verstanden wer-
den muss. Auch wenn das sicher teilweise bis in techni-
sche Bereiche hineingehen wird, so ist grundsätzlich die
Gestaltung von Städten und von Bauwerken sowie das
Bauen in einem bestimmten Umfeld bzw. in die Umwelt
hinein zu bedenken. So gehe ich – auch nach den Erfah-
rungen, die ich in der Vorbereitungsphase gemacht
habe – davon aus, dass dies von denjenigen, die Denk-
malschutz zu ihrer Hauptaufgabe gemacht haben, bis hin
zu maßgeblichen Vertretern der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz, mitgetragen wird und diese ihre Erfah-
rungen und Erwartungen einbringen werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Nooke, bitte.
Günter Nooke (CDU/CSU):
Meine Frage bezieht sich noch einmal auf die Finan-
zierung der Stiftung. Herr Minister, Sie haben eben die
Länder angesprochen. Gibt es denn Anzeichen für eine
finanzielle Beteiligung der Länder in dem Sinne, dass
Länder bereits Bereitschaft gezeigt haben, sich finanziell
an der Stiftung zu beteiligen, oder hat die Bundesregie-
rung die Länder überhaupt dazu aufgefordert? Hat die
Bundesregierung es darüber hinaus gänzlich aufgege-
ben, für diese Stiftung privates Geld einzuwerben? Der
Ausgangspunkt war ja einmal, dass Architekten hierfür
sammeln wollten.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Abgeordneter, wir haben nicht vor, die Länder
an der Finanzierung zu beteiligen. Natürlich werden wir
niemanden bremsen, wenn er etwas zum Stiftungskapital
beitragen möchte. Vonseiten des Bundes wollen wir mit
den 250 000 Euro helfen, dass die Stiftung in Gang
kommt. Wir setzen aber ganz stark darauf, dass der Fi-
nanzbedarf der Stiftung in einem überschaubaren Zeit-
raum auch durch private Mittel wesentlich mitgetragen
wird, sodass ein Stiftungskapital entsteht, das die Finan-
zierung der Arbeit ermöglicht. Wir haben Anzeichen da-
für, dass es Unterstützer geben wird. Bis das Gesetz tat-
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ächlich beschlossen ist, wird allerdings keiner so richtig
erne größere Beträge zur Verfügung stellen. Wir bemü-
en uns darum, erst einmal Bereitschaftserklärungen in
iese Richtung zu erhalten. Ich glaube, das kommt in
ang.
Ich darf es noch einmal sagen: Wenn es uns gelingt,
ier zu einer Lösung zu kommen, die vom ganzen Haus
itgetragen werden kann, dann werden wir richtig gute
hancen haben, hier etwas auf die Beine zu stellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Weitere Fragen zu diesem Thema liegen mir nicht
or. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
inettsitzung? – Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber
inaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? – Das
st auch nicht der Fall. Damit beende ich die Befragung
er Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 15/4476 –
Zunächst rufe ich den Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
icherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die
arlamentarische Staatssekretärin Frau Simone Probst
ereit.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Christoph
ergner auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten Vereinfa-
chungsvorschlag der Landesregierung Sachsen-Anhalt zum
geplanten europäischen Registriersystem für Chemikalien,
REACH, das eine Erfassung der Chemikalien nach Risiko-
gruppen vorsieht, und wie wird die Bundesregierung diesen
Vorschlag aus Sachsen-Anhalt unterstützen?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
eit:
Sehr geehrter Herr Kollege, der Vorschlag der Lan-
esregierung Sachsen-Anhalt ist der Bundesregierung
och nicht zugeleitet worden. Daher war eine Meinungs-
ildung innerhalb der Bundesressorts bis dato leider
icht möglich.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, ich bedauere, dass der Informa-
ionsfluss nicht schneller war und wir deshalb nicht ver-
ieft über diese Frage diskutieren können. Ich stelle
rotzdem die Frage: Halten Sie die REACH-Richtlinie,
o wie sie jetzt vorliegt, für verbesserungsbedürftig im
inne einer Vereinfachung und Priorisierung, wie es der
orschlag des Landes Sachsen-Anhalt vorsieht?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13731
(A) )
(B) )
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Da mir der konkrete Vorschlag nicht vorliegt, kann
ich nur sehr allgemein antworten, wie Sie verstehen wer-
den. Selbstverständlich sind wir für alle Vorschläge, die
uns zugeleitet werden, offen. Es geht ja dann möglicher-
weise auch darum, Änderungsanträge in Bezug auf den
Kommissionsvorschlag auszuarbeiten. Wir werden für
jeden Vorschlag, der uns zugeleitet wird, eine sehr aus-
führliche Analyse zur Abwägung der Vor- und Nachteile
durchführen, um zu einer – gemeinsamen oder auch un-
terschiedlichen – Bewertung zu kommen. Sie wissen,
dass in Bezug auf REACH eine gemeinsame Position
der Bundesregierung, der IG BCE und des VCI vor-
herrscht. Wir wollen in Brüssel gemeinsam das Best-
mögliche für eine vorsorgende und umweltverträgliche
Chemiepolitik erreichen. Insofern können Sie sicher
sein: Alle klugen Verbesserungsvorschläge und Wün-
sche werden von uns positiv aufgenommen.
Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):
Darf ich dann wenigstens noch fragen, ob das „Best-
mögliche“ auch den Gesichtspunkt einschließt, dass Sie
einen unnötigen Prüfaufwand, der beispielsweise auch
mit gigantischen Tierversuchen verbunden wäre, zu ver-
meiden suchen?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Herr Kollege, Sie wissen, dass das immer eine Abwä-
gungsfrage ist. Die notwendigen qualitativen Standards
müssen, gerade im Bereich der Gesundheitsvorsorge, ge-
gen den Aufwand abgewogen werden. Uns geht es da-
rum, dass die Chemiebranche eine innovative Branche
wird und dass hier die bestmöglichen Chemikalien ver-
wendet werden können. Dazu wollen wir angemessene,
europaeinheitliche Verfahren vorsehen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Christoph
Bergner auf:
Kann die Bundesregierung Pressemeldungen der „Mittel-
deutschen Zeitung“ bestätigen, wonach der Bundesminister
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin, kurz vor der Antragskonferenz zum Raumordnungs-
verfahren für das Bauvorhaben zur Vollendung des Saaleaus-
baus in einem Brief an den Bundesminister für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, gefordert haben
soll, das entsprechende Raumordnungsverfahren nicht zu be-
ginnen, und welche rechtliche Bedeutung hätte ein solches
Schreiben des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, für das Verwaltungsverfah-
ren zu diesem Projekt des Bundesverkehrswegeplanes?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Herr Kollege, es trifft zu, dass der Herr Bundesminis-
ter Trittin seinen Kollegen Herrn Bundesminister Stolpe
gebeten hat, das Raumordnungsverfahren zum Saaleaus-
bau nicht zu beginnen. Die Durchführung des inzwi-
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chen eingeleiteten Raumordnungsverfahrens fällt – das
issen Sie sicherlich – in die Zuständigkeit des Landes
achsen-Anhalt. Dieses Verfahren schafft kein Präjudiz
ür die noch ausstehenden Entscheidungen der Bundes-
egierung.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):
Da der zuständige Minister gerade den Raum verlässt
nd wir seine Gesichtspunkte nicht erfragen können,
uss ich meine Frage an Sie richten. In dem in der Presse
itierten Brief von Herrn Trittin wurden die wirtschaftli-
hen Vorteile in Zweifel gezogen. Nun ist es ja bekannt,
ass der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan eine
utzenbewertung durch das Bundesverkehrsministerium
orausgegangen ist. Diese Nutzenbewertung betrachtet
ine gesamtwirtschaftliche Rentabilität als gesichert. Im
itzeichnungsverfahren zum Bundesverkehrswegeplan
at Ihr Haus diese gesamtwirtschaftliche Betrachtung im-
lizit einbezogen. Ich frage Sie also, weshalb Herr Trittin
iese Betrachtung in seinem Brief an Herrn Stolpe nach-
räglich wieder in Zweifel zieht.
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
eit:
Wenn ich Sie richtig verstehe, lautet Ihre Frage, wa-
um für uns die Wirtschaftlichkeit auch heute – –
Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):
Nachdem Sie sie im Grunde genommen im Mitzeich-
ungsverfahren schon einmal konstatiert hatten!
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
eit:
Wichtig ist Folgendes: Sie wissen, dass der Ansatz für
en Bundeswasserstraßenbau im Bundesverkehrswege-
lan 2003 mehr als fünffach überbucht ist. Wir haben ein
esamtinvestitionsvolumen von 5,1 Milliarden Euro auf
er einen Seite. Dem stehen auf der anderen Seite bis
015 maximal 900 Millionen Euro vonseiten des Bundes
egenüber.
Wir halten es für wichtig, dass sehr zeitnah eine
angfolge der zu realisierenden Projekte festgelegt wird.
uf der einen Seite ist es unser Anliegen, mit dem ver-
ügbaren Geld eine möglichst große Wirkung, was die
erlagerung von der Straße auf die Wasserstraße betrifft,
u erreichen. Auf der anderen Seite wollen wir die An-
ahl der ökologischen Konflikte minimieren.
Mit einem Wirtschaftlichkeitsfaktor von 2,0 bis 2,3
iegt der Saale-Seitenkanal am unteren Rand der Bewer-
ungsskala. Wir führen daher diese Diskussion sehr of-
ensiv.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
13732 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin Probst, in dem Brief, zu dessen
Inhalt Sie sich in Ihrer Antwort bekannt haben, werden
– zu meiner Überraschung – naturschutzfachliche Pro-
bleme, die als „nicht beherrschbar gelten“, erneut er-
wähnt. Mich hat dies insofern überrascht, als das Projekt
zur Schaffung dieses Seitenkanals aufgrund von natur-
schutzfachlichen Argumenten der Umweltschützer, wie
zum Beispiel Sicherung der Hartholzauenwälder, zu-
stande gekommen ist. Welche naturschutzfachlichen Ar-
gumente machen Sie in diesem Zusammenhang geltend?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Sie wissen, dass im Bundesverkehrswegeplan ein ent-
sprechender Prüfvermerk aufgenommen worden ist. Sie
stellen in Ihrer Frage eine Verbindung zu dem Schreiben
des Ministers Trittin her, in dem es um das Raumord-
nungsverfahren geht. Aus Sicht des Bundesumweltmi-
nisteriums macht ein Raumordnungsverfahren nur dann
Sinn, wenn die offenen Fragen abgearbeitet worden sind.
Daher sind vorab tiefer gehende Prüfungen hinsichtlich
der Auswirkungen auf das Grundwasser und hinsichtlich
der FFH-Problematik notwendig. Ich denke, es ist sinn-
voll, sich im Vorfeld diesen Fragen zu stellen, bevor man
Fakten schafft.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank,
Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
Die Frage 3 des Kollegen Jens Spahn wird schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Bildung und Forschung. Die Fragen be-
antwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich
Kasparick.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Warum hat die Bundesregierung entschieden, das Fachge-
biet „Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege“ aus dem For-
schungsförderungsprogramm FH 3 – ehemals aFuE-Pro-
gramm – herauszunehmen, und wie viele Mittel aus diesem
Programm sind in den Jahren 1992 bis 2003 jährlich in den
Bereich Soziales, Gesundheit und Pflege geflossen?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Lieber Kollege Kretschmer, dieses Forschungsförde-
rungsprogramm, das von 1992 bis 2003 lief, wurde seit
2003 insbesondere inhaltlich neu ausgerichtet. Sie wis-
sen, dass die Fachhochschulen in Ostdeutschland eine
größere Rolle spielen als in den alten Bundesländern.
Wir wollen eine stärkere Orientierung an innovativen
Themenfeldern, an der Entwicklung von neuen Produk-
ten und an der Schaffung von Arbeitsplätzen. Deswegen
werden die Mittel für den Bereich, den Sie in Ihrer Frage
ansprechen, abgeschmolzen. Dies ist sinnvoll, weil ein
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emeinsames Gesundheitsforschungsprogramm von
MBF und BMGS existiert, dessen Volumen wesentlich
rößer ist als die Mittel, die bisher in diesem Bereich zur
erfügung standen.
Wir haben zusätzlich im BMBF ein Förderprogramm
ür sozialökologische Forschung eingerichtet. Die Fach-
ochschulen sind für beide Programme antragsberech-
igt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihre Antwort. –
s gibt eine ganze Reihe von Fachprogrammen, für die
uch Fachhochschulen antragsberechtigt sind. Man hat
ieses Programm absichtlich in dieser Form aufgelegt,
eil man weiß, dass Fachhochschulen eine geringere
anpower haben. Ich frage Sie deshalb, wie Sie zu der
ritik der Fachhochschulkonferenz stehen, die deutlich
emacht hat, dass Ihre Maßnahme einen Nachteil für die
achhochschulen darstellen wird.
Ich möchte eine weitere Frage anschließen. Es gab
ine Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Systemtech-
ik und Innovationsforschung, ISI, im Auftrag des
MBF. Es wurde gefragt, ob Auswirkungen auf die Nut-
ungsmöglichkeiten von „FH 3“ aufgrund der Forderung
ach verbindlicher Einbindung der Wirtschaft erwartet
erden. 50,7 Prozent der Befragten haben mit Ja geant-
ortet. – Ist Ihnen das bekannt? Wenn ja: In welcher
eise hat das Ihre Entscheidung beeinflusst?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung:
Wir müssen vorsichtig sein, damit Umfragen nicht die
asis von politischen Entscheidungen werden. Für uns
st maßgeblich, was Gremien entscheiden. Die Neuaus-
ichtung dieses Programms ist mit der KMK verabredet
orden: Es ist klar verabredet worden, dass es einen
berprüfungszeitpunkt geben wird, dass wir das Pro-
ramm Schritt für Schritt auf die Themenbereiche um-
tellen, bei denen wir uns besonders viele Arbeitsplätze
ersprechen. Insbesondere in Ostdeutschland ist es
wingend, dass wir uns darauf fokussieren. Angesichts
er Tatsache, dass uns zwei vom Volumen her wesent-
ich größere zusätzliche Programme zur Verfügung ste-
en, ist es ganz gewiss, dass diese Entscheidung sachge-
echt ist. Insbesondere diejenigen, die die Situation in
en Fachhochschulen in den neuen Ländern gut kennen,
erden diese Entscheidung gut mittragen können.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Ich möchte darauf hinweisen, dass das kein Pro-
ramm für die neuen Bundesländer ist. Es hat nichts mit
en neuen Ländern zu tun. Ich möchte Sie bitten, uns zu
agen, welche Disziplinen jetzt definitiv aus dem Pro-
ramm herausfallen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13733
(A) )
(B) )
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Es geht um den Bereich Soziales, Gesundheit und
Pflege, der in anderen Fachprogrammen des Bundesfor-
schungsministeriums gemeinsam mit dem Bundesge-
sundheitsministerium bearbeitet werden kann. Alle
Fachhochschulen sind für beide Programme antragsbe-
rechtigt, das heißt, sie können diese Forschungen fortset-
zen. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass das
Fördervolumen der Projekte aus diesem Bereich insge-
samt nur 5,4 Prozent der Gesamtmittel ausmacht, die für
das FH-3-Programm zur Verfügung standen. Das recht-
fertigt eine stärkere Ausrichtung dieses Programms auf
die Technologiefelder, die besonders innovativ und ar-
beitsplatzwirksam sind.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Wie viele Mittel standen in den Jahren 1992 bis 2003 jähr-
lich für das gesamte Forschungsförderungsprogramm FH 3
– aFuE-Programm – zur Verfügung und wie sieht die jährliche
Finanzplanung für die kommenden Jahre über 2007 hinaus
aus?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Die Frage 5 bezieht sich auf denselben Sachverhalt
und verlangt Auskunft darüber, welche Mittelausstattung
das Programm hatte. In den Jahren 1992 bis 2003 stan-
den insgesamt über 75 Millionen Euro zur Verfügung.
Die mittelfristige Finanzplanung, die wir vorbehaltlich
einer Bund/Länder-Entscheidung, die im Jahr 2006 ge-
troffen wird, umsetzen wollen, geht davon aus, dass das
Auslaufen des Programms zum 31. Dezember 2008 ein-
treten kann. Ich weise aber ausdrücklich noch einmal
darauf hin, dass dies nur vorbehaltlich einer Bund/Län-
der-Entscheidung im Jahr 2006 geschehen kann. Ich
schlage Ihnen vor, dass ich Ihnen die Aufteilung der
Budgets auf die einzelnen Jahre in der schriftlichen Ant-
wort zukommen lasse, damit ich Ihnen jetzt nicht die Ta-
belle vorlesen muss.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade noch einmal er-
wähnt, dass der Anteil des Bereichs, der jetzt aus der
Förderung herausfällt, nur 5,4 Prozent der Gesamtmittel
ausmachte. Man muss sich deshalb natürlich fragen, ob
die Streichung tatsächlich zu begründen ist. Wenn es so
ein geringer Teil ist, hätte man das doch durchaus beibe-
halten können.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Sie wissen, dass wir angesichts von Mittelknapphei-
ten thematisch fokussieren müssen. Das ist in allen Poli-
tikbereichen sinnvoll und wichtig. Die Situation stellte
sich so dar, dass im Rahmen des alten aFuE-Programms,
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ber das wir jetzt hier sprechen, in den Jahren 1992 bis
003 insgesamt 5 785 Anträge gestellt worden sind. Von
iesen 5 785 Anträgen kamen nur 312 aus dem Bereich
oziales, Gesundheit und Pflege. Das ist ein Anteil von
,4 Prozent. Wenn wir das Programm an den Fachhoch-
chulen stärker am Technikbezug und am Arbeitsplatz-
ezug orientieren und gleichzeitig finanziell besser aus-
estattete Bundesförderprogramme an die Seite stellen,
ann ist diese Neuorientierung durchaus vertretbar.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre zweite Zusatzfrage.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, meine letzte Zwischenfrage be-
ieht sich darauf, wie viel Prozent in diesen Verbundpro-
ekten von den Unternehmen gezahlt werden müssen.
ch denke, der Eigenanteil beträgt 20 Prozent. Wir wis-
en, dass Sie nicht viel von den Umfragen, die Sie selbst
n Auftrag geben, halten; denn bei einer solchen Um-
rage wurde von einer großen Mehrheit gesagt, dass
iese Tatsache das Programm beeinträchtige. Wie wer-
en Sie die Meinungsäußerungen der Rektoren und Ko-
ektoren der Fachhochschulen für Forschung? Sie sagen
anz deutlich, dadurch werde das Ziel dieses Programms
erfehlt und behindert, weil gerade die kleineren Unter-
ehmen nicht in der Lage sein könnten, diesen Anteil zu
rbringen.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung:
Das Problem, das Sie ansprechen, ist von größerer Di-
ension und nicht nur auf das Fachprogramm, über das
ir hier sprechen, zu beziehen. Die Kapitalschwäche
leiner und mittelständischer Unternehmen insbesondere
n den neuen, aber auch in den alten Bundesländern ist
in Grundproblem unserer Volkswirtschaft.
Wichtig ist: Wir müssen bei den Betrieben zu höheren
igenkapitalanteilen kommen. Der Staat kann nur
dditiv finanzieren. Insbesondere ist es wichtig, neue
inanzierungsmodelle zu entwickeln. Wir sind zurzeit,
usammen mit den Kollegen aus dem Bundeswirt-
chaftsministerium, die etwas von regionaler Wirt-
chaftsförderung verstehen, sehr um neue Finanzie-
ungsmodelle bemüht. Die Grundidee ist der
usammenschluss von kleinen und mittelständischen
nternehmen zu Gemeinschaften. Auch das erleichtert
en Zugang zu privatem Kapital. Da müssen wir in Ost-
eutschland besser werden. Es gibt erste Ansätze dafür.
ch bin ganz zuversichtlich, dass das, wenn wir verstärkt
n die direkte Beratung mit den Fachhochschulen eintre-
en, ein gangbarer Weg auch für kapitalschwache Unter-
ehmen in den neuen Ländern ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Petra Pau auf:
Treffen Medienmeldungen zu, nach denen die Ämter für
die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbil-
dungsförderungsgesetz Angaben in den Anträgen von Schü-
lern und Studenten mit Daten, die beim Bundesamt für Finan-
zen gespeichert sind, abgleichen – APD vom 21. November
2004 –, und, wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage ge-
schieht dies?
13734 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Frau Kollegin Pau, diese Medienmitteilungen treffen
zu. Nach § 45 d des Einkommensteuergesetzes in Ver-
bindung mit den §§ 67 a und 69 Abs. 1 Nr. 1 Sozialge-
setzbuch konnten und können Sozialleistungsträger ei-
nen automatisierten Datenabgleich mit dem Bundesamt
für Finanzen durchführen. Der Sachverhalt ist also
nichts Neues.
Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit dieses Ab-
gleichs ist durch das 21. Gesetz zur Änderung des Bun-
desausbildungsförderungsgesetzes vom 7. Dezember
dieses Jahres zur Klarstellung jetzt zusätzlich in § 41
Abs. 4 BAföG geregelt. Die Ämter für Ausbildungsför-
derung können auf diesem Weg erfahren, ob und in wel-
cher Höhe einem BAföG-Empfänger Zinserträge zuge-
flossen sind.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Petra Pau (fraktionslos):
Herzlichen Dank. – Herr Staatssekretär, wie Sie wis-
sen, tritt das BAföG-Änderungsgesetz erst zum 1. Januar
2005 in Kraft. Insofern würde ich gern erfahren, wie
viele Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und
Studenten von diesem so genannten Vorgriff betroffen
waren und ob diejenigen, die keines Leistungsmiss-
brauchs verdächtigt oder überführt wurden, erfahren ha-
ben, dass sie überprüft wurden.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, dass
die Möglichkeit des Datenabgleichs bisher immer be-
standen hat. Es handelt sich hierbei um keinen neuen
Sachverhalt. Wir haben die Situation, dass im Jahr 2003
aufgrund des Datenabgleichs von etwa 40 525 BAföG-
Empfängern die Ausbildungsförderung zurückgefordert
wurde.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Petra Pau (fraktionslos):
Meine Frage bezog sich nicht auf die Rückforderun-
gen. Ich wollte vielmehr wissen, wie viele Menschen
von dieser Überprüfung betroffen waren – die anderen
Meldungen habe ich der Zeitung entnommen – und ob
diejenigen, welche keiner Straftat verdächtigt oder über-
führt wurden, erfahren haben, dass ihre Daten überprüft
wurden.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Die Gesetze des Deutschen Bundestages sind jedem
Bürger zugänglich. Ich gehe davon aus, dass sich je-
mand, der Leistungen des Bundes in Anspruch nimmt,
darüber informiert, zu welchen Konditionen er das tut.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lötzsch.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ch möchte dazu nachfragen: Können wir also davon
usgehen, dass eine eigentlich verbotene Jedermannkon-
rolle durchgeführt wird?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung:
Es geht nicht um eine verbotene Jedermannkontrolle,
ondern um den Sachverhalt, dass der Datenabgleich
wischen den Ämtern schon immer zulässig war. Wir ha-
en das im Dezember dieses Jahres in der letzten BA-
öG-Novelle noch einmal ganz eindeutig klargestellt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich beende den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Bildung und Forschung. Vielen Dank, Herr
taatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
es auf. Die Fragen wird Herr Staatsminister Hans
artin Bury beantworten.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Erwin Marschewski
uf:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass
das kürzlich vom polnischen Sejm beschlossene Minderhei-
tengesetz nicht dem auch von Warschau unterzeichneten Rah-
menschutzabkommen über Minderheiten des Europarates ge-
nügt, und inwieweit erkennt die Bundesregierung an, dass das
Minderheitengesetz in der vom Sejm beschlossenen Fassung
auch gegen Geist und Inhalt des Vertrages zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute
Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von
1991, zum Beispiel im Hinblick auf die Verwendung von
Deutsch als „Hilfssprache“ im Behördenverkehr – Art. 21 –,
verstößt?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Marschewski, die Bundesregierung be-
rüßt die Tatsache, dass in Polen ein Minderheitengesetz
erabschiedet werden soll. Mit In-Kraft-Treten des Ge-
etzes würde es in Polen erstmals einen allgemeinen ge-
etzlichen Rahmen zum Schutz nationaler und ethni-
cher Minderheiten geben, der bisher in zahlreichen
inzelgesetzen und Verordnungen festgeschrieben war.
ie vom polnischen Sejm am 4. November 2004 verab-
chiedete Fassung befindet sich weiterhin in der parla-
entarischen Beratung. Am 6. Dezember hat der Senat
en vorliegenden Gesetzentwurf zur erneuten Befassung
n den Sejm zurücküberwiesen und Änderungen vorge-
chlagen, die wichtige Anliegen auch der deutschen
inderheit, unter anderem die von Ihnen angesproche-
en Bestimmungen zur Hilfssprache, berücksichtigen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13735
(A) )
(B) )
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass nach
Art. 21 Abs. 2 des Nachbarschaftsvertrages zwischen
Deutschland und Polen der Gebrauch der deutschen
Sprache bei Behörden zu gewährleisten ist? So steht es
in diesem Vertrag. Etwas Ähnliches steht übrigens in
Art. 10 des Rahmenschutzabkommens über nationale
Minderheiten des Europarates. Hat die Bundesregierung
in der Vergangenheit etwas unternommen, um darauf
hinzuwirken, dass der Vertrag erfüllt wird? Und, wenn
sie – was ich leider vermute – nichts getan hat: Wird sie
in Zukunft etwas unternehmen, um die Realisierung die-
ser Bestimmung zu gewährleisten?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Marschewski, Sie haben das Rahmen-
schutzabkommen über Minderheiten angesprochen, das
Polen am 20. Dezember 2000 ratifiziert hat und das für
Polen am 1. April 2001 in Kraft getreten ist. In einer
Stellungnahme vom 27. November 2003 und zuletzt in
einer Resolution des Ministerkomitees vom 30. Septem-
ber 2004 wurde Polen im Hinblick auf die Einhaltung
seiner Verpflichtungen aus dem Rahmenschutzabkom-
men gerügt. Es wurde unter anderem gerade eine gesetz-
liche Grundlage in Bezug auf den Gebrauch der Minder-
heitensprache im Behördenverkehr sowie in Bezug auf
Ortsbezeichnungen oder andere topographische Be-
zeichnungen angemahnt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre weitere Zusatzfrage.
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):
Gibt es schon eine Reaktion der Kammern des polni-
schen Parlamentes oder von wem auch immer dahin ge-
hend, dass das, was in Art. 21 Abs. 2 steht, auch wirklich
realisiert wird?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Marschewski, wie eben dargestellt, läuft
das Gesetzgebungsverfahren noch. Der Senat hat Ände-
rungen an dem Gesetzentwurf des Sejm beschlossen,
und zwar in zwei Punkten, die gerade für die deutsche
Minderheit von besonderem Interesse sind.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Marschewski
(Recklinghausen) auf:
Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, mit der polni-
schen Seite darüber zu sprechen, dass das vom polnischen
Sejm beschlossene Minderheitengesetz deutlich hinter dem
Gesetzentwurf vom 17. März 2004 zurückbleibt, und ist die
Bundesregierung ferner bereit, mit der polnischen Seite über
Verbesserungen zum Wohle der deutschen Minderheit in Po-
len zu verhandeln?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege, die deutsche Minderheit in Polen ist im
Sejm vertreten und vertritt ihre Interessen unmittelbar.
Beide Vertreter der deutschen Minderheit im Sejm haben
im Übrigen dem Gesetzentwurf zugestimmt, den der
Sejm am 4. November 2004 verabschiedet hat. Die Bun-
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esregierung beobachtet die Diskussion um ein polni-
ches Minderheitengesetz mit großem Interesse und
erfolgt die Entwicklung der polnischen Minderheiten-
esetzgebung im Hinblick auf die Anliegen der deut-
chen Minderheit in Polen, mit der sie seit vielen Jahren
n einem engen und vertrauensvollen Dialog steht, auf-
erksam.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, das mit dem „vertrauensvollen
ialog“ will ich nicht kommentieren. Sie wissen, dass es
a viele Probleme gibt, und ich wünsche mir, dass, wenn
in Vertreter der Bundesregierung nach Ostpreußen oder
chlesien, heute Polen, fährt, er auch mit der deutschen
inderheit Kontakt aufnimmt. Aber das ist eine andere
rage.
Mir geht es jetzt insbesondere um die zweisprachigen
rtsschilder. Ihnen ist doch bekannt, dass in Art. 11 des
ahmenschutzabkommens zwar die Zustimmung einer
eträchtlichen Zahl von Angehörigen einer nationalen
inderheit als Voraussetzung für die Gewährung von
olchen Ortsschildern vorgeschrieben ist, dass es aber si-
herlich ziemlich ungewöhnlich ist, wenn in Polen
sprich: früher Ostpreußen – 50 Prozent – das wäre
ann ja schon die Mehrheit – verlangt werden. Ich hatte
estern ein Gespräch mit dem rumänischen Botschafter.
a werden 20 Prozent verlangt; das kann man sicherlich
kzeptieren. Was werden Sie tun, um dieses menschen-
echtswidrige Gesetz in diesem Punkt zu verändern?
0 Prozent der Bevölkerung müssen zustimmen, damit
rtsschilder auch in deutscher Sprache erscheinen kön-
en.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Marschewski, wie ich schon in den Ant-
orten auf Ihre vorangegangenen Fragen betont habe,
prechen wir über ein laufendes Gesetzgebungsverfah-
en. Im Sejm ist in der Tat eine Anhebung des Quorums
n Bezug auf die Verwendung von Ortsnamen in der je-
eiligen Minderheitensprache von 8 auf 50 Prozent in
as Gesetz geschrieben worden; das haben Sie in Ihrer
rage kritisch thematisiert.
Ich habe Ihnen aber bereits gesagt, dass der Senat in
wei wesentlichen Punkten Änderungen beschlossen
at. Das ist zum einen, dass in allen Gemeinden, in de-
en der Anteil der Minderheitenbevölkerung an der Ge-
amtbevölkerung mindestens 20 Prozent beträgt, von
en Gemeindeorganen neben der Amtssprache die Spra-
he der Minderheit als Hilfssprache benutzt werden
ann. Das haben Sie soeben als akzeptabel bezeichnet.
Zum anderen kann eine zweisprachige Bezeichnung
er Orts- und Straßennamen dann erfolgen, wenn in der
etreffenden Gemeinde mehr als 20 Prozent der Bevöl-
erung der Minderheit angehören oder wenn sich mehr
ls die Hälfte der Bewohner einer Ortschaft dafür aus-
pricht.
13736 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Staatsminister Hans Martin Bury
Diese Änderungen hat der Senat beschlossen. Der Ge-
setzentwurf liegt jetzt wieder beim Sejm. Es bleibt abzu-
warten, wie sich der Sejm zu diesen Änderungsbeschlüs-
sen des Senats verhält.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass es sinnvoll
wäre, nicht nur zu warten – das tun Sie ohnehin oft, mei-
nes Erachtens zu oft –, sondern auch mit unseren polni-
schen Freunden ganz im Sinne des Nachbarschaftsver-
trages zu sprechen, damit diese 20-Prozent-Regelung,
die in Ordnung wäre, Realität wird?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Marschewski, wir reden intensiv, kontinuier-
lich und vertrauensvoll mit unseren polnischen Freun-
den. Ich hatte Sie im Übrigen darauf hingewiesen, dass
die deutsche Minderheit selbst im Sejm vertreten ist und
ihre Interessen dort unmittelbar wahrnimmt. Insofern
glaube ich, dass die Sache in guten Händen ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Albert Rupprecht
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 11 des Kollegen Dr. Andreas
Schockenhoff auf:
Hat die Bundesregierung Anstrengungen unternommen,
um auf europäischer Ebene Zustimmung und Teilnehmer für
eine Mission im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, ESVP, zur Unterstützung der Überwa-
chungsmission AMIS der Afrikanischen Union, AU, in Dar-
fur/Sudan zu gewinnen, und, wenn ja, welche?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Schockenhoff, im Rahmen der Opera-
tion AMIS überwacht die Afrikanische Union das Waf-
fenstillstandsabkommen vom April 2004 in Darfur mit
militärischen Beobachtern. Die EU hat beschlossen,
diese Operation der Afrikanischen Union zu unterstüt-
zen. Ziel ist es, zum Erfolg der Mission der Afrikani-
schen Union beizutragen, ohne die Bemühungen der
AU, die zurzeit analog zur EU eine Strategie koopera-
tiver kollektiver Sicherheit entwickelt, zu dominieren.
Dazu bedarf es einer europäisch-afrikanischen Koopera-
tion, allerdings keiner ESVP-Mission.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Der Hohe Beauftragte für die Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik hat eine solche ESVP-Mission an-
geregt. Hat die Bundesregierung davon Kenntnis?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Schockenhoff, nach meiner Kenntnis ist
die Durchführung einer militärischen ESVP-Operation
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n Darfur aus den soeben genannten Gründen nicht in
en zuständigen Gremien in Brüssel diskutiert worden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, Kollege Hoyer hat auf den Vor-
ang hingewiesen, dass es zwischen dem Staatsminister
es Sudan und dem deutschen Botschafter in Khartoum
u einem heftigen Wortwechsel gekommen ist. Die Bun-
esregierung hat gesagt, der Botschafter sei nicht einbe-
tellt worden, sondern er habe dieses Gespräch auf eige-
es Ersuchen geführt. War dieses Ersuchen mit den
ollegen aus anderen EU-Staaten abgestimmt und hätte
s hier die Möglichkeit gegeben, als EU tätig zu werden?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Schockenhoff, auch ich verfüge über die In-
ormation, dass der Botschafter nicht einbestellt worden
st. Aber zu den näheren Umständen des Gesprächs und
iner möglichen Abstimmung mit anderen Partnern kann
ch Ihnen keine Auskunft geben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Fischer, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass die der-
eitige Beobachtermission von der Regierung in Khar-
oum nicht unterstützt wird, was sich zum Beispiel darin
eigt, dass für die Helikopter der Monitoren kein Treib-
toff zur Verfügung gestellt wird? Glauben Sie, dass Sie
as mithilfe von AMIS ändern können?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Dass wir was durch AMIS ändern können?
