Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Vereinbarte Debatte zur aktuellen Europapolitik
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Angelica Schwall-Düren, SPD-Fraktion, das Wort.
Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Wir diskutieren heute Morgen über die Europapoli-
tik und stehen am Beginn des Jahres 2004, eines Jahres,
das ein Schicksalsjahr für die Europäische Union ist.
Zehn weitere Staaten treten der Europäischen Union bei.
Wir haben es mit einem großen Schritt zur europäischen
Wiedervereinigung zu tun. Im Augenblick finden in
New York noch Verhandlungen statt, um zu erreichen,
dass Zypern als Ganzes in die Europäische Union ein-
treten kann. Gerade für ein Land mit einer Vergangen-
heit als geteiltes Land hoffen wir sehr, dass ein Erfolg er-
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reicht werden kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
FDP)
Dieses Jahr bringt Wahlen zum Europäischen Parla-
ment. Ein neues Parlament, neue Kommissare, weitere
zehn Kommissare werden dann die Zukunft unserer Eu-
ropäischen Union gestalten und werden die Lösung der
wichtigen Fragen der finanziellen Vorausschau, die im
Jahr 2005 beschlossen werden muss, vorbereiten.
Wir alle hatten gehofft, dass die Vertiefung der Euro-
päischen Union vor der Erweiterung zu err
Wir hoffen nun, dass noch in diesem Jahr d
sche Verfassung, aufbauend auf dem Ergebn
Konvent vorgelegt hat, verabschiedet werden
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3. Februar 2004
0 Uhr
Wir sind ganz optimistisch, dass die irische Ratspräsi-
entschaft etwas erreichen kann; denn sie arbeitet proak-
v und sie arbeitet dezent. Gespräche und Verhandlungen
inden im Hintergrund statt. Die Kompromissmöglich-
eiten sind in diesen Gesprächen auszuloten. Sie können
icht auf dem offenen Markt verhandelt werden.
Wir wissen, dass in einem großen Teil Übereinstim-
ung erzielt worden ist. Die Teilnehmer an Regierungs-
ipfeln sprechen immer von 90 Prozent. Aber es gibt
och eine Reihe offener Fragen, für die sicherlich Lö-
ungen gefunden werden können, wenn sich alle aufei-
ander zu bewegen.
Der Hauptdissens betrifft das Prinzip der doppelten
ehrheit. Zunächst einmal will ich sagen, dass ich
urchaus Verständnis für die Staaten habe, die sich auf
ie geltende Vertragsgrundlage von Nizza berufen. Spa-
ien als langjähriges EU-Mitglied hat Erfahrung damit,
nteressendivergenzen in diesem europäischen Prozess
ls Balance zwischen nationalen Interessen und europäi-
chem Mehrwert auszuhandeln. Polen als Repräsentant
iner Gruppe von Ländern, die über fünf Jahrzehnte
raktisch keine Souveränität hatten, scheint sich zu er-
offen, dass Einfluss auch über Verhinderungsmöglich-
eiten gesichert werden kann.
Die Erfahrungen in der Europäischen Union lehren
ext
uns aber, dass mit zunehmender Zahl von Staaten die
Entscheidungsfindung immer schwieriger wird. Eine
größere EU mit ihren ehrgeizigen Zielen – denken wir
nur einmal an die Lissabon-Strategie – wird noch mehr
Handlungsfähigkeit als in der Vergangenheit brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb ist zusätzliche Effizienz – gerade zur Überwin-
dung des Wohlstandsgefälles – dringend erforderlich.
Diese zusätzliche Effizienz ist nicht nur in europäischem
Interesse, sondern auch im Interesse Ungarns, Estlands,
Polens und vieler anderer Staaten. Die Blockademinder-
heit muss überwunden werden, damit wir eine Gestal-
ewinnen.
ei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
eichen ist.
ie europäi-
is, das der
kann.
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8196 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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(B) )
Dr. Angelica Schwall-Düren
Mit dem Prinzip der doppelten Mehrheit können weder
ein einzelnes Land noch eine Zweierachse noch ein
Dreierdirektorium die anderen Länder majorisieren.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der nicht unkom-
plizierten Lage zwischen Deutschland und Polen sagen.
Es ist in der Tat schmerzhaft, dass durch verschiedene
Ereignisse des Jahres 2003 das bereits entstandene Ver-
trauensverhältnis zwischen Polen, unserem größten
Nachbarn im Osten, und Deutschland gestört wurde. Die
Schatten der Vergangenheit haben die Beziehungen wie-
derum überlagert. Ein unsensibler Umgang mit dem
Thema Vertreibung durch den BdV, aber auch durch ei-
nige Kolleginnen von der CDU/CSU und Entschädi-
gungsforderungen haben die Beziehungen nachhaltig be-
einträchtigt. Wir alle wissen, dass die Regierung wie
auch die große Mehrheit der Bevölkerung diese Entschä-
digungsforderungen ablehnt. Wir haben die Bitte an Po-
len, zu erkennen, dass Deutschland seine Interessen aus-
schließlich in Übereinstimmung mit seinen Nachbarn
umsetzen will und umsetzen kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
FDP)
Im Juni finden die Wahlen zum Europäischen Par-
lament statt. Kollegen aus den neuen Mitgliedstaaten
werden an der Arbeit in der Europäischen Union teilneh-
men. Zehn neue Kommissare werden dabei sein. Die
kommenden Jahre sind für die Umsetzung der Lissabon-
Strategie entscheidend. Neben dem, was auf nationaler
Ebene geleistet werden muss, ist und bleibt das Solidar-
prinzip in der Europäischen Union ein Prinzip, das für
Kohäsion sorgt. Es gibt – man denke an Spanien und Ir-
land – erfolgreiche Beispiele.
Mit der Mitteilung der Europäischen Kommission
über die politischen und haushaltspolitischen Prioritäten
der erweiterten Europäischen Union für die Zeit 2007 bis
2013 und mit dem für die nächste Woche angekündigten
Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusam-
menhalt hat die Debatte um die Zukunft der erweiterten
Europäischen Union eine neue Dynamik erreicht. In der
Diskussion über den Finanzrahmen geht es um die
Frage, wie die erweiterte Union die Herausforderungen
der Zukunft meistern und auf welchen Gebieten sie poli-
tische und finanzielle Schwerpunkte setzen will.
Zu den wichtigsten Prioritäten gehören die erfolgrei-
che Integration der neuen Mitgliedstaaten, die Weiter-
führung einer erfolgreichen Politik des wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhalts, die Reformierung der
Agrarpolitik, neue Akzente in der Außen- und Sicher-
heitspolitik, im Bereich Justiz und Inneres und bei der
Fortführung der Lissabon-Strategie. Es geht aber auch
darum, wie hoch der EU-Haushalt insgesamt anwach-
sen soll, um die Herausforderungen der Zukunft zu
meistern, gleichzeitig aber die finanziellen Möglichkei-
ten der Mitgliedstaaten nicht zu überfordern. Angesichts
der enormen Anstrengungen, die die meisten Mitglieder
bei der Konsolidierung ihrer nationalen Haushalte zu be-
wältigen haben, darf diese Frage nicht ausgeblendet wer-
den.
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Wir stimmen bei den politischen Prioritäten mit der
uropäischen Kommission weitgehend überein; wir hät-
n uns bei der Ausgestaltung des Finanzrahmens aber
ehr Realismus und Kohärenz gewünscht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
ie Vorschläge der Kommission sehen nämlich ein deut-
ches Anwachsen des EU-Budgets vor. Das würde ins-
esondere die Hauptzahlerländer, Deutschland, Frank-
eich, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und
sterreich, in hohem Maße belasten.
Damit kein Zweifel aufkommt: Wir bekennen uns zur
uropäischen Solidarität; aber es gibt Grenzen der Be-
stbarkeit. Deshalb unterstützen wir die von der Bun-
esregierung angemahnte Begrenzung des EU-Haushal-
s auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens.
Meine Damen und Herren, die europäische Solidarität
t keine Einbahnstraße. Deswegen müssen auch die
taaten, die bisher von der europäischen Struktur- und
ohäsionspolitik profitiert und dadurch an wirtschaftli-
her Stärke zugenommen haben, Einschnitte hinnehmen.
ie bisherigen Empfängerländer müssen zusätzlich auf
ittel verzichten, denn Verlässlichkeit und Berechen-
arkeit aufseiten der Empfänger und Zahler muss zu-
leich mit Zumutbarkeit für die europäischen Steuerzah-
r verknüpft werden.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt hinweisen:
s gibt einen eklatanten Widerspruch in der Argumenta-
on der Europäischen Kommission. Während sie in der
iskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht
nerkannt hat, dass die Haushaltseinschnitte negativen
influss auf die Wachstumsaussichten haben, erklärt uns
ie Europäische Kommission nun, dass eine drastische
usweitung des EU-Haushaltes vorgenommen werden
üsse, wolle man an dem Ziel der Stimulation des
achstums festhalten. Wir müssen im weiteren Verlauf
er Diskussion die Struktur- und Kohäsionspolitik sorg-
ältig analysieren und intensiv diskutieren. Netzwerke
üssen gebildet und Synergieeffekte erreicht werden.
ann wird auch die weitere Entwicklung der EU positiv
erlaufen.
(Beifall bei der SPD)
Europa steht vor großen Herausforderungen: Die
ntegration von zehn Neumitgliedern muss gelingen. In
rei Jahren steht der Beitritt von Bulgarien und Rumä-
ien an. Die Transformation von Nachbarländern der EU
uss im Interesse Europas aktiv unterstützt werden. Die
chwierigen Verhandlungen für den Finanzrahmen 2007
is 2013 müssen schnell abgeschlossen werden, weil
ies Voraussetzung für Wohlstand und sozialen Zusam-
enhalt der EU und für das Behaupten im internationa-
n Wettbewerb ist.
Wir wünschen der irischen Ratspräsidentschaft viel
eschick und Glück bei den Verhandlungen über eine
uropäische Verfassung. Zugleich freue ich mich auf die
eiern zum Beitritt der neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai
ieses Jahres, die an vielen Orten in unserer so reichen
uropäischen Union stattfinden werden.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8197
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(B) )
Dr. Angelica Schwall-Düren
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Altmaier, CDU/
CSU-Fraktion.
Peter Altmaier (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle
freuen uns, dass in wenigen Wochen mit dem Beitritt
von zehn neuen Staaten die Europäische Union einen
großen Erfolg feiern und dass damit auch das Ende des
Kalten Krieges in Europa offiziell besiegelt wird. Wir
haben die Erweiterung in den letzten Jahren trotz der
manchmal nicht einfachen Umstände gemeinsam über
alle Parteigrenzen vorangetrieben und freuen uns nun
mit den Bürgerinnen und Bürgern der neuen Mitglied-
staaten.
Aber am Vorabend der Erweiterung steht die Europäi-
sche Union auch vor einer schweren Krise, möglicher-
weise der schwersten Krise seit langer Zeit. Die deutsche
Bundesregierung steht inmitten dieser Krise hilflos und
konzeptionslos da
(Widerspruch bei der SPD)
und wird von den übrigen Mitgliedstaaten – erstmals in
der Geschichte der Europäischen Union – nicht als Teil
der Lösung gesehen, sondern zunehmend als Teil des
Problems.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das glaubst
du doch selber nicht!)
Meine Damen und Herren, es gab in der Europäischen
Union schon seit langer Zeit nicht mehr eine derartige
Häufung von Spannungen, von Misstrauen, von Gegen-
sätzen und von Polarisierungen wie in den letzten Mona-
ten. Die Tendenz ist leider Gottes wachsend. Wir haben
drei Bereiche, in denen eine starke Polarisierung
herrscht, die die Europäische Union zu lähmen und ihre
Handlungsfähigkeit zu beschädigen droht.
Erstens. Es gibt eine Frontstellung zwischen großen
und kleinen Mitgliedstaaten, geprägt von tiefem Miss-
trauen.
(Günter Gloser [SPD]: Quatsch!)
Das fing im Konvent an und findet seine Fortsetzung bis
in die jüngste Zeit. So wurde in den letzten Tagen vor ei-
nem Direktorium der großen Mitgliedstaaten gewarnt,
das über die Köpfe der kleinen hinweg entscheidet. Das
betrifft nicht nur Italien, sondern auch die Niederlande
und viele andere Mitgliedstaaten, mit denen wir seit Jah-
ren und Jahrzehnten gute und enge Beziehungen unter-
halten.
Zweitens. Es gibt eine Frontstellung zwischen dem
reichen Europa und dem armen Europa. Im Zusammen-
hang mit dem Finanzrahmen 2007 bis 2013 hat die
Bundesregierung eine Debatte auf den öffentlichen
Markt getragen, die dazu geführt hat, dass in der Euro-
päischen Union Misstrauen entstanden ist, und zwar
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icht in erster Linie zwischen Deutschland und Spanien,
ondern zwischen Deutschland und den Staaten, die jetzt
die Europäische Union kommen und die zu Recht da-
auf bauen, dass wir sie bei ihrem Aufholprozess nach
räften unterstützen.
Drittens. Es gibt die alte Frontstellung zwischen dem
lten und dem neuen Europa in der Irakkrise, bei der
ie deutsche Bundesregierung durch ihre einseitige Fest-
gung zu einem frühen Zeitpunkt verhindert hat, dass
ine gemeinsame europäische Position zustande kommt.
ir haben den dadurch entstandenen Schaden im Übri-
en im Konvent erlebt, wo es nicht möglich war, Mehr-
eitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und
icherheitspolitik durchzusetzen. Wir sehen den Scha-
en auch jeden Tag bei den Beratungen mit unseren
ündnispartnern in der NATO und in der Europäischen
nion.
Meine Damen und Herren, es muss Ihnen doch auffal-
n, dass Deutschland zum ersten Mal in diesen ganzen
treitigkeiten nicht als Vermittler auftritt, nicht agiert,
m Lösungen zustande zu bringen, sondern angesehen
ird als jemand, der polarisiert und seine eigenen Inte-
essen vertritt. Wenn Sie auf diese Art und Weise agie-
en, dann werden Sie den deutschen und europäischen
nteressen nicht nutzen, sondern ihnen schaden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Bundesaußenminister, das Schlimmste, was pas-
ieren kann, ist, dass jetzt eine Situation entsteht, in der
ll diese Probleme vermengt werden, in der Junktims
ntstehen, in der versucht wird, durch Zugeständnisse
uf dem einen Gebiet Forderungen auf anderen Gebieten
urchsetzen zu können. Deshalb dürfen wir nicht zulas-
en, dass alles in einen Topf geworfen wird.
(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das sagen
Sie mal der CDU!)
ir müssen dafür sorgen, dass ein Problem nach dem
nderen gelöst wird. Deshalb appellieren wir an Sie
und bieten Ihnen unsere Unterstützung an –, alles zu
n, damit die europäische Verfassung, die Europa und
eine Bürger dringend brauchen, noch vor den Europa-
ahlen am 13. Juni dieses Jahres zustande kommt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Bundesaußenminister, wir wissen, das ist keine
ichte Aufgabe. Aber sehen Sie, wir erwarten von den
eiden Volksgruppen auf Zypern, dass sie vor der Euro-
awahl und dem Beitritt der zehn neuen Staaten im-
tande sind, einen jahrzehntealten Konflikt zu lösen und
ich wieder zu vereinigen. Dann muss es doch auch
öglich sein, dass die Europäische Union den Streit
ber die Stimmenverteilung im Ministerrat in derselben
rist in annehmbarer und vorzeigbarer Weise löst und
azu beiträgt, dass die Verfassung verabschiedet werden
nd pünktlich in Kraft treten kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Bei der Frage der Stimmengewichtung im Minister-
at geht es natürlich, wie bei anderen Fragen auch, um
8198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Peter Altmaier
Interessen. Es geht aber auch um Vertrauen, das die Eu-
ropäische Union braucht, und es geht um Regeln, die Ef-
fizienz gewährleisten sollen. Wir müssen, wenn wir das,
was auf dem Gipfel in Brüssel vor Weihnachten gesche-
hen ist, ändern wollen, versuchen, einen Kompromiss zu
finden. Das heißt, die Spanier und die Polen müssen sich
bewegen, aber auch wir Deutschen müssen uns bewe-
gen, Herr Bundesaußenminister. Ich habe die Sorge, dass
es uns genauso ergeht wie bei dem Gipfel in Brüssel:
dass wir wie die Katze um den heißen Brei herumschlei-
chen und in diplomatischen Gesprächen versuchen, eine
Lösung zu finden, sich aber niemand bewegt und es am
Ende zu spät ist.
Herr Bundesaußenminister, ich glaube, Sie würden ei-
nen großen Beitrag leisten, wenn Sie heute von dieser
Stelle aus erklären: Alle müssen sich bewegen, auch wir.
Entscheidend ist, dass letzten Endes ein Kompromiss ge-
funden wird, der dazu beiträgt, dass die Europäische
Union handlungsfähig wird und Blockademinderheiten
reduziert werden. Da möchte ich der Frau Kollegin
Schwall-Düren ausdrücklich zustimmen; das muss unser
gemeinsames Ziel sein.
Meine Damen und Herren, in der Haushaltsfrage
sind wir uns einig: Wir müssen auf allen Ebenen sparen,
von der kommunalen Ebene über die Länder- bis hin zur
Bundesebene. Das gilt natürlich auch für Europa. Aber
eines geht nicht: dass Sie in Brüssel ständig neue Aufga-
ben und Zuständigkeiten für die Europäische Union be-
schließen und sich anschließend weigern, der Europäi-
schen Union das Geld zur Verfügung zu stellen, das sie
für diese Aufgaben und die Wahrnehmung der Zustän-
digkeiten braucht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir möchten daher ganz gerne von Ihnen wissen, wo
denn gespart werden soll. Möchten Sie zulasten der neu
hinzukommenden Länder sparen? Möchten Sie zulasten
der neuen Bundesländer sparen? – Nein! Da sind wir uns
einig. Wo wollen Sie also sparen? Wenn Sie dazu ein
vernünftiges und überzeugendes Konzept vorlegen, dann
werden Sie uns auf Ihrer Seite haben.
Lassen Sie mich noch ein Problem ansprechen, das in
diesen Tagen oft übersehen wird, aber ganz viele Men-
schen, was ihre persönliche Situation betrifft, berührt.
Die Osterweiterung ist ein Experiment. In ihr liegt eine
großartige Chance für die Europäische Union und für die
Wirtschaft in den alten Mitgliedstaaten der Europäischen
Union. Aber natürlich sind damit auch Risiken verbun-
den. Wir haben diese Tatsache parteiübergreifend aner-
kannt, indem wir Übergangsfristen im Bereich der Frei-
zügigkeit vereinbart haben.
Mit dieser Erweiterung sind auch Risiken hinsichtlich
der Unternehmensansiedlungen auf beiden Seiten der
Grenzen verbunden. Wir werden einen Wettbewerb bei
den Lohnkosten erleben, von dem wir uns noch keine
genaue Vorstellung machen können. Deshalb appelliere
ich an Sie: Messen Sie den Problemen der Menschen in
den Grenzregionen, beispielsweise in Bayern, in Sach-
sen und in Sachsen-Anhalt, mehr Aufmerksamkeit zu!
Wir brauchen ein Grenzgürtelprogramm und eine ver-
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ünftige Konzeption, um den Menschen zu zeigen, dass
hre Probleme von der Politik anerkannt und ernst ge-
ommen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen:
ir sind bereit, Herr Bundesaußenminister, Sie in den
ommenden schwierigen Wochen und Monaten zu un-
erstützen.
(Günter Gloser [SPD]: Auch die CSU?)
ir haben in diesem Hause die gute Tradition, dass die
uropapolitik trotz aller Unterschiede im Detail in der
roßen Linie immer eine gemeinsame Politik aller de-
okratischen Parteien ist. Aber wir erwarten von Ihnen,
ass Sie die Anstrengungen unternehmen, die notwendig
ind, um die Europäische Union aus ihrer Krise heraus-
uführen. Wir glauben, das lohnt jede Anstrengung und
ede Mühe. Dafür bieten wir Ihnen unsere Unterstützung
n.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Rainder Steenblock,
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ieber Kollege Altmaier, der Schluss Ihrer Rede klang
twas versöhnlicher. Aber das, was Sie am Anfang Ihrer
ede an Analyse geboten haben, hat mit der Entwick-
ung in Europa und mit der Rolle, die die Bundesregie-
ung dabei gespielt hat, nur relativ wenig zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Zuruf von der SPD: Gar
nichts!)
Sie haben den Konvent angesprochen und versucht,
eutlich zu machen, dass die Bundesregierung an dieser
telle Teil des Problems ist. Sie selber waren weiß Gott
enug damit befasst, um das besser wissen zu können:
erade diese Bundesregierung und insbesondere ihr Au-
enminister haben alles unternommen, um die Ergeb-
isse, die in den Verhandlungen im Konvent erreicht
urden, zusammenzuführen und mitzutragen. Das war
ine der Kernaufgaben der deutschen Europapolitik und
oweit es in diesem Rahmen möglich war, ist sie sehr er-
olgreich bewältigt worden. Im Gegenteil, Sie waren es,
ie durch neue Forderungen, die Sie im Deutschen Bun-
estag erhoben haben, die Verhandlungen zum Konvent
elastet und damit das Erzielen von Ergebnissen er-
chwert haben, während wir versucht haben, die Ergeb-
isse zusammenzuführen. Dafür sollten wir dem Außen-
inister dankbar sein, anstatt ihn nachträglich dafür zu
ritisieren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die Gespräche, die mit dem britischen Premierminis-
er anlässlich seines gestrigen Besuches geführt wurden,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8199
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Rainder Steenblock
machen deutlich, dass wir auf einem guten Weg sind, die
Probleme des letzten Jahres zu beherrschen und voran-
zukommen. Gerade was die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik angeht, gibt es ein neues Selbstver-
ständnis der großen Partner in Europa. Das ist positiv
und das sollten Sie nicht kritisieren. Es ist ein wichtiger
Schritt, um in den zentralen Fragen gemeinsam voranzu-
kommen. Wir sollten froh darüber sein, dass Großbritan-
nien wieder mit im Boot ist. Das stärkt unsere Position
und auch die Position Europas in der Welt.
Wenn Sie über Irritationen im Verhältnis zu Polen
reden, lieber Kollege Altmaier, dann sollten Sie auch
einmal Ihre Kollegin Steinbach ansprechen; denn sie ist
für viele Irritationen verantwortlich, die es in der Ver-
gangenheit gegeben hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Diese Argumentation zeigt, dass Sie mehr Probleme als
Lösungsangebote haben.
Wir stehen in Europa vor zwei großen Aufgaben:
Zum einen stehen wir vor der Vereinigung des Konti-
nents nach jahrzehntelanger Trennung, zum anderen
wollen wir die wettbewerbsfähigste und eine auf Wissen
basierte Volkswirtschaft werden. Dafür brauchen wir
– ganz im Sinne der Göteborg-Strategie – eine nachhal-
tige Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Soziales
und Umwelt. Das sind unsere Ziele, die wir Europa vor
dem Hintergrund der schwierigen Haushaltssituation, in
der sich alle Länder Europas befinden, ins Logbuch ge-
schrieben haben.
Wir wollen den Motor Europa wieder anwerfen. Die
Schwerpunkte, die in der neuen finanziellen Voraus-
schau gesetzt worden sind, sind dafür eine Grundlage.
Auf der einen Seite besteht die Aufgabe der Solidarität
gegenüber den Beitrittsstaaten. Auf der anderen Seite ist
in das Blickfeld zu nehmen, dass die Lissabon-Strategie
umgesetzt werden muss. Das heißt, es muss mehr Geld
für Forschung, Innovation, Infrastruktur und die Trans-
europäischen Netze bereitgestellt werden. Das brauchen
gerade wir in Deutschland; denn unsere deutsche Volks-
wirtschaft ist die stärkste Exportwirtschaft auf dem Bin-
nenmarkt der EU. Deshalb ist es im Interesse unserer
Wirtschaft und stärkt es unsere Wirtschaftsstruktur,
wenn die Infrastruktur in den Beitrittsstaaten so rasch
wie möglich an das westeuropäische Niveau angeglichen
wird. Solidarität mit den Beitrittsstaaten ist ein Faktor,
der die deutsche Wirtschaft stärkt.
Daher brauchen wir einerseits Aufwüchse. Die
Schwerpunkte, so wie sie in der finanziellen Voraus-
schau gesetzt worden sind – davon bin ich sehr über-
zeugt –, sind richtig. Andererseits müssen wir sparen. Es
gibt in diesem Haushalt noch Ansätze zu sparen. Ich
halte es für schwer vermittelbar, dass es, gerade was die
Strukturfonds angeht, Haushaltsansätze gibt, die ständig
zu Rückflüssen führen. Wir müssen in der Strukturpoli-
tik der EU realistische Haushaltsansätze finden. Wir
müssen unsere Mittel auf die Schwächsten konzentrie-
ren, das heißt auf die Beitrittsländer der EU. Das ist eine
zentrale Herausforderung, vor der wir stehen.
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Wir dürfen die Nettozahlerdebatte nicht so führen,
ass wir nur davon ausgehen, dass es bei den Nettozah-
ern zu exorbitanten Ausgaben kommt. Die EU hat ange-
oten, ein Rabattsystem einzuführen. Das halte ich für
en richtigen Weg. Den müssen wir weiterverfolgen, so-
ass wir zwischen den Beiträgen, die wir zu leisten ha-
en, und den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, ei-
en vernünftigen Kompromiss herstellen können. Das
arf nicht dazu führen, dass wir die neuen Aufgaben ge-
ade in der Außen- und Sicherheitspolitik und in der
echnologiepolitik vernachlässigen. Hier brauchen wir
inerseits in Zukunft Schwerpunkte, das heißt mehr
eld. Andererseits müssen wir an anderen Stellen Spar-
otenziale finden.
Mit Blick auf die Verhandlungen über die Zukunft
uropas, die jetzt folgen, sollten uns die beiden Pfeiler
er Solidarität und der Innovation bei der weiteren finan-
iellen Vorausschau leiten.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Sabine Leutheusser-
chnarrenberger, FDP-Fraktion.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
em Schiff Europa, das so zuversichtlich mit neuen Pas-
agieren zu neuen Ufern aufbrechen sollte, wurde mit
em Scheitern der Regierungskonferenz im Dezember
etzten Jahres abrupt der Wind aus den Segeln genom-
en. Nun treibt das Schiff in seichten Gewässern und
äuft Gefahr, auf Grund zu laufen. Während die Kapitäne
ffentlich oder auch hinter verschlossenen Türen um den
ukünftigen Kurs streiten, regt sich Unmut unter den
assagieren, nämlich den europäischen Bürgerinnen und
ürgern.
Werfen wir doch einen Blick auf das letzte Eurobaro-
eter: Die Ergebnisse sind niederschmetternd und spie-
eln wider, wie von den Bürgerinnen und Bürgern die
uropapolitik wahrgenommen wird. Nur 39 Prozent der
eutschen Bevölkerung haben ein positives Bild von der
uropäischen Union. Die Institutionen wie das Europäi-
che Parlament haben einen Vertrauensverlust erlitten
nd mit dem Kapitän, dem Ministerrat, würden höchs-
ens 32 Prozent gemeinsam in See stechen.
Das zeigt doch: Mit der Politik, wie wir sie hier in die-
em Hause formulieren, ist etwas nicht in Ordnung. Wir
ermitteln den Bürgerinnen und Bürgern nicht, worum es
ns bei der europäischen Entwicklung geht. Es geht uns
atürlich um einzelne wichtige Punkte: um doppelte
ehrheiten – wobei 60 Prozent der EU-Bevölkerung re-
räsentiert sein müssen –, um eine handlungsfähige
ommission, um eine geringe Zahl an Kommissaren.
In Wirklichkeit geht es aber darum, den Bürgern end-
ich zu sagen: Wir wollen ein demokratischeres, ein bür-
ernäheres Europa, das natürlich handlungsfähig ist, das
8200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
sich aber nicht darauf beschränkt, mit diesen Techniken
Europapolitik zu betreiben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Deshalb müssen wir erreichen, dass in den nächsten Mo-
naten auch in der Öffentlichkeit stärker über den Wert
der europäischen Verfassung und ihre Grundlagen gere-
det wird.
Ich habe erwartet, dass von den wichtigen Konsulta-
tionen mit dem französischen Premierminister Chirac
sowie gestern mit Herrn Blair – in der nächsten Woche
finden Konsultationen mit beiden zusammen statt – an-
dere Signale ausgehen würden. Es sind nämlich keine
positiven Signale von diesen Treffen ausgegangen. Es ist
keine Linie aufgezeigt worden, wie man gemeinsam ver-
suchen will, das dahindümpelnde Schiff wieder in tiefere
Gewässer zu bringen. Im Gegenteil: Die Reaktionen auf
die Treffen zeigen doch, wie skeptisch diese Gespräche
gesehen werden. Man hat nicht deutlich gemacht, dass
diejenigen, die für den europäischen Integrationsprozess
entscheidend sind, Verantwortung dafür tragen, Kom-
promisslinien aufzuzeigen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Das hat bei dem Treffen zwischen Schröder und Chirac
in Genshagen sowie bei dem Treffen zwischen Schröder
und Blair gefehlt. Die Reaktion darauf wird Zurückhal-
tung und Abwarten sein. Man fragt sich: Soll die Angst
in der Europäischen Union wirklich stärker dominieren
oder nicht? Genau das schafft das falsche Klima und die
falsche Atmosphäre für die nächsten Monate.
Die Iren sind mit ihrer vorsichtigen Art zu sondieren
aus meiner Sicht Hoffnungsträger: Sie zeigen mögliche
Perspektiven auf und versuchen damit, alle zusammen-
zubringen.
Ich erwarte aber, dass man sich in Deutschland nicht
nur mit Chirac und Blair trifft. Ich erwarte, dass in den
nächsten Wochen – natürlich vor dem 1. Mai – Gesprä-
che mit den Verantwortlichen aus anderen Mitgliedstaa-
ten – natürlich auch mit den Spaniern, selbst wenn es
noch so schwierig ist, natürlich mit den Portugiesen,
aber auch mit den Ungarn und den Tschechen – geführt
werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]:
Auch mit der Opposition muss gesprochen wer-
den!)
Sie alle haben nämlich ein Interesse daran, dass die Ost-
erweiterung, die Europäische Union der 25, gelingt und
dass der 1. Mai nicht zu einem Datum wird, über das es
später einmal heißt: An diesem Datum hat der Rück-
schritt der Europäischen Union zu einer Wirtschafts-
union begonnen. – Wir brauchen nämlich eine politische
Union.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger eines von der Euro-
päischen Union erwarten – das zeigt das Eurobarometer
ganz deutlich –, dann ist es eine Gemeinsame Außen-
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nd Sicherheitspolitik. Wir alle wissen, dass es ohne
ine Stimme, die letztendlich in der Außen- und Sicher-
eitspolitik für die Europäische Union spricht, und ohne
trukturen, die die Meinungsbildung erleichtern und Ini-
iativrechte gewähren, jedenfalls im Rahmen der Euro-
äischen Union keine Weiterentwicklung geben wird.
as Verkehrteste wäre, wenn sich das bewahrheiten
ürde, worüber nachgedacht wird und was manche
chon jetzt als große Gefahr erkennen: Man tut sich au-
erhalb der Verträge zusammen und versucht, Außenpo-
itik zu betreiben. So sorgt man für mehr Kernspaltung
nstatt für Kernfusion innerhalb der Europäischen
nion.
Ich sage deshalb an dieser Stelle noch einmal: Wir
ordern von der Bundesregierung, dass sie ihre große
erantwortung wahrnimmt und auf der Grundlage des
U-Konvents in den nächsten Wochen Kompromissbe-
eitschaft zeigt. Das Prinzip der doppelten Mehrheit ist
ichtig. Wir unterstützen es aus vielerlei Aspekten. Die
usgestaltung des Prinzips der doppelten Mehrheit darf
ber nicht dazu führen, dass daran letztlich die entschei-
enden Verhandlungen zur Verfassung scheitern. Wir
ollen bis Mitte dieses Jahres einen Kompromiss; wenn
ieser nicht gelingt, dann – das ist unsere Meinung –
rauchen wir einen neuen Verfassungskonvent.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Kollegen Michael Roth, SPD-Fraktion, das
ort.
Michael Roth (Heringen) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
weifellos, liebe Frau Kollegin Leutheusser-
chnarrenberger, ist die Europäische Union in einer
chwierigen Lage. Wir befinden uns in einer Krise. Was
ich immer noch hoffnungsfroh stimmt, ist, dass es
roße Erwartungen gegenüber dem wunderbaren politi-
chen Projekt Europa gibt. Andererseits sinkt das Ver-
rauen in die EU – vor allem das Vertrauen in die Institu-
ionen der Europäischen Union – rapide. Da haben Sie
öllig Recht.
Aber ich komme zu etwas anderen Schlussfolgerun-
en als Sie. Ich sehe ein großes Problem, über das Sie,
rau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht gesprochen ha-
en. Es lohnt sich, über den Kern der Idee eines verei-
igten Europas zu reden, gerade weil die Bürgerinnen
nd Bürger spüren, ahnen und einige vielleicht sogar
issen, dass das nationalstaatlich organisierte politische
andeln immer mehr an seine Grenzen stößt. Was ist die
onsequenz daraus? Darauf haben Sie keine Antwort
efunden. Ich glaube, dass auch die FDP darauf keine
ntwort finden wird.
(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]:
In Europa bekommen wir die Antworten!)
Die Globalisierung ruft Ängste, Skepsis und Ableh-
ung hervor. Das spüren wir überall. Das liegt unter an-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8201
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Michael Roth (Heringen)
derem daran, dass sich die EU im Bewusstsein der Men-
schen zweifellos als funktionierender Binnenmarkt
profiliert hat. Aber das ist zu wenig. Die EU hat sich mit
einer gemeinsamen Währung profiliert. Das ist ebenfalls
zu wenig. Sie hat sich mit einem Wettbewerbsmodell
profiliert. Auch das ist zu wenig. Die Europäische Union
ist nur zukunftsfähig, wenn sie sich auch – da stimme ich
Ihnen zu – als starker, verantwortungsbewusster interna-
tionaler Akteur, als Promoter von Bildung, Qualifizie-
rung und Beschäftigung – so wie es Kollege Steenblock
ausgeführt hat – profiliert.
Sie muss sich aber auch als Garant einer nachhaltigen
sozialen und ökologischen Politik mit klaren sozialen
Regeln profilieren. Das europäische Sozialmodell ist
im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig. Aber wir
müssen etwas dafür tun, damit dieses europäische So-
zialmodell auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist, dass
die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass die Politik sich
ihrer Sorgen und Nöte annimmt und Antworten auf die
großen drängenden Fragen der Zeit findet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als für
das europäische Verfassungsprojekt zu streiten. Denn
dieses Verfassungsprojekt hat deutlich gemacht: Die
Union ist nicht nur eine politische Kraft des Marktes,
nein, sie ist auch eine Kraft, die für Werte eintritt. Sie ist
nicht nur eine Union der Staaten, sie ist ebenso eine
Union der Bürgerinnen und Bürger. Die Vermittlung die-
ser Tatsachen ist bislang nicht in dem Maße gelungen,
wie es eigentlich notwendig wäre. Ich bin davon über-
zeugt, dass das Verfassungsprojekt die Bürgerinnen und
Bürger wieder näher an die EU heranführen kann, weil
es zum Gelingen dieses Verfassungsprojektes keine ver-
antwortbare Alternative gibt.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Weil das so
sein muss, ist es so!)
Wir müssen jetzt darüber nachdenken, wie und mit
welcher Strategie wir in die nächsten Wochen gehen. Ich
plädiere für Kompromissbereitschaft. Aber es kann doch
jetzt zu diesem frühen Zeitpunkt keine Festlegung auf
vermeintliche Kompromisse geben, die die EU weder
demokratischer noch handlungsfähiger machen. Deswe-
gen kann jetzt nicht darüber geredet werden, beispiels-
weise die EU-Kommission immer größer werden zu las-
sen. Es kann nicht darum gehen, dass wir noch einmal
eine Debatte darüber führen, wo wir von dem Prinzip der
Mehrheitsentscheidungen in der Europäischen Union ab-
weichen. Es kann auch nicht noch einmal eine Diskus-
sion darüber geben, dass wir das Prinzip der doppelten
Mehrheit infrage stellen. Es kann auch keine Diskussion
darüber geben, dass wir die EU als internationale Frie-
densmacht, als Garant der internationalen Sicherheit in-
frage stellen.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Über was darf
dann diskutiert werden, wenn lauter Tabus am
Rande stehen?)
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Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Müller. Kol-
ege Altmaier hat soeben eine Rede gehalten, die hätte er
inmal in der CDU/CSU-Fraktion halten müssen.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Herr Fischer
schläft schon ein bei Ihrer Rede!)
enn die Union versagt aus meiner Sicht als Europapar-
ei, und zwar immer mehr, weil Sie mit Ihrer Politik der
espaltenen Zunge an Ihre Grenze stoßen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]:
Jetzt wecken Sie den Fischer auf!)
Lieber Kollege Altmaier – wir wissen hoffentlich,
ass wir uns gegenseitig schätzen –, ich habe ein Thema
ermisst, und zwar das Thema Türkei, das vor allem
ollege Hintze wie eine Monstranz vor sich herträgt.
erade damit wird der Populismus in der Europäischen
nion genährt. Mit dieser unsäglichen Türkeidebatte
erden Ängste geschürt. Jetzt betreiben Sie noch Hara-
iri in Sachen Europa, indem Sie, Kollege Müller und
ollege Singhammer,
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Nur noch
Tabus!)
eute fordern, dass – auch bei einer Einigung im aktuel-
en Streit um die Stimmengewichtung – die EU-Verfas-
ung abzulehnen ist.
(Günter Gloser [SPD]: Hört! Hört! – Dr. Gerd
Müller [CDU/CSU]: Der Fischer muss einmal
deutsche Positionen formulieren!)
ie bauen doch immer höhere Hürden auf. Kürzlich, vor
enigen Wochen, haben Sie noch gefordert – in diesem
unkt stimmt Herr Altmaier nicht mehr mit Ihnen und
er CSU überein –, die Debatte über die finanzielle Vo-
ausschau mit der Verfassungsdebatte zu verknüpfen.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das macht er
doch!)
ie stimmen in Ihren eigenen Reihen doch vorne und
inten nicht miteinander überein. Sie müssen erst einmal
ine klare Position entwickeln. Dann können Sie hier
elbstbewusst auftreten und für Europa streiten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]:
Na also, endlich ein bisschen Feuer!)
Ich will aber nicht nur in Ihre Richtung kritische
nmerkungen machen, sondern auch in Richtung derje-
igen, die ab dem 1. Mai dieses Jahres mit uns zusam-
enarbeiten wollen und müssen. Was mich, liebe Kolle-
innen und Kollegen, bei vielen Gesprächen beunruhigt
at, ist, dass nicht wenige in Mittelosteuropa die EU als
achfolgeorganisation der Sowjetunion und Brüssel in
er Tradition des stalinistischen Moskau sehen.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Mit wem
reden Sie denn da?)
Ich glaube, dass noch viele Gespräche und Diskussio-
en und viel Überzeugungsarbeit notwendig sind. Denn
ie Faszination, die von der EU ausgeht, ist, dass wir
8202 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Michael Roth (Heringen)
demokratisch mitentscheiden können, dass wir an die-
sem Projekt mitarbeiten können und dass jeder ge-
braucht wird: die Kleinen genauso wie die Großen und
die Finanzschwächeren ebenso wie die Finanzstärkeren.
Es ist doch gerade das Prinzip der Solidarität, das in an-
deren politischen Systemen, die glücklicherweise zum
Einsturz gekommen sind, vermisst wurde.
Daher kann ich der irischen Präsidentschaft, die ihre
Sache, was das Management angeht, ganz hervorragend
macht, nur alles Gute wünschen. Ich bin mir sicher, dass
wir während der irischen Präsidentschaft sehr weit kom-
men werden. Ich hoffe, dass es uns hier im Bundestag
gelingt, dem Verfassungsprojekt neue Impulse zu verlei-
hen.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das schaut
nicht so aus!)
Mein Eindruck ist, dass Europa mehr kann, als der Ver-
trag von Nizza zulässt. Um es deutlich zu sagen: Europa
muss auch mehr können als das, was im Vertrag von
Nizza festgelegt ist. Das sind wir den Bürgerinnen und
Bürgern in der Europäischen Union nämlich schuldig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Kollegen Albert Rupprecht, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
alle erwarten die Erweiterung der Europäischen Union in
76 Tagen mit Spannung. Wir stellen aber auch fest, dass
die Situation zurzeit ziemlich verfahren ist: Die Finan-
zierung ist ungeklärt, der Stabilitätspakt ist massiv ange-
griffen, die institutionellen Fragen sind offen und die Zu-
kunft des Verfassungsvertrages ist unsicher. Natürlich
hat Helmut Schmidt Recht, wenn er sagt: Es war ein
Fehler, die Erweiterung zu vollziehen, bevor die Finan-
zierung und die institutionellen Fragen geklärt sind.
Welchen Beitrag hat die Bundesregierung in der in-
tensiven Phase vor der Erweiterung geleistet? In einem
Punkt hat die Bundesregierung absolut Recht: Es ist
vollkommen inakzeptabel, dass der Beitrag Deutsch-
lands zur Finanzierung des europäischen Haushalts in
den nächsten zehn Jahren um sage und schreibe
43 Prozent ansteigen soll. Das entspricht rund 10 Mil-
liarden Euro mehr pro Jahr. Das ist schlichtweg nicht fi-
nanzierbar und vollkommen unrealistisch.
(Zuruf von der SPD: Sagen Sie das mal dem
sächsischen Ministerpräsidenten!)
Insgesamt hat die Bundesregierung bei wesentlichen
Fragen der Vorbereitung auf die Erweiterung in den ver-
gangenen Monaten keine überzeugende Rolle gespielt.
Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung hat die Kon-
flikte in Europa durch eine Vielzahl von Widersprüchen
verschärft. Das war auch beim Thema der Woche, der
mittelfristigen Finanzplanung, so. Die Position der Bun-
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esregierung ist voller Widersprüche. Sie laden der Eu-
opäischen Union zusätzliche Aufgaben auf, sagen aber
icht, wie sie finanziert werden sollen.
(Günter Gloser [SPD]: Es wird nicht richtiger,
wenn Sie es wiederholen!)
Ich nenne drei konkrete Beispiele. Erstes Beispiel:
anzler Schröder initiiert gemeinsam mit Herrn Chirac
weifelhafte europäische Investitionsprogramme ohne
uropäischen Mehrwert, ausschließlich um die nationa-
en Haushalte zu entlasten. Das geplante Volumen be-
rägt 50 Milliarden Euro.
Zweites Beispiel: Nach der Lissabon-Strategie soll
ie Europäische Union der Motor für Innovation in
uropa sein. Das Ergebnis finden Sie in der Finanzpla-
ung der Kommission. Die Ausgaben für Forschung und
ntwicklung werden glatt vervierfacht. Offensichtlich
lauben die Regierungschefs, eine zentral gesteuerte eu-
opäische Innovationspolitik sei erfolgreicher als eine
ationale.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist
Stamokap!)
ch glaube, das ist einer der größten Irrtümer der Lissa-
on-Strategie schlechthin. Ganz im Gegenteil: Innova-
ionen erfolgen in geeigneten Mikrostrukturen, in dezen-
ralen Clustern. Wir werden erleben, dass zig Milliarden
uro ohne Wirkung verpuffen werden.
Drittes Beispiel: Wer der Türkei den Beitritt in Aus-
icht stellt, muss auch sagen, wie er ihn finanzieren will;
uch das ist gemeint, wenn wir von „Integrationsfähig-
eit“ reden. Die Vollmitgliedschaft der Türkei wird
uropa nach Berechnungen der Kommission 20 Milliar-
en Euro pro Jahr kosten; davon entfielen auf Deutsch-
and 5 Milliarden Euro pro Jahr. Deutschland steht Kopf,
eil uns die Mautausfälle 2004 2,5 Milliarden Euro kos-
en. Der Beitritt der Türkei würde Deutschland jedes
ahr das Doppelte kosten, nämlich 5 Milliarden Euro.
rklären Sie das bitte der deutschen Öffentlichkeit!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Statt die Aufgaben und damit auch die Ausgaben der
uropäischen Union zu reduzieren, wollen Sie – ganz im
egenteil – die Kompetenzen der Europäischen Union
ehren. Sie sagen aber wiederum nicht, wie Sie das fi-
anzieren wollen. Nach Ihren Vorstellungen werden im
erfassungsvertrag auf 30 Politikfeldern neue Kompe-
enzen geschaffen und jedes neue Politikfeld führt natür-
ch früher oder später zu Initiativen und zu höheren
osten.
Am Mittwoch waren der Finanzminister und der Au-
enminister im Europaausschuss. Eichel redet vom
paren und von einer 1-Prozent-Obergrenze für den eu-
opäischen Haushalt, Fischer freut sich dagegen über ein
roßes Europa mit vielen Aufgaben. Auch die grüne
aushaltskommissarin Schreyer war im Haushaltsaus-
chuss anwesend und hat sich redlich bemüht, den bei-
en Herren zu erklären, dass derjenige, der Europa stän-
ig mit neuen Aufgaben zudeckt, auch sagen muss, wie
r es finanziert.
(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: So ist es!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8203
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Albert Rupprecht (Weiden)
Ich stimme Frau Schreyer in ihrer Analyse zu, absolut.