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Ich meine Folgendes: Können Sie dadurch die derzei-
ige Situation ändern, die darin besteht, dass zum Bei-
piel die von der Afrikanischen Union eingesetzten Mo-
itoren, die sich dort seit etwa einem halben Jahr
efinden, von der Regierung in Khartoum kaum bzw.
eitweise überhaupt nicht mit Treibstoff versorgt wer-
en, sodass keine Überwachung durchgeführt und der
uftrag der Monitoren nicht erfüllt werden kann?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Unser Ziel, Herr Kollege Fischer, ist die Unterstüt-
ung dieser Überwachungsmission, um sie effektiv zu
estalten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, welche Konsequenzen ergeben
ich aus der Sicht der Bundesregierung für die deutschen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13737
(A) )
(B) )
Peter Weiß (Emmendingen)
Streitkräfte, die zur Unterstützung der AMIS-Mission
entsandt worden sind, aus der Aussage der sudanesi-
schen Regierung, es bestünden keine Einwände gegen
die deutsche Hilfe für den Lufttransport nach Darfur, so-
lange die deutschen Truppen keine Basis im Sudan er-
richten und am Ort bleiben?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Worin besteht Ihre Frage?
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich aus
der Sicht der Bundesregierung für den Einsatz deutscher
Soldaten im Rahmen der AMIS-Mission angesichts der
Tatsache, dass die sudanesische Regierung erklärt hat,
man habe gegen einen deutschen Einsatz keine Beden-
ken, solange im Land selbst keine entsprechende Basis
errichtet werde?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Derzeit besteht der deutsche Beitrag in der Zurverfü-
gungstellung von Kapazitäten für den Lufttransport
gambischer Soldaten. Insofern sehe ich keinen Zusam-
menhang zu der Äußerung, die Sie zitiert haben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Hartwig Fischer
auf:
Hat der Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner Reise
nach China die Haltung der chinesischen Regierung im UN-
Sicherheitsrat zum Thema Sudan angesprochen und, falls ja,
zu welchen Ergebnissen kommt die Bundesregierung nach
diesen Gesprächen?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Fischer, das Thema war nicht Gegen-
stand dieser Gespräche. Die Bundesregierung setzt sich
jedoch sowohl bilateral als auch im VN- und EU-Rah-
men intensiv für eine Lösung des Darfurkonflikts ein.
Sowohl der VN-Sicherheitsrat als auch der Rat für Allge-
meine Angelegenheiten und Außenbeziehungen der EU
haben der sudanesischen Regierung – auch auf Initiative
der Bundesregierung – wiederholt Sanktionen angedroht.
Die Bundesregierung hat sich immer wieder gezielt dafür
eingesetzt, dass der Druck auf alle Konfliktparteien auf-
rechterhalten bzw. erhöht wird. Auch die Rebellen in
Darfur tragen für die Verschlechterung der Sicherheits-
lage in den letzten Wochen eine erhebliche Mitverant-
wortung. Die Bundesregierung wird fortfahren, im EU-
und VN-Rahmen für ihre Linie Überzeugungsarbeit zu
leisten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, die Delegation des Bundestages
hat erlebt, dass dort täglich Tausende von Kindern und
Frauen sterben. Halten Sie es vor diesem Hintergrund
für gerechtfertigt, dass der Kanzler bei einer solchen
Reise, auf der er die Chance hat, direkt mit dem chinesi-
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chen Staatsoberhaupt zu sprechen, dieses Thema nicht
ur Sprache bringt? Das Sterben wird auch in den nächs-
en Wochen und Monaten weitergehen. Außerdem ist
ns berichtet worden, dass sich die Mitarbeiter des
orld-Food-Programms vor 14 Tagen wegen der Si-
herheitslage aus Teilen Darfurs zurückziehen mussten.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Fischer, ich denke, wir sollten nicht den
indruck erwecken, als ob ausgerechnet die Bundesre-
ierung sich hier nicht mit Nachdruck engagieren würde.
s war die Bundesregierung, die den Darfurkonflikt am
weiten Tag ihrer Sicherheitsratspräsidentschaft im
pril auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates gesetzt
at. Seitdem haben wir immer wieder im Rahmen der
ereinten Nationen und im Rahmen der Europäischen
nion darauf gedrängt, den Druck zu erhöhen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Können Sie mir trotzdem erklären, warum das in ei-
em bilateralen Gespräch nicht angesprochen wird?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Fischer, wie gesagt, wir thematisieren dieses
roblem im Rahmen der Vereinten Nationen, wo es vo-
angebracht werden kann, und im Rahmen der EU. Man
ollte jetzt nicht aus der Nichtthematisierung in einzel-
en Gesprächen den unzulässigen Schluss ziehen, dass
as Thema von der Bundesregierung nicht mit dem nöti-
en Nachdruck verfolgt würde.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Weiß, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, welche Aktivitäten wird die Bun-
esregierung entfalten, um im Vorfeld der Sitzungen der
N-Menschenrechtskommission vom 14. März bis
2. April kommenden Jahres in Genf darauf hinzuwir-
en, dass es dort zur Verabschiedung einer Resolution
ur Lage im Sudan kommt?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Weiß, es gibt eine ganze Reihe von
chritten. Das beginnt mit unserer Mitwirkung an den
icherheitsratsresolutionen 1556, 1564 und 1574, in de-
en es darum ging, den Druck auf den Sudan aufrechtzu-
rhalten bzw. zu erhöhen. Auf Initiative des Bundesau-
enministers ist vom Sicherheitsrat die Einsetzung einer
nternationalen Kommission beschlossen worden, die
ntersuchen soll, ob in Darfur ein Völkermord geschieht
der geschah, und die Verantwortlichen benennen soll.
ie Bundesregierung betrachtet den von der Kommis-
ion zu erstellenden Bericht, dessen Veröffentlichung
um Jahresende bevorsteht, als wichtige Grundlage für
ögliche weitere Schritte. Der in Darfur immer noch
errschende Zustand der Straflosigkeit muss beendet
13738 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Staatsminister Hans Martin Bury
werden. Des Weiteren setzt sich die Bundesregierung für
eine Ausweitung des bestehenden VN-Waffenembargos
auf die sudanesische Regierung sowie, auf EU-Ebene,
für die Verhängung von Einreiseverboten und für das
Einfrieren von Guthaben von Verantwortlichen ein.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Hartwig Fischer
auf:
Rechnet die Bundesregierung damit, dass das Bundes-
wehrunterstützungsmandat im Sudan nach dem Ablauf von
sechs Monaten verlängert wird, und will sich die Bundesre-
gierung dafür einsetzen, dass das Mandat nach dem Ablauf in
eine ESVP-Mission umgewandelt wird?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Fischer, eine definitive Aussage über
eine Verlängerung des Bundeswehrunterstützungsman-
dats ist derzeit nicht möglich. Für diese Frage wird der
weitere Verlauf des Darfurkonflikts entscheidend sein.
Es bleibt aber festzuhalten, dass die Afrikanische Union
den Darfurkonflikt als einen Testfall für eigene Konflikt-
lösungsfähigkeiten ansieht und dass die Bundesregie-
rung diesen Ansatz einer African Ownership nachdrück-
lich unterstützt. Deutschland unterstützt die AU-
Operation mit dem Ziel, die Eigenverantwortlichkeit der
Afrikanischen Union zu stärken.
Die mit der AU abgestimmte Unterstützung von
AMIS unterhalb der Schwelle einer eigenständigen
ESVP-Operation wird diesen Überlegungen derzeit am
ehesten gerecht. Die militärischen Beiträge der einzel-
nen EU-Mitgliedstaaten zur Unterstützung werden über
den EU-Militärstab in Brüssel koordiniert.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob sich die Regie-
rung in Khartoum nach dem Beschluss des Bundestages
zu AMIS kooperationsbereiter zeigt und ob sie jetzt be-
reit ist, die Vereinbarungen einzuhalten, die sie zwar in
den Gesprächen mit Colin Powell und Kofi Annan ge-
troffen, aber sämtlich gebrochen hat?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Fischer, ich habe in den vorangegangenen
Antworten bereits deutlich gemacht, dass es angesichts
des Verhaltens der Konfliktparteien weiterhin darauf an-
kommen wird, den Druck nicht nur aufrechtzuerhalten,
sondern weiter zu erhöhen, um Fortschritte zu erzielen.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Ich hatte speziell nach der Regierung in Khartoum ge-
fragt.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Fischer, die Verantwortung für die Lö-
sung liegt bei allen Konfliktparteien, also selbstverständ-
lich auch bei der Regierung.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Markus Löning
uf:
Liegt inzwischen ein weiterentwickelter verbindlicher EU-
Verhaltenskodex vor dem Hintergrund vor, dass der Deutsche
Bundestag am 28. Oktober 2004 den von den Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten An-
trag „EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik
China“ auf Bundestagsdrucksache 15/4035 beschlossen hat,
in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „bis zum Vor-
liegen einer anderen verbindlichen Regelung der EU – etwa in
Form eines weiterentwickelten verbindlichen EU-Verhaltens-
kodex – an dem EU-Waffenembargo mit der Volksrepublik
China festzuhalten“?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Löning, die Diskussion in der EU zur
tärkung des Verhaltenskodex ist weit fortgeschritten,
ber noch nicht finalisiert.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ist das ein
Witz oder eine Antwort?)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Markus Löning (FDP):
Herr Staatsminister, mich würde sehr interessieren,
ie weit fortgeschritten sie ist, wie sich die einzelnen
artner verhalten und wie genau der Stand der Verhand-
ungen ist.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Sehr gern. Herr Kollege Löning, in der zuständigen
rbeitsgruppe des Rates hat man sich bereits weitgehend
uf die Stärkung des Verhaltenskodex für Waffenexporte
eeinigt. Nach der Einigung auf Arbeitsebene müssen
as Politische und Sicherheitspolitische Komitee sowie
er Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbe-
iehungen abschließend damit befasst werden.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sehr gut!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Eine weitere Zusatzfrage.
Markus Löning (FDP):
„Weit fortgeschritten“ heißt ja nicht, dass die Ver-
andlungen abgeschlossen sind. Herr Staatsminister, ich
rage Sie, wie die Bundesregierung dazu steht, dass der
undestag einen eindeutigen Beschluss gefasst hat und
er Bundeskanzler trotzdem erklärt, er werde sich für die
ufhebung des Waffenembargos einsetzen.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Löning, ich habe deutlich gemacht, dass
iese Verhandlungen sehr weit fortgeschritten sind, so-
ass damit zu rechnen ist, dass in naher Zukunft ein er-
olgreicher Abschluss möglich ist. Im Einklang mit dem,
as die Europäische Union beim EU-China-Gipfel
üngst erklärt hat, hat sich der Bundeskanzler für die
ortsetzung der Arbeit im Hinblick auf die Aufhebung
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13739
(A) )
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Staatsminister Hans Martin Bury
des Waffenembargos eingesetzt. In diesem Zusammen-
hang wird der weiterentwickelte Verhaltenskodex selbst-
verständlich eine wichtige Rolle spielen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Markus Löning
auf:
Gibt es in der Volksrepublik China die vom Deutschen
Bundestag in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2004 zu
dem von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen eingebrachten Antrag „EU-Waffenembargo gegen-
über der Volksrepublik China“ auf Bundestagsdrucksache
15/4035 verlangten Fortschritte bei „der raschen Ratifizierung
und Umsetzung des VN-Paktes über politische und bürgerli-
che Rechte, der weiteren Umsetzung der jüngsten Verfas-
sungsänderungen im Bereich der Menschenrechte und des
Privateigentums“ sowie „einer Stärkung substanzieller Auto-
nomierechte für ethnische Minderheiten“ vor dem Hinter-
grund, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung in
dem Beschluss vom 28. Oktober 2004 auffordert, eine Aufhe-
bung des EU-Waffenembargos bei diesen Fortschritten in Be-
tracht zu ziehen?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Löning, das EU-Waffenembargo gegen
die Volksrepublik China wurde 1989 in einem spezifisch
historischen Kontext verhängt. In den letzten 15 Jahren
hat sich China jedoch politisch, wirtschaftlich und sozial
weiterentwickelt. Der Freiraum für das Individuum hat
sich vergrößert, die chinesische Wirtschaft hat sich dem
Weltmarkt geöffnet und mit dem WTO-Beitritt wurden
einschlägige Standards übernommen.
Es gibt in China allerdings weiterhin Besorgnis erre-
gende Defizite bei der vollen Achtung der Menschen-
rechte. Der Bundeskanzler hat in seinen Gesprächen mit
der chinesischen Führung die Hoffnung geäußert, dass
die eingeleitete Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in
China voranschreitet. Deutschland leistet mit dem breit
angelegten Rechtsstaatsdialog einen konstruktiven Bei-
trag zu diesem Prozess und ist auch daran interessiert,
die Zivilgesellschaft stärker in den Dialog zwischen bei-
den Ländern einzubeziehen. Derzeit gibt es Überlegun-
gen darüber, in welcher Dialogform dies geschehen
kann.
Der Bundeskanzler hat gegenüber seinen chinesi-
schen Gesprächspartnern auch deutlich gemacht, dass
die Bundesregierung die baldige Ratifizierung des inter-
nationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte
begrüßen würde.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Markus Löning (FDP):
Herr Staatsminister, der Deutsche Bundestag hatte in
seinem Beschluss eine eventuelle Aufhebung des Waffen-
embargos von einem positiven Abschluss und nicht von
Gesprächen abhängig gemacht. Sie haben über die Um-
setzung des VN-Paktes geredet, daher frage ich Sie noch
einmal explizit: Wo sieht die Bundesregierung seit dem
Beschluss des Bundestages Fortschritte im Bereich der
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enschenrechte, in Bezug auf das Privateigentum oder
uch bei einer substanziellen Stärkung der Autono-
ierechte der Minderheiten in China?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Löning, ich hatte Ihnen eben umfassend dar-
estellt, dass wir über den Zeitraum der letzten 15 Jahre
n einem großen Bereich eine insgesamt positive Ent-
icklung feststellen. Dass es dennoch bis heute gravie-
ende Defizite gibt, ist nicht zu bestreiten. Allerdings ist
m Zusammenhang mit der Arbeit der Europäischen
nion an der Aufhebung des Waffenembargos immer
eutlich gemacht worden, dass dabei nicht zuletzt der
on Ihnen in der Eingangsfrage angesprochene Verhal-
enskodex, der weiterentwickelt werden soll, eine wich-
ige Rolle spielt. Dieser umfasst Kriterien wie die Ach-
ung der Menschenrechte, die interne Lage, das
erhältnis zu Nachbarn und noch weitere Punkte.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Löning.
Markus Löning (FDP):
Ich möchte doch noch einmal nachfragen, Herr
taatsminister. Sie sagen selbst, es gibt weiterhin gravie-
ende Defizite bei der Einhaltung der Menschenrechte.
ch frage Sie: Warum fühlen sich die Bundesregierung
der der Bundeskanzler offensichtlich unter Druck, das
hema Aufhebung des Waffenembargos überhaupt zur
prache zu bringen, solange es die auch aus Ihrer Sicht
ravierenden Defizite gibt?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Löning, weder die Bundesregierung
och der Bundeskanzler fühlen sich unter Druck. Die
undesregierung ist wie alle Regierungen der Europäi-
chen Union entschlossen, weiterhin für eine Aufhebung
es Waffenembargos zu arbeiten. Der Rat wird hierüber
uf der Grundlage von Fortschritten in den anderen Be-
eichen der Beziehungen zwischen der EU und China
ntscheiden. Ziel einer solchen Entscheidung wäre im
brigen nicht eine Steigerung von Waffenexporten der
U-Mitgliedstaaten nach China. Ich glaube aber, die
ufhebung des Embargos wäre ein wichtiges Signal der
nerkennung der Fortschritte Chinas und der Unterstüt-
ung eines positiven Trends.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Burgbacher auf:
Wird die Bundesregierung sich vor dem Hintergrund
– vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom
9. Dezember 2004, Seite 6 –, dass der niederländische EU-
Ratsvorsitzende, Jan Peter Balkenende, in der vergangenen
Woche die im Kommuniqué zum EU-China-Gipfeltreffen
ausgesprochene Bereitschaft der EU, „weiterhin für eine Auf-
hebung des Waffenembargos“ – gegenüber der Volksrepublik
China – „zu arbeiten“, eingeschränkt und erklärt hat, es gebe
„keine Garantie“ dafür, dass dies in nächster Zeit geschehen
werde, trotzdem weiter dafür einsetzen, dass das Embargo
möglichst schnell aufgehoben wird?
13740 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Burgbacher, die Bundesregierung be-
grüßt die Ergebnisse des EU-China-Gipfels vom
8. Dezember. Sie teilt mit ihren EU-Partnern den politi-
schen Willen, weiterhin für eine Aufhebung des Waffen-
embargos zu arbeiten. Dieser politische Wille wurde am
Montag im Kreis der Außenminister nochmals nach-
drücklich bestätigt. Der Rat wird über die Aufhebung
des Waffenembargos auf der Grundlage von Fortschrit-
ten in den anderen Bereichen der Beziehungen zwischen
der EU und China entscheiden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Ernst Burgbacher (FDP):
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden,
dass dieses Thema nun doch auf die Tagesordnung des
Rates gesetzt werden soll?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Es ist richtig, dass die niederländische Präsident-
schaft, Herr Kollege Burgbacher, einen Entwurf für die
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates angefertigt
hat, der auch Passagen zum Thema Aufhebung des EU-
Waffenembargos enthält.
(Zuruf von der FDP: Jetzt am Freitag?)
– Ja.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ernst Burgbacher (FDP):
Herr Staatsminister, können Sie mir bitte bestätigen,
dass dieses Thema für die Sitzung am Freitag bisher
nicht vorgesehen war und neu auf die Tagesordnung ge-
setzt wurde?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Burgbacher, richtig ist, dass der Entwurf
von Schlussfolgerungen für Europäische Räte immer ein
Prozess ist, der sich über einen längeren Zeitraum er-
streckt.
Der Entwurf der Schlussfolgerungen für den bevor-
stehenden Europäischen Rat würde – wie dies üb-
licherweise geschieht – bei der dem Europäischen Rat
vorhergehenden Sitzung des Allgemeinen Rates, die am
vergangenen Montag stattgefunden hat, beraten. Im Rah-
men dieser Beratungen ist von der niederländischen Prä-
sidentschaft ein Entwurf vorgelegt worden, der noch
nicht abschließend diskutiert und konsentiert ist, aber
durchaus breite Unterstützung erfahren hat.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Burgbacher auf:
Wird die Bundesregierung die von Bundeskanzler Gerhard
Schröder auf seiner jüngsten Chinareise gegenüber Peking
wiederholte Zusage, sich für eine Aufhebung des EU-Waffen-
embargos einzusetzen, einhalten und das Thema beim Euro-
päischen Rat am 16./17. Dezember 2004 ansprechen, obwohl
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die niederländische Präsidentschaft das Waffenembargo bis-
her nicht auf die Tagesordnung des Rates gesetzt hat und der
Entwurf der Schlussfolgerungen dazu keine Aussagen ent-
hält?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Burgbacher, diese Frage habe ich Ihnen
ben beantwortet, nämlich dass die Präsidentschaft
nzwischen einen Entwurf für Schlussfolgerungen des
uropäischen Rates zur weiteren Arbeit mit dem Ziel der
ufhebung des Waffenembargos vorgelegt hat. Das
hema wird also vom Europäischen Rat beraten werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen.
Ernst Burgbacher (FDP):
Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, dass sich
isher mehrere Länder, unter anderem die Niederlande
nd Großbritannien – ich weiß, dass es noch andere Län-
er waren –, dagegen gewehrt haben? Wir haben in der
rage 16 die niederländische Seite zitiert.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Die niederländische Präsidentschaft, Herr Kollege
urgbacher, hat den Vorschlag, den ich eben erwähnt
abe, unterbreitet. Sie hat sich beim EU-China-Gipfel
indeutig zu der gemeinsamen Arbeit mit dem Ziel der
ufhebung des Waffenembargos bekannt.
Ernst Burgbacher (FDP):
Können Sie mir sagen, Herr Staatsminister, welche
ittel die Bundesregierung eingesetzt hat, um die nie-
erländische Präsidentschaft dazu zu bewegen? Schließ-
ich hat sich diese noch vor kurzem ganz anders geäu-
ert.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Burgbacher, wie eben dargestellt, wer-
en solche Schlussfolgerungen und Vorbereitungen des
uropäischen Rates im Kreise der Mitgliedstaaten disku-
iert. Die Mittel, die die Mitgliedstaaten dort üblicher-
eise einsetzen, sind Argumente.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Helga Daub auf:
Welche Waffensysteme könnten nach einer eventuellen
Aufhebung des EU-Waffenembargos aus Deutschland oder
den EU-Staaten konkret nach China exportiert werden?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Frau Kollegin Daub, im Falle einer Aufhebung des
affenembargos gegen China würde Deutschland even-
uelle Ausfuhrgenehmigungsanträge für Rüstungsgüter
uf der Grundlage seiner politischen Grundsätze für
üstungsexporte prüfen. Eine Änderung der restriktiven
üstungsexportpolitik der Bundesregierung ist nicht be-
bsichtigt. Auch für die anderen EU-Mitgliedstaaten ist
as Ziel einer Aufhebung des Embargos nicht die Steige-
ung von Rüstungsexporten.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sehr gut!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13741
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(B) )
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Helga Daub (FDP):
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregie-
rung Befürchtungen – sie kommen vor allen Dingen aus
den USA, aber auch von Experten für Sicherheits-
politik –, dass Lieferungen von sensiblen Waffensyste-
men und von sensibler Waffentechnologie dann wahr-
scheinlicher würden und diese das Gleichgewicht in
Asien beeinträchtigen und den Aufstieg Chinas zur mili-
tärischen Weltmacht beschleunigen könnten?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Frau Kollegin Daub, wie eben in meiner Antwort aus-
geführt, ist das Ziel der EU-Mitgliedstaaten nicht eine
Steigerung von Rüstungsexporten. Es ist nicht nur so,
dass in Deutschland weiterhin die restriktive Rüstungs-
exportkontrollpolitik gilt; wir setzen uns vielmehr auf
europäischer Ebene für eine Weiterentwicklung und eine
Stärkung des Verhaltenskodexes ein, um solchen Be-
fürchtungen, die Sie angesprochen haben, zu begegnen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Helga Daub (FDP):
Wie beurteilt die Bundesregierung Befürchtungen der
demokratischen Republik Taiwan, dass Taiwan durch
europäische Waffenlieferungen an China stärker bedroht
würde und die Spannungen in der Straße von Taiwan zu-
nehmen könnten?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Frau Kollegin Daub, um es noch einmal klipp und
klar zu sagen: Das Ziel ist nicht, Waffen nach China zu
liefern und Spannungen zu verschärfen. Es gilt auch in
Zukunft das restriktive Rüstungsexportkontrollregime.
Das sieht, wie Sie wissen, Einschränkungen von Waffen-
lieferungen in Spannungsgebiete vor.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Helga Daub auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch nach
einer eventuellen Aufhebung faktisch aufgrund nationaler
Exportbeschränkungen weder aus Deutschland noch aus an-
deren EU-Ländern mehr Waffen nach China geliefert werden
könnten und es eher um ein „Signal“ gegenüber der chinesi-
schen Führung gehe, und, wenn ja, was will die Bundesregie-
rung der chinesischen Führung mit einer Aufhebung des EU-
Waffenembargos signalisieren?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Frau Kollegin Daub, die EU und China haben eine
strategische Partnerschaft vereinbart. Die Bundesregie-
rung teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung von
Bundesminister a. D. Hans-Dietrich Genscher, dass sich
China in den letzten Jahren zu einem Faktor der globalen
Stabilität entwickelt hat und diese Rolle mit – ich zitie-
re – „Verantwortung und Augenmaß“ ausfüllt. Die Auf-
hebung des Waffenembargos wäre aus Sicht der Bundes-
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egierung ein Signal der Anerkennung an China und der
inladung zu einer breit angelegten internationalen Zu-
ammenarbeit.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Helga Daub (FDP):
Teilt die Bundesregierung – Sie sprachen gerade von
ignalen – die Befürchtung, dass ein solches Signal für
egimekritiker, verfolgte oder inhaftierte Opposi-
ionelle, ethnische oder religiöse Minderheiten oder zum
eispiel für die für kulturelle Autonomie kämpfenden
ibetaner ein Schlag ins Gesicht wäre, deren Position
egenüber China verschlechtern und diese Personen-
ruppen entmutigen könnte?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Nein.
(Helga Daub [FDP]: Na ja!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Helga Daub (FDP):
Nein.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Dann rufe ich die Frage 20 des Kollegen Harald
eibrecht auf:
Gibt es vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Bundes-
tag am 28. Oktober 2004 den von den Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Antrag „EU-
Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China“ – Bun-
destagsdrucksache 15/4035 – beschlossen hat, in dem die
Bundesregierung aufgefordert wird, für eine eventuelle Auf-
hebung des Waffenembargos als entscheidungsrelevanten
Aspekt die „friedliche Streitbeilegung mit Taiwan“ in Be-
tracht zu ziehen, Anzeichen dafür, dass die Spannungen an der
Taiwanstraße und vor allem die chinesischen Drohgebärden
inzwischen reduziert oder gar eingestellt wurden?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Leibrecht, die Bundesregierung hat so-
ohl die Volksrepublik China als auch Taiwan wieder-
olt dazu aufgefordert, alle Schritte zu unterlassen, die
uf eine Verschärfung der Spannungen in der Straße von
aiwan gerichtet sind. Die friedliche und einvernehmli-
he Regelung des Taiwankonflikts ist für die Bundesre-
ierung von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung
er politischen Stabilität in Ostasien. Sie geht davon aus,
ass das jüngste Wahlergebnis bei den Parlamentswah-
en in Taiwan dazu beitragen wird, die Lage zu entspan-
en.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Zusatzfragen, bitte.
Harald Leibrecht (FDP):
Herr Staatsminister, da jedoch die Spannungen wei-
erhin bestehen und es in der Straße von Taiwan eine
13742 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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Harald Leibrecht
explosive Situation zwischen China und Taiwan gibt,
verstehe ich nicht – das möchte ich von Ihnen beantwor-
tet haben –, weshalb der Bundeskanzler trotzdem auf ei-
ner Aufhebung des EU-Waffenembargos besteht.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Leibrecht, ich habe diese Frage soeben Ihrer
Kollegin Daub, Ihrem Kollegen Löning und in Teilas-
pekten auch Ihrem Kollegen Burgbacher beantwortet.
Sie dürfen die Aufhebung des Waffenembargos als ein
Signal nicht mit einer Entscheidung für die Lieferung
von Waffen in dieses Gebiet verwechseln.
Ich habe bereits deutlich gemacht, dass die Bundesre-
gierung nicht das Ziel hat, die Waffenexporte aus
Deutschland in die Volksrepublik China zu steigern, und
dass wir dieses Ziel auch auf europäischer Ebene nicht
verfolgen; vielmehr wollen wir auch auf europäischer
Ebene durch die Weiterentwicklung und Stärkung des
entsprechenden Verhaltenskodexes dazu beitragen, Kri-
terien wie die Einhaltung der Menschenrechte, die in-
nere Lage und die Stabilität und Sicherheit von befreun-
deten und alliierten Staaten entsprechend zu
berücksichtigen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kol-
lege.
Harald Leibrecht (FDP):
Die Aufhebung eines Waffenembargos könnte aber zu
dem Resultat führen, dass europäische und vielleicht
auch deutsche Waffen nach China exportiert werden.
Sind Sie der Meinung, dass zum Beispiel europäische
Waffen zur Stabilisierung in der Region der Straße von
Taiwan beitragen würden?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Leibrecht, Sie konstruieren eine Situa-
tion, zu der ich eben ausgeführt habe, dass sie weder das
Ziel noch die Folge deutscher Rüstungsexportkontroll-
politik ist. Insofern stellt sich die Frage in dieser Form
nicht. Das restriktive Rüstungsexportkontrollregime der
Bundesrepublik Deutschland gilt auch weiterhin. Inso-
fern werden wir keine Waffen in Spannungsgebiete lie-
fern.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Leibrecht auf:
Fühlt die Bundesregierung sich an konkrete Beschlüsse
des Deutschen Bundestages zu außenpolitischen Fragen ge-
bunden oder sieht sie diese als bloße, für die Bundesregierung
nicht verbindliche Meinungsäußerungen der gewählten Volks-
vertreter an?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Leibrecht, auch der Bundestag fordert
von der Bundesregierung eine aktive Teilnahme an der
laufenden Überprüfung des Embargos und konzediert
eine Aufhebung bei Fortschritten in den genannten Be-
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eichen. Im Übrigen hat der Bundeskanzler bei seinem
esuch in China nicht nur seine Unterstützung für die
ufhebung des EU-Waffenembargos gegen China be-
undet, sondern in Anwesenheit von Kolleginnen und
ollegen aller Fraktionen auch seinen Respekt für die in
er von Ihnen genannten Bundestagsentschließung – der
ie FDP übrigens nicht zugestimmt hat – zum Ausdruck
ommenden Position betont.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Harald Leibrecht (FDP):
Herr Staatsminister, geht von der Tatsache, dass der
undestagsbeschluss vom 28. Oktober 2004 auf einem
on den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
rünen formulierten Antrag beruht, eine besondere Bin-
ungswirkung für die Bundesregierung aus, die ja von
iesen Fraktionen getragen wird?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Leibrecht, selbstverständlich nimmt die
undesregierung Entschließungen, die der Deutsche
undestag mit Mehrheit verabschiedet, mit Respekt und
nteresse zur Kenntnis
(Lachen bei der FDP)
nd sie fließen in die Meinungsbildung der Bundesregie-
ung ein. Aber jedes Verfassungsorgan hat selbstver-
tändlich in eigener Verantwortung zu handeln.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Harald Leibrecht (FDP):
Herr Staatsminister Bury, hat Bundeskanzler
chröder die Auffassung der Koalitionsfraktionen SPD
nd Bündnis 90/Die Grünen in seine Meinungsbildung
ezüglich des Embargos einbezogen und diese gewür-
igt und berücksichtigt?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Leibrecht, die Auffassung des Bundes-
anzlers ist nicht neu. Sie ist den Mitgliedern der Koali-
ionsfraktionen seit langem bekannt und war seinerzeit
ei der Beratung des Entschließungsantrags Gegenstand
er Diskussion. Der Bundeskanzler hat, wie ich soeben
usgeführt habe, auch bei seinen Gesprächen in China
usdrücklich und mit Respekt darauf hingewiesen, dass
s im Deutschen Bundestag – auch in den die Regierung
ragenden Fraktionen – andere Auffassungen zu diesem
hema gibt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Dr. Guido
esterwelle auf:
Teilt der Bundesminister des Auswärtigen Joseph Fischer
die Auffassung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, dass
das EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China
aufgehoben werden soll?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13743
(A) )
(B) )
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Westerwelle, Bundeskanzler Schröder
und Bundesminister Fischer sind entschlossen, die Be-
mühungen um die Aufhebung des Waffenembargos im
EU-Rahmen fortzusetzen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Staatsminister, Sie haben davon gesprochen,
dass die Bundesregierung die Beschlussfassung des
Deutschen Bundestages mit Respekt und Interesse zur
Kenntnis nimmt. Ist Ihnen bekannt, dass nach unserer
Verfassung, dem Grundgesetz, die Bundesregierung die
so genannte ausführende Gewalt ist? Teilen Sie meine
Auffassung, dass eine Mehrheitsentscheidung des Deut-
schen Bundestages gerade auch in Fragen der Außen-
politik von der Bundesregierung nicht nur zur Kenntnis
genommen, sondern auch umgesetzt werden sollte?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Westerwelle, ich hatte ergänzend darauf
hingewiesen, dass sie selbstverständlich in die Mei-
nungsbildung der Bundesregierung einfließt. Aber wir
beide wissen als Parlamentarier um den Charakter von
Entschließungen des Deutschen Bundestages im Unter-
schied etwa zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bun-
destages. Manchmal wird deshalb bewusst aus dem Par-
lament heraus dieser Weg gewählt. Es handelt sich dabei
um unterschiedliche Grade von Verbindlichkeit. Wenn
Sie rechtlich bzw. verfassungsrechtlich argumentieren,
dann wissen Sie als Rechtsanwalt sehr gut, dass es hier
keine rechtliche Bindungswirkung gibt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Westerwelle.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Heißt das, Sie sind der Auffassung, dass der Be-
schluss des Deutschen Bundestages keine Bindungswir-
kung für die Regierung hat?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Das heißt, dass ich der Auffassung bin, die ich Ihnen
eben erläutert habe, Herr Kollege Westerwelle.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dann haben
wir das für das Protokoll festgehalten! Das ist
ein anderes Verfassungsverständnis!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Dr. Guido
Westerwelle auf:
Wie ist die Tatsache, dass die Bundesregierung in ihrem
letzten, vom Auswärtigen Amt zu verantwortenden Men-
schenrechtsbericht vom 6. Juni 2002 – Bundestagsdrucksache
14/9323 – gegenüber der Volksrepublik China scharfe Kritik
äußert an der „in allen politisch wichtigen Fragen zentral und
straff gelenkten Presse“, an Verurteilungen „ohne faire Ge-
richtsverfahren zu unverhältnismäßig langen Freiheitsstra-
fen“, an „besonderer Härte“ gegenüber separatistischen Be-
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wegungen, an der „intensiven Verfolgung“ von und an
„Repressalien“ gegenüber religiösen Gruppen, an der „nach
wie vor häufigen“ Verhängung der Todesstrafe, die „sogar
noch zugenommen“ habe, in Einzelfällen „nach Prozessen,
die rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht genügen“, sowie an
der „Unterdrückung der tibetischen Kultur“ zu vereinbaren
mit der Tatsache, dass sich die Bundesregierung quasi zum
europäischen Vorreiter für eine Aufhebung des EU-Waffen-
embargos gegenüber China gemacht hat?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Kollege Westerwelle, Sie beziehen sich in Ihrer
rage zu Recht auf den Menschenrechtsbericht der Bun-
esregierung, in dem Menschenrechtsdefizite in der
olksrepublik China offen benannt werden. Diese zum
eil anhaltenden Defizite sind uns allen bewusst und
leiben besorgniserregend. Allerdings ist ebenfalls zu
erücksichtigen, dass sich die Volksrepublik China in
en letzten 15 Jahren wirtschaftlich, politisch und sozial
norm entwickelt hat. Es gibt erste Anzeichen für das
ntstehen einer Zivilgesellschaft. Die Chinapolitik der
undesregierung erkennt dies an und versucht, diesen
rend zu unterstützen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Amnesty
nternational und allen anderen Menschenrechtsorgani-
ationen, dass sich die Menschenrechts- und Rechts-
taatslage in China seit dem Bericht der Bundesregie-
ung aus dem Jahr 2002 eher verschlechtert als
erbessert hat?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Westerwelle, wir betrachten das aufmerksam.
ie Entwicklung in den verschiedenen Bereichen ver-
äuft sehr differenziert. Es gibt, wie eben geschildert, im
ereich der Zivilgesellschaft eher eine Stärkung, unter-
tützt nicht zuletzt durch eine wirtschaftliche Dynamik,
ie das Einfordern bürgerlicher Freiheitsrechte in China
her verstärkt. Des Weiteren gibt es sehr bedenkliche
endenzen im Bereich der Pressefreiheit. Das wird im
enschenrechtsbericht der Bundesregierung ausdrück-
ich thematisiert.
Ich werbe dafür, die Lage weder zu beschönigen noch
chlechter darzustellen, als sie ist, und die vorhandenen
ositiven Trends durch eine kluge Politik der Partner-
chaft mit China im Interesse der dort lebenden Men-
chen und auch in unserem eigenen Interesse zu unter-
tützen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Die Bundesregierung teilt also nicht die heute in füh-
enden deutschen Zeitungen wiedergegebene Auffas-
ung regimekritischer Intellektueller, dass sich „eine
elle der Einschüchterung“ in den letzten beiden Jahren
n China ausgebreitet habe?
13744 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Kollege Westerwelle, ich kann Sie nicht daran hin-
dern, meine Äußerungen zu interpretieren. Aber Sie kön-
nen sich weder auf die Bundesregierung noch auf mich
berufen, wenn Sie sie in dieser Weise interpretieren.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Burgbacher, bitte.
Ernst Burgbacher (FDP):
Frau Präsidentin, da die Antworten der Bundesregie-
rung auf die von uns gestellten Fragen nach dem EU-
Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China bei
weitem nicht ausreichend sind, beantrage ich für die
FDP-Bundestagsfraktion eine Aktuelle Stunde zu die-
sem Thema.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion
hat eine Aktuelle Stunde beantragt. Diese wird im An-
schluss an die Fragestunde aufgerufen.
Wir fahren mit der Fragestunde fort. Ich rufe die
Frage 24 des Kollegen Martin Hohmann auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Tätig-
keit des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten
und trifft es insbesondere zu, dass diese staatliche, dem Minis-
terpräsidenten unterstehende Behörde über 90 000 Mitarbeiter
– so „Bild am Sonntag“ vom 5. Dezember 2004, Seite 20 –
und einen Jahresetat von 471,4 Millionen Euro – so Otmar
Oehring, „Zur Lage der Menschenrechte in der Türkei – Lai-
zismus = Religionsfreiheit?“, Seite 40 – verfügt und diese
Mittel praktisch ausschließlich zur Förderung der sunniti-
schen Muslime einsetzt, während nicht islamische, christliche
und jüdische Gläubige und Institutionen keinerlei Förderung
erhalten?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter Hohmann, das staatliche Amt für
religiöse Angelegenheiten ernennt und überwacht die bei
ihm angestellten Vorbeter im sunnitischen Islam, dem
circa 70 Prozent der türkischen Bevölkerung angehören.
Es ist außerdem zuständig für den Unterhalt der Mo-
scheen, an denen diese tätig sind. Für diese Zwecke wur-
den der Behörde, die rund 89 000 Mitarbeiter beschäf-
tigt, im Jahr 2004 560 Millionen Euro zugewiesen. Eine
Zuständigkeit des Amtes für andere muslimische Ge-
meinschaften als die des sunnitischen Islams und für
nicht muslimische Gemeinschaften ist derzeit nicht ge-
geben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Martin Hohmann (fraktionslos):
Herr Staatsminister, können Sie etwas dazu sagen, ob
irgendwelche anderen religiösen Gemeinschaften von
dem türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten
unterstützt werden?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter, mir sind entsprechende Forderun-
gen anderer religiöser Gemeinschaften nicht bekannt.
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ngesichts der Funktion dieser Behörde bin ich nicht si-
her, ob es überhaupt im Interesse anderer Religionsge-
einschaften liegt, hier entsprechend mit betreut zu wer-
en.
(Martin Hohmann [fraktionslos]: Eher schon
mit gefördert!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Martin Hohmann (fraktionslos):
Herr Staatsminister, ist es angesichts der massiven
taatlichen Unterstützung des sunnitischen Islam bei
leichzeitiger Nichtförderung und Behinderung anderer
eligionen richtig, von der Türkei als einer laizistischen
epublik zu sprechen? Müsste man nicht eher von einer
epublik mit stark islamischer Prägung sprechen und
en Islam vielleicht sogar als Staatsreligion bezeichnen?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter, wie die Regierungen anderer EU-
itgliedstaaten fordert die Bundesregierung die Türkei
uf zur Anpassung und Umsetzung der Rechtsvorschrif-
en über die Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Ge-
issens- und Religionsfreiheit durch alle Menschen und
eligionsgemeinschaften gemäß Art. 9 der europäischen
enschenrechtskonvention und zur Schaffung der Vo-
aussetzungen für die Funktionsfähigkeit dieser Gemein-
chaften in Einklang mit den Praktiken der EU-Mitglied-
taaten. Dazu gehören der rechtliche und gesetzliche
chutz der Gemeinschaften, ihrer Mitglieder und ihrer
ermögenswerte, Unterricht, Ernennung und Ausbil-
ung von Geistlichen sowie die Wahrnehmung der
igentumsrechte im Einklang mit Protokoll Nr. 1 der
uropäischen Menschenrechtskonvention.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Martin Hohmann
uf:
Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu,
dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heuti-
gen Türkei noch über 20 Prozent Christen lebten, während es
heute noch 0,1 Prozent sind, und dass der Anteil der christli-
chen Bevölkerung von Istanbul seit 1914 von 46 Prozent auf
derzeit circa 1 Prozent gesunken ist – Pfarrer Gerhard
Duncker, „Christen in der Türkei“ in „Verfolgte Christen
heute“, Dokumentation der Konrad-Adenauer-Stiftung –, und
wie ist – gegebenenfalls – dieser Rückgang zu erklären?
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter, der Rückgang des Anteils der
icht muslimischen Bevölkerung auf heute circa
,15 Prozent an der türkischen Gesamtbevölkerung ist
ach den Erkenntnissen der Bundesregierung aus der
ertreibung und Vernichtung der Armenier durch das
smanische Reich in den Jahren 1915/1916 und dem
wischen Griechenland und der neu gegründeten türki-
chen Republik vereinbarten Bevölkerungsaustausch zu
rklären. Der Rückgang des Anteils von Christen an der
evölkerung Istanbuls wird auf die Auswanderung grie-
hisch-orthodoxer türkischer Staatsbürger aus dem
aum Istanbul in den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13745
(A) )
(B) )
Staatsminister Hans Martin Bury
vor allem jedoch auf die starke Zuwanderung aus ande-
ren Regionen der Türkei nach Istanbul, das 1914 nur
circa 300 000 Einwohner hatte und heute circa
12 Millionen Einwohner aufweist, zurückgeführt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Martin Hohmann (fraktionslos):
Herr Staatsminister, sind auch Sie der Meinung, dass
dieses neue Verhältnis – einstmals waren es 20 Prozent;
jetzt sind es praktisch 0,5 Prozent – auf Druck vonseiten
der türkischen Regierung und der Administration zu-
stande gekommen ist? Beispielsweise sind die Eigentü-
mer von Grundstücken, die durch religiöse Gemein-
schaften genutzt worden sind oder genutzt werden, in
relativ großem Stil enteignet worden.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen in meiner Antwort
eben die wesentlichen Faktoren genannt. Ich weiß aus
Gesprächen etwa mit Vertretern christlicher Gemeinden,
dass der Prozess der Annäherung der Türkei an die Euro-
päische Union und das Ziel der Aufnahme von Beitritts-
verhandlungen dazu beitragen, dass die Rechte der nicht
muslimischen Religionsgemeinschaften und die Mög-
lichkeiten dieser Religionsgemeinschaften, sich im All-
tag zu betätigen, gestärkt werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Martin Hohmann (fraktionslos):
Herr Staatsminister, es ist sehr bedauerlich, dass ins-
besondere die griechisch-orthodoxe Kirche keine Aus-
bildungsstätte mehr in der Türkei hat. Hat die Bundesre-
gierung etwas dafür getan, dass diese Religion dort
wieder eine Ausbildungsstätte bekommt? Ohne Priester-
nachwuchs und ohne Nachwuchs an Geistlichen ist eine
Religion schließlich zum Aussterben verurteilt.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Abgeordneter, dieses Thema war in der Tat Ge-
genstand von Gesprächen im europäischen und im bila-
teralen Rahmen. Die Bundesregierung hofft auf Fort-
schritte in diesem Zusammenhang.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Beantwor-
tung der Fragen. Ich schließe den Geschäftsbereich des
Auswärtigen Amtes.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern auf.
Die Frage 26 des Kollegen Jens Spahn, die Fragen 27
und 28 der Kollegin Gitta Connemann, die Fragen 29
und 30 des Kollegen Clemens Binninger und die
Frage 31 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schrift-
lich beantwortet.
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Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums der Finanzen. Die Fragen beantwortet der
arlamentarische Staatssekretär Karl Diller.
Die Frage 32 des Kollegen Helmut Heiderich wird
chriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Klaus Hofbauer
uf:
Ist die Forderung der Bundesregierung, den europäischen
Haushalt in der neuen EU-Finanzperiode 2007 bis 2013 auf
1 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens zu begrenzen,
mit den Vorschlägen der EU-Kommission zur künftigen euro-
päischen Strukturpolitik vereinbar und, wenn nein, wie würde
sich die künftige Förderkulisse in Deutschland im Unter-
schied zu den Vorschlägen der EU-Kommission verändern,
wenn der europäische Haushalt entsprechend der Forderung
der Bundesregierung begrenzt wird?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
er Finanzen:
Herr Kollege Hofbauer, das ist nicht nur eine Forde-
ung der Bundesregierung. Die Bundesregierung ist
ankbar dafür, dass sie bezüglich der 1-Prozent-Forde-
ung die Unterstützung des Haushaltsausschusses quer
urch alle Fraktionen und auch des Unterausschusses
es Haushaltsausschusses zu Fragen der Europäischen
nion hat.
Die Europäische Kommission hat für die europäische
trukturpolitik in der nächsten Förderperiode – das be-
rifft die Jahre 2007 bis 2013 – Finanzmittel in Höhe von
73,9 Milliarden Euro, einschließlich der Ausgaben für
ischerei und ländliche Entwicklung, vorgeschlagen.
egenüber den etwa 276 Milliarden Euro in der laufen-
en Periode von 2000 bis 2006 – alles in Preisen von
004 gerechnet – würde dies eine Erhöhung um fast
00 Milliarden Euro bedeuten. Mit dem Ziel der Bun-
esregierung und fünf weiterer Mitgliedstaaten, die Aus-
aben der Gemeinschaft auf 1 Prozent des Bruttonatio-
aleinkommens der Gemeinschaft zu begrenzen, ist der
eforderte Betrag nicht vereinbar.
Die künftige Förderkulisse, also die räumlichen För-
ermöglichkeiten, muss sich nicht verändern, wenn der
uropäische Haushalt entsprechend der Forderung der
undesregierung begrenzt wird. Vielmehr ist die Reich-
eite der Förderkulisse grundsätzlich unabhängig von
em zur Verfügung stehenden Fördervolumen.
So besteht in der Gemeinschaft Einigkeit darüber,
ass das Kriterium für die Zugehörigkeit einer Region
um Ziel-1-Gebiet auch in Zukunft ein Bruttoinlands-
rodukt je Kopf in Kaufkraftstandards von unter
5 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnitts sein soll. Da
ie große Mehrzahl der ostdeutschen Regionen dieses
riterium voraussichtlich erfüllen wird, ist auch nach
006 mit einer Unterstützung aus der Ziel-1-Förderung
ür diese Regionen zu rechnen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen, bitte.
13746 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
Sie sprechen von 373 Milliarden Euro für die nächste
Finanzperiode. Der Kohäsionsbericht vom Februar die-
ses Jahres geht aber von einer Obergrenze von
1,24 Prozent aus. Das muss irgendwelche Konsequenzen
haben. Sie wissen, dass in dem Kohäsionsbericht bereits
Festlegungen enthalten sind, nämlich für Ziel 1
260 Milliarden Euro, für Ziel 2 60 Milliarden Euro und
für Ziel 3 13 Milliarden Euro. Wenn wir die Obergrenze
senken – ich lasse mit mir darüber reden; darüber muss
man auch reden –, kann es bei der Zahl von
373 Milliarden Euro nicht bleiben. Die Frage ist, welche
ganz konkreten Auswirkungen das auf Ziel 1, Ziel 2 und
Ziel 3 hat.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Hofbauer, Ihnen ist sicherlich bekannt,
dass die Bundesregierung dafür eintritt, die Mittel zu
konzentrieren. Dies bedeutet, dass wir uns auf die be-
dürftigsten Regionen konzentrieren sollten. Das wären
die Ziel-1-Regionen. Überwiegend liegen die Ziel-1-
Regionen in den neuen Mitgliedstaaten. Die neuen
Mitgliedstaaten erwarten zu Recht die Solidarität der
Gemeinschaft. Es ist nun an der Zeit, dass sich Mitglied-
staaten und Regionen, die viele Jahre die Solidarität der
Gemeinschaft erfahren haben, nun ihrerseits mit den
noch bedürftigeren solidarisch zeigen.
Die Maßnahmen in den neuen Mitgliedstaaten kön-
nen nicht durch zusätzliche Mittel finanziert werden,
sondern sind nach unserer Auffassung durch Umschich-
tung von der Europäischen Union der 15 in die neuen
Mitgliedstaaten aufzubringen.
Die Konzentration ist das notwendige Bindeglied
zwischen den finanzpolitischen Realitäten in den Mit-
gliedstaaten einerseits und der Neuausrichtung der EU-
Politiken andererseits und damit wichtiger Bestandteil
unseres gemeinsamen Ziels, den künftigen Ausgaberah-
men insgesamt auf nicht mehr als 1 Prozent der EU-
Wirtschaftsleistung zu begrenzen.
Außerhalb der Ziel-1-Gebiete – das wären in
Deutschland die Gebiete außerhalb der ostdeutschen Re-
gionen – befürwortet die Bundesregierung eine strikte
Konzentration auf Maßnahmen mit europäischem Mehr-
wert. Dies sehen wir zum Beispiel bei der grenzüber-
schreitenden Zusammenarbeit grundsätzlich als gegeben
an. Um dem Konzentrationsgedanken zu genügen, sollte
sich die Förderung nach unserer Auffassung – ich ver-
mute auch, nach Ihrer Auffassung – vor allem auf Ge-
biete an den neuen Binnengrenzen der Gemeinschaft
konzentrieren. In Ihrem Falle wäre das die Grenze zwi-
schen Bayern und Tschechien. Auch im Bereich der neu
vorgeschlagenen Ziel-2-Gebiete finden sich Maßnahmen
mit besonderem europäischen Mehrwert, so die Förde-
rung von beschäftigungspolitischen Maßnahmen des
Europäischen Sozialfonds, von Netzwerken, von Erfah-
rungsaustausch und von Pilotprojekten.
Die von der Kommission dagegen vorgeschlagene
prinzipiell flächendeckende Unterstützung aus dem eu-
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opäischen Regionalfonds lehnt die Bundesregierung je-
och ab, denn damit wäre selbst eine Förderung von
rankfurt am Main möglich, also von exponentiell struk-
urstarken Regionen. Das widerspricht der – erforder-
ichen – Konzentration der Mittel. Insoweit sieht die
osition der Bundesregierung tatsächlich auch eine
äumliche Einschränkung gegenüber dem Kommissions-
orschlag vor. Diese ist jedoch nicht primär finanziell
edingt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, diese 373 Milliarden stehen im
aum. Können Sie mir konkret sagen, wie dieser Betrag
nter Zugrundelegung der 1-Prozent-Begrenzung aus-
ieht? Wie würde das Geld, das dann zur Verfügung
teht, auf die drei Zielgebiete verteilt?
(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
er Finanzen:
Herr Kollege, wir haben unsere Vorschläge unter Zu-
rundelegung eines anderen Schlüssels als den, den der
amalige Kommissar Barnier vorgesehen hat, vorgetra-
en. Im Übrigen muss über die Einzelverteilung dann
eredet werden, wenn man über das Gesamtvolumen
invernehmen erzielt hat.
(Klaus Hofbauer [CDU/CSU]: Was haben Sie
da vorgeschlagen? Welche Zahl?)
Wir haben vorgeschlagen, die Mittel, die Kommissar
arnier angegeben hat, nicht so stark zugunsten von
iel-2- und Ziel-3-Gebieten zu verwenden, sondern im
esentlichen zugunsten von Ziel-1-Gebieten.
(Klaus Hofbauer [CDU/CSU]: Dann fallen
Ziel 2 und Ziel 3 weg!)
Die Ziel-2-Förderung fällt nicht weg.
(Klaus Hofbauer [CDU/CSU]: Aber Ziel 3!)
Herr Kollege, ich gebe Ihnen das gerne noch einmal
chriftlich, damit da gar keine Unklarheiten entstehen.
(Klaus Hofbauer [CDU/CSU]: Dafür wäre ich
Ihnen dankbar!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Damit kommen wir zur Frage 34 des Abgeordneten
ofbauer.
Ist die Bundesregierung gewillt, die nationalen Hand-
lungsspielräume in der Regionalpolitik zu erweitern bzw. sol-
che von der Europäischen Union zurückzugewinnen, und,
wenn ja, welche konkreten Vorschläge auf europäischer
Ebene wurden dafür durch die Bundesregierung bereits einge-
bracht?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
er Finanzen:
Herr Präsident! Herr Kollege Hofbauer, die Bundesre-
ierung setzt sich seit Beginn der Diskussion um die
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13747
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Karl Diller
neuen Regionalförderleitlinien für ausreichende beihilfe-
rechtliche Spielräume einer nationalen Strukturpolitik
ein. In diesem Sinne haben wir uns am 30. Juni zum
Konsultationspapier der Europäischen Kommission vom
30. April dieses Jahres geäußert. Dort hat die Kommis-
sion ihre Vorstellungen zur Reform der Leitlinien mit re-
gionaler Zielsetzung konkretisiert. Die Bundesregierung
fordert in ihrer Stellungnahme die Europäische Kommis-
sion auf, zu gewährleisten, dass auf nationaler Ebene
eine substanzielle Möglichkeit der Förderung, insbeson-
dere auch im Westen Deutschlands, zum Ausgleich re-
gionaler Unterschiede fortbesteht.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollege Hofbauer.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Herr Staatssekretär, nachdem das jetzt
bereits mehrere Monate zurückliegt, haben sicherlich in
den letzten Wochen und Monaten Gespräche stattgefun-
den. Welche Chancen sehen Sie, Ihre Ziele durchzuset-
zen?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege, ich wage noch keine Prognose und
kann Ihnen auch nicht konkret sagen, wann das der Fall
sein wird. Jedenfalls habe ich das, was wir vorgeschla-
gen haben, im Kreise der Wirtschaftsminister der Länder
erörtert. Es ist dort für gut befunden worden, dass wir
darauf drängen, dass die Förderhöchstgrenzen nach un-
ten gedrückt werden, damit das Fördergefälle nicht so
gravierend ist.
Präsident Wolfgang Thierse:
Die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Stefan
Müller (Erlangen) werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zur Frage 37 der Kollegin Petra
Pau:
Treffen Meldungen in den Medien zu, nach denen Daten
von Personen, die der Schwarzarbeit verdächtigt werden bzw.
welche in einem Verfahren wegen angeblicher Schwarzarbeit
freigesprochen worden sind, in einer zentralen Datenbank der
Zollverwaltung gespeichert werden – „Handelsblatt“ vom
17. November 2004 –, und, wenn ja, auf welcher gesetzlichen
Grundlage geschieht dies?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Frau Abgeordnete Pau, nach § 16 des Schwarzarbeits-
bekämpfungsgesetzes führt der Arbeitsbereich „Finanz-
kontrolle Schwarzarbeit“ eine zentrale Prüfungs- und Er-
mittlungsdatenbank. Daten werden hier nur gespeichert,
wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen
von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäftigung er-
geben. Gespeichert werden erstens die Personaldaten der
Person, bei der tatsächliche Anhaltspunkte für das Vor-
liegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäfti-
gung bestehen, bzw. der Name und der Sitz des Unter-
nehmens, bei dem solche Anhaltspunkte vorliegen;
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weitens die Stelle der Zollverwaltung, die die Überprü-
ung durchgeführt hat, und das Aktenzeichen; drittens
ie Darlegung der tatsächlichen Anhaltspunkte für das
orliegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäf-
igung; viertens der Zeitpunkt der Einleitung und der
eitpunkt der Erledigung des Verfahrens durch die Be-
örden der Zollverwaltung, im Fall des § 19 Abs. 2
atz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch der Zeit-
unkt und die Art der Erledigung durch das Gericht oder
ie Staatsanwaltschaft.
Die Daten dürfen nur für die Durchführung von Prü-
ungen nach § 2 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsge-
etz, die Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrig-
eiten im Zusammenhang mit den Prüfgegenständen
ach § 2 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und
ie Besteuerung, soweit sie im Zusammenhang mit der
rbringung von Dienst- oder Werkleistungen steht, ver-
endet werden. Nach einem rechtskräftigen Freispruch
rfolgt die Löschung der Daten aus der zentralen Daten-
ank gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Schwarzarbeitsbekämp-
ungsgesetz nach zwei Jahren.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Pau, bitte.
Petra Pau (fraktionslos):
Danke, Herr Staatssekretär. Nun sind Ihnen sicherlich
ie Forderungen des Bundesdatenschutzbeauftragten
ie auch von Rechtsexperten nicht verborgen geblieben,
ass die grundsätzliche Löschung der Datensätze von
reigesprochenen schneller erfolgen soll und dass im
usammenhang mit einem Freispruch auch der Zugriff
uf diese Daten durch weitere Behörden des Bundes klar
eregelt und eingeschränkt werden soll. Wie gedenkt die
undesregierung mit diesen Forderungen umzugehen
der, anders gefragt, wie bewerten Sie das Ganze?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
er Finanzen:
Frau Abgeordnete, meines Wissens ist diese Thema-
ik auch bei der Gesetzgebung diskutiert und geprüft
orden und vom BMJ positiv entschieden worden; denn
ie in § 19 Abs. 2 Satz 2 Schwarzarbeitsbekämpfungs-
esetz geregelte Löschungsfrist entspricht datenschutz-
echtlichen Anforderungen. Sie ist der in § 494 Abs. 2
atz 2 der Strafprozessordnung geregelten entsprechen-
en Löschungsfrist im staatsanwaltschaftlichen Verfah-
ensregister nachgebildet. Die Fortdauer der Speiche-
ung nach § 494 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung
st wegen der Möglichkeit einer Wiederaufnahme des
erfahrens bzw. der Ermittlungen erforderlich. Außer-
em hat sie ihre Berechtigung aufgrund der gelegentlich
estehenden Notwendigkeit, Erkenntnisse oder Beweis-
ittel aus Akten eines früheren Verfahrens für ein späte-
es Strafverfahren zu verwenden. Diese Gesichtspunkte
ind auch im Hinblick auf die Regelungen für die zen-
rale Datenbank im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
elevant. Im Übrigen ist der Zugriff auf die Daten von
reigesprochenen Personen während des Zeitraums der
öschungsfrist durch § 17 – er betrifft Behörden – und
13748 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Karl Diller
§ 18 – er betrifft die betroffene Person – des Schwarz-
arbeitsbekämpfungsgesetzes geregelt und beschränkt.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Pau.
Petra Pau (fraktionslos):
Diese Regelungen, Herr Staatssekretär, sind mir
durchaus bekannt, da ich sie vor der heutigen Frage-
stunde natürlich noch einmal nachgelesen habe. Ich habe
Sie aber nach der aktuellen Kritik vom 17. November
dieses Jahres – sowohl von Herrn Schaar als auch von
Herrn Professor Simitis – mit der Forderung nach Geset-
zesnachbesserung und nach der diesbezüglichen Haltung
der Bundesregierung gefragt.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Frau Kollegin Pau, innerhalb des BMF bin nicht ich
persönlich für den Zollbereich verantwortlich, sondern
meine Kollegin Dr. Hendricks, die jetzt aber im Vermitt-
lungsausschuss ist; sonst wäre sie hier, um diese Fragen
zu beantworten. Ich weiß, dass sie mit dem Datenschutz-
beauftragten bezüglich seiner Einwände im Gespräch ist.
Präsident Wolfgang Thierse:
Danke schön.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Für die Be-
antwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Ditmar Staffelt zur Verfügung.
Die Fragen 38 bis 41 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Wie ist der Versicherungsschutz, zum Beispiel Haftpflicht-
und Unfallversicherung, für so genannte 1-Euro-Jobber gere-
gelt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Frau Abgeordnete Lötzsch, für erwerbsfähige Hilfe-
bedürftige, die keine Arbeit finden, können nach § 16
Abs. 3 SGB II Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwen-
dungsentschädigung – von der Bundesregierung als
Zusatzjobs bezeichnet – eingerichtet werden. Dem er-
werbsfähigen Hilfebedürftigen wird zuzüglich zum
Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für
Mehraufwendungen gezahlt. Die Zusatzjobs begründen
kein Arbeitsverhältnis.
Durch die Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes II
wird die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ge-
währleistet. Aufgrund des Fehlens einer versicherungs-
pflichtigen Beschäftigung können Ansprüche in der
Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III nicht er-
wachsen.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind aufgrund eines
fehlenden sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-
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ungsverhältnisses zwar nicht als Beschäftigte, aber wie
eschäftigte nach § 2 Abs. 2 SGB VII in den Schutzbe-
eich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen.
uständig ist die Unfallversicherung des Trägers, der
ierfür in eigener Zuständigkeit einen Beitrag erheben
ann.
Eine Haftpflichtversicherung des erwerbsfähigen
ilfebedürftigen im Rahmen der Ausübung eines Zu-
atzjobs hat der Träger zu gewährleisten. Gemäß § 16
bs. 3 SGB II haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur
ie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Rahmen
er Einrichtung von Zusatzjobs können beim Träger an-
allende Beiträge, zum Beispiel für die Unfall- oder
aftpflichtversicherung, erstattet werden.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Lötzsch, bitte.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr
taatssekretär. Wie Sie sich sicherlich leicht vorstellen
önnen, stelle ich diese Frage nicht ohne Praxisbezug
nd ohne Kenntnis der Realität. Wie sind die Träger die-
er 1-Euro-Jobs – dieser Terminus, den Sie jetzt tunlichst
ermeiden, stammt übrigens von der Bundesregierung –
ber die Modalitäten bei den Versicherungen, insbeson-
ere der Haftpflicht- und der Unfallversicherung, infor-
iert worden? Gab es eine eindeutige Information, wie
n diesen Fällen zu verfahren ist? Wenn ja: In welcher
orm? Wenn nein: Warum nicht?
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Wirtschaft und Arbeit:
Wie praxisbezogen Sie arbeiten, habe ich nach der
etzten Fragestunde erlebt, in der Sie mir einen konkre-
en Fall angetragen hatten, der schier ausweglos er-
chien. Als ich Ihr Büro angerufen habe, um mich dieses
alls anzunehmen, ist mir gesagt worden, dass die be-
reffenden Personen rechtlich bestens beraten werden
nd der Hilfe des Bundesministeriums nicht bedürfen.
o sollten wir – das will ich an dieser Stelle sagen –
icht miteinander umgehen.
Zu Ihrer Frage. Wir sind der Auffassung, dass die Trä-
er in angemessener Weise von den Arbeitsgemein-
chaften oder auch von den Agenturen über den entspre-
henden Sachverhalt informiert worden sind. Wenn noch
ragen auftauchen sollten, ist eine Nachfrage über die
genturen oder Arbeitsgemeinschaften jederzeit mög-
ich.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollegin Lötzsch.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
amit hier kein Gerücht in die Welt gesetzt wird, will ich
agen: Wir haben den Anruf Ihres Büros so verstanden,
ass Sie aufgrund unserer Nachfrage tätig geworden
ind. Das ist doch erfreulich.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13749
(A) )
(B) )
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Das haben wir darüber hinaus geregelt.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Wir sollten uns nicht wechselseitig etwas unterstellen,
was nicht den Tatsachen entspricht.
Kommen wir zur Frage: Wie ist es vorgesehen, zu
kontrollieren, ob die Träger ihren Verpflichtungen, für
die Personen, die eine Mehraufwandsentschädigung er-
halten – also für die 1-Euro-Jobber –, die entsprechen-
den Versicherungen abzuschließen, nachkommen? Sind
Kontrollen vorgesehen oder nicht?
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Wir gehen davon aus, dass jeder dieser Jobs einer be-
sonderen Betrachtung unterzogen wird, weil wir sie von
den üblichen Arbeitsplätzen, die angeboten werden, ab-
grenzen wollen. Somit wird natürlich jedem Einzelfall
eine Vereinbarung zugrunde gelegt, die auch die Frage
der versicherungsrechtlichen Behandlung beinhaltet.
Ich füge hinzu, Sie haben völlig Recht. Wir haben
hinsichtlich der Frage, die von Ihnen in der letzten Fra-
gestunde gestellt wurde, eine grundsätzliche Regelung
getroffen: Es wird so sein, dass Fehler, die bei der Ein-
gabe in einer Agentur aufgetreten sind, unmittelbar unter
Nichtberücksichtigung sonstiger rechtlicher Vorbehalte
korrigiert werden können. Ich denke, das ist ein qualita-
tiv wichtiger Schritt, den Minister Clement, nachdem ich
ihm davon berichtet hatte, unmittelbar veranlasst hat.
Präsident Wolfgang Thierse:
Wir kommen zur Frage 43 der Kollegin Lötzsch:
Wie will die Bundesregierung die Kommunen finanziell
unterstützen, deren Belastungen bei den Kosten für Unter-
kunft und Heizung höher sind als die Entlastung bei der Sozial-
hilfe, und verfügt die Bundesregierung über Prognosen, wie
viele Kommunen davon betroffen sein werden?
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Aus der Sicht der Bundesregierung ist mit der Eini-
gung im Vermittlungsausschuss vom 30. Juni 2004 die
politische Zusage, die Kommunen jährlich um insgesamt
2,5 Milliarden Euro zu entlasten, eingelöst worden. Dies
wird zum einen dadurch sichergestellt, dass sich der
Bund ab Januar 2005 mit einem Anteil von 29,1 Prozent
an den Kosten der Unterkunft beteiligt und dass die
Höhe dieser Beteiligung in den nächsten Jahren im Zuge
regelmäßiger Revisionen zeitnah überprüft wird.
Zum anderen haben die Länder zugesagt, ihre Einspa-
rungen im Zuge der Wohngeldreform sowie im Bereich
bisheriger Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeits-
lose an die Kommunen weiterzugeben. Dabei werden al-
lerdings die alten Bundesländer berechtigterweise ihre
Einzahlungen in den ebenfalls im Vermittlungsausschuss
vereinbarten Ausgleich Ost gegenrechnen. Die neuen
Länder müssen die ihnen aus diesem Ausgleich zuflie-
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enden Mittel ebenfalls an die Kommunen weiterrei-
hen.