Ich glaube nur, die Lösung ist eine andere: Es geht nicht
um mehr Geld, sondern es geht darum, Aufgaben end-
lich nach Deutschland zurückzuverlagern, wo immer es
möglich ist. Es ist doch zum Haareraufen, dass alle dies-
bezüglichen Versuche bisher im Sande verlaufen sind;
auch der Konvent war hier eine klare Enttäuschung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Europa muss an vielen Stellen wesentlich schlanker wer-
den, es muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrie-
ren. Ich nenne Ihnen einen konkreten Vorschlag zur
Rückverlagerung: die Einführung der nationalen Kofi-
nanzierung der Landwirtschaft im Umfang von 50 Pro-
zent. So spart Europa Geld und die nationale Verantwor-
tung für die Landwirtschaft wird gestärkt.
Sehr geehrte Damen und Herren, widersprüchlich
handelt die Bundesregierung nicht nur auf europäischer
Ebene, sondern auch dort, wo Deutschland selbst betrof-
fen ist.
(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie
haben doch Ihre eigenen Widersprüche!)
Der Kanzler hat Weihnachten 2000 in seiner Weidener
Erklärung über fünf Seiten ausgebreitet, wie er Deutsch-
land, insbesondere die Grenzregionen, für die Ost-
erweiterung fit machen will. Er hat unter anderem den
Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg,
Sachsen und Bayern ein „materiell unterlegtes Pro-
gramm der Förderung der Grenzregionen“ versprochen.
Dieses nationale Programm ist bis heute – drei Jahre spä-
ter! – nach wie vor mit 0 Cent ausgestattet.
Die Ministerpräsidenten der Länder an der Grenze zur
Tschechischen Republik und zu Polen sind natürlich in
Sorge, denn der Standortwettbewerb wird hart werden.
Je näher der 1. Mai kommt, desto panischer werden ins-
besondere die Ministerpräsidenten der neuen Länder.
Deswegen kämpfen sie mit Zähnen und mit Klauen um
die Erhaltung der europäischen Strukturförderung. Da
gibt es nun zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: Die
deutschen Regionen bleiben weiter europäische Förder-
regionen. Dann wird – in der Konsequenz – der europäi-
sche Haushalt aufgebläht. Oder Möglichkeit zwei: Die
deutschen Regionen fallen aus der Förderung heraus.
Der Bund zahlt den betroffenen Regionen aber einen ad-
äquaten Ausgleich. Dann braucht Europa weniger Geld
und die horrenden Beiträge Deutschlands könnten redu-
ziert werden.
Eigentlich wäre die zweite Möglichkeit der wesent-
lich bessere Weg. Nur, die deutschen Ministerpräsiden-
ten trauen dem Kanzler nicht. Sie glauben nicht, dass es
wirklich einen deutschen Ausgleich geben wird. Nach
der Erfahrung mit der Weidener Erklärung, ganz frei
nach dem Motto „Wer einmal lügt, dem glaubt man
nicht“, ist das auch keine Überraschung.
So hat sich nun in den vergangenen Wochen eine ab-
solut bedenkliche und abstruse Konstellation
(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Abstrus ist diese Rede!)
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erausgebildet: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten
achen mit der Kommission gemeinsame Politik gegen
undeskanzler Schröder, ganz vorne dabei die SPD-Mi-
isterpräsidenten.
(Günter Gloser [SPD]: Was? Das ist eine
Unterstellung!)
inister Eichel quittiert dies lapidar mit: Die ostdeut-
chen Ministerpräsidenten spielen unsere Spanier.
(Günter Gloser [SPD]: Bayerisches Lügen-
märchen!)
ber das ist doch wirklich abstrus: Die deutschen Minis-
erpräsidenten trauen eher dem französischen Kommis-
ar Barnier zu, Arbeitsplätze in Deutschland zu retten,
ls dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gerd Müller
[CDU/CSU]: Da liegen sie auch richtig!)
as passiert, wenn man Vertrauen verspielt.
Dies sind nur einige Beispiele, die aber zweierlei zei-
en. Erstens. Die Europapolitik der Bundesregierung ist
oll tiefer Widersprüche und dadurch unzuverlässig.
(Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Und die der Union nicht?)
weitens. Durch diese Widersprüche hat die Bundesre-
ierung und insbesondere der Kanzler massiv an Ver-
rauen verloren, sowohl bei den Regierungschefs anderer
uropäischer Staaten als auch bei den Menschen in
eutschland selbst. Gerade Verlässlichkeit und Ver-
rauen sind aber zwingend notwendig, um Europa aus
en derzeitigen Konflikten herauszuführen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Joseph
ischer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Gernot Erler [SPD]: Eine
Erlösung!)
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben
ns gerade vorgeworfen, die Politik der Bundesregie-
ung sei widersprüchlich. Wenn ich aber die Rede des
ollegen Altmaier – ich teile zwar nicht alle, aber doch
ie meisten seiner Grundannahmen – mit der seines
raktionskollegen von der CSU vergleiche, dann muss
ch feststellen, dass zwischen diesen Reden Welten lie-
en. Sie vertreten völlig unterschiedliche Konzeptionen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
ieses Problem müssen aber nicht wir lösen, sondern
ie. Das wird offensichtlich nicht einfach werden.
(Günter Gloser [SPD]: Nun ist Frau Merkel
nicht da!)
8204 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Bundesminister Joseph Fischer
Die Europäische Union steht vor einer ganz großen
Veränderung. Ich möchte, gerade unter dem Eindruck,
den mir meine gestrige Reise nach Kaliningrad vermit-
telt hat, unterstreichen: Die Überwindung der Teilung
Europas führt dazu, dass Deutschland auf der Sonnen-
seite dieser historischen Entwicklung steht. Dafür sind
wir dankbar und dafür sollten wir auch dankbar sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Zum ersten Mal seit der Bildung des Nationalstaats ist
für Deutschland die Lage in der Mitte Europas nicht
Last. Sie wird in dem zusammenwachsenden Europa mit
offenen Grenzen vielmehr zu einem völlig veränderten
Sicherheitsumfeld führen. Die Konsequenz wird sein,
dass an allen unseren Grenzen die Situation so sein wird
wie schon heute an unserer Westgrenze.
Dieses Europa wird zusammenwachsen. Die Natio-
nen werden zwar bestehen bleiben, aber vieles von dem,
was für uns heute noch eine bestimmte Bedeutung hat,
wird in dem sich vereinigenden und integrierenden Eu-
ropa eine ganz andere Bedeutung bekommen. Europa
wird offen sein. Die Situation wird kooperativ werden,
so wie wir das an den Westgrenzen als selbstverständlich
empfunden haben, und nicht mehr konfrontativ sein.
Deswegen ist der 1. Mai meines Erachtens ein histori-
sches Datum.
(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Nur hat es ein
bisschen länger gedauert! Das ist doch die
Sorge der Menschen!)
– Selbstverständlich hat es länger gedauert. Ich muss Ih-
nen dazu aber sagen: Die Frage der europäischen Inte-
gration ist 1989 mit dem Fall der Mauer entschieden
worden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Wir können die Idee der europäischen Einheit nicht auf
einen kleinen westeuropäischen Ansatz reduzieren – ich
denke, darin waren wir uns immer einig –, wenn auch
die anderen Staaten, gründend auf Freiwilligkeit – das ist
selbstverständlich –, dazugehören wollen. Und alle wol-
len dazugehören. Deswegen können wir keine künstli-
chen neuen Grenzen ziehen, ohne schweren Schaden für
das Europa der Integration anzurichten. Das dürfen wir
nicht tun.
Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, besteht darin,
dass nun folgende drei Schritte unternommen werden
müssen: Die räumliche Erweiterung der Union muss um-
gesetzt werden. Gleichzeitig muss eine Vertiefung statt-
finden; das heißt diese Union muss handlungsfähig und
transparent werden und muss ein Akteur sein, der nach
außen seine Interessen vertreten kann.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das muss doch
als Erstes kommen!)
Außerdem muss die Finanzierung dieser erweiterten
Union geklärt werden.
Auch ich könnte hier natürlich Polemik betreiben,
Herr Kollege Altmaier, will das heute aber lassen. Ehrli-
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herweise hätten Sie zuerst eine Antwort auf die Frage
inden müssen, warum es uns in Amsterdam nicht ge-
ungen ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Diese Si-
uation hat über Nizza schlussendlich zum Konvent
eführt. Ich habe damals in der Opposition die Europa-
olitik von Bundeskanzler Kohl in wesentlichen Teilen
it unterstützt, auch die Finanzierungskonsequenzen,
ie sich daraus ergeben haben. Sie wissen so gut wie ich,
ass es, bedingt durch die deutsche Einheit, durch das
esentlich komplexer werdende Europa und durch die
chwierigkeiten, die im Inneren liegen, schon in Ams-
erdam nicht gelungen ist, die Fragen zu lösen, die dann
m Ende zum Konvent geführt haben.
Damals gab es eine andere Regierung. Weil es diesel-
en Themen sind, kann es also nicht daran liegen, dass
ich die Politik, dass sich das Verhalten etc. verändert
aben. Vor allem, weil wir hier einen sehr breiten Kon-
ens haben, verstehe ich, dass die Opposition das alles
orbringen muss. Sie müssen aber auch sehen, dass
chon in Amsterdam, wo noch andere die Verantwortung
rugen und das Vertrauen angeblich noch vorhanden war,
er Konsens aufgrund derselben Probleme nicht möglich
ar. Für uns war es entscheidend, dass wir in Nizza zu-
estimmt haben, obwohl wir um die Schwächen wuss-
en, weil es ansonsten zu einer Blockade des Erweite-
ungsprozesses gekommen wäre. Deswegen wurde
ährend der französischen Präsidentschaft bereits in den
chlussfolgerungen von Nizza der Weg nach Laeken hin
um Konvent geöffnet.
Im Konvent ist es gelungen, einen Kompromiss zu er-
eichen.
(Peter Altmaier [CDU/CSU]: Dabei haben wir
Ihnen ja auch geholfen!)
Wir bedanken uns dafür. Das ist bestens. Ich bedanke
ich ebenfalls für die weitere Hilfe und bin mir sicher,
ass es sie auch in Zukunft geben wird, weil wir jenseits
ller Konfrontationsrhetorik wichtige Positionen teilen.
it der CSU ist es etwas schwieriger. Wenn es aber am
nde Ernst wurde, sind auch sie immer dabei gewesen;
as finde ich auch gut und richtig.
Ich möchte hier den entscheidenden Punkt anspre-
hen: Wir brauchen in der 25er-Union ein transparentes
nd einfaches Entscheidungsverfahren. Am wichtigs-
en ist: Es geht hier nicht um das Prestige. Ich habe den
undestag auch nie so verstanden, dass die Frage, ob
eutschland mit Frankreich, Großbritannien und Italien
leichberechtigt ist, entscheidend ist. Das ist sie zumin-
est aus Sicht der Bundesregierung nicht. Ich behaupte
uch, dass dies über alle Fraktionen des Deutschen Bun-
estages hinweg in weiten Teilen nicht unser Problem
st. Das Problem von Nizza ist, dass das dort verabschie-
ete Abstimmungssystem intransparent ist und dass es
or allen Dingen auf die Blockademöglichkeit von Min-
erheiten gründet. Das ist der entscheidende Punkt. Wir
agegen wollen Gestaltungsmehrheiten.
Kollege Altmaier, damit komme ich zu einem weite-
en wichtigen Punkt. Sie verlangen von uns, zu sagen,
lle müssten sich bewegen. Es stellt sich aber die Frage,
n welchem System dies geschehen soll. Man wird
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8205
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Bundesminister Joseph Fischer
schwerlich sagen können, dass sich hier alle bewegen
müssen. Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Sie ha-
ben anklingen lassen, es müsse das System der doppel-
ten Mehrheiten geben. Genau das ist auch die Position
der Bundesregierung und der Koalition. Hier gibt es ei-
nen breiten Konsens. Es wird versucht, das alles in die-
sem Rahmen anzustreben. Ich muss Ihnen das doch nicht
erklären.
Der Bundestag hat durch seine Ausschüsse enge
Kontakte mit den Partnern. Sie wissen um die Schwie-
rigkeiten. Auf diese möchte ich nicht im Detail einge-
hen. Es bedarf nicht Ihrer Aufforderung, dass wir uns
mit den Briten, den Franzosen, den Spaniern, den Polen,
den Slowenen, den Ungarn und mit wem auch immer
– nur, um einmal abzuarbeiten, mit wem wir in den letz-
ten Tagen und Wochen über diese Fragen gesprochen ha-
ben – treffen; denn diese Treffen sind selbstverständlich.
Ich möchte unterstreichen: Die irische Präsidentschaft
hat unser volles Vertrauen. Ich denke, ihr Verfahrensvor-
schlag und ihr Engagement verdienen jede Unterstüt-
zung. Diese erhält sie von uns auch.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, eines verstehe ich
aber nicht: Die Probleme liegen nicht beim Konvent, sie
liegen bei der Umsetzung der Ergebnisse. Es geht um
den Weg vom Konvent in die Nationalstaaten, also in die
an der Regierungskonferenz beteiligten Regierungen.
Sie sagen, entweder müsse die Umsetzung in diesem
Frühjahr geschehen oder wir brauchten einen neuen
Konvent. Ich begreife nicht, wie uns das helfen sollte.
Im Grunde genommen würde dadurch die Tür für einen
gewaltigen Rückschritt geöffnet werden. Jeder, der den
Verfassungsprozess eher nicht wollte – ich will das Ge-
genteil; ich unterstütze diesen Prozess voll –, müsste ei-
gentlich auf Ihren Vorschlag eingehen. Er müsste bis
Sommer blockieren, um danach einen neuen Konvent
durchzuführen. Dann würde er den Faden neu aufziehen.
Am Ende gäbe es dann aber gar nichts. Davor möchte
ich hier nachdrücklich warnen. Ehrlich gesagt scheint
mir das nicht sinnvoll.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Wir befinden uns hier in einer schwierigen Situation.
Herr Kollege Altmaier, ich möchte Ihnen nicht ausreden,
das zu verbinden. Die Irakposition der Union ist im Volk
wirklich sehr mehrheitsfähig. Deshalb wünsche ich mir,
dass Sie sie möglichst oft und möglichst laut in mög-
lichst vielen Varianten vertreten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
Wie Sie angesichts der Erfahrungen, die wir jetzt ge-
macht haben, die Position der Bundesregierung in die-
sem Punkt noch kritisieren können, verstehe ich nicht.
Das geht nur um den Preis des völligen Gedächtnisver-
lustes bezogen auf Ihre eigene Position. Ich möchte die
Irakposition hier aber weiß Gott nicht weiter diskutieren.
Ich freue mich ausdrücklich, dass die CDU die
Türkeifrage jetzt wesentlich realistischer sieht. Bei der
CSU ist das ganz offensichtlich noch anders einzuschät-
zen. Ihrer Meinung nach soll der Beitritt der Türkei ab-
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ewehrt werden. Das Thema wird emotionalisiert, ob-
ohl wir hier über eine langfristige Perspektive reden
nd es um eine rationale Abwägung geht. Ich kann Ihnen
ines prophezeien: Das wird nicht funktionieren. Im Ge-
enteil: Die Zusagen, die in der Vergangenheit gemacht
urden, wurden unter Teilhabe der CSU in allen Bun-
esregierungen gemacht.
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Erzählen Sie
doch keine Märchen! Das müssen Sie ganz al-
lein und sonst niemand verantworten!)
ir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht entlas-
en.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Ich freue mich über die Unterstützung des Bundesta-
es, der an der Notwendigkeit einer Verfassung festhält.
n der Kompromissbereitschaft und am Engagement der
undesregierung wird es nicht mangeln, der irischen
räsidentschaft zum Erfolg zu verhelfen. Ich wünsche
ir, dass wir unter der irischen Präsidentschaft zu einer
inigung kommen. Aber wenn nicht, dann wird die nie-
erländische Präsidentschaft, die sich darauf schon vor-
ereitet, in der Pflicht sein. Ich wünsche mir eine Lösung
och in diesem Frühjahr. Ich denke, die Chancen dazu
estehen. Was wir dazu beitragen können, werden wir
un.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Claudia Winterstein,
DP-Fraktion.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Ich möchte auf die Agenda 2007 eingehen, weil
ies in den kommenden Monaten in den einzelnen Mit-
liedstaaten ein sehr wichtiges Diskussionsthema sein
ird.
Für die FDP ist eine tragende Säule des europäischen
inigungsprozesses das Prinzip der Solidarität unter
en Mitgliedstaaten. Das heißt, die armen Mitgliedstaa-
en müssen selbstverständlich unterstützt werden. Soli-
arität bedeutet aber auch, dass den Nettozahlern und
nsbesondere Deutschland, das die finanziellen Folgen
er Wiedervereinigung zu tragen hat und den Stabilitäts-
akt dreimal gebrochen hat, nicht zu viel aufgebürdet
ird. Auch unsere Leistungsfähigkeit hat Grenzen. Inso-
ern ist aus Sicht der FDP die Forderung der Bundesre-
ierung, die Ausgabenplanung der EU auf 1 Prozent des
ruttonationaleinkommens zu begrenzen, völlig richtig.
8206 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Dr. Claudia Winterstein
Offensichtlich scheinen dies die Grünen nicht ganz so
zu sehen, denn Herr Steenblock hat vorgestern den Vor-
schlag der Kommission für die Erhöhung der EU-Aus-
gaben als einen guten Kompromiss bezeichnet. Ich frage
mich: Was gilt nun eigentlich? Die Bundesregierung hat
noch im Dezember von 1 Prozent gesprochen. Herr
Steenblock scheint nun die Grenze von 1,15 Prozent für
richtig und gut zu halten. Jedenfalls setzt offenbar die
Kommission darauf, für die neuen Aufgaben zusätz-
liches Geld zu bekommen. Das ist aber unserer Meinung
nach der falsche Weg.
Es darf nicht darum gehen, einfach aufzustocken. Das
Ziel muss sein, intelligent und zukunftsorientiert umzu-
strukturieren. Einige Punkte will ich hierzu nennen. Die
Vielzahl der Fonds und Fördertöpfe muss verringert wer-
den, um mehr Transparenz zu schaffen und zu einem
effizienteren Mitteleinsatz zu kommen.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen auch eine neue Prioritätensetzung, zum
Beispiel für die Bereiche Forschung, Transeuropäische
Netze, Sicherung der Außengrenzen und Kriminalitäts-
bekämpfung. Diese neuen Aufgaben müssen natürlich
angemessen ausgestattet, aber aus den vorhandenen Mit-
teln bezahlt werden.
Ebenso müssen wir von der Gießkannenförderung
weg und die Mittel tatsächlich auf die Schwächsten kon-
zentrieren. Dabei ist klar, dass es Übergangsregelungen
für diejenigen geben muss, die dann aus der Förderung
herausfallen. Die FDP ist dafür, dass der Kohäsions-
fonds mit der nächsten Finanzperiode, also bis 2013,
langsam ausläuft. Es muss auch so sein, dass andere
Länder, nämlich die armen neuen Mitgliedstaaten, noch
in den Genuss dieses Fonds kommen. Die Länder Grie-
chenland, Spanien, Portugal und Irland dürfen diese Gel-
der nicht weiterhin erhalten.
(Beifall bei der FDP)
Die EU schiebt einen Berg von über 100 Milliarden
Euro an bewilligten, aber nicht abgeflossenen Mitteln
vor sich her. Das ist ein gesamter Jahreshaushalt der EU.
Es hapert offensichtlich entweder an förderfähigen Pro-
jekten oder an der Kofinanzierung der Empfängerländer.
Das ist alles andere als eine effektive Einsetzung von
Geldern. Daher fordern wir generell kurze Verfallsfristen
für die Mittel, die die EU für Projekte bereitstellt, wie es
zum Beispiel neuerdings bei den Strukturfonds der Fall
ist. Hier beträgt die Verfallsfrist drei Jahre. Ich halte das
für einen guten Weg, um die Gelder wirklich abfließen
zu lassen. Zurzeit gibt es Staus von über acht Jahren. Das
halte ich für einen unhaltbaren Zustand.
(Beifall bei der FDP)
Die Verhandlungen mit den Ländern werden sicher nicht
leicht werden. Wir wissen, dass die Diskussion auch um
andere Dinge geht. Es wird festzustellen sein, inwieweit
Kompromisse gefunden werden können. Dennoch lautet
unsere Forderung: umstrukturieren statt aufstocken.
(Beifall bei der FDP)
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Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Gernot Erler, SPD-
raktion.
Gernot Erler (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
rleben in diesem Jahr einen Höhepunkt des europäi-
chen Wiedervereinigungsprozesses, eines Prozesses
on historischer Dimension. Wir werden aber nicht den
bschluss dieses Prozesses erleben. Verfassungsfragen
nd Finanzfragen sind außerordentlich wichtig und es ist
itter, dass die Probleme im Moment nicht gelöst sind.
iese Probleme dürfen aber dem historischen Prozess
icht in die Speichen greifen.
Ich möchte für meine Fraktion erklären, dass ich doch
ehr besorgt bin, dass einige Äußerungen gerade aus
etzter Zeit aus den Reihen der CDU/CSU exakt die
unktion des In-die-Speichen-Greifens haben und die
robleme damit vergrößern. Wir sind uns dessen be-
usst, dass die Erweiterung der Union von 15 auf 25 ein
chwieriger Prozess wird, aber wir dürfen dabei nie ver-
essen, welche enormen Schwierigkeiten in den Staaten
berwunden worden sind, die jetzt das Recht auf Inte-
ration in die Europäische Union erworben haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
iese zwölf Jahre sind geprägt von einer enormen,
espektablen Leistung. Die müssen wir in Beziehung zu
en Problemen setzen, die wir vor uns haben. Das Min-
este, womit wir auf diese Leistung reagieren, ist, dass
ieser Integrationsprozess verlässlich bleibt und dass die
usagen und Zeitpläne eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang muss ich feststellen, dass
ine Infragestellung dieser Zeitpläne oder gar eine
umpf-populistische Ausgrenzungspolitik die falschen
ntworten auf die Verfassungskrise sind.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
a muss ich eine Frage an Sie, Herr Wissmann, stellen.
ie sind immerhin Vorsitzender des europapolitischen
usschusses. Sie haben Mitte Dezember plötzlich die
on der EU beschlossenen Zeitpläne für Bulgarien und
umänien infrage gestellt. Wieso tun Sie das? Herr
toiber hat vor drei Tagen plötzlich von der Notwendig-
eit einer Erweiterungspause nach 2007 gesprochen.
issen Sie eigentlich, was Sie damit anrichten? Wissen
ie eigentlich, wie viel Millionen von Menschen Sie mit
olchen unverantwortlichen Äußerungen verunsichern?
aben Sie eigentlich vergessen, welche friedenspoliti-
che Bedeutung dieser ganze Integrationsprozess in den
ergangenen zwölf Jahren hatte?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Es gibt eine gesplittete Entwicklung in Osteuropa, wo
ie Integrationsperspektive einerseits tatsächlich zur Lö-
ung von Nachbarschaftskonflikten und Minderheiten-
onflikten geführt hat. Andererseits wissen wir heute
anz genau, dass die Probleme auf dem Balkan mit vier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8207
(A) )
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Gernot Erler
blutigen Kriegen auch etwas mit dem Fehlen einer ge-
meinsamen europäischen Politik und mit dem Fehlen ei-
ner Integrationsperspektive zu tun hatten. Deswegen hat
die EU ihre Politik auch geändert.
Denken Sie einmal an die Folgekosten von diesen
Konflikten, wenn Sie schon über Kosten reden. Alleine
für Bosnien-Herzegowina hat die Weltgemeinschaft seit
1995 mehr als 10 Milliarden Euro ausgegeben. Das wird
weitergehen. Die Kosten fallen auch im Kosovo, in Ma-
zedonien und in der ganzen Region an. Der Integrations-
prozess ist also auch ein Kosten sparender Prozess, ganz
nebenbei gesagt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Wissmann?
Gernot Erler (SPD):
Herr Wissmann, bitte schön, gerne.
Matthias Wissmann (CDU/CSU):
Herr Kollege Erler, darf ich Sie fragen, wie Sie ei-
gentlich auf die Idee kommen, den Eindruck zu erwe-
cken, ich hätte mich gegen die Aufnahme von Bulgarien
und Rumänien gewendet, wenn ich die Frage gestellt
habe – die stelle ich auch hier –, wie wir eine weitere Er-
weiterung der Europäischen Union verantworten kön-
nen, ohne vorher zu der von uns geforderten Vertiefung
gekommen zu sein? Es ist doch wohl eine gemeinsame
Position in diesem Haus, dass wir genau wissen, dass es
zwei Seiten einer Medaille gibt, nämlich Vertiefung und
Erweiterung. Dass jeder von uns die Erweiterung um
Bulgarien und Rumänien wünscht, wenn die Bedingun-
gen erfüllt sind, ist doch nie im Zweifel geblieben.
Gernot Erler (SPD):
Herr Kollege Wissmann, schauen Sie einmal in die
„Berliner Zeitung“ vom 16. Dezember letzten Jahres.
Darin werden Sie lesen, was Sie selber gesagt haben,
nämlich dass Sie diesen Zeitplan infrage stellen. Sie wis-
sen, dass ich mich besonders mit diesen beiden Ländern
beschäftige. Was Sie gesagt haben, ist unheilvoll. Es ist
nicht mehr möglich, die von Ihnen verursachten Wogen
wieder zu glätten. Ihre Äußerung ist unverantwortlich.
Es gibt zwar durchaus einen Zusammenhang zwi-
schen Integrations-, Erweiterungs- und Vertiefungspro-
zess, aber es geht nicht an, den Zeitplan infrage zu stel-
len. Der Zeitplan hängt doch nur noch davon ab, ob die
betreffenden Länder ihre Vorbereitungen für den Beitritt
in den entsprechenden Kapiteln – das sind für Bulgarien
sechs und für Rumänien noch elf – tatsächlich abschlie-
ßen. Dann muss es möglich sein, dass die Zusagen, die
diesen Ländern gegeben wurden, erfüllt werden. Das
kann nicht wegen der Verfassungskrise infrage gestellt
werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Leutheusser-Schnarrenberger?
Gernot Erler (SPD):
Bitte sehr.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Herr Kollege Erler, im Europaausschuss befassen wir
ns intensiv mit der Fortführung der Erweiterung der
uropäischen Union um Bulgarien und Rumänien. Ich
öchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass Kommis-
ar Verheugen, als er das letzte Mal an einer Sitzung
es Europaausschusses teilgenommen hat, uns, den Ab-
eordneten, gegenüber deutlich gemacht hat, dass er
icht richtig nachvollziehen könne, warum von den
olksvertretern das Jahr 2007, sozusagen in Stein ge-
eißelt, als Datum für den Beitritt von Bulgarien und
umänien gesetzt worden ist.
Ich frage Sie, inwiefern Sie die Position von Herrn
erheugen, der unserer Meinung nach eine hervorra-
ende Politik betrieben hat, die am 1. Mai zum Beitritt
er zehn Länder führen wird, teilen und ob Sie auch der
uffassung sind, dass der Abschluss der Vorbereitungen
n den einzelnen Kapiteln entscheidend für den Vollzug
er Erweiterung ist.
Gernot Erler (SPD):
Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Das habe ich doch
erade gesagt. Das entscheidende Kriterium muss sein,
b die Beitrittsvoraussetzungen erfüllt werden.
(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]:
Eben nicht das Datum!)
s gibt – das weiß Herr Verheugen ebenso gut wie Sie
nd ich – sehr klare Voraussagen, dass die Verhandlun-
en mit Bulgarien sogar noch in diesem Jahr und die mit
umänien auf jeden Fall im nächsten Jahr abgeschlossen
erden können. Insofern sieht die Lage sehr gut aus.
Welchen Sinn hat es, diese Länder und ihre politi-
chen Eliten, die diesen Verhandlungsprozess mit einem
roßen persönlichen Risiko führen, zu verunsichern, in-
em die Entscheidung, die in der EU schon gefällt wor-
en ist, nämlich dass der Januar 2007 als Zielgröße gilt,
tzt wieder infrage gestellt wird? Das ist doch nichts an-
eres als populistisches Gequatsche – wenn ich das ein-
al so nennen darf – im Zusammenhang mit der Europa-
ahl.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Das wer-
den wir Herrn Verheugen mitteilen!)
Ich kenne Herrn Verheugens Position zu Bulgarien und
umänien sehr gut und weiß, dass er diesen Beitrittspro-
ess nicht infrage stellt.
Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes anmer-
en. Ich habe vorhin über die Kosten gesprochen. Die
rfahrung hinsichtlich der Friedenspolitik und der nach
eendigung von Konflikten anfallenden Kosten hat zu
8208 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Gernot Erler
einer Veränderung der europäischen Strategie geführt.
Die Europäische Union verfolgt derzeit nur zwei Strate-
gien:
Eine Strategie verfolgt die Erweiterung und den Inte-
grationsprozess. Dabei ist völlig klar, dass Bulgarien und
Rumänien eine völlig unzweideutige Zusage gegeben
werden muss, immer vorausgesetzt, dass die Beitrittsbe-
dingungen im Laufe der Verhandlungen erfüllt werden.
Noch in diesem Jahr wird über den Beginn von Verhand-
lungen mit der Türkei entschieden. Auch mit den fünf
so genannten Westbalkanstaaten stehen Verhandlungen
an. Kroatien hat schon einen entsprechenden Antrag ge-
stellt, den die EU bis spätestens April dieses Jahres be-
antworten wird. Wir erwarten demnächst einen Antrag
von Mazedonien. Des Weiteren sind Serbien/Montene-
gro, Bosnien-Herzegowina und Albanien zusammen mit
den beiden anderen Ländern im Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozess. Seit dem Europäischen Rat von
Thessaloniki ist klar, dass auch das eine Integrationsper-
spektive darstellt.
Die andere Strategie der EU besteht in der vertieften
Nachbarschaft, die sich auf die außerhalb der Europäi-
schen Union liegenden Länder, das „Wider Europe“,
bezieht. Eine dritte Strategie gibt es nicht.
Ihre Kopfgeburten einer privilegierten Partnerschaft
oder Ähnliches bedeuten einen europäischen Sonder-
weg. Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie auf, sich für ei-
nen europäischen Sonderweg einzusetzen! Europa wird
seine Identität im Hinblick auf Frieden, Stabilität und
Wohlstand wahren, wenn es bei der Verlässlichkeit der
Aussagen zur Integration bleibt und wenn der Geleitzug
der europäischen Integration nicht bei der ersten großen
Krise – in der wir uns zurzeit befinden – aus der Spur ge-
rät.
Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, auf das
Datum des Europawahlkampfes zu schielen! Hören Sie
auf, für das beifällige Nicken von einigen Stammtischen
die bisherige Verlässlichkeit infrage zu stellen!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]:
Was haben Sie gegen den Stammtisch? –
Gernot Erler [SPD]: Dass Sie sich dort wohl
fühlen, weiß ich! – Michael Glos [CDU/CSU]:
Es ist kein Wunder, dass man bei 24 Prozent
liegt, wenn man die Stammtische verachtet!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Schäuble,
CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich
denke, es ist wichtig, in dieser Debatte noch einmal klar
zu sagen – Peter Altmaier, der Bundesaußenminister und
auch andere haben darauf schon hingewiesen –, dass die
Erweiterung der Europäischen Union um zehn weitere
Mitglieder am 1. Mai dieses Jahres nicht nur etwas ist,
was historisch bedeutsam ist und was die europäische
Spaltung überwindet, sondern auch etwas ist, was im
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eutschen Interesse ist und was uns in die Lage versetzt
das ist historisch fast einmalig –, alte Teilungen zu
berwinden und eine bessere Zukunft zu gestalten. Des-
egen ist es gar keine Frage, dass das, was am 1. Mai
eschehen wird, in unserem gemeinsamen europäischen
nd nicht zuletzt in unserem nationalen Interesse liegt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Herr Kollege Erler, trotz der Einigkeit über die Be-
eutung dieses Datums ist es auch wahr, dass ein Groß-
eil der Menschen der heutigen – das gilt auch für
eutschland – und der künftigen Mitgliedstaaten der Eu-
opäischen Union noch nicht so sehr davon überzeugt ist
ie – hoffentlich – Sie, ich und alle anderen in diesem
ohen Hause. Wir werden viel Arbeit haben, um die
enschen zu überzeugen, dass dies in unser aller Zu-
unftsinteresse liegt und das Beste ist. Im Hinblick da-
auf ist es gefährlich, so wie Sie schon von den nächsten
eitritten zu sprechen. Wir müssen zuerst die Europäi-
che Union nach der Erweiterung um zehn neue Mitglie-
er – das ist ein historischer Schritt – ein Stück weit kon-
olidieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
ch rate hier zu äußerster Vorsicht. Sie könnten sonst die
ustimmung der Bevölkerung zu dem europäischen
rojekt mehr gefährden, als Sie und wir das wollen.
Es ist besonders tragisch – darauf hat Peter Altmaier
ereits hingewiesen –, dass sich Europa ausgerechnet in
ieser historischen Situation in einer schweren Krise be-
indet. Das macht es nicht leichter, sondern schwieriger.
afür gibt es eine Reihe von Gründen. Ein Grund war
as unterschiedliche Verständnis der Regierungen der
eutigen und der künftigen Mitgliedstaaten der Europäi-
chen Union im Hinblick auf das Verhältnis Europas zur
tlantischen Partnerschaft und im Hinblick auf die
olle Europas angesichts der globalen Probleme. Es ist
ut, dass wir dabei sind, dies zu überwinden. Aber das
ar eine der Ursachen.
Eine andere Ursache ist natürlich der Streit über den
tabilitäts- und Wachstumspakt gewesen. Der Bun-
esaußenminister war gestern anlässlich des 200. Todes-
ags von Immanuel Kant in Königsberg; das war auch
ut so. Aber gegen den kategorischen Imperativ von
mmanuel Kant ist verstoßen worden. Der Bundes-
inanzminister hat gesagt, der Stabilitäts- und Wachs-
umspakt sei nicht erfunden worden, um auf Deutsch-
and angewandt zu werden. Ich kann dazu nur sagen: Die
egeln dieses europäischen Paktes gelten für große und
leine Staaten gleichermaßen. Das ist die Grundlage für
ertrauen. Wer dagegen verstößt, gefährdet das europäi-
che Projekt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Beim Streit über die künftige Finanzausstattung der
uropäischen Union – das ist in dieser Woche im Euro-
aausschuss deutlich geworden – sind zwei Pole genau
u bedenken. Auf der einen Seite ist es wahr, dass dann,
enn alle öffentlichen Haushalte, also die des Bundes,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8209
(A) )
(B) )
Dr. Wolfgang Schäuble
der Länder und der Kommunen, der Notwendigkeit der
Begrenzung von Ausgabezuwächsen unterliegen, dies
auch für den europäischen Haushalt gelten muss. Das
muss die Europäische Kommission verstehen und akzep-
tieren.
Aber wir müssen natürlich auf der anderen Seite se-
hen, dass in den neuen Bundesländern – da sehen wir
übrigens, wie schwer es ist, solche historischen Erweite-
rungen wirklich zu konsolidieren – noch immer erhebli-
che Nachteile gegenüber den alten Bundesländern beste-
hen. Wir hätten vor 15 Jahren vielleicht gar nicht
geglaubt, dass es so sein würde, aber es ist die Wahrheit.
Deswegen darf bei den Menschen in den neuen Bundes-
ländern natürlich unter gar keinen Umständen der Ein-
druck entstehen, dass ausgerechnet sie nun durch Ver-
zicht auf die Regionalförderung, die sie bisher aus
Brüssel bekommen haben, die Zeche für die Osterweite-
rung bezahlen sollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
So reden die Menschen. Darauf muss man die richtigen
Antworten finden und darf nicht einfach sagen – das
macht überhaupt keinen Sinn –, man dürfe vor Stammti-
schen nicht einknicken.
Bei der neuen Prioritätensetzung muss man mit der
Kommission der Europäischen Union noch einmal inten-
siv darüber reden – anders wird es wohl nicht gehen –,
ob denn ihr Verständnis, dass jede mitgliedstaatliche Zu-
ständigkeit für Regionalförderung gegen das Prinzip von
Wettbewerb und Binnenmarkt verstößt, richtig ist. Das
ist, glaube ich, der falsche Weg. Wenn wir in der euro-
päischen Politik neue Prioritäten setzen müssen – das
müssen wir mit der Erweiterung –, dann müssen wir den
Spielraum für Regionalförderung durch Mitgliedstaa-
ten und Regionen erweitern. Das eine bedingt das an-
dere. Das hängt zusammen. Nur so geht es.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Um aus diesen Krisen herauszukommen, die sich
beim Scheitern des Brüsseler Gipfels gezeigt haben,
müssen wir natürlich auch daran arbeiten, zerstörtes Ver-
trauen wieder aufzubauen. Die Bundesregierung hat da
eine Menge zu tun. Auf die Kritik von Peter Altmaier,
die Bundesregierung sei an diesen Krisen mit schuldig,
hat Herr Steenblock gesagt: Aber sie hat sich doch im
Verfassungskonvent so sehr um die Verfassung be-
müht. – Das hat sie getan, aber das ist keine Antwort auf
die Kritik von Peter Altmaier. Die Bundesregierung hat
sich im Verfassungskonvent in der Tat bemüht. Wir un-
terstützen sie auch darin, dass die Blockademöglichkei-
ten, die der Nizza-Vertrag bietet, abgebaut werden müs-
sen. Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Aber das
ändert eben nichts daran, dass die Bundesregierung in
anderer Beziehung Fehler gemacht hat und dass als
Folge davon Vertrauen zerstört worden ist.
(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Welche
denn?)
– Beim Stabilitätspakt zum Beispiel. Dass die Regeln
nicht für alle in gleicher Weise gelten, hat unglaublich
viel Vertrauen zerstört – bei Großen und bei Kleinen.
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(Günter Gloser [SPD]: Das stimmt doch auch
nicht!)
ch könnte vieles aufzählen, will es aber gar nicht tun.
(Günter Gloser [SPD]: Ist Polen ein großes
Land?)
Der Bundesfinanzminister – er heißt noch immer
ichel – hat gesagt, der Stabilitätspakt sei doch nicht er-
unden worden, um auf Deutschland angewandt zu wer-
en; er gelte für kleine Länder, aber nicht für Deutsch-
and. So zerstört man Vertrauen. Das dürfen wir nicht
ortsetzen. Das müssen wir korrigieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die Polen haben nicht zuletzt in den Auseinanderset-
ungen von Frankreich und Deutschland den Eindruck
ehabt, sie hätten nicht die gleichen Rechte, sie seien
icht gleichwertig. Ich würde Sie wirklich um eines bit-
en: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die
eschädigungen im wichtigen deutsch-polnischen Ver-
ältnis, das gut entwickelt war, wieder ein Stück weit re-
ariert werden! Hören Sie nun wirklich auf, die Initiative
ür ein Zentrum gegen Vertreibungen für die Beschä-
igung des deutsch-polnischen Verhältnisses verantwort-
ich zu machen! Das ist nun wirklich ein grober Unfug.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Angelica
Schwall-Düren [SPD]: Aber es ist so!)
Frau Schwall-Düren, Sie hatten ja gleich gesagt: die
DU/CSU. Die Frau Steinbach ist eine sehr geschätzte
ollegin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; das ist
ahr.
(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Auch
andere!)
ber Peter Glotz ist bedauerlicherweise immer noch
itglied der Sozialdemokratischen Partei. Es ist doch
ine überparteiliche Initiative. Hören Sie vor allem auf,
inigen in Polen die Ausrede zu liefern! Dabei ist es
och so, dass sie sich selber vor manchen Aufgeregthei-
en ein bisschen schützen müssen. Die Parole „Nizza
der der Tod“ war auch eine Übertreibung. Es gibt Über-
reibungen, nicht nur auf einer Seite.
Sagen Sie Ihrem Parteifreund Verheugen, er solle auf-
ören, in einer unverschämten Weise solche Interviews
u geben wie das, das am Mittwoch in der „Süddeut-
chen Zeitung“ zu lesen war! Wir lassen das nicht zu!
(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Unver-
schämt?)
Ich kann es Ihnen vorlesen – ich habe es dabei –, will
s aber gar nicht tun.
Die Erklärung der beiden Staatsoberhäupter, des pol-
ischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundesprä-
identen, zu dieser Frage war doch wirklich versöhnend
nd weiterführend. Diese Erklärung ist von der Präsi-
entin des Bundesverbands der Vertriebenen, der Kolle-
in Erika Steinbach, ausdrücklich begrüßt und un-
rstützt worden. Deswegen sollten wir es dabei belassen.
it einer – falschen – Legende zu den Ursachen der
chwierigkeiten im deutsch-polnischen Verhältnis
8210 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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(B) )
Dr. Wolfgang Schäuble
machen wir die Dinge nicht besser, sondern erschweren
sie eher.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, das sen-
sible Thema der Vertreibungen im europäischen Kontext
mit Polen und Deutschen gemeinsam in einer Weise zu
lösen, die die Zukunft besser und nicht schwieriger
macht! Aber lassen Sie uns auch daran arbeiten, dass die
Europapolitik der deutschen Bundesregierung keinen
Schaden anrichtet.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Herr Kollege Roth, Sie sind in dieser Debatte darauf
eingegangen, welchen Beitrag – Modelle der Sozialpoli-
tik, der Bildungspolitik usw. – Europa leisten muss. Was
Sie dazu gesagt haben, mag alles richtig sein. Ich füge
hinzu: Bei manchen Punkten bin ich ganz froh, dass
nicht alles auf europäischer Ebene, sondern im Sinne der
Subsidiarität und der Vielfalt durch die Mitgliedstaaten
geregelt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Der wichtigste Beitrag, den Europa in diesem und in
den kommenden Jahren leisten muss – auch um die
Menschen für die Notwendigkeit des europäischen Pro-
jekts zu gewinnen –, ist ein Beitrag zu globaler Stabili-
tät. Angesichts der globalen Herausforderung werden
wir uns entscheidend darauf konzentrieren müssen, die
europäische Rolle im transatlantischen Verhältnis zu
stärken. In diesen Zusammenhang gehört natürlich die
Osterweiterung; das ist gar keine Frage. Europa wird
keine globale Rolle spielen, wenn es nicht einmal in der
Lage ist, die Teilung des europäischen Kontinents zu
überwinden.
Wir sollten aber auch die Chancen sehen. Ich habe in
der gestrigen Ausgabe der „Zeit“ mit großem Interesse
einen Aufsatz von Robert Kagan – über Äußerungen
von ihm haben wir oft in anderen Zusammenhängen dis-
kutiert – gelesen. In diesem Aufsatz steht Folgendes:
Um den globalen Bedrohungen der Welt begegnen
zu können, benötigen die Amerikaner die Legitimi-
tät, die Europa ihnen verschaffen könnte.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist geradezu
eine flehentliche Bitte von amerikanischer Seite – man
lernt dort auch aus Fehlern, die jenseits des Atlantiks ge-
macht worden sind – nach einem einigen, handlungsfä-
higen und stärkeren Europa. Wir werden uns in den eu-
ropäischen Debatten vor allen Dingen darauf
konzentrieren müssen. Auch deswegen möchte ich von
der Bundesregierung, und zwar nicht nur durch den
Sprecher der Bundesregierung in Bundespressekonfe-
renzen, etwas Genaueres zu der angeblichen deutsch-
britisch-französischen Initiative, verschiedene Batail-
lone für schnelle Eingreifreserven aufzustellen, hören.
Herr Bundesaußenminister – wenn ich richtig infor-
miert bin, waren Sie gestern nicht nur in Kaliningrad, in
Königsberg, sondern auch in Moskau –, ich hätte von
Ihnen gern etwas zu den Meldungen gehört, Moskau ma-
che im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung
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chwierigkeiten. Vor allen Dingen sollte man im europä-
ch-atlantischen Bündnis darüber nachdenken, was wir
emeinsam tun können, um mit Russland besser zusam-
enzuarbeiten, damit es mehr Verantwortung – das gilt
ogar für seine Rolle im Nahen und Mittleren Osten –
bernimmt.
Wir haben eine sehr gute Chance, Russland, das sich
einer kritischen Phase der Entwicklung befindet, in ei-
er positiven Weise zu beeinflussen, wenn wir die Posi-
on vertreten: Wir brauchen die Partnerschaft mit Russ-
nd; Russland muss an Initiativen wie derjenigen, die in
ünchen vorgestellt worden ist – Stichwort „Greater
iddle East“ –, teilnehmen; wir beziehen Russland ein;
ir nehmen Russland in die Verantwortung; aber wir er-
arten von Russland auch einen konstruktiven Beitrag,
er dem Verständnis von Russland als einer Großmacht
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerecht wird;
ussland muss mitverantwortlich sein. Das umzusetzen
t eine der großen Aufgaben eines Europas, das sich als
eil der atlantischen Partnerschaft versteht.
(Beifall des Abg. Erich G. Fritz [CDU/CSU])
Wenn wir europäische Politik so betreiben, dann leis-
n wir einen Beitrag zur globalen Stabilität und zur
riedenssicherung. Wenn die Menschen Europa als ein
rojekt zur Herstellung von globaler Stabilität und Frie-
en verstehen, dann werden sie dieses Projekt auch wei-
rhin unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.
Petra Pau (fraktionslos):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
U-Osterweiterung und die Annahme einer EU-Verfas-
ung sollten einen Höhepunkt in der Geschichte Europas
erden. So klang es bei Hofe; doch die Glocken im
ande wollen einfach nicht jubeln. Zu Missklängen im
uge des Irakkrieges gesellte sich Krach um die künftige
ausordnung in Europa. Hinzu kommt jetzt Zoff um die
emeinsame Kasse. Es knirscht in nahezu allen Säulen,
ie das europäische Werk stützen sollen.