In den einzelnen Ländern wird es zweifelsohne
reise und kreisfreie Städte geben, für die sich nach Sal-
ierung aller Be- und Entlastungen eine zusätzliche Be-
astung ergibt. Genauso wird es andere Kommunen ge-
en, die von der Reform deutlich profitieren. Über die
öhe der etwaigen Belastungen im Einzelnen sowie
ber die Zahl der betroffenen Kommunen liegen der
undesregierung keine verwertbaren Informationen vor.
s ist deshalb entscheidend, dass die Länder ihre Einspa-
ungen saldiert um die Beiträge zum Ausgleich Ost nicht
ur vollständig, sondern auch im Sinne eines fairen Aus-
leichs zwischen stärker und weniger stark betroffenen
ommunen weiterreichen.
Es wird unter Umständen auf Landesebene sogar ein
arüber hinausgehender finanzieller Ausgleich zwischen
ommunen notwendig sein, der aber allein durch Lan-
esgesetzgebung geregelt werden müsste. Die Bundesre-
ierung kann hierauf keinen direkten Einfluss nehmen.
ine über die Vereinbarungen des Vermittlungsausschus-
es hinausgehende finanzielle Unterstützung der Kom-
unen durch den Bund ist nicht vorgesehen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Lötzsch.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass Sie
och keinen Überblick darüber haben können, wie groß
ie Mehrbelastungen der Kommunen sein werden. In der
resse und in den vorausgehenden Fragen 40 und 41
pielten konkrete Zahlen schon eine Rolle. Etliche Kom-
unen haben also schon ausgerechnet, wie hoch die
ehrbelastungen für sie sein werden. Sächsische Kom-
unen haben sogar eine Klage gegen die Bundesregie-
ung angekündigt. Ich weiß nicht, wieweit die Klage
ortgeschritten ist. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache
öchte ich Sie fragen: Wann und auf welche Weise plant
ie Bundesregierung, sich einen Überblick über die zu-
ätzlichen Belastungen der Kommunen zu verschaffen?
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Wirtschaft und Arbeit:
Wir werden natürlich alle Daten, die uns geliefert
erden, überprüfen, soweit uns das möglich ist. Ich habe
uch im Zusammenhang mit den schriftlich zu beant-
ortenden Fragen 40 und 41 deutlich gemacht, dass wir
emüht sind – das will ich hier ausdrücklich sagen –, all
iese Eingaben zu prüfen und mit den betroffenen Kom-
unen hinsichtlich gegebenenfalls sichtbarer Unstim-
igkeiten in den Rechnungen in ein Gespräch einzutre-
en.
Im Übrigen – das habe ich eben ausgeführt – ist der
atsächliche substanzielle Ausgleich eine Angelegenheit,
ie zwischen den Kommunen und den Ländern ausgetra-
en werden muss.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Lötzsch.
13750 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
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Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Sie sind nur auf einen Teilaspekt meiner Frage eingegan-
gen. Ich würde gerne wissen, bis zu welchem Zeitpunkt
sich die Bundesregierung in Anbetracht der angespann-
ten finanziellen Lage vieler Länder und Kommunen ei-
nen Überblick über die zusätzliche finanzielle Belastung
der Kommunen verschaffen will, um gegebenenfalls zu
handeln.
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Frau Abgeordnete, ich kann an dieser Stelle nur wie-
derholen: Wir sind darauf angewiesen, dass uns die
Kommunen und die Länder die entsprechenden Zahlen-
werke zur Verfügung stellen. Nur auf dieser Grundlage
sind wir wiederum in der Lage, diese Zahlen zu überprü-
fen. Wir können sie nicht einfach unkritisch hinnehmen,
sondern müssen hier genauer hinschauen.
Ich gehe davon aus, dass sich all jene Kommunen, die
tatsächlich in ihrem Haushalt im Saldo ein Minus verbu-
chen, sehr schnell auf den Weg machen werden, um ih-
ren jeweiligen Landesregierungen und auch der Bundes-
regierung entsprechende Zahlen zur Überprüfung zur
Verfügung zu stellen. Ich hatte schon einmal gesagt
– das ist sehr wichtig –: Wenn hier tatsächlich sichtbare
Unstimmigkeiten bestehen, dann werden wir mit den
Kommunen ganz unmittelbar und unbürokratisch in ei-
nen entsprechenden sachlichen Dialog eintreten.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Die Frage 44 des Kollegen Hinsken und
die Fragen 45 und 46 des Kollegen Jahr werden schrift-
lich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
der Fragen steht Staatssekretär Wagner zur Verfügung.
Den Kollegen Jüttner, der die Fragen 47 und 48 ge-
stellt hat, sehe ich nicht.
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich auch
nicht!)
Damit entfällt die Beantwortung dieser Fragen. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 49 des Kollegen Koschyk wird schriftlich
beantwortet.
Nun kommen wir zur Frage 50. Auch der Kollege
Schockenhoff ist nicht anwesend. Auch hier wird ver-
fahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Damit, Herr Kollege Wagner, haben Sie keine
Chance, hier aufzutreten. Sie sind damit in Ehren für
heute entlassen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
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eantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische
taatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung.
Die Fragen 51 und 52 des Kollegen Vogel sowie die
rage 53 des Kollegen Börnsen werden schriftlich be-
ntwortet.
Damit kommen wir zur Frage 54 des Kollegen
elmut Heiderich:
Welche größenmäßigen Veränderungen gegenüber dem
bisherigen Stand hat es im Jahr 2004 infolge der Neuregelung
der Förderbedingungen für die Eigenheimzulage, unter beson-
derer Berücksichtigung der Altbausanierung und der Fami-
liengröße, gegeben und lässt sich daraus eine Abschätzung für
das kommende Jahr ableiten?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Kollege, statistisch belastbare Daten zur Inan-
pruchnahme der Eigenheimzulage für die Entwicklung
eit der Neuregelung ab 2004 liegen frühestens im Laufe
es Jahres 2005 vor, da eine erhebliche Zahl von An-
pruchsberechtigten die Anträge auf eine erstmalige
ahlung der Eigenheimzulage für das jeweilige Kalen-
erjahr erfahrungsgemäß erst wesentlich später stellt.
uf der Grundlage der von den Ländern übermittelten
aten wird seit 1998 eine Geschäftstatistik zur Nutzung
er Eigenheimzulage erstellt. Gegenwärtig wird die Sta-
istik für die Jahre 2002 und 2003 durch das Bundesamt
ür Bauwesen und Raumordnung vorbereitet.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Heiderich.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, wenn, wie Sie das eben darge-
tellt haben, für das laufende und das letzte Jahr keine
ahlen vorliegen, auf welcher Grundlage haben Sie dann
periert, als Sie entsprechende Zahlen in den Bundes-
aushalt des kommenden Jahres bzw. schon konkrete
ummen, die sich aus der Neuregelung der Eigenheim-
ulage ergeben, in einzelne Etatbereiche, zum Beispiel
n Bezug auf Forschung und Entwicklung, eingestellt ha-
en?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Man kann natürlich aus der Statistik, die seit In-Kraft-
reten der Eigenheimzulage erstellt wird, Daten ermit-
eln. Ich könnte Ihnen jetzt Zahlen für 2004 nennen, die
us dem Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ kommen. Ich
enne Ihnen aber einfach einmal die Zahlen ab 2000:
000 wurden 6,8 Milliarden Euro, 2001 8,0 Milliarden
uro, 2002 9,2 Milliarden Euro und 2003 10,35 Mil-
iarden Euro für die Eigenheimzulage ausgegeben. Für
004 werden die Ausgaben auf 10,8 Milliarden Euro ge-
chätzt.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, wenn ich vor diesem Hinter-
rund Folgendes fragen darf: Sie haben in den kommen-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13751
(A) )
(B) )
Helmut Heiderich
den Haushalt meines Wissens einen Betrag in einer Grö-
ßenordnung von 95 Millionen eingestellt, der sich aus
der Abschaffung der Eigenheimzulage ergeben würde.
Von daher können die Zahlen, die Sie gerade vorgetra-
gen haben, offensichtlich nur die Gesamtsummen sein.
Meine Frage bezieht sich darauf, wie hoch nach der Ver-
änderung bei der Eigenheimzulage mit ihrer wesentli-
chen Einschränkung seit dem 1. Januar 2004 die Zusa-
gen in diesem und im nächsten Jahr sein dürften. Wenn
Ihnen darüber Schätzungen vorliegen, wäre ich Ihnen
sehr verbunden, wenn Sie mir diese Schätzungen zur
Verfügung stellen könnten.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Sie wissen, dass die Eigenheimzulage ja nicht nur in
einem Jahr gezahlt wird; von daher wissen Sie auch,
dass es bei der Eigenheimzulage im Laufe der Zeit einen
Aufwuchs gibt. Ich werde Ihnen gern die Zahlen nach-
reichen. Ich glaube allerdings, dass das, was veran-
schlagt ist, eine sehr realistische Zahl darstellt.
Präsident Wolfgang Thierse:
Damit kommen wir zur Frage 55 des Kollegen Peter
Weiß (Emmendingen):
Mit welchen Schwierigkeiten konkret rechnet die Bundes-
regierung zum Betriebsstart des LKW-Mautsystems am
1. Januar 2005 an den Grenzübergängen zwischen Deutsch-
land und Frankreich vor dem Hintergrund der Äußerungen
des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Dr. Manfred Stolpe, in der „Welt“ vom 6. Dezember 2004
dazu, dass die französischen Fuhrunternehmen bisher nur we-
nige Mautgeräte – On Board Units – in ihren Fahrzeugen ver-
baut haben?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Kollege Weiß, die Bundesregierung bedauert die Zu-
rückhaltung des französischen Straßengüterverkehrsge-
werbes hinsichtlich der Teilnahme am automatischen
Mautabrechnungssystem mithilfe der On Board Units.
Vor diesem Hintergrund werden viele Nutzer gerade in
der Startphase die Möglichkeit der Interneteinbuchung
nutzen oder an den deutsch-französischen Grenzüber-
gängen die Mautstellenterminals zur manuellen Einbu-
chung aufsuchen. Deshalb hat Toll Collect an diesen
Grenzabschnitten das Mautstellenterminalnetz überprüft
und folgende Standorte durch zusätzliche Mautstellen-
terminals verstärkt: Grenzstandort „Goldene Bremm“,
Saint Avold: Hotel-Restaurant-Bar de l’ Europort, Zoll-
amt Scheibenhard im Gebiet des ehemaligen Zollamtes
an der Bundesstraße B 9, Grenzstandort Neuenburg/Ott-
marsheim, Tankstelle Total Station Relais de 3 Fron-
tières. An allen Grenzübergangsstellen zwischen
Deutschland und Frankreich ist der Einsatz von Bu-
chungshelfern vorgesehen.
Nach dem Autobahnmautgesetz unterliegen im Übri-
gen die Bundesautobahn A 6 von der Grenze bis Saar-
brücken-Fechingen sowie die Bundesautobahn A 5 von
der Grenze bis zur Anschlussstelle Müllheim/Neuenburg
nicht der Mautpflicht.
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Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Weiß.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, ist angesichts der Tatsache,
ass sowohl in französischen LKWs als auch in spani-
chen LKWs – diese kommen ja auch über Frankreich zu
ns nach Deutschland – von unseren Nachbarländern im
erhältnis zur Gesamtzahl der zugelassenen Fahrzeuge
ie wenigsten OBUs eingebaut sind, die Bundesregie-
ung der Auffassung, dass mit den von Ihnen genannten
öglichkeiten des manuellen Einbuchens ein reibungs-
oser Start der Maut an der deutsch-französischen
renze zum 1. Januar 2005 tatsächlich möglich ist, oder
ird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem
undesamt für Güterverkehr und der Toll Collect GmbH
och weitere Verstärkungen vornehmen? Wie viele zu-
ätzliche Einbuchungshelfer stehen denn zur Verfügung?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Danke für die Frage. – Wir haben in den betroffenen
ändern für die einfachste Methode, den Einbau der On
oard Units, geworben. Auch Sie wissen, dass es drei
ethoden gibt, mit denen man sich einbuchen kann. Wir
aben bei Umfragen festgestellt, dass gerade bei den
ranzosen die Interneteinbuchung beliebt ist. Sie wissen,
ass heute das BAG die besondere vorläufige Betriebs-
rlaubnis an Toll Collect erteilt hat. Wir haben gesagt,
ass wir zum 1. Januar ein Startmanagement machen
erden. Dabei sind die Ziele: ein störungsfreier Maut-
tart und die Vermeidung von Verkehrsbehinderungen,
on Staus infolge der Mauteinführung. Wir haben aufge-
eilt, was Toll Collect, das BAG und unser Ministerium
achen. Toll Collect wird, um den Start der Maut zu
egleiten, an rund 1 000 Mautstellenterminals rund
000 Einbuchungshelfer einstellen, die Kenntnisse in
en Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch,
talienisch und Russisch haben. An hoch frequentierten
erkehrsabschnitten werden zusätzliche Mautstellenter-
inals aufgestellt. Es werden Hotlines eingerichtet: für
egistrierte Nutzer, für nicht registrierte Nutzer und für
erkstätten. Ab heute, dem 15. Dezember, gibt es ein
agezentrum zur Überwachung des Mautstartes. Da-
über hinaus wird die zusätzliche Möglichkeit der telefo-
ischen Einbuchung über privatwirtschaftlich arbeitende
allcenter geschaffen.
Zum Startmanagement von Toll Collect gehören fer-
er eine in 23 Sprachen verfasste Nutzerbroschüre, ein
iktogramm zum erleichterten Einbuchen an den Maut-
tellenterminals und eine ebenfalls in 23 Sprachen ver-
asste Checkliste, die wichtige Informationen zur Einbu-
hung enthält. Des Weiteren wird es ein Faltblatt zum
hema Einbuchungsarten, einen Mautatlas, der alle
autstellen beinhaltet, einen Registrierungsbogen und
ine Ausfüllhilfe in 23 Sprachen geben. Ich denke, die
instellung der 5 000 Einbuchungshelfer ist für den Start
er Maut das Wichtigste.
Im Startmanagement des BAG, des Bundesamtes für
üterverkehr, sind folgende Aspekte vorgesehen: der
insatz von 500 Mautkontrolleuren, die Beratung und
13752 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens
Verteilung von Informationsmaterial, die Ahndung von
Mautprellern, die Einrichtung einer Hotline zur Beant-
wortung von Fragen der Nutzer ab dem heutigen Tag so-
wie eine Rufbereitschaft mit ständiger Erreichbarkeit des
BAG ab dem 1. Januar 2005.
Zum Schluss komme ich auf die Maßnahmen zu spre-
chen, die das BMVBW zum Startmanagement getroffen
hat: die Zusammenarbeit mit den Sicherheits- und Ord-
nungsbehörden der Länder, also mit dem BGS und den
Länderpolizeien, zur Sicherung eines möglichst stö-
rungsfreien Mautstarts, die Einrichtung eines Nutzer-
forums mit den Verkehrs- und Logistikverbänden zur
Bearbeitung von Beschwerden und die Aktualisierung
des Internetauftritts zur Verbesserung der Nutzerinfor-
mation.
Ich denke, damit ist das Startmanagement ziemlich
gut ausgestattet.
Präsident Wolfgang Thierse:
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Ja.
Präsident Wolfgang Thierse:
Diese Antwort war so ausführlich; ich dachte, jetzt
gibt es dazu nichts mehr zu sagen. – Bitte, Herr Kollege.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Ja, Herr Präsident, aber die Frau Staatssekretärin hat
bisher nur das in der heutigen Pressekonferenz präsen-
tierte Material vorgelesen.
Meine Frage bezieht sich vor allen Dingen auf das
von Ihnen bestätigte Sonderproblem, was uns an der
deutsch-französischen Grenze aufgrund der Tatsache er-
wartet, dass die Anzahl der OBUs, die in Frankreich und
Spanien in die nach Deutschland fahrenden LKWs ein-
gebaut worden sind, außerordentlich gering ist.
Ist vorgesehen, dass dann, wenn nach dem Start der
Maut am 1. Januar 2005 Schwierigkeiten oder Staus auf-
treten, zusätzlich manuell zu bedienende Terminals an
der Grenze aufgebaut werden? Steht eine entsprechende
Personalreserve zur Verfügung, die es ermöglicht, dass
im deutsch-französischen Grenzbereich zusätzliche Ein-
buchungshelfer eingesetzt werden können, falls dies in
den ersten Monaten des Jahres 2005 erforderlich sein
sollte?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Diese Frage habe ich Ihnen gerade beantwortet. An
den Grenzen wird es mehr Terminals geben. Einige, die
später an anderen Stellen stehen werden, kommen in der
Startphase dort zum Einsatz. Es werden insbesondere an
den Grenzen 5 000 Helfer eingesetzt.
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Ich bitte Sie, zwei Dinge zu bedenken: Erstens. Es
ibt ein Sonntagsfahrverbot. Es kommt schon heute auf
estimmten Abschnitten fast jeden Sonntagabend zu
taus.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Am
Sonntagabend, 2. Januar, im Stau! Das wird
lustig werden!)
ir alle wollen das Sonntagsfahrverbot. Diese Situation
rleben wir fast jeden Sonntagabend.
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass das nur
ine Möglichkeit der Einbuchung ist. Eine andere, be-
uemere Möglichkeit der Einbuchung ist die Internetein-
uchung. Die unbequemste – da haben Sie Recht – ist,
ich am Terminal einzubuchen. Aber in den ersten Wo-
hen werden Helfer zur Verfügung stehen, um den
uchungsvorgang so kurz wie möglich zu gestalten. Sol-
he Helfer sind schon jetzt unterwegs, um die Leute zu
nterrichten und aufzuklären. Ich denke, dass das Einbu-
hen nach einer kurzen Übergangszeit kein Problem
ehr darstellen wird und dass wir dann nicht mehr mit
ängeren Wartezeiten rechnen müssen. Unsere Helfer
önnen in diesem Zusammenhang noch einmal für die
n Board Units werben, von denen 850 000 zur Ver-
ügung stehen. Es ist also keine Frage des Nichtvorhan-
enseins, sondern es ist einfach eine Frage des Einbaus.
Präsident Wolfgang Thierse:
Damit sind wir bei der Frage 56 des Kollegen Weiß:
Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen,
um Behinderungen im grenzüberschreitenden Verkehr zwi-
schen Frankreich und Deutschland in der Startphase der
LKW-Maut vermeiden oder gegebenenfalls zügig auflösen zu
können?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Weiß, das Bundesministerium für Verkehr, Bau-
nd Wohnungswesen hat zusammen mit allen am Maut-
tart Beteiligten ein aktives Startmanagement initiiert.
ielgruppe sind vor allem die Nutzer der Einbuchung
ber Mautstellenterminals. Diese sollen durch gezielte
nformationen und Helfer insbesondere bei der Einbu-
hung unterstützt werden. Darüber hinaus wurde durch
rivate Dienstleister mittels Einrichtung eines Callcen-
ers eine weitere Einbuchungsmöglichkeit geschaffen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollege Weiß.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, wie sieht das Management an
en Grenzübergängen aus, wenn es aufgrund der manu-
ll vorzunehmenden Einbuchungsvorgänge zu massiven
erkehrsbehinderungen, auch für den PKW-Verkehr,
ommt? Schließlich gibt es an den meisten Grenzüber-
ängen heute keine besonderen Parkmöglichkeiten mehr
ür LKWs. Damit wird auch der PKW-Verkehr tangiert
ein.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13753
(A) )
(B) )
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Ich habe ja schon gesagt, dass viele Helfer unterwegs
sein werden, um die LKW-Fahrer abzufangen und schon
vorher zu informieren, damit sie sich nicht an der Tank-
stelle einbuchen müssen, die sie sonst immer aufsuchen,
sondern dies schon vorher erledigen können. Völlig aus-
schließen können wir Behinderungen natürlich nicht; das
weiß jeder. Aber ich glaube, wir haben alles unternom-
men, um die Behinderungen insgesamt so gering wie
möglich zu halten.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollege Weiß.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, in Ihren Antworten haben Sie
immer wieder die – fromme – Hoffnung zum Ausdruck
gebracht, dass vor allen Dingen die französischen und
spanischen Spediteure doch andere Einbuchungsmög-
lichkeiten wie zum Beispiel über das Internet nutzen. Ich
kann diese Einschätzung nicht ganz teilen; ich habe den
Eindruck, dass die Spediteure eher ein bisschen darauf
spekulieren, dass sie auch so durchkommen werden.
Können Sie mir bestätigen, dass von den schönen Kon-
trollbrücken, die über unseren Autobahnen errichtet
wurden, aus technischen Gründen nur 10 Prozent gleich-
zeitig scharf gestellt werden können, sodass es durchaus
ein Sport von Spediteuren werden könnte, zu versuchen,
ohne Kontrolle auf deutschen Autobahnen durchzukom-
men?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Aber sie wissen nicht, welche im jeweiligen Moment
scharf sind. Von daher denke ich, dass das Risiko, er-
wischt zu werden, sehr groß ist.
Wir haben deutlich gemacht, dass wir von Anfang an
streng kontrollieren, damit Mautprellerei nicht vor-
kommt. Mitarbeiter des BAG werden mit 500 Fahrzeu-
gen unterwegs sein und das streng kontrollieren.
(Markus Löning [FDP]: Das können Sie in
dem Bereich doch nicht leisten!)
– Doch, das kann man sehr wohl leisten. Die Kontroll-
dichte ist insgesamt relativ hoch.
Herr Weiß, ich glaube, sie unterschätzen ein bisschen
die Spediteure. Der eine oder andere mag geglaubt ha-
ben, der Mautstart kommt nicht. Aber Zeit ist Geld. Ich
bin mir nicht sicher, ob der Chef das so toll findet, wenn
ein Mitarbeiter ihm mitteilt, dass er leider fünf Stunden
damit verbracht hat, sich irgendwo einzubuchen. Das
macht er vielleicht einmal, aber beim zweiten Mal wird
sicherlich im Vordergrund stehen, damit keine wertvolle
Zeit zu vertrödeln. Ich habe manchmal das Gefühl, dass
viele meinen, das Speditionsgewerbe befindet sich ir-
gendwo in der Steinzeit. Das tut es nicht. Der eine oder
andere mag auch geglaubt haben, die Maut werde nicht
kommen. Die Spediteure wollen sicherlich keine Zeit
unproduktiv verbringen. 850 000 On Board Units stehen
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ur Verfügung und können eingebaut werden; das ist
berhaupt kein Problem. Ich kann alle nur auffordern,
ie bequemste Methode zu wählen: Das ist die On Board
nit.
Präsident Wolfgang Thierse:
Immerhin habe ich jetzt gelernt, dass Brücken „scharf
estellt“ werden können. Das wusste ich noch nicht.
Damit rufe ich Frage 57 des Kollegen Hellmut
önigshaus auf:
Ist die Bundesregierung bereit, meine Fragen 35 und 36
für die Fragestunde am 1. Dezember 2004 – Bundestags-
drucksache 15/4284 – vollständig zu beantworten, insbeson-
dere dazu Stellung zu nehmen, weshalb das Eisenbahn-Bun-
desamt, EBA, in dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Mai
2001 in Kenntnis der von der Bundesregierung in der Beant-
wortung meiner mündlichen Frage 17 in der Fragestunde am
10. November 2004 durch den Parlamentarischen Staatssekre-
tär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen, Achim Großmann, genannten Umstände – Plenarproto-
koll 15/137, Seite 12557 B – und im Gegensatz zu der sich
daraus ergebenden zwingenden Folge, dass wegen der Ver-
schleppung des Anhörungsverfahrens zur Planfeststellung der
Dresdner Bahn zusätzlicher Verkehr über die Anhalter Bahn
geleitet werden muss, den Anspruch der Anwohner auf Lärm-
schutz mit der Begründung zurückweisen konnte, es gebe
„gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass Verkehr von
der Dresdner Bahn über die Anhalter Bahn geleitet wird“, und
wie bewertet es die Bundesregierung rechtlich, insbesondere
auch strafrechtlich, dass die Vorhabensträgerin und das EBA
diese Behauptung auch im Verfahren vor dem Bundesverwal-
tungsgericht aufrechterhielten?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Herr Königshaus, aufgrund des Sachzusammenhangs
öchte ich die Fragen 57 und 58 gerne gemeinsam be-
ntworten.
Präsident Wolfgang Thierse:
Dann rufe ich auch die Frage 58 auf:
Ist die Bundesregierung ferner bereit, dafür Sorge zu tra-
gen, dass vor Inbetriebnahme der Strecke, die für 2006 vorge-
sehen ist, noch diejenigen Lärmschutzeinrichtungen errichtet
werden, die bei dem ausweislich der Antworten auf die vorge-
nannten Fragen tatsächlich zu erwartenden Verkehrsaufkom-
men zuerkannt werden müssen?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Zunächst möchte ich auf die Kernaussagen der Ant-
orten von Herrn Kollegen Großmann auf Ihre
ragen 35 und 36 vom 1. Dezember 2004 Bezug neh-
en.
Die Bundesregierung hält am Pilzkonzept fest, dessen
estandteil die wieder aufzubauende Dresdner Bahn ist.
nsofern kann es sich bei der Führung von Zügen zum
lughafen Berlin Brandenburg International über die
nhalter Bahn oder über die Stadtbahn lediglich um ei-
en befristeten, derzeit allerdings nicht bestimmbaren
eitraum handeln. Wie viele Züge davon über die An-
alter Bahn geführt werden könnten und ob dadurch das
13754 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens
der Lärmschutzbemessung zugrunde gelegte Betriebs-
programm überschritten würde, ist derzeit ungewiss.
Aufgrund des weiterhin gültigen Pilzkonzeptes für
den Ausbau des Knotens Berlin bestand für das Eisen-
bahn-Bundesamt keine Veranlassung, im Verfahren vor
dem Bundesverwaltungsgericht von den Feststellungen
im Planfeststellungsbeschluss abzuweichen. Auch das
Bundesverwaltungsgericht, das von Amts wegen ermit-
telt, ist zu keinem anderen Ergebnis gelangt.
Bezüglich der Prognosen – das gilt auch für die Pro-
gnose im Hinblick auf das der Lärmschutzbemessung
zugrunde gelegte Betriebsprogramm für die Anhalter
Bahn – möchte ich darauf hinweisen, dass deren Eintre-
ten von in der Zukunft liegenden Unwägbarkeiten be-
einflusst wird. Die tatsächliche Zugzahl zu einem
bestimmten Zeitpunkt kann sowohl über als auch unter
derjenigen des Betriebsprogramms liegen.
Im konkreten Fall sind diesen Unwägbarkeiten zwei
Termine unterworfen: sowohl die Inbetriebnahme der
Dresdner Bahn als auch die Schienenanbindung zum
Flughafen Berlin Brandenburg International. Derzeit
kann nicht definitiv beurteilt werden, ob und, wenn ja,
wie viele Züge über welchen Zeitraum die Anhalter
Bahn anstelle der noch nicht fertig gestellten Dresdner
Bahn benutzen müssten. Insoweit sind alle Annahmen
über ein zukünftig geändertes Betriebsprogramm für die
Anhalter Bahn reine Spekulation, sodass sie nicht als
Prognose für ein neues Betriebsprogramm tauglich sein
können.
In diesem Zusammenhang darf ich auf die Ausfüh-
rungen des Bundesverwaltungsgerichtes im genannten
Verfahren – Seite 20 des Urteils – Bezug nehmen. Dort
heißt es:
Schlüssige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der
in der schalltechnischen Untersuchung enthaltenen
Bestandsaufnahmen und Prognosen des Eisenbahn-
betriebes sind diesem Vorbringen ebenso wenig zu
entnehmen wie bei der erschütterungstechnischen
Untersuchung. Die Äußerung von Fragen, Zweifeln
oder Vermutungen reicht hierfür nicht aus.
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der An-
nahme, dass und wie viele Züge auf die Anhalter Bahn
umgeleitet werden könnten, um Vermutungen, die nach
der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichtes die Rechtmäßigkeit der im Planfeststellungsbe-
schluss gemachten Annahmen nicht tangieren. Daher
war auch das Verhalten des Eisenbahn-Bundesamtes als
Planfeststellungsbehörde korrekt. Insoweit kann die
Bundesregierung nur ein rechtmäßiges Verwaltungshan-
deln konstatieren. Der Vorwurf einer strafrechtlichen Re-
levanz ist somit abwegig.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz
zu den gemachten Ausführungen das Umschwenken auf
eine spekulative Prognose, die zudem noch den Endaus-
bau des Knotens Berlin mit der Dresdner Bahn auf
Dauer negiert, als rechtlich bedenklich einzuschätzen ist
und sich deshalb verbietet. Des Weiteren ist darauf hin-
zuweisen, dass der Start- und der Zielort von Zügen, die
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ber die Anhalter Bahn verkehren, unbeachtlich ist.
aßgeblich ist lediglich die Anzahl der über diese Stre-
ke verkehrenden Züge und deren Emissionen.
Sollten die Lärmauswirkungen nach Inbetriebnahme
er Strecke wesentlich über den prognostizierten Werten
iegen, können die Betroffenen Ansprüche auf Anord-
ung von nachträglichen Schutzmaßnahmen gemäß § 75
bs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz beantragen.
ch zitiere:
Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorha-
bens oder der dem festgestellten Plan entsprechen-
den Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach
Unanfechtbarkeit des Planes auf, so kann der Be-
troffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Un-
terhaltung von Anlagen verlangen, welche die
nachteiligen Wirkungen ausschließen.
as Eisenbahn-Bundesamt entscheidet über diese An-
räge. Gegen diese Entscheidung stehen den Betroffenen
echtsmittel zur Verfügung. Insofern sind die Ansprü-
he der Betroffenen eindeutig geregelt.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollege Königshaus.
Hellmut Königshaus (FDP):
Frau Staatssekretärin, Sie haben zwar sehr ausführlich
eantwortet, aber leider den Kern der Frage nicht getrof-
en.
Es geht darum, dass die Bundesregierung inzwischen
u der Auffassung gekommen ist, dass die Dresdner
ahn aufgrund von Vorgängen, die dem Eisenbahn-Bun-
esamt als Planfeststellungsbehörde zu dem genannten
eitraum bereits bekannt waren, nicht rechtzeitig fertig
erden wird, sodass der Verkehr über die Anhalter Bahn
eleitet werden wird, was vor dem Bundesverwaltungs-
ericht anders dargelegt worden ist. Ich bitte darum, zu-
ächst die Frage zu beantworten, wie es zu dieser unter-
chiedlichen Wertung durch die Bundesregierung
ommen konnte.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir an dem Pilz-
onzept festhalten. Insofern gibt es keine Änderungen.
bgesehen davon kann ein Planfeststellungsverfahren,
ie Sie wissen, von uns in keiner Weise beeinflusst wer-
en.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Kollege Königshaus.
Hellmut Königshaus (FDP):
Sie werden verstehen, dass ich kurz vor der Verzweif-
ung bin, –
Präsident Wolfgang Thierse:
Lieber nicht.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13755
(A) )
(B) )
Hellmut Königshaus (FDP):
– weil die Frage meiner Meinung nach wieder nicht
beantwortet wurde. Offenbar wollen Sie sie auch nicht
beantworten.
Noch einmal: Im Planfeststellungsbescheid ist als maß-
gebliches Datum ausdrücklich das Jahr 2010 genannt; die-
ses Datum wurde vom Bundesverwaltungsgericht
zugrunde gelegt. Vor Gericht wurde von der Vorhabens-
trägerin und vom Eisenbahn-Bundesamt übereinstim-
mend vorgetragen, dass im Jahre 2010 der Verkehr der
Dresdner Bahn nicht über die Anhalter Bahn umgeleitet
wird, weil es dafür keine Anhaltspunkte gebe, obwohl es
diese Anhaltspunkte schon gab; denn die Vorgänge, die
der Herr Staatssekretär Großmann hier genannt hat, wa-
ren zum damaligen Zeitpunkt schon bekannt. Meine
Frage ist: Wie erklären Sie sich das? Wie bewerten Sie es
strafrechtlich, dass das Eisenbahn-Bundesamt in Kennt-
nis dieser Fakten vor dem Bundesverwaltungsgericht fal-
sche Angaben gemacht hat?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Ich habe vorhin schon einmal gesagt, dass dies straf-
rechtlich nicht zu bewerten ist, weil es strafrechtlich
überhaupt keine Relevanz hat. Ich habe Ihnen gerade
eine Antwort gegeben, die Sie aber nicht akzeptiert ha-
ben.
Ich habe Ihnen gesagt, dass die Betroffenen dann,
wenn die Auswirkungen anders sein werden als prognos-
tiziert, ihre Ansprüche geltend machen können. Den von
mir aufgezeigten wunderbaren Weg haben Sie aber nicht
zur Kenntnis genommen. Die Hauptaussage ist, dass die
Einhaltung des Datums zur Fertigstellung angestrebt
wird und es von unserer Seite keine Abstriche am Kon-
zept gibt. Insofern halte ich Ihre Frage für beantwortet.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ihre letzte Zusatzfrage.
Hellmut Königshaus (FDP):
Herr Präsident, ich habe zwei Fragen gestellt, die zu-
sammenhängend beantwortet wurden. Meine erste Zu-
satzfrage war nur, warum die erste Frage nicht beantwor-
tet wurde. Ich habe also noch mindestens zwei
Zusatzfragen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ihre Frage 57 ist schon von einer solchen Länge, dass
ich Ihnen dafür Respekt zolle: ein Satz mit 30 Zeilen.
Hellmut Königshaus (FDP):
Ich habe mich bemüht, mithilfe Ihrer Verwaltung die
Vorschriften einzuhalten, Herr Präsident.
Frau Staatssekretärin, ich habe nicht danach gefragt,
welchen Weg die Betroffenen gehen können. Das würde
ich mit meiner nächsten Zusatzfrage tun. § 75 Abs. 2
Verwaltungsverfahrensgesetz kenne ich selbstverständ-
lich auch. Aber dieser Weg nötigt den Betroffenen wie-
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erum ein kosten- und arbeitsintensives Verwaltungsver-
ahren auf.
Hier geht es um die Frage, ob diese Leute – salopp ge-
agt – von einer Behörde über den Tisch gezogen wur-
en und ob sie gezwungen werden, einen solchen Weg
u gehen. Wenn die Behörde erkennt – sie hat es ja of-
enbar erkannt –, dass sie falsch lag – ob vorsätzlich oder
icht, ist nach Ihrer Aussage nicht erkennbar –, kann sie
ann nicht verpflichtet werden, die Anwohner so zu stel-
en, als ob rechtmäßig verfahren worden wäre?
(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Er hat die Antwort selbst ge-
geben!)
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll.
ir sind nicht Beteiligte. Das Eisenbahn-Bundesamt ist
eteiligt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eindeutig
esagt, dass die Äußerungen von Fragen, Zweifeln und
ermutungen nicht ausreichen. Damit müssen auch Sie
ich abfinden.
Ich kann Ihr Anliegen verstehen. Auch ich habe mit
ielen dort gesprochen. Vielleicht mag das auf der Er-
cheinungsebene nicht befriedigend sein, aber das ist der
echtliche Weg, der hier beschritten wurde.
Präsident Wolfgang Thierse:
Nun aber die letzte Zusatzfrage, Kollege Königshaus.
Hellmut Königshaus (FDP):
Auf dem Kompromisswege bin ich damit einverstan-
en.
Präsident Wolfgang Thierse:
Dann bin ich ja zufrieden.
Hellmut Königshaus (FDP):
Frau Staatssekretärin, sind Sie auch der Auffassung,
ass es dem Eisenbahn-Bundesamt, einer Behörde, die
er Dienstaufsicht Ihres Hauses unterliegt, gut angestan-
en hätte, in dem Verfahren vor dem Bundesverwal-
ungsgericht wahrheitsgemäß über Umstände auszusa-
en, die damals bekannt waren und die, wie wir nun
issen, relevant sind? Denn es findet ein Verkehr statt,
er seinerzeit im Verfahren bestritten wurde. Sind Sie
ngesichts dieser Erkenntnisse dazu bereit, auf das Ei-
enbahn-Bundesamt einzuwirken, damit Nachbesserun-
en, die übrigens gar nicht so aufwendig sind, vorge-
ommen werden?
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Nein, dazu bin ich nicht bereit. Sie wissen ganz ge-
au, dass ich keiner nachgeordneten Behörde in dieser
rage irgendeine Anweisung geben kann. Das betrifft
uch das EBA. Daher ist meine eindeutige Antwort:
ein.
13756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Präsident Wolfgang Thierse:
Danke schön.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Die Aktuelle Stunde ist für 16 Uhr vereinbart. Ich un-
terbreche deshalb die Sitzung bis 16 Uhr.
(Unterbrechung von 15.52 bis 16.01 Uhr)
Präsident Wolfgang Thierse:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Die Fraktion der FDP hat zu den Antworten der Bun-
desregierung auf die Fragen 15 bis 23 eine Aktuelle
Stunde verlangt. Das entspricht I 1 b der Richtlinien für
Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen In-
teresse. Die Aussprache muss unmittelbar nach Schluss
der Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepu-
blik China
Bevor ich die Aussprache eröffne, erteile ich dem
Kollegen Burgbacher das Wort zu einer Geschäftsord-
nungsbemerkung.
Ernst Burgbacher (FDP):
Herr Präsident! Die FDP-Bundestagsfraktion ist der
Meinung, dass bei der Aussprache über dieses wichtige
Thema der Bundesaußenminister hier im Plenum anwe-
send sein muss. Ich beantrage deshalb nach § 42 der Ge-
schäftsordnung des Bundestages, den Bundesminister
des Auswärtigen herbeizurufen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Gibt es zu diesem Geschäftsordnungsantrag Bemer-
kungen? – Kollegin Schewe-Gerigk, bitte.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
FDP wünscht die Anwesenheit von Bundesaußenminis-
ter Fischer in dieser Debatte. Sie haben uns vor einer
Stunde darüber informiert. Ich habe versucht, den Au-
ßenminister zu erreichen, und muss Ihnen leider mittei-
len, dass er sich derzeit in einem Gespräch mit dem ar-
gentinischen Außenminister befindet. Er bittet darum,
dass Herr Staatsminister Bury für ihn die Rede hält.
(Zustimmung bei Abgeordneten des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Burgbacher, sind Sie mit dieser Antwort, mit
dieser Reaktion zufrieden?
(Ernst Burgbacher [FDP]: Wir bitten um
Abstimmung!)
– Gut, ich wollte nur Ihre Reaktion hören.
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Wir stimmen also über den Geschäftsordnungsantrag
er FDP-Fraktion auf Herbeizitierung des Bundesaußen-
inisters ab. Wer ist für diesen Antrag? – Wer stimmt
agegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koali-
ionsfraktionen abgelehnt.
Ich eröffne die Aussprache zur Aktuellen Stunde und
rteile das Wort dem Kollegen Dr. Guido Westerwelle,
DP-Fraktion.
(Peter Dreßen [SPD]: Und das mit oranger
Krawatte!)
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Her-
en! Die Menschenrechtsorganisation Amnesty Interna-
ional hat in dieser Woche klare Worte zur Menschen-
echtslage in China gefunden. Amnesty International
chreibt:
Die Menschenrechtslage in China hat sich auch un-
ter der neuen Führung nicht verbessert. Auch
15 Jahre nach dem Massaker auf dem Platz des
Himmlischen Friedens in Peking sind Menschen al-
lein deswegen in Haft, weil sie sich an der Protest-
bewegung beteiligt hatten. Wer darauf dringt, dass
die schweren Menschenrechtsverletzungen von
1989 untersucht werden, der muss mit Repressio-
nen bis hin zur Inhaftierung rechnen. Im ganzen
Land werden Menschen aus politischen Gründen
willkürlich inhaftiert, werden Häftlinge gefoltert
und misshandelt. Jedes Jahr werden Tausende zum
Tode verurteilt und hingerichtet.
ie Generalsekretärin von Amnesty International, Frau
ochbihler sagt dazu:
Die EU ist deswegen auf dem falschen Weg, wenn
sie erwägt, das Waffenembargo gegen China aufzu-
heben.
ir unterstützen Amnesty International hier im Deut-
chen Bundestag.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Winfried Nachtwei [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Wer würde Amnesty
nicht unterstützen?)
Der deutsche Bundeskanzler hat bei seiner letzten
eise nach China in der vergangenen Woche entgegen
er Auffassung dieser Menschenrechtsorganisation, aber
uch entgegen einem entsprechenden Beschluss dieses
ohen Hauses abermals die Aufhebung des Waffenem-
argos gegen China vorgeschlagen. Er hat angekündigt,
ass er sich in Europa dafür einsetzen wird, dass dieses
affenembargo fällt. Er hat wörtlich gesagt:
Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass es zu einer
Aufhebung des Waffenembargos kommen sollte.
Von Staatsminister Bury haben wir in der Fragestunde
ben erfahren, dass das nicht ins Blaue hinein formuliert
orden ist, sondern dass es am nächsten Freitag auf der
agesordnung des Europäischen Rates steht. Deswegen
ntspricht diese Aktuelle Stunde jedem parlamentari-
chen Recht. Darüber hinaus existiert eine ganz beson-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13757
(A) )
(B) )
Dr. Guido Westerwelle
dere Dringlichkeit, dass wir hier im Deutschen Bundes-
tag darüber sprechen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die Ratifizierung und Umsetzung des VN-Paktes
über politische und bürgerliche Rechte, weitere Umset-
zungen der jüngsten Verfassungsänderungen im Bereich
der Menschenrechte und des Privateigentums, die Stär-
kung substanzieller Autonomierechte für ethnische Min-
derheiten, das alles sind nach Auffassung der Mehrheit
des Deutschen Bundestages – SPD und Grüne hatten ei-
nen entsprechenden Antrag gestellt – die Voraussetzun-
gen, die erfüllt sein müssen, bevor eine Aufhebung des
Waffenembargos auch nur in Betracht gezogen werden
kann.
Herr Staatsminister Bury teilte uns hier mit, er habe
diese Beschlusslage mit Respekt und Interesse zur
Kenntnis genommen.
(Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja unverschämt! –
Zuruf von der CDU/CSU: Immerhin!)
Wo sind wir gelandet, wenn ein Beschluss des Deut-
schen Bundestages nach Auffassung der Bundesregie-
rung für sie nichts anderes ist als etwas, was man mit In-
teresse und Respekt zur Kenntnis nimmt?
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Pfui!)
Sie können im Ausland nicht frei schalten und frei wal-
ten. In China war nicht der Bürger Schröder, der seine
Privatmeinung vertritt, sondern der Regierungschef der
Bundesrepublik Deutschland. Die Mehrheit in diesem
Hause, die die Menschen der Bundesrepublik Deutsch-
lands vertritt, ist der Auffassung: keine Aufhebung des
EU-Waffenembargos. Deswegen fordern wir die Bun-
desregierung auf, am Freitag gegen eine Aufhebung des
Waffenembargos zu kämpfen und zu stimmen und ihren
Irrweg in Bezug auf die Menschenrechte zu beenden.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Man möge sich nur vor Augen führen, was der deut-
sche Außenminister gesagt hat, als er noch in der Oppo-
sition war. 1996 hat er in einer bemerkenswerten, großen
Debatte, an die ich mich persönlich noch erinnere, ge-
sagt: Die Menschenrechte dürfen wirtschaftlichen Bezie-
hungen nicht geopfert werden. – Das ist die Haltung der
Freien Demokraten; das ist die Haltung von uns als Ab-
geordneten der Opposition in diesem Hause. Wir sind
der Überzeugung: Ziviler Handel mit China – damit
auch Wandel in China – ist richtig. Aber es ist ein Unter-
schied, ob man zivilen Handel befördert oder ein Waffen-
embargo aufhebt. Die Sache der Menschenrechte ist für
uns keine Handelsware. Die Menschenrechte sind für
alle in der Welt verbindlich. Ein großer Mann hat gesagt
– ich zitiere –: Es gibt eine Pflicht zur Einmischung in
die inneren Angelegenheiten der Menschenrechte. Das
sagte Heinrich Böll, meine sehr geehrten Damen und
Herren von den Grünen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
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Wir sagen deshalb: Es ist ein trauriger Tiefpunkt in
er Moral der deutschen Außenpolitik. Wir kritisieren
as als Abgeordnete, als Parlamentarier. Es ist schlech-
erdings unanständig, wenn sich die deutsche Bundesre-
ierung einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Ver-
inten Nationen durch die Aufhebung des
affenembargos gegen China und durch die Missach-
ung der Menschenrechte erkaufen will. Das ist ein Kuh-
andel. Das hat mit Moral und Ethik nichts mehr zu tun.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Das stimmt überhaupt nicht! – Dr. Ludger
Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
stimmt doch überhaupt nicht!)
ie sind nur noch Abgeordnete, die degradiert worden
ind.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie haben eine Profilneurose! Das ist
das Problem!)
hre Meinungen werden nicht gehört, sondern „mit Inte-
esse zur Kenntnis genommen“.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Falsch! – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Das Problem ist Ihre Profil-
neurose!)
as ist nicht unser Parlamentsverständnis.
Wir sind der Auffassung: Menschenrechte müssen
elten. Sie müssen von der deutschen Außenpolitik ver-
reten werden. Wer die Menschenrechte nicht achtet, der
ird übrigens auch mit Sicherheit keine gute wirtschaft-
iche Entwicklung erreichen. Deswegen wenden wir uns
egen diese Politik der Bundesregierung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
ir appellieren an die Bundesregierung, umzukehren.
ir erwarten vom deutschen Außenminister, dass er
icht nur auf Parteitagen der Grünen über Menschen-
echte spricht. Er ist in der Verpflichtung, entsprechend
u handeln. Er ist der Stellvertreter des Bundeskanzlers.
er so über Menschenrechte spricht, ist auf dem morali-
chen Tiefpunkt seiner Politik angekommen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Sie sind aufgeblasen!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Staatsminister Hans Martin Bury das Wort.
Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
arteipolitisch motivierten Auseinandersetzungen wer-
en mitunter Ziele und Instrumente verwechselt. Ich bin
avon überzeugt, dass wir uns in der Zielsetzung weitge-
end einig sind.
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Hat
das der Fischer aufgeschrieben?)
13758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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Staatsminister Hans Martin Bury
Wir wollen die Partnerschaft mit China stärken, wollen
dazu beitragen, dass dort Menschen- und Minderheiten-
rechte geachtet, demokratische und marktwirtschaftliche
Reformen fortgesetzt und Konflikte friedlich gelöst wer-
den.
Die Verhängung des Waffenembargos der Europäi-
schen Union im Jahre 1989 war ein starkes Signal dafür,
dass Europa die blutige Niederschlagung der Studenten-
proteste in Peking auf dem Platz des Himmlischen Frie-
dens nicht akzeptiert. Das Embargo war Ausdruck der
weltweiten Empörung über die grausame Unterdrückung
der friedlichen Demonstrationen für Demokratie und
Menschenrechte.
In den 15 Jahren seither hat sich die Situation in
China und haben sich die europäisch-chinesischen Be-
ziehungen entwickelt, und zwar trotz aller Defizite, trotz
aller noch zu lösenden Probleme positiv entwickelt. Das
China von heute ist nicht mit dem China von 1989 zu
vergleichen. In den letzten Jahren haben sich die indivi-
duellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesell-
schaft erheblich erweitert. Die Menschenrechte wurden
in die Verfassung aufgenommen. Bei ihrer Anwendung
gibt es unbestreitbare Verbesserungen. Eine Reihe von
Gesetzen stärkt zudem die individuellen Rechte des Ein-
zelnen. Mit dem Beitritt zur WTO hat sich China ver-
pflichtet, auch internationale Rechtsnormen beim Han-
del anzuerkennen.
Dort, wo weiter Defizite bestehen, sprechen wir diese
offen an.
(Lachen des Abg. Hermann Gröhe [CDU/
CSU])
Der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ist ein-
deutig, etwa wenn er die in allen politischen Fragen zen-
tral und straff gelenkte Presse, Verurteilungen ohne
rechtsstaatliche Verfahren und die Unterdrückung der ti-
betischen Kultur kritisiert. Wir erwarten, dass die Volks-
republik China den internationalen Pakt über bürgerliche
und politische Rechte rasch ratifiziert und umsetzt. Die
individuellen Rechte der Bürger würden dadurch besser
geschützt.
Wir unterstützen China im Rahmen des Rechtsstaats-
dialogs etwa bei der Ausbildung von Richtern. So haben
sich im Jahr 2002 erstmals Zehntausende chinesischer
Jurastudenten einer Prüfung zur Befähigung zum Rich-
teramt unterzogen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg
zu einer Professionalisierung der Richterschaft.
Wir wissen, dass die ökonomische Entwicklung eben-
falls zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft beiträgt und
damit auch den Druck aus der chinesischen Gesellschaft
selbst auf die Einhaltung bürgerlicher Freiheitsrechte er-
höht.
Das Embargo, so richtig seine Verhängung 1989 war,
hat sich im Hinblick auf die Erreichung der genannten
Ziele nur bedingt als geeignetes Instrument erwiesen.
Erst recht ist zu fragen, ob es in Zukunft für eine positive
Entwicklung eher förderlich oder hinderlich ist.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind ent-
schlossen, die Arbeiten für eine Aufhebung des Embar-
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os fortzusetzen. Die Entscheidung über eine Aufhe-
ung wird auf der Grundlage von Fortschritten in den
nderen Bereichen der Beziehungen zwischen China und
er Europäischen Union erfolgen. Unser Ziel ist dabei
icht die Steigerung von Waffenexporten aus EU-Mit-
liedstaaten nach China. Auch nach einer Aufhebung
es Embargos gelten die strengen nationalen Rüstungs-
xportbeschränkungen.
Im europäischen Rahmen setzen wir uns für eine Stär-
ung des Verhaltenskodex ein, der insbesondere die Kri-
erien Menschenrechte, Stabilität und Sicherheit in der
egion sowie die nationale Sicherheit befreundeter und
lliierter Länder beinhaltet.
(Beifall des Abg. Dr. Ludger Volmer [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Dirk Niebel [FDP]:
Ein Bundestagsbeschluss ist euch nichts wert!)
ch möchte die Bedeutung einer baldigen Verabschie-
ung eines solchen weiterentwickelten, verbindlichen
odex ausdrücklich unterstreichen.
„Keine Angst vor den Chinesen“, so war ein Namens-
rtikel des früheren Bundesaußenministers Hans-
ietrich Genscher in der gestrigen Ausgabe des „Tages-
piegels“ überschrieben. Genscher unterstreicht darin
ie Kontinuität deutscher Außenpolitik gegenüber China
nd betont – ich zitiere –:
Die auf Wettbewerb ausgerichteten westlichen Ge-
sellschaften sollten in der steigenden Wettbewerbs-
fähigkeit Chinas nicht eine Bedrohung, sondern ei-
nen dynamischen Faktor für die immer deutlicher
werdende multipolare Weltordnung sehen.
(Zuruf von der SPD: Aha! – Beifall bei Abge-
ordneten der FDP – Dr. Guido Westerwelle
[FDP]: Ein guter Satz von Genscher!)
Kollege Westerwelle, Sie dürfen auch nach dem nächs-
en Satz gerne klatschen. Herr Genscher schreibt näm-
ich weiter:
Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich das
Bemühen der Bundesregierung um eine Vertiefung
der deutschen und europäischen Beziehungen zu
China als weitsichtig.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Ist es
nicht schön? Wie sind uns doch wunderbar ei-
nig! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Kein Ton
zum Waffenembargo! Das hat er heute Mittag
selbst noch gesagt!)
Die heutige Kritik der FDP an der Chinapolitik und
ie Auseinandersetzung der CDU/CSU mit der Frage der
ufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
eigen, wie weit Ihre Parteien, wie weit CDU/CSU und
DP von der Regierungsverantwortung entfernt sind.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Selten so et-
was Blödes gehört! – Dr. Friedbert Pflüger
[CDU/CSU]: Die Ihrigen doch auch!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13759
(A) )
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Staatsminister Hans Martin Bury
Lassen Sie uns gemeinsam Defizite offen ansprechen,
nicht in der Absicht, andere vorzuführen, sondern mit
dem Ziel, die Probleme zu lösen. Lassen Sie uns positive
Entwicklungen verstärken und unterstützen, so, wie es
die Europäische Union und die Bundesregierung mit ih-
rer Chinapolitik tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Und wann sagt
der auch noch etwas zum Thema?)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Andreas Schockenhoff,
CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Dass wir nicht an der Regierung sind, ist ein Fak-
tum.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das bleibt auch so als
Faktum stehen!)
Die Parteivorsitzende der CDU hat aber in Europa
durchaus Einfluss. Das hat man bei der Besetzung der
Kommission und bei der Auswahl des neuen Kommis-
sionspräsidenten gemerkt. Ihr Kandidat war ja wohl je-
mand anderes. Frau Merkel hat da doch eigene Mehrhei-
ten in Europa organisieren können.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sehr rich-
tig!)
Ich glaube durchaus auch, dass wir in Bezug auf die
Frage des Beitritts der Türkei nicht auf einem Stern le-
ben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Westerwelle, Sie haben zu Recht darauf hinge-
wiesen, dass am Freitag das Thema „Waffenembargo ge-
gen China“ auf der Tagesordnung des Europäischen Ra-
tes steht. Dorthin gehört es. Es wäre richtiger gewesen,
sich dort konstruktiv zu diesem Thema einzulassen,
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Vorher schon!)
als zum wiederholten Male im Ausland deklamatorisch
und einseitig zu verkünden, was sich in Europa zu verän-
dern habe.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Genau das aber hat Bundeskanzler Schröder schon vor
einem Jahr bei seiner letzten Chinareise getan. Wir hat-
ten ihn daraufhin im Auswärtigen Ausschuss dafür kriti-
siert, dass er das ohne Abstimmung mit den europäi-
schen Partnern getan habe. Darauf hat Bundeskanzler
Schröder wortwörtlich geantwortet: Das war europäisch
abgestimmt, ich habe mit dem Chirac telefoniert.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das freut alle
anderen!)
Meine Damen und Herren, ein solches europäisches Di-
rektorium verhindert die Herausbildung einer gemeinsa-
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en diplomatischen und sicherheitspolitischen europäi-
chen Identität.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dieses Verhalten ist ja auch kein Einzelfall. Ganz
gal, wie man in der Sache zu den jeweiligen Problemen
teht, ist zu sagen: Die Art und Weise, wie Sie Ihre Irak-
olitik betrieben haben und vor allem die Irakresolutio-
en im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorbereitet
aben, die Art und Weise, wie Sie sich um die Zustim-
ung für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat bemü-
en,
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Was hat das denn mit China zu tun?)
ie Art und Weise, wie Sie jetzt beim Waffenembargo
orgehen, zeigt kein europäisches Gespür, sondern stellt
ine rein auf äußere Effekte ausgerichtete renationali-
ierte deklamatorische Außenpolitik dar.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
hre Politik stimmt im Übrigen mit der Wirklichkeit
ngst nicht mehr überein und ist auch nicht konsistent.
ir haben uns vor einigen Jahren darüber unterhalten,
b Taiwan aus Deutschland einen Beobachtungssatelli-
n geliefert bekommen darf, den so genannten Rocsat.
amals hatte die DASA den Wettbewerb gewonnen.
iese Bundesregierung hat eine Exportgenehmigung
erweigert, und zwar mit zwei Argumenten: Zum einen
ei die Straße von Taiwan Spannungsgebiet und
eutschland liefere nicht in Spannungsgebiete und zum
nderen wolle sie Rücksicht nehmen auf die Wirtschafts-
teressen der deutschen Industrie.
Meine Damen und Herren, die industrielle Integration
Europa ist aber viel weiter gegangen. Nummer zwei
ar damals nämlich die französische Firma Aerospatial;
ie hat geliefert. Sie haben jetzt – wir freuen uns da-
über – Verträge mit China in Höhe von
,3 Milliarden Euro unterzeichnet, weil Sie auf die Wirt-
chaftsinteressen Rücksicht genommen haben. Chirac
at damals geliefert; eine Woche vorher hat er Verträge
Höhe von 4 Milliarden Euro unterzeichnet. Auch das
reut uns aus europäischer Sicht.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
In Bezug auf Rüstungsgüter bilden Aerospatial und
ASA heute ein gemeinsames, supranationales europäi-
ches Unternehmen. Dieses Unternehmen kann Rüs-
ngsgüter aus unterschiedlichen Standorten in Europa
nbieten. Tatsache ist, dass die EADS inzwischen Kapa-
itäten und Arbeitsplätze aus Deutschland, nämlich aus
einem Wahlkreis, Friedrichshafen, abgezogen hat, weil
ie unter dieser Bundesregierung am Standort Fried-
ichshafen Restriktionen unterliegt, die sie in Toulouse
nd an anderen Orten in Europa nicht hat. Deswegen ist
iese deklamatorische Politik, die Sie betreiben, ober-
lächlich und nicht konsistent.
Ich will im Hinblick auf die deutsche und die europäi-
che Rüstungsindustrie auf ein zweites Problem hin-
eisen. Ich rate Ihnen dringend, sich in der Frage des
13760 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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Dr. Andreas Schockenhoff
Waffenembargos gegen China eng mit unseren Verbün-
deten in den Vereinigten Staaten abzustimmen. Wir hal-
ten es aus Menschenrechtsgründen – der Kollege
Hermann Gröhe wird nachher darauf eingehen; auch
Herr Westerwelle hat es zu Recht gesagt – für unverant-
wortlich, das Waffenembargo aufzuheben. Aber wenn
das am Freitag innerhalb der EU geschieht, dann heißt
das nur, dass zwar nach europäischem Recht ein europäi-
sches Unternehmen wieder Waffen nach China liefern
könnte, zumindest theoretisch. Solange aber das ameri-
kanische Waffenembargo bestehen bleibt, ist es so, dass
ein Unternehmen, das dagegen verstößt, automatisch
von Kooperationen mit amerikanischen Firmen ausge-
schlossen wird. Insofern legen Sie den Unternehmen ein
Kuckucksei ins Nest. Auch das zeigt: Ihre Politik ist
nicht durchdacht. Sie ist auf den schnellen, tagespoliti-
schen Effekt ausgerichtet. Sie dient nicht deutschen Inte-
ressen und nicht unseren politischen Werten.
Ich bedanke mich.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried
Nachtwei, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer wie ich vor 25 Jahren erstmalig in China war, weiß
besonders um die rasante und oft faszinierende Verände-
rung in diesem Land. Uns ist die enorme und wachsende
Bedeutung der Volksrepublik China als Markt, als Wirt-
schaftsmacht, als Akteur in der internationalen Politik
und im UN-Sicherheitsrat sehr bewusst. Deshalb ist ein
Bemühen um partnerschaftliche und intensive Beziehun-
gen zur Volksrepublik China von zentraler Bedeutung.
Das EU-Waffenembargo wurde 1989 wegen des Mas-
sakers auf dem Tiananmen gegen China verhängt. 15 Jah-
re danach ist selbstverständlich eine Überprüfung ange-
sagt. Die chinesische Seite behauptet, das Embargo sei
nicht mehr zeitgemäß und Produkt des Kalten Krieges,
die Verknüpfung mit Menschenrechtsfragen sei – Zitat –
„Unsinn“. Es gehe darum, eine Diskriminierung in den
Beziehungen zwischen der EU und der Volksrepublik
China zu beseitigen; schließlich widerspreche das Em-
bargo der strategischen Partnerschaft zwischen der EU
und der Volksrepublik China.
(Harald Leibrecht [FDP]: Die Tibeter werden
auch diskriminiert!)
Das Embargo war keineswegs Produkt eines ideologi-
schen Antikommunismus, also einer Situation des Kal-
ten Krieges, sondern Reaktion auf schwerste Menschen-
rechtsverletzungen. Unzweifelhaft gibt es Fortschritte,
vor allem bei den sozialen Menschenrechten, der Redu-
zierung von Armut und im Rechtssystem. Zugleich aber
– das haben alle festgestellt – gibt es massive und gra-
vierende Defizite, vor allem bei den bürgerlichen und
politischen Rechten. Wir beklagen die häufige und ex-
tensive Anwendung der Todesstrafe, die massenhafte
Administrativhaft und den entsprechenden Umgang mit
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inderheiten. In der „Süddeutschen Zeitung“ fasste der
ommentator Kai Strittmatter die Situation so zusam-
en:
Der Kommunismus in China ist mausetot … Die
Diktatur der Partei ist quicklebendig.
Ginge es bei einer Aufhebung des Waffenembargos
m die Beendigung einer Diskriminierung? Schon die
raxis des Embargos beweist das Gegenteil: Seit Jahren
ird das EU-Waffenembargo von den einzelnen Mit-
liedstaaten sehr unterschiedlich ausgelegt. Im Jahre
002 lieferten Frankreich und Großbritannien Rüstungs-
üter – vor allem im so genannten Dual-Use-Bereich –
m Wert von 105 Millionen Euro bzw. im Wert von
9 Millionen Euro an die Volksrepublik China.
(Markus Löning [FDP]: Und da wollen auch
Sie dabei sein?)
Nach Einschätzung internationaler Analysten gibt es
ehr wohl konkrete Kaufinteressen aufseiten der Volks-
epublik China, vor allem im Bereich von Raketen- und
aketenabwehrsystemen, im Bereich der Steuerungs-
nd Leiteinrichtungen sowie im Bereich der Luftaufklä-
ung und Luftabwehr.
(Markus Löning [FDP]: Herr Bury hat uns
doch gerade das Gegenteil erzählt! Er hat ge-
sagt, es gebe nichts zu verkaufen!)
inzu kommt das augenfällige Exportinteresse einiger
uropäischer Staaten, vor allen Dingen Frankreichs. Für
ie Bundesrepublik Deutschland gilt aber eindeutig, dass
hina aufgrund unserer Rüstungsexportrichtlinien aus
em Kreis der Nationen, an die Rüstungsgüter geliefert
erden könnten, herausfallen würde.
(Zuruf von der FDP: Wie haben Sie denn im
Oktober abgestimmt?)
Eine strategische Partnerschaft zwischen Europäi-
cher Union und China ist richtig und notwendig. Aber
ie ist selbstverständlich keine Harmonieveranstaltung.
urch diese Partnerschaft werden die strategischen Inte-
essen der jeweiligen Partner keineswegs hinfällig und
ie werden auch nicht relativiert. Zu den strategischen
nteressen Deutschlands und Europas gehört selbstver-
tändlich die friedliche Konfliktlösung und Stabilisie-
ung nicht nur im europäischen Raum, sondern darüber
inaus auch im pazifischen Raum. Zu unseren strate-
ischen Interessen gehört ferner die transatlantische
artnerschaft.
Die Volksrepublik China hat mehrfach glaubwürdig
eutlich gemacht, gegebenenfalls auch militärisch gegen
aiwan vorzugehen. Das würde zu einer direkten Kon-
rontation mit den USA führen. Insofern darf und kann
ie Europäische Union nichts tun, was diesen Konflikt
erstärken und das chinesische Aufrüstungsprogramm
ördern könnte.
Der Bundestagsbeschluss vom 28. Oktober benennt
eutlich die Bedingungen, unter denen das Waffenem-
argo aufgehoben werden könnte. Hierbei sind einerseits
in weiterentwickelter und verbindlicher EU-Verhaltens-
odex und andererseits reale Fortschritte bei den Men-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13761
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Winfried Nachtwei
schen- und Minderheitenrechten sowie bei der friedli-
chen Beilegung des Streits mit Taiwan von zentraler
Bedeutung. Wir müssen feststellen, dass diese Bedin-
gungen zurzeit nicht erfüllt sind.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Aha!)
In dieser Bewertung ist sich die große Mehrheit der Ab-
geordneten dieses Hauses über alle Fraktionsgrenzen
hinweg mit dem Europäischen Parlament einig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
In einer repräsentativen Demokratie hat ein solches Vo-
tum – bei allem Respekt vor anderen Meinungen – ein
ganz besonderes Gewicht.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU und der FDP– Zuruf von der CDU/CSU:
Was heißt das jetzt? – Dr. Wolfgang Gerhardt
[FDP]: Was soll der Bundeskanzler jetzt
machen? – Harald Leibrecht [FDP]: Den Bun-
deskanzler juckt das überhaupt nicht!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Markus Löning, FDP-
Fraktion.
Markus Löning (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Nachtwei, es war schon sehr interessant, was Sie hier
ausgeführt haben. Denn Ihre Aussagen haben in großen
Teilen dem, was Herr Bury uns gerade weiszumachen
versucht hat – es gebe keinen Bedarf und niemand wolle
Rüstungsgüter an China verkaufen –, krass widerspro-
chen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Sie sollten sich bei Gelegenheit vielleicht einmal ein
bisschen abstimmen.
Herr Bury, Sie haben vorhin Herrn Genscher zitiert.
In einem Gespräch heute Morgen hat Herr Genscher aus-
drücklich klargestellt, dass er sich niemals für eine Auf-
hebung des Waffenembargos eingesetzt hat.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Insofern verstehe ich, dass Herr Fischer jetzt nicht an-
wesend ist. Was Waffenlieferungen angeht, hat Herr
Genscher nämlich ganz andere Maßstäbe als Herr
Fischer gesetzt.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)
Unter Genscher sind die Genehmigungen für Waffenex-
porte sehr viel restriktiver gehandhabt worden, als es un-
ter dem jetzigen Bundesaußenminister der Fall ist. Des-
wegen verstehe ich, wie gesagt, dass er heute lieber nicht
anwesend ist.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
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Ich kann mich gut daran erinnern, wie Herr Fischer
ier Bundeskanzler Kohl nach dessen Besuch der chine-
ischen Armee kritisiert hat. Auch Sie können sich doch
icherlich noch an diesen Affentanz erinnern. Jetzt ist
undeskanzler Schröder an der Regierung; Fischer ist
izekanzler und will Waffen liefern.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Er will keine Waffen liefern!)
Er will die Möglichkeit eröffnen, dass Waffen geliefert
erden. Das, worüber wir heute reden, hat eine ganz an-
ere Qualität.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Gernot Erler [SPD]: Das stimmt doch über-
haupt nicht!)
Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung zum
undesaußenminister machen und einen weiteren mögli-
hen Grund nennen – auch diesen könnte ich nachvoll-
iehen –, weshalb er heute nicht hier ist: Er wird durch
iese Art von Aktionen des Bundeskanzlers, durch diese
egafondiplomatie – über den Ticker oder über die
resse wird irgendetwas verlautbart – zum Schweigen
erurteilt. Er sitzt doch da, hat nichts mehr zu sagen und
ekommt auch den Mund nicht mehr auf.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig! – Zu-
ruf von der SPD: Mir kommen die Tränen!)
ch frage mich, wie sich dieser Mann noch auf einem
arteitag hinstellen und irgendetwas von werteorientier-
er Außenpolitik erzählen kann. Ich frage mich, warum
r sich das traut, obwohl er dem Bundeskanzler kein ein-
iges Mal in die Parade fährt, wenn er mit dem Megafon
ieder irgendwelche außenpolitischen Kehrtwendungen
erkündet.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wenn wir über die Aufhebung des Waffenembargos
eden, dann müssen wir auch überlegen, welches Signal
adurch gesendet wird. Ich verstehe nicht, dass Sie sich
as nicht mehr fragen. Was ist es denn für ein Signal für
aiwan, für ein Land, das demokratisch und rechtsstaat-
ich ist – Herr Nachtwei, Sie haben das zu Recht ange-
prochen –, wenn wir sagen, es sei in Ordnung, wenn
ich der nördliche Nachbar, der Taiwan gerne einverlei-
en würde und regelmäßig unter Waffengeklirre in ernst
u nehmender Weise droht, bei uns mit Waffen eindeckt?
as ist es für ein Verständnis von Demokratie und
echtsstaatlichkeit, die wir in dieser Welt unterstützen
ollen, wenn wir bei dieser Auseinandersetzung einfach
agen, es mache nichts aus, wenn China Waffen erhält,
bwohl die Volksrepublik – im Gegensatz zu Taiwan –
ein demokratisches Land ist?
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich frage mich dasselbe im Hinblick auf Hongkong:
as ist das für ein Signal für die Menschen in Hong-
ong? Wir hatten ein Treffen mit Liberalen aus Hong-
ong und dem gesamten asiatischen Raum, die sich dort
itter darüber beklagt haben, dass nur noch die Amerika-
er ihnen die Stange halten. Aus Europa, auch von der
eutschen Bundesregierung, ist zur Unterstützung der
13762 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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Markus Löning
Demokratie, zur Einhaltung dessen, was in Hongkong
vereinbart worden ist, nichts zu hören. Warum macht
sich die Bundesregierung nicht an dieser Stelle stark und
unterstützt die Menschen, die in Hongkong auch für De-
mokratie streiten?
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Ich glaube, man sollte an dieser Stelle das Beispiel
der Amerikaner – ich weiß, dass Sie es nicht allzu sehr
lieben – rekurrieren. Die Amerikaner verstehen es näm-
lich sehr gut, auf der einen Seite mit den Chinesen sehr
gut im Geschäft zu sein – wir alle wissen, dass sie es gut
verstehen, ihre Interessen im geschäftlichen Bereich zu
vertreten –, und scheuen sich auf der anderen Seite nicht,
den Mund aufzumachen und klare Worte zu sprechen,
wenn es um Fragen der Bedrohung der Demokratie so-
wie des Schutzes von Menschenrechten geht. Ich weiß
nicht, warum die deutsche Bundesregierung nicht ge-
nauso in der Lage sein sollte, wirtschaftliche Interessen
und den Einsatz für Menschenrechte in einem Atemzug
hinzubekommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär
Ditmar Staffelt das Wort.
(Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie mal was zum
Parlamentsverständnis dieser Regierung, Herr
Staffelt!)
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Arbeit:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zunächst möchte ich eine Anmerkung dazu ma-
chen, dass hier offensichtlich von der Opposition im
Hinblick auf das Embargo ein Gegeneinander von op-
portunistischen wirtschaftlichen Interessen einerseits
und den Menschenrechten, der Moral andererseits for-
muliert wird. Ich glaube, es handelt sich dabei um kom-
munizierende Röhren. Es gibt – das war übrigens auch
einmal die Politik der früheren schwarz-gelben Regie-
rung – den Ansatz von Kommunikation, Information
und Marktwirtschaft durch die Zusammenarbeit in For-
schung und Wissenschaft, um genau das, was wir wün-
schen, auszulösen: einen Prozess zur Demokratisierung
eines Landes. Dazu bekennen wir uns.
Da wir einen Rahmen von Instrumenten haben, die
letztlich die Auseinandersetzung mit einem Land wie
China kennzeichnen, müssen wir uns immer wieder die
Frage stellen – so habe ich die entsprechende Resolution
des Deutschen Bundestages auch verstanden –: Sind
diese Instrumente noch in Anwendung zu bringen? Ent-
sprechen sie dem jeweiligen Stand oder müssen sie mo-
difiziert oder gar beseitigt werden? Einen ähnlichen Pro-
zess hatten wir auch in Bezug auf Osteuropa. Da gibt es
sehr viele Ähnlichkeiten, die ich Sie nicht zu unterschät-
zen bitte.
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Ein Instrument wie das Embargo ist ja kein Selbst-
weck. Es ist vielmehr in die strategische Zielsetzung
inzubinden, die wir aus den verschiedenen Blickwin-
eln und insbesondere aus dem Blickwinkel der Men-
chenrechte verfolgen. In jedem Falle gilt eines – das
uss man hier ganz ausdrücklich sagen –: Die Aufhe-
ung des Waffenembargos hat in keiner Weise etwas da-
it zu tun, dass dies einen Hinweis darstellt, in dem Dia-
og um die Durchsetzung von Menschenrechten in der
olksrepublik China nachzulassen.
Ich will an dieser Stelle im Hinblick auf den Bereich
er Rüstungsexporte – denn unser Haus ist dafür zustän-
ig – der Öffentlichkeit eine Tatsache näher bringen: Die
ufhebung des Embargos hat überhaupt nichts mit der
nmittelbaren Zulassung von Waffenexporten, wie hier
uggeriert wird, zu tun.
(Markus Löning [FDP]: Warum wollen Sie es
dann aufheben?)
as Waffenembargo ist ein zusätzliches Instrument, das
us einer konkreten historischen Situation heraus, näm-
ich aufgrund der Verbrechen, die dort begangen worden
ind, eingesetzt worden ist. Das steht völlig außer Frage.
ies ist 15 Jahre her.
Würden wir uns einmal vergegenwärtigen, das Em-
argo sei nicht mehr vorhanden, was würde dann eigent-
ich passieren? Dann würde lediglich eines bewirkt wer-
en: Das erste Kriterium des EU-Verhaltenskodexes, bei
em von vornherein gesagt wird: „Wir brauchen gar
icht darüber zu reden; es sind keine Waffenexporte
öglich“, hätte praktisch keine Gültigkeit mehr. Die fol-
enden sieben weiteren Kriterien des EU-Verhaltens-
odexes würden mit den entsprechenden Wirkungen in
ezug auf eine Überprüfung in Kraft treten. In Deutsch-
and kämen – das darf man nicht vergessen – die politi-
chen Grundsätze der Bundesregierung hinzu, die in der
etzten Legislaturperiode nachhaltig überarbeitet worden
ind und die die EU-Kriterien aus nationaler Sicht deut-
ich ergänzt und präzisiert haben. Dazu stehen wir auch.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Für die
undesregierung ergeben sich in der Diskussion über
ieses Embargo keine Fragen. Wir halten an unserer
üstungsexportpolitik, so wie wir sie in den letzten Jah-
en entwickelt haben, fest. Dabei wird die Einhaltung der
enschenrechte in jeder Hinsicht ein zentrales Prüfkri-
erium bleiben; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
eben der Einhaltung der Menschenrechte stellen die
hemen Frieden, Sicherheit und Stabilität – und damit
uch die Taiwanfrage –, die sich aus dem EU-Verhal-
enskodex und unseren eigenen politischen Grundsätzen
rgeben, höchstbewertbare Kriterien dar.
Ich sehe also, dass wir selbst bei Aufhebung des Em-
argos auch durch die uns selbst vorgegebenen Kriterien
ine Vielstufigkeit von Prüfkriterien haben, die im Er-
ebnis nicht dazu führen, dass wir die Möglichkeit hät-
en, Waffen zu exportieren. Das Einzige, was wir tun
üssten, ist: Wir müssten dann in die Einzelfallprüfung
intreten.
Herr Nachtwei, ich kann übrigens nicht bestätigen,
ass es in den entsprechenden Unternehmen, soweit sie
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13763
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt
in Deutschland zu Hause sind, konkrete Pläne gibt, Waf-
fen in die Volksrepublik China zu exportieren. Soweit
ich weiß, gibt es auch seitens der Volksrepublik China
keine entsprechende Nachfrage.
Ich kann an dieser Stelle nur auf Folgendes hinwei-
sen: Bei der restriktiven Auslegung der Kriterien, die wir
heutzutage haben, und vor dem Hintergrund der Istlage
wäre es aus meiner Sicht unter den waltenden Umstän-
den nicht möglich, von deutschem Boden aus Waffenex-
porte in die Volksrepublik China zu realisieren. Ich bitte
daher, diese Diskussion auf ihren tatsächlichen Kern zu-
rückzuführen. Es ist eine Diskussion um die Frage: Wol-
len wir das Embargo aufrechterhalten und damit bei der
chinesischen Führung das Empfinden hervorrufen, dass
es sich hierbei um eine Diskriminierung handelt?
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ein wichtiger
Punkt! Aber das Parlament hat doch beschlos-
sen, bis auf weiteres das Embargo in Kraft zu
lassen!)
– Ich verstehe das so: Das Parlament hat etwas ganz
Wichtiges beschlossen und ich wüsste nicht, warum wir
in diesem Zusammenhang nicht auch genau diese Krite-
rien beachten sollten, die nämlich besagen, dass es über-
prüft werden soll. Ferner sind ja Kriterien aufgestellt
worden, die angeben, unter welchen Bedingungen sich
das Parlament vorstellen kann, dass es eine entspre-
chende Veränderung gibt. Das ist doch in Ordnung; da-
gegen sagt doch keiner etwas.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Peinlich!)
Gleichwohl müssen Sie aber auch zur Kenntnis neh-
men – da widerspreche ich Ihnen noch einmal ganz aus-
drücklich –, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland auch eine eigene Meinung formulieren darf
und dass die Bundesregierung innerhalb der Europäi-
schen Union einen Standpunkt vertreten darf, den die
übrigen Länder nicht übernehmen müssen. Aber eine
Diskussion wird man doch wohl noch anstoßen dürfen.
Das erwarten Sie doch sonst in vielen anderen Fragen
von der Bundesregierung und Sie erwarten es zu Recht.
Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, bei die-
ser Diskussion in jedem Fall eine Emotionalisierung zu
unterlassen und diese Diskussion auf ihren Kern zurück-
zuführen: Es ist eine Diskussion über ein Instrument,
dessen wir uns bedienen können, dessen wir uns aber
nicht bedienen müssen, wenn wir es nicht mehr für er-
forderlich und tauglich halten.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit,
das für Rüstungsexporte zuständig ist, sieht unter den
gegebenen Umständen nicht, dass ein solcher Export
möglich wäre, und es hat auch keine Kenntnis davon,
dass es in irgendeiner Weise Anfragen oder ein Interesse
von deutscher oder von chinesischer Seite gibt. Dies
sollte hier noch einmal sehr klar und deutlich betont wer-
den.
Danke schön.
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(Beifall bei der SPD sowie des Abg.
Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Gröhe, CDU/
SU-Fraktion.
Hermann Gröhe (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In
ieser Aktuellen Stunde geht es mir vor allem um zwei
spekte. Es geht erstens um die Fragestellung: Ist es
eute an der Zeit, das Waffenembargo, mit dem die
uropäische Union auf die blutige Niederschlagung der
emokratiebewegung vor 15 Jahren in der Volksrepu-
lik China reagierte, aufzuheben? Die Antwort der
DU/CSU-Bundestagsfraktion ist klar: Nein, eine sol-
he Aufhebung kommt für uns zurzeit nicht infrage.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
o ist die klare und unzweideutige Antwort von Rot-
rün auf diese Frage? Staatsminister Bury und Staatsse-
retär Staffelt jedenfalls haben sehr deutlich gemacht,
ass ihnen der Gleichschritt mit dem Bundeskanzler
ichtiger ist als ein klares Bekenntnis zur Meinung die-
es Parlaments.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Auch wer erhebliche Fortschritte in China, auch im
ereich der Menschenrechte, anerkennt, wer gute Bezie-
ungen, auch im Bereich der Wirtschaft, will, muss fest-
tellen: Angesichts anhaltender schwerer Menschen-
echtsverletzungen – da bin ich in der Tat, Herr
taatssekretär, emotional – wäre eine solche Aufhebung
in fatales Signal.
Nach wie vor wird die Todesstrafe in der Volksrepu-
lik China in großem Umfang und für zahlreiche Delikte
ausendfach verhängt und vollstreckt. Von fairen Ge-
ichtsverfahren und einer unabhängigen Justiz kann da-
ei nicht die Rede sein. Neuerdings sollen mobile Hin-
ichtungsstätten und rollende Todeskammern billigere
nd schnellere Hinrichtungen ermöglichen. Misshand-
ungen und Folter sind in vielen Gefängnissen und La-
ern nach wie vor an der Tagesordnung. Nicht zuletzt
ie immer noch hart verfolgten Anhänger der Falun-
ong-Bewegung sind davon betroffen. Die schleichende
erstörung der kulturellen Identität der Tibeter hält
benfalls an. Die Meinungs-, Religions- und Versamm-
ungsfreiheit wird weiterhin massiv eingeschränkt. Ge-
ade nicht registrierte christliche Gemeinden sind von
illkür, Rechtsunsicherheit, Schikanen, aber immer
ieder auch von Verfolgung betroffen. Erst in der letzten
oche wurde eine Zeitung verboten und wurden Intel-
ektuelle, darunter Mitbegründer des chinesischen
.E.N.-Clubs, verhaftet und verhört, weil sie unter ande-
em im Internet kritische politische Kommentare ver-
ffentlicht hatten. Gerade in diesen Tagen deutet vieles
uf eine neue Offensive der politischen Führung in
hina gegen politisch Andersdenkende hin. Hinzu
ommt eine Politik des Säbelrasselns gegenüber Taiwan.
00 Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen der
13764 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Hermann Gröhe
Volksrepublik China sind auf Taiwan gerichtet. Wer in
dieser Situation Waffen an die Volksrepublik China lie-
fern will, handelt verantwortungslos.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es ist das Gegenteil von Realpolitik, wenn die Gier nach
Aufträgen den Blick für reale Bedrohungen und Men-
schenrechtsverletzungen verstellt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang
geht es auch um einen zweiten Aspekt: den skandalösen
Umgang des Kanzlers mit dem deutschen Parlament.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
In diesem Parlament haben am 28. Oktober dieses Jahres
alle Fraktionen erklärt, dass eine Aufhebung des Waffen-
embargos für sie zurzeit nicht infrage kommt. Allerdings
sah sich Rot-Grün nur zu einer homöopathisch verdünn-
ten Beschlussfassung in der Lage; wehmütig denkt man
da an die markigen Worte einstiger Oppositionspolitiker
zurück.
(Klaus Brandner [SPD]: Oh! Und Sie?)
– Wir haben uns gegen diese homöopathische Verdün-
nung gewandt – schauen Sie in das Protokoll – und sei-
nerzeit dem viel eindeutigeren Antrag der FDP-Fraktion
zugestimmt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Klaus
Brandner [SPD]: Sie haben vorher eine Fata
Morgana gesehen!)
Auch diese von Rot-Grün abgeschwächte Beschluss-
fassung verhöhnte der Kanzler in China, indem er von
der abweichenden Meinung des – ich zitiere wörtlich –
„einen oder anderen Parlamentariers“ sprach. Das ist ein
einmaliger Vorgang der Parlamentsverhöhnung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
So mag die chinesische Führung mit dem Volkskongress
umgehen. Aber wir sollten uns das nicht bieten lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der
FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Jetzt versteigen Sie sich!)
Dankbar bin ich dafür, dass die Vorsitzende des Men-
schenrechtsausschusses, Christa Nickel, erklärte:
Falls unser Bundeskanzler sich im Ausland hinstellt
und Entscheidungen verkündet, die gegen das Vo-
tum des eigenen Parlaments gerichtet sind, dann
diskreditiert er die Idee der Gewaltenteilung.
Weiter sagt sie:
Das wäre dann nicht gerade eine Werbeveranstal-
tung für die Demokratie.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sehr
wahr!)
Auch für die SPD-Fraktion sollten solch klare Worte
eine Frage der Selbstachtung sein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
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Meine Damen und Herren, die Werbung für die De-
okratie muss eine entscheidende Säule der deutsch-
hinesischen Beziehungen sein; sonst wird auch dem
iel beschworenen deutsch-chinesischen Rechtsstaats-
ialog die Grundlage entzogen. Deshalb fordern wir die
undesregierung auf, am kommenden Freitag auf der
bene der Europäischen Union auch aus Achtung vor
iesem Parlament klar für die Aufrechterhaltung des
affenembargos Stellung zu beziehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Kollegen Ludger Volmer, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen, das Wort.
(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt gibt es be-
stimmt ganz neue Erkenntnisse!)
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
en! Man muss deutlich machen, dass es zwei unter-
chiedliche Themen gibt, über die hier zu reden ist. Zum
inen geht es um die Frage: Wollen wir zulassen, dass
affen an China exportiert werden? Dazu sage ich ganz
lar Nein. Zum anderen geht es um die Frage: Ist das
nstrument des Waffenembargos, welches aus dem
ahre 1989 stammt, heute noch plausibel? Ich finde, da-
über kann man reden.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Oh, oh!)
Von chinesischer Seite wird gesagt, man sei für die
assaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht
ehr verantwortlich. In China verweist man auf die
ortschritte, die man in den letzten 15 Jahren sowohl auf
ozialem und ökonomischem Gebiet als auch in dem Be-
ühen, sich an der friedlichen Konfliktbeilegung in vie-
en Regionen dieser Erde zu beteiligen, gemacht hat.
iesen Anspruch kann man nicht einfach wegwischen.
mgekehrt muss man auf ihn aber auch nicht vorbehalt-
os eingehen. Wenn die chinesische Seite, was unsere
eziehungen zueinander angeht, nicht mehr an den Ta-
en von gestern, sondern an den Taten von heute gemes-
en werden will, muss man sich darauf einlassen und
iesen Maßstab ernst nehmen; auch dann kommt als Er-
ebnis eine kritische Haltung gegenüber China heraus.
ber es geht dabei um andere Präzisierungen.
Ich will dem Kollegen Gröhe überhaupt nicht wider-
prechen. Sie haben eine eindrucksvolle, fast vollstän-
ige Schilderung der Menschenrechtssituation in China
orgenommen. Ich finde insbesondere die öffentlichen
assenhinrichtungen grauenhaft, die wir seit einiger
eit sehen; es gibt also auch Rückfälle in Situationen,
ie wir eigentlich überwunden geglaubt haben. Von da-
er denke ich, dass, wenn heute anhand des Kriteriums
er Menschenrechte entschieden werden müsste, ob
affen exportiert werden dürfen, man dazu ein klares
ein sagen müsste.
Aber, Herr Westerwelle, das ist etwas anderes, als
ich hier emphatisch hinzustellen und in einer scheinbar
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13765
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Dr. Ludger Volmer
leidenschaftlichen – dafür aber umso profilorientierte-
ren – Rede die Maßstäbe von 1989 hochzuhalten, die
zwar irgendwie noch ehrenwert sind – im Rückblick so-
wieso richtig und plausibel waren –, die aber in der Rea-
lität immer weniger Bindungswirkung entfalten.
(Lachen des Abg. Dr. Guido Westerwelle
[FDP] – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Dank
des Kanzlers!)
Wenn die Bindung davon brüchig wird, weil die Dinge
in der Historie zu verschwinden drohen, muss man sich
einfach der heutigen Realität zuwenden und heutige Kri-
terien ins Zentrum der Beurteilung dieser Frage stellen.
Wenn dann jemand sagt, wir müssten das Waffenem-
bargo, das auf den Vorgängen von 1989 beruht, überprü-
fen, und gleichzeitig sagt, dass auf jeden Fall die äußerst
restriktiven deutschen Waffenexportrichtlinien gelten,
dann heißt das im Klartext: Wir nehmen nur eine Be-
gründung für die Nichtlieferung von Waffen zurück. Das
heißt aber nicht, dass wir tatsächlich Waffen liefern. Die
andere Begründung bleibt umso härter stehen.
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Satire! –
Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Realsatire!)
– Lesen Sie den Antrag, den wir im Bundestag verab-
schiedet haben! Wir haben darin gefordert, dass ab dem
Moment der Überprüfung, ob das Embargo, das 1989
verhängt wurde, aufgehoben werden kann, die Rüstungs-
exportrichtlinien der Europäischen Union umso strikter
werden müssen, und zwar im Sinne der außerordentlich
strikten deutschen Rüstungsexportkriterien.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Weniger Waffen,
deswegen weg mit dem Waffenembargo!)
Das würde im Endeffekt heißen, dass man einen Mecha-
nismus bekommt, der realiter erheblich strikter ist als der
Rückgriff auf eine Formel, die von immer mehr politi-
schen Kräften als nicht mehr tragfähig angesehen wird.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
Alle Grundsätze über Bord werfen!)
Das ist der Mechanismus, den der Deutsche Bundestag
hier verabschiedet hat.
Nun kann man natürlich viel über das Temperament
des Bundeskanzlers philosophieren.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Die Men-
schenrechte sind doch keine Temperaments-
frage! – Zuruf von der CDU/CSU: Haarspalte-
rei!)
Ich gehöre zu denen, die den Antrag, den der Deutsche
Bundestag mit Mehrheit verabschiedet hat, selber mit-
formuliert und damals hier auch verbal vertreten haben.
Man kann, wie das der Bundeskanzler gemacht hat, in
den Vordergrund seiner Betrachtung die Frage stellen, ob
wir mittelfristig vielleicht von dem Embargo wegkom-
men, wenn gleichzeitig – dagegen hat er nichts gesagt –
politisch das Projekt betrieben wird, die sehr restriktiven
deutschen Rüstungsexportkriterien zum Gerüst des euro-
päischen Exportkodexes zu machen.
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(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das
glaubst du doch selbst nicht!)
Im Endeffekt bleibt es bei dem, was wir heute schon
ls Praxis haben, nämlich dass Waffen nicht geliefert
erden können, und zwar genau aus den Gründen, die
ier diskutiert werden und über die auch Konsens be-
teht. Der eine Grund ist die Menschenrechtssituation
nd der andere sind die Spannungen in der Taiwanfrage.
a, Herr Löning, ist Ihr Argument nicht triftig, Festland-
hina sei das undemokratische China, Taiwan das demo-
ratische, also könnten wir eher Taiwan als Festland-
hina mit Waffen beliefern.
(Markus Löning [FDP]: Was?)
s geht nicht darum, wer demokratisch und wer unde-
okratisch ist.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
Was?)
Es geht im Kontext mit Taiwan nicht darum, auch
enn beide demokratisch oder undemokratisch sind. Wir
önnen nicht liefern, weil es Spannungen zwischen Tai-
an und Festlandchina gibt. Es sind die außenpoliti-
chen Spannungen, die es uns verbieten, Waffen in diese
egion zu liefern. Dieses Hindernis besteht unabhängig
on der Menschenrechtsfrage. Auch wenn China alle
enschenrechtsprobleme lösen würde, dürfte man keine
affen liefern, solange die Spannungen mit Taiwan be-
tehen. Es müssen alle Kriterien zur Voraussetzung ge-
acht werden. Ich finde, wir sollten ein gemeinsames
nteresse haben, dass die Europäische Union eine solche
trikte Haltung zur Grundlage ihrer eigenen Exportkrite-
ien und -richtlinien macht.
Danke.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD –
Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Schämen
Sie sich für diesen Beitrag!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Rolf Mützenich,
PD-Fraktion.
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
en! Die Diskussion über die Aufhebung des EU-
affenembargos gegenüber der Volksrepublik China ist
in schwieriger Vorgang.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das haben wir
eben gehört!)
s gibt hierbei kein Schwarz oder Weiß, kein Richtig
der Falsch. Wir Sozialdemokraten haben es uns dabei
icht leicht gemacht. Sie kennen unsere Haltung wäh-
end der Beratungen im Ausschuss und Sie kennen unse-
en Plenarantrag.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Können Sie
ihn noch einmal wiederholen?)
13766 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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(B) )
Dr. Rolf Mützenich
Bundesregierung und Bundestag haben in der Außen-
politik unterschiedliche Rollen und Kompetenzen. Das
sollte man gegenseitig respektieren. Vor allem sollte
man den nicht demokratischen Staaten diese parlamenta-
rische Kontrollfunktion erläutern. Liebe Kolleginnen
und Kollegen von der FDP-Fraktion, ich denke, manch-
mal sollte man aber auch Ihnen erläutern, wie es im
Grundgesetz geregelt ist und was das Bundesverfas-
sungsgericht, zuletzt erst 2001, zu den Kompetenzen von
Bundestag und Bundesregierung gesagt hat. Ich zitiere
mit Genehmigung des Präsidenten:
Darüber hinaus hat Art. 59 Abs. 2 GG dem Bundes-
tag kein Recht gegeben, in den Zuständigkeitsbe-
reich der Regierung einzugreifen. Der Bundestag
bleibt auf die allgemeinen verfassungsmäßigen
Kontrollmöglichkeiten beschränkt. Er regiert und
verwaltet nicht selbst, sondern er kontrolliert die
Regierung.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Bravo, er kon-
trolliert!)
Missbilligt er deren Politik, so kann er dem
Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen
(Art. 76 GG) und dadurch die Regierung stürzen.
Er kann aber nicht selbst Politik führen.
Stellen Sie diesen Misstrauensantrag und Sie werden se-
hen, dass Sie damit keinen Erfolg haben! Deswegen be-
zweifle ich auch, dass das Thema für die innenpolitische
Debatte taugt. Einfache Bilder, wie die Opposition sie
zeichnet, helfen hier nicht weiter.
Der Bundeskanzler hat seine Gastgeber über die Posi-
tion des Parlaments unterrichtet.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Selbstkastra-
tion!)
– Lassen Sie mich doch einfach einmal ein paar Sätze im
Zusammenhang reden und rufen Sie nicht immer dazwi-
schen. – Ich denke, es war gut und richtig, dass der Bun-
deskanzler das getan hat. Er musste aber natürlich auch
beachten, dass in der Europäischen Union zur gleichen
Zeit über die Lockerung und sogar über die Aufhebung
des Waffenembargos diskutiert wurde und wird.
(Harald Leibrecht [FDP]: Er hat diskutiert!)
An dieser Debatte nehmen übrigens nicht nur Sozial-
demokraten teil. Es gibt konservative und liberale Regie-
rungschefs, die das Waffenembargo gegenüber der
Volksrepublik China ebenfalls aufheben wollen. Wenn
man das Verbot von Waffenlieferungen aufrechterhalten
will, dann muss man das auch seinen europäischen Par-
teifreunden sagen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre
Position auch in den Hauptstädten vortragen würden, in
denen Ihre Parteifreunde regieren.
(Harald Leibrecht [FDP]: Keine Angst!)
Zur Redlichkeit gehört auch, zu sagen, dass Deutsch-
land selbst dann keine Rüstungen an die Volksrepublik
China liefern kann, wenn die Europäische Union das
Waffenembargo aufheben sollte. Die strengen deutschen
Exportrichtlinien stehen dem nämlich entgegen. Es wa-
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en SPD und Grüne, die die lasche Praxis der konserva-
iv-liberalen Regierung Kohl beendet haben.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Manfred Grund [CDU/CSU]: Mit dem Ergeb-
nis gestiegener Rüstungsexporte!)
ch kann mich an keine selbstkritische Debatte in der da-
aligen CDU/CSU-FDP-Koalition erinnern, die mit un-
erer Positionsfindung vergleichbar wäre.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Markus Löning [FDP]: Wir
haben das Waffenembargo verhängt!)
ie Bundesregierung ist heute die Kraft, die den Verhal-
enskodex der Mitgliedstaaten konkretisieren und ver-
chärfen will.
Der Konflikt um Taiwan ist bereits erwähnt worden.
arüber hinaus gibt es Aufrüstungsschübe in der gesam-
en asiatisch-pazifischen Region. Diese Entwicklung
orrespondiert mit ungelösten Territorial- und Macht-
onflikten. Während die weltweiten Rüstungsausgaben
ach Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts von
993 bis 2002 durchschnittlich um 3 Prozent zugenom-
en haben, waren es in Ostasien 22 Prozent. Dabei wa-
en im Jahre 2002 allein die Volksrepublik China, Japan
nd Südkorea für drei Viertel der regionalen Militäraus-
aben in Ostasien verantwortlich. Es gibt in der Region
lso eine Reihe von bilateralen Rüstungswettläufen. Das
st gefährlich. Die Region braucht dringend rüstungs-
ontrollpolitische Vereinbarungen.
Europa ist hier kein unmittelbarer Akteur, aber es
ann seine Erfahrungen anbieten. Die Europäische
nion ist Partner in verschiedenen Dialogforen und wir
issen, wie bedeutend regionale Integration und vertrau-
nsbildende Maßnahmen für friedliche Konfliktregelun-
en sind. Lösungen können leichter gelingen, wenn die
onfliktbearbeitung von einer wirtschaftlichen Verflech-
ung der einzelnen Räume begleitet wird. Die Vorausset-
ungen hierfür sind günstig. Zu betonen ist auch, dass
ie Volksrepublik China bei der Lösung des Nordkorea-
onflikts erstmals behilflich ist. Nachdem Peking den
ntegrationsprozess der ASEAN-Gemeinschaft in der
ergangenheit regelmäßig behindert hat, fördert es heute
iesen Konsultationsrahmen.
Der Bundeskanzler hat die chinesischen Gesprächs-
artner ermuntert, diese kooperative Politik fortzusetzen
nd zu intensivieren. Auch dies war hilfreich und sollte
n der verkürzten Debatte nicht untergehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Rose, CDU/
SU-Fraktion.
Dr. Klaus Rose (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An-
esichts der heutigen Aussagen von Rot-Grün könnte
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13767
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Dr. Klaus Rose
man meinen, im falschen Film zu sein. Sie haben über
Jahre und Jahrzehnte einer überaus hehren Abrüstungs-
und Menschenrechtspolitik das Wort geredet. Sie haben
so getan, als würde erst dann, wenn Sie die Regierung
übernehmen,
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Weltfrieden
ausbrechen!)
der große Frieden in der Welt ausbrechen, und alles wäre
in bester Ordnung.
(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: So vermessen waren wir nicht!)
Und heute? Was ist in Sie gefahren, dass Sie sich so
artikulieren?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Haben Sie Angst vor Ihrem Bundeskanzler? Oder haben
Sie bereits Angst vor der Volksrepublik China? Ist es so
wie früher, als man nichts gegen die große Sowjetunion
sagen durfte, dass man heute nichts mehr gegen die
große Volksrepublik China sagen darf? Wir reden über
Menschenrechte und Rüstungspolitik. Ich brauche kaum
noch zu erwähnen, was in allen Zeitungen steht: Seit
Rot-Grün regiert, ist die Zahl der Rüstungsexporte in ei-
nem Ausmaß angestiegen, dass man nur noch staunen
kann. – Was ist mit Ihnen los?
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)
Sie wollen nun unbedingt, dass das Waffenembargo
gegen China aufgehoben wird.
(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wer hat das denn gesagt?)
– Der Bundeskanzler sagt das. Sie selber haben noch am
28. Oktober dieses Jahres gesagt, wir seien uns weitge-
hend darüber einig, das Waffenembargo nicht aufzuhe-
ben. Aber die heutigen Reden – von Herrn Bury über
Herrn Staffelt bis zu Herrn Chrobog heute Vormittag im
Auswärtigen Ausschuss – klangen alle ganz anders: Das
Waffenembargo ist nicht mehr zeitgemäß, China ist ja
inzwischen auf dem richtigen Weg. Von Stabilität war
die Rede. Es fehlte nur noch, China als Musterdemokra-
tie zu bezeichnen, so wie Putin Ihnen als Musterdemo-
krat gilt. Was ist in Sie gefahren? Diese Frage kann ich
nur wiederholen.
Bei der Türkeipolitik wollen Sie uns einreden, dass
die Beitrittsverhandlungen zwar begonnen werden sol-
len, aber ein Beitritt der Türkei nicht geplant ist. Ge-
nauso wollen Sie es jetzt mit der Aufhebung des Waffen-
embargos machen. Das Embargo soll zwar aufgehoben
werden, aber geliefert werden soll nichts. Glauben Sie
das im Ernst? Wir wissen, dass die Franzosen praktisch
vor der Tür stehen und nur noch darauf warten, endlich
liefern zu können. Wir wissen, dass die europäische In-
dustrie ein großes Interesse daran hat. Wir wissen, dass
Herr Schröder von Leuten aus der Wirtschaft begleitet
wird, die gerne schon heute liefern würden. – Das
kommt, so sicher wie das berühmte Amen in der Kirche.
Geliefert werden soll ausgerechnet in ein Gebiet, in
dem die Situation absolut gespannt ist. Das hat nicht al-
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ein mit Taiwan zu tun. Wer die Nachrichten der letzten
onate aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass auch
wischen China und Japan das Potenzial territorialer
onflikte wächst, nicht nur wegen der Senkaku-Inseln,
ondern auch weil U-Boote unverschämterweise da auf-
auchen, wo sie nicht hingehören, weil es Streit um Erd-
asfelder gibt usw.
Gut, die deutsche Industrie hat zwar bereits nach Süd-
orea geliefert. Mit der Lieferung von U-Booten hat
yundai einige Erfahrungen. Diese Art von Handel läuft
chon. Mich wundert, dass Sie das akzeptieren und uns
inreden wollen, dass alles in Ordnung ist.