Außerdem sinkt das Interesse der Bevölkerung, auch
er deutschen, an der EU. Das ist im Vorfeld von Wahlen
ein gutes Omen. Selbst die Medien überschlagen sich
it Eilmeldungen vom USA-Vorvorwahlkampf, wäh-
end die anstehenden Europawahlen überhaupt keine
otiz wert sind. Das alles spricht für eine gründlichere
ussprache im Deutschen Bundestag, zumal ich davon
usgehe, dass alle hier vertretenen Parteien proeuropä-
ch sind; die PDS ist es jedenfalls.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
tionslos])
Genau diese proeuropäische Position nährt allerdings
uch unsere Kritik an aktuellen und grundsätzlichen Fra-
en der EU-Debatte. Sie beginnt beim vorliegenden Ver-
assungsentwurf. Er enthält vieles, was zu mehr Demo-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8211
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(B) )
Petra Pau
kratie und zu mehr Transparenz führen kann. Das
begrüßen wir ausdrücklich. Er enthält aber auch eine
Selbstverpflichtung zur Hochrüstung und Militarisierung
der EU. Das ist einmalig und widersinnig; das lehnt die
PDS im Bundestag ab.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
tionslos])
Ich weiß, über diesen Punkt reden Sie von Rot-Grün
nicht gerne; oder Sie reden, wenn doch, diesen Punkt der
Verfassung schön. Wahrscheinlich ist das aber auch der
wahre Grund, warum SPD und Grüne eine Volksabstim-
mung in Deutschland über die EU-Verfassung auf jeden
Fall verhindern wollten. Dann sollten Sie allerdings in
der Debatte nicht weiter so tun, als seien SPD und Grüne
die Parteien, die für mehr Demokratie und Bürgerrechte
in Europa eintreten. Sie tun es nicht.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
tionslos])
Mit der konservativen Opposition müssen wir, wie
ich denke, zwei andere Punkte klären. Einerseits gerie-
ren Sie sich als oberste Hüter des so genannten Stabili-
tätspaktes. Dieser Pakt schafft aber keine Stabilität, er
nimmt politische Spielräume und verhindert so eine ak-
tive Politik gegen die Massenarbeitslosigkeit. Deshalb
war die PDS schon immer gegen eine Stabilitätspolitik,
die zwar Bankgeschäfte bedient, aber für soziale Fragen
völlig taub ist.
Vor diesem Hintergrund komme ich zur aktuellen Fi-
nanzdebatte. Die EU-Kommission rechnet überschaubar.
Sie sagt, die EU wird größer, also muss auch ihr Haus-
halt wachsen. Finanzminister Eichel rechnet ebenso
übersichtlich. Er sagt, wir müssen Schulden abbauen,
also können wir nicht noch mehr Geld an die EU abfüh-
ren. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Beide Argumente gehen am tatsächlichen Problem vor-
bei. Der Stabilitätspakt ist eine Fessel, keine Hilfe. Die
fehlenden Finanzen resultieren wiederum aus einer fal-
schen Steuerpolitik; darüber haben wir gestern sehr aus-
führlich diskutiert. So entpuppt sich das vermeintliche
EU-Problem als ein hausgemachtes Problem.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
tionslos])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der ungeklärte
Streit über die Zukunft der EU wird allerdings auch nicht
in dem auf Eis liegenden Verfassungsentwurf geklärt.
Zweimal ist in ihm von der Marktwirtschaft als bestim-
mender Wirtschaftsordnung die Rede. Einmal ist von ei-
ner sozialen Marktwirtschaft die Rede und ein weiteres
Mal von einer offenen Marktwirtschaft. Ich wiederhole
gern: Die PDS setzt sich strikt für eine soziale Markt-
wirtschaft und konsequent gegen eine offene Marktwirt-
schaft ein. Ich fürchte, dass da unsere Auffassung nicht
mit der der FDP, die auch heute vorgetragen wurde,
übereinstimmt. Es ist aber keine abstrakte Frage, ob die
Wirtschaft sozialen Zielen verpflichtet ist oder ob das
Soziale untergeordnet oder gar gestrichen wird wie bei
der Agenda 2010. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger
der Bundesrepublik für die EU gewinnen wollen – die
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DS will dies –, dann kommen Sie um die soziale Frage
icht herum.
Nun komme ich zum Schluss noch zu einer innenpoli-
ischen Frage im engeren Sinne. Es ist unübersehbar, wie
uch auf EU-Ebene die Bürgerrechte und der Daten-
chutz ausgehöhlt werden. Immer offensichtlicher ist,
ass die Bundesrepublik hierbei zur Avantgarde gehört.
as trifft leider auch mit umgekehrtem Vorzeichen be-
üglich der Haltung gegenüber einer humanen Flücht-
ings- und Asylpolitik zu. Der nach wie vor anhaltende
treit um ein Zuwanderungsgesetz spiegelt hier nur die
useinandersetzung um die zukünftige Haltung der EU
ider: entweder human und weltoffen oder aber bor-
iert geschlossen. Der aktuelle Stand – das sagt nicht
ur die Europaabgeordnete der PDS, Sylvia-Yvonne
aufmann – ist einfach niederschmetternd. Otto Schily
nd andere aus der Bundesregierung haben daran aktiv
nteil.
Es gibt also viele gute und auch drängende Gründe,
ründlicher über die künftige EU zu diskutieren, als es
hnen bisher notwendig erschien. Die PDS wird es je-
enfalls als Pro-Europa-Partei im beginnenden Wahl-
ampf tun.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
tionslos])
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Axel Schäfer, SPD-
raktion.
Axel Schäfer (Bochum) (SPD):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Lassen
ie uns so ernsthaft über Europa reden, wie es der Situa-
ion angemessen ist, und lassen Sie uns vor allen Dingen
eine Krise herbeireden. Krise, das war Anfang 1999,
ls die Kommission zurücktrat, als wir im Kosovo zum
rsten Mal in kriegerische Auseinandersetzungen ver-
trickt waren, als wir einen neuen finanziellen Rahmen
is 2006 schaffen mussten. Diese Krise ist durch diese
undesregierung bewältigt worden. Wir haben gute Ent-
cheidungen getroffen, was die Kommission, den Ko-
ovo, die Friedenspolitik und die Finanzen anbelangt.
eshalb sollten wir die heutigen Schwierigkeiten nicht
u einer Krise hochreden, weil wir damit die Situation in
uropa falsch beschreiben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ein Wort zur Klage gegen den Stabilitäts- und Wachs-
umspakt. Dazu ist alles gesagt, was die Kommission an-
elangt, die tatsächlich auf dem falschen Dampfer ist.
lles gesagt hat derjenige, der damals, als der Pakt ge-
chlossen worden ist, führend mit dabei war: Jean-
laude Juncker, luxemburgischer Ministerpräsident. Er
st Christdemokrat; vielleicht sollten die Kolleginnen
nd Kollegen von der CDU/CSU einmal lesen, was er
esagt hat; denn das bestätigt exakt die Position der
eutschen Bundesregierung. Und das ist auch gut so.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
8212 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Axel Schäfer (Bochum)
Lassen Sie mich zur finanziellen Vorausschau kom-
men. Es war richtig, dass sechs Länder Position bezogen
haben: Großbritannien, Frankreich, Österreich, die Nie-
derlande, Schweden und Deutschland.
(Jürgen Türk [FDP]: Wo war denn das
richtig?)
Es war richtig, weil damit klar geworden ist, dass wir
eine Balance finden müssen zwischen den Notwendig-
keiten in Europa einerseits und den Zwängen in den
Haushalten, auch den nationalen, andererseits. Dass es
richtig war, sieht man vor allem, wenn man sich die Ent-
wicklung in den letzten zehn Jahren anschaut: Der pro-
zentuale Anteil an der Verpflichtungsermächtigung auf
der Ebene der EU ist von 1,27 auf 1,08 Prozent gesun-
ken. Bei den realen Ausgaben liegen wir bei 0,98 Pro-
zent des Bruttonationaleinkommens. Das zeigt, dass wir
auf dem richtigen Weg sind. Die deutsche Position, die
richtigerweise in Zusammenarbeit mit anderen Ländern
eingenommen worden ist, ist damit bestätigt worden.
Ich sage, gerade weil es um die Solidarität in Europa
– nicht nur, wie bisher, mit 15, sondern mit 25 Staaten –
geht: Es gibt eine Reihe der so genannten neuen Mit-
gliedstaaten, die die Positionierung bei 1 Prozent des
Bruttonationaleinkommens für richtig halten. Es musste
berücksichtigt werden, inwieweit die nationalen Haus-
halte die Mittel für Europa aufbringen können. Die
neuen Staaten dürfen nicht überfordert werden. Wir
müssen fordern und fördern, wie dürfen aber nicht über-
fordern. Deshalb ist der Weg richtig.
(Beifall bei der SPD)
Wir sind ein Stück vorangekommen, was die Um-
strukturierung und neue Prioritätensetzung im europäi-
schen Haushalt anbelangt. Wir werden bis 2013 den
Agraranteil von 46 auf 37 Prozent senken. Das ist ein
ganz wichtiger Fortschritt, der auf einer Position beruht,
die wir gemeinsam vertreten.
Ein spezieller Satz bezüglich einer deutschen Position
in Europa. Es war gut – ich glaube, auch die Christde-
mokraten im Europäischen Parlament fanden das gut;
ebenso sollten das die Christdemokraten im Deutschen
Bundestag gut finden –, dass diese Bundesregierung un-
ter schwierigsten Bedingungen entscheidend dazu beige-
tragen hat, dass ein Abgeordnetenstatut in Europa ver-
hindert wurde, das uns und den Kolleginnen und
Kollegen in Brüssel viele Probleme bereitet hätte.
Obendrein ist gut, dass die deutsche Bundesregierung
zu denen gehört, die bei der Frage des Anstiegs der Be-
amtenbezüge in Brüssel immer auf der Bremse stehen.
Auch das spielt beim Thema Ausgaben und Sparmög-
lichkeiten eine wichtige Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen jetzt am
Beginn des Prozesses zur Verabschiedung der finanziel-
len Vorausschau. Wir wollen und müssen pro Jahr
4 Prozent unseres BNP im Rahmen des Transfers von
West nach Ost zahlen und mit 1 Prozent unseres Haus-
haltes zur Finanzierung Europas beitragen. Das ist alles
richtig so, aber die Balance muss stimmen.
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Ich bin mir sicher, dass wir diese Balance hinbekom-
en; denn wir haben die Erfahrungen von 1999. 1999
ar deutlich: Diese Bundesregierung trägt entscheidend
ur Lösung von europäischen Problemen bei. Diejeni-
en, die das damals gemacht haben, sind – das ist eher
ie Ausnahme, wie Sie feststellen, wenn Sie sich die an-
eren europäischen Regierungen heute anschauen – auch
eute noch die Akteure, nämlich Bundeskanzler Gerhard
chröder und Bundesaußenminister Joschka Fischer. Ich
abe großes Vertrauen in die beiden, dass sie es auch
iesmal schaffen – gemäß unserer Prämisse, dass die eu-
opäische Einigung das wichtigste nationale Interesse
eutschlands ist. Das ist in der Tat gut so.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch-
führung von Verordnungen der Europäischen
Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik
und zur Änderung der Neuartige-Lebensmit-
tel-und-Lebensmittelzutaten-Verordnung
– Drucksache 15/2397 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Bun-
esministerin Renate Künast.
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
chutz, Ernährung und Landwirtschaft:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-
esregierung und die Koalitionsfraktionen haben ein Pa-
et zu Regelungen auf dem Gebiet der Gentechnik in
er Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion
eschnürt: Am Mittwoch hat das Kabinett einen Gesetz-
ntwurf zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus ver-
bschiedet. Heute geht es um ein Gentechnik-Durchfüh-
ungsgesetz der Koalitionsfraktionen, das Verstöße
egen die Kennzeichnungspflicht bei gentechnisch ver-
nderten Organismen regelt. Ab 18. April ist also drin,
as draufsteht.
Wie Sie wissen – das will ich vorab erwähnen –, sind
ie zentralen Bausteine bereits auf EU-Ebene geregelt
orden. Mitte der 90er-Jahre wurden Genehmigungen
ür das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränder-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8213
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Bundesministerin Renate Künast
tem Mais und Soja in der EU erteilt. 2001 trat eine Frei-
setzungsrichtlinie in Kraft, die vor allem den Freilandan-
bau gentechnisch veränderter Organismen in der
Landwirtschaft regelt. Am 18. April dieses Jahres tritt
die europäische Verordnung über die Kennzeichnung
von Lebens- und Futtermitteln in Kraft, was konkret be-
deutet, dass ab dem 18. April 2004 in allen EU-Mitglied-
staaten alle Produkte gekennzeichnet werden müssen,
die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, egal
in welchem Ausmaß.
Die Kennzeichnungspflicht ist wesentlicher Be-
standteil unserer und auch der europäischen Politik auf
diesem Gebiet. Diese Kennzeichnung geschieht zum
Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich
bewusst für ein bestimmtes Produkt entscheiden wollen.
Sie geschieht zum Schutz der Bäuerinnen und Bauern
– dabei ist es egal, ob es sich um konventionelle oder um
Ökolandwirte handelt –, die in Zukunft auf den Einsatz
der Gentechnik verzichten möchten. Solche Kennzeich-
nungsregelungen schützen auch Hersteller und Weiter-
verarbeiter, die Produkte ohne Gentechnik auf dem
Markt anbieten wollen und die für die gesamte Produk-
tionskette zurückverfolgen müssen, dass keine Gentech-
nik eingesetzt wurde.
Es ist daher angemessen, dass wir uns in dieser Wo-
che noch einmal mit dem Thema Gentechnik in der
Landwirtschaft beschäftigen. Es geht jetzt darum, wie si-
chergestellt werden kann, dass diese Regeln auch einge-
halten werden. Die konkreten Fragen lauten: Was pas-
siert bei Verstößen? Wie können Verbraucherinnen und
Verbraucher sicher sein, dass sich Produzenten an die
Regeln halten?
Das Gentechnik-Durchführungsgesetz, das jetzt auf
der Tagesordnung steht, regelt genau das. Wir haben in
diesem Gesetz Sanktionen und Zuständigkeiten klar
und deutlich benannt. Dieses Gesetz sieht – dazu hat uns
die EU aufgefordert – Strafvorschriften vor: Bußgelder
bis zu 50 000 Euro bei Verstößen gegen die Kennzeich-
nungspflicht bei gentechnisch veränderten Lebens- und
Futtermitteln und Haftstrafen bis zu drei Jahren bei
schwerwiegenden Verstößen. Darunter fällt, dass mit
nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organis-
men gehandelt wird.
Wir regeln die Mitwirkung von Zolldienststellen und
Stellen, die für Lebensmittelkontrollen zuständig sind.
Auch deren gute fachliche Arbeit wird von herausragen-
der Bedeutung sein.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das zeigt, dass Le-
bensmittelkontrollen funktionieren können. In Bayern
wurden illegal aus Hawaii eingeführte Papayas sicherge-
stellt. Aufgrund von Kontrollen konnte festgestellt wer-
den, dass diese Produkte aus den USA, die hier keine
Zulassung haben, auf den europäischen Markt gebracht
worden sind. Wir haben uns an die Botschaft mit der
Aufforderung gewandt, dafür Sorge zu tragen, dass das
deutsche bzw. europäische Recht eingehalten wird.
Sie sehen, die hochsensibilisierten Verbraucherinnen
und Verbraucher in diesem Land können sich darauf ver-
lassen, dass wir und die Länder darauf achten, dass Le-
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ensmittel- und in Zukunft auch Futtermittelkontrollen
atsächlich funktionieren.
Nach Umfragen sagen 70 Prozent der Menschen in
eutschland, sie wollen keine gentechnisch veränderten
ebensmittel kaufen.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Gestern
waren es nur 60 Prozent!)
andwirte – da haben wir fast die gleiche Prozentzahl –
ragen sich an dieser Stelle, was eigentlich mit ihrem
cker passiert – deshalb sind diese Vorschriften wichtig –,
enn es zum Beispiel Auskreuzungen gibt oder einmal
icht sorgfältig gearbeitet wird. Wir alle wissen, dass es
n dieser Stelle auch darum geht, den grundgesetzlich
estgelegten Schutz des Eigentums für diejenigen sicher-
ustellen, die zum Beispiel nicht gentechnisch verän-
erte Organismen anbauen wollen. Ich glaube, dass wir
it diesem Gesetz im Gesamtkontext des Regelwerkes
ie dafür notwendigen Vorschriften geschaffen haben.
Sie wissen, dass wir mit der Novelle zum Gentechnik-
esetz und der damit verbundenen Verordnung, in der
ie gute fachliche Praxis geregelt wird und die die Haf-
ungsregeln enthält, auch an anderer Stelle notwendige
icherheitsvorschriften festlegen, dies immer unter dem
esichtspunkt, dass man bei neuen Technologien darauf
chten muss, dass in Zukunft auch noch die bisherigen
echnologien praktiziert werden können und es nicht zu
iner schleichenden Dominanz kommt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wäh-
en können. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist die
rgänzung zu dem, was am 18. April dieses Jahres star-
en wird. Dann wird nämlich jede Verbraucherin und je-
er Verbraucher, jede Landwirtin und jeder Landwirt je-
eils auf der Zutatenliste eines Produktes erkennen,
elche Bestandteile enthalten sind. Auf der Zutatenliste
uss dann nämlich bei dem entsprechenden Bestandteil
tehen, dass zum Beispiel genetisch verändertes Soja,
enetisch veränderter Mais oder genetisch verändertes
ecithin benutzt wurde. Das heißt, die Verbraucherinnen
nd Verbraucher können sich täglich im Supermarkt an-
and der Kennzeichnung entscheiden. Im Übrigen: Wi-
er viele andere Behauptungen gelten diese Regeln ab
em 18. April auch für den Wochenmarkt und die Res-
aurants.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Man kann insgesamt sagen: Wir haben mit diesem
entechnik-Durchführungsgesetz einen Beitrag dazu ge-
eistet, die Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitsre-
eln zum Tragen zu bringen. Wir sichern damit wirt-
chaftliche Aktivitäten. Wir verbinden ein Höchstmaß an
ransparenz mit dem Schutz des Eigentums und werden
amit meines Erachtens dem im Grundgesetz veranker-
en Schutz des Eigentums gerecht. Wir müssen dies tun;
ir haben es getan. Den Rest entscheiden die Verbrau-
herinnen und Verbraucher.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
8214 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Helmut Heiderich,
CDU/CSU-Fraktion.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Es ist erstaunlich, dass die Koalition – und nicht das
Ministerium, Frau Künast – schon jetzt, wenige Monate
nach der Verabschiedung der Verordnungen auf EU-
Ebene, einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema
vorlegt. Im Bereich der Bio- und Gentechnik sind wir
von Ihnen anderes gewohnt.
So haben Sie das Gentechnikgesetz, das Sie, wie eben
von Ihnen ausgeführt, vor zwei Tagen endlich dem Kabi-
nett vorgelegt haben, seit dem Jahre 2001 vor sich herge-
schoben. Die Umsetzungsfrist war schon 2002 abgelau-
fen. Da wir ja die ehemalige Bundesministerin der Justiz
hier haben, lassen Sie mich einflechten: Sie schieben die
Biopatentverordnung
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Die
Richtlinie!)
– sehr wohl, die Richtlinie; man sieht, die Fachfrau ist
anwesend –, also die Biopatentrichtlinie seit 1998 vor
sich her und sind bis heute nicht in der Lage gewesen, in
diesem Hause darüber zu diskutieren.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Genau, weil sie schlecht ist!)
Das Gentechnikgesetz, das Frau Künast eben ange-
sprochen hat und das dem Kabinett am vergangenen
Mittwoch vorgelegt worden ist, ist trotz der langen Zeit,
die Sie gebraucht haben, keine reife Leistung, sondern
schlicht und einfach unbrauchbar. Es ist ebenso unsyste-
matisch wie unlogisch und es ist ein Widerspruch in
sich.
Die Ministerin scheut sich nicht, öffentlich zu sagen – ge-
rade hat sie es wieder getan –, das Gesetz schütze den
gentechnikfreien Anbau.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das wollen Sie wohl nicht?)
Mit Verlaub, sie sollte einmal in den Gesetzentwurf hi-
neinschauen. In § 1 heißt es, Sinn und Zweck des Geset-
zes sei die Nutzung und Förderung der Bio- und Gen-
technik.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist falsch zitiert!)
Das hat, wie man hört, wohl auf Druck des Kanzleramtes
in dieses Gesetz hineingeschrieben werden müssen. Das,
was Sie, verehrte Frau Künast, öffentlich verbreiten, ist
genau das Gegenteil dessen, was in § 1 des Entwurfs ei-
nes Gentechnikgesetzes steht.
Sie haben gerade die Haftungsregelungen angespro-
chen, die im Gesetzentwurf vorgesehen werden. Diese
sind ein nationaler Alleingang Ihrerseits; die entspre-
chenden Haftungsregelungen werden nicht zu einer Ko-
existenz führen. Das haben auch Sie gerade deutlich ge-
sagt.
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(Albert Deß [CDU/CSU]: Sie führen nur zu
Wettbewerbsverzerrungen!)
ie wollen eine Subexistenz, eine Unterordnung der Bio-
echnologie unter die Ansprüche Ihrer rot-grünen Ideolo-
ie in diesen Bereichen. Das werden wir nicht akzeptie-
en.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Ich frage Sie: Wie passt das mit der Vorgabe Ihres
anzlers zusammen – die man landauf, landab in allen
eden zu hören bekommt – Bio- und Gentechnik in
eutschland sei die Schlüsseltechnologie des 21. Jahr-
underts? Wie passt das zusammen? Mir scheint, hier ist
ie Richtlinienkompetenz des Kanzlers – ich muss Herrn
üntefering fragen, ob diese ihm noch geblieben ist –
der des großen Vorsitzenden gefordert. Es muss endlich
eklärt werden: Wollen Sie Bio- und Gentechnik als
chlüsseltechnologie oder wollen Sie diese Technologie
ie Frau Künast verhindern und das öffentlich als Sinn
es Gentechnikgesetzes erklären?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)
Verehrte Frau Höfken, dass müssen Sie mit Ihrem
anzler und mit Ihrem Koalitionspartner klären. Der
esetzentwurf ist so, wie Sie ihn vorgelegt haben,
uatsch.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nein!)
Doch.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen Sie in
er eben angeführten Eile den zweiten Schritt vor dem
rsten. Insgesamt beinhaltet dieser Gesetzentwurf wie-
er einmal eine völlig überzogene und unverhältnismä-
ige Regulierung. Er widerspricht damit auch den Ver-
rdnungen der Europäischen Union, in denen
usdrücklich steht, es werde eine verhältnismäßige Um-
etzung verlangt.
Ich will Ihnen das, da ich genügend Redezeit habe,
eiter erläutern.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es
ist auch sonst keiner von Ihnen da!)
n diesen Verordnungen geht es gerade nicht um die Re-
elung sicherheitsrelevanter Aspekte. Herr Müntefering,
ie werden das sicherlich verstehen. Es geht auch nicht
m die Erhaltung gesundheitlich wichtiger Kriterien wie
um Beispiel bei der Ausweisung von Allergenen oder
en Abdruck von Diäthinweisen, wie wir sie aus dem
ebensmittelbereich kennen. Nein, es geht in diesem
all ausschließlich um eine Kennzeichnung zur Informa-
ion des einkaufenden Verbrauchers. Das muss man wis-
en.
Da es bei Ihnen immer in Vergessenheit gerät, möchte
ch noch einmal in Erinnerung rufen, dass es unsere
raktion war, die schon 2001, als Erste in diesem Ple-
um, eine Kennzeichnung von Gentechnik beinhalten-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8215
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Helmut Heiderich
den Produkten gefordert und dies mit der Forderung ei-
nes einprozentigen Grenzwertes eingebracht hat. Ich
glaube, das haben wir heute fast erreicht. Sie können uns
also nicht vorwerfen, dass wir an dieser Stelle nicht früh-
zeitig unterwegs gewesen wären.
(Matthias Weisheit [SPD]: Ich glaube, sie wird
jubeln!)
– Herr Weisheit, ich überlasse es ganz Ihnen, wie Sie das
nach außen darstellen wollen.
Zurück zur Verordnung: Die Koalitionsfraktionen
wollen, dass bei einem fahrlässigen Verstoß gegen die
Kennzeichnungsvorschriften zur Information Sanktionen
bis zu 50 000 Euro eingeführt werden. Das ist im Le-
bensmittelrecht weder üblich noch angemessen. In ver-
gleichbaren Kennzeichnungs- und Etikettierungsvorschrif-
ten, die es im LMBG gibt, werden maximal 15 000 Euro
angesetzt, so beispielsweise beim Fehlen oder bei der
fehlerhaften Angabe des Herstellers, beim Fehlen von
Verkehrsbezeichnungen, bei Nichtaufdruck der erforder-
lichen Nährwertkennzeichnung. Hier geht der Ansatz,
den Sie verfolgen, weit über die Verhältnismäßigkeit hi-
naus.
Auch der von Ihnen angeführte Vergleich mit der
Strafbewehrung in § 38 des Gentechnikgesetzes ist nicht
plausibel. Bei dieser Vorschrift geht es nämlich aus-
drücklich um Verstöße gegen Sicherheitsmaßnahmen.
Bei den heute vorgelegten Verordnungen geht es – wie
ich eben deutlich gesagt habe – jedoch um Hinweise für
den Verbraucher und nicht um Sicherheitsmaßnahmen.
In beiden Bereichen ist also – das wird auch der Bun-
desrat heute, der parallel zu uns tagt, fordern – eine Har-
monisierung mit dem übrigen Lebensmittelrecht ange-
sagt. Das bedeutet konkret eine maximale Strafgebühr
von 25 000 Euro.
Ansonsten sind – auch das wird vom Bundesrat mo-
niert – viele der von Ihnen verwendeten Rechtsbegriffe
von einer erheblichen Unbestimmtheit. Die von Ihnen
vorgelegten Gesetzesvorschriften müssen also auch in-
soweit überarbeitet werden.
Eines ist aber noch viel wichtiger: Frau Künast, Sie
haben vorhin gesagt, alle Inhaltsstoffe würden klar und
deutlich benannt und auf die Produkte werde draufge-
schrieben, was drin ist. Frau Künast, dem ist nicht so.
Die Inhaltsstoffe werden von Ihnen weder klar und deut-
lich benannt noch wird draufgeschrieben, was drin ist.
Sie schreiben auch dann drauf, es handele sich um gen-
technisch verändertes Material, wenn gar keine Gentech-
nik drin ist. Das ist die Vorschrift, die auf europäischer
Ebene – mit Ihrer Zustimmung – erlassen worden ist,
und das ist etwas anderes.
Hier jedoch – und das wissen Sie genauso wie die Re-
gierungsfraktionen – wissen wir noch nicht, wie diese
Anwendungsregeln im Einzelnen aussehen sollen. Sie
regeln also schon die Sanktionen, wissen aber über-
haupt noch nicht, was genau sanktioniert werden soll.
Ich will Ihnen das anhand einiger Beispiele belegen: So-
wohl der Lebensmittelhandel als auch die Hersteller be-
klagen, dass bis jetzt völlig offen ist, ob und, wenn ja,
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ie in den Fällen, in denen im Produktionsprozess Gen-
echnik eingesetzt wird, im Endprodukt aber kein gen-
echnisch verändertes Material mehr enthalten ist, die
ennzeichnung erfolgen muss.
(Matthias Weisheit [SPD]: Nicht mehr nach-
weisbar ist!)
Nicht mehr drin ist! Wenn nichts mehr drin ist, ist auch
ichts mehr nachweisbar.
(Lachen bei der SPD)
Ganz ruhig. Ich will Ihnen das ein Stück weit auf der
echnischen Ebene erläutern. Vielleicht verstehen wir
ns dann etwas besser.
Lassen Sie mich diese technische Seite etwas näher
etrachten. Beim Import von Soja, von dem wir seit Jah-
en zigtausend Tonnen importieren, wird – so steht es im
esetz – per Zertifikat, das geprüft wird, mitgeteilt: kein
entechnisch verändertes Material enthalten. Staats-
ekretär Berninger war so freundlich, mir das auf meine
ragen deutlich darzustellen. Die Importbehörden
chauen auf das Zertifikat und prüfen, ob das Zertifikat
it dem äußerlichen Zustand des Soja übereinstimmt.
eispiel Brasilien: Brasilien zertifiziert immer: alles
entechnikfrei. Jeder Mensch weiß aber, dass in Brasi-
ien seit Jahren Gensoja angebaut wird.
(Ulrich Heinrich [FDP]: Zunehmend!)
Wie lautet die Regelung für den Importeur? Der Liefe-
ant bestätigt ihm: gentechnikfrei. Nach Ihren Vorschrif-
n hat der Importeur bislang jedenfalls nicht die Pflicht,
ine Analyse vorzunehmen. Er nimmt sich das Zertifikat,
agt, es steht „gentechnikfrei“ drauf, also gebe ich meine
rodukte als gentechnikfrei weiter. Irgendwann in der
ette nimmt jemand eine Analyse vor und sagt: Halt, Be-
ug! Diesen wollen Sie dann mit 50 000 Euro sanktionie-
en, obwohl Sie die Anwendbarkeit dieser Regel noch
icht geklärt haben. Das ist ein Beispiel.
Es wird aber noch interessanter. Bei Soja kann man
enigstens noch eine Analyse durchführen.
(Zuruf von der SPD: Das war ziemlicher
Unfug!)
Das ist die Wahrheit und nicht Unfug. Das passiert täg-
ich. Sie sollten sich einmal in der Praxis umhören, dann
üssten Sie auch, wovon Sie reden.
Zweites Beispiel: Sie importieren jetzt nicht mehr
oja, sondern daraus erzeugte Stoffe, zum Beispiel Vita-
ine aus China oder Südkorea, Futterzusatzmittel, Ami-
osäuren, Fermentationsprodukte. Bei diesen können Sie
rotz Analyse keine gentechnisch veränderten Materia-
ien mehr nachweisen. Der Erzeuger im Ausland ist nun
ber nicht an unsere Vorschriften gebunden. Er kennt ein
öllig anderes Recht. Für ihn gilt: Ich muss Gentechnik
ur dann zertifizieren, wenn sie analytisch nachweisbar
st. Wenn Sie nicht nachweisbar ist, muss er auch nichts
ertifizieren. Diese Produkte werden nun also geliefert.
er Analyse können Sie nicht mehr feststellen, ob ir-
endwann im Produktionsprozess gentechnisch verän-
ertes Material verwendet worden ist. Das ist technisch
icht möglich.
8216 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Helmut Heiderich
Im Übrigen haben Sie bis heute auch noch keine Ana-
lyserichtwerte festgeschrieben. Sie haben auch noch
keine Referenzlabore festgelegt. Sie haben das ganze
Verfahren überhaupt noch nicht geklärt, sagen aber trotz-
dem: Wer dagegen verstößt, soll 50 000 Euro Strafe zah-
len. Hier wird wirklich das Pferd vom Schwanz her auf-
gezäumt. Sie haben hier eine große Bringschuld, bevor
wir dieses Gesetz überhaupt verabschieden können. Das
ist jedenfalls meine Auffassung.
Wenn sich der Importeur auf diese Daten verlässt und
entsprechend weitergibt, macht er sich dann strafbar
oder nicht, weil er die Verwendung gentechnisch verän-
derten Materials analytisch nicht nachweisen kann?
Auch hier ist die Situation völlig offen. – Da Sie den
Kopf schütteln, empfehle ich Ihnen, sich einmal mit den
Experten auf europäischer Ebene zu unterhalten. Rufen
Sie beim Europäischen Handelsinstitut an und lassen Sie
sich sagen, welche Probleme es gibt! Die werden Ihnen
das sehr ausführlich und deutlich vortragen.
Ich meine, wir müssen in diesen Anwendungsberei-
chen erst einmal klären, wie die Probeentnahme erfolgt,
wo das Referenzlabor ist, welche Analytik vorgeschrie-
ben ist und wie der entsprechende Nachweis erbracht
wird.
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)
Erst dann können wir uns über Strafbewehrungen un-
terhalten.
Ich könnte noch weitere hübsche Beispiele nennen.
Aber so lang, dass ich sie hier vortragen könnte, ist
meine Redezeit nicht. Das können wir allerdings gerne
in einem persönlichen Gespräch nachholen.
Es freut mich, Frau Künast, dass die Lebensmittel-
kontrolle in Bayern hervorragend funktioniert. Dieses
Lob werden die Bayern sicherlich gerne mit nach Hause
nehmen; denn Sie haben hier ja schon ganz andere Aus-
sagen verbreitet. Dass man entdeckt hat, dass in Bayern
Gen-Papayas aus Hawaii angeliefert wurden, ist sicher-
lich ein Fortschritt in der Lebensmittelkontrolle. Hier ha-
ben die Bayern hervorragende Arbeit geleistet. Das ist
erfreulich.
Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, mit dem
auch Sie sich jetzt massiv beschäftigen: die Frage der
Zuständigkeit der Behörden für den Bereich der Gen-
technik. In diesem Jahr haben Sie ja schon einmal in
Form eines Vorschaltgesetzes den Anlauf unternommen,
das Bundesamt für Naturschutz hier als Benehmensbe-
hörde zu installieren. Dazu gab es im Bundesrat zwar ei-
nen langen Beratungsprozess; aber letztlich ist dies um-
gesetzt worden. Jetzt tun Sie dasselbe wieder.
Ausgerechnet das Bundesamt für Naturschutz soll für
die Zulassung von Lebensmitteln zuständig sein. Da
fragt sich doch wirklich jeder: Wo ist hier der inhaltliche
Zusammenhang?
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Also wirklich! Es geht doch um Um-
weltwirkungen! Bei Ihnen wäre wahrschein-
lich Aventis zuständig!)
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ch sage Ihnen: Es gibt keinen inhaltlichen Zusammen-
ang. Wenn überhaupt, dann müssten Sie sich für das
mweltbundesamt entscheiden. Aber das Bundesamt für
aturschutz hat da inhaltlich nichts zu suchen.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Natürlich! Das ist Monitoring!)
Ja, Frau Höfken. Der Bundesrat hat es selber so formu-
iert: Die Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz
ird als nicht sachgerecht erachtet. Vielmehr ist hierfür
as Umweltbundesamt vorzusehen. – Das ist also nicht
ur meine Auffassung, sondern auch die einer ganzen
eihe anderer.
Ich kann mir schon vorstellen, warum Sie so sehr da-
auf drängen. Wir haben ja schon einmal über den Mann
n der Spitze dieses Amtes, Herrn Vogtmann, und seine
uffassung debattiert.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja, da haben Sie auch verloren!)
etzt lese ich, dass dort zum Thema Gentechnik ganz zu-
ällig eine neue Abteilung geschaffen wird und Frau
appeser vom Ökoinstitut in Freiburg im BfN eingestellt
ird. Das sind schon Zufälle!
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Eine von allen absolut anerkannte Wis-
senschaftlerin!)
Ich sage Ihnen einmal, welchen Eindruck ich habe:
ie sind dabei, das Bundesamt für Naturschutz zu einer
iotech-Blockadebehörde auszubauen. Deswegen wird
s immer nach vorne geschoben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
as Entscheidende ist dabei Ihr politisches Ziel und
icht die inhaltliche Auseinandersetzung.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
öfken?
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Aber selbstverständlich. Das gibt mir Gelegenheit, ei-
en Schluck Wasser zu trinken.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Sie haben ja auch nicht mehr viel Redezeit. Es wäre
ut, das miteinander zu verbinden.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Ja, auf diese Weise verlängert sich meine Redezeit.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich übernehme gerne die Redezeit, wenn Sie weiter
asser trinken wollen.
Ich frage Sie Folgendes: Erstens. Ist Ihnen bekannt,
ass im Rahmen des Gentechnikgesetzes die Umwelt-
irkungen zu beobachten sind, dass dafür selbstver-
tändlich eine Naturschutzbehörde sach- und fachge-
echt zur Verfügung stehen sollte und dass mit dem
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8217
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Ulrike Höfken
Monitoring kaum andere Aufgaben verbunden sind?
Zweitens. Welche Einwände haben Sie gegen Frau
Tappeser und an welchen inhaltlichen Punkten machen
Sie sie konkret fest?
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das würde
uns auch interessieren!)
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage. Wir reden hier
nicht über das Gentechnikgesetz.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das haben Sie doch die ganze Zeit ge-
macht! – Heiterkeit bei der SPD und beim
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Dann haben Sie mir vielleicht nicht richtig zugehört.
Wir reden hier über den Gesetzentwurf zur Durchfüh-
rung der Verordnungen, den Ihre Fraktionen vorgelegt
haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich habe eine kurze Replik zum Gentechnikgesetz gege-
ben.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
– Frau Künast hat diese Argumentation eingeführt. Sie
hat mit dem Thema Gentechnikgesetz begonnen, obwohl
es gar nicht auf der Tagesordnung steht. Daher fühlte ich
mich veranlasst, Frau Künast zu replizieren.
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Ja, ist doch
in Ordnung!)
Das ist, wie ich denke, der normale parlamentarische
Umgang, den wir hier haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie haben jetzt also zum Gentechnikgesetz gefragt
und nicht zu den Gentechnikverordnungen; das sage ich
nur, damit wir die Dinge auseinander halten. Beim Gen-
technikgesetz ist sicherlich für das Monitoring in dem
schmalen Bereich, den Sie anführen, auch das Bundes-
amt für Naturschutz mit einzubeziehen. Aber für den
Beurteilungsbereich in seiner vollen Breite hat das Bun-
desamt für Naturschutz überhaupt nicht die Kompetenz.
Es gibt ein Amt, das hier die breite Kompetenz hat, näm-
lich das Umweltbundesamt. Das Umweltbundesamt hat
das in der Vergangenheit auch immer gemacht, und zwar
erfolgreich. Offensichtlich hat das Umweltbundesamt
aber nicht die Ergebnisse erbracht, die politisch er-
wünscht sind. Deswegen wurde es weggeschoben und
stattdessen das BfN eingespannt, das – ich sage es noch
einmal – von Ihnen jetzt auch personell zu einer Biotech-
Blockadebehörde ausgebaut wurde. Diesen Eindruck
habe ich; das ist meine politische Beurteilung.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht: Ich meine,
dass es über die Person von Frau Tappeser in der wissen-
schaftlichen Kommunität sehr eindeutige Auffassungen
gibt. Ich will darauf hinweisen, dass Sie Frau Tappeser
schon zweimal in Anspruch genommen haben, um eine
schon beschlossene Zulassung von modernen Biotech-
nikprodukten mit einem Gutachten – aus meiner Sicht
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am das einem Gefälligkeitsgutachten sehr nahe – aus-
uhebeln. Dieses Gutachten hat Ihnen die Argumenta-
ion geliefert, um gegen eine schon im Gang befindliche
ulassung per Ministerdekret, wie bei den Apfelbäumen
n Quedlinburg, einzuschreiten.
Dass es da, aus meiner Sicht, sehr enge Zusammen-
änge gibt, können Sie mir, glaube ich, nun wirklich
icht absprechen. Deswegen halte ich Ihre Besetzung
es BfN für sehr einseitig. Ich hoffe, dass ich Ihnen da-
it ausführlich gedient habe.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich danke Ihnen für die Aussage, die sicherlich einer
berprüfung standhalten wird.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Da bin ich mir ganz sicher. Ich kenne die wissen-
chaftliche Literatur so gut, dass meine Aussage einer
berprüfung standhält.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Jetzt nicht zum Dialog, sondern zum schnellen Ende.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Nun zum schnellen Ende, Frau Vorsitzende. – Summa
ummarum: Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen
so unscheinbar er daherkommt –, bedeutet aus meiner
zw. unserer Sicht erneut eine unverhältnismäßige Be-
astung der Bio- und Gentechnik. Er bringt erneut die
otwendige Innovation ins Stolpern, die der Kanzler
ill. – Ihr Oberster ist gerade gegangen; er kann es
chon weitergeben. – Der Gesetzentwurf bringt dem
tandort Deutschland weitere Benachteiligungen, Herr
üntefering, und Sie wären gut beraten, den Kanzler zu
nterstützen, dass Bio- und Gentechnik eine Schlüssel-
echnik in Deutschland werden kann und nicht ständig
on Frau Künast ausgebremst wird.
Schönen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias
eisheit.
Matthias Weisheit (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
s war nichts anderes von Ihnen zu erwarten, Kollege
eiderich, und der Zeit angepasst war es fast eine Büt-
enrede.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Die Wahrheit
muss auf den Tisch! – Albert Deß [CDU/
CSU]: Das war sachlich sehr überzeugend!)
ass Sie das alles natürlich kritisieren – –
(Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU] meldet
sich zu einer Zwischenfrage)
Ich lasse keine Zwischenfrage zu.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das ist
bedauerlich!)
8218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Matthias Weisheit
– Wir können uns die Freundlichkeiten im Ausschuss
noch in großem Umfange an den Kopf werfen,
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Gerne!)
aber wir müssen hier heute die Zeit nicht unnötig verzö-
gern.
Ihre Rede war schon ganz bemerkenswert. Sie kriti-
sieren immer, dass wir zu lange brauchen; das haben Sie
heute auch wieder gemacht. Dieses Mal waren wir
schnell. Das passt Ihnen aber auch nicht.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Sage ich
doch: Erstaunlich!)
Dass wir diese drei EU-Verordnungen in nationales
Recht umsetzen, ist schon bemerkenswert. Letztendlich
geht es darum, den Verbraucheransprüchen auf Klar-
heit auf dem Etikett, auf Klarheit der Kennzeichnung
nachzukommen. Wir kommen auch den Ansprüchen
der Landwirtschaft nach, die wissen will: Können wir
– als Ökobauer oder als konventioneller Bauer, der gen-
technikfrei produzieren will – uns darauf verlassen, dass
die Futtermittel, die wir einsetzen, auch tatsächlich gen-
technikfrei sind? Dass die Futtermittel Gegenstand der
EU-Verordnung sind, ist also ganz wichtig.
Das Problem des Nachweises ist altbekannt; Sie ha-
ben das bereits angesprochen. Wir wissen sehr wohl,
dass das eine oder andere Produkt aus gentechnisch ver-
änderten Organismen hergestellt ist, was am Produkt
selbst aber nicht nachweisbar ist. Deshalb haben wir bei
der Novel-Food-Verordnung, in der unter anderem die
Kennzeichnung geregelt war, darauf verzichtet, eine Re-
gelung aufzunehmen, dass man ein solches Produkt
kennzeichnen muss.
Indem die Herkunft dokumentiert werden muss und
die Rückverfolgbarkeit sichergestellt ist, ist meiner
Überzeugung nach ein Weg gefunden worden, dass die
Hersteller ausweisen müssen, dass gentechnisch verän-
derte Organismen verwendet wurden, auch wenn dies im
Produkt nicht mehr nachweisbar ist. Sind sie im Einkauf
irgendwann nachweisbar, dann erscheint das auch in der
Dokumentation. Eine solche Regelung ist auch im frei-
willigen QS-System bei Futtermitteln vorgesehen. Es
werden hohe Sanktionen verhängt, wenn jemand dage-
gen verstößt. Das hat die Wirtschaft freiwillig so gere-
gelt. Warum soll man das also nicht auch in einem Ge-
setz regeln?
Es muss möglich sein, entsprechend hohe Sanktio-
nen auszusprechen. Ich bin dafür, dass wir diesen Be-
reich mit dem übrigen Lebensmittelrecht harmonisieren,
allerdings in dem Sinne, dass die Sanktionen im übrigen
Lebensmittelrecht nach oben korrigiert werden. Ein gro-
ßer Konzern, der wissentlich und fahrlässig dagegen ver-
stößt, lacht doch nur über 25 000 Euro.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ein kleiner
nicht! Es gibt auch kleine Unternehmen!)
– Gibt es die wirklich noch?
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ja!)
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Deswegen heißt es im Gesetzentwurf auch „bis zu“.
ie hoch genau die Sanktion ausfällt, müssen die Ge-
ichte entscheiden. Meiner Überzeugung nach könnten
ie Sanktionen noch höher ausfallen.
Durch die Dokumentationspflicht und die Verpflich-
ung, die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen, ist es also
öglich, die Kennzeichnung von Produkten zu verlan-
en, in denen gentechnisch veränderte Organismen ent-
alten sind, die man aber nicht mehr nachweisen kann.
ie Verbraucher haben inzwischen ein großes Interesse
aran; hier hat eine tolle Entwicklung stattgefunden. Ich
ann Ihnen das an folgendem Beispiel deutlich machen:
reenpeace – für Sie ein Feindbild – hat eine Broschüre
it einer Erstauflage von 200 000 Stück herausgegeben,
n der zu lesen ist, in welchen Produkten gentechnisch
eränderte Organismen enthalten sind und in welchen
icht. Diese Broschüre war wenige Tage, nachdem sie
uf den Markt gekommen ist, bereits vergriffen. Man be-
ommt sie nicht mehr. Dabei hätte ich sie gerne heute
itgebracht und gezeigt.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ich habe sie!)
aran sehen Sie, welch hohes Interesse in der Bevölke-
ung besteht, zu wissen, ob zum Beispiel für dieses be-
timmte Ketchup gentechnisch veränderte Tomaten ver-
endet wurden oder nicht.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das weiß
Greenpeace auch nicht! Das behaupten die
nur!)
Man kann das kontrollieren, wenn man weiß, woher
ie Tomaten kommen, wer die Tomaten angebaut hat
nd ob sie gentechnisch verändert sind oder nicht. Das
ann man in der Dokumentation eindeutig verfolgen.
Ich habe mich schon oft gefragt, warum man es nicht
eklariert und kennzeichnet, dass gentechnisch verän-
erte Organismen enthalten sind, wenn das so unbedenk-
ich ist, wie immer behauptet wird. In diesem Fall
önnte es sogar ein hervorragendes Werbemittel sein.
ch hege folgenden Verdacht: Man möchte es natürlich
icht deklarieren, wenn man Lebensmittel aus gentech-
isch veränderten Organismen durch die Hintertür ein-
ühren will. Menschen, die über zehn Jahre und länger
eglaubt haben, sie könnten sich gentechnikfrei ernäh-
en, erklärt man, das stimme nicht, weil man ihnen mit
iesen oder jenen Produkten, die sie jeden Tag einkau-
en, seit langem heimlich gentechnisch veränderte Orga-
ismen zugeführt habe, und dann fragt man sie, ob es ih-
en geschadet habe. Das ist eine Strategie verschiedener
onzerne, die auf diesem Gebiet arbeiten, und in meinen
ugen leider auch eine Strategie einiger Vertreter hier
m Deutschen Bundestag. Diese Strategie darf nicht auf-
ehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
ir brauchen daher eine klare Kennzeichnungsregelung,
ie Möglichkeit zur Rückverfolgung und eine Sanktions-
egelung.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8219
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Matthias Weisheit
Ich sehe, ich bin mit meiner Redezeit richtig gut aus-
gekommen. Ich hätte zwar noch ein paar Sekunden, aber
die schenke ich dem nächsten Redner.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Der wird sich
freuen!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das ist eine seltene Großzügigkeit. – Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Christel Happach-Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bedanke mich zunächst einmal bei der CDU/CSU
und nun auch bei der SPD für die zusätzliche Redezeit.
Ich bin das nicht gewohnt. Es ist aber eine Sitte, die
durchaus fortgeführt werden könnte.
Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Redebeitrag ein-
leitend gesagt, dass das Gentechnikgesetz, das am Mitt-
woch im Kabinett verabschiedet worden ist, dem Schutz
des gentechnikfreien Anbaus dienen solle. Kollege
Heiderich hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht,
dass im Gesetz etwas anderes steht. Als Ziel des Geset-
zes steht unter Punkt 2 zum Beispiel, dass die Koexis-
tenz von gentechnikfreiem Anbau mit gentechnisch mo-
difizierten Organismen geregelt werden solle.
Ich darf daran erinnern, dass der ökologische Anbau
zurzeit ungefähr 4 Prozent ausmacht. Diese Landwirte
haben sich verpflichtet, die Gentechnik nicht zu nutzen.
Ich bin der Meinung, dass eine solche Minderheit sehr
wohl geschützt werden muss und dass das Gentechnik-
gesetz dazu dienen muss, die Produktionsmöglichkeiten
dieser Minderheit zu erhalten. Eine Minderheit darf eine
Mehrheit aber nicht majorisieren.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
So, wie sie es regeln, wird die Minderheit die Mehrheit
majorisieren. Das ist schlichtweg nicht in Ordnung.
Ich darf daran erinnern, dass in der überregionalen
Presse bezüglich Ihrer Politik von einem Veräppeln der
Forschung gesprochen wird. Genau das tun Sie, wenn
die Forschung zwar zugelassen wird, Freisetzungen von
Ihnen aber kurzfristig unterbunden werden, wie dies bei-
spielsweise beim Apfelversuch in Pillnitz und Quedlin-
burg geschehen ist. Damit haben Sie gegen die Interes-
sen der Obstbauern in Deutschland gehandelt, die darauf
warten, diese genetisch veränderten Organismen an-
bauen zu können.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Frau Ministerin, ich darf Ihnen auch sagen: Mit einer
Ihrer Aussagen liegen sie schlichtweg falsch. Gentech-
nisch verändertes Lezithin wird auch in Zukunft nicht
angezeigt werden müssen. Ich erinnere an die Verord-
nung 1829/2003. In Absatz 16 steht ausdrücklich:
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Diese Verordnung sollte Lebensmittel und Futter-
mittel abdecken, die „aus“ einem GVO, jedoch
nicht solche, die „mit“ einem GVO hergestellt sind.
ei Lezithin handelt es sich um ein Lebensmittel, das
it einem GVO hergestellt worden ist. Es muss also
icht gekennzeichnet werden.
Frau Ministerin, Ihre Falschaussagen auch hier im
arlament nehmen überhand.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
eim goldenen Reis haben Sie hier wider besseres Wis-
en Falschaussagen getroffen. Heute haben Sie es wieder
etan. Bereiten Sie sich auf Ihre Regierungstätigkeit
itte ein bisschen besser vor!
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zu-
rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Kollege Weisheit, ich würde mir wünschen, dass Sie
ie Kontrolle der Regierungsarbeit auch im Bereich der
entechnik ein bisschen ernster nehmen. Zu Recht ha-
en auch Sie darauf hingewiesen, Bundeskanzler
chröder habe im Januar die Innovation hervorgehoben
nd herausgestellt. Das war eine notwendige und sinn-
olle Initiative des Bundeskanzlers, um mehr Arbeits-
lätze zu schaffen und unseren Kindern eine bessere Zu-
unft zu ermöglichen. Schon im Februar ist das aber
ieder vergessen.
Das uns heute aus dem Hause Künast vorgelegte
leinkarierte Gesetz macht deutlich, dass die Innova-
onsinitiative des Bundeskanzlers eine Luftblase war.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
m Regierungsalltag setzen sich grüne Pepitapolitiker
urch, die in Lebensmitteln aus genetisch veränderten
flanzen den Untergang des Abendlandes wittern, ob-
ohl diese Lebensmittel seit langem in aller Munde
ind.
Kollege Weisheit, ich glaube nicht, dass dies eine
trategie der bösen Großkonzerne gewesen ist.
(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wo leben Sie denn?)
s sind schlicht und ergreifend sinnvolle praktische An-
endungen. Denken Sie daran, dass Chymosin norma-
rweise aus Kälbern gewonnen wird! Denken Sie an das
erfahren! Es ist nicht gerade appetitfördernd. Genetisch
ergestelltes Chymosin ist allemal die bessere Alterna-
ve. Dies wird gegessen und hat noch niemandem ge-
chadet. Der Käse schmeckt uns allen.
(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ernähren Sie sich doch künstlich und
gehen Sie an den Tropf!)
Hören Sie in den hinteren Reihen doch auf zu pöbeln.
as brauche ich nicht.
Sie, Frau Ministerin Künast, stehen wie ein begosse-
er Pudel da, seit Sie – darin unterstütze ich Sie
usdrücklich – erklärt haben
8220 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Dr. Christel Happach-Kasan
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
– hören Sie doch bitte zu, was Ihre Ministerin gesagt
hat! –, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von
Lebensmitteln aus genetisch veränderten Pflanzen
Gesundheitsgefährdungen ausgehen. Recht hat sie; das
muss man einmal sagen dürfen.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das sagt sie
aber selten!)
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Sie in dieser
Frage richtig beraten. Daher ist jetzt die Richtlinienkom-
petenz des Bundeskanzlers gefragt; denn Sie, Frau Mi-
nisterin, sind von den Gegnern der Gentechnik einge-
bunden und gefesselt und daher nicht in der Lage, die
richtigen Konsequenzen aus der eigenen Erkenntnis zu
ziehen.
Ein Ergebnis Ihrer Unfähigkeit, die eigenen Erkennt-
nisse umzusetzen, ist der Entwurf des Gentechnik-
Durchführungsgesetzes, das wir beraten. Drei bzw. fünf
Jahre Haft sowie Geldbußen bis zu 50 000 Euro werden
in den Strafvorschriften des Gesetzentwurfs gefordert.
Das ist völlig überzogen. Damit werden bei Verfehlun-
gen gegen das Gentechnik-Durchführungsgesetz deut-
lich härtere Strafen als im Lebensmittel- und Bedarfs-
gegenständegesetz gefordert, obwohl das Schutzgut
dasselbe ist und die möglichen Gefährdungen sogar eher
geringer sind.
Die Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften
sind in der Sache nicht gerechtfertigt. Sie müssen mit de-
nen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes
harmonisiert werden. Herr Kollege Weisheit, auch Sie
haben dies gefordert. Ich bedanke mich, dass wir hier ei-
ner Meinung sein können. Diese Harmonisierung darf
aber nicht auf zu hohem Niveau erfolgen, sondern es
muss zu einer praktikablen Lösung kommen. Meines Er-
achtens kann man beispielsweise fehlende Kennzeich-
nung nicht mit der Gefährdung von Leib und Leben
gleichsetzen. Das ist einfach falsch.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
In dem Gesetz müssen jegliche Wertungswidersprü-
che vermieden werden; denn die Klärung darf in der Pra-
xis nicht der Rechtsprechung überlassen werden. Dieser
Gesetzentwurf ist unsauber ausgearbeitet. Es sollen für
die Durchführung von drei EU-Verordnungen die zu-
ständigen Behörden bestimmt und Strafvorschriften fest-
gelegt werden. Es geht um die Rückverfolgbarkeit und
Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen, die
Umsetzung des Cartagena-Protokolls und die Umset-
zung der Verordnung über genetisch veränderte Lebens-
und Futtermittel. Es müssen zügig die gesetzlichen Vo-
raussetzungen für die Umsetzung dieser drei Verordnun-
gen geschaffen werden; denn die Verordnungen müssen
direkt umgesetzt werden. Aber dieser Aufgabe wird der
Gesetzentwurf nicht gerecht.
Die Regierung missbraucht das Gesetz, um den Um-
gang mit genetisch veränderten Organismen und daraus
hergestellten Lebens- und Futtermitteln durch die Hin-
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ertür der Umsetzung von EU-Vorschriften an den Pran-
er zu stellen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vor-
iegt. Der Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht
earbeitet, so wie die Regierungsarbeit dieser rot-grünen
oalition handwerklich schlecht ist,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
eil er die notwendige Harmonisierung mit den Straf-
orschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-
esetzes unterlässt und neue Rechtsbegriffe einführt.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie wollen die Verbraucher weiter täu-
schen!)
Man muss keine neuartigen Rechtsbegriffe einführen
nd keine Wertungswidersprüche in ein Gesetz aufneh-
en, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu
chützen. Das ist schlicht Humbug. Man kann ein sol-
hes Gesetz fachlich und ordentlich sauber erarbeiten.
Die Verordnung 1829/2003 beschreibt als Ziel die
rundlage für ein hohes Schutzniveau für Leben und
esundheit des Menschen sowie Gesundheit und Wohl-
rgehen der Tiere. Dieses Ziel gehört eindeutig nicht zu
en Kernaufgaben des Bundesamtes für Naturschutz.
ie rot-grüne Vorliebe für die Beteiligung des Bundes-
aturschutzamtes bei der Umsetzung von Gentechnik-
esetzen ist schon auffällig. Sie hat nichts mit Ihrem
nteresse am Naturschutz zu tun, sondern gilt der perso-
ellen Ausgestaltung des Amtes als Hort des grünen
undamentalismus.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
as mag gut für grüne Karriereaussichten sein, aber es
st schlecht für den Naturschutz.
(Beifall bei der FDP)
Wir alle haben verfolgt, wie schlecht die FFH-Richt-
inie in Deutschland umgesetzt worden ist und wie viele
ehler das Bundesnaturschutzamt, grüne Minister und
erwaltungen dabei gemacht haben. Es ist eine Katastro-
he, in welcher Weise Naturschutz von Ihnen zugrunde
erichtet wird. Das wird der Sache überhaupt nicht ge-
echt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Ulrike Höfken [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist 15 Jahre her!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Kollegin, denken Sie daran, dass Ihre Redezeit
bgelaufen ist.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Das ist ausgesprochen schade.
(Peter Dreßen [SPD]: Das ist unanständig!)
Das ist nicht unanständig. – Es ist eine Tatsache, dass
s keine genfreien Tomaten gibt und es sie niemals gege-
en hat. Ebenso gibt es keine gentechnikfreien Haus-
alte. Freiheit von Genen gibt es nicht. Der Verzicht auf
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8221
(A) )
(B) )
Dr. Christel Happach-Kasan
Gentechnik stellt – anders als Sie es uns weismachen
wollen – keinen Wert dar.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Kollegin, das könnte doch Ihr Schlusssatz gewe-
sen sein.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Ich bin beim letzten Satz. – Daher ist es an der Zeit,
notwendige Regelungen mit geringstem bürokratischen
Aufwand zu organisieren und sich vom Antigentechnik-
popanz zu verabschieden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Jetzt ha-
ben Sie uns aber den Appetit verdorben! – Ge-
genruf des Abg. Ernst Burgbacher [FDP]: Das
war der Sinn der Sache!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Herta Däubler-
Gmelin.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich sage: Ich finde
es gut, dass wir in der ersten Lesung zu dem EG-Gen-
technik-Durchführungsgesetz, das helfen soll, mehrere
EU-Verordnungen in deutsches Recht umzusetzen, auch
über Grundsatzprobleme reden. Aber mich macht der
Stil der Auseinandersetzung gelegentlich etwas ver-
drießlich.
Ich fand die Rede von Herrn Kollegen Heiderich aus-
gesprochen witzig und amüsant.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Danke
schön! Ich bin auch sachkundig!)
Wir alle wissen: Er ist für die Gentechnik und er be-
zeichnet sie als Schlüsseltechnik. Man muss diese Posi-
tion aber nicht damit verbinden, dass man eine Ministe-
rin oder alle Leute, die die Probleme nicht so sehen wie
Sie, verehrte Kollegin Happach-Kasan, persönlich an-
greift, sie für dumme Jungs
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Mädchen!)
hält oder sie abwertet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Christel Happach-Kasan
[FDP]: Das habe ich nicht gemacht!)
Wenn wir grundsätzlich über Gentechnik reden, dann
kann man die Probleme, die vorhanden sind, nicht ein-
fach wegdefinieren, es sei denn, man wollte sich wirk-
lich dem Vorwurf aussetzen, man sei begrenzt oder nur
ein Lobbyist der Agrochemie. Sie brauchen sich doch
nur einmal draußen umzuhören. Es sind die Verbrau-
cher, die erhebliche Vorbehalte haben. Nun können Sie
sagen: Das interessiert mich nicht und ich mag das
nicht. – Aber selbstverständlich haben diese Leute
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benso ein Recht, von uns ernst genommen zu werden,
ie diejenigen, für die Sie sich einsetzen.
(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Ja!)
Der zweite Punkt ist: Überlegen Sie einmal, warum
igentlich Landwirte immer skeptischer gegenüber dem
insatz gentechnisch veränderter Pflanzen werden.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Gegen die
Regelung!)
err Heiderich, Sie sollten einmal den Bauern vor Ort
agen, was Sie hier vorgetragen haben.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Da bin ich
immer! Ich bin selber einer!)
ie sollten sagen, dass das die Auffassung der CDU ist.
ann hätten die auch ein Aha-Erlebnis. Die Argumente,
ie diese Menschen bringen, liebe Frau Happach-Kasan
nd werter Herr Heiderich, sind genauso viel wert
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Aber ja
doch!)
ie die Argumente von den Leuten, die jetzt mit ihren
rodukten, die sie für eine Schlüsseltechnologie halten,
den Landwirtschaftssektor drücken wollen.
Die Landwirte sagen deutlich: Langzeituntersuchun-
en wie zuletzt die der Universität von Iowa – Sie wer-
en hoffentlich mitfahren, wenn der Ausschuss nach
merika fährt, um sich ein Bild zu machen – zeigen,
ass sich die Heilsversprechen, nämlich dass man weni-
er Pflanzenschutzmittel brauche, wenn man bestimmte
entechnisch veränderte Pflanzen anbaue, bei einem An-
au über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht auf-
echterhalten lassen. Die Landwirte fragen dann, wozu
ie das alles machen sollen, wenn das noch mehr Geld
ostet.
(Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU] meldet
sich zu einer Zwischenfrage)
Gleich, Herr Heiderich. Ich bringe noch einige Punkte.
ann können Sie noch mehr fragen.
Wir werden natürlich auch über andere Bedenken re-
en müssen. Viele Biobauern fragen: Wie kriegen wir
enn unsere guten, biologisch erzeugten Produkte an die
erbraucher, wenn irgendjemand diese Produkte auf-
rund von Heilsversprechen verunreinigt und dafür Ihrer
einung nach noch nicht einmal haften
(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Nein!)
zw. für die Verunreinigung geradestehen soll?
Das ist übrigens völlig unabhängig davon, ob wirklich
auerhafte Schäden an der Gesundheit oder an der
mwelt festzustellen sind. Das kann im Übrigen heute
iemand mit großer Sicherheit sagen. Man kann es ver-
uten. Es gibt bestimmte Anhaltspunkte dafür, es gibt
ber auch Argumente dagegen. Wir sind nicht dazu da,
ls Lobbyisten für die eine oder andere Seite einzutreten,
ondern dafür, die Argumente anzuhören und dann poli-
sch zu entscheiden.
8222 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Dr. Herta Däubler-Gmelin
(Beifall des Abg. Matthias Weisheit [SPD] und
des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN])
Ich glaube, dass wir mit den Regelungen des EG-
Gentechnik-Durchführungsgesetzes auf dem richtigen
Weg sind. Deswegen ist es gut, dass man es jetzt einge-
bracht hat. Wir können doch nicht darüber hinwegsehen,
dass die EU die Grundfrage der Zulassung unter klaren
Kontrollen und Vorbehalten geregelt hat. Das gilt übri-
gens für alle Seiten. Dass dann aber nicht nur die Vorbe-
halte und die Kontrollen, die Sicherungsmechanismen
und die Prinzipien der Wahrhaftigkeit, Transparenz,
Kennzeichnung und Koexistenz durchgesetzt werden
müssen, sondern auch die Möglichkeit der Rückholbar-
keit dieser Technologie gewährleistet werden muss,
wenn wir ehrlich bleiben wollen, daran besteht doch gar
kein Zweifel. Aber wenn man Verfahren und Kontrolle
als rot-grüne Katastrophe – oder wie lauteten Ihre
freundlichen Worte? – bezeichnet, liebe Frau Happach-
Kasan, dann liegt doch der Widerspruch bei Ihnen und
nicht in einer vernünftigen Regelung.
Es geht um eine klare Kennzeichnung und Kontrolle.
Ob noch Verbesserungen an dem Gesetz möglich sind,
wird sich zeigen. Das werden wir genau prüfen.
Bei Ihren Ausführungen aber, Herr Heiderich, habe
ich mir einen Moment vorgestellt, alles, was Sie ange-
sprochen haben, müsste in das Gesetz aufgenommen
werden. Ich bin mir sicher: Nicht nur ich würde schrei-
end vor einem solchen unlesbaren Horrorgesetz davon-
laufen, sondern auch Sie würden das tun.
Wenn es Ihnen nur um eine Regelung des Verfahrens
geht, was nicht im Gesetz erfolgen muss – davon gehe
ich aus, weil ich Sie kenne –, dann macht es doch keinen
Sinn, alle Ihre Anwürfe der Ministerin an den Kopf zu
werfen.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Doch! Sie
muss doch die Verfahrensregelungen schaf-
fen!)
Ich komme zu einen weiteren Punkt. Ich fand das von
Ihnen angeführte Beispiel eines Importeurs von Soja-
bohnen aus Brasilien merkwürdig. Wären Sie statt von
Sojabohnen von Automobilen und den entsprechenden
Sicherheitsvorschriften ausgegangen, dann wäre Ihnen
– ich sehe, Sie lächeln schon – Ihr Gedankengang ko-
misch vorgekommen. Denn Sie wissen genau, dass da
bestimmte Standards eingehalten werden müssen. Wenn
dies nicht der Fall ist, haftet selbstverständlich auch der
Importeur, wenn er Produkte einführt, die den geltenden
Standards nicht entsprechen.
Warum das bei der Einfuhr von Pflanzen oder Futter-
mitteln anders sein soll, erschließt sich, glaube ich, nicht
nur mir nicht, sondern in Wirklichkeit auch Ihnen nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Hierbei zeigt sich, dass es wahrscheinlich klüger gewe-
sen wäre, wenn Sie einfach gesagt hätten: Ich bin für
genveränderte Pflanzen, mir passt der ganze Kurs nicht.
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(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ich habe im-
mer noch eine Wortmeldung!)
Ich mache es so wie Sie und lasse die Zwischenfrage
m Ende meiner Redezeit zu; dann kann ich sie verlän-
ern. Das war ein guter Tipp.
Aber neutral zu tun und dann zu erklären, das Gesetz
ei richtig, das ist nicht akzeptabel.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Notwendig ist
uf jeden Fall, dass die Rückverfolgbarkeit und die
ückholbarkeit sichergestellt werden, weil wir, wenn
ir ehrlich sind, alle nicht wissen, was im Einzelnen auf
ns zukommt. Wenn ich mich mit Landwirten in Bayern
nd Baden-Württemberg unterhalte, die – lassen Sie
ich das hinzufügen; Gott sei es geklagt – immer noch
berwiegend die CDU wählen und ihnen Ihre heutigen
usführungen schildere, lieber Herr Heiderich, dann
ird das für die Landwirte ein starkes Aha-Erlebnis sein.
ie können Gift darauf nehmen, dass ich das tue.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Kollegin, es gibt zwei Wortmeldungen zu Zwi-
chenfragen, nämlich der Kollegin Happach-Kasan und
es Kollegen Heiderich.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Ich habe noch 50 Sekunden Redezeit. Ich habe das
enau berechnet, weil ich schließlich meine Redezeit
erlängern will. Das ist doch klar.
Wenn heute nicht die Mehrheit des Bundesrates den
aushalt 2004 sinnloserweise – weil wir das natürlich
urückweisen werden – abgelehnt hätte, dann hätte ich
chon heute Nachmittag in Ulm/Ermingen angefangen.
ch mache Ihnen aber einen Vorschlag, Herr Heiderich.
ir – CDU-Leute, die so denken wie Sie, und SPD-
eute, die eine differenzierte und klare verbraucher- und
andwirtsfreundliche Regelung anstreben – gehen ge-
einsam zu den Landwirten. Dann erleben wir hoffent-
ich, dass die Argumente korrigiert werden; vielleicht
önnen wir sogar voneinander lernen.
Jetzt haben Sie die Möglichkeit zu Zwischenfragen.
ch habe noch 6 Sekunden Redezeit.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Die will ich
Ihnen nicht mehr nehmen!)
itte schön, Frau Happach-Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Man sollte die Chance für einen Dialog nutzen. Ich
edanke mich für die Möglichkeit einer Zwischenfrage.
Frau Kollegin Däubler-Gmelin, haben Sie zufällig zur
enntnis genommen, dass der Bundesrat eine sehr um-
angreiche Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abge-
eben und darin sehr deutlich verschiedene Kritikpunkte
um Ausdruck gebracht hat? Ist Ihnen bewusst – ich
enke, das ist der Fall –, dass ein solches Gesetz von den
ändern umzusetzen ist und dass der Bundesrat deswe-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8223
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Dr. Christel Happach-Kasan
gen ein sehr großes Interesse daran hat, dass die darin
enthaltenen Regelungen vollziehbar und umsetzbar
sind? Vor diesem Hintergrund sind die Vorstellungen zu
sehen, dass beispielsweise die Straf- und Bußgeldvor-
schriften harmonisiert und Wertungsunterschiede aufge-
hoben werden sollen, dass die Regelung nicht der Praxis
des Strafvollzugs anheim gestellt werden darf und dass
auch Bundesbehörden beteiligt werden sollen, die über
entsprechende Erfahrungen verfügen, wie es beispiels-
weise beim Umweltbundesamt der Fall ist, nicht aber
beim Bundesamt für Naturschutz. Wie stehen Sie dazu?
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Liebe Frau Happach-Kasan, wie Sie wissen, geben
wir uns im Ausschuss große Mühe – übrigens seit 1998
ganz besonders –, in die Gesetzgebungsverfahren auch
die Länder einzubeziehen. Das wird auch bei dem vor-
liegenden Gesetzentwurf der Fall sein.
Das Einzige, was ich an Ihrer Fragestellung korrigie-
ren würde, wenn Sie es gestatten, ist das Wort „zufällig“.
Denn
(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Gestat-
tet!)
selbstverständlich habe ich die entsprechenden Äußerun-
gen gelesen. Ich gehe davon aus, dass Sie gehört haben,
was der Kollege Weisheit gesagt hat, und dass wir über
das eine oder andere noch nachdenken werden.
Ich möchte Sie auffordern, bei den Beratungen über
den vorliegenden Gesetzentwurf das zu tun, was wir
– erfreulicherweise – immer machen, nämlich die Argu-
mente der Andersdenkenden, insbesondere derjenigen,
die berechtigte Sorgen haben, sehr ernst zu nehmen und
nicht so zu tun, als ob die anderen nur deswegen dumme
Jungen oder rückwärts gewandte Ideologen wären, weil
sie der Meinung sind, dass die Agrochemie, wenn sie et-
was haben möchte, nicht nur nachweisen solle, dass es
nützlich ist, sondern auch, dass es nicht gesundheits-
schädlich und nicht umweltschädlich ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Ich danke auch und schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 15/2397 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut
Koschyk, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenrege-
lungen im Strafrecht und zur Wiedereinfüh-
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rung einer Kronzeugenregelung bei terroristi-
schen Straftaten (KrzErgG)
– Drucksache 15/2333 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
ehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster
er Abgeordnete Dr. Norbert Röttgen.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
estern haben wir in diesem Haus über die jahrelange
ntätigkeit der Koalition bei der Regelung der Siche-
ungsverwahrung von gefährlichen Wiederholungstä-
ern gesprochen. Jahrelang ist nichts geschehen, bis das
undesverfassungsgericht jetzt interveniert und die
eißleine gezogen hat. Heute reden wir über die jahre-
ange Untätigkeit der Koalition hinsichtlich des Einsat-
es der Kronzeugenregelung im Kampf gegen den inter-
ationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität.
b Sicherungsverwahrung, Kronzeugenregelung, gene-
ischer Fingerabdruck, Graffitibekämpfung oder Tele-
onüberwachung, das Muster Ihrer Rechtspolitik und
nsbesondere Ihrer Politik auf dem Gebiet der inneren
icherheit ist immer gleich: Obwohl es ein Gebot zum
andeln gibt und die Mehrheit in diesem Hause handeln
öchte, handeln Sie nicht.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Was? – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Aktionist!)
Sie sind eine Schnecke in der Politik;
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Das ist in der Rechtspolitik besser als ein Aktio-
nist! – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wir sind
hier nicht im Zoo!)
enn Sie kommen nicht zu Ergebnissen. Kein Wunder
lso, dass Ihnen unsere Initiativen schon als Aktionis-
us vorkommen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist aber anders. Die Justizministerin übt sich in ih-
en Lieblingsdisziplinen: prüfen, abwarten und ankündi-
en. Der Bundesinnenminister ist inzwischen nur noch
it sich selber und dem Bundeskriminalamt beschäftigt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
s ist immer das Gleiche: Die innere Sicherheit ist bei
ot-Grün in schlechten Händen. Das ist der Tatbestand.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie
sich mal im Land um!)
8224 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Dr. Norbert Röttgen
– Rhetorisch sind Sie ja immer auf der Höhe; das be-
streitet niemand. Aber Sie handeln nicht. Das Verwerfli-
che ist, dass die Bürger die Suppe, die ihnen die Koali-
tion durch ihre politische Uneinigkeit und ihr Klein-
Klein eingebrockt hat, auslöffeln müssen. Sie tun zu we-
nig für die innere Sicherheit. Das ist der Tatbestand.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Lachhaft!)
Wir stehen gerade im Bereich der inneren Sicherheit
vor großen Herausforderungen und vor schwierigen
rechtsstaatlichen Abwägungsprozessen. Das ist schon in
der gestrigen Debatte über die Sicherungsverwahrung
deutlich geworden.
(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Die Debatte
gestern lief anders!)
Auch die Kronzeugenregelung ist ein schwieriger Fall.
Deshalb muss man eine klare Maxime haben, die deut-
lich macht, wie man bei der inneren Sicherheit vorgehen
will. Unsere Maxime ist, dass das rechtsstaatlich Mögli-
che und Vertretbare zugleich das rechtsstaatlich Gebo-
tene ist.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Welch eine absurde Idee!)
Der Rechtsstaat hat zwei Aufgaben: Er hat natürlich die
Aufgabe, Grundrechtseingriffen eine Grundlage und
eine Begrenzung zu geben. Aber der Rechtsstaat hat
auch die Aufgabe, die Bürger zu schützen und Rechtsgü-
terschutz zu betreiben. Diese Aufgabe blenden Sie völlig
aus. Das, was möglich ist, muss getan werden.
(Hans-Peter Kemper [SPD]: Das machen wir
schon lange!)
– Sie machen nichts! Sie reden, aber Sie machen nichts.
Das ist der unbestreitbare Sachverhalt.
(Zurufe von der SPD)
– Ihre Unruhe bestätigt diesen Befund. Wenn Sie etwas
vorzuweisen hätten, bräuchten Sie es einfach nur zu sa-
gen. Außer Grummeln kommt von Ihnen leider nichts.
Es sind – das ist keine Frage – schwierige Fragen zu
entscheiden. Bei der Kronzeugenregelung zahlt der
Rechtsstaat seinen Preis. Niemand ignoriert die Schwie-
rigkeiten. Kein Mensch sagt, dass das alles rechtsstaat-
lich im leichtfüßigen Galopp zu machen ist.
(Hans-Joachim Hacker [SPD]: So, so!)
Aber man darf sich der Aufgabe und der Herausforde-
rung nicht entziehen, nur weil es schwierig ist. Sie schei-
tern an der Herausforderung. Wir tun das nicht.
Die Frage ist: Warum sind wir bereit, für eine Kron-
zeugenregelung den rechtsstaatlichen Preis zu zahlen,
der darin besteht, dass ein Straftäter, mindestens ein Be-
schuldigter, der Strafe, die er verdient hat, nicht zuge-
führt wird? Warum sind wir bereit, diesen Preis zu zah-
len? – Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen, weil der
Terrorismus die größte Friedensbedrohung unserer Zeit
ist und weil der Terrorismus mit Gefahren verbunden ist,
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ie katastrophale Dimensionen annehmen können. Das
ind die Qualität und die Dimension der Bedrohung, vor
er wir stehen. Darum können wir nicht einfach kapitu-
ieren. Darum können wir uns das Klein-Klein der Koa-
ition nicht leisten. Es sind enorme Gefahren. Die größte
edrohung, die der Frieden in der Welt zu fürchten hat,
eht vom internationalen, insbesondere islamistischen
errorismus aus.
Dieser Terrorismus arbeitet organisiert. Er arbeitet ab-
eschottet, sprachlich, organisatorisch und ethnisch ab-
eschottet. Den Strafverfolgungsbehörden gelingt es nur
ehr schwer, in diese abgeschotteten Strukturen einzu-
ringen. Es ist ein Panzer aus Sprache, aus Sitte und aus
thnie, der für die Strafverfolgungsbehörden nur schwer
u durchlöchern ist, um Straftaten zu verhindern.
Was wir vortragen, ist nicht nur eine politische Forde-
ung, sondern es ist fast schon der Hilferuf aus der Pra-
is.
(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])
ch lese Ihnen jetzt einmal einen dieser Hilferufe vor.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Einen! – Zurufe von der SPD: Einen! –
Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Lesen Sie mal, was der Richter-
bund geschrieben hat!)
r ist immerhin vom Vorsitzenden Richter am Oberlan-
esgericht Düsseldorf.
(Joachim Stünker [SPD]: Machen Sie sich nicht
lächerlich! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Zu dem kommen wir noch! Den
kennen wir schon!)
Vielleicht hören Sie einfach einmal zu! Ich schlage
or, dass wir denjenigen, die damit in der Strafrechtspra-
is betraut sind, einmal zuhören. Die Fähigkeit zum Zu-
ören ist auch eine demokratische Fähigkeit. Ich bitte
ie, dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
üsseldorf, der dem al-Tawhid-Verfahren vorgesessen
at, zuzuhören.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Den Richterbund sollten Sie mal
zitieren!)
Er sagt – ich zitiere aus dem Urteil; er hat es in sein
rteil hineingeschreiben –:
Eine Kronzeugenregelung ist zur Bekämpfung des
organisierten Terrorismus unverzichtbar. ... Unser
Fall hier zeigt geradezu exemplarisch mehrere ...
Aspekte auf:
Auch in den islamistischen Terrorgruppen finden
sich Mitglieder, die unter bestimmten Gegebenhei-
ten zum Ausstieg bereit sind, wie es sich im Falle
des Angeklagten gezeigt hat. Es ist zu kurz gegrif-
fen, bei den Mitgliedern solcher Vereinigungen aus-
nahmslos von unbeugsam ideologisch verhafteten
Islamisten auszugehen, die einer Ansprache mit
möglichen Strafvergünstigungen nicht zugänglich
sind.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8225
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Stünker?
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
Ich würde gerne das Zitat beenden. Dann lasse ich die
Zwischenfrage zu.
Ich zitiere weiter:
Die fehlende Möglichkeit der gesetzlich abgesi-
cherten Zusage einer Vergünstigung erschwert, ja
behindert die Aufklärung begangener und die Ver-
hinderung weiterer terroristischer Straftaten. …
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Er hatte doch die Möglichkeiten!
Die stehen doch im Gesetz!)
Deshalb geht der dringende Appell an den Gesetz-
geber, sich aufgrund der Erfahrungen mit dem vor-
liegenden Strafverfahren erneut der (Wieder-)Ein-
führung einer Kronzeugenregelung anzunehmen.
Hören Sie die Appelle! Hören Sie den Notruf der Pra-
xis! Verweigern Sie sich nicht – das ist unser Appell –,
weil Sie in der Regierung keine Einigkeit haben, meine
Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian
Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was
hat denn der Richterbund geschrieben?)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Jetzt ist die Redezeit schon zu Ende. Ich möchte nur
auf Folgendes hinweisen: Wir sollten es nicht zur Dauer-
regel machen, auf diese Weise zu längeren Debatten zu
kommen. Das ist, glaube ich, im Interesse von uns allen.
(Jörg van Essen [FDP]: Sehr guter Hinweis,
Frau Präsidentin!)
Ich lasse es jetzt noch einmal zu, aber dann nicht mehr.
Bitte.
Joachim Stünker (SPD):
Herr Kollege Röttgen, Sie haben den Notruf der Pra-
xis vorgetragen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass
sowohl der Deutsche Richterbund als auch der Deutsche
Anwaltverein hierzu eine genau gegenteilige Stellung-
nahme abgegeben haben?
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
Mir ist bekannt, dass der Vorsitzende des Deutschen
Richterbundes eine andere Stellungnahme abgegeben
hat
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Aha! Eine Stimme der Praxis! – Hans-
Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Aha!)
und der DAV ebenso. Aber der DAV ist nicht die Vertre-
tung der Richterschaft. Ich habe einen richterlichen
Praktiker zitiert, der in seiner konkreten richterlichen
Tätigkeit mit Terroristenprozessen befasst ist.
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(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Und die anderen Richter?)
iesen Praktiker hören wir und wir nehmen das sehr
rnst, was er aus seiner praktischen Erfahrung sagt, was
r Hilfe suchend an die Politik gewandt sagt.
Dass es bei dieser Frage in den Verbänden eine ein-
eitliche Meinung gibt, ist nicht zu erwarten.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Doch, eine gegenteilige!)
ch nehme einen Praktiker, der betroffen ist und aus sei-
en Erfahrungen berichtet, sehr ernst. Wir halten die
uffassung, die er vertritt, für zutreffend.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Eine sehr dialektische Antwort!)
arum haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir
aben ihn rechtsstaatlich eingebettet. Deshalb bestehen
eine Bedenken, ihm zu folgen. Wir fordern Sie auf,
icht nur von den Gefahren zu reden, sondern auch zu
andeln, und zwar effektiv.
Danke sehr.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
lfred Hartenbach.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin der Justiz:
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrtes Präsidium!
iebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die innere Sicher-
eit ist bei Rot-Grün in guten Händen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
eit wir in der Regierungsverantwortung sind, geht näm-
ich laut Kriminalstatistik die Anzahl schwerer Straftaten
urück und die Aufklärungsquote steigt.
Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von
er Unionsfraktion, präsentieren heute aber wieder ein-
al einen Gesetzentwurf, den wir zum größten Teil
chon aus der vergangenen Wahlperiode kennen. Er hat
ereits damals keinen Erfolg gehabt und – so viel vor-
eg – ich kann mir kaum vorstellen, dass das diesmal
nders ausgeht.
Lassen Sie mich zunächst auf die absolute Neuigkeit
hres Entwurfs eingehen, also auf Art. 1, der praktisch
um Wiederaufleben der alten Kronzeugenregelung bei
rroristischen Straftaten führen würde. Die alte Regelung
t Ende 1999 nicht verlängert worden. Die Gründe dafür
ind so oft und so intensiv erörtert worden, dass ich sie
ier nicht wiederholen muss. Für einen Rechtsstaat ist es
un einmal kein einfaches und selbstverständliches Anlie-
en, einen Straftäter – das ist der Kronzeuge – mit einer
eringeren als der eigentlich verwirkten Strafe davon-
ommen zu lassen.
8226 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
Ich bin mir außerdem sicher, dass Sie die Mehrheit
dieses Hauses nicht zu einer Änderung der Entscheidung
von 1999 bringen werden, wenn Sie in der Entwurfsbe-
gründung allein und pauschal – das haben Sie auch eben
getan – auf die Erfahrungen in Verfahren gegen
islamistische Terroristen hinweisen. Gerade da bietet
sich nämlich in Wahrheit ein ausgesprochen zwiespälti-
ges Bild: In einem Verfahren hat der von Ihnen zitierte
Vorsitzende Richter – er hat im Moment große Proble-
me – für eine Kronzeugenregelung plädiert, weil das
Aussageverhalten eines Beschuldigten in diesem einen
konkreten Verfahren das nahe legte. Er hat ihn auch ohne
diese Regelung verurteilt.
Bei anderen Beschuldigten aus diesem Umfeld sind
sich die Experten aber weitgehend sicher, dass sie für
mögliche Anreize einer Kronzeugenregelung kaum emp-
fänglich wären. Das ist insbesondere angesichts des
ideologischen, religiös-fanatischen Hintergrunds der Be-
schuldigten auch nicht anders zu erwarten. Ein solcher
Hintergrund dürfte bei der Mehrheit der infrage kom-
menden Personen bestehen.
Immerhin wollen wir gerne mit Ihnen zusammen da-
rüber nachdenken, welche Möglichkeiten zum Schutz
der Bevölkerung vor schwersten Straftaten sinnvoll er-
scheinen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU] Ja, Sie den-
ken schon lange nach!)
– Herr Röttgen, hören Sie einem erfahrenen Praktiker
einmal zu! Sie haben eben ja auch einen zitiert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/
CSU]: Eigenlob stinkt!)
Allerdings brauchen wir noch etwas mehr und substan-
zielleren Hintergrund, als Sie ihn liefern.
Wenn wir schon über ernsthafte Erörterungen spre-
chen, dann sollten Sie übrigens besser damit aufhören,
die Kronzeugenregelung als Forderung „nahezu der ge-
samten Praxis“ zu bezeichnen.
(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])
Es wäre schön, wenn Sie als Beleg dafür eine Studie des
Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen
nicht nur zitieren, sondern diese Studie irgendwann auch
einmal lesen würden. Der Rücklauf der bundesweiten
Erhebung bestand im Wesentlichen aus 466 Fragebögen.
231 davon stammten aus dem Justizbereich – 231 Frage-
bögen bei etwa 15 000 Richtern der ordentlichen Ge-
richtsbarkeit und etwa 6 000 Staats- und Amtsanwälten!
Dieses Zahlenverhältnis entwertet nicht diese Studie,
der sich auf jeden Fall wertvolle Aspekte für eine sachli-
che Diskussion entnehmen lassen. Ihre Behauptung, die
Einführung einer Kronzeugenregelung entspreche einer
Forderung „nahezu der gesamten Praxis“, kommentiert
sich danach allerdings praktisch von selbst.
Von mir dazu nur noch der Hinweis – Herr Stünker
hat ihn schon gegeben –, dass sich der Deutsche Richter-
bund ausdrücklich gegen eine Kronzeugenregelung aus-
gesprochen hat.
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Noch schwerer fällt es, mit Ihnen einen Erfolg ver-
prechenden Dialog zu führen, wenn man die Art. 2 bis 9
hres Gesetzentwurfs ansieht.
(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!
Fürwahr, fürwahr!)
ir haben in der Vergangenheit einen Dialog angeboten
nd wir haben erklärt, was uns an diesem Entwurf rein
achlich fehlerhaft zu sein scheint. Wir können leider
icht feststellen, dass das in irgendeiner Form Nieder-
chlag gefunden hätte.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ha-
ben Sie einen besseren Entwurf vorgelegt?)
Hier nur einige Stichworte: Unverändert streut der
ntwurf 20 einzelne Kronzeugenregelungen quer durch
tGB und Nebenstrafrecht; das ist in seiner Unübersicht-
ichkeit völlig unpraktikabel. Deshalb wurde der Ent-
urf gerade von den Praktikern in der Anhörung des
echtsausschusses im November 2001 regelrecht verris-
en.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
öttgen?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin der Justiz:
Ich möchte weiterreden; er hat schon genug geredet. –
nverändert fehlt jede nachvollziehbare sachliche Erklä-
ung dafür, weshalb Sie eigentlich bei diesen und jenen
elikten Kronzeugenregelungen vorsehen wollen, bei
nderen jedoch nicht. Was soll einerseits eine Kronzeu-
enregelung im Ausführungsgesetz über das Chemie-
affenübereinkommen, wenn Sie andererseits in Ihrem
ntwurf nicht einmal dem kleinen Schläger am Rande
iner kriminellen Organisation den Anreiz geben, über
eine Bosse auszupacken? Nicht, dass mir der kleine
chläger sonderlich sympathisch wäre; im Gegenteil.
ber hier kommen wir schnell wieder zur Grundsatz-
rage, ob man überhaupt eine Kronzeugenregelung vor-
ehen sollte. Ich versuche im Moment also nur, Ihren
nsatz konsequent zu Ende zu denken, kann aber in Ih-
em Ansatz keine Konsequenz erkennen.
Auch hinsichtlich anderer Delikte ist Ihr Ansatz in-
onsequent. Ich kann leider aufgrund der zu Ende ge-
enden Redezeit nicht weiter darauf eingehen, möchte
ur noch einige Ungereimtheiten bezüglich der prozes-
ualen Regelungen aufzeigen: Wie soll das zum Beispiel
it dem Wiederaufnahmeverfahren gegen den lügenden
ronzeugen vonstatten gehen? Denken Sie doch bitte
inmal darüber nach, was Sie da in einer Strafprozess-
rdnung anrichten, die sich bisher in ihren Grundzügen
ewährt hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das kurze Fazit aus meinen Bemerkungen kann nur
auten: Völlig unabhängig davon, wie man sich bezüg-
ich der Frage Kronzeugenregelung grundsätzlich ent-
cheidet – pro oder kontra –, ist dennoch festzuhalten:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8227
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
So wie Ihr Entwurf das vorsieht, darf man das nicht ma-
chen. Sie, Herr Röttgen, haben mit klingender Rhetorik
nur Nebelkerzen geworfen, weil Ihnen die Sachargu-
mente während Ihrer Oppositionszeit offensichtlich ab-
handen gekommen sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg van Essen.
Jörg van Essen (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben die Frage der Kronzeugenregelung hier im
Bundestag ja bereits häufiger debattiert.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das stimmt!)
Ich habe für die Freien Demokraten deutlich gemacht,
dass wir für eine Kronzeugenregelung sind. Ich betone
dabei aber, wie ich es bisher auch immer unterstrichen
habe, dass wir für eine rechtsstaatliche Kronzeugenrege-
lung sind.
(Beifall bei der FDP – Joachim Stünker [SPD]:
Sehr gut!)
Warum sind wir dafür? Gerade im Bereich der orga-
nisierten Schwerstkriminalität kann man in den Kern
der Organisationen nur eindringen, wenn man demjeni-
gen, der bereit ist, einer solchen kriminellen Organisa-
tion den Rücken zu kehren, die Hand reicht. Eine wich-
tige Möglichkeit, die Hand für die Zusammenarbeit mit
der Justiz zu reichen, bietet eine solche Kronzeugenrege-
lung. Das Ganze ist nicht unproblematisch, weil diese
Straftäter natürlich in aller Regel eine schwere Schuld
auf sich geladen haben. Das macht deutlich, dass eine
solche Kronzeugenregelung nur unter bestimmten Vo-
raussetzungen greifen kann und greifen darf.
Die CDU/CSU hat einen Entwurf vorgelegt, der, wie
ich hoffe, uns Gelegenheit geben wird, die Fragen, die
notwendigerweise diskutiert werden müssen, hier im
Deutschen Bundestag auch zu diskutieren. Dass ein sol-
ches Vorgehen quer durch alle Fraktionen möglich ist,
hat der Umgang mit dem Vorschlag der FDP-Bundes-
tagsfraktion hinsichtlich der heimlichen Aufnahmen ge-
zeigt. Am Anfang wurden zwar auch diese oder jene Be-
denken geäußert, dann aber haben sich alle Fraktionen in
einem, wie ich finde, vorbildlichen Verfahren auf einen
gemeinsamen Gesetzentwurf verständigt. Das muss auch
hier gelingen.
Ich will ein paar Punkte ansprechen, die für uns als
FDP wichtig sind:
Erstens. Wir wollen nicht, dass es einem Pseudo-
kronzeugen gelingt, Strafvorteile zu erreichen. Einer,
der zunächst mit der Justiz zusammenarbeitet, dann aber
beispielsweise im Prozess auf einmal Gedächtnislücken
hat und diese Zusammenarbeit einstellt, darf nicht von
der Kronzeugenregelung profitieren; das ist vollkommen
klar. Sie haben das in Ihrem Entwurf erfreulicherweise
auch so vorgesehen. Ob das immer so geschehen ist,
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ass man die Regelungen problemlos umsetzen könnte,
öchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Der Ver-
reter der Bundesregierung hat dies ja gerade auch schon
ritisiert. Aber ich denke, dass der Ansatz, den Sie dort
aben, richtig ist: Ein Pseudokronzeuge darf keine Straf-
inderung bekommen.