Wir sollten uns wirklich – das möchte ich noch ein-
al betonen – als Abgeordnete daran erinnern, dass wir
ns bisher auf diesem Gebiet einig waren. Der Bundes-
anzler kann höchstens darauf verweisen, dass es auch
n der Vergangenheit den einen oder anderen Parlamen-
arier gab, der nicht unser aller Meinung war. Ansonsten
ar unser aller Meinung: Keine Aufhebung des Waffen-
mbargos, weil sich die Situation im Vergleich zu früher
icht wesentlich verbessert hat. Was ist denn in China
esser geworden? Nur die Fassade ist schöner geworden.
as ist denn im Innern der Volksrepublik China besser
eworden? Auch Sie betonen immer wieder, dass sich
aum etwas verändert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie Ihrem
undeskanzler, wenn er am Freitag zur Sitzung des Eu-
opäischen Rates fährt, mit auf den Weg, er möge erstens
as Parlament stärker achten, als er das in der letzten
eit gemacht hat, und er möge zweitens bei der Aufhe-
ung des Waffenembargos nicht als treibende Kraft wir-
en. Das Waffenembargo kann überhaupt erst dann auf-
ehoben werden, wenn das Menschrechtsembargo in der
olksrepublik China aufgehoben ist und die Menschen-
echte umfassend geachtet werden.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Christian Müller für
ie SPD-Fraktion.
Christian Müller (Zittau) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
en! Kollege Rose, ich glaube nicht, dass wir uns hier in
inem falschen Film befinden. Es wäre auch eine unzu-
ässige Verkürzung der gesamten Argumentation, wenn
ier stehen bliebe, der Herr Bundeskanzler wünsche,
affen nach China zu liefern. Das trifft nicht zu. Es trifft
ohl eher das zu – damit wir wieder den Faden in dieser
ebatte finden –, was Kollege Volmer vorhin klarge-
tellt hat, nämlich dass man zwischen der Frage der Waf-
enlieferung und dem Einsatz des Instruments unter-
cheiden muss. Die Herren Staatssekretäre haben
ankenswerterweise den Kontext – den außenpolitischen
benso wie den rüstungspolitischen – umrissen. Denn
as gehört nun einmal zur Klarheit in dieser Angelegen-
eit. Winfried Nachtwei hat vorhin das Anliegen unseres
ntrags vom 28. Oktober dargestellt. Das, lieber
13768 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
Christian Müller (Zittau)
Kollege Gröhe, ist die Antwort, die wir damals gefunden
haben. Wir haben einen Kriterienkatalog formuliert und
Verhaltensnormen in der Europäischen Union aufge-
stellt, die an ganz bestimmte Entwicklungsbedingungen
geknüpft sind.
Einig sind wir uns möglicherweise in der Beurteilung
– ich habe jedenfalls nichts anderes gehört – der prinzi-
piellen Situation in China. Einig sind wir uns auch über
den Ausgangspunkt dieses Embargos. Ich glaube, der hat
für uns alle eine ganz besondere Bedeutung. Ich möchte
mich denjenigen anschließen, die sagen, es sei völlig
falsch, das damals verhängte Embargo als eine späte Ak-
tion des Kalten Krieges zu bezeichnen. Es war vielmehr
eine notwendige Reaktion der Europäischen Union auf
eine eklatante Verletzung der Menschenrechte. So weit,
so gut. Das ist klar.
(Helga Daub [FDP]: Wenigstens das!)
Damit bin ich bei dem, was uns sonst so bewegt. Wir
hatten schon im Rahmen der Debatte über den Rüstungs-
exportbericht eine solche Diskussion. Im Frühjahr, wenn
der neue Rüstungsexportbericht beraten wird, werden
wir die nächste Debatte führen. Wir waren uns relativ ei-
nig, dass die Rüstungsexportkontrolle der Bundesregie-
rung durchaus restriktiv ist. Wir waren in der Beurtei-
lung dieser Dinge überhaupt nicht so weit auseinander.
Wo führt es aber hin, wenn heute an dieser Stelle daran
gezweifelt wird, dass wir eine restriktive Verfahrens-
weise bei Rüstungsexporten haben? Wir haben sie,
Punktum! Das ist ein Faktum.
Damit sind wir wieder beim Instrument, lieber Kol-
lege Volmer; denn es stellt sich die Frage, ob 15 Jahre
danach das Instrument noch angemessen ist oder zumin-
dest der Überprüfung bedarf. Der Herr Bundeskanzler
konzentriert sich auf die Frage des Instruments, jenseits
der kritischen Anmerkungen, die heute schon gemacht
worden sind.
Der Wandlungsprozess in China ist beschrieben wor-
den. Ich muss das hier gar nicht weiter vertiefen. Dass zu
einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwand-
lung eines solchen großen und bedeutenden Landes auch
das gehört, was uns bewegt, nämlich Verbesserungen im
Bereich der Menschenrechte, ist wichtig. Es ist auch zu
überprüfen, ob dies geschieht. Das muss anhand der gül-
tigen Kriterien des EU-Verhaltenskodexes erfolgen. Das
war eigentlich unser Hauptanliegen vom 28. Oktober.
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Was hat sich
seitdem verändert?)
– Es hat sich gegenüber diesem Zeitpunkt insofern etwas
geändert, als die Verhandlungen über diesen Kodex in
der Arbeitsgruppe des Rates zu einem Ende gekommen
sind, sodass demnächst auch eine politische Behandlung
dieser Frage ansteht. Die Einzelheiten dazu kann ich aus
meiner Sicht jetzt nicht überblicken. Das hat allerdings
nichts mit der Tagung am kommenden Freitag zu tun.
Hier geht es um den Kontext.
Wir haben herausgestellt, dass eine Aufhebung des
Embargos erst nach Verabschiedung des weiterentwi-
ckelten Kontextes erfolgen kann und erfolgen wird.
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(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Genau! Sehr richtig!)
azu stehen wir. Das gilt selbstverständlich weiterhin.
Jetzt komme ich noch einmal zur Frage der Rüstungs-
xportkontrolle. Wir haben mehrfach unterstrichen – ich
ill das an dieser Stelle noch einmal tun –: Die even-
uelle Aufhebung des EU-Embargos würde bei uns in
er Bundesrepublik nicht dazu führen, dass automatisch
ede Lieferung von Rüstungsgütern oder von Waffen
ach China, die eine Firma zu tätigen wünscht, genehmi-
ungsfähig wäre. Vielleicht gelingt es heute, dieses öf-
entliche Missverständnis auszuräumen. Es ist nämlich
icht der Bundeskanzler, der die Waffen liefert.
Alle Bestimmungen des EU-Verhaltenskodexes – auch
n einer von uns angestrebten weiterentwickelten Quali-
ät – gelten selbstverständlich weiter, und zwar mit oder
hne Embargo. Auch wenn dies heute schon einige Male
estgestellt worden ist, will ich noch einmal darauf hin-
eisen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Damit müssten Sie sich aber sehr beeilen, weil Ihre
edezeit schon überschritten ist.
Christian Müller (Zittau) (SPD):
Ich bitte um Nachsicht. Ich habe die Zeit aus den Au-
en verloren.
Folglich kann ich an dieser Stelle nur kurz darauf ver-
eisen; alles Nötige ist bereits gesagt. Brisante Fragen
ie all das, was die Taiwanfrage berührt, sind letztend-
ich ohnehin auf der Ebene des Bundessicherheitsrates
u entscheiden. Unsere Bundesregierung wird sehr gut
eraten sein, dabei so vorzugehen, wie sie es jeher zu tun
flegte.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
r. Michael Fuchs das Wort.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter
err Kollege Volmer, der Ostereiertanz, den Sie heute so
urz vor Weihnachten hier aufgeführt haben, war sehr
emerkenswert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ass Sie die Menschenrechte mit dem Temperament des
anzlers in einen Zusammenhang bringen, kann ich
icht ganz nachvollziehen. Meiner Ansicht nach kann
ie Frage der Menschenrechte nicht in irgendeiner Weise
urch das Temperament des Kanzlers gelöst werden; sie
st unabhängig auch von diesem Kanzler zu beantwor-
en.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13769
(A) )
(B) )
Dr. Michael Fuchs
Ich halte es für sehr bemerkenswert, dass Sie dem
Kanzler erlauben, aus der Menschenrechtsfrage in China
eine Temperamentsfrage zu machen. Das hat Sie bloßge-
stellt und die Grünen völlig diskreditiert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie sollten das Wortprotokoll Ihrer eigenen Rede einmal
nachlesen.
Das Verfallsdatum Ihres Antrags vom 28. Oktober
war der 5. Dezember. Das war nämlich der Tag, an dem
der Kanzler in China gelandet ist. Sie selbst diskreditie-
ren sich meines Erachtens als Parlamentarier, wenn Sie
sich diesen Umgang mit Ihnen gefallen lassen. Ich kann
das nicht nachvollziehen. Die SPD und die Grünen
müssten doch so viel Stolz haben, dass sie sich das nicht
gefallen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Er hat das Parlament grob missachtet, indem er die
Entscheidung, die Sie in diesem Hohen Hause getroffen
haben, lächerlich gemacht und mit einem Federstrich be-
seitigt hat. Der starre Reformkanzler laviert wieder ein-
mal herum. Er belegt erneut die große Diskrepanz zwi-
schen seinem Anspruch und der Wirklichkeit seiner
Außenpolitik. Der Kanzler arbeitet wie immer nach sei-
nem persönlichen Motto „Um die Moral zu heben, muss
man die Ansprüche senken“. Das ist das Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wenn man in der Menschenrechtsfrage so niedrige
Ansprüche hat wie Sie zurzeit, dann ist das sehr bedenk-
lich und traurig. Selbstverständlich erkennen wir an,
dass sich China gewandelt und dass es dort Veränderun-
gen gegeben hat. Das steht außer Frage. Auch dass diese
Entwicklungen insbesondere in der Küstenregion erfolgt
sind, ist unzweifelhaft richtig.
Man muss aber die Gratwanderung genau im Blick
behalten. Das jedoch haben Sie nicht getan. Dem Bun-
deskanzler missglückt dies auf jeder seiner vielen Reise.
Er hat mittlerweile über 110 Reisen unternommen. Da-
für hat der Papst 25 Jahre gebraucht.
Erstens setzt diese Bundesregierung völlig falsche
Zeichen, wenn sie glaubt, dass man einfach über das
Tiananmen-Massaker hinweggehen könnte. Mit dem,
was Sie gerade ausgeführt haben, Herr Kollege Volmer,
tun Sie so, als ob es nur um eine veränderte Gefechtslage
gehe, über die man einfach hinweggehen könne.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das habe ich nie gesagt: einfach da-
rüber hinweggehen!)
Auch das, was der Kollege Bury eben ausgeführt hat,
geht in dieselbe Richtung.
Ein Zweites kann ich erst recht nicht nachvollziehen:
Einerseits ist der Bundeskanzler dafür, dass wir das Em-
bargo auf europäischer Ebene aufgeben, aber anderer-
seits erklären Sie hier allesamt, von Herrn Volmer bis zu
Herrn Nachtwei, unisono, dass Deutschland selbstver-
ständlich keine Waffen liefern wird. Insofern will der
Bundeskanzler meiner Ansicht nach nichts anderes, als
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ie französische Rüstungsexportpolitik zu unterstützen.
ie Franzosen nämlich haben die Auftragsbücher schon
oll und warten nur darauf, dass das Embargo aufgeho-
en wird. Ich finde: Herr Schröder ist der Bundeskanzler
er Bundesrepublik Deutschland und nicht für die fran-
ösische Rüstungsexportpolitik zuständig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Darüber sollten Sie einmal nachdenken; denn er scha-
et damit natürlich deutschen Unternehmen. Diese sol-
en nämlich – Ihre klaren Aussagen in diesem Hohen
ause dazu habe ich vernommen und halte ich für rich-
ig – auch nach einer Aufhebung des Waffenembargos
ichts liefern. Angesichts dessen frage ich mich, warum
ich der Kanzler für eine Aufhebung des Embargos stark
acht. Er ist nach meiner Auffassung in erster Linie für
ie deutsche und nicht für die französische Wirtschaft
uständig. Hier übertreibt er anscheinend seine Freund-
chaft zu Chirac ganz erheblich.
Der Kollege Müller sagte in der Chinadebatte vom
8. Oktober dieses Jahres, „dass die Aufhebung des
mbargos ohnehin nur in der Folge eines einstimmigen
eschlusses aller EU-Mitgliedstaaten erfolgen kann“.
ffensichtlich entspricht das nicht der Vorstellung Ihres
egierungschefs. Ich kann nicht nachvollziehen, wie das
unktionieren soll. Wenn ein einstimmiger Beschluss al-
er EU-Staaten Voraussetzung sein soll, muss das zuerst
uf europäischer Ebene abgeklärt werden. Wenn das er-
olgt ist, kann man darüber nachdenken, was man den
hinesen offeriert. Es schadet uns sehr, dass Sie einfach
erumdiskutieren, irgendjemandem irgendetwas anbie-
en und glauben, dass Sie auf diese Art vernünftige Poli-
ik machen. Sie machen damit genau das Falsche. Mit ei-
er solchen wirren Exportpolitik schaden Sie den
nteressen unseres Landes und der deutschen Wirtschaft.
ch bitte Sie, darüber einmal nachzudenken.
Genauso sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob
nser gemeinsames Selbstverständnis als Parlamentarier
as zulässt, was nun geschieht, nämlich dass ein Be-
chluss des Hohen Hauses vom 28. Oktober 2004 bereits
m 5. Dezember des gleichen Jahres überholt ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Gernot Erler, SPD-
raktion.
Gernot Erler (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
rleben heute, dass Sie sich als Parlamentarier große
orgen über uns machen. So weihevolle Worte wie
Selbstachtung“ und „Selbstverständnis“ sind gefallen.
ir fühlen uns durch Ihre Sorgen privilegiert. Aber ich
öchte versuchen, zu klären, ob diese eigentlich begrün-
et sind.
Was ist denn passiert? Am 28. Oktober dieses Jahres
at die Mehrheit dieses Hauses einen Antrag beschlos-
en, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird,
13770 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
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Gernot Erler
sich an der laufenden Überprüfung des EU-Waffen-
embargos zu beteiligen und sich dabei für eine einheitli-
che und verbindliche Rüstungsexportpolitik gegenüber
China einzusetzen. Weiter heißt es: Solange es keine ver-
bindliche Regelung, also einen Verhaltenskodex, gibt,
soll die Bundesregierung an ihrer restriktiven Rüstungs-
exportpolitik festhalten. Außerdem soll die Bundesregie-
rung Fortschritte bei den Menschenrechten, in der Tai-
wanfrage und bei dem UN-Pakt über politische und
bürgerliche Rechte anmahnen.
Sie haben überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
– das haben Sie auch in der heutigen Debatte nicht er-
wähnt –, dass dieser Antrag ziemlich erfolgreich war. Sie
haben nicht registriert, dass auf dem 7. EU-China-Gipfel
am 8. Dezember dieses Jahres ein Kontext zwischen der
Aufhebung des EU-Embargos und einem gemeinsamen
und verbindlichen europäischen Code of Conduct in der
Rüstungsexportpolitik hergestellt worden ist. Dort sind
genau die drei Punkte aufgenommen worden, die der
Bundestag formuliert hat. In Punkt 7 wird der Code of
Conduct, in Punkt 8 wird die Taiwanfrage und in Punkt 9
werden der Menschenrechtsdialog mit China sowie der
UN-Pakt angesprochen. Mit anderen Worten: Ihre
Sorgen sind überhaupt nicht begründet; denn selten ist
ein vom Deutschen Bundestag verabschiedeter Antrag
so schnell zur Realität europäischer Politik geworden.
(Markus Löning [FDP]: Fragen Sie einmal die
Taiwanesen, was sie davon halten!)
Sie haben so getan – insbesondere Herr Löning hat
sich hier wider besseres Wissen profiliert –, als ob die
Schleusen von Deutschland oder anderen europäischen
Staaten für den Waffenexport nach China geöffnet wür-
den.
(Markus Löning [FDP]: Ich habe nur das wie-
derholt, was Herr Nachtwei gesagt hat!)
Sie haben überhaupt nicht verstanden, was der Code of
Conduct bedeutet. Wir haben uns sehr bemüht, dass er
sehr strikt ausfällt. In dem Entwurf, der demnächst ver-
abschiedet werden soll, steht zum Beispiel, dass Men-
schenrechte sowie Stabilität und Sicherheit in der Re-
gion – das betrifft Taiwan – wesentliche Kriterien sind
und dass die nationale Sicherheit befreundeter und al-
liierter Staaten eine Rolle spielt. Wenn eine in ganz
Europa geltende gemeinsame Richtlinie zur Aufhebung
des Waffenembargos führt, dann kann und wird das, was
Sie an die Wand malen, nämlich eine Explosion von
Rüstungsexporten europäischer Staaten nach China,
überhaupt nicht stattfinden. Sie bauen hier also einen Po-
panz auf und Sie glauben, Sie könnten die Öffentlichkeit
darüber täuschen.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Och, peinlich!)
Nun möchte ich mich dem Kollegen Westerwelle zu-
wenden. Sie haben heute wieder einmal bewiesen – die
Öffentlichkeit weiß das schon –,
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Er hat be-
wiesen, dass er ein klasse Typ ist! Er hat sehr
gut geredet heute!)
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ass Sie zu großem Pathos in der Lage sind. Wir wissen,
ass Sie so etwas einsetzen können, wie man eine Nacht-
ischlampe anknipst.
(Harald Leibrecht [FDP]: Bei Ihnen ist das
Licht doch schon längst aus!)
ch will Ihnen einmal Folgendes sagen: Was die Haltung
er Bundesregierung zur Durchsetzung von Menschen-
echten angeht, gibt es für Pathos überhaupt keinen
rund. Herr Westerwelle, die Menschenrechtsorganisa-
ionen wissen zwischen irgendwelchen Äußerungen und
ealer Politik ganz genau zu unterscheiden.
(Markus Löning [FDP]: Deswegen kritisieren
die Sie ja auch so!)
as realpolitisch Wichtigste, was in den letzten fünf Jah-
en in Bezug auf Menschenrechte in China passiert ist,
st der Menschenrechtsdialog, den die rot-grüne Bundes-
egierung 1999 in Gang gebracht hat.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
hre Fraktion und die der CDU/CSU haben 16 Jahre lang
elegenheit gehabt, etwas Ähnliches zustande zu brin-
en. Das ist Ihnen nicht gelungen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
chon allein deshalb haben Sie überhaupt keinen Grund,
ier Pathos an den Tag zu legen.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: 1989 haben
wir das Waffenembargo beschlossen!)
Herr Westerwelle, ich entsinne mich noch sehr gut
iner Debatte 1994 nach der Reise von Altbundeskanzler
elmut Kohl nach China. Sie haben hier gesagt, die bei-
en Reisen seien doch wohl vergleichbar. Sie haben den
enschen hier allerdings nicht gesagt, was damals der
tein des Anstoßes war: Helmut Kohl hat 1994 – die Er-
nnerung an die Geschehnisse auf dem Tiananmen war,
uch in der deutschen Öffentlichkeit, noch sehr leben-
ig – einen Standort der chinesischen Volksarmee be-
ucht. Dort ist er herumgegeistert. Das war der Anlass
ür diese kritische Debatte. Sie haben einen Vergleich
ezogen zwischen diesem Besuch Kohls und dem Be-
uch von Bundeskanzler Schröder in China, bei dem er
afür gesorgt hat, dass Airbusse und Lokomotiven von
iemens verkauft werden.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/
CSU und der FDP)
Doch, doch. Den Umfang kennen Sie ja. Dagegen kön-
en Sie kaum etwas haben.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Wir konnten
unsere Regierung noch kritisieren! Sie können
das nicht mehr!)
Übrigens wurde Herr Schröder von einem unserer
rofiliertesten Kollegen in Sachen Menschenrechte, von
udolf Bindig, begleitet. Ihr Vergleich ist nicht zulässig
nd es wird Ihnen nicht gelingen, die Öffentlichkeit an
iesem Punkt zu täuschen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13771
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Gernot Erler
Ich komme zum Schluss. Hören Sie von der FDP
doch einmal mit diesen unseriösen Methoden auf! Vor
wenigen Tagen haben Sie hier einen Antrag in Sachen
Tschetschenien eingebracht, der ein vollständiges Pla-
giat war.
(Markus Löning [FDP]: Weil Sie selber den
nicht einbringen! Irgendeiner musste den doch
einbringen!)
Heute sorgen Sie sich um die Umsetzung eines Antra-
ges, dem Sie gar nicht zugestimmt haben, und zwar mit
einem unerträglichen Pathos. Kommen Sie zurück zur
Seriosität in der Außenpolitik! Sie haben da eine gute
Tradition. Kehren Sie zu dieser Tradition zurück!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hermann Gröhe [CDU/
CSU]: Peinlich, peinlich!)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Zum Schluss der Aktuellen Stunde erhält der Kollege
Ruprecht Polenz für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt bin ich mal ge-
spannt, ob er sich entschuldigt!)
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte
nicht geglaubt, dass ein stellvertretender Vorsitzender ei-
ner Regierungsfraktion zu solchen Verrenkungen fähig
sein muss, um die Gnade des Kanzlers zu behalten. Aber
Herr Erler hat mich eines Schlechteren belehrt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die ganze Debatte führen die Regierung und inzwi-
schen auch ein Teil der Regierungsfraktionen unter dem
Motto: Das Waffenembargo gegen China passt einfach
nicht mehr in die Zeit; Tiananmen ist lange her; die jet-
zige chinesische Regierung ist für die damals 3 000 To-
ten nicht verantwortlich; die heutige Zeit ist anders;
heutzutage sind Waffenexporte in die Volksrepublik
China wieder angesagt. Das ist Ihre Position.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das sagt keiner! – Klaus Brandner
[SPD]: Das ist doch eine Frechheit!)
Nun sagen Sie: Wir wollen gar keine Waffen exportie-
ren; wir haben doch unsere strengen Exportrichtlinien.
Die Chinesen sagen: Uns geht es eigentlich gar nicht um
Waffen; wir wollen durch solch einen europäischen Be-
schluss bloß nicht mehr diskriminiert werden. Für die
Chinesen ist es also nur eine symbolische Frage.
Wenn das so ist, dann muss man sich mit der Wirkung
dieses Symbols auseinander setzen. Wir haben dazu
schon vorhin einiges gehört. Niemand bestreitet die gro-
ßen Menschenrechtsdefizite. Wie ist die symbolische
Wirkung der Aufhebung des Waffenembargos? Die sym-
bolische Wirkung ist doch: Die Europäische Union ist an
der Lage der Menschenrechte in China nicht mehr in-
teressiert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
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as ist die symbolische Wirkung der Aufhebung des
affenembargos. Das ist für alle entmutigend, die sich
nnerhalb Chinas für Meinungsfreiheit und für Reli-
ionsfreiheit einsetzen und dafür ins Gefängnis gesteckt
erden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
as ist im Übrigen, Herr Erler und Herr Bury, natürlich
anz im Sinne der chinesischen Führung, die genau
iese Entmutigung haben will, aber es ist nicht im Sinne
on mehr Freiheit, mehr Menschenrechten und mehr De-
okratie in China.
(Gernot Erler [SPD]: Das ist europäische
Politik!)
s ist also nicht nur ein Instrument, Herr Bury, dessen
bschaffung keinerlei Wirkung entfalten würde. Herr
achtwei weiß es besser. Deshalb hat er bei der ganzen
ebatte auch ein schlechtes Gewissen.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Physisch er-
kennbar! – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]:
Das ehrt ihn!)
Der Zusammenhang zwischen Waffenexporten/Waf-
enembargo und Menschenrechtslage besteht in zweier-
i Hinsicht. Einmal haben wir die Sorge, dass Waffen
um Einsatz im Innern gegen das eigene Volk verwendet
erden könnten, wenn die Menschenrechtslage eben
icht in Ordnung ist. Sind wir hier ganz sicher, dass das
China nie der Fall sein kann? Sind Sie ganz sicher,
ass sich die Spannungen zwischen der Dynamik der
irtschaftlichen Veränderungen auf der einen Seite so-
ie den politischen Verkrustungen und dem Führungs-
nspruch der Kommunistischen Partei Chinas auf der an-
eren Seite in jedem Fall friedlich lösen werden? Der
anzler selbst hat in dieser Frage gesagt, er sei da nicht
o sicher. Er zieht nur nicht die Konsequenzen daraus.
Zum anderen ist zu sehen: Eine Regierung, die die
enschenrechte der eigenen Bevölkerung nicht achtet,
efährdet auch die Sicherheit der Nachbarn.
Sie verstecken sich hinter Ihrem Bundestagsbe-
chluss. Herr Nachtwei hat vorhin gesagt, dieser Be-
chluss benenne deutlich die Bedingungen, unter denen
as Waffenembargo aufgehoben werden könne, und
err Volmer hat dazu genickt. Dabei, Herr Volmer, ha-
en wir beide doch heute im Auswärtigen Ausschuss ge-
ört, dass Herr Chrobog, Staatssekretär im Auswärtigen
mt, wörtlich gesagt hat – ich habe es mir aufgeschrie-
en –: Der Beschluss stellt ein paar Parameter auf, stellt
ber keine Bedingungen.
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Skandalös!)
o versteht die Bundesregierung und so versteht auch
as von Ihrer Partei geführte Außenministerium den Par-
mentsbeschluss, den Sie hier hochhalten, um Ihre Ba-
is zu besänftigen. Spielen Sie doch bitte einmal mit ehr-
chen Karten und stecken Sie auch die Karten in Ihr
igenes Spiel, die Ihnen die Regierung untergemischt
at!
13772 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) (C)
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Ruprecht Polenz
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Joschka
Fischer wusste schon, warum er nicht gekom-
men ist!)
Mein letzter Punkt. Die Aufhebung des Waffenembar-
gos wird natürlich nicht nur symbolische Bedeutung ha-
ben. Sie wird selbstverständlich die Exporte aus der EU
erleichtern. Sie wird in Russland zu einer Überprüfung
der eigenen Waffenexportpolitik gegenüber China füh-
ren. Russland ist bekanntlich gegenwärtig der größte Ex-
porteur nach China. Die Russen werden bemüht sein, ih-
ren Marktanteil zu halten, und die jetzt noch
vorhandenen Restriktionen möglicherweise lockern. Na-
türlich wird eine Aufhebung des Waffenembargos zu
neuen Spannungen zwischen der Europäischen Union
und den USA führen.
China ist dabei, ein großes Modernisierungspro-
gramm für die eigenen Streitkräfte aufzulegen. Sie ha-
ben dafür den drittgrößten Haushalt auf der Welt.
(Gernot Erler [SPD]: S
selbs
– Sie produzieren auch selbst
Waffenembargos wird auch
zwischen der Europäischen U
dern – darauf hat vorhin Kollege Schockenhoff hinge-
wiesen –; denn die USA haben die Sorge – sie haben sie
auch schon deutlich gemacht –, dass sensitive US-Tech-
nologie auf diese Weise den Weg nach China finden
kann.
Meine Damen und Herren, besinnen wir uns noch ein-
mal auf das, was vor dem 11. September übereinstim-
mende Meinung im ganzen Haus war! Da waren wir uns
einig, dass die friedliche Integration Chinas, dieses Mil-
liardenreiches, in die internationalen Beziehungen der
Welt die Hauptherausforderung ist, vor der wir stehen.
Das hat sich grundsätzlich nicht geändert. Die Aufhe-
bung des Waffenembargos ist zur Erreichung dieses
Ziels der völlig falsche Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde, zu-
gleich am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
stag, den 16. Dezember
9 Uhr)
Berichtigung
145. Sitzung, Seite 13446 (B
folgt zu lesen: „(Dr. Ole Schrö
tionalhymne! – Weiterer Zuruf
Beispiel das Nationale! Das N
nicht im Grundgesetz!)“
), der erste Absatz ist wie
der [CDU/CSU]: Die Na-
von der CDU/CSU: Zum
ationale steht doch auch
ie produzieren auch
t!)
, ja. – Die Aufhebung des
die Rüstungskooperation
nion und den USA behin-
destages auf morgen, Donner
2004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 17.2
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13773
(A) )
(B) )
zeutischen Industrie in Deutschland hat konkrete, im Beitritts der Türkei in circa zehn bis 15 Jahren lassen
gungen und der Innovationsmöglichkeiten der pharma-
Die finanziellen Auswirkungen eines eventuellen
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
Anlage 2
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
Frage des Abgeordneten Jens Spahn (CDU/CSU)
(Drucksache 15/4476, Frage 3):
Welche konkreten Maßnahmen und Aktionen sind nach
Vorlage des Berichtes und Aktionsplanes der Task Force zur
Verbesserung der Standortbedingungen und der Innovations-
möglichkeiten der pharmazeutischen Industrie in Deutsch-
land, vorgelegt im Juni 2004, von der Bundesregierung bisher
unternommen worden, um die im Bericht beschriebenen
Handlungsempfehlungen umzusetzen?
Die Task Force zur Verbesserung der Standortbedin-
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Bindig, Rudolf SPD 15.12.2004*
Feibel, Albrecht CDU/CSU 15.12.2004
Göppel, Josef CDU/CSU 15.12.2004
Heinrich, Ulrich FDP 15.12.2004
Irber, Brunhilde SPD 15.12.2004
Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 15.12.2004
Kramme, Anette SPD 15.12.2004
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
15.12.2004
Nietan, Dietmar SPD 15.12.2004
Otto (Godern), Eberhard FDP 15.12.2004
Ronsöhr, Heinrich-
Wilhelm
CDU/CSU 15.12.2004
Scharping, Rudolf SPD 15.12.2004
Schauerte, Hartmut CDU/CSU 15.12.2004
Dr. Schwanholz, Martin SPD 15.12.2004
Dr. Thomae, Dieter FDP 15.12.2004
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
15.12.2004
(C
(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
uropäischen und internationalen Kontext stehende Vor-
chläge zur Verbesserung der Standortbedingungen für
ie pharmazeutische Industrie, zur Verbesserung der
ahmenbedingungen für die pharmazeutische For-
chung und zur Effektivierung der Zulassungsverfahren
n Deutschland erarbeitet und in einem Bericht mit Ak-
ionsplänen im Juni des Jahres vorgelegt Die Umsetzung
er Aktionspläne wird von der Task Force begleitet. Das
remium wird in regelmäßigen Abständen (mindestens
inmal jährlich) zusammentreffen, den Stand der Durch-
ührung der Aktionspläne erfassen und eine Bilanz zie-
en. Die erste Folgeveranstaltung fand am 30. Septem-
er 2004 statt. Hierbei konnten die ersten Ergebnisse
estgestellt werden.
Der Forderung der Task Force nach einer fachlich
ompetenten, effizienten und zügigen Prüfung und
berwachung von klinischen Studien durch die Ethik-
ommissionen wurde mit dem In-Kraft-Treten der
ood-Clinical-Practice-Verordnung (Gute Klinische
raxis) Rechnung getragen. Die laufenden Aktivitäten
u einer neuen Organisations- und Leitungsstruktur im
undesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
BfArM) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit
er Realisierung des Task Force Aktionsplanes zur Ver-
esserung der Zulassung von Arzneimitteln in Deutsch-
and. Mit der konkreten Umsetzung der auch von der
ask Force erarbeiteten Empfehlungen wird im ersten
uartal 2005 begonnen.
nlage 3
Antwort
es Staatsministers für Europa Hans Martin Bury auf die
ragen des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden)
CDU/CSU) (Drucksache 15/4476, Fragen 9 und 10):
Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vor
dem Beschluss des Rates der Europäischen Union zum Ab-
schluss eines jeden Verhandlungskapitels mit der Türkei die
Möglichkeit zur Stellungnahme im Sinne des Art. 23 Abs. 2
und 3 Grundgesetz geben?
Welche Szenarien hält die Bundesregierung in Bezug auf
die Auswirkungen eines EU-Beitritts der Türkei auf die Höhe
der deutschen Nettozahlungen für wahrscheinlich, und welche
Erhöhungen der deutschen Nettozahlungen ist die Bundes-
regierung in diesem Zusammenhang bereit zu akzeptieren?
u Frage 9:
Die Bundesregierung legt großen Wert auf eine gute
nd vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bundes-
ag. In Angelegenheiten der Europäischen Union unter-
ichtet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag
uf Grundlage des Art. 23 GG umfassend und zum frü-
estmöglichem Zeitpunkt. Dies wird selbstverständlich
uch für die von der Bundesregierung unterstützten Bei-
rittsverhandlungen mit der Türkei gelten.
u Frage 10:
13774 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
sich heute noch nicht seriös bestimmen. Die deutschen
Nettozahlungen hängen wesentlich von vier heute nicht
bezifferbaren Faktoren ab: vom Inhalt der übernächsten
finanziellen Vorausschau für die Jahre ab 2014; vom Er-
gebnis der Beitrittsverhandlungen (Haushalts- und Fi-
nanzfragen); vom Acquis zum Beitrittszeitpunkt (insbe-
sondere in der Agrar- und Strukturpolitik) und nicht zu-
letzt von der türkischen Wirtschaftsentwicklung, deren
Wirtschaftswachstum im Jahre 2003 mit 5,9 Prozent
weit über dem Durchschnitt der EU-25 (0,7 Prozent) lag,
im kommenden Jahrzehnt und darüber hinaus.
Wenn die EU im Dezember 2004 entscheidet, mit der
Türkei Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, wird übri-
gens mit einer noch dynamischeren Entwicklung der tür-
kischen Wirtschaft gerechnet.
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Frage des Abgeordneten Jens Spahn (CDU/CSU)
(Drucksache 15/4476, Frage 26):
Wird der Jugendverband Jungdemokraten/Junge Linke
noch vom Verfassungsschutz beobachtet, und wenn nein, wa-
rum nicht?
Es ist die gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschut-
zes, Organisationen zu beobachten, bei denen tatsäch-
liche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestre-
bungen vorliegen. Die Bundesregierung macht – über
die Ausgabe des jährlichen Verfassungsschutzberichtes
(VSB) hinaus – grundsätzlich keine öffentlichen Anga-
ben über die Beobachtungsobjekte des Verfassungs-
schutzes. Der VSB stellt im Übrigen keine abschließende
Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personen-
zusammenschlüsse dar.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra-
gen der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU)
(Drucksache 15/4476, Fragen 27 und 28):
Welchen Einfluss hat oder hatte die Bundesregierung auf
den Abschluss von Sponsorenverträgen zur Fußball-WM
2006 in Deutschland, wie zum Beispiel auf den Exklusivver-
trag mit einem namhaften amerikanischen Getränkehersteller,
wonach dieser in allen zwölf deutschen WM-Städten auch au-
ßerhalb der Stadien auf zahlreichen WM-Festen vor Großlein-
wänden als Sponsor für alle alkoholfreien Getränke exklusiv
zuständig ist, und wie beurteilt sie dies vor dem Hintergrund
ihrer Programme und Aktionen, wie zum Beispiel der Platt-
form „Ernährung und Bewegung“ oder der Aktion „KINDER
LEICHT“?
Wie beurteilt die Bundesregierung das durch diesen Ex-
klusivvertrag entstehende Verbot des Verkaufs und der Be-
werbung von Milch und Milchprodukten bei der Fußball-WM
2006 in Deutschland, und wie begründet sie ihre Haltung?
Der FIFA-Weltpokal ist eine Veranstaltung der FIFA;
sie ist Eigentümerin der zu einer FIFA-WM gehörenden
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echte, einschließlich aller Vermarktungsrechte. Die
M ist, wie der Name schon sagt, ein weltweites Ereig-
is und daher auch Plattform für weltweit operierende
artner. Die FIFA hat als Veranstalter der WM 2006 be-
eits frühzeitig Sponsorenverträge abgeschlossen – die
eisten zu einem Zeitpunkt, als Deutschland noch nicht
ls Ausrichter feststand. Grundlage derartiger Verträge
st, dass den Sponsoren für ihre Produkte eine Exklusivi-
ät zugesichert wird. Dies entspricht der gängigen Praxis
ei internationalen Sportgroßveranstaltungen. Weder ein
itglied der Bundesregierung noch das deutsche Orga-
isationskomitee hatten Einfluss auf den Abschluss und
ie Gestaltung dieser Verträge, die von den Beteiligten
u respektieren sind.
Die auf der Grundlage des FIFA-Pflichtenheftes gel-
enden Marketing-Richtlinien sind in den so genannten
ost City Guidelines für jede WM-Stadt verpflichtend be-
chrieben. Danach können bei so genannten B-Events
okale Unternehmen, die Nicht-Wettbewerber der FIFA-
ponsoren sind, als Partner städtischer WM-Events auf-
reten. Die beiden Hauptsponsoren der WM 2006 für die
ereiche Food und Soft Drinks zeigen sich sehr interes-
iert an der Arbeit der „Plattform Ernährung und Bewe-
ung“ und haben signalisiert, zur Vorbeugung von Über-
ewicht bei Kindern und Jugendlichen beitragen zu
ollen. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung der-
eit, in welcher Form im Rahmen der die Arbeit des Or-
anisationskomitees zur Fußball WM 2006 ergänzenden
ktivitäten der Bundesregierung das Thema Ernährung
nd Bewegung zur Prävention von Übergewicht aufge-
riffen werden kann.
nlage 6
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra-
en des Abgeordneten Clemens Binninger (CDU/CSU)
Drucksache 15/4476, Fragen 29 und 30):
Trifft die Meldung der „WirtschaftsWoche“ vom 2. De-
zember 2004 zu, dass sich die Ausschreibung für das neue
Digitalfunknetz für Polizei und andere Sicherheitsbehörden
verzögert, und wenn ja, warum?
Rechnet das Bundesministerium des Innern mit zusätz-
lichen Kosten, die durch die verzögerte Ausschreibung entste-
hen, und wenn ja, in welcher Höhe?
u Frage 29:
Nein. Die Bundesregierung hält weiter an ihrer bishe-
igen Planungsperspektive fest. Der Teilnahmewettbe-
erb wird demzufolge nach dem Jahreswechsel 2004/
005 beginnen. Am 16. Dezember 2004 wird der Len-
ungsausschuss des BOS-Digitalfunkprojektes, beste-
end aus den Innenstaatssekretären von Bund und Län-
ern, über das weitere Vorgehen beraten.
u Frage 30:
Nein. Hierzu wird auf die Antwort zur obigen Frage
erwiesen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13775
(A) )
(B) )
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra-
gen des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU)
(Drucksache 15/4476, Frage 31):
Welche Auswirkungen haben die strukturellen Verände-
rungen bei der Bundeswehr auf die Bewältigung von Naturka-
tastrophen und Großschadenslagen, und wie wird der Zivil-
und Katastrophenschutz angesichts des erheblichen Abbaus
von Personal und Ausrüstung bei der Bundeswehr weiter ge-
währleistet?
In der neuen Struktur der Bundeswehr werden Hilfe-
leistungen bei Naturkatastrophen und besonders schwe-
ren Unglücksfällen im Inland sowie zur Unterstützung
humanitärer Hilfsaktionen wie bisher subsidiär erbracht.
Dies gilt auch für den Einsatz bei Großschadensereignis-
sen, die durch terroristische Angriffe verursacht werden.
Die Bundeswehr ist aufgrund ihres hohen Organisations-
grades, ihrer Ausrüstung und Ausbildung zur Hilfe-
leistung weiterhin besonders geeignet. Diese Einsätze
erfolgen unter Abstützung auf vorhandene und für den
jeweiligen Einzelfall geeignete Fähigkeiten, Kräfte,
Mittel und Einrichtungen und unter Beachtung der
verfassungsmäßigen Zuständigkeiten. An ausgewählten
Standorten werden bundesweit so genannte ZMZ-Stütz-
punkte eingerichtet. Dort sollen bereits bestehende Trup-
penteile besondere Fähigkeiten – zum Beispiel im Be-
reich Pionierwesen, ABC-Abwehr oder Sanitätsdienst –
für die Katastrophenabwehr neben ihrem originären mi-
litärischen Auftrag bereithalten. Aktive Soldaten und
Reservisten sollen dort so eingeplant werden, dass ein
durchhaltefähiger Einsatz sowohl für den originären als
auch den subsidiären Auftrag im Rahmen der ZMZ mög-
lich wird. Über die Anzahl der ZMZ-Stützpunkte erfolgt
die Entscheidung im Rahmen der weiteren Feinauspla-
nung. Durch die geplante Neustrukturierung der terri-
torialen Kommandostruktur sollen darüber hinaus die
Voraussetzungen für eine wesentlich intensivere Zivil-
Militärische Zusammenarbeit im Inland (ZMZ/I) mit den
Bundesländern, den Regierungsbezirken, den Landkrei-
sen und kreisfreien Städten geschaffen werden.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des
Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Druck-
sache 15/4476, Frage 32):
Wie haben sich nach der Fallzahl und nach den bewilligten
Fördersummen die Neuzusagen für die Eigenheimzulage in
den Jahren 2002, 2003 und im Jahr 2004 – soweit vorliegend
oder als Schätzung – entwickelt?
Für die Jahre 2002 und 2003 kann jeweils von folgen-
den Fallzahlen ausgegangen werden:
– Anzahl der erstmalig geförderten An-
spruchsberechtigten mit Grund-
förderung: 370 000
davon
– Bestandserwerb 200 000
– Neubau 170 000
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Anzahl der geförderten Kinder im Erstjahr
mit Kinderzulage 480 000
Damit beträgt das geschätzte Eigenheimzulagevolu-
en für den Förderjahrgang 2002 bzw. 2003 im Erstjahr
und 1,05 Milliarden Euro und bei voller Wirksamkeit
ach acht Jahren rund 8,4 Milliarden Euro.
Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 wurde die
örderung durch die Eigenheimzulage um 30 Prozent für
eufälle ab 2004 gesenkt. Somit ergeben sich folgende
eschätzte Förderfälle:
Anzahl der erstmalig geförderten An-
spruchsberechtigten mit Grund-
förderung: 328 000
davon
– Bestandserwerb (ohne Ausbau und
Erweiterung) 170 000
– Neubau 158 000
Anzahl der geförderten Kinder im Erstjahr
mit Kinderzulage 435 000
Damit beträgt das geschätzte Eigenheimzulagevolu-
en ab 2004 jeweils für einen Förderjahrgang im Erst-
ahr rund 0,74 Milliarden Euro und bei voller Wirksam-
eit nach acht Jahren rund 5,9 Milliarden Euro.
nlage 9
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des
bgeordneten Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU)
Drucksache 15/4476, Fragen 35 und 36):
Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass die
das Anlegerschutzverbesserungsgesetz konkretisierenden
Rechtsverordnungen sowie der Emittentenleitfaden der Bun-
desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht noch nicht zur
Verfügung stehen, obwohl wesentliche Teile des Gesetzes be-
reits Ende Oktober 2004 in Kraft getreten sind und daher an-
gewendet werden müssen?
Wie beurteilt die Bundesregierung eventuelle Verstöße ge-
gen das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, die dadurch ent-
stehen könnten, dass das Gesetz klarstellende Rechtsverord-
nungen und Interpretationshilfen noch nicht erlassen wurden?
u Frage 35:
Art. l des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, auf
en die Frage zielt, setzt die EU-Marktmissbrauchsricht-
inie nebst dreier Durchführungsrichtlinien um, welche
rst im Frühjahr 2004 in Kraft getreten sind. Trotz des
ngen zeitlichen Rahmens – die Umsetzungsfrist für den
esamten Richtlinienkomplex lief am 12. Oktober 2004
b – konnte das Anlegerschutzverbesserungsgesetz nicht
uletzt dank der kooperativen Zusammenarbeit aller
raktionen des Deutschen Bundestages zum 30. Oktober
004 in Kraft treten. Nach Mitteilung der EU-Kommis-
ion waren Mitte November 2004 bei Litauen und
eutschland die Arbeiten zur Umsetzung der EU-
arktmissbrauchsrichtlinie am weitesten fortgeschrit-
en. Bei den Verhandlungen in Brüssel hat sich die Bun-
esregierung immer für eine längere Umsetzungsfrist
13776 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
ausgesprochen. Nach dem zugrunde liegenden EU-
Recht war die Einführung einer Übergangsfrist, in wel-
cher die Marktteilnehmer sich auf das neue Gesetz ein-
stellen können, aber nicht möglich. Trotz der noch im
Herbst anberaumten Abstimmungsgespräche auf EU-
Ebene zu einzelnen Auslegungsfragen werden die kon-
kretisierenden Rechtsverordnungen zum Anlegerschutz-
verbesserungsgesetz zeitnah in Kraft treten. Durch eine
zusätzliche Abstimmung mit den Marktteilnehmern
konnte die Bundesregierung eine für alle befriedigende
und praktikable Lösung im Rahmen des vorgegebenen
EU-Rechts erarbeiten.
Zu Frage 36:
Das Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung des zum
30. Oktober 2004 in Kraft getretenen Anlegerschutzver-
besserungsgesetzes enthält grundsätzlich bereits die we-
sentlichen Rechtsgrundlagen sowie Ge- und Verbote zur
Umsetzung der EU-Richtlinien. Die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird dafür Sorge
tragen, dass Rechtsunsicherheiten, welche sich infolge
der noch nicht erlassenen Rechtsverordnungen ergeben
können, nicht zulasten der Marktteilnehmer gehen wer-
den. Die BaFin wird in engem Kontakt mit den Markt-
teilnehmern auftretende Rechtsfragen klären und bei der
Wahrnehmung ihrer Aufsichtstätigkeit auf bestehende
Unklarheiten Rücksicht nehmen. Dies gilt insbesondere
im Fall von Verstößen gegen das Verbot der Marktmani-
pulation in der Neufassung des § 20a WpHG, da hier die
Rechtsverordnung aufgrund des Zustimmungserforder-
nisses des Bundesrates erst im Frühjahr 2005 in Kraft
treten kann. Allerdings ist hier von den Marktteilneh-
mern mindestens der Standard der bisherigen Regelung
vorauszusetzen. Ziel der Bundesregierung ist es, durch
eine entsprechende Aufsichtspraxis eine Benachteili-
gung der deutschen Finanzwirtschaft angesichts der zu
späten Umsetzung der Richtlinien in anderen Mitglied-
staaten zu vermeiden. Ich möchte darauf hinweisen, dass
auf diese Weise den Marktteilnehmern ein Maximum an
Rechtssicherheit gegeben wird und zugleich ein höchst-
mögliches Maß an Praktikabilität der Regelungen erzielt
werden kann. Dies alles erreichen wir zu einem Zeit-
punkt, zu dem in den meisten anderen Mitgliedstaaten
der EU nicht einmal der Entwurf einer entsprechenden
Umsetzungsregelung mit den Marktteilnehmern konsul-
tiert wurde.
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ditmar Staffelt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/
CSU) (Drucksache 15/4476, Fragen 38 und 39):
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass
das industriepolitische Handeln der französischen Regierung,
insbesondere im Zusammenhang mit der Besetzung der Füh-
rungspositionen bei EADS/Airbus zunehmend interventionis-
tischer ist, und welche konkreten Gesprächstermine haben
diesbezüglich zwischen der Bundesregierung und der franzö-
sischen Regierung stattgefunden?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, deutsche
Unternehmen vor dem Hintergrund des industriepolitischen
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Dominanzstrebens der französischen Regierung (zum Beispiel
im Zusammenhang mit EADS/Airbus, Aventis-Sanofi) zu un-
terstützen, und welches konkrete deutsche Konzept für eine
faire und wettbewerbsorientierte deutsch-französische Indus-
triepolitik verfolgt die Bundesregierung?
u Frage 38:
Die Besetzung der Führungspositionen auf der
ADS-Konzernebene sowie innerhalb des EADS-Toch-
eruntemehmens Airbus ist nach Auffassung der Bun-
esregierung eine originäre Angelegenheit der Anteils-
igner.
Da die Bundesregierung im Gegensatz zur französi-
chen Regierung weder direkte noch indirekte Kapital-
eteiligungen an der börsennotierten EADS hält, obliegt
uf deutscher Seite alleine dem deutschen Miteigen-
ümer Daimler-Chrysler AG die Entscheidungsbefugnis
ei der Besetzung der Führungspositionen.
u Frage 39:
Vor dem Hintergrund, dass deutsche und französische
nternehmen sich vor ähnliche Herausforderungen ge-
tellt sehen, arbeitet die Politik in Deutschland und
rankreich seit langem intensiv zusammen. Gemeinsam
tellen wir uns der Aufgabe, die Industriepolitik mit den
chwerpunkten Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und
eschäftigung national und in Europa voranzubringen.
ie Bundesregierung sieht es als zentrale Aufgabe der
olitik an, Bedingungen zu schaffen, die es für die Un-
ernehmen lohnend machen, in Deutschland und Europa
u forschen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaf-
en. Entsprechende Rahmenbedingungen, insbesondere
ür die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie, schafft
ie Bundesregierung zum Beispiel durch das Luftfahrt-
orschungsprogramm und das Deutsche Raumfahrt-
rogramm, durch öffentliche Aufträge, verzinsliche,
ückzahlbare Entwicklungskostenförderungen sowie Fi-
anzierungshilfen zum Absatz ziviler Flugzeuge, deren
ermarktung im Ausland die Bundesregierung im Übri-
en auf allen Ebenen außenpolitisch flankiert.
nlage 11
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Dr. Ditmar Staffelt auf die Fra-
en des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU)
Drucksache 15/4476, Fragen 40 und 41):
Ist der Bundesregierung bekannt, dass den Landkreisen
aufgrund der Umsetzung von Hartz IV zum 1. Januar 2005 im
Kreishaushalt zum Teil erhebliche Mehrausgaben entstehen,
so zum Beispiel rund 5 Millionen Euro im Landkreis De-
litzsch, rund 3 Millionen Euro im Landkreis Torgau-Oschatz
und rund 2,8 Millionen Euro im Landkreis Riesa-Großen-
hain?
Wie lassen sich diese Mehrausgaben mit der von der Bun-
desregierung angekündigten Entlastung der Kommunen in
Deutschland aufgrund der Umsetzung von Hartz IV in Höhe
von 2,5 Milliarden Euro vereinbaren, und was gedenkt die
Bundesregierung gegen diese Mehrbelastung insbesondere
der sächsischen Landkreise zu unternehmen?
In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich
ine Reihe von Kreisen und kreisfreien Städten an die
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13777
(A) )
(B) )
Bundesregierung gewandt und auf die aus ihrer Sicht
durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende negativ
beeinflusste Haushaltsituation hingewiesen. Die Bun-
desregierung ist bemüht – soweit dies auf Grundlage der
verfügbaren Informationen möglich ist – die Eingaben
zu prüfen und mit den betroffenen Kommunen hinsicht-
lich gegebenenfalls sichtbarer Unstimmigkeiten in den
Rechnungen in einen Dialog einzutreten. Ich bitte um
Verständnis dafür, dass ich an dieser Stelle nicht auf die
jeweils spezielle Situation der von Ihnen genannten
Kommunen eingehen kann.
Die von einzelnen Kommunen geschilderten Haus-
haltsprobleme stehen aus Sicht der Bundesregierung
nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen des Vermitt-
lungsausschusses vom 30. Juni 2004. Mit der dort gefun-
denen Einigung ist die politische Zusage eingelöst
worden, die Kommunen insgesamt jährlich um 2,5 Mil-
liarden Euro zu entlasten. Dies wird zum einen dadurch
sichergestellt, dass der Bund sich ab Januar 2005 mit ei-
nem Anteil von 29,1 Prozent an den Kosten der Unter-
kunft beteiligt und die Höhe dieser Beteiligung in den
nächsten Jahren im Zuge regelmäßiger Revisionen zeit-
nah überprüft wird. Zum anderen haben die Länder zu-
gesagt, ihre Einsparungen im Zuge der Wohngeldreform
sowie im Bereich bisheriger Eingliederungsleistungen
für Langzeitarbeitslose an die Kommunen weiterzuge-
ben. Dabei werden die alten Bundesländer allerdings
– berechtigterweise – ihre Einzahlungen in den ebenfalls
im Vermittlungsausschuss vereinbarten „Ausgleich Ost“
gegenrechnen und die neuen Länder müssen die ihnen
aus diesem Ausgleich zufließenden Mittel ebenfalls an
die Kommunen weiterreichen. In den einzelnen Ländern
wird es zweifelsohne Kreise und kreisfreie Städte geben,
für die sich nach Saldierung aller Be- und Entlastungen
eine zusätzliche Belastung ergibt. Genauso wie es an-
dere Kommunen geben wird, die deutlich von der Re-
form profitieren. Über die Höhe der etwaigen Belastun-
gen der einzelnen liegen der Bundesregierung keine
verwertbaren Informationen vor. Es ist deshalb entschei-
dend, dass die Länder ihre Einsparungen – saldiert um
die Beiträge zum „Ausgleich Ost“ – nicht nur vollstän-
dig, sondern auch im Sinne eines fairen Ausgleichs zwi-
schen stärker und weniger stark betroffenen Kommunen
weiterreichen. Es wird sogar unter Umständen ein da-
rüber hinausgehender finanzieller Ausgleich zwischen
Kommunen auf Landesebene notwendig sein, der aber
allein durch Landesgesetzgebung geregelt werden kann.
Die Bundesregierung kann hierauf keinen direkten Ein-
fluss nehmen. Eine über die Vereinbarungen des
Vermittlungsausschuss hinausgehende finanzielle Unter-
stützung der Kommunen durch den Bund ist nicht vorge-
sehen.
Anlage 12
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die
Frage des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU)
(Drucksache 15/4476, Frage 44):
Ist der Bundesregierung bekannt, dass zurzeit bei Zwie-
beln ein Überangebot besteht, deshalb teilweise am Markt nur
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noch Erlöse von 1 Euro pro 100 kg erzielt werden, und welche
Möglichkeit sieht sie, um betroffenen Zwiebelbauern zu hel-
fen, damit sie einen eventuell nicht einkalkulierten Verlust
verkraften können?
Die schwierige Marktsituation bei Zwiebeln wie auch
m übrigen Gemüsesektor ist der Bundesregierung be-
annt. Flächenausweitungen und überdurchschnittliche
rträge haben 2004 zu einer Steigerung der Zwiebelpro-
uktion in der erweiterten EU von circa 20 Prozent ge-
enüber dem Vorjahr geführt. In Deutschland stieg der
wiebelanbau um 15 Prozent auf circa 9 000 Hektar.
iese Entwicklung hat bei schwacher Nachfrage zu einem
tarken Preisverfall geführt. Die Großhandelsabgabe-
reise für Inlandszwiebeln liegen derzeit bei rund 4 Euro
e 100 kg (Vorjahreswert rund 20 Euro), die Erzeuger-
reise bewegen sich bei l Euro je 100 kg. Weiter ver-
chärft wurde das Problem durch das von Russland mit
irkung vom 15. November 2004 verhängte Importver-
ot von pflanzlichen Erzeugnissen aus Deutschland und
en Niederlanden (unter Angabe von phytosanitären
ründen).
Besonders stark betroffenen Betrieben steht eine
inanzielle Unterstützung durch ein neues Förderpro-
ramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank zur Verfü-
ung, nach dem ab sofort Kredite zur Überbrückung von
iquiditätsengpässen im so genannten Hausbanken-
erfahren vergeben werden können. Die Fördermittel
önnen bei vorübergehenden branchenspezifischen
msatzrückgängen von mindestens 30 Prozent beantragt
erden. Das neu geschaffene Liquiditätshilfeprogramm
rägt der Tatsache Rechnung, dass aufgrund der geänder-
en Betriebsstruktur und der größeren Marktabhängig-
eit der Landwirtschaft krisenbedingte Liquiditätspro-
leme die Unternehmen in deutlich stärkerem Maße
elasten können als früher.
nlage 13
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die
ragen des Abgeordneten Dr. Peter Jahr (CDU/CSU)
Drucksache 15/4476, Fragen 45 und 46):
Zu welchem Zeitpunkt erfolgt für die deutschen Landwirte
die Erstzuteilung von Zahlungsansprüchen auf der Grundlage
der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahre 2005?
Welcher Auszahlungstermin für die Zahlungsansprüche
auf Grundlage der Gemeinsamen Agrarpolitik ist für das Jahr
2005 vorgesehen?
u Frage 45:
Im kommenden Jahr können die Landwirte bis spätes-
ens zum 17. Mai die Festsetzung ihrer Zahlungsansprü-
he beantragen. Bemessungsgrundlage für die Gewäh-
ung der Zahlungsansprüche sind zum einen die zu
iesem Zeitpunkt bewirtschaftete beihilfefähige Fläche
flächenbezogener Betrag), zum anderen die im Bezugs-
eitraum 2000 bis 2002 gewährten Direktzahlungen im
ahmen bestimmter Prämienregelungen (unter anderem
onderprämie männliche Rinder, Mutterkuhprämie) be-
iehungsweise bezüglich der Milchprämie die verfüg-
are Referenzmenge am 31. März 2005 (betriebsindivi-
ueller Betrag). Gleichzeitig mit diesem Antrag können
13778 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
(A) )
(B) )
die Landwirte die Zuweisung von Zahlungsansprüchen
aus der nationalen Reserve beantragen, sofern die ent-
sprechenden Voraussetzungen gegeben sind (zum Bei-
spiel Investitionsfall). Sobald die für die Durchführung
der Betriebsprämienregelung zuständigen Bundesländer
die Anträge bearbeitet und die notwendigen Kontrollen
und Berechnungen abgeschlossen haben, setzen die zu-
ständigen Behörden per Bescheid an die Antragsteller
die Zahlungsansprüche endgültig fest. Der EG-rechtlich
vorgegebene letzte Termin für die endgültige Festset-
zung der Zahlungsansprüche ist der 31. Dezember 2005.
Zu Frage 46:
Im EG-Recht ist festgelegt, dass die Auszahlung der
Betriebsprämie jeweils zwischen dem 1. Dezember des
Antragsjahres und dem 30. Juni des Folgejahres zu erfol-
gen hat. Grundsätzlich ist eine einmalige Auszahlung
vorgesehen; die Europäische Kommission kann aller-
dings Vorschusszahlungen vorsehen. Voraussetzung für
die Gewährung von Zahlungen ist grundsätzlich, dass
die erforderlichen Kontrollen abgeschlossen sind. Im
Hinblick darauf, dass im ersten Jahr der Umsetzung des
neuen Systems Verzögerungen bei der Abwicklung nicht
völlig auszuschließen sind, andererseits aber die Land-
wirte möglichst frühzeitig die Zahlungen erhalten soll-
ten, ist das BMVEL auf Wunsch der Bundesländer be-
reits mit der Bitte an die Europäische Kommission
herangetreten, die Möglichkeit von Abschlagszahlun-
gen vor dem endgültigen Abschluss der Kontrollen zu
ermöglichen. Die Europäische Kommission möchte aber
zunächst die weitere Entwicklung abwarten. Sobald im
kommenden Jahr die tatsächliche Entwicklung bei der
verwaltungsmäßigen Abwicklung besser absehbar ist,
werden dann gegebenenfalls konkrete Gespräche mit der
Europäischen Kommission in dieser Frage zu führen
sein.
Anlage 14
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die
Frage des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/
CSU) (Drucksache 15/4476, Frage 49):
Wie will die Bundesregierung den zwangsläufigen Folgen
aus dem Umbau der Bundeswehr für die Hilfsorganisationen
im Hinblick auf die Verringerung des Potenzials der Ersatz-
dienstleistenden und ehrenamtlich Tätigen wirksam begeg-
nen?
Der Personalbestand im Zivil- und Katastrophen-
schutz wird vor dem Hintergrund der allgemeinen demo-
graphischen Entwicklung sowie des Rückgangs der vom
Wehrdienst freigestellten Helfer zukünftig nur unter er-
heblich gesteigerten und von Bund, Ländern und Orga-
nisationen gemeinsam getragenen Anstrengungen für
Ehrenamtspflege, Jugendarbeit und Helferwerbung ge-
halten werden können.
Das Bundesministerium des Innern hat hier die Initia-
tive ergriffen und für den Bereich des zivilen Bevölke-
rungsschutzes bei Ländern und Hilfsorganisationen ab-
gefragt, welche Möglichkeiten dort für eine Förderung
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nd Stärkung des Ehrenamtes gesehen werden. Auf der
asis dieser Abfrage fand am 16./17. September 2004
uf Einladung des Bundesministeriums des Innern ein
orkshop „Ehrenamt im Zivil- und Katastrophen-
chutz“ an der Akademie für Krisenmanagement, Not-
allplanung und Zivilschutz (AKNZ) statt. Teilnehmer
aren Bund, Länder, Hilfsorganisationen, Deutscher
euerwehrverband und Deutscher Städtetag. Der Work-
hop hat Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamtes
usgesprochen, die gegenwärtig geprüft werden.
Weiterhin hat im Geschäftsbereich des Bundesminis-
eriums des Innern das Technische Hilfswerk (THW)
eine Anstrengungen im Bereich der Jugendarbeit ver-
tärkt. Hier sind bereits erste gute Erfolge zu verzeichnen.
eispielsweise hat die THW-Jugend e. V. ihre Mitglie-
erzahlen in den letzten Jahren um jährlich 10 Prozent
teigern können, sodass das THW für das Jahresende
004 von einer Anzahl von 15 000 Junghelfern ausgeht.
ie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei den Feu-
rwehren, beim THW und den privaten Hilfsorganisatio-
en werden zudem von dem Gesetz zur Verbesserung des
nfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaft-
ch Engagierter profitieren, das kürzlich vom Deutschen
undestag beschlossen wurde. Danach sind ehrenamtli-
he Helferinnen und Helfer künftig besser gegen Einsatz-
chäden an ihrem Privateigentum abgesichert. Dies war
ine langjährige Forderung der betroffenen Organisatio-
en.
nlage 15
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Fra-
en des Abgeordneten Volkmar Uwe Vogel (CDU/
SU) (Drucksache 15/4476, Fragen 51 und 52):
Wann wird die von der Deutsche Bahn AG (DB AG) vor-
gelegte Finanzierungsvereinbarung zum zweiten Bauabschnitt
des Knotens Erfurt in Höhe von 92 Millionen Euro (laut Mit-
telfristplanung 2004 bis 2008) vom Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in Abstimmung mit dem
Bundesministerium der Finanzen unterzeichnet?
Wie bewertet die Bundesregierung die unter anderem
durch die noch nicht unterzeichnete Finanzierungsvereinba-
rung eingetretenen Auswirkungen der Bauverzögerung am
Knoten Erfurt für andere tangierende Strecken, wie zum
Beispiel der Mitte-Deutschland-Schienenverbindung (MDV)
sowie der Strecken nach Schweinfurt, Sangerhausen und Göt-
tingen, insbesondere in Bezug auf Kundenzufriedenheit, Fahr-
dauer, Fahrgastaufkommen und zusätzliche Kosten für die
DB AG und ihr Tochterunternehmen Station & Service?
u Frage 51:
Die Finanzierungsvereinbarung zum Knoten Erfurt ist
m 10. Dezember 2004 vom Bund schlussgezeichnet
orden.
u Frage 52:
Der Beginn der Bauarbeiten am Bahnhof Erfurt er-
olgte aufgrund einer Entscheidung der Deutsche Bahn
G (DB AG) mit dem Land Thüringen im Jahr 2002,
bwohl die Finanzierungsvereinbarung noch nicht unter-
chriftsreif war. Zum Erhalt der Zuwendungsfähigkeit
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004 13779
(A) (C)
(B) (D)
hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen – um der DB AG und dem Land entgegen-
zukommen – dem vorzeitigen Baubeginn unter dem aus-
drücklichen Hinweise zugestimmt, dass die DB AG den
vorzeitigen Baubeginn aus Eigenmitteln vorfinanzieren
muss und sich aus dieser Unbedenklichkeitserklärung
des Bundes – wie es das Haushaltsrecht vorschreibt –
kein Anspruch auf Abschluss einer Finanzierungsverein-
barung ableitet. Insoweit können eventuelle Bauverzö-
gerungen dem Bund nicht zur Last gelegt werden. Da-
rüber hinaus ergeben sich – soweit dem Bund bekannt –
aus der erst jetzt erfolgten Unterzeichnung der Finanzie-
rungsvereinbarung keine negativen Auswirkungen auf
die anderen oben genannten Strecken. Allerdings bedeu-
tet die Tatsache des länger dauernden Umbauzustandes
des Bahnhofs Erfurt Unannehmlichkeiten für die Fahr-
gäste.
Anlage 16
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Frage
des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
(CDU/CSU) (Drucksache 15/4476, Frage 53):
Welche der im Bundesland Niedersachsen (Hafen Brake,
Hafen Varel, Hafen Cuxhaven, Reede Cuxhaven, Glückstadt,
Hafen Emden, Reede Deutsche Bucht, Hafen Wilhemshaven,
Reede Wilhemshaven, Hafen Nordenham, Helgoland), im
Bundesland Bremen (Hafen Bremen, Hafen Bremerhaven),
im Bundesland Hamburg (Hafen Hamburg), im Bundesland
Schleswig-Holstein (Brunsbüttel, Husum, Rendsburg, Reede
Husum, Büsum, Hafen Flensburg, Geltinger Bucht, Glücks-
burg, Hafen Langballigau, Hafen Kiel, Reede Kieler Bucht,
Hafen Olpenitz, Hafen Eckernförde, Hafen Neustadt, Feh-
marn, Travemünde, Hafen Lübeck, Reede Lübecker Bucht),
im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (Hafen Wismar,
Reede Wismar, Hafen Rostock/Warnemünde, Reede Warne-
münde, Hafen Stralsund, Reede Rügen, Hafen Sassnitz, Hafen
Greifswald, Reede Greifswalder Eue, Reede Swinemünde)
unter anderem von der Landesregierung Mecklenburg-Vor-
pommern und der EU-Kommission diskutierten Notliegehä-
fen und -plätze sind von der Bundesregierung im Rahmen der
Ausweisung entsprechend des „Erika-II-Pakets“ nicht nach
Brüssel gemeldet worden?
Weder Art. 20 der Richtlinie 2002/59/EG noch die
Kommission fordern die Einrichtung oder Benennung
spezieller Notliegehäfen, sondern nur die Erstellung von
Plänen mit den erforderlichen Vorkehrungen und Verfah-
ren, die es Schiffen in Seenot, vorbehaltlich der Geneh-
migung durch die zuständige Behörde, erlauben, unver-
züglich einen Notliegeplatz anzulaufen. Das deutsche
Notliegeplatzkonzept geht davon aus, dass grundsätzlich
jede geschützte Wasserfläche und nicht nur Häfen als
Notliegeplätze geeignet sind. Deutschland hat daher
40 potenzielle Notliegeplätze identifiziert, bei der zentra-
len Bund/Länder-Einrichtung Havariekommando inven-
tarisiert und diese beispielhafte Liste der Kommission
mitgeteilt. Eine Diskussion über die konkrete Benen-
nung von Notliegeplätzen zwischen Bund, Küstenlän-
dern und EU-Kommission fand daher nicht statt.
147. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2004
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16