In einem zweiten Punkt stimme ich mit Ihnen nicht
berein. Für uns ist ganz wichtig, dass eine Verurteilung
icht allein auf der Aussage eines Kronzeugen beruhen
arf. Es muss auch weitere Mittel geben, die zur Fest-
tellung der Schuld des Täters führen. Denn gerade die
ronzeugen kommen häufig aus einem zwielichtigen
ilieu und sind in schärfste Straftaten verwickelt. Man
ann nicht ausschließen, dass sie die Dinge so darstellen,
ass sie selbst günstig wegkommen. Deshalb müssen
eitere Beweismittel hinzukommen. Eine entsprechende
egelung finde ich in Ihrem Gesetzentwurf nicht; Sie
chließen das ausdrücklich aus. Ich bedaure das.
Ein weiterer Punkt, über den wir nachdenken müssen, ist,
b es richtig ist, dass Sie sich an die Organisationsdelikte in
129 a und 129 b Strafgesetzbuch anhängen. Ich selbst
in in dem Bereich als Oberstaatsanwalt längere Zeit tä-
ig gewesen und ich weiß, wie schwierig es ist, ein Orga-
isationsdelikt nachzuweisen. Aber schwerste Straftaten,
ie für solche Organisationen typisch sind, können häu-
ig nachgewiesen werden. Deshalb halte ich es für über-
egenswert, ob man statt der Organisationsdelikte nicht
esser einen Katalog der schwersten Verbrechen als An-
nüpfungspunkt nimmt. Darüber sollten wir sprechen.
Ähnlich kritisch wie Staatssekretär Hartenbach bin
ch bei den vielen Einzelregelungen, die Sie im Strafge-
etzbuch, aber auch in den Nebengesetzen vorsehen. Ich
in der Auffassung, dass wir gut beraten sind, wenn wir
as auf einige wenige Fälle beschränken und keine Aus-
eitung vornehmen, beispielsweise auf den Tatbestand
es Betruges, wie Sie es vorsehen. Auch da sehe ich Ge-
prächsbedarf.
Alles, was Sie gerade von mir gehört haben, macht
eutlich, dass die Liberalen eine rechtsstaatliche Kron-
eugenregelung wollen. Ich denke, dass die heutige De-
atte gezeigt hat, dass es genügend Gesprächsstoff für
lle gibt. Ich appelliere noch einmal an uns alle – gerade
eil ich aus der Praxis komme, weil ich die Nöte meiner
ollegen, die in diesem schwierigen Bereich als Staats-
nwälte ermitteln müssen, kenne –, dafür zu sorgen, dass
ir zu einer rechtsstaatlichen Kronzeugenregelung kom-
en. Der Weg dahin müsste eigentlich zu ebnen sein.
ch appelliere insbesondere an die Kollegen von der
PD, weil ich weiß, dass es bei Ihnen viele gibt, die ge-
auso denken wie ich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dirk
Manzewski [SPD])
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Kollege Montag, dem wir vor-
eg zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.
(Beifall)
8228 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ganz herzlichen Dank für diese persönliche Erwäh-
nung, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Lieber Herr Kollege Dr. Röttgen, Ihre These, die Sie
heute hier vorgetragen haben – was rechtsstaatlich mög-
lich sei, das sei im Wege des Handelns auch geboten –, ist,
verzeihen Sie mir bitte, absurd. Rechtsstaatlich möglich
ist sehr vieles. Aber wir werden nur das machen, was
sachlich geboten ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Das, was sachlich geboten ist, entspricht nicht dem, was
Sie hier vorgelegt haben; es ist unsachlich. Wir werden
diesem Weg nicht folgen.
Ich will den – wie ich befürchte, leider Gottes untaug-
lichen – Versuch machen, einen Begriff aus der Debatte
zurückzuholen. Wir leben nicht in einer Monarchie, son-
dern in einer Demokratie. Bei uns ist die Staatsanwalt-
schaft nicht die Vertreterin der Krone, sondern die der
Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist der Begriff des
Kronzeugen, der auf das angelsächsische Recht zurück-
geht und der besagt, dass die Exekutive einen Beschul-
digten unter ihre Fittiche nimmt, die Erkenntnisse aus-
wertet und ihn der Justiz vorenthält – das ist das Wesen
der Kronzeugenregelung –, auf unser Rechtssystem und
auf das, was bei uns möglich ist, überhaupt nicht über-
tragbar.
Ich lehne es auch ab, von Verrätern zu sprechen, de-
ren Verrat man liebt. Aber lasst uns von den Straftätern
reden, die sich im Rahmen des Strafgesetzbuches Milde-
rung verdienen wollen, indem sie ihre Erkenntnisse den
Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen! Die Frage
ist: Braucht man dazu überhaupt neue gesetzliche Rege-
lungen? In der Praxis ist man überwiegend der Meinung:
Nein, das ist mit den geltenden Regeln sehr wohl zu ma-
chen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Woher wis-
sen Sie das denn?)
In diesem Zusammenhang muss man zwei Fragen
stellen. Erste Frage: Welche Aussage wird belohnt: die
wichtige oder die richtige? In § 1 Ihres Gesetzentwurfs
stellen Sie ausschließlich darauf ab, dass die Aussage für
die Ermittlungsbehörden von Bedeutung sein muss.
Aber an keiner Stelle steht, dass die Aussage richtig sein
muss.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist
doch selbstverständlich!)
Völlig absurd sind die Regelungen in den folgenden
Paragraphen. Sie wollen nämlich jemanden, der seine
falsche Aussage zugunsten der Wahrheit zurücknehmen
will, mit einer höheren Strafe bedrohen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Er wird
nicht bedroht! Er wird bestraft!)
Das ist so rechtsstaatswidrig und so absurd, dass ich Ih-
nen nur sagen kann: Ziehen Sie Ihren vorgelegten Ge-
setzentwurf schnellstens zurück!
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(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Nach der Frage der materiellen Richtigkeit der be-
astenden Aussagen stellt sich die zweite Frage: Wer
oll in der Lage sein, einem solchen Menschen eine
echtsverbindliche Zusicherung zu machen?
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Kann es sein,
dass Sie es nicht begriffen haben?)
ie sagen dazu, das könne der Generalbundesanwalt
ein. Wir sagen, dass es nur – wenn überhaupt; dafür gibt
s Instrumentarien – das erkennende Gericht sein kann,
achdem es selbst geprüft hat, ob die Aussage der Wahr-
eit entspricht.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Sie zitieren
falsch!)
as sind die beiden Fragen, um die es geht.
Herr Dr. Röttgen, ich komme jetzt zu der Frage, die
ie angesprochen haben. Sie schreiben in Ihrem Gesetz-
ntwurf auf der ersten Seite:
Wie jüngste Erfahrungen in Prozessen gegen isla-
mistische Terroristen bestätigen, sind Kronzeugen-
regelungen in diesem Bereich unerlässlich.
atsächlich sind Sie in der Lage, aus einem Urteil eines
LG zu zitieren, in dem sich der Vorsitzende Richter in
iner bestimmten Richtung geäußert hat. Schaut man
ich die Sache etwas genauer an, dann stellt man fest,
ass dieser Vorsitzende Richter zu einer Zeit, als Sie die
egierung stellten, im Bundesjustizministerium für die
lte Kronzeugenregelung verantwortlich war.
Dieser ehemalige Mitarbeiter des Bundesjustizminis-
eriums spricht als Vorsitzender Richter in einem Urteil
n einen Obiter Dictum eine rechtspolitische Fragestel-
ung an, die in dieses Urteil überhaupt nicht hineinge-
ört.
(Widerspruch des Abg. Dr. Norbert Röttgen
[CDU/CSU] und des Abg. Thomas Strobl
[Heilbronn] [CDU/CSU])
akt ist nämlich, dass in diesem Verfahren, das Sie ange-
prochen haben, der Angeklagte einer Straftat verdächtig
ar, für die ein Strafrahmen von einem bis zehn Jahren
orgesehen ist. Er hat von diesem Gericht eine Strafe
on vier Jahren bekommen. Das Gericht hätte aber nach
eltenden Regeln diesem Straftäter aufgrund seiner koo-
erativen Mitarbeit leicht eine Strafe von nur einem Jahr
eben können. Hören Sie genau zu: Der Verteidiger die-
es Angeklagten hat das Urteil sofort angenommen und
irekt nach der Urteilsverkündung gesagt, dass er für
einen Mandanten keine Kronzeugenregelung gebraucht
ätte, weil das geltende Recht vollständig ausgereicht
ätte.
Zum Schluss will ich noch eines sagen, liebe Kolle-
innen und Kollegen. Richter sprechen Recht. Manch-
al haben sie sogar Recht. Deswegen hören Sie auf die
ichter des Deutschen Richterbundes, die am 26. Ja-
uar 2004 zu diesem Thema gesagt haben – ich zitiere –:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8229
(A) )
(B) )
Jerzy Montag
Das Kronzeugengesetz von 1989 hat die Erwartun-
gen der Praxis nicht erfüllt.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Darum lie-
fern wir etwas anderes!)
Es besteht die Gefahr eines Missbrauchs: Um die
eigene Strafbarkeit zu verharmlosen, wird falsch
ausgesagt und werden Dritte zu Unrecht belastet.
Weiter heißt es dann:
Bereits nach den geltenden Gesetzen kann die Koo-
perationsbereitschaft eines Beschuldigten ausrei-
chend berücksichtigt und „honoriert“ werden.
Dies ist die Stimme der deutschen Richterschaft. Ich
empfehle Ihnen, dass Sie Ihren Gesetzentwurf zurück-
ziehen und sich dieser Auffassung anschließen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Dr. Norbert Röttgen [CDU/
CSU]: Das können Sie auch an Ihrem Geburts-
tag nicht erwarten!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Jetzt hat der Abgeordnete Thomas Strobl das Wort.
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! In der deutschen Sicherheitsarchitektur gibt es ge-
waltige Schwachstellen. Das Fehlen einer Kronzeugen-
regelung, wie wir sie heute in unserem Gesetzentwurf
einbringen, ist eine gravierende Sicherheitslücke.
Herr Kollege Montag, ich will einmal Praktiker der
Strafverfolgungsbehörden zitieren – denn Sie haben ja das,
was Kollege Röttgen hier vorgetragen hat, bestritten –, und
zwar den Bund Deutscher Kriminalbeamter,
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sehr zuständig!)
der die Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen und
insbesondere Ihren Kollegen Beck scharf kritisiert:
Es ist kaum zu glauben, in welcher Weise ein halbes
Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September
die damalige Ankündigungspolitik zur Makulatur
verkommt! Eine Kronzeugenregelung ist für die
Aufklärung und Verhinderung schwerster Straftaten
im Bereich des Terrorismus und der organisierten
Kriminalität unabdingbar. Bereits vor zwei Jahren
hat die Innenministerkonferenz sich eindeutig in
diesem Sinne festgelegt, im Herbst letzten Jahres
hat die Bundesregierung dies als Reaktion auf die
Terroranschläge nochmals bekräftigt. Im Ergebnis
ist nichts geschehen und jetzt will man dieses wir-
kungsvolle Instrument zur Gewinnung von Ausstei-
gern aus hochkriminellen Szenen offenbar völlig
auf Eis legen.
Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hin-
zuzufügen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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Herr Staatssekretär, Sie haben sich darauf bezogen,
ass wir einen solchen Gesetzentwurf bereits in der ver-
angenen Legislaturperiode eingebracht haben; das ist
ichtig. Diesen haben Sie damals abgelehnt. Sie können
as heute wieder tun. Sie sollten nur berücksichtigen,
ass vor zweieinhalb Jahren, am 11. September 2001, et-
as geschehen ist.
(Dirk Manzewski [SPD]: Oh nein!)
ir sind uns doch sicherlich alle darin einig, dass wir
or einer Herausforderung in einer ganz neuen und ande-
en Dimension stehen: dem radikalen, internationalen
slamistischen Terrorismus. Ziel unser aller Politik
ollte es sein – jedenfalls ist es das Ziel der CDU/CSU –,
lles dafür zu tun, um unsere Bevölkerung vor dieser
euen Bedrohung zu schützen. Das heißt aber konkret,
nseren Sicherheitsorganen alle rechtsstaatlichen Mittel
n die Hand zu geben, um die Bevölkerung wirksam
chützen zu können.
Dazu gehört selbstverständlich, entsprechende gesetz-
iche Regelungen zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe.
m Rahmen eines Gesamtkonzepts, einer umfassenden
euen Sicherheitsarchitektur müssen alle Sicherheitsor-
ane in die Lage versetzt werden, vernetzt und effektiv
egen internationale Terrorgruppen vorzugehen.
Die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ist
in Baustein einer solchen Sicherheitsarchitektur. Ihr
iel liegt vor allem im präventiven, also im vorbeugen-
en Bereich, in der Verhinderung schwerer und schwers-
er Straftaten. Deshalb bringen wir den Entwurf eines
esetzes zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung
in.
Die überwiegende Anzahl der Praktiker unterstützt
ine solche Regelung.
(Dirk Manzewski [SPD]: Richter sind keine
Praktiker?)
Auch Richter sind selbstverständlich Praktiker. Es gibt
war bei den Richtern unterschiedliche Stimmen; aber
ie überwiegende Anzahl der Strafrechtspraktiker un-
erstützt die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung.
(Zurufe von der SPD: Nein! – Eben nicht! –
Das ist nicht die Wahrheit!)
Das ist doch ganz unstreitig. Herr Kollege, wenn Sie
ies nicht glauben, dann fragen Sie einmal Ihren Nach-
arn, den Kollegen Kemper. Er war ein paar Jahre länger
ls Sie Kriminalbeamter.
(Dirk Manzewski [SPD]: Ich bin kein Krimi-
nalbeamter! Ich bin Richter!)
riminalbeamte sind ebenfalls Praktiker. Die haben so-
ar einmütig eine Stellungnahme dazu abgegeben.
Ich kann gerne auch einmal Bundesinnenminister
chily zitieren.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Welcher
Partei gehört der denn an?)
8230 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
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Thomas Strobl (Heilbronn)
Der ist ja nun unverdächtig; zumindest ist er Mitglied Ih-
rer Partei. Ich zitiere aus einer Bundestagsdebatte vom
11. Oktober 2001:
Eine Kronzeugenregelung kann … ein wichtiges
Hilfsmittel zur Verhinderung und zur Aufklärung
von Straftaten sein,
(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
wenn sie so gestaltet ist, dass jemand im Hinblick
auf Sanktionen strafrechtlich milder behandelt
wird, wenn er dazu beiträgt, eine Straftat zu verhin-
dern oder sie aufzuklären.
(Joachim Stünker [SPD]: Sehr richtig!)
Das ist beispielsweise der Fall, wenn er die Ermitt-
lungsbehörden zu einem Sprengstoffversteck bzw.
zu einer konspirativen Wohnung führt oder in ande-
rer objektiv nachweisbarer Weise dazu beiträgt, bei
der Strafverfolgung zu helfen.
So Otto Schily am 11. Oktober 2001. Der Mann hat
Recht. Wir danken dem Bundesinnenminister für die Be-
gründung unseres Gesetzentwurfes.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es war im Übrigen so, dass die 1999 ausgelaufene
Kronzeugenregelung durchaus ein Erfolg gewesen ist.
Sie ist zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
und auch zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
unverzichtbar. Richtig ist, dass wir insbesondere bei der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit den
üblichen Ermittlungsmethoden – Einsatz von verdeck-
ten Ermittlern und V-Leuten und Telefonüberwachung –
Probleme haben.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das sind alles keine üblichen Ermitt-
lungsmethoden, das sind besondere!)
– Herr Kollege Montag, deswegen ist es insbesondere
aufgrund der Bedrohungssituation durch den internatio-
nalen islamistischen Terrorismus, die Sie ja nicht in Ab-
rede stellen, umso notwendiger, dass wir die Kronzeu-
genregelung wieder einführen. Sie ermöglicht es, in den
Kern krimineller Strukturen einzudringen, diese zu
sprengen und – ich wiederhole es – schwere und
schwerste Straftaten zu verhindern.
Ich gebe zu, die Kronzeugenregelung ist nicht das al-
lein selig machende Mittel, aber sie ist eine Chance und
ohne Zweifel ein wichtiger Baustein für die ermittelnden
Behörden im Kampf gegen Terror und organisiertes Ver-
brechen. Deshalb möchte ich uns alle auffordern: Ma-
chen wir den Weg für eine wichtige Maßnahme im
Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen frei!
Schließen wir eine gravierende Sicherheitslücke, die seit
Ende 1999 in Deutschland besteht!
Herr Kollege van Essen, man kann in der Debatte
über manches reden, aber ich bin der festen Überzeu-
gung, dass im Grundsatz der von uns eingebrachte Ge-
setzentwurf zur Wiedereinführung einer Kronzeugenre-
gelung absolut in die richtige Richtung geht.
Besten Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tobias Marhold.
Tobias Marhold (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
egen! Die Bundesregierung ist sich der anhaltenden Be-
rohung bewusst, die vom Terrorismus sowohl innerhalb
ls auch außerhalb unseres Landes ausgeht. Davon kön-
en Sie ausgehen, Herr Strobl.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]:
Aber sie tut zu wenig! Sie redet nur!)
Mit den Antiterrorgesetzen infolge des
1. Septembers wurden bereits zahlreiche Maßnahmen
iner wirksamen Antiterrorbekämpfung eingeleitet.
ir haben unser Land sicherer gemacht. Das sei vorab
inmal gesagt.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jerzy
Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] –
Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aber nicht
die Botschaft in Kiew!)
Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der CDU/
SU sieht die Wiedereinführung einer Kronzeugenrege-
ung vor. Um es gleich zu sagen, liebe Kolleginnen und
ollegen von der CDU/CSU: Ihr Entwurf ist ein alter
ut, den wir uns nicht aufsetzen werden,
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der Hut ist
Ihnen eine Nummer zu groß!)
eil er garantiert nicht zu mehr Sicherheit führen wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wir
egrüßen es sehr, dass Sie eigene Vorschläge machen,
ber Sie sollten doch genauer hinschauen, ob Ihre Vor-
chläge auch sinnvoll sind. Wir alle wissen, dass die
ronzeugenregelung in der Vergangenheit umstritten
ar, und zwar nicht ohne Grund. Die damalige Regelung
ar nicht in dem Maße erfolgreich wie erhofft. Sie
urde nur auf einige wenige Fälle angewandt. Das ist
weifellos kein gutes Ergebnis. Daher haben wir die alte
ronzeugenregelung zum Jahr 2000 auslaufen lassen.
Die bereichsspezifischen Lösungen, auf die Sie in Ih-
em Entwurf setzen, führen in die Irre. Schon mit den be-
tehenden Regelungen, die es etwa im Betäubungsmit-
elgesetz gibt, ist es nicht gelungen, Strukturen
ufzudecken und an die „großen Fische“ zu kommen.
as können Ihnen die Praktiker bestätigen.
(Jörg van Essen [FDP]: Na ja! In einigen
Fällen schon!)
Sie wollen mit Ihrem Entwurf auch eine Vielzahl von
orschriften des Strafgesetzbuches ändern. Doch denken
ie auch einmal an die gesetzgeberische Klarheit, die in
iesem sensiblen Bereich notwendig ist. Lassen Sie
ich an dieser Stelle gleich eines anmerken, was mich
och sehr verwundert hat: Gestern wollte uns der Kol-
ege Röttgen Nachhilfe in Sachen Schutz des Bürger-
ohls erteilen und heute wollen Sie eine Strafmilderung
ür Mörder durchsetzen,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8231
(A) )
(B) )
Tobias Marhold
und zwar mit dem Ergebnis, dass diese gefährlichen
Straftäter nach nur drei Jahren wieder in die Freiheit ent-
lassen werden können. So jedenfalls steht es in Ihrem
Entwurf, und zwar in Art. 1 § 3 Satz 2. Sie können es
gern nachlesen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wie Ihr
Innenminister!)
Ich will mich nicht der Polemik und dem Populismus
des gestrigen Tages anschließen, als wir über die nach-
trägliche Sicherungsverwahrung gesprochen haben.
Denken Sie bitte selbst darüber nach, ob diese Regelung
so vertretbar ist oder nicht. Ich persönlich habe da große
Bedenken.
Sie übersehen auch, dass im Strafrecht und im Straf-
prozessrecht bereits Möglichkeiten bestehen, Strafen zu
mildern oder Verfahren einzustellen, wenn ein Tatbetei-
ligter seine Kenntnisse dem Gericht umfassend zur Ver-
fügung stellt. Das haben Sie in Ihrer Begründung überse-
hen.
Ein ist jedoch auch klar – lassen Sie mich das als In-
nenpolitiker sagen –: Die organisierte Kriminalität und
international agierende Terrornetzwerke lassen sich
oftmals nur von innen knacken; denn die Beteiligten ha-
ben ihre Methoden verfeinert und von außen sind die
Organisationsstrukturen nur schwer durchschaubar.
Die Beweisführung gegen diese Gruppen und Personen
ist daher keinesfalls einfacher geworden. Das wissen wir
alle.
Wichtig ist es deshalb, rechtsstaatlich vernünftige Re-
gelungen zu treffen, die Sicherheit schaffen.
(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Zum Bei-
spiel? Nämlich?)
Das betrifft durchaus auch den Bereich, in dem es darum
geht, Aussagen von Tatbeteiligten zu bekommen, die
dann wiederum helfen, Netzwerke und Gruppen aufzu-
decken und strafrechtlich zu verfolgen.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Also doch
Kronzeugenregelung!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Tobias Marhold (SPD):
Nein, ich möchte gern im Zusammenhang vortragen.
Die Bundesregierung hat hier schon einiges auf den
Weg gebracht.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wir warten
auf den Zusammenhang!)
– Hören Sie einfach zu, vielleicht lernen Sie dann noch
etwas. – Denken Sie beispielsweise an das Zeugen-
schutzharmonisierungsgesetz. Seit 2001 können Aus-
sagen und andere Beweise, die für die Strafverfolgung
bislang wegen der Bedrohung von Zeugen nicht genutzt
werden konnten, von den Gerichten verwertet werden,
weil Zeugen jetzt besser geschützt werden können und
deshalb aussagebereit sind. Dass dadurch besonders der
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ensible Bereich der Terrorismusbekämpfung angespro-
hen ist, liegt meiner Ansicht nach auf der Hand.
Die Bekämpfung des Terrorismus, liebe Kolleginnen
nd Kollegen, hatte und hat für die Bundesregierung
ach wie vor höchste Priorität und jegliche Formen von
xtremismus und Gewalt müssen durch ein entschlosse-
es, aber gleichzeitig auch besonnenes Handeln des
echtsstaates bekämpft werden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Silke
Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
as betrifft auch die Frage, wie es uns gelingen kann,
ussagen von Tatbeteiligten zu erlangen, die dann zur
ufklärung oder Verhinderung anderer Straftaten beitra-
en.
Lassen Sie mich betonen: Hierüber müssen wir nach-
enken. Viele Wege sind denkbar.
(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Es kommt
nicht viel raus!)
as alles erfordert eine sorgfältige Prüfung, der wir uns
icht verschließen werden. Wir brauchen effiziente Re-
elungen, die Sicherheitsbedürfnisse und Rechtsstaat-
ichkeit miteinander verbinden. Richtig ist – das ist auch
ein Geheimnis –, dass im Hinblick auf diese Frage zwi-
chen den Koalitionspartnern durchaus unterschiedliche
ewertungen bestehen. Das halte ich aber für einen nor-
alen Vorgang und ich darf Sie, liebe Kolleginnen und
ollegen, daran erinnern, dass die Einführung der alten
ronzeugenregelung zu einigen Auseinandersetzungen
it Ihrem damaligen Koalitionspartner FDP führte. Das
aben Sie hoffentlich nicht vergessen.
Wir werden diese Frage, wie alle anderen auch, ge-
einsam klären und dann zu einer Lösung kommen.
(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Ruhige
Hand!)
icher ist, dass dabei Rechtsstaatlichkeit, Effizienz und
esetzgeberische Klarheit die Hauptrollen spielen wer-
en. Ihr Entwurf aber, verehrte Kolleginnen und Kolle-
en von der CDU/CSU, ist dabei leider wenig hilfreich.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang
eitlmann.
Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Ich bin eigentlich erstaunt, dass man hier so ent-
üstet und grundsätzlich diskutiert. Ich halte den Ansatz
es Kollegen van Essen eigentlich für ganz entschei-
end: Wenn man dem Wunsch mancher Praktiker – ich
ebe zu: nicht aller – nach besseren Methoden zur Be-
ämpfung von Terrorismus und organisierter Krimina-
ität nachkommen will, dann darf man nicht jahrelang
8232 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Wolfgang Zeitlmann
– das sind jetzt immerhin schon fünf Jahre – die Dinge
an die Wand spielen und so tun, als würden wir hier et-
was ganz Entsetzliches vorschlagen. Gleichzeitig geben
Sie, Herr Kollege Marhold, zu, dass es diese Regelung
im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes gibt. Dieses
apodiktische „Um Gottes willen“ und „Das ist von Übel
und rechtsstaatlich undenkbar“ muss aufhören.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: § 129 StGB!)
Es muss einem doch zu denken geben, dass Leute wie
Freiberg und Kersten die Kronzeugenregelung als eine
Möglichkeit der Terrorismusbekämpfung sehen. Es han-
delt sich bei dieser Regelung um eine Kannbestim-
mung. Es wird also niemand zu etwas gezwungen.
Wenn sich für den Gesetzgeber eine Möglichkeit eröff-
net und Praktiker sich diese Möglichkeit wünschen,
müssten beim Gesetzgeber eigentlich die roten Lampen
ausgehen und man müsste sagen: Diese Regelung ist
rechtsstaatlich möglich und sie scheint für manche auch
hilfreich zu sein.
Ich erinnere mich noch sehr genau, dass im Vorfeld
der damaligen Kronzeugenregelung immer die Frage ge-
stellt wurde, ob es sich hinterher beweisen lässt, dass es
aufgrund der Aussage des Kronzeugen einen Durch-
bruch bei den Ermittlungen gab. Das ist natürlich eine an
sich unzulässige Fragestellung, denn beweisen kann man
das hinterher nicht immer. Denn die Verunsicherung im
Milieu und im Terrorismusbereich wäre schon ausrei-
chend. Der Richter selbst weiß doch, wann es passt und
wann nicht. Er kann die Materie vor Ort eingehend beur-
teilen und sagen, ob im Einzelfall wirklich etwas erreicht
wurde oder nicht.
Ich glaube, dass Sie nie eine einvernehmliche Rege-
lung schaffen können, der alle Richter, Praktiker und
Verbände zustimmen. Ohne Zweifel besteht auch für Sie
die Gefahr, dass – was Gott verhüten möge –, wenn wie-
der einmal ein terroristisches Ereignis stattgefunden hat,
unter dem Druck einer Debatte und auch vieler Populis-
ten doch entsprechende Regelungen geschaffen werden
müssten.
Seit fünf Jahren sagen Sie, unser Entwurf sei nicht
ausreichend. Auch Herr van Essen hat ja Bedenken. Da-
rüber kann man reden. Man ist ja kompromissfähig.
Aber nur Nein zu sagen und auf diesem Felde fünf Jahre
lang nichts zu tun, das scheint mir beim besten Willen
nicht angemessen und nicht richtig. Sie können von mir
aus auch einen eigenen Entwurf vorlegen. Aber fünf
Jahre lang, also seitdem die alte Regelung ausgelaufen
ist, nichts zu tun, scheint mir eine ganz gefährliche Si-
tuation zu sein, die aber Sie zu verantworten haben.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Genau so
ist es!)
Auch vom Vertreter des Ministeriums hätte ich erwartet,
dass er nicht nur die Mängel des jetzigen Entwurfs auf-
zeigt, sondern auch eine gewisse Bringschuld erfüllt und
sagt, wie man eine solche Regelung seiner Meinung
nach gestalten könnte und wo es richtige Entwicklungen
gibt.
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(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen
das nicht! – Gegenruf von der CDU/CSU: Das
ist noch schlimmer!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammen-
assend sage ich eines: Wenn der Gesetzentwurf, den wir
ingebracht haben, wenigstens dazu führen würde, dass
hre Ideologie ein bisschen zurückgedrängt wird und die
raktiker etwas mehr Möglichkeiten haben, um zu argu-
entieren,
(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig! Das
ist der Punkt!)
ann wäre dies schon ein Erfolg an sich.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Abgeordnete
oachim Stünker.
(Zuruf von der CDU/CSU: Oh! Jetzt bitte Be-
ruhigungstabletten!)
Joachim Stünker (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Präsidentin, bitte.
(Heiterkeit – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt
haben Sie ein Problem, Herr Stünker!)
Joachim Stünker (SPD):
– Entschuldigung, Frau Präsidentin. – Kollege Röttgen
at vorhin eingangs seiner Rede zu Recht den Zusam-
enhang zur gestrigen Debatte zur Sicherungsverwah-
ung hergestellt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Da war Ihre Rede
auch schon schlecht!)
err Kollege Röttgen, eigentlich könnten die Gegen-
ätze zwischen uns nicht deutlicher werden als durch
as, was Sie am heutigen Tag zur Wiedereinführung der
ronzeugenregelung ausgeführt haben. Diese Gegen-
ätze sind für einen Strafrechtler in der Tat schwer ver-
aubar.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das war bei
der Sicherungsverwahrung auch lange so!)
Darum geht es doch nicht. – Um es anders auszu-
rücken: Hier bestehen wirklich erhebliche Akzeptanz-
robleme. Denn nach dem 11. September 2001 haben
ir hier gemeinsam – das war ja eine vernünftige Aktion
es Deutschen Bundestages – Vorkehrungen getroffen,
m uns im Bereich der inneren Sicherheit besser gegen
nschläge zu wappnen.
Aber worüber reden wir eigentlich, wenn es heute um
hren Entwurf geht? Hier muss man einmal in die Details
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8233
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Joachim Stünker
gehen. Wir reden darüber, dass Sie mit der von Ihnen
vorgeschlagenen Regelung zukünftig einen Mörder, ei-
nen Totschläger, einen schweren Gewaltverbrecher, ei-
nen Vergewaltiger oder sonstige Schwerstkriminelle ent-
weder völlig straffrei lassen oder aber mit einer
Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren davonkommen
lassen wollen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Um etwas
zu erreichen!)
Mit dieser Regelung wollen Sie die Androhung einer
lebenslangen Freiheitsstrafe durchbrechen, sodass ein
Mörder zukünftig mit einer dreijährigen Freiheitsstrafe
davonkommen kann.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Strobl?
Joachim Stünker (SPD):
– Nein danke, Frau Präsidentin. Ich möchte gerne im
Zusammenhang vortragen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist ty-
pisch! Keine einzige Zwischenfrage wird zu-
gelassen! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie
können nur das vortragen, was Sie vorher auf-
geschrieben haben! So flexibel sind Sie! –
Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Was für
ein Zusammenhang? – Er hat eben keine Ant-
wort parat!)
– Herr Grindel, der Schreihals da vorne, verhält sich in
seinem Wahlkreis genauso. Sie sollten vielleicht einmal
in Ruhe zuhören. Das würde Ihnen gut tun.
(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist bei Ihnen
auch notwendig! – Geben Sie Ihre Rede doch
zu Protokoll!)
Die Voraussetzung hierfür, Herr Kollege Röttgen, soll
sein, dass der Betreffende den Strafverfolgungsbehörden
Kenntnisse vermittelt, die geeignet sind, das Begehen ei-
ner terroristischen Straftat zu verhindern, eine solche
aufzuklären oder die Täter zu ergreifen. Ich wiederhole:
Mitteilung seines Wissens über Tatsachen, die geeignet
sind – mehr ist nicht Voraussetzung dafür, dass ein Mör-
der zukünftig im Ergebnis mit nur drei Jahren Freiheits-
strafe davonkommen kann. Der Erfolg als solcher muss
nicht einmal eingetreten sein.
Dann stellt sich auch die weitere Frage: Welche Tatsa-
chen sind denn geeignet? Wer will beurteilen, welche
Tatsachen geeignet sind? Die Rechtsfolge ist immer weit
gehend.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Der Rich-
ter! Wer sonst?)
– Schauen Sie in Ihren Gesetzentwurf hinein, da steht et-
was anderes drin.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nein, es
steht nichts anderes drin!)
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olch eine Regelung ist ein Einfallstor für Lüge und De-
unziation im Strafprozess.
Eine andere Frage ist, was in diesen Fällen mit dem
pferschutz ist, den Sie gestern hier in der Debatte wie
ine Monstranz vor sich hergetragen haben.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wir wollen
Straftaten verhindern! Das ist präventiver Op-
ferschutz!)
Herr Kollege Röttgen, bei der von Ihnen vorgeschlage-
en Regelung soll eindeutig Täterschutz vor Opferschutz
ehen. Genau das werden wir nicht mitmachen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Sie stellen
die Dinge auf den Kopf! Wir wollen die Opfer
schützen, damit sie keine Opfer werden!)
Herr Kollege Röttgen, Sie haben vorhin wörtlich ge-
agt, dass Sie rechtsstaatlich diesen Preis zahlen wollen.
ch sage Ihnen: Wir wollen diesen Preis nicht zahlen. Ich
age Ihnen auch – wie schon in der letzten Legislaturpe-
iode –: Mit solch einer Regelung tut sich eine gewaltige
erechtigkeitslücke auf. Von daher ist solch eine Rege-
ung für uns nicht akzeptabel.
Zu Ihren Vorschlägen, bereichsspezifisch im StGB
nd in Nebenstrafgesetzen Kronzeugenregelungen ein-
uführen,
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt
wird es interessant!)
arniert sogar mit einem Wiederaufnahmegrund zu-
ngunsten des verurteilten Kronzeugen, wenn er als
euge vorher falsch ausgesagt hat, kann ich Ihnen nur
agen: Die ganze Praxis, die Sie vorhin so beschworen
aben, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen an-
esichts solch einer unpraktikablen Regelung.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wir schla-
gen die Hände zusammen bei Ihrer Rede!)
Ich wiederhole, wie in der letzten Legislaturperiode:
ie alte Kronzeugenregelung hat sich nicht bewährt; Sie
önnen das in allen Veröffentlichungen nachlesen.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie
bitte?)
ie haben vorhin eine Stimme zitiert, sozusagen als Zeu-
en für die Berechtigung Ihres Gesetzentwurfes. Der
eutsche Richterbund in toto hat derartige Regelungen
n einer Stellungnahme abgelehnt, der Deutsche Anwalt-
erein, der sicherlich auch eine Stimme in diesem Land
at, ebenfalls. Die Zitate dazu will ich mir schenken.
Die Frage, die hier zu Recht von Ihnen gestellt wor-
en ist und die auch der Kollege van Essen hier thema-
isiert hat, ist ja: Was sind eure Vorschläge? Was schlagt
hr vor, wenn wir hier eine Lücke haben? – Herr Kollege
an Essen, ich bin wie Sie der Meinung, dass wir da-
über wirklich in Ruhe im Rechtsausschuss diskutieren
ollten. Unser Vorschlag wird dahin gehen, dass wir im
llgemeinen Teil des Strafgesetzbuches im Rahmen der
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Joachim Stünker
Strafzumessungsregeln Kriterien einführen, etwa in
Form eines § 46 b StGB,
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das
ist dann rechtsstaatlich besser?)
wonach kriminalpolitisch sinnvolles Aufklärungs- und
Präventionsverhalten bei der Strafzumessung berück-
sichtigt werden kann. Das ist etwas ganz anderes als das
Versprechen einer Straffreiheit für Schwerstkrimi-
nelle, Herr Kollege Röttgen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas
Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Darauf sind
Sie jetzt nach fünf Jahren gekommen?)
Das ist der Hintergrund. Wenn Sie den Unterschied nicht
verstehen, können wir uns gerne im Rechtsausschuss
darüber unterhalten. Das ist genau der gravierende Un-
terschied. Genau das – das Zitat wurde vorhin ange-
führt – hat auch der Innenminister gesagt. Genau diese
Richtung hat er aufgezeigt. Genau in diese Richtung
werden wir auch gehen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn]
[CDU/CSU]: Dann handeln Sie und reden Sie
nicht nur! Sie müssen auch einmal handeln!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Punkt.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Gibt es andere Vorschläge? – Das ist
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Roadmap wieder beleben – Genfer Initiative
unterstützen
– Drucksache 15/2392 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Einen
Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Dietmar Nietan.
Dietmar Nietan (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Viele Punkte des Entwurfs eines Abkommens über den
endgültigen Status zwischen Israel und Palästina werden
am Ende – davon bin ich fest überzeugt – Bestandteil ei-
nes Friedensabkommens zwischen diesen beiden Staaten
sein. Von denjenigen in den beiden Völkern, die den Ent-
wurf eines Statusabkommens heute noch ablehnen, wer-
den sich etliche wundern, wie viel davon am Ende Reali-
tät sein wird. Dies ist der richtige Weg hin zu einem
Frieden im Nahen und Mittleren Osten.
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(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der FDP)
Aber unabhängig von dem Wann und Wie der Reali-
ierung der Genfer Initiative bin ich der festen Überzeu-
ung, dass sie schon jetzt ein großer Erfolg ist. Denn sie
ibt der stecken gebliebenen Roadmap eine konkrete
erspektive und zeigt auf, wie eine tragfähige Zweistaa-
enlösung aussehen kann. Ich glaube, das Fehlen dieser
erspektive war einer der Fehler, welche die Roadmap
islang aufwies.
Nun haben wir also eine Roadmap, die den Weg zum
rieden markieren soll. In der Genfer Initiative wird das
iel dieses Weges beschrieben, und zwar, wie ich finde,
n großer Klarheit. Jetzt müssen die politischen Führer in
srael, in Palästina, in Europa und in den USA nach vie-
en Worten endlich den Mut haben, die notwendigen
chritte zu gehen, die nötig sind, um am Ende zum Frie-
en zu kommen. Auch daran hakte es bisher. Insbeson-
ere in Palästina und Israel ist es an der Zeit für klare
nd mutige Schritte; das sage ich an dieser Stelle sehr
eutlich.
Ich erwarte, dass Ministerpräsident Kurei keinerlei
weifel daran aufkommen lässt, dass er und seine Admi-
istration das Existenzrecht des Staates Israel uneinge-
chränkt anerkennen, und dass er das in dieser Deutlich-
eit öffentlich sagt.
(Beifall im ganzen Hause)
on der palästinensischen Seite erwarte ich den Mut, die
ittere Wahrheit beim Flüchtlingsproblem auszuspre-
hen, die da heißt: Eine Perspektive für die Rückkehr al-
er Flüchtlinge nach Israel wird es nicht geben, wenn
an den Frieden wirklich will. Das muss die palästinen-
ische Seite so sagen.
(Beifall im ganzen Hause)
Ich habe es von Ministerpräsident Scharon als sehr
utig empfunden, dass er noch vor seiner Nominierung
ls Kandidat des Likud-Blocks und vor den israelischen
ahlen klar gesagt hat, dass er für eine Zweistaatenlö-
ung ist. Er ist der erste Likud-Führer, der das in dieser
eutlichkeit ausgesprochen hat. Ich habe als sehr mutig
mpfunden, was wir in letzter Zeit von ihm und seiner
egierung zur Räumung von Siedlungen haben hören
önnen. Es war Scharon, der gesagt hat, dass bei ihm
ereitschaft auch zu schmerzhaften Konzessionen vor-
anden ist. Ich sage aber speziell an ihn als Ministerprä-
identen und an seine Regierung: Sie müssen nun die
tärke haben, den mutigen Worten auch mutige Taten
olgen zu lassen. Das ist Aufgabe der israelischen Seite.
etzt ist die Zeit dafür gekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich ist es die Pflicht einer jeden israelischen
egierung, die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger
u garantieren. Angesichts des schrecklichen und men-
chenverachtenden Terrors durch Selbstmordattentate
ntbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass man auf die
dee kommt, man könne durch die Errichtung eines Zau-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8235
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Dietmar Nietan
nes mehr Sicherheit herstellen. Ich habe aber die Sorge,
dass diese Denkweise kurzsichtig ist. Wir wissen, dass
sich der internationale Terrorismus durch Zäune nicht
abhalten lässt. Er lässt sich nur bekämpfen, indem man
die Ursachen bekämpft. Ich befürchte, dass der Zaun
kurzfristig etwas mehr Sicherheit bringt, aber langfristig
Dünger für die Saat des Hasses ist, die in der arabischen
Welt ausgestreut worden ist. Man sollte besser den
Sumpf des Hasses gegen Israel trockenlegen. Ich glaube
nicht, dass die Errichtung des Zauns das geeignete Mittel
dafür ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann in diesem gut behüteten Parlament eines
Landes, das nicht von solch schlimmen Terroranschlä-
gen heimgesucht wird wie Israel, nur dann so sprechen,
wenn ich von uns selber – von uns Parlamentariern, von
unserer Regierung und von unseren Ministern – einfor-
dere, dass auch wir diese mutigen Schritte unternehmen,
die wir von anderen einfordern. Wir müssen deutlich
machen, dass jede Regierung und jeder Vertreter der pa-
lästinensischen Autonomiebehörde, die zu mutigen
Schritten bereit sind, unsere volle Unterstützung haben.
Es darf seitens der Europäer oder der deutschen Regie-
rung nicht nur warme Worte geben, es muss auch eine
klare Unterstützung für diese Kräfte des Friedens erfol-
gen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die deutsche Regierung darf deshalb keinen Zweifel da-
ran lassen – sie verhält sich entsprechend; das will ich
hier ausdrücklich betonen –, dass die Bundesrepublik
Deutschland zu allen Schritten bereit ist, die dazu die-
nen, Sicherheitsgarantien für den Staat Israel aufzustel-
len.
Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass mit dem
heute vorgelegten gemeinsamen Antrag deutlich gewor-
den wäre, dass wir nicht nur das Existenzrecht eines ano-
nymen Staates Israel unterstützen, sondern dass wir für
das Existenzrecht eines israelischen Staates jüdischen
Charakters einstehen, dass wir dem jüdischen Volk eine
Zukunft geben wollen und dass wir für seine Sicherheit
mit garantieren wollen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und der FDP sowie des Abg.
Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU])
Zu den mutigen Schritten gehört aber auch, deutlich
zu machen, dass wir bereit sind, auch der palästinensi-
schen Seite Garantien zu geben, wenn sie zu einem um-
fassenden Frieden bereit ist. Wir müssen ökonomische
und soziale Perspektiven für die Menschen in Palästina
– für ihr persönliches Leben, für ihre Familien und für
ihr Fortkommen – schaffen, damit sie erkennen können,
dass sich der Frieden lohnt. Auch hier müssen wir zu un-
serem Wort stehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
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Am Ende heißt es auch, Verantwortung im Quartett
u übernehmen. Ich hoffe, dass das, was ich an dieser
telle jetzt sage, niemand missverständlich auffasst:
enn es sich abzeichnen sollte, dass sich die Initiativen
er amerikanischen Seite, der Roadmap zum Durch-
ruch zu verhelfen, nicht gerade überschlagen, dann
üssen die Europäer stärker als bisher Verantwortung
nd Eigeninitiative übernehmen. Es wäre fatal, darauf zu
arten, bis eine US-Administration der Roadmap wieder
ie Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdient hat.
(Beifall bei der SPD)
Ich meine, dass die Initiative unseres Außenministers
uf der Sicherheitskonferenz in München, mit der er ei-
en Mittelmeerprozess angeregt hat, der gemeinsam von
er NATO und der EU getragen wird, die Unterstützung
es Parlaments verdient. Durch eine regionale Sicher-
eitskooperation sollen genau die Sicherheitsaspekte
ingeschlossen werden, die Israel benötigt. Gleichzeitig
ird mit der angestrebten Freihandelszone bis 2010 ge-
au die ökonomische Perspektive eröffnet, die zum Bei-
piel die Palästinenser dringend brauchen. Ich hoffe,
ass diese Initiative bei unseren Partnern in der NATO
nd in der EU sehr bald eine entsprechende Resonanz
indet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der zweite Vorschlag des Außenministers war eben-
alls genau richtig. Es geht darum, Eigenverantwortung
u übernehmen. Man muss anbieten, eine gemeinsame
rklärung abzugeben, nach der man zu einer gemeinsa-
en friedlichen Zukunft in dieser Region kommen will.
aran müssen wir arbeiten und handeln.
Dafür kann der heute vorliegende Antrag, den ich
usdrücklich begrüße, nur ein erster Schritt sein. Auch
ür uns ist es jetzt Zeit zu handeln.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU und des Abg. Dr. Rainer Stinner
[FDP])
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hermann Gröhe.
Hermann Gröhe (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
urch den Antrag aller Fraktionen dieses Hauses
Roadmap wieder beleben – Genfer Initiative unterstüt-
en“ wird deutlich, dass es einer erneuten politischen
raftanstrengung bedarf, die Roadmap, den Fahrplan
es Quartetts aus EU, USA, Vereinten Nationen und
ussland, mit neuem Leben zu erfüllen.
Zugleich bringen wir mit diesem Antrag zum Aus-
ruck, dass zivilgesellschaftliche Initiativen wie die mu-
ige Genfer Initiative eine wichtige Ergänzung dieses
ahrplans sind, zeigt doch gerade das so genannte Gen-
er Abkommen auf, wie ein Friedensschluss, zu dem die
oadmap den Weg öffnen will, konkret aussehen kann.
8236 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Hermann Gröhe
Denen, die unter Federführung des früheren israelischen
Justizministers Beilin und des früheren palästinensi-
schen Informationsministers Rabbo den Vertragsentwurf
in zweieinhalb Jahren erarbeitet haben, gebührt dafür ein
herzlicher Dank.
(Beifall im ganzen Hause)
Der Hinweis darauf, dass dies ohne jedes offizielle
Mandat und damit ohne jede Bindung der Regierenden
geschah, mindert eine ganz entscheidende Leistung der
daran beteiligten Politiker, Schriftsteller, Schauspieler,
Ex-Generale, Friedensaktivisten und Geschäftsleute
nicht. Ihre Initiative, die nahezu jedem israelischen und
palästinensischen Haushalt zugestellt wurde, leitet in
beiden Gesellschaften einen Willensbildungsprozess, der
auch bisherige Tabuthemen einschließt, ein und treibt
ihn voran.
Eindringlich formuliert der israelische Schriftsteller
David Grossmann, der an der Erarbeitung der Genfer
Initiative beteiligt war – ich zitiere –:
Das Genfer Ankommen enthält schmerzhafte israe-
lische Verzichtsleistungen. Auch die Palästinenser
haben ihrerseits harte Verzichte geleistet. Es ist kei-
ner unter uns, der nicht Schmerz und Trauer über
diese Zugeständnisse empfindet.
In dieser Situation ist es eindrucksvoll, dass Umfragen
zufolge ungefähr 40 Prozent der Palästinenser und der
Israelis diese Genfer Initiative unterstützen.
Aber es gibt auch jene 250 Rabbiner in Israel, die die
Unterzeichner in einem Urteilsspruch nach religiösem
Recht zu Verrätern erklärt haben, und islamistische Reli-
gionsvertreter haben eine Fatwa, eine Art Verurteilung,
gegen die palästinensischen Unterzeichner erlassen.
Das Eis der Feindschaft hat gerade erst begonnen zu
schmelzen, wie dies symbolisch die Aktion „Breaking
the Ice“ von sechs Männern und zwei Frauen, Israelis
und Palästinensern, zum Ausdruck brachte. Diese
Gruppe – unter ihnen zwei israelische Elitesoldaten, die
früher in den besetzten Gebieten eingesetzt waren, und
zwei Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen ge-
sessen haben – hat in der Antarktis einen 1 000 Meter
hohen Berg bestiegen und ihn zum Berg der palästinen-
sisch-israelischen Freundschaft ernannt. Es ist gut, wenn
wir solch mutigen Initiativen der Zivilgesellschaft den
Rücken stärken.
(Beifall im ganzen Hause)
Es ist gut, wenn dieser Antrag und die Tatsache, dass
wir ihn gemeinsam einbringen, deutlich macht, dass die
Grundsätze deutscher Nahostpolitik von allen Fraktio-
nen dieses Hauses gemeinsam geteilt werden. Dazu ge-
hört das uneingeschränkte Bekenntnis zum Existenz-
recht Israels. Wir verurteilen die verbrecherischen
Terroranschläge palästinensischer Extremisten.
(Beifall im ganzen Hause)
Immer wieder fallen ihnen unschuldige Zivilisten zum
Opfer. Erst vor zwei Wochen riss eine solche verab-
scheuungswürdige Tat in Jerusalem über zehn Menschen
in den Tod.
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Die Palästinensische Autonomiebehörde muss ihre
nkündigung, extremistische Gewalt bekämpfen zu
ollen, endlich glaubwürdig unter Beweis stellen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten der SPD)
islang ist Präsident Arafat hier seiner besonderen Ver-
ntwortung nicht gerecht geworden. Wir bekennen uns
n gleicher Weise aber auch zum legitimen Recht der Pa-
ästinenser, in einem eigenen lebensfähigen und demo-
ratischen Staat zu leben.
Dass in dieser Debatte, aber auch bei anderer Gele-
enheit zu diesen Themen nicht zuletzt jüngere Bundes-
agskolleginnen und -kollegen aus allen Fraktionen das
ort ergreifen und sich damit zu den gemeinsamen
rundsätzen deutscher Nahostpolitik bekennen, macht
eutlich, dass jedes törichte und gefährliche Schluss-
trichgerede im Hinblick auf die besondere Verantwor-
ung Deutschlands Israel gegenüber, die sich für uns
eutsche aus dem einzigartigen Verbrechen des Holo-
aust ergibt, auch in der jüngeren Politikergeneration
eine Chance hat.
(Beifall im ganzen Hause)
Allerdings kann und will ich nicht verhehlen, dass mir
elbst diese Solidarität mit Israel und die entschiedene
blehnung aller Feinde Israels lange Zeit den Blick für
ie berechtigten Interessen des palästinensischen Volkes
erstellt hat. Erst mit dem beginnenden Friedensprozess
nfang der 90er-Jahre habe ich seine Sicht der Dinge er-
ebt. Zu der Abscheu über verbrecherische Selbstmord-
ttentate trat die Überzeugung, dass auch Art und Um-
ang der Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Si-
herheitskräfte, die anhaltende Demütigung der Besat-
ung und die fortgesetzte Siedlungspolitik einem
riedlichen Miteinander von Israelis und Palästinensern
m Wege stehen.
Wenn – das ist sicher begrüßenswert – Ministerpräsi-
ent Scharon nun erklärt, die jüdischen Siedlungen im
azastreifen weitgehend räumen zu wollen, so darf doch
icht übersehen werden, dass in den letzten drei Jahren
6 000 neue Siedler ins Westjordanland gezogen sind
nd erst jüngst Pläne bekannt gegeben wurden, auf den
olanhöhen 900 neue Familien anzusiedeln und damit
uch diese Siedlung massiv auszubauen. Gerade als
reunde Israels müssen wir diese fortgesetzte Siedlungs-
olitik kritisieren, wie auch den Bau des Sperrzauns
wischen Israelis und Palästinensern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
Dabei bestreiten wir natürlich nicht das Recht Israels,
eine Bürger vor Terror und Gewalt zu schützen. Jenseits
er grünen Grenze verlaufend und palästinensisches Ge-
iet durchtrennend, wirkt der so genannte Terrorabwehr-
aun jedoch als Provokation, die neues Unheil heraufbe-
chwört. Was sollen die Menschen in der völlig
ingeschlossenen Enklave Kalkilia, wo von 41 000 Ein-
ohnern bereits über 4 000 Menschen in den letzten Wo-
hen die Stadt verlassen haben, von der Zukunft erwar-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8237
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Hermann Gröhe
ten? Es ist noch lange keine Rechtfertigung von
verbrecherischen Anschlägen, wenn man mit Schimon
Peres feststellt – ich zitiere –: Solange es Besatzung gibt,
wird es Terror geben.
Gerade wir Deutsche müssen die Existenzängste Isra-
els ernst nehmen. Durch die von Nazideutschland began-
genen Verbrechen sind wir in tragischer Weise mit dem
Umstand verbunden, dass sich die stärkere der beiden
Konfliktparteien – jedenfalls heute ist das Israel – für die
schwächere hält. Dürfen wir, die Deutschen, Israelis
dazu auffordern, um des Friedens willen Risiken einzu-
gehen, die sie für existenzbedrohend halten? Natürlich
kann Israel kein existenzielles Risiko eingehen. Dabei
wird es uns immer an seiner Seite haben.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sehr
richtig!)
Was wäre das aber für eine Solidarität, wenn wir unsere
Überzeugung verschwiegen, dass eine bestimmte israeli-
sche Politik nicht zuletzt den berechtigten Sicherheitsin-
teressen des eigenen Landes schadet und der Sehnsucht
der allermeisten Menschen in dieser leidgeprüften Re-
gion, endlich in Frieden leben zu können, entgegensteht?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten der SPD und des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser gemeinsamer Antrag bringt dies in, im besten
Sinne des Wortes, ausgewogener Weise zum Ausdruck –
und in der richtigen Tonlage.
Ich danke Ihnen.
(Beifall im ganzen Hause)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludger Volmer.
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind uns alle einig – das kommt auch in dem Antrag
zum Ausdruck, den wir heute im Konsens verabschieden
werden –, dass die politischen Rahmenpläne zur Lösung
des Nahostkonfliktes in der so genannten Roadmap zu-
sammengefasst sind. Das ist die offiziell verabredete und
völkerrechtlich verbindliche Linie. Wir hoffen, dass die
Akteure, die sich auf die Roadmap verpflichtet haben,
die Kraft und auch den Willen finden, diesen Prozess ih-
rerseits von staatlicher Seite aus auf der internationalen
Ebene und durch bilaterale Maßnahmen endlich mit Le-
ben zu erfüllen.
(Beifall bei der SPD)
Weil es daran in den letzten Monaten gemangelt hat, be-
grüßen wir umso mehr, dass es nun aus der Tiefe der Ge-
sellschaften Israels und Palästinas zivilgesellschaftliche
Initiativen gegeben hat – getragen auch von Personen,
die dem sicherheitspolitischen Establishment dieser bei-
den Staaten angehörten –, die ihrerseits nun versuchen,
die Roadmap mit Leben zu erfüllen und das, was als Ziel
der Roadmap angegeben ist, nämlich ein garantierter
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rieden zwischen einem sicheren Israel und einem sou-
eränen Palästina, herzustellen.
Wir begrüßen insbesondere, dass die Genfer Friedens-
nitiative den Prozess vom Ende her denkt und nicht
ehr sagt, man werde sich Schritt für Schritt auf ein Er-
ebnis zubewegen. Vielmehr haben die Leute den Mut
efunden, sich zusammenzusetzen, um alle einzelnen
robleme anzupacken und für diese Probleme eine Lö-
ung zu suchen. Und siehe da: Sie haben bewiesen, dass
er Verhandlungsfrieden im Nahen Osten möglich ist.
ir sollten den Initiatoren dazu gratulieren und sie nach
llen Kräften unterstützen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Sie haben immer noch mit starken Widerständen zu
ämpfen. Auf der palästinensischen Seite – so haben wir
erade schon gehört – gibt es immer noch die verheeren-
en, grauenhaften und durch nichts zu rechtfertigenden
elbstmordattentate. Sie sind auch nicht durch die
lüchtlingsfrage zu rechtfertigen. Insbesondere die Ini-
iatoren der Genfer Initiative haben darauf hingewiesen,
ass die Flüchtlingsfrage nicht so gelöst werden kann,
ie sich das einige Hardliner auf palästinensischer Seite
ünschen. Es werden nicht alle Flüchtlinge an ihre Ur-
prungsorte zurückkehren können. Das ist eine realisti-
che Einsicht, die offensichtlich jetzt auch große Teile
er Palästinenser haben. Wir Deutsche haben, um einen
eitenblick auf unsere Geschichte zu werfen, viel Ver-
tändnis für die Problematik und können der palästinen-
ischen Seite nur gratulieren, dass sie von unhaltbaren
aximalpositionen Abstand nimmt.
Umgekehrt sehen wir immer noch das Problem der
iedlungspolitik, selbst wenn Präsident Scharon nun an-
ekündigt hat, Siedlungen in Gaza zu räumen. Auch
enn wir das ausdrücklich begrüßen, so steht dahinter
öglicherweise dennoch die Idee, die beiden Staaten in
er Form zu separieren, dass für den Palästinenserstaat
icht die Gebiete übrig bleiben, die auf der Basis der
rünen Linie von 1967 vorgesehen waren, sondern er-
eblich weniger.
Wenn man sich den Verlauf des Zauns anschaut, die-
er Sperranlagen, die uns fatal an so manches Mauer-
erk erinnern, mit dem auch wir in unserer Geschichte
onfrontiert waren, dann sieht man, der Zaun durch-
chneidet palästinensisches Wohngebiet, er trennt Fami-
ien und Nachbarn. Auf dieser Basis wäre ein Staat über-
aupt nicht lebensfähig. Deshalb begrüßen wir, dass die
sraelische Seite in dem Genfer Verhandlungsprozess
eutlich gemacht hat, dass dieser Verlauf des Zauns ab-
olut nicht akzeptabel ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Es gibt leider auf beiden Seiten immer noch Kräfte,
ie meinen, man könnte die andere Seite endgültig poli-
isch besiegen und die eigenen Maximalpositionen
urchsetzen. Diese Position hat keine Zukunft.
8238 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Dr. Ludger Volmer
Es gibt keine Alternative zu einem Verhandlungspro-
zess, der von der Vorstellung Abschied nimmt, man
könnte die andere Seite in die Knie zwingen und ohne
weiteres die eigenen Maximalpositionen durchsetzen.
Ich meine, am besten kommt diese neue Haltung, die
sich auch in der Genfer Friedensinitiative findet, in ei-
nem Zitat des israelischen Schriftstellers Amos Oz zum
Ausdruck, der vor vielen Jahren sehr treffend geschrie-
ben hat:
Tragödien lassen sich auf zweierlei Weisen zu ei-
nem Ende bringen. Es gibt die Shakespeare-Lösung
einer Tragödie und es gibt die Tschechow-Lösung
einer Tragödie. In der Shakespeare-Tragödie ist die
Bühne am Schluss mit Leichen bedeckt, und viel-
leicht, vielleicht schwebt die Gerechtigkeit hoch
über ihnen, oder auch nicht. In der Tschechow-Tra-
gödie ist jedermann am Schluss desillusioniert, ver-
bittert, gebrochen, enttäuscht, zerschmettert, aber er
lebt. Ich wünsche eine Tschechow-Lösung, keine
Shakespeare-Lösung der Nahost-Tragödie.
Ich möchte mich diesen Worten anschließen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie des Abg. Joachim
Hörster [CDU/CSU])
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Stinner.
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir behandeln heute einen Antrag, dem wir alle
zustimmen und der wiederholt die wesentlichen Grund-
bestandteile einer gemeinsamen deutschen Nahost-Poli-
tik zusammenfasst und darstellt. Wir stehen mit ganzer
Kraft dahinter und ich begrüße es, dass wir heute einen
Konsens erzielen können.
Anlass des Antrags war aber das gemeinsame Ge-
spräch mit Rabbo, Beilin und ihren Delegationen zum
Genfer Abkommen im Auswärtigen Ausschuss. Von
dem Geist dieses Gesprächs, von der eindeutigen Zu-
stimmung und der emphatischen Unterstützung ist leider
in dem Antrag nicht mehr genug zu spüren. Deshalb ha-
ben wir darauf bestanden, dass auch unser eigener An-
trag hier beraten wird. Zu unserem großen Erstaunen ha-
ben Sie, Herr Weisskirchen, Herr Volmer und Herr
Pflüger, es abgelehnt, unseren Antrag, der die Genfer
Initiative viel stärker unterstützt als der vorliegende An-
trag, heute zu beraten. Darüber wundern wir uns sehr.
Dabei müssen Wirkkräfte am Werk gewesen sein, die
wir nicht verstehen.
(Beifall bei der FDP)
Der Bundespräsident ist in dieser Frage weiter als wir.
Anfang Mai findet in Schloss Bellevue unter der Schirm-
herrschaft des Bundespräsidenten ein Symposium zur
Unterstützung der Genfer Initiative statt. Das ist die öf-
fentliche Unterstützung, wie wir sie Rabbo und Beilin
eigentlich versprochen haben. Das ist eine Unterstützung
mit der Kraft und Symbolhaftigkeit, die ich auch von
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ns, den freien Parlamentariern des Deutschen Bundes-
ages, erwartet hätte.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Nun zer-
reden Sie doch nicht unsere Unterstützung!)
Weshalb ist denn unser Antrag, der eine eindeutige
nterstützung vorsieht, nicht auf die Tagesordnung auf-
enommen worden, Herr Pflüger? Das nehmen auch die
eobachter zur Kenntnis, denen die Anträge bekannt
ind.
Der Geist dessen, was wir am 14. Januar gemeinsam
esprochen haben, kommt in dem vorliegenden Antrag
icht zur Genüge zum Ausdruck. Das sehen übrigens
uch die Herren Rabbo, Beilin und Primor so, mit denen
ch in den vergangenen Tagen gesprochen habe. Ich
erde Beilin nächste Woche in Israel treffen. Dann wird
ich zeigen, wie man darauf reagiert, Herr Pflüger.
Wir alle wissen, das die Genfer Initiative etwas Be-
onderes ist. Darauf brauche ich nicht weiter einzuge-
en. Ich bin froh darüber, dass das auch die Kollegen der
nderen Fraktionen so deutlich zum Ausdruck gebracht
aben.
(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Zer-
reden Sie doch nicht den Antrag!)
ir alle wissen auch, dass die Genfer Initiative keinerlei
taatliche Legitimation hat. Wir erkennen aber an, dass
atrioten auf beiden Seiten bereit waren, den schmerz-
aften Weg zu Kompromissen zu gehen. Das müssen wir
eutlich unterstützen.
(Beifall bei der FDP)
Wir wissen doch alle, dass die Lösung dieses ver-
ängnisvollen Konflikts nicht von außen kommen kann.
ie kann nicht durch unsere Resolutionen erzielt werden.
ie ist nur dann möglich, wenn die Akzeptanz in der Be-
ölkerung in Palästina und Israel nachhaltig vergrößert
ird. Dabei können wir unsere Unterstützung leisten.
arum haben uns Rabbo und Beilin ausdrücklich gebe-
en und wir haben ihnen das auch zugesagt.
Ein Letztes: In dem gemeinsamen Antrag – diesem
timmen wir zu, weil er richtig ist – fordern wir wieder
inmal alle anderen auf: Israel, Palästina, Syrien, den
ran, Amerika – Gott und die Welt! Nur an uns selber, an
ie Europäer und insbesondere an die Deutschen, stellen
ir keine Forderungen. Wir müssen aber weitergehen.
enn es stimmt, dass dieser Konflikt unsere vitalen Inte-
essen berührt – darüber sind wir uns ja einig –, dann
üssen wir selber als Europäer und insbesondere als
eutsche bereit sein, Leistungen zu erbringen. Was
pricht denn dagegen, wenn wir die Bundesregierung
uffordern, das aktiv zu unterstützen, und wenn wir die
U auffordern, Projekthilfe zur Unterstützung dieses
nliegens zu leisten? Ich glaube, dass wir das deutlicher
um Ausdruck bringen sollten, als wir das bisher tun.
Zum Schluss: Wir stehen voll hinter dem Antrag, den
ir heute gemeinsam verabschieden. Wir glauben aber,
ass eine Chance für eine nachhaltigere und deutlichere
nterstützung der Genfer Initiative vertan worden ist.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8239
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Dr. Rainer Stinner
Wir unterstützen mit ganzer Kraft die Genfer Initiative
und werden das überall deutlich zum Ausdruck bringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Christoph
Zöpel.
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich möchte drei Bemerkungen zu dem
vorliegenden Antrag machen.
Erste Bemerkung: Die Botschaft der von Jossi Beilin
und Mohammed Abbu Rabbo geführten Delegation, die
anlässlich ihres Berlinbesuchs auch bei uns im Auswärti-
gen Ausschuss war, ist für mich wichtig. Dieser Delega-
tion ging es um die Mobilisierung der Öffentlichkeit in
Israel und Palästina und auch um die der Weltöffentlich-
keit. Beilin ist von seiner Zuordnung zur Zivilgesell-
schaft abgerückt, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass
er und Rabbo in den politischen Systemen ihrer Länder
tätig waren und es noch sind. Es geht ihnen um Öffent-
lichkeit, weil sie offenkundig den Eindruck haben, dass
in einer noch zu sehr staatlich vermachteten Welt die Di-
plomatie der Staaten Lösungen nicht schafft, wenn die
Weltöffentlichkeit sie nicht will. Ich glaube, wir erwei-
sen dieser Initiative einen sehr guten Dienst, wenn wir
die heutige Debatte, deren Inhalte die Medien der deut-
schen Öffentlichkeit vermitteln, nutzen, um über sie zu
sprechen, wenn wir Ja zu den Inhalten und den Metho-
den sagen, die Beilin und Rabbo vorgeschlagen haben,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
und wenn wir ihr Anliegen unterstützen, die Weltöffent-
lichkeit zu mobilisieren. Denn nur wenn sich die Weltöf-
fentlichkeit gegen die vorgebliche Unlösbarkeit auch des
Mittelostproblems engagiert, stellt sie sich hinter unsere
gemeinsame Einsicht, dass es aufgrund des Unvermö-
gens der Diplomatie vermachteter Staaten bisher nicht
gelöst werden konnte.
Zweite Bemerkung, zur Lösung: Die Welt ist im Prin-
zip der Lösung nicht nur näher gekommen, sie hat sie
vielmehr gefunden. Kein vernünftiger Mensch sieht eine
Alternative zu dem, was vorgeschlagen worden ist: zwei
Staaten mit sicheren Grenzen – Grenzen brauchen die
beiden Staaten auch in einer Welt, in der sonst Grenzen
überflüssig werden, weil das israelische und das palästi-
nensische Volk zu sehr in Gewalttätigkeiten und Verlet-
zungen verstrickt sind – und eine Garantie der internatio-
nalen Gemeinschaft unter Beteiligung der Vereinigten
Staaten, weil nur sie über die notwendigen militärischen
Mittel verfügen, und jedes anderen Staates einschließlich
Deutschland, wenn beide Länder das wollen. Das ist die
Lösung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
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ie entsprechenden Schritte werden noch zu finden sein.
ie erfolgen bislang nicht mangels Ideen, sondern man-
els Bereitschaft. Das ist das Tragische.
Dritte Bemerkung, zu der moralischen Dimension: Im
ahr 2004, also in dem Jahr, in dem sich zum 200. Mal
er Todestag von Kant jährt, ist für mich die moralische
ntwort eindeutig. Wie wir Deutsche, wie die Amerika-
er und wie jeder andere leben auch die Menschen in Pa-
ästina und Israel unter dem einen gestirnten Himmel.
ie leben nach demselben universellen Gesetz, das jeder
ensch in sich hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
as ist die moralische Bewertung dieses Konflikts, nicht
ie Aufrechnung – darauf komme ich zurück – und auch
icht die Aufrechnung von Verantwortlichkeiten kollek-
iver Identitäten.
Wenn wir uns so an Kant orientieren, dann ist dort je-
er Mensch, der unter Berufung auf die Rechte kollekti-
er Identitäten getötet wird, ein Toter zu viel. Es gehört
ür mich zu den bedrückenden Erfahrungen meiner Be-
uche in der arabischen Welt, dass der Präsident der ara-
ischen Majlis-al-Shura, ein muslimischer Geistlicher,
icht bereit ist, sich prinzipiell von Selbstmordattentä-
ern zu distanzieren, sondern sagt, dies sei eine seelsor-
erische Frage, die nur im Einzelfall beantwortet werden
önne. Dies erschüttert mich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Abg. Hildegard
Müller [CDU/CSU])
elbstmordattentate, warum auch immer, müssen ver-
indert werden. Es gibt keinen Grund, sie moralisch zu
echtfertigen.
(Beifall des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP] –
Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Rich-
tig!)
Ich erlaube mir eine weitere Bemerkung. Die Art und
eise, in der sich der Staat Israel um seine Soldaten
ümmert, in der er zu verhindern sucht, dass sie sterben,
ie zu befreien sucht, wenn sie gefangen genommen
orden sind, sich sogar noch darum sorgt, dass sie ihrem
lauben gemäß bestattet werden können, sollte ein uni-
erselles Gesetz im Sinne von Kant sein; dieselbe Sorge
ollte man auch jedem toten Palästinenser angedeihen
ssen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der
Abg. Hildegard Müller [CDU/CSU])
as ist für mich die Grundlage der Verhältnismäßigkeit
er Mittel, auch bei Kriegsführung und Gefahrenabwehr
on Staaten. Wenn wir das nicht sehen und den Fall des
igenen Toten weiter für einen Fall halten, der mehr
orge verlangt als der des anderen Toten, werden wir
eine auf Dauer friedliche Welt erreichen.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
8240 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Dr. Christoph Zöpel
Das ändert nichts daran, dass kollektive Identitäten in
der Geschichte existiert haben. Solange wir von kollekti-
ven Identitäten sprechen und solange sich kollektive
Identitäten ihre Staaten suchen, sind sie eine Realität.
Aber für mich bleiben sie nachrangig, und zwar den uni-
versellen Moralgesetzen nachrangig.
(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Sehr
richtig!)
Nachrangig gibt es eine deutsche Verantwortung, aus
der wir uns nicht stehlen können.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto
Solms)
Wir sollten uns aber darauf verständigen und auch mit
Israelis und Palästinensern darüber sprechen: Wird es
nicht wirklich einfacher, wenn wir uns – vor jeder
Schuldzuweisung an kollektiven Identitäten – dem Welt-
ethos, dem Denken von Kant, der europäischen Aufklä-
rung, die ohne die eminent wichtigen Beiträge jüdischer
Denker in Europa nicht möglich gewesen wäre, ver-
pflichtet fühlen,
(Beifall bei der SPD sowie des Abg.
Dr. Werner Hoyer [FDP])
Schritt für Schritt von diesem Denken in kollektiven
Schuldzuweisungen weiter Abschied nehmen und eine
Zukunft formulieren, in der jeder das gleiche Recht zum
Leben hat?
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Hildegard Müller von
der CDU/CSU-Fraktion.
Hildegard Müller (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Es gab schon viele Friedensprogramme für die Lö-
sung des Konflikts im Nahen Osten. Über zwei davon
debattieren wir heute und lassen ihnen dadurch eine be-
sondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Dies ist sicher-
lich richtig und wichtig.
Herr Stinner, ein Hinweis sei mir erlaubt: Wir haben
bewusst einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema
formuliert. Es ist auch gut so, dass sich das Parlament
für einen gemeinsamen Antrag entschieden hat.
Wir vergessen bei der Diskussion der Einzelpunkte
allerdings oft, dass es eine Vielzahl von Initiativen ab-
seits des großen Medieninteresses gibt, mit dem bei-
spielsweise der Geneva Accord in Berlin bedacht wurde.
Es gibt viele weitere Bausteine für den Frieden.
Ich bedauere zum Beispiel, dass etwa dem symboli-
schen Handschlag in der Friedenspräambel des früheren
israelischen Sicherheitschefs Ayalon und des Präsiden-
ten der Ost-Jerusalemer al-Quds-Universität, Nusseibeh,
in Deutschland nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil
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urde. Ein weiteres Beispiel für eine ganz konkrete und
raktische Initiative ist die von der Konrad-Adenauer-
tiftung begleitete Economic Working Group mit Reprä-
entanten der israelischen und der palästinensischen Re-
ierung. Diese Arbeitsgruppe hat kein Interesse am Pres-
erummel, sondern arbeitet an konkreten praktischen
irtschaftlichen Fortschritten im Alltag. Das ist, glaube
ch, eine sehr wichtige und friedensbildende Maßnahme.
All diesen gut gemeinten Initiativen steht jedoch der
error entgegen, ein Terror, den wir in Europa kaum er-
essen können. Allein in den vergangenen 40 Monaten
at es in Israel rund 18 000 Attacken der unterschied-
ichsten Art gegeben. Diese 18 000 Terrorattacken sind
eil einer bislang nicht enden wollenden Spirale der
ewalt.
Bevor wir also auf einen dauerhaften Frieden zwi-
chen zwei souveränen Ländern – einem jüdischen Staat
srael einerseits und einem palästinensischen Staat ande-
erseits – hoffen können, muss es zu einem Ende des
errors kommen. Dies bedeutet für mich auch, dass für
ine umfassende Friedensregelung alle Angriffe auf Is-
ael beendet werden müssen. Sie lassen sich in keiner
eise rechtfertigen und tangieren das berechtigte
chutzinteresse Israels.
Der so genannte Schutzwall, dessen Errichtung wir
uropäer sicher kritisch beobachten und über dessen
erlauf besonders diskutiert werden muss, wäre auf kei-
en Fall nötig, wenn die palästinensische Autonomiebe-
örde ihre Ankündigung, extremistische Gewalt zu be-
ämpfen, in die Tat umsetzte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Herr Volmer, es sei mir der Hinweis erlaubt, dass die-
er Schutzwall – egal über welchen Punkt man in diesem
usammenhang diskutiert – mit der Berliner Mauer un-
er keinen Umständen vergleichbar ist. Mit der Berliner
auer wurden die Bürger des eigenen Staates einge-
perrt. Das lässt sich mit der Situation im Nahen Osten
icht vergleichen.
(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das haben wir auch nicht verglichen!)
ch muss das an dieser Stelle erwähnen. Sie haben das
erade etwas merkwürdig formuliert.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)
Gerade Präsident Arafat müsste sich als Träger des
riedensnobelpreises der besonderen Verantwortung für
ein Volk bewusst sein. Dieser ist er bisher nicht gerecht
eworden. Im Sinne eines stabilen und dauerhaften Frie-
ens ist es richtig, dass wir auf die Rolle der Nachbarn
onkret Rücksicht nehmen.
Wie schwierig sich die Situation auf israelischer Seite
arstellt, konnten wir in diesen Tagen erkennen. Die An-
ündigung von Premier Scharon, die Siedlungen im Ga-
astreifen räumen zu lassen, ist richtig und von uns zu
egrüßen und zu unterstützen. Mir ist unverständlich,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8241
(A) )
(B) )
Hildegard Müller
dass Herr Beilin diese Position zurzeit kritisiert. Wir
brauchen diese Schritte. Sie werden jetzt zu Recht einge-
fordert.
Der wichtigste Schritt ist die Umsetzung der
Roadmap. Wir sollten die entsprechenden Punkte nicht
vergessen. Die Roadmap ist der erste gemeinsame Text
der vier Hauptakteure im Nahen Osten. Es ist wichtig,
dass dem Nahostquartett und nicht immer nur den ande-
ren, wie es gefordert wird, eine besondere Rolle zuge-
schrieben wird.
Gerade dies ist ein Punkt, bei dem wir Europäer uns
an die eigene Nase fassen müssen. Es ist nicht nur nach-
haltig ärgerlich, sondern auch indiskutabel, dass sehr
wahrscheinlich Terroraktivitäten auch mit EU-Geldern
indirekt finanziert worden sind. Gerade wir Deutschen
müssen konsequent darauf achten, dass die Gelder, die
wir für humanitäre Zwecke und zum Aufbau von Struk-
turen ausgeben, richtig verwendet und nicht zweckent-
fremdet werden. Präsident Arafat hat hierbei eine
Schlüsselposition.
Herr Außenminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie dies am Montag und Dienstag zusammen mit Ihren
belgischen und spanischen Kollegen vor Ort betonten:
Die Europäische Union ist keinesfalls bereit, zu akzep-
tieren, dass Gelder veruntreut werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Bevor wir also immer wieder von neuen Initiativen
sprechen, sollten wir uns selbst an unsere Garantien und
Versprechen halten. In diesem Sinne hat insbesondere
die Roadmap als staatliche Initiative, die wir unterstüt-
zen können und müssen, auch weiterhin unsere Unter-
stützung verdient. Mein Appell ist es, diesem Weg zum
Frieden zum Erfolg zu verhelfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Joseph Fischer.
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu
begrüßen, dass sich die Fraktionen hier auf einen ge-
meinsamen Antrag geeinigt haben und dass die Grundpo-
sition des Hauses voll in der Kontinuität der bisherigen
deutschen Außenpolitik steht: Unser Sonderverhältnis zu
Israel als Partner und Freund gründet auf der historischen
und moralischen Verantwortung unseres Landes für die
Verbrechen des Holocaust.
Daraus ergibt sich eine besondere Beziehung. Sie
lässt sich daran festmachen, dass das Existenzrecht
Israels – das heißt auch das Recht seiner Bürger, ohne
Angst vor Terror und Gewalttaten zu leben – für uns von
zentraler Bedeutung ist. Dieses Recht ist für uns unan-
tastbar und mit niemandem verhandelbar. Das sind die
Grundlagen, die seit Konrad Adenauer unbeschadet der
Zusammensetzung der Bundesregierung gelten und zu
den Grundfesten dieses Hauses gehören. Es ist wichtig,
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ass wir das bei einer solchen Debatte nochmals unter-
treichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Meine Erfahrung ist, dass es unsere arabischen Part-
er und Freunde schätzen, wenn sie wissen, woran sie
ind. Es nützt nichts, hier einen Zweifel aufkommen zu
assen. Meine Erfahrung ist, dass man auch und gerade
it der arabischen Seite viel vertrauensvoller umgehen
ann, wenn bei diesen Grundsatzfragen Klarheit besteht.
Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeich-
et, dass der Friedensprozess stagniert, dass die mörderi-
chen Terroranschläge gegen Männer, Frauen und Kin-
er in Israel fortgeführt werden. Auch auf der
alästinensischer Seite kommen unschuldige Menschen
Kinder, Zivilisten – zu Tode. Das Leid hält also auf
eiden Seiten an.
Auch die Alternativen sind klar: Ich denke, dass man
ier nochmals unterstreichen muss, was Präsident Bush
n seiner Rede am 4. Juni letzten Jahres definiert hat,
ämlich dass auf der Grundlage, dass zwei demokrati-
che Staaten, Israel und Palästina, friedlich Seite an Seite
eben, die Lösung gefunden werden muss.
Nun zur Bedeutung der Genfer Initiative. Zunächst
assen Sie mich festhalten, dass alle Elemente x-mal
urchdiskutiert worden sind. Alle Details bezüglich der
asserfrage, der Sicherheit und der territorialen Abgren-
ung bis auf die Ebene der einzelnen Straßen usw. – man
uss nur in die Schubladen beider Seiten greifen – sind
icht zehnmal, nicht hundertmal, sondern vermutlich
ausendmal in den Verhandlungen durchdiskutiert wor-
en. Selbst Elemente zur Lösung der schwierigsten Fra-
en, wie der Status von Jerusalem und das Rückkehr-
echt der Flüchtlinge und Ähnliches, sind vorhanden.
as eigentliche Problem ist also nicht, dass man nicht
eiß, wie der Endstatus aussehen soll. Vielmehr geht es
ier um eine Frage des politischen Willens und jenseits
avon auch der Mehrheits- und Zustimmungsfähigkeit
er Vorschläge.
Die große Resonanz, die der Vorschlag einer Zwei-
taatenregelung, der von Privatleuten, also von Nichtre-
ierungsmitgliedern, gekommen ist – darauf wurde hin-
ewiesen –, international, aber auch in Israel und auf
alästinensischer Seite gefunden hat, hat klar gemacht,
ass ein Vakuum existiert, was die Friedensperspektive
etrifft. Die Genfer Initiative verdient genau unter dem
esichtspunkt, dass ein historischer Kompromiss zwi-
chen diesen beiden Völkern in diesem langen tragi-
chen Konflikt denkbar geworden ist, weil Elemente zur
ösung vorhanden sind, Unterstützung.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Richtig!)
ie Schwierigkeit liegt aber, wie gesagt, in dem Weg
orthin. Hier ist es aus unserer Sicht unverzichtbar, an
er Roadmap festzuhalten.
Bei allen Schwierigkeiten, die gegenwärtig groß sind,
öchte ich folgende Erfahrung in Erinnerung rufen.
ine Folge des Scheiterns des Abkommens von Camp
8242 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Bundesminister Joseph Fischer
David, wo die USA unter Präsident Clinton noch allein
verhandelt haben, war, dass der frühere amerikanische
Senator Mitchell einen weiteren Anlauf unternahm und
die so genannten Mitchell-Vorschläge unterbreitete. Was
ist von diesen so genannten Mitchell-Vorschlägen ge-
blieben? Zum ersten Mal in der Geschichte des Nahost-
konfliktes haben die wesentlichen internationalen Ak-
teure eine gemeinsame Position vertreten. Das mag auf
den ersten Blick wenig sein, aber die Gemeinsamkeit der
internationalen Staatengemeinschaft ist meines Erach-
tens von zentraler Bedeutung. USA, Europa, Russland
und die Vereinten Nationen, vertreten durch den Gene-
ralsekretär, haben versucht, die Dinge in dieselbe Rich-
tung zu bewegen.
Diese Erkenntnis ist in das Quartett, in dem Europa
durch Javier Solana vertreten ist, mit eingeflossen. Inso-
fern rate ich dringend dazu, dieses Element auf keinen
Fall infrage zu stellen und aufzugeben. Es ist von überra-
gender Bedeutung. Wenn dieses Quartett auseinander
fallen würde, würden jeweils beide Seiten wieder versu-
chen, wie wir es in den Jahrzehnten vorher oft erlebt ha-
ben, unterschiedliche Positionen bei unterschiedlichen
Partnern voranzubringen, getreu dem Motto: Funktio-
niert es diesseits des Atlantiks nicht, geht man auf die
andere Seite und umgekehrt. Das sind für mich die ent-
scheidenden Punkte, die für die Roadmap als eine Ver-
einbarung, die von der internationalen Staatengemein-
schaft getragen wird, sprechen.
Lassen Sie mich Folgendes in Richtung FDP sagen:
Erstens glaube ich, dass die Tonalität eine große
Rolle spielt. Wenn Ihr Antrag vom Deutschen Bundestag
angenommen worden wäre, dann hätten wir – das pro-
phezeie ich Ihnen – in Israel großen Interpretationsbe-
darf und hätten das Gegenteil von dem erreicht, was das
Haus will und was ich voll unterstütze.
(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Rich-
tig!)
Gerade in diesem sensiblen Konflikt kommt es nicht nur
darauf an, wie wir die Dinge sehen, sondern auch darauf,
wie wir wahrgenommen werden. Unsere Geschichte ist
zwar oft Last, aber im Nahostkonflikt haben wir uns Ver-
trauenskapital auf beiden Seiten erworben, und zwar
nicht erst diese Bundesregierung; ich habe vorhin darauf
hingewiesen, dass das eine lange Tradition hat. Damit
sollten wir sorgsam umgehen. Das heißt, mit allen, mit
denen wir sprechen, müssen wir aufgrund der existenz-
bedrohenden Situation und der Ängste, die auf Existenz-
bedrohung gründen, sehr sensibel umgehen. Deshalb
freue ich mich, dass hier der Ton insgesamt – die Tonali-
tät ist, wie gesagt, oft sehr wichtig im Nahostkonflikt –
ein anderer ist. Mir fehlt jetzt die Zeit, um darauf näher
einzugehen.
Ein zweites wesentliches Element, um das es gegen-
wärtig geht – diese Diskussion hat in Israel begonnen
und wird auf palästinensischer Seite schon länger ge-
führt –, ist die Frage der Demographie. Wenn man die
demographische Struktur erhalten will – wir unterstützen
das mit dem Existenzrecht Israels, eines jüdischen Staa-
tes Israel –, wird an einer Zweistaatenlösung kein Weg
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orbeiführen können; denn alles andere würde dazu füh-
en, dass die demographische Struktur eines nicht allzu
ernen Tages dem jüdischen Charakter des Staates Israel
uwider laufen würde.
Das Dritte ist: Terror und Gewalt müssen ein Ende
aben. Das Vierte ist: Die Palästinenser müssen eine
erspektive haben. Weiterer territorialer Verlust wird
on ihnen nicht hingenommen werden. Das sind die Ele-
ente, mit denen wir es beim Siedlungsbau und beim
bbau von Siedlungen in Wirklichkeit zu tun haben.
Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird
eiterhin versuchen, den mühseligen Prozess der An-
ährung zu unterstützen, ihn zu begleiten, Ideen zu ent-
ickeln, weil es sich um einen Konflikt handelt, der in
iner hochgefährlichen Region stattfindet. Sosehr ich für
ine Initiative für den Nahen Osten bin, wie sie von ame-
ikanischer Seite nach den Ereignissen vom 11. Septem-
er 2001 überlegt wird, glaube ich nicht, dass diese Ini-
iative erfolgreich sein wird, wenn man meint, sie um
en Nahostkonflikt herum umsetzen zu können. Wir
erden uns nicht zur Geisel dieses Konfliktes machen
ürfen, aber wir werden ihn auch nicht ausklammern
ürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
s ist notwendig, darüber in der Zukunft Diskussionen
it unseren amerikanischen Partnern zu führen.
Meine Damen und Herren, die Lösung des Nahost-
onfliktes ist gewiss nicht alles. Der Nahostkonflikt ist
uch nicht für alle negativen Entwicklungen im Nahen
sten verantwortlich; solchen Behauptungen muss man
ntgegentreten. Seit der Gründung des Staates Israel im
ahre 1948 wurde der Konflikt immer wieder dafür be-
utzt, von dem Versagen von nationalen Eliten, unhalt-
aren Zuständen, mangelnder Entwicklungsperspektive
nd Ähnlichem mehr abzulenken. Es wird jedoch, ohne
ass der Nahostkonflikt auf dem Wege eines histori-
chen Kompromisses gelöst wird, einen dauerhaften
rieden in der Region nicht geben. Auch das ist ein we-
entlicher Punkt, den wir beachten müssen.
Auf dieser Grundlage werden wir versuchen, den Pro-
ess voranzubringen. Die Genfer Initiative war dafür ein
edeutendes Signal und verdient als solches jede Unter-
tützung. Aber klar muss auch sein: Der Weg führt über
ie Roadmap, über den Zusammenhalt der Staatenge-
einschaft und vor allen Dingen über die Beendigung
on Terror und Gewalt.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Hörster von
er CDU/CSU-Fraktion.
Joachim Hörster (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin
ankbar dafür, dass die Fraktionen dieses Hohen Hauses
en vorliegenden gemeinsamen Antrag zustande ge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8243
(A) )
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Joachim Hörster
bracht haben. Ich glaube, das war die logische Konse-
quenz aus der Anhörung der Vertreter der Genfer Initia-
tive, die wir im Auswärtigen Ausschuss durchgeführt
haben. Wir alle wissen, dass die Genfer Initiative zwar
kein Abkommen ist und dass sie keine völkerrechtliche
Qualität hat. Aber in folgendem Punkt möchte ich dem
Kollegen Volmer zustimmen: Es ist der erste Vorschlag,
der kein Detail ausgelassen hat, das geklärt werden
muss, damit man zu einer Lösung kommen kann. Des-
wegen finde ich, dass eine solche Initiative, die sich sehr
konkret auf die einzelnen Sachverhalte bezieht, in dem
eigentlich bereits vorhandenen internationalen Rahmen
notwendig war.
Ich erinnere daran, dass wir den Barcelona-Prozess
und die Roadmap haben. Es gibt auch den Friedensplan
des saudischen Kronprinzen Abdullah, der von der Ara-
bischen Liga immerhin einstimmig beschlossen worden
ist. Dieser Friedensplan wird nach meinem Dafürhalten
zu wenig beachtet, vielleicht auch deswegen, weil er mit
einem Problem beginnt, das nicht so gelöst werden kann,
wie es im Friedensplan vorgesehen ist. Denn dort wird
die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge in ihre
frühere Heimat verlangt. Jeder, auch in der arabischen
Welt, weiß, dass das völlig unrealistisch ist. Mehr als
80 Prozent der palästinensischen Flüchtlinge sind in
Syrien und Jordanien voll integriert. Aufgrund des Be-
völkerungsgleichgewichtes stellen sie im Libanon ein
Problem dar. Dort muss eine Lösung gefunden werden.
Aber in Tat und Wahrheit geht es ja darum – auch das
wissen die arabischen Staaten –, eine Entschädigungs-
grundlage zu schaffen.
Wir müssen einmal klarstellen: Die Kritik, die eben
geäußert worden ist, wir Deutschen und die Europäische
Union würden für die Lösung des Konfliktes zu wenig
tun, ist nicht gerechtfertigt, Herr Stinner. Wenn es ums
Zahlen und um die Leistung konkreter Hilfe geht, dann
tun wir das und haben das in der Vergangenheit in aller
Regel getan. Deswegen wird es eine Lösung bezüglich
der Flüchtlinge ohne unsere finanzielle Hilfe und ohne
unser wirtschaftliches Engagement nicht geben. Ich bin
der Auffassung, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben.
Ich bin sehr zufrieden, dass der Bundesaußenminister
auf der Münchener Sicherheitskonferenz alle diese
Initiativen, einschließlich der von der amerikanischen
Regierung angekündigten größeren Initiative für den Na-
hen und Mittleren Osten, zusammengefasst hat.
Nach meiner Meinung steht das Rahmenwerk. Wir
müssen jetzt dafür sorgen, dass die beiden betroffenen
Parteien, nämlich Israel und Palästina, versuchen, die
Vorschläge, die es im Rahmen dieser Friedensinitiative
für die Lösung der Probleme gegeben hat, nach und nach
abzuarbeiten. Dann kommt man nach meinem Dafürhal-
ten weiter. Wenn diese Vorschläge nach und nach abge-
arbeitet werden, dann wird damit das Vertrauen geschaf-
fen, das auf beiden Seiten notwendig ist. Dass es bisher
nicht vorangegangen ist, liegt daran, dass in der einen
Gesellschaft kein Vertrauen in die jeweils andere Gesell-
schaft vorhanden ist.
Ich habe das größte Zutrauen in die israelische Ge-
sellschaft, wenn es um die Problemlösungskompetenz
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eht. Die palästinensische Gesellschaft, vor allem ihre
olitische Führung, hat im Grunde genommen in der
ergangenheit weitestgehend versagt. Selbst wenn ich
as in Rechnung stelle, was der Kollege Gröhe hinsicht-
ch der Lebensbedingungen der Palästinenser zutreffend
eschildert hat, muss ich sagen: Die Palästinenser haben
iele Chancen nicht genutzt. Sie haben beispielsweise
icht die Chance genutzt, mehr Demokratie zu schaffen.
as wäre möglich gewesen; dieser Prozess wäre von Is-
ael nicht behindert worden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP)
Die Palästinenser hätten ein besseres Bildungssystem
chaffen können. Auch das wäre von Israel nicht behin-
ert worden. Sie hätten ihrer Bevölkerung aufgrund der
ilfen der Europäischen Union eine Friedensdividende
ukommen lassen können. Dann wäre es nicht dazu ge-
ommen, dass heute viele Palästinenser unter der Ar-
utsgrenze leben.
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sehr
wahr!)
ie jetzige Situation hätte verhindert werden können.
ie ist die Folge des Versagens der palästinensischen Re-
ierung. Dafür sind nicht – das muss man festhalten –
ie äußeren Einflüsse verantwortlich zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten der SPD und des Abg.
Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Ich verfolge die Diskussion in der israelischen Ge-
ellschaft, weil dort, wie ich glaube, der Schlüssel zur
ösung dieses Konflikts liegt. Diese Gesellschaft besitzt
ie größere Friedenskompetenz und den größeren Wil-
n, den Frieden herbeizuführen. Allerdings will ich die-
nigen, die auf palästinensischer Seite an der Genfer
nitiative mitgearbeitet haben, nicht herabsetzen. Ganz
Gegenteil: Angesichts des Kurses der palästinensi-
chen Führung muss man sagen, dass es sich um extrem
utige Menschen handelt. Auch deswegen müssen sie
nterstützt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bei Abgeordneten der SPD und des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, dass Uri Avnery Recht hat, wenn er die
ituation in Israel wie folgt beschreibt:
Während der letzten Monate ist in der öffentlichen
Meinung eine bemerkbare Wende eingetreten. Dies
hat verschiedene Gründe: allgemeine Müdigkeit der
endlosen Spirale des Blutvergießens, die Erkennt-
nis, dass es keine militärische Lösung gibt, die Ver-
schlechterung der wirtschaftlichen Krise, die uner-
müdliche Aktivität der radikalen Friedensgruppen.
Die Liste der sich häufenden Symptome wird län-
ger: die Bewegung der jungen Leute, die den Ar-
meedienst in den besetzten Gebieten verweigern;
die Revolte der 30 Luftwaffenpiloten; die Ayalon-
8244 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Joachim Hörster
Nusseibeh-Initiative; das Statement der vier frühe-
ren Geheimdienstchefs; die Kritik vom General-
stabschef und in dieser Woche der öffentliche An-
griff der Reserveoffiziere auf die fortdauernde
Existenz der Siedlung Nezarim im Gazastreifen.
Die Genfer Initiative gab dieser Wende in Israel ei-
nen großen Auftrieb – und im Ausland ein ein-
drucksvolles Echo.
Die Teilnahme von internationalen Persönlichkei-
ten bei der feierlichen Zeremonie in der Schweiz
verliehen ihr Rang und Prestige.
Im weiteren Verlauf dieses Artikels, der am
6. Dezember des vergangenen Jahres erschienen ist, er-
innert sich Uri Avnery an eine erste Konferenz mit Pa-
lästinensern, die nach seiner Erinnerung vor 31 Jahren in
Bologna stattgefunden hat. Er erinnert sich, dort gesagt
zu haben:
Der Vietnamkrieg wird in der amerikanischen Öf-
fentlichkeit gewonnen, der algerische Krieg in der
französischen Öffentlichkeit, und der palästinensi-
sche Krieg wird in der israelischen öffentlichen
Meinung gewonnen werden.
Unser Anteil kann darin liegen, dass wir unverrückbar
an dem Standpunkt der deutschen Politik festhalten, der
seit Konrad Adenauer – der Bundesaußenminister und
andere haben es gesagt – gilt, nämlich dass das Existenz-
recht des Staates Israel in keiner Weise infrage gestellt
werden kann, dass wir eine Sonderbeziehung haben, die
auch so bleiben wird.
Meine persönliche Erfahrung ist im Übrigen: Wenn
man das arabischen Freunden und Gesprächspartnern
genauso sagt, wird dies akzeptiert und auch anerkannt.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/
Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/2392 mit
dem Titel „Roadmap wieder beleben – Genfer Initiative
unterstützen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist ein-
stimmig angenommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/
CSU und der FDP)
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Hofbauer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann,
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weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der re-
gionalen Wirtschaftsstruktur“ als gesamtdeut-
schen Strukturförderungsrahmen erhalten
und fortentwickeln
– Drucksache 15/1986 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile
ch das Wort dem Kollegen Klaus Hofbauer von der
DU/CSU-Fraktion.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
erren! Ohne jegliche Ankündigung, ohne Information
er zuständigen parlamentarischen Gremien, ja in einer
acht-und-Nebel-Aktion hat die rot-grüne Bundesregie-
ung den Bundesanteil der Gemeinschaftsaufgabe
West“ gestrichen. Selbst Übergangsregelungen sind
icht geplant.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Unerhört!)
ngesichts der aktuellen Diskussion über die europäi-
che Strukturpolitik ist dies ein völlig falsches Signal
ach Brüssel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Warum soll die EU Deutschland Strukturförderung
ewähren, wenn die rot-grüne Bundesregierung natio-
ale Mittel streicht und damit selbst die Strukturpolitik
n der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt?
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)
ie Bundesregierung beteuert immer wieder, auf euro-
äischer Ebene um nationale Handlungsspielräume in
er Strukturpolitik zu kämpfen. Aufgrund ihrer Ent-
cheidung zur GA ist dies ein reines Lippenbekenntnis.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
So schaut es aus!)
as macht es für einen Sinn, nationale Eigenverantwor-
ng zu fordern, wenn man die bewährten Instrumente
er nationalen Strukturförderung finanziell aushöhlt? Er-
uben Sie mir diese zentrale Aussage: Wer die GA
West“ abschafft, ist nicht weit davon entfernt, die GA
Ost“ auf null zu fahren. Das ist das zentrale Thema, das
ir ansprechen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8245
(A) )
(B) )
Klaus Hofbauer
Die Strukturpolitik der verschiedenen Ebenen, ange-
fangen von den Kommunen bis hin zu Europa, hat in den
letzten Jahren bei uns in Deutschland viel Positives be-
wirkt.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist wohl
wahr!)
Der Auftrag des Grundgesetzes, gleichwertige Lebens-
bedingungen zu schaffen, wurde vielfach erreicht. Be-
stimmte begrüßenswerte Ereignisse, zum Beispiel die
Wiedervereinigung Deutschlands, die EU-Osterweite-
rung, die Globalisierung usw., erfordern auch in den
nächsten Jahren eine zukunftsorientierte nationale Struk-
turpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für mich ist entscheidend: Strukturpolitik hat mit
Subventionen nichts zu tun. Strukturpolitik ist ein ent-
scheidender Beitrag zur Schaffung, Sicherung und Er-
haltung von Arbeitsplätzen, insbesondere im ländlichen
Raum.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei der GA beweist die Bundesregierung schon seit
Jahren Konzeptlosigkeit. Ich darf kurz erinnern: Noch
im Sommer 2002 beschloss die rot-grüne Mehrheit in
diesem Hause einen eigenen Antrag mit dem Titel „Die
Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur als regelgebundenes Fördersystem
erhalten“. Nach der Bundestagswahl wurde dieser An-
trag vergessen.
In den rot-grünen Haushaltsberatungen wurde die GA
„West“ ganz gestrichen und die Mittel für die GA „Ost“
wurden weiter gekürzt. Damit setzt Rot-Grün die Ge-
meinschaftsaufgabe in ganz Deutschland aufs Spiel.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Leider wahr!)
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur“ ist das wichtigste nationale
Instrument der Strukturförderung. Sie ist ein bewährter
Ordnungs- und Koordinierungsrahmen, der Subven-
tionswettläufe wirksam verhindert. Die GA – das ist ein
zentraler Punkt – wirkt direkt in die Unternehmen hi-
nein. In meinem Wahlkreis laufen zurzeit noch 17 An-
träge zur GA mit einem Investitionsvolumen von
37 Millionen Euro. Allein diese Zahl beweist, dass sich
mittelständische Unternehmen zum Beispiel auf die EU-
Osterweiterung vorbereiten wollen und deshalb investie-
ren. Wenn im Rahmen von 17 Anträgen 37 Millionen
Euro investiert werden, dann ist das der Beweis, dass
insbesondere unsere mittelständischen Firmen eine
konkrete Hilfe erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die GA
weist – wie sonst kaum ein anderes Programm auf euro-
päischer Ebene – eine nachvollziehbare Erfolgskon-
trolle auf. Als so genannter Wessi möchte ich klar und
deutlich zum Ausdruck bringen: Die GA wird auch in
Zukunft in den neuen Bundesländern eine ganz entschei-
dende Rolle spielen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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Wir wissen nicht, wie die Verhandlungen zur Struk-
urpolitik auf europäischer Ebene ausgehen werden. Es
st leichtfertig, ich möchte sagen, es ist unverantwort-
ich, in dieser Phase der europäischen Diskussion über
ie Strukturpolitik die Mittel für die GA zu kürzen. Ich
öchte ein ganz klares Bekenntnis der CDU/CSU-Bun-
estagsfraktion zur GA in den neuen Bundesländern ab-
egen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es ist für mich wichtig, festzustellen, dass es auch in
en westlichen Bundesländern verschiedene Problemge-
iete gibt. Ich denke an das ehemalige Zonenrandgebiet,
n die Küstenregionen und die strukturschwachen Ge-
iete, die es nach wie vor gibt. Im ehemaligen Zonen-
andgebiet, an der Grenze zwischen Niedersachsen und
en neuen Bundesländern, gibt es bereits ein ganz ge-
altiges Fördergefälle. Wir können die Förderung doch
icht auf null herunterfahren.
Der Herr Bundesverteidigungsminister ist jetzt anwe-
end. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten
ine Diskussion um die Reduzierung der Bundeswehr-
tandorte führen. Herr Minister der Verteidigung, Sie
aben gesagt, strukturpolitische Überlegungen spielten
ei Ihren Standortentscheidungen keine Rolle. Natürlich
pielen Bundeswehrstandorte eine ganz wichtige struk-
urpolitische Rolle. Sie befinden sich überwiegend in
ändlichen Räumen. Wenn diese strukturpolitischen
berlegungen für die Bundeswehr – ich habe Verständ-
is für diese sachliche Entscheidung – keine Rolle spie-
en, dann müssen wir uns Instrumente überlegen, um den
egfall der Bundeswehrstandorte abzufedern und die
adurch entstehenden strukturpolitischen Probleme zu
ösen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte noch einen Punkt konkret ansprechen, der
ie Grenzregionen zu den EU-Beitrittsländern be-
rifft. Diese Gebiete werden nicht nur einem ganz gewal-
igen Fördergefälle ausgesetzt sein, sondern auch einem
ohn- und Wohlstandsgefälle. In den Grenzregionen be-
rifft das besonders den Mittelstand und das Dienstleis-
ungsgewerbe. Deswegen möchte ich noch einmal klar
nd deutlich an das gewaltige Versprechen erinnern, das
er Herr Bundeskanzler vor wenigen Jahren in Ostbay-
rn abgegeben hat. Er hat gesagt:
Das gehört zusammen: ein vernünftiges, auch mate-
riell unterlegtes Programm der Förderung der
Grenzregionen, aber auch die Chance, dass wir mit
unseren regionalen und nationalen Förderinstru-
menten, ohne dass dies als Beihilfe aus Brüssel be-
griffen wird, Strukturpolitik nicht nur bereden, son-
dern wirklich machen können. Dies beides gehört
zusammen und wir haben für beides zu sorgen.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da hat er Recht!)
Er hat Recht. Bisher ist aber nichts geschehen.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Es gilt das gebrochene Wort!)
8246 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Klaus Hofbauer
Ich fordere den Bundeskanzler jetzt auf, sich endlich
für diese Aussage zu rechtfertigen bzw. entsprechend zu
handeln oder sich wieder bei den Menschen zu entschul-
digen. Das hat er schon oft gemacht, wenn er falsche
Aussagen getroffen hat. Meine zentrale Forderung lau-
tet: Herr Bundeskanzler, entweder Sie entschuldigen
sich für diese Aussage oder Sie handeln endlich und hal-
ten die Zusagen, die Sie gemacht haben, ein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Ich glaube, dass es in dieser wichtigen Entschei-
dungsphase insbesondere im Hinblick auf die Diskus-
sion in Europa darum geht, die Gemeinschaftsaufgabe
insgesamt in der Bundesrepublik zu erhalten. Es wird
unsere zentrale Forderung sein, die Strukturpolitik wei-
terzuentwickeln. In diesem zentralen Punkt besteht
Handlungsbedarf.
Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ergeben
sich daher folgende grundsätzliche Forderungen, die
auch in dem von uns eingereichten Antrag enthalten
sind.
Erstens. Die GA muss als regelgebundenes System ei-
ner gemeinsamen Regionalförderung von Bund und
Ländern auf Dauer erhalten bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Peter
Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zweitens. Die GA ist perspektivisch zu einem ge-
samtdeutschen Strukturförderungsinstrument fortzuent-
wickeln.
Drittens ist für mich eines von ganz entscheidender
Bedeutung: Angesichts des Haushaltsvermerks für das
Jahr 2004 frage ich mich, warum dies nicht umgesetzt
wird. Welche Streitpunkte gibt es zwischen dem Finanz-
und Wirtschaftsministerium, die zu Verzögerungen füh-
ren? Hier muss Klarheit geschaffen werden, damit diese
Gelder ausgereicht werden können.
Es reicht nicht, eine Sicherheit lediglich für das
Jahr 2004 zu bekommen, sondern dies muss auf Dauer
geregelt werden. Wir brauchen auch in Zukunft eine na-
tionale Strukturpolitik. Sie muss entsprechend gestaltet
werden. Deswegen bitte ich Sie, dem Antrag der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Ernst Hinsken [CDU/CSU]:
Eine sehr gute Rede!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Müller von
der SPD-Fraktion.
Christian Müller (Zittau) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Lieber Herr Hofbauer, Sie sprachen eben von einer
Nacht-und-Nebel-Aktion des Bundeswirtschaftsminis-
ters. Das war es doch wohl nicht. Denn er hat seine Posi-
tion immerhin ausführlich, zeitig und auch begründet
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orgetragen. Mindestens das soll an dieser Stelle er-
ähnt werden. Es kann ja wohl keinesfalls darum gehen
Sie unterstellen das aber –, dass die Koalition dabei
ei, nach der GA „West“ nun auch noch die GA „Ost“
bzuschaffen. Erstens sprechen die Tatsachen dagegen
nd zweitens ist das auch nicht unser Ziel. Ich finde, an-
esichts der Komplexität dieses Themas, die auch mit
en Beziehungen zwischen Bund und Ländern zu tun
at, ist das eine zu einfache Argumentation.
Dann erwähnten Sie dankenswerterweise unseren An-
rag auf Drucksache 14/9242 aus dem Jahre 2002, den
er Deutsche Bundestag beschlossen hatte und der – das
önnen Sie ja nachlesen – mit einem ähnlichen Titel aus-
estattet war. Sie meinen nun, dieser Antrag sei verges-
en. Ich kann Ihnen nur sagen: Ganz im Gegenteil; denn
ieser Antrag hat noch heute seine Funktion. Damals al-
erdings war er eine notwendige Reaktion des Deutschen
undestages auf den Beschluss der Ministerpräsidenten
er Länder vom Juni 2001, die Finanzbeziehungen zwi-
chen Bund und Ländern neu zu ordnen. Demnach soll-
en beispielsweise auch die Gemeinschaftsaufgaben auf-
egeben werden.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Das ist doch eine ganz andere Frage!)
Geschätzter Kollege, das ist keine andere Frage. Denn
er die Mischfinanzierung abschaffen will, muss logi-
cherweise auch über die Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
esserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ reden.
as tut mir Leid.
Im Übrigen ist dies damals aufgrund einer Initiative
er Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-
estfalen zustande gekommen. Auch dies soll der Kor-
ektheit halber erwähnt werden. Im Kontrast dazu hatten
er Wirtschaftsminister des Bundes und die der Länder
m Mai 2002 ihrer Absicht Ausdruck verliehen, die Ge-
einschaftsaufgabe zu erhalten. Auch das gehört zu dem
ehr interessanten Konzert von Meinungen, die wir
eute kennen.
Der heute vorliegende Antrag der CDU/CSU greift
ieses Thema wieder auf und setzt in seinen wesentli-
hen Zielen gleiche Akzente, die bereits Gegenstand des
eschlusses des Deutschen Bundestages waren. Aller-
ings – das ist korrekt – hat sich die Situation um die GA
m Jahr 2003 verändert. Im Zuge der Haushaltsberatun-
en des vergangenen Jahres begründete der Wirtschafts-
inister seine Position, nach der die GA „West“ bis zum
ahr 2006 auslaufen soll. Seitens des Bundes sollten da-
er ab dem Haushaltsjahr 2005 keine neuen Verpflich-
ungsermächtigungen zur Verfügung gestellt werden. Da
ber bis 2006 ein genehmigtes Fördergebiet vorliegt,
önnten die westdeutschen Länder bis dahin von dieser
örderkulisse Gebrauch machen.
Die Koalitionsfraktionen gelangten im Zuge der
aushaltsberatungen jedoch zu der Auffassung, dass es,
erade unter Bezug auf die Beschlusslage des Deutschen
undestages, als nicht sinnvoll erscheint, durch eine rein
aushaltspolitische Entscheidung einem fachpoliti-
chen Entscheidungsprozess über die Mischfinanzierun-
en vorzugreifen. Wir sind nämlich der Ansicht, dass
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8247
(A) )
)
Christian Müller (Zittau)
dies nicht pauschal geschehen darf, sondern dass zwi-
schen den verschiedenen Formen von Mischfinanzierun-
gen und Gemeinschaftsaufgaben abgewogen werden
muss. Wesentlich ist: Wir als Deutscher Bundestag wol-
len uns dazu natürlich auch äußern dürfen.
Die parlamentarische Beratung des vorliegenden
Antrags allein wird diesen komplizierten Abwägungs-
prozess zwischen Bund und Ländern allerdings nicht
auflösen können. Deswegen rate ich Ihnen von der Op-
position, nicht zu sehr mit dem Finger auf die Bundesre-
gierung zu zeigen; denn es wird, wenn es um die Finanz-
beziehungen zwischen beiden Partnern geht, auch sehr
auf die Haltung der Bundesländer ankommen. Auch
das Agieren Bayerns, dessen Ministerpräsident immer-
hin für die Abschaffung der Mischfinanzierung gewesen
ist, sollte in diesem konkreten Zusammenhang sehr auf-
merksam betrachtet werden.
(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Hört! Hört!)
Eine anders lautende, offizielle Position kenne ich bis
heute nicht.
Um für diesen Klärungsprozess, der notwendig ist,
genug Zeit zu haben, haben die Koalitionsfraktionen in
einer gründlichen Abwägung verschiedener Positionen
mithilfe eines Haushaltsvermerks im Titel der GA „Ost“
100 Millionen Euro zur Verwendung für die GA „West“
zur Verfügung gestellt, den Planungsausschuss der Ge-
meinschaftsaufgabe mit der Umsetzung betraut und den
Deutschen Bundestag um einen Bericht dazu gebeten.
Wir gehen davon aus, dass dies – zunächst einmal für
den Nahbereich – zu einem erträglichen Kompromiss
führt.
Die Kritik im vorliegenden Antrag hinsichtlich der
generell sinkenden Mittelausstattung muss jedoch
deutlich relativiert werden. Erstens ist dies ein bedauerli-
cher Prozess, den wir bereits vor acht Jahren, zu Zeiten
einer anderer Regierung, konstatiert und auch kritisiert
haben.
Zweitens muss die aktuelle Lage bei der Mittelaus-
stattung im Kontext der Haushaltslage des Bundes und
der Länder und der unabweisbaren Notwendigkeit zur
Einsparung von Haushaltsmitteln gesehen werden. Drei
Jahre ohne Wachstum haben ihre Spuren hinterlassen;
das wissen Sie. Auch daran sollte die Opposition den-
ken, die keine Gelegenheit auslässt, den Bundesfinanz-
minister wegen zu hoher Neuverschuldung zu kritisie-
ren.
Drittens sollten Sie sich einen Überblick darüber ver-
schaffen, in welchem Umfang die bereitgestellten Mittel
von den Ländern, insbesondere auch den ostdeutschen
Ländern, kofinanziert werden können und dort abflie-
ßen.
Die Koalitionsfraktionen wollen die Gemeinschafts-
aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur“ als regelgebundenes Instrument der Regio-
nalförderung erhalten. Entwicklungsprobleme von
Regionen, regionale Disparitäten werden auch künftig
eintreten; die Ursachen dafür sind hinlänglich bekannt
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nd sollen nicht auch noch von mir erwähnt werden. Je-
enfalls wissen wir, dass meistens die ohnehin struktur-
chwachen Regionen – sehr oft sind es ländliche – davon
etroffen sind.
Deshalb begrüßen wir – im Unterschied zu Ihnen –
as von der Bundesregierung formulierte Ziel, im Zuge
iner Begrenzung des nationalen Beitrags zum Haushalt
er Europäischen Union und deren Strukturpolitik Spiel-
äume für eine eigenständige Regionalpolitik zurückzu-
ewinnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des
Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])
ies bedarf jedoch eines verlässlichen und erprobten In-
truments, das bei aller Flexibilität als regelgebundenes
ystem Subventionswettläufe zu verhindern in der Lage
st. Wir meinen, dass die Gemeinschaftsaufgabe, wie wir
ie kennen, diese Bedingung sehr gut erfüllt. Es wäre
lso nicht sinnvoll, dieses Instrument aus der Hand zu
eben. Im Gegenteil – darauf verweist auch der Koali-
ionsantrag vom Juni 2002 eindeutig –: Die GA, die
emeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
irtschaftsstruktur“, ist ein geeigneter Koordinie-
ungsrahmen auch für die künftigen raumwirksamen
olitiken des Bundes und der Länder. Den wollen wir
ntwickeln, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb werden wir die GA auch für die Zeit nach
006 in Angriff nehmen und auf den Weg bringen. Aller-
ings – das ist meine abschließende Bemerkung zu die-
em Thema – müssen auch die Länder klar sagen, ob sie
ies so wollen, und sich vor allen Dingen darauf verstän-
igen, mit welchem Instrument die zurückzugewinnen-
en Handlungsspielräume ausgefüllt werden sollen. Wir
ind der Meinung, dass dies die GA sein kann, aber ohne
ie Länder wird es nicht gehen.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist wahr!)
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gudrun Kopp von der
DP-Fraktion.
Gudrun Kopp (FDP):
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen!
hne Zweifel gibt es am Wirtschaftsstandort Deutsch-
and riesengroße Probleme. Die Verhältnisse in den je-
eiligen Regionen sind sehr unterschiedlich. Das hat
rsachen, die wir alle kennen. Die rot-grüne Bundesre-
ierung hat es bis heute nicht geschafft, verlässliche
ahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, und
war für ganz Deutschland, bereitzustellen. Das ist der
auptkritikpunkt. Angesichts der jetzt Jahrzehnte zu-
ückliegenden Aufgaben- und Finanzverflechtungen
(B)
8248 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Gudrun Kopp
im Zeichen der Vereinheitlichung der Lebensverhält-
nisse scheint ein besonderer Bedarf an einer Entflech-
tung vorzuliegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
In einem System, in dem alle mitreden und alle ge-
meinsam bezahlen und meist der kleinste gemeinsame
Nenner als Kompromiss herhalten muss, trägt kaum je-
mand Verantwortung. In einem solchen System wird
vielmehr das Monopol des Stillstands gefestigt, ohne
dass Anreize zu Innovation und Kreativität gegeben wer-
den.
Nach Art. 30 des Grundgesetzes sind für die Regio-
nalförderung die Länder zuständig. Gemäß Art. 91 a des
Grundgesetzes wirkt der Bund bei den Gemeinschafts-
aufgaben mit. Die Frage, die sich angesichts dessen
stellt, lautet, wie wir einen gesunden Wettbewerb beför-
dern. Dazu scheint, wie ich finde, der vorliegende An-
trag der CDU/CSU-Fraktion leider nicht beitragen zu
können. Auch wir Liberale, wir von der FDP, wollen
nicht, dass hier ein kurzsichtiger Kahlschlag stattfindet.
Es ist aber unsere Aufgabe, aufzuzeigen, wohin die
Reise gehen soll. Die bisherige Förderung auf Dauer und
trotz des wachsenden Europas so beizubehalten, das
werden wir nicht durchhalten. Dieser realistischen Sicht-
weise müssen wir uns stellen. Eine Fortführung der Ge-
meinschaftsaufgaben auf ewig ist unrealistisch.
(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das wollen wir ja auch nicht!)
Realistisch ist dagegen, die Notwendigkeit zu erken-
nen, dass wir versuchen müssen, eine neue Föderalis-
musdebatte zu führen, die überfällig ist. Wir müssen
klären, wer wofür zuständig ist und wer wofür Verant-
wortung übernimmt. Wir brauchen eine Agenda, die
folgende Punkte beinhaltet: mehr Wettbewerb; mehr
Kompetenzen auf regionaler Ebene; weniger Mischfi-
nanzierung; Aufgabenentflechtungen; eindeutige Zuord-
nung von Verantwortlichkeiten in bestimmten Berei-
chen.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen gemeinsam an der Erstellung eines ent-
sprechenden Rahmenkonzepts arbeiten, mit dem der
ökonomische Niedergang unseres Landes wirksam be-
kämpft werden kann. Wir haben im Moment eine struk-
turelle Reformunfähigkeit – das sagte ich schon –, die
die rot-grüne Bundesregierung zu verantworten hat.
Diese gilt es auszumerzen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]:
Der Missbrauch des Namens „Merz“ muss be-
endet werden!)
Strukturelle Reformen unserer politischen Institutio-
nen verdienen dann diesen Namen, wenn sie zu mehr
Wettbewerb, mehr Kreativität und mehr Innovations-
freude führen. Nur dann werden wir den ökonomischen
und sozialen Strukturwandel überhaupt bewältigen kön-
nen.
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Ich erinnere daran: Wir von der FDP haben erst ges-
ern das ausgearbeitete Konzept einer Steuerreform vor-
elegt.
(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Ein ganz vorzüg-
liches!)
ir haben zur Stärkung der Gemeinden beispielsweise
in eigenes Konzept zur Gemeindefinanzreform auf
en Tisch gelegt.
(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Auch ganz vorzüg-
lich!)
ir halten es für absolut notwendig, Verkehrsinfra-
trukturmaßnahmen voranzubringen, damit sich die
egionen entwickeln können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Lassen Sie mich zum Schluss folgenden Hinweis ge-
en: Wir müssen von der Auffassung wegkommen, der
taat könnte auf Dauer Gelder bereitstellen, ohne dass
as nötige Konzept vorliegt, wohin die Reise gehen soll
nd wie strukturelle Unterschiede aus eigener Kraft, aus
em Wissen der jeweiligen Region heraus ausgeglichen
erden können. Staatsmittel stehen nicht unbegrenzt zur
erfügung. Wir brauchen also Mut für durchgreifende
eformen. Diesen Mut wünsche ich uns allen. Er ist
ringend notwendig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Hettlich vom
ündnis 90/Die Grünen.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
nd Kollegen! Vor zwei Wochen haben wir an dieser
telle das Investitionszulagengesetz 2005 in erster Le-
ung behandelt. Wir waren uns fraktionsübergreifend ei-
ig, dass die Verlängerung der Geltungsdauer dieses
örderinstrumentes für den weiteren wirtschaftlichen
ufholprozess in den neuen Bundesländern unverzicht-
ar ist. Die Frage, ob und wie die Investitionszulage
ber das Jahr 2006 hinaus verlängert werden kann, kann
eute allerdings noch nicht richtig beantwortet werden.
Die Investitionszulage und der Investitionszuschuss
us der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
alen Wirtschaftsstruktur“ bilden gemeinsam ein
ernstück deutscher regionaler Strukturpolitik. Diese re-
ionale Förderung soll dem Ausgleich von Standort-
achteilen der geförderten Regionen dienen und deren
hancen im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen
erbessern.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)
Die Gemeinschaftsaufgabe hat sich seit 1972 als ein
rfolgreiches Förderprogramm für benachteiligte Ge-
iete bewährt. In den alten Bundesländern wurden damit
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8249
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Peter Hettlich
die ehemaligen Zonenrandgebiete, die vom Strukturwan-
del betroffenen Industrieregionen, die Küstenregionen
und die ostbayrischen Grenzregionen unterstützt.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist auch
richtig!)
Nach 1990 ist die GA auch in den neuen Bundesländern
zu einem unverzichtbaren Förderinstrument geworden.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Auch das
stimmt!)
Ich möchte besonders hervorheben, dass es ein
Hauptziel der Förderung war und ist, Investitionen zu
unterstützen, die insbesondere der Schaffung und der Si-
cherung von Arbeitsplätzen dienen. Allein in den Jah-
ren 2000 bis 2002 wurden laut Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit mit einem Mitteleinsatz von rund
8 Milliarden Euro Investitionen von rund 32 Milliarden
Euro angestoßen. Damit konnten rund 310 000 Arbeits-
plätze gesichert und rund 120 000 Arbeitsplätze neu ge-
schaffen werden. Auf die neuen Bundesländer entfielen
dabei 267 000 bzw. 68 000 Arbeitsplätze. Diese beein-
druckenden Zahlen sprechen für sich und für eine Fort-
führung dieses regionalen Förderinstrumentes.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl!)
Zwischen 1991 und 2001 flossen rund 27 Milliarden
Euro an GA- und EFRE-Mitteln in die neuen Bundeslän-
der. Davon gingen rund 90 Prozent an kleine und mit-
telständische Unternehmen. Dies ist insofern beson-
ders bemerkenswert, da hoch subventionierte Industrien
wie beispielsweise die Chipindustrie in Dresden, die
Werften in Mecklenburg-Vorpommern oder die Auto-
fabriken in Thüringen und Sachsen in der Öffentlichkeit
viel stärker wahrgenommen wurden. Daher müssen un-
sere Bestrebungen auch in Zukunft auf die Stärkung von
kleinen und mittelständischen Unternehmen gerichtet
sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie des Abg. Werner Kuhn
[Zingst] [CDU/CSU])
Diese haben ihre Investitionen weniger in Rationalisie-
rungsmaßnahmen gesteckt als geförderte Großunterneh-
men, wodurch sie einen deutlich größeren Beitrag zum
Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet
haben. Dies kann nur in unserem Interesse liegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Rück-
blick. Im Juni 2001 hatten die Länder auf Initiative der
Ministerpräsidenten Clement und Stoiber beschlossen,
die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern anzugehen. Insbesondere sollten
die Mischfinanzierungen und die Entflechtungen der Ge-
meinschaftsaufgaben vereinbart werden. Das macht ja
durchaus Sinn, allerdings dürfen wir die Folgen nicht ne-
gieren; denn ein zunehmendes Auseinanderklaffen der
regionalen wirtschaftlichen Entwicklung, Wettbewerbs-
verzerrungen und ein Deutschland zweier Geschwindig-
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eiten wären die harten Konsequenzen. Daher ist es un-
rlässlich, intensiv über die Frage nachzudenken, wie
ine regionale Wirtschaftsförderung – noch dazu EU-
onform – weitergeführt werden kann, und sie im Inte-
esse der betroffenen Regionen schnell zu beantworten.
ch erinnere daran – das hat der Kollege Müller eben
uch getan –, dass der Bundestag dies bereits in seinem
eschluss vom 5. Juni 2002 gefordert hat.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute
ber die Gemeinschaftsaufgabe diskutieren, dann kom-
en wir nicht umhin, die ebenfalls noch ungeklärte Zu-
unft der EU-Strukturförderung anzusprechen. Mit
er EU-Osterweiterung werden die regionalen Entwick-
ungsunterschiede in der EU erheblich zunehmen. Das
önnte bedeuten, dass sich die Einstufungen der bisheri-
en deutschen Förderzielgebiete ab 2007 zu deren Un-
unsten erheblich verändern werden. Wir sollten uns
ann aber auch die Frage stellen, ob wir es uns leisten
ollen, über eine Erhöhung des EU-Haushaltes – quasi
ber die Hintertür – die bisherigen Förderzielgebiete zu
rhalten und unserer nationalen regionalen Förderpolitik
inen größeren Freiraum zu verschaffen. Auch das hat
er Kollege Müller eben angesprochen. Das ist nur dann
öglich, wenn wir die Gemeinschaftsaufgabe „Verbes-
erung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als ein regel-
ebundenes System und als Koordinierungsrahmen einer
emeinsamen Regionalförderung von Bund und Ländern
rhalten.
Zum Schluss sei auch noch das heikle Thema der un-
erschiedlichen Finanzausstattung der GA „Ost“ und der
A „West“ angesprochen. Wir alle wissen, dass die An-
ahl der Fördergebiete in den alten Bundesländern durch
ie Vorgaben der EU-Kommission stark eingeschränkt
st. Es könnte daher der Eindruck entstehen, dass sich die
ngleiche Verteilung der GA-Mittel zwischen West und
st im Verhältnis von eins zu neun als Argument für
ine Debatte über West-Ost-Transfers anbietet. Als dann
wie in den Beratungen zum Haushalt 2004 gesche-
en – die GA „West“ ganz gestrichen werden sollte,
estand tatsächlich die Gefahr dafür. Diese konnte aller-
ings dadurch abgewehrt werden, dass die Ver-
flichtungsermächtigungen der GA Ost zugunsten der
AWest um 100 Millionen Euro gekürzt wurden.
Es darf nicht sein, dass wir die Diskussion um die Zu-
unft der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der re-
ionalen Wirtschaftsstruktur“ dazu missbrauchen, die
irtschaftlich benachteiligten Regionen gegeneinander
uszuspielen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie des Abg. Werner Kuhn
[Zingst] [CDU/CSU])
s liegt vielmehr in unserer Verantwortung, hier auch in
ukunft für Kontinuität und für die Verlässlichkeit be-
ährter Förderinstrumente einzutreten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
8250 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Robert Hochbaum von
der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Robert Hochbaum (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Saldo von Unternehmensgründungen von
19 400 im Jahre 1998 auf 5 300 im Jahre 2002 ist gesun-
ken. Die Bruttowertschöpfung ist von 0,6 auf 0,3 Prozent
reduziert. Der Wohnbevölkerungsanteil ist von 22,9 Pro-
zent auf 18,9 Prozent gefallen. Die Arbeitslosigkeit
steigt mit einem Plus von 2,6 Prozent zum Vorjahresmo-
nat. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
tigten verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr ein Minus
von 122 347. Das sind keine Fantasiezahlen, meine Da-
men und Herren von der Koalition, sondern die Tatsa-
chen aus dem aktuellen Bericht der Bundesagentur für
Arbeit und dem letzten von Ihnen verfassten Jahresbe-
richt zur deutschen Einheit. Diese Zahlen spiegeln die
Realität im Osten wider: fehlendes Wirtschaftswachs-
tum, steigende Arbeitslosigkeit und stetige Abwande-
rung.
Es ist schon eigenartig, im Jahresbericht zur deut-
schen Einheit beispielsweise folgenden Satz zu lesen:
„Der angestoßene wirtschaftliche Entwicklungsprozess
ist auf dem richtigen Weg.“ Auch in der gestrigen Rede
des Wirtschaftsministers war zu hören, dass die Wirt-
schaftspolitik der Regierung erfolgreich ist. Ich kann mir
kaum vorstellen, meine Damen und Herren von Rot-
Grün, dass dies die Arbeitslosen im Osten genauso sehen
und – so wie Sie gestern – dazu noch Beifall spenden.
Da ich Ihnen von der Koalition aber keine unlauteren
Absichten unterstellen will, kommt es mir so vor, als
hätten Sie Ihren Realitätssinn in der Frage der wirt-
schaftlichen Entwicklung und speziell in der im Osten
vollkommen verloren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dazu passt die seit einiger Zeit andauernde Diskus-
sion über die weitere Förderung im Bereich der Gemein-
schaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur. Die Bundesregierung versucht nicht nur,
sich hier schrittweise aus der Verantwortung zu stehlen.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Unerhört!)
Nein, sie versucht in dieser Frage sogar, von sich abzu-
lenken, indem sie die alten und die neuen Bundesländer
gegeneinander ausspielt. Das ist nicht nur kontraproduk-
tiv, sondern auch in hohem Maße verantwortungslos.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Doch erinnern wir uns: Es ist noch gar nicht lange her
– es klingt schon wie ein Märchen –, dass die Angele-
genheit Aufbau Ost zur Chefsache erklärt wurde. Die
Funktion Staatsminister Ost wurde ins Leben gerufen,
die es in dieser Form inzwischen allerdings nicht mehr
gibt und deren Stelleninhaber von seinen Wählern für
die Aufbauarbeit im Osten „belohnt“ wurde. Nichts au-
ßer großen Worten, den negativen Wirtschaftszahlen und
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em ständigen Versuch der Regierung, die Situation
chönzureden, ist also davon übrig geblieben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was geschieht nun in der nahen Zukunft? Der Anpas-
ungsdruck des Ostens im regionalen Standortwettbe-
erb steigt weiter. Den strukturschwachen Regionen
leibt kaum eine Atempause. Das Wachstum in den
euen Ländern war in den letzten Jahren mehr als ver-
alten und brachte beim relativen Pro-Kopf-Einkommen
aum Fortschritte. Der wirtschaftliche Umstrukturie-
ungsprozess ist also noch lange nicht abgeschlossen und
rfordert auch weiterhin besondere Maßnahmen der Re-
ionalpolitik.
Nicht vergessen werden darf dabei, dass die bevorste-
ende EU-Osterweiterung weit reichende politische, so-
iale und vor allem auch wirtschaftliche Auswirkungen
uf ganz Deutschland, insbesondere aber auf die Regio-
en im Osten und speziell auf die Grenzregion haben
ird.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
chlagworte wie der „statistische Effekt“ und „Wegfall
ls Ziel-1-Gebiete“ stehen in diesem Zusammenhang
rohend im Raum.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte dazu in der
Welt“, die Fördermittel der EU würden deutlich redu-
iert und fehlten künftig beim Ausbau der Infrastruktur
Ostdeutschland. Dabei handele es sich um einen
chleichenden Prozess, der die Entwicklung in Ost-
eutschland mindestens noch über zehn bis 15 Jahre be-
inträchtigen werde.
Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Sie beab-
ichtigt, bei den Mitteln der GA zu sparen. Hierzu hat sie
uerst einmal die GA-Mittel der alten Länder auf null
esetzt, um danach aus dem schon geschmälerten Ost-
aushalt 100 Millionen Euro auf das Westkonto zu bu-
hen. Diese Art der Kürzung in West wie in Ost kann nur
ls Versuch gewertet werden, einen Keil in die Solidari-
t zwischen ostdeutschen und westdeutschen Ländern
u treiben. Dies ist mit uns nicht machbar.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Eines muss hierbei ganz klar gesagt werden: Es geht
icht darum, die westdeutschen Länder bei der Verbesse-
ung der regionalen Wirtschaftsstruktur außen vor zu
ssen. Ganz im Gegenteil. Natürlich gibt es auch in den
lten Ländern inzwischen zunehmend Problemregionen,
denen eine Förderung von Investitionsmaßnahmen
ringend erforderlich ist. Gerade daran zeigt sich übri-
ens ganz besonders das wirtschaftliche Versagen dieser
egierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Darum fordere ich Rot-Grün auf: Nehmen Sie Ihre
erantwortung für die regionale Wirtschaftsentwick-
ng, die Sie nicht zuletzt durch das Grundgesetz haben,
ahr und fördern Sie Ost und West, ohne die Mittel ge-
eneinander aufzurechnen! Denn wer bei Investitionen
part, spart sich ein Stück seiner Zukunft weg.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8251
(A) )
(B) )
Robert Hochbaum
Danke schön, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich dem Kollegen Dr. Heinz Köhler von der SPD-
Fraktion das Wort.
Dr. Heinz Köhler (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Der Antrag der CDU/CSU ist überflüssig. Er bietet
nichts Neues. Alles, was darin steht, ist bekannt und war
Gegenstand von Diskussionen im Plenum im Juni 2002,
also vor anderthalb Jahren. Es gibt also keine Notwen-
digkeit für eine neue Debatte im Bundestag, denn die
Koalition steht zur Gemeinschaftsaufgabe. Im Übrigen
will ich anmerken: Wir haben das im Haushalt bewiesen,
während sich die CDU/CSU nicht an der Abstimmung
beteiligt hat. Wäre es nach Ihnen von der CDU/CSU ge-
gangen, dann wäre überhaupt nichts gewesen. Das ist die
Wahrheit.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ach Gott!)
Jeder in diesem Haus weiß: Das föderale System der
Bundesrepublik Deutschland steht auf dem Prüfstand.
Wir haben eine Föderalismuskommission, wir haben
Absprachen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsi-
denten, wir reden über den Abbau von Mischfinanzie-
rungstatbeständen, wir reden seit Jahr und Tag über Ent-
flechtungen und wir reden darüber, ob und, wenn ja,
welche Gemeinschaftsaufgaben heute noch sinnvoll
sind. Aber es ist in diesem Bereich noch nichts entschie-
den. Wir befinden uns vielmehr mitten in der Debatte,
die in Kommissionen und Gremien des Bundestages und
des Bundesrates geführt wird. Deshalb ist das ein Antrag
zur Unzeit.
(Beifall bei der SPD)
Warum aber stellt die CDU/CSU einen solchen An-
trag? Die Antwort: Es geht ihr nicht um die Sache, son-
dern es geht ihr nur darum, Sand ins Getriebe zu streuen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht ihr um Parteitaktik. Es geht darum, die Regie-
rungsfraktionen und die Bundesregierung auseinander
zu treiben. Das wird Ihnen, meine Damen und Herren
von der Union, nicht gelingen.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist schade!)
Wir finden besonders interessant, dass Sie, Herr
Hofbauer, eine öffentliche Debatte führen wollen. Bitte
schön, kann ich nur sagen. Es ist doch Ihr Ministerpräsi-
dent, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber,
der seit Jahr und Tag gegen die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wet-
tert und sie lieber heute als morgen abgeschafft wissen
will.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt
nicht! Das nehmen Sie sofort zurück!)
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Das nehme ich nicht zurück, weil ich es gehört habe.
In Berlin als Gralshüter der Gemeinschaftsaufgabe
uftreten und sich in Bayern vor der Politik der Landes-
egierung ducken und wegtauchen – so geht das nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
itte schön, Herr Hofbauer, klären Sie erst einmal in Ih-
er eigenen Partei, was nun eigentlich gilt. Gemein-
chaftsaufgabe ja oder nein? Stoiber oder Hofbauer? Es
eht nur eines.
(Heiterkeit bei der SPD)
Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen, ge-
auso wie wir es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn
us Ihren Reihen offensichtlich die Unwahrheit gesagt
ird.
In Presseerklärungen im bayerischen Raum heißt es,
ie Bundesregierung werde das Grenzgebietförderpro-
ramm Interreg der Europäischen Union nicht weiter
nterstützen.
(Zuruf von der SPD: Quatsch!)
ch lese Ihnen aus dem Eckpunktepapier vom Dezember
002 vor, wie die Bundesregierung tatsächlich darüber
enkt:
Für die Beibehaltung einer begrenzten EU-Struk-
turpolitik außerhalb von Ziel 1 sprechen integra-
tions- und regionalpolitische Überlegungen sowie
der horizontale Ansatz des Europäischen Sozial-
fonds. Infrage kommen horizontale Fördermaßnah-
men mit einem besonders hohen europäischen
Mehrwert, vor allem: Netzwerke, Erfahrungsaus-
tausch … sowie grenzüberschreitende, interregio-
nale und transnationale Zusammenarbeit.
as heißt, Interreg wird doch beibehalten. Bitte bleiben
ie bei der Wahrheit!
Wir sind uns darin einig, dass uns die EU-Osterweite-
ung zu einer Neuorientierung der europäischen Struk-
rpolitik und damit auch der nationalen Strukturpolitik
wingt. Wir sind uns auch darin einig, dass die europäi-
che Regionalpolitik schon aus finanziellen Erwägungen
ach 2006 nicht mehr in der derzeitigen Form fortge-
ührt werden kann.
Wir alle in diesem Haus sollten ein Interesse daran
aben, dem Bundesfinanzminister in Brüssel den Rü-
ken zu stärken.
(Beifall bei der SPD)
ie haben die Gelegenheit, das an dieser Stelle auch öf-
entlich zu tun.
Wir werden die nationalen Spielräume der Regional-
olitik wieder vergrößern. Das gilt für den Bund, aber
uch für die Länder und Kommunen. Wichtig ist dabei,
ass wir in Zukunft noch stärker als bisher die Raum-
irksamkeit der Politik auf Bundes- und Länderebene
eachten und sie so weit wie möglich zu konsistenten
egionalentwicklungskonzepten weiterentwickeln. In
en vergangenen Jahren ist hierfür schon einiges getan
8252 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Dr. Heinz Köhler
worden. Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt wer-
den.
Die Raumwirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik der
Bundesagentur für Arbeit ist – allein schon wegen ihrer
finanziellen Volumina – viel wichtiger als die Regional-
politik der Gemeinschaftsaufgabe. Der Nettotransfer der
Bundesagentur für Arbeit von West nach Ost betrug bei-
spielsweise im Jahr 2001 12,5 Milliarden Euro und da-
mit doppelt so viel wie die Transfers im Rahmen des
Länderfinanzausgleichs mit 5,8 Milliarden Euro. Die
knapp 1 Milliarde Euro, die der Bund für die Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ aufwendet, nimmt sich dagegen gera-
dezu bescheiden aus.
Bei der Renationalisierung der regionalen Strukturpo-
litik muss es uns darauf ankommen, die hinsichtlich der
Raumwirksamkeit entstehenden Effekte der Ausgaben-
politik der einzelnen Gebietskörperschaften noch stärker
als bisher zu beachten und zu bündeln.
Ich möchte noch ein weiteres Thema anschneiden.
Wir befinden uns im Jahr 14 nach der Wiedervereini-
gung. Ich meine, die Aufteilung zwischen einer
Gemeinschaftsaufgabe Ost und einer Gemeinschafts-
aufgabe West kann und muss jetzt beendet werden. Un-
terschiedliche Haushaltstitel sind nicht mehr zeitgemäß
und tragen nur zu einer weiteren Spaltung zwischen Ost
und West bei.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Im Ruhrgebiet oder auch im bayerischen Grenzraum
gibt es Regionen, denen es schlechter geht als mancher
Region in Sachsen und Thüringen. Das ist für Dresden,
Leipzig oder Jena positiv. Trotzdem müssen wir auf
diese Entwicklung reagieren. Deshalb meine ich, dass es
in Deutschland nur eine Gemeinschaftsaufgabe geben
darf, die sich unabhängig von West und Ost nach der
Strukturschwäche richten muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/
CSU])
Selbstverständlich wird der Osten auch in Zukunft
noch wesentlich stärker gefördert werden müssen als der
Westen, weil die Indikatoren wesentlich schlechter sind.
Aber die Aufteilung in eine Ost- und Westförderung ist
nicht zeitgemäß.
Ich komme zum Schluss. Es ist richtig, dass wir eine
Politik für strukturschwache Regionen brauchen. Sie
kann aber nicht losgelöst vom Umbau unseres föderalen
Staatswesens, den wir in einer großen Anstrengung zu
bewältigen haben, gestaltet werden. Für parteitaktisches
Klein-Klein bleibt dabei kein Raum.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zu einer Kurzintervention – die Wortmeldung habe
ich zuvor übersehen; sie wird uns helfen, die Zeit zu
überbrücken, bis die Ergebnisse aus dem Bundesrat vor-
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iegen – erteile ich das Wort der Kollegin Bettina
agedorn von der SPD-Fraktion.
(Unruhe)
Einen Moment noch, Frau Hagedorn. Liebe Kollegin-
en und Kollegen, ich bitte, ein wenig ruhiger zu sein,
amit die Kollegin zu Wort kommen und sich Gehör ver-
chaffen kann.
Bitte schön, Frau Hagedorn.
Bettina Hagedorn (SPD):
Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen, um die
eit überbrücken zu helfen.
Meine Kurzintervention bezieht sich auf die Rede des
ollegen Hofbauer. Ich stimme meinem Vorredner zu,
ass es überflüssig ist, sich im Bundestag mit dem An-
rag der CDU/CSU zur Gemeinschaftsaufgabe zu be-
chäftigen. Wenn wir uns aber schon mit dem Antrag Ih-
er Fraktion auseinander setzen, sehr geehrter Herr
ollege, dann ist es meiner Meinung nach ausgespro-
hen wichtig, dass Sie bei der Wahrheit bleiben. Ihre
ussage, dass sich das, was im Haushaltsausschuss auf
ntrag von Rot-Grün beschlossen worden ist, nämlich
00 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur
erfügung zu stellen, auf 2004 beziehe, stimmt nicht.
ielmehr gilt das für den Zeitraum von 2005 bis 2007.
Nach allem, was Sie angeführt haben, um deutlich zu
achen, wie wichtig der CDU/CSU die Förderung der
egionalen Wirtschaftsstruktur ist, bitte ich Sie um Auf-
lärung darüber – das ist für mich die wichtigste Frage –,
arum die Union dem Antrag von Rot-Grün auf Erhalt
er Verpflichtungsermächtigung im Umfang von
00 Millionen Euro im Haushaltsauschuss nicht zuge-
timmt hat. Im Übrigen hat auch die FDP unseren An-
rag abgelehnt. Ich kann Ihnen versichern – mir liegen
ogar Dankesschreiben der IHKs vor –: Rot-Grün hat
ier tatsächlich gehandelt. Aber Sie haben heute nur ge-
edet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Hofbauer, wollen Sie erwidern? – Bitte
chön.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin! Erste Be-
erkung: Ihre Aussage trifft nicht zu, weil bis heute
eine klare und endgültige Entscheidung betreffend die
00 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe ge-
roffen worden ist. Dieser Haushaltsvermerk hilft uns im
runde genommen nicht weiter. Man hat das nur an den
lanungsausschuss verwiesen. Dieser konnte bisher
icht entscheiden, weil sich das Bundesfinanzministe-
ium sowie das Bundeswirtschafts- und das Bundesar-
eitsministerium hierüber nicht einig sind. Das, was Sie
ehauptet haben, trifft also nicht zu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8253
(A) )
(B) )
Klaus Hofbauer
Zweite Bemerkung: Sie behaupten, eine Entschei-
dung bis 2007 getroffen zu haben. Es ist aber lediglich
eine Entscheidung für 2004. Schließlich diskutieren wir
nicht über den Haushalt 2006 oder 2007. Das bedeutet
also, dass Sie keine Entscheidung getroffen haben, um
die Gemeinschaftsaufgabe West auf Dauer zu sichern.
Ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Diskussionen
in den letzten Wochen ein völlig falsches Zeichen so-
wohl nach innen als auch nach außen gesetzt haben. Die
Wirtschaft ist jedenfalls mit Ihrer Entscheidung nicht zu-
frieden; denn insbesondere die mittelständische Wirt-
schaft wünscht sich die Gemeinschaftsaufgabe. Sie ha-
ben die falschen Akzente gesetzt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1986 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung des Beschlusses (2002/187/JI)
des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errich-
tung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämp-
fung der schweren Kriminalität (Eurojust-Ge-
setz – EJG)
– Drucksache 15/1719 –
(Erste Beratung 69. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)
– Drucksache 15/2484 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Stünker
Michael Grosse-Brömer
Jerzy Montag
Jörg van Essen
Es ist vereinbart, die Reden zu Protokoll zu nehmen.
Es handelt sich um die Reden der Kollegen Joachim
Stünker von der SPD-Fraktion, Michael Grosse-Brömer
und Michael Stübgen von der CDU/CSU-Fraktion, Jerzy
Montag vom Bündnis 90/Die Grünen, Jörg van Essen
von der FDP-Fraktion und für die Bundesregierung die
Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred
Hartenbach.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Umsetzung des Beschlusses des Rates vom 28. Februar
2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung
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1) Anlage 2 2)
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er Bekämpfung der schweren Kriminalität, Druck-
ache 15/1719. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf
rucksache 15/2484, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen! – Ent-
altungen? – Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Be-
atung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
timmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen! –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig ange-
ommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dr. Ole Schröder,
Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Schaffung einer nationalen Küstenwache
– Drucksache 15/2337 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auch zu diesem Punkt sollen die Reden zu Protokoll
enommen werden. Es handelt sich um die Reden der
ollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion und der
ollegen Wolfgang Börnsen und Dr. Ole Schröder,
DU/CSU, Rainder Steenblock, Bündnis 90/Die Grü-
en, Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion sowie der
arlamentarischen Staatssekretärin Angelika Mertens
ür die Bundesregierung.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/2337 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Errichtung des Bundesamtes für Bevölke-
rungsschutz und Katastrophenhilfe
– Drucksache 15/2286 –
(Erste Beratung 86. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)
– Drucksache 15/2448 –
Anlage 3
8254 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Berichterstattung:
Abgeordnete Gerold Reichenbach
Beatrix Philipp
Silke Stokar von Neuforn
Gisela Piltz
Rücküberweisung an den federführenden Innenausschuss
Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. – Wie ich
sehe, sind Sie damit einverstanden.
Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf auf
Drucksache 15/2286 sowie die Beschlussempfehlung
und den Bericht des Innenausschusses dazu auf Drucksa-
che 15/2448 zur Beratung an den Innenausschuss zu-
rückzuüberweisen. Eine Mitberatung durch andere Aus-
schüsse ist nicht vorgesehen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist
so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der
Abstimmungen des Bundesrates liegen noch nicht vor.
Es ist aber absehbar, dass sie in Kürze vorliegen werden.
Ich bitte Sie daher, hier zu bleiben.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen der Er-
gebnisse.
(Unterbrechung von 14.23 bis 14.31 Uhr)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung
von Einsprüchen des Bundesrates zu erweitern und diese
jetzt als Zusatzpunkte 7 a bis 7 c aufzurufen. – Ich sehe,
Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe somit die Zusatzpunkte 7 a bis 7 c auf:
a) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes-
rates gegen das Haushaltsgesetz 2004
– Drucksache 15/2504 –
b) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes-
rates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003
– Drucksache 15/2505 –
c) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes-
rates gegen das Gesetz zur Änderung des Ge-
setzes über die Errichtung einer Bundesanstalt
für Landwirtschaft und Ernährung
– Drucksache 15/2506 –
Der Präsident des Bundesrates hat soeben schriftlich
mitgeteilt, dass der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung
beschlossen hat, gegen das Haushaltsgesetz 2004, gegen
das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 sowie gegen das Ge-
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etz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung ei-
er Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
inspruch einzulegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es liegen drei Anträge der Fraktionen von SPD und
ündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Einsprü-
he des Bundesrates vor.
Bevor wir gleich zur Abstimmung über die Anträge
ommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige
inweise zum Abstimmungsverfahren. Es ist jeweils na-
entliche Abstimmung verlangt. Nach Art. 77 Abs. 4
es Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Ein-
pruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des
eutschen Bundestages erforderlich, das sind mindes-
ens 302 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen
ill, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen außer Ihren
timmkarten auch Ihre Stimmausweise in den Farben
rün, Rosa und Blau. Die Farbe des zu verwendenden
timmausweises werde ich bei der jeweiligen Abstim-
ung bekannt geben. Die Stimmausweise können Sie,
oweit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach
ntnehmen. Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarten
nd Stimmausweise Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre
timmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte den
eweiligen Stimmausweis einem der Schriftführer an der
rne.
Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich,
arauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen
nd Kollegen in die Urnen geworfen werden, die vorher
ren Stimmausweis in der richtigen Farbe abgegeben
aben.
Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim-
ung. Sie benötigen Ihren Stimmausweis in der Farbe
rün. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
PD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei-
ung des Einspruches des Bundesrates gegen das Haus-
altsgesetz 2004 auf Drucksache 15/2504.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
orgesehenen Plätze einzunehmen. – Sie sind offensicht-
ich eingenommen. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen sich ei-
en Moment gedulden, weil einige Mitglieder des Bun-
esrates noch auf dem Weg hierher sind.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
erinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
en. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
ekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen zur
weiten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen jetzt
hren Stimmausweis in der Farbe Rosa. Abstimmung
ber den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bünd-
isses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Ein-
pruchs des Bundesrates gegen das Nachtragshaushalts-
esetz 2003 auf Drucksache 15/2505. – Ich eröffne die
bstimmung.
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme
bgegeben? – Dann schließe ich die Abstimmung und
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8255
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(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Sabine Bätzing Günter Gloser Johannes Kahrs Angelika Mertens
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
(Extertal)
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
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r. h.c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ans-Peter Kemper
laus Kirschner
ans-Ulrich Klose
strid Klug
r. Heinz Köhler (Coburg)
alter Kolbow
ritz Rudolf Körper
arin Kortmann
olf Kramer
nette Kramme
rnst Kranz
icolette Kressl
olker Kröning
ngelika Krüger-Leißner
r. Hans-Ulrich Krüger
orst Kubatschka
rnst Küchler
elga Kühn-Mengel
Michael Müller (Düsseldorf)
Christian Müller (Zittau)
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann (Bramsche)
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Uwe Beckmeyer Uwe Göllner Ulrich Kasparick Ursula Mogg
bitte die Schriftführerinnen un
Auszählung zu beginnen.
Wir setzen die Abstimmunge
zur letzten namentlichen Abs
nun Ihren Stimmausweis in der
Abstimmung über den Antra
und des Bündnisses 90/Die Gr
des Einspruchs des Bundesrat
Änderung des Gesetzes über d
desanstalt für Landwirtschaft u
che 15/2506. – Ich eröffne die A
Haben jetzt alle Mitglieder
abgegeben? – Das ist der Fall. D
stimmung.
Wir unterbrechen jetzt die S
Abstimmungsergebnisse vorlie
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
ja: 306
nein: 280
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)
Klaus Barthel (Starnberg)
Sören Bartol
M
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d Schriftführer, mit der
n fort. Wir kommen jetzt
timmung. Sie benötigen
Farbe Blau.
g der Fraktionen der SPD
ünen auf Zurückweisung
es gegen das Gesetz zur
ie Errichtung einer Bun-
nd Ernährung, Drucksa-
bstimmung.
des Hauses ihre Stimme
ann schließe ich die Ab-
itzung so lange, bis die
gen.
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r. Herta Däubler-Gmelin
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eter Dreßen
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ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
ans Eichel
arga Elser
ernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
nnette Faße
lke Ferner
abriele Fograscher
ainer Fornahl
abriele Frechen
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ilo Friedrich (Mettmann)
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(Unterbrechung von 14.
Vizepräsident Dr. Herman
Ich eröffne die unterbroch
ebe Ihnen die von den Schrif
ührern ermittelten Ergebnisse
timmungen bekannt.
Zunächst zum Ergebnis de
ung zur Zurückweisung des
ates gegen das Haushaltsg
timmen 586. Mit Ja haben ges
er Antrag ist mit der erford
ommen. Der Einspruch des B
ückgewiesen.
(Beifall bei der SPD und
DIE GRÜN
olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
etra Heß
onika Heubaum
isela Hilbrecht
abriele Hiller-Ohm
tephan Hilsberg
erd Höfer
elena Hoffmann (Chemnitz)
alter Hoffmann
(Darmstadt)
ris Hoffmann (Wismar)
rank Hofmann (Volkach)
ike Hovermann
laas Hübner
hristel Humme
othar Ibrügger
runhilde Irber
enate Jäger
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48 bis 15.01 Uhr)
n Otto Solms:
ene Sitzung wieder und
tführerinnen und Schrift-
der namentlichen Ab-
r namentlichen Abstim-
Einspruches des Bundes-
esetz 2004. Abgegebene
timmt 306, mit Nein 280.
erlichen Mehrheit ange-
undesrates ist damit zu-
dem BÜNDNIS 90/
EN)
te Kumpf
r. Uwe Küster
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)
hristine Lehder
altraud Lehn
r. Elke Leonhard
ckhart Lewering
ötz-Peter Lohmann
abriele Lösekrug-Möller
rika Lotz
r. Christine Lucyga
irk Manzewski
obias Marhold
othar Mark
aren Marks
hristoph Matschie
ilde Mattheis
arkus Meckel
lrike Mehl
etra-Evelyne Merkel
lrike Merten
8256 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Michael Roth (Heringen)
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
(Nürnberg)
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Dagmar Schmidt (Meschede)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte (Hameln)
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt (Pforzheim)
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
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(Wiesloch)
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r. Rainer Wend
ydia Westrich
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r. Margrit Wetzel
ndrea Wicklein
ürgen Wieczorek (Böhlen)
eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
rigitte Wimmer (Karlsruhe)
ngelbert Wistuba
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r. Wolfgang Wodarg
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(Wolmirstedt)
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r. Christoph Zöpel
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arieluise Beck (Bremen)
olker Beck (Köln)
ornelia Behm
irgitt Bender
atthias Berninger
rietje Bettin
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r. Thea Dückert
utta Dümpe-Krüger
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r. Uschi Eid
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atrin Göring-Eckardt
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r. Reinhard Loske
nna Lührmann
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erstin Müller (Köln)
infried Nachtwei
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ürgen Trittin
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r. Antje Vogel-Sperl
r. Antje Vollmer
r. Ludger Volmer
osef Philip Winkler
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r. Wolf Bauer
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(Reutlingen)
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r. Christoph Bergner
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r. Rolf Bietmann
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r. Maria Böhmer
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(Bönstrup)
r. Wolfgang Bötsch
laus Brähmig
r. Ralf Brauksiepe
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erena Butalikakis
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(Schönebeck)
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anfred Carstens (Emstek)
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(Nordstrand)
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r. Maria Flachsbarth
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r. Peter Gauweiler
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r. Reinhard Göhner
anja Gönner
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ichael Grosse-Brömer
arkus Grübel
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arl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
lav Gutting
olger-Heinrich Haibach
erda Hasselfeldt
laus-Jürgen Hedrich
elmut Heiderich
rsula Heinen
iegfried Helias
da Carmen Freia Heller
ichael Hennrich
ürgen Herrmann
ernd Heynemann
rnst Hinsken
eter Hintze
obert Hochbaum
laus Hofbauer
oachim Hörster
ubert Hüppe
usanne Jaffke
r. Peter Jahr
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
mgard Karwatzki
ernhard Kaster
iegfried Kauder (Bad
Dürrheim)
olker Kauder
erlinde Kaupa
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8257
(A) (C)
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Bernward Müller (Gera)
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
FDP
Daniel Bahr (Münster)
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach)
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
(Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Conny Mayer (Baiersbronn)
Dr. Martin Mayer
(Siegertsbrunn)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)
Doris Meyer (Tapfheim)
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller (Erlangen)
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chen Abstimmung zur Zurüc
ches des Bundesrates gegen
gesetz 2003. Abgegebene St
gegebene Stimmen ebenfalls
stimmt 306, mit Nein hab
homas Rachel
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r. Peter Ramsauer
elmut Rauber
eter Rauen
hrista Reichard (Dresden)
atherina Reiche
ans-Peter Repnik
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber
annelore Roedel
ranz-Xaver Romer
einrich-Wilhelm Ronsöhr
r. Klaus Rose
urt J. Rossmanith
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
olker Rühe
lbert Rupprecht (Weiden)
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nita Schäfer (Saalstadt)
r. Wolfgang Schäuble
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ndreas Scheuer
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das Nachtragshaushalts-
immausweise 586, ab-
586. Mit Ja haben ge-
en gestimmt 280. Der
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ichael Stübgen
ntje Tillmann
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r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
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ndrea Astrid Voßhoff
erhard Wächter
arko Wanderwitz
eter Weiß (Emmendingen)
erald Weiß (Groß-Gerau)
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
atthias Wissmann
erner Wittlich
agmar Wöhrl
lke Wülfing
olfgang Zeitlmann
olfgang Zöller
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en. Der Einspruch des Bu
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r. Günter Rexrodt
r. Hermann Otto Solms
r. Rainer Stinner
r. Dieter Thomae
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r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
raktionslose Abgeordnete
artin Hohmann
r. Gesine Lötzsch
hen Mehrheit angenom-
ndesrates ist auch hier
dem BÜNDNIS 90/
EN)
Vera Lengsfeld Daniela Raab Andreas Storm Michael Kauch
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn (Zingst)
Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg)
Dr. Norbert Lammert
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
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Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
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Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
(Homburg)
Klaus Haupt
Michael Kretschmer Franz Obermeier WH
ilhelm Josef Sebastian
orst Seehofer Rainer Funke
8258 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon
ja: 304
nein: 280
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)
Klaus Barthel (Starnberg)
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
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Angelika Graf (Rosenheim)
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r. Barbara Hendricks
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onika Heubaum
isela Hilbrecht
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tephan Hilsberg
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(Darmstadt)
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laus-Werner Jonas
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r. Heinz Köhler (Coburg)
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hristoph Matschie
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arkus Meckel
lrike Mehl
etra-Evelyne Merkel
lrike Merten
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ichael Müller (Düsseldorf)
hristian Müller (Zittau)
esine Multhaupt
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
olker Neumann (Bramsche)
ietmar Nietan
r. Erika Ober
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r. Sascha Raabe
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r. Margrit Spielmann
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r. Gerald Thalheim
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r. Marlies Volkmer
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BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)
Volker Beck (Köln)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Ingolstadt)
Werner Schulz (Berlin)
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
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(Reutlingen)
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r. Christoph Bergner
tto Bernhardt
r. Rolf Bietmann
lemens Binninger
enate Blank
eter Bleser
ntje Blumenthal
r. Maria Böhmer
ochen Borchert
olfgang Börnsen
(Bönstrup)
r. Wolfgang Bötsch
laus Brähmig
r. Ralf Brauksiepe
onika Brüning
eorg Brunnhuber
erena Butalikakis
artmut Büttner
(Schönebeck)
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anfred Carstens (Emstek)
eter H. Carstensen
(Nordstrand)
itta Connemann
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ubert Deittert
lbert Deß
lexander Dobrindt
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homas Dörflinger
arie-Luise Dött
aria Eichhorn
ainer Eppelmann
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r. Hans Georg Faust
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nak Ferlemann
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Land)
r. Maria Flachsbarth
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r. Hans-Peter Friedrich
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r. Michael Fuchs
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r. Peter Gauweiler
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r. Wolfgang Götzer
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ichael Grosse-Brömer
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olger-Heinrich Haibach
erda Hasselfeldt
laus-Jürgen Hedrich
elmut Heiderich
rsula Heinen
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ichael Hennrich
ürgen Herrmann
ernd Heynemann
rnst Hinsken
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laus Hofbauer
oachim Hörster
ubert Hüppe
usanne Jaffke
r. Peter Jahr
r. Egon Jüttner
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Dürrheim)
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ürgen Klimke
ulia Klöckner
ristina Köhler (Wiesbaden)
anfred Kolbe
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artmut Koschyk
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ünther Krichbaum
ünter Krings
r. Martina Krogmann
r. Hermann Kues
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r. Karl A. Lamers
(Heidelberg)
r. Norbert Lammert
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r. Klaus W. Lippold
(Offenbach)
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(Recklinghausen)
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onny Mayer (Baiersbronn)
r. Martin Mayer
(Siegertsbrunn)
olfgang Meckelburg
r. Michael Meister
r. Angela Merkel
riedrich Merz
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oris Meyer (Tapfheim)
aria Michalk
ans Michelbach
laus Minkel
arlene Mortler
tefan Müller (Erlangen)
ernward Müller (Gera)
r. Gerd Müller
ildegard Müller
ernd Neumann (Bremen)
enry Nitzsche
ichaela Noll
laudia Nolte
ünter Nooke
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
elanie Oßwald
ita Pawelski
r. Peter Paziorek
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
r. Friedbert Pflüger
eatrix Philipp
onald Pofalla
uprecht Polenz
aniela Raab
homas Rachel
ans Raidel
r. Peter Ramsauer
elmut Rauber
eter Rauen
hrista Reichard (Dresden)
atherina Reiche
ans-Peter Repnik
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber
annelore Roedel
ranz-Xaver Romer
einrich-Wilhelm Ronsöhr
r. Klaus Rose
urt J. Rossmanith
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
olker Rühe
lbert Rupprecht (Weiden)
eter Rzepka
nita Schäfer (Saalstadt)
r. Wolfgang Schäuble
artmut Schauerte
ndreas Scheuer
orbert Schindler
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ernd Schmidbauer
hristian Schmidt (Fürth)
8260 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)
Klaus Barthel (Starnberg)
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)
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r. Michael Bürsch
ans Martin Bury
ans Büttner (Ingolstadt)
arion Caspers-Merk
r. Peter Danckert
r. Herta Däubler-Gmelin
arl Diller
artin Dörmann
eter Dreßen
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ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
ans Eichel
arga Elser
ernot Erler
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arin Evers-Meyer
nnette Faße
lke Ferner
abriele Fograscher
ainer Fornahl
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onika Griefahn
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abriele Groneberg
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olfgang Grotthaus
arl-Hermann Haack
(Extertal)
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
lfred Hartenbach
ichael Hartmann
(Wackernheim)
nke Hartnagel
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ubertus Heil
einhold Hemker
olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
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etra Heß
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hristel Humme
othar Ibrügger
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laus-Werner Jonas
ohannes Kahrs
lrich Kasparick
r. h.c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ans-Peter Kemper
laus Kirschner
ans-Ulrich Klose
strid Klug
r. Heinz Köhler (Coburg)
alter Kolbow
ritz Rudolf Körper
arin Kortmann
olf Kramer
nette Kramme
Ja Edelgard Bulmahn Angelika Graf (Rosenheim) Iris Hoffmann (Wismar)
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
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nein: 279
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Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Hans-Günter Bruckmann
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agmar Freitag
ilo Friedrich (Mettmann)
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ünter Gloser
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enate Gradistanac
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)
Walter Hoffmann
(Darmstadt)
(D
Andreas Schmidt (Mülheim)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
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einer Bundesanstalt für Landw
Abgegebene Stimmausweise
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stimmt 279.
ichael Stübgen
ntje Tillmann
deltraut Töpfer
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Uwe Vogel
ndrea Astrid Voßhoff
erhard Wächter
arko Wanderwitz
eter Weiß (Emmendingen)
erald Weiß (Groß-Gerau)
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
atthias Wissmann
erner Wittlich
agmar Wöhrl
lke Wülfing
olfgang Zeitlmann
olfgang Zöller
illi Zylajew
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irtschaft und Ernährung.
und Stimmen wiederum
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ngelika Brunkhorst
rnst Burgbacher
elga Daub
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tto Fricke
orst Friedrich (Bayreuth)
ainer Funke
r. Wolfgang Gerhardt
ans-Michael Goldmann
oachim Günther (Plauen)
r. Karlheinz Guttmacher
r. Christel Happach-Kasan
hristoph Hartmann
(Homburg)
laus Haupt
lrich Heinrich
irgit Homburger
r. Werner Hoyer
ichael Kauch
r. Heinrich L. Kolb
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(Beifall bei der SPD und
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er Antrag ist mit der erford
ommen. Der Einspruch des B
urückgewiesen.
Damit sind wir am Schluss
rdnung.
(Cudrun Kopp
ürgen Koppelin
ibylle Laurischk
a Lenke
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irk Niebel
ünther Friedrich Nolting
etlef Parr
ornelia Pieper
isela Piltz
r. Günter Rexrodt
r. Hermann Otto Solms
r. Rainer Stinner
r. Dieter Thomae
ürgen Türk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
raktionslose Abgeordnete
artin Hohmann
r. Gesine Lötzsch
dem BÜNDNIS 90/
EN)
erlichen Mehrheit ange-
undesrates ist auch hier
unserer heutigen Tages-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8261
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller (Düsseldorf)
Christian Müller (Zittau)
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann (Bramsche)
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Michael Roth (Heringen)
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
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tto Schily
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(Nürnberg)
lla Schmidt (Aachen)
ilvia Schmidt (Eisleben)
agmar Schmidt (Meschede)
ilhelm Schmidt (Salzgitter)
einz Schmitt (Landau)
arsten Schneider
alter Schöler
laf Scholz
arsten Schönfeld
ritz Schösser
ilfried Schreck
ttmar Schreiner
erhard Schröder
rigitte Schulte (Hameln)
einhard Schultz
(Everswinkel)
wen Schulz (Spandau)
r. Angelica Schwall-Düren
r. Martin Schwanholz
olf Schwanitz
rika Simm
r. Sigrid Skarpelis-Sperk
r. Cornelie Sonntag-
Wolgast
olfgang Spanier
r. Margrit Spielmann
örg-Otto Spiller
r. Ditmar Staffelt
udwig Stiegler
olf Stöckel
hristoph Strässer
ita Streb-Hesse
r. Peter Struck
oachim Stünker
örg Tauss
ella Teuchner
r. Gerald Thalheim
olfgang Thierse
ranz Thönnes
ans-Jürgen Uhl
üdiger Veit
imone Violka
örg Vogelsänger
te Vogt (Pforzheim)
r. Marlies Volkmer
ans Georg Wagner
edi Wegener
ndreas Weigel
einhard Weis (Stendal)
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unter Weißgerber
atthias Weisheit
ert Weisskirchen
(Wiesloch)
r. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
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r. Rainer Wend
ydia Westrich
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r. Margrit Wetzel
ndrea Wicklein
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arkus Kurth
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hristine Scheel
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erner Schulz (Berlin)
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r. Antje Vollmer
r. Ludger Volmer
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(Reutlingen)
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r. Christoph Bergner
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r. Rolf Bietmann
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enate Blank
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r. Maria Böhmer
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olfgang Börnsen
(Bönstrup)
r. Wolfgang Bötsch
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r. Ralf Brauksiepe
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(Nordstrand)
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aria Eichhorn
ainer Eppelmann
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xel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
8262 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) (C)
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Matthias Wissmann
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Bad
Dürrheim)
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Manfred Kolbe
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Ich berufe die nächste Sitz
destages auf Mittwoch, den 3. M
r. Hermann Kues
erner Kuhn (Zingst)
r. Karl A. Lamers
(Heidelberg)
r. Norbert Lammert
elmut Lamp
arbara Lanzinger
arl-Josef Laumann
era Lengsfeld
eter Letzgus
rsula Lietz
duard Lintner
r. Klaus W. Lippold
(Offenbach)
atricia Lips
r. Michael Luther
orothee Mantel
rwin Marschewski
(Recklinghausen)
tephan Mayer (Altötting)
onny Mayer (Baiersbronn)
r. Martin Mayer
(Siegertsbrunn)
olfgang Meckelburg
r. Michael Meister
r. Angela Merkel
riedrich Merz
aurenz Meyer (Hamm)
oris Meyer (Tapfheim)
aria Michalk
ans Michelbach
laus Minkel
arlene Mortler
tefan Müller (Erlangen)
ernward Müller (Gera)
r. Gerd Müller
ildegard Müller
ernd Neumann (Bremen)
enry Nitzsche
ichaela Noll
laudia Nolte
ünter Nooke
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
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r. Peter Paziorek
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ibylle Pfeiffer
r. Friedbert Pflüger
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ärz 2004, 13 Uhr, ein.
hrista Reichard (Dresden)
atherina Reiche
ans-Peter Repnik
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber
annelore Roedel
ranz-Xaver Romer
einrich-Wilhelm Ronsöhr
r. Klaus Rose
urt J. Rossmanith
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
olker Rühe
lbert Rupprecht (Weiden)
eter Rzepka
nita Schäfer (Saalstadt)
r. Wolfgang Schäuble
artmut Schauerte
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ernd Schmidbauer
hristian Schmidt (Fürth)
ndreas Schmidt (Mülheim)
r. Andreas Schockenhoff
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
we Schummer
ilhelm Josef Sebastian
orst Seehofer
urt Segner
atthias Sehling
arion Seib
einz Seiffert
ernd Siebert
homas Silberhorn
ohannes Singhammer
ens Spahn
rika Steinbach
hristian von Stetten
ero Storjohann
ndreas Storm
ax Straubinger
atthäus Strebl
homas Strobl (Heilbronn)
ena Strothmann
ichael Stübgen
ntje Tillmann
deltraut Töpfer
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Uwe Vogel
ndrea Astrid Voßhoff
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Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 15.0
(D
agmar Wöhrl
lke Wülfing
olfgang Zeitlmann
olfgang Zöller
illi Zylajew
DP
aniel Bahr (Münster)
ngelika Brunkhorst
rnst Burgbacher
elga Daub
örg van Essen
tto Fricke
orst Friedrich (Bayreuth)
ainer Funke
r. Wolfgang Gerhardt
ans-Michael Goldmann
oachim Günther (Plauen)
r. Karlheinz Guttmacher
r. Christel Happach-Kasan
hristoph Hartmann
(Homburg)
laus Haupt
lrich Heinrich
irgit Homburger
r. Werner Hoyer
ichael Kauch
r. Heinrich L. Kolb
udrun Kopp
ürgen Koppelin
ibylle Laurischk
a Lenke
arkus Löning
irk Niebel
ünther Friedrich Nolting
etlef Parr
ornelia Pieper
isela Piltz
r. Günter Rexrodt
r. Hermann Otto Solms
r. Rainer Stinner
r. Dieter Thomae
ürgen Türk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
raktionslose Abgeordnete
artin Hohmann
2 Uhr)
Dr. Peter Gauweiler Dr. Martina Krogmann Peter Rauen Werner Wittlich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
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aniela Raab
homas Rachel
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r. Peter Ramsauer
elmut Rauber
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8263
(A) )
(B) )
Ermittlungsverfahren und Strafverfolgungsmaßnahmen wurde dieser Forderung entsprochen.
Eurojust soll zudem der optimalen Koordinierung von
Mit der Einrichtung Eurojust mit Sitz in Den Haag
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Umsetzung des Beschlusses (2002/187/JI) des
Rates vom 28. Februar 2002 über die Errich-
tung von Eurojust zur Verstärkung der Be-
kämpfung der schweren Kriminalität (EJG)
(Tagesordnungspunkt 24)
Joachim Stünker (SPD): Ich denke, wir alle begrü-
ßen die heutige Verabschiedung des Eurojust-Gesetzes.
Seit dem 6. März 2002 ist der entsprechende Beschluss
des Rates der Europäischen Union in Kraft getreten, und
die Umsetzungsfrist zur Umsetzung des Beschlussinhal-
tes in innerstaatliches Recht ist im September 2003 ab-
gelaufen.
Eurojust wurde zur Bekämpfung der schweren, grenz-
überschreitenden Kriminalität geschaffen. Hierbei steht
sicherlich die organisierte Kriminalität im Vordergrund.
Die neue Behörde soll zur Bekämpfung der schweren or-
ganisierten Kriminalität eine sachgerechte Koordinie-
rung der nationalen Staatsanwaltschaften erleichtern, die
strafrechtlichen Ermittlungen unterstützen und die Erle-
digung von Rechtshilfeersuchen vereinfachen.
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 13.02.2004
Braun, Helge CDU/CSU 13.02.2004
Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 13.02.2004
Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.02.2004
Hoffmann (Chemnitz),
Jelena
SPD 13.02.2004
Leibrecht, Harald FDP 13.02.2004
Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 13.02.2004
Otto (Godern), Eberhard FDP 13.02.2004
Dr. Pinkwart, Andreas FDP 13.02.2004
Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 13.02.2004
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 13.02.2004
(C
(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
er einzelnen Mitgliedstaaten dienen, soweit diese das
ebiet mehrerer Staaten betreffen.
Eurojust ist heute keine Staatsanwaltschaft, Eurojust
önnte jedoch zu einer europäischen Staatsanwaltschaft
usgebaut werden, um insbesondere die Ermittlungen im
ahmen der Bekämpfung der grenzüberschreitenden or-
anisierten Kriminalität effektiver gestalten zu können.
ch meine, eine mit dieser Aufgabenstellung ausgestat-
ete europäische Staatsanwaltschaft wird bereits in naher
ukunft Wirklichkeit werden. Ich zumindest begrüße die
ntwicklung nachdrücklich.
Der vorliegende Entwurf regelt nun die nationale Be-
ennung bzw. Abberufung eines deutschen Mitgliedes
on Eurojust durch das Bundesministerium der Justiz.
eiter geregelt werden die Bennennung unterstützender
ersonen, die Durchführung der Informationsübermitt-
ung zwischen Eurojust und den jeweiligen Mitgliedstaa-
en, die Benennung der nationalen Anlaufstellen und
udem haftungsrechtliche Fragen. Die justizielle Sach-
eitung bleibt unberührt.
Eurojust bildet eine gute Wegstrecke auf dem Weg
ur koordinierten Kriminalitätsbekämpfung im vereinten
uropa.
Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Kein Sicher-
eitsexperte streitet heute ernsthaft über das Ausmaß der
rganisierten, grenzüberschreitenden Kriminalität in der
elt und in Europa. Es ist deutlich zu hoch und fast täg-
ich hören wir Meldungen über Terroranschläge, Men-
chen- und Drogenhandel, Kinderpornographie, Geld-
äsche oder Geldfälschung.
In der Öffentlichkeit wird mancher europäischen In-
titution oder Behörde und mancher Entscheidung und
aßnahme mit Mißtrauen begegnet. Niemand hat aber
weifel an der Notwendigkeit einer effektiven polizeili-
hen Zusammenarbeit in Europa. Dass wir erfolgreich
rbeitende Stellen und Maßnahmen in Europa für den
ampf gegen schwere, grenzüberschreitende Kriminali-
ät benötigen, ist unstreitig.
Auf Anregung der deutschen Regierung wurde ab
991 darüber nachgedacht, ob man nicht ein europäi-
ches Polizeiamt brauche. 1993 entstand als dessen Vor-
äufer die Europäische Drogeneinheit, EDU, für die
etäubungsmittelkriminalität und 1995 kam in Form ei-
es völkerrechtlichen Vertrages das Europol-Überein-
ommen zustande. Es folgte 1998 die Errichtung des Eu-
opäischen Netzes, EJN, einer Verbindung der mit
echtshilfeaufgaben befassten nationalen Justizstellen.
Zusätzlich zur grenzüberschreitenden Ermittlungsbe-
örde Europol und dem EJN forderten Rechtsgelehrte,
raktiker und die Politik eine europäische Zentralstelle
ur Koordinierung der Polizeiarbeit in Europa.
8264 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Rechtsgrundlage von Eurojust ist der Beschluss des
Rates vom 28. Februar 2002 zur Verstärkung der Be-
kämpfung der schweren Kriminalität, den wir heute per
Gesetzentwurf national umzusetzen und abschließend zu
debattieren haben.
Die CDU/CSU-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf
heute zustimmen. Wir halten Eurojust für ein geeignetes
Instrument im notwendigen Kampf gegen organisierte
Kriminalität in Europa. Es geht hier nicht um mehr Bü-
rokratie, sondern im mehr Schlagkraft.
Nur eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Justiz wird Erfolge in den Fällen bringen, in
denen es um Kriminalität geht, die sich auf dem Gebiet
mehrerer Mitgliedstaaten ausgebreitet hat. Hier ist
Eurojust tätig und soll es auch weiterhin sein.
Wichtig ist dabei aus Sicht meiner Fraktion, dass die
Aufgabenbereiche von Eurojust klar definiert sind. Es
kann nicht das Ziel von Eurojust sein, Rechtshilfe zwi-
schen den Mitgliedstaaten abzuschaffen, sondern sie dort
zu ergänzen und zu verbessern, wo es notwendig ist.
Wir unterstützen Eurojust einerseits als Koordinati-
ons- und Kommunikationsinstrument zwischen den na-
tionalen Justizbehörden mit dem Ziel, Ermittlungsver-
fahren auf europäischer Ebene zu beschleunigen. Und
wir unterstützen Eurojust andererseits als Servicestation
für die nationalen Strafverfolgungsbehörden, damit die
justizielle Zusammenarbeit und die Ermittlungen vor Ort
verbessert werden.
Aufgrund dieser Aufgabenstellung ist es auch richtig,
diese Stelle mit erfahrenen Fachleuten, also nationalen
Staatsanwälten und Richtern zu besetzen, die von den
einzelnen EU-Mitgliedsstaaten entsandt werden.
Wieso allerdings allein das BMJ diese Fachleute ohne
Länderbeteiligung benennen und abberufen können soll,
ist dem Bundesrat in seiner Empfehlung vom 16. Sep-
tember 2003 nicht eingängig gewesen. Meine Fraktion
teilt die Bedenken der Länder in diesem Punkt, weil das
deutsche Mitglied von Eurojust auf dem Gebiet der
Rechtshilfe und der Strafverfolgung und mithin in Berei-
chen tätig wird, die originäre Länderkompetenzen be-
treffen. Da allerdings aktuell der ständige Vertreter des
deutschen Delegierten aus den Ländern nominiert
wurde, haben wir de facto einen Zustand, der akzeptabel
erscheint. Es wäre schön, wenn diese Konstellation auch
künftig, vielleicht auch wechselnd bei der Berücksichti-
gung des ordentlichen Mitgliedes üblich würde – selbst-
verständlich unter Beachtung der notwendigen Sach-
kompetenz.
Wenn wir heute die Beteiligung Deutschlands an
Eurojust und die Umsetzung des Eurojust-Beschlusses
debattieren, so ist aber auch darauf einzugehen, wie wir
uns an der Effizienz von Eurojust beteiligen können.
Dabei gilt aus der Sicht meiner Fraktion der Grund-
satz, dass Doppelzuständigkeiten und Bürokratie zu ver-
meiden sind.
Ich möchte dies an zwei Beispielen verdeutlichen:
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Erstens. Die in § 4 Abs.6 des Gesetzentwurfes nor-
ierte Zustimmungsbefugnis des BMJ vor der Wei-
ergabe von Informationen ist formalistisch und be-
inträchtigt zudem die oben schon beschriebene
änderkompetenz. Art. 27 des Eurojust-Beschlusses
chreibt diese Vorgehensweise auch nicht vor, sondern
ibt dem nationalen Vertreter nur auf, „gegebenenfalls
ie zuständigen Behörden des Mitgliedstaates zu konsul-
ieren“. Schon dem Wortlaut nach können dies also meh-
ere Behörden und nicht nur das BMJ sein. Nicht nur im
inne einer hohen Effizienz, sondern auch um den Inte-
essen der Länder gerecht zu werden, erscheint hier eine
achbesserung angezeigt.
Zweitens. Selbstverständlich muss auch Eurojust bei
er täglichen Arbeit eine Abwägung zwischen den Frei-
eitsrechten der Bürger und den zur Verbrechensbe-
ämpfung notwendigen Instrumentarien beachten. Wenn
urojust aber schnell und wirksam arbeiten soll, so sind
afür umfangreiche Informationen und Datenbanken
innvoll und nötig. Der Datenaustausch ist ein wichtiges
nstrument, um Ermittlungen zu beschleunigen und
oppelermittlungen zu verhindern. In vielen Fällen der
ergangenheit wurden von den Mitgliedstaaten eigen-
tändige Ermittlungen gegen dieselben Tätergruppen na-
ional begonnen, obwohl bei rechtzeitiger Information
ine internationale Koordinierung möglich gewesen
äre.
Zeitverlust und Mehrfacharbeit waren die Folge. Ge-
au dies soll Eurojust künftig verhindern und muss des-
alb auch personenbezogene Daten verarbeiten.
Ein übertriebenes Datenschutzverständnis wie es in
7 des Entwurfes teilweise zum Ausdruck kommt, ist
eshalb kontraproduktiv. Zudem könnten sich Ausle-
ungsprobleme im Hinblick auf die §§ 483, 487 Abs. l
tPO ergeben: Datenverarbeitung und Übermittlung ge-
peicherter Daten. Um wirksam arbeiten zu können,
uss eine dauerhafte Speicherung von Rumpfdaten
öglich sein und darf sich nicht nur auf befristete Ar-
eitsdateien erschöpfen.
Verletzungen des Datenschutzes sind meiner Ansicht
ach nicht zu befurchten, da EUROJUST über einen ei-
enen Datenschutzbeauftragten und eine gemeinsame
ontrollinstanz verfugt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit
urojust eine Stelle geschaffen wurde, die pragmatisch
ls Bindeglied grenzüberschreitende Kriminalität be-
ämpfen kann. Sie ist ständig erreichbar, überwindet
prachbarrieren, ermittelt und hilft gemeinsam zu ermit-
eln, plant, informiert und dokumentiert mit dem Ziel ei-
er höheren Sicherheit in Europa. Multilateral werden
ann Erfolge erzielt, wenn flexibel und unbürokratisch
earbeitet wird. Eurojust kann diese Arbeit leisten.
Wünschen wir Eurojust eine wachsende Bekanntheit
nd eine dauerhafte Akzeptanz in allen Mitgliedstaaten
it dem Ziel einer schnellen und wirksamen Verbre-
hensbekämpfung in Europa.
Michael Stübgen (CDU/CSU): Wir beraten heute in
weiter und dritter Lesung das Eurojust-Gesetz, welches
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8265
(A) )
(B) )
in der Öffentlichkeit bislang wenig diskutiert worden ist
und auch in Zukunft wenig Diskussionsstoff in der Öf-
fentlichkeit bieten wird. Weder meine Vorredner noch
ich werden heute Abend in den Nachrichten erscheinen
und morgen früh die Titelseiten der Presse füllen.
Das Eurojust-Gesetz ist zwischen den Fraktionen un-
streitig und erhält die nahezu volle Zustimmung des
Deutschen Bundestages. Wenn Sie sich das Gesetz an-
schauen, werden Sie merken, dass es voll technischer
Regeln und Verfahrensabläufe ist, die ich Ihnen an dieser
Stelle ersparen möchte. Denn die Erläuterung des Ge-
setzes ermüdet genauso wie das Lesen. Trotzdem ist das
Eurojust-Gesetz, welches wir heute mit einjähriger Ver-
spätung verabschieden, ein wichtiger Meilenstein auf
dem Weg zu einer stärkeren und effizienteren europäi-
schen Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung.
Dabei möchte ich in diesem Zusammenhang auf zwei
wichtige Punkte hinweisen:
Erstens. Die Einrichtung von Eurojust wird die
Schnittstelle der nationalen Strafverfolgungsbehörden
sein. Schon auf Beschluss des Europäischen Rates in
Amsterdam 1998 ist die Grundlage zur Schaffung des so
genannten Europäischen Justitiellen Netzes gelegt wor-
den. EJN besteht aus Kontaktstellen in den Mitgliedstaa-
ten, die in Rechtshilfeangelegenheiten Unterstützung
leisten. Des Weiteren liefern diese nationalen Kontakt-
stellen praktische Informationen über das Recht und die
Anwendung der mitgliedstaatlichen Straf- und Strafver-
fahrensgesetze.
Die Nachteile dieses Systems liegen aber auch klar
auf der Hand: Diese nationalen Auskunftsstellen stehen
nicht rund um die Uhr zur Verfügung und es gibt gele-
gentlich Sprachprobleme. Diese Nachteile drücken sich
in einem teilweise erheblichen Zeitverlust aus. Ähnlich
wie Europol wird Eurojust jetzt die Kommunikation
zwischen den Mitgliedstaaten vereinfachen und verbes-
sern und die Strafverfolgung in Europa deutlich effizien-
ter machen. Die Einschaltung von Eurojust folgt im We-
sentlichen pragmatischen Gesichtspunkten: Eurojust
wird permanent erreichbar sein und mindert das Problem
der Sprachenvielfalt.
Allerdings muss man darauf aufmerksam machen,
dass Eurojust eine Servicestelle und keine europäische
Staatsanwaltschaft ist, bestenfalls ein Vorläufer. Viele
Kritiker beklagen die gegenwärtig mangelhafte justi-
zielle Kontrolle besonders von Europol. Dieses Defizit
in der europäischen Verbrechensbekämpfung wird sich
mit Eurojust nicht substanziell verändern. Eurojust hat
gegenüber Europol keine Weisungs- und keine Sank-
tionsrechte. Sollte – was ich in Zukunft für notwendig
halte – Europol operative Befugnisse erhalten, wird die
Klärung dieser Frage unumgänglich sein.
Zweitens. Anders als in den klassischen Nationalstaa-
ten, wo eine die polizeiführende und -kontrollierende
Staatsanwaltschaft mindestens gleichzeitig installiert
wird, sind wir in der EU einen anderen Weg gegangen.
Auf dem Europäischen Rat in Maastricht wurde 1991
mit dem Beschluss zur Errichtung von Europol die Insti-
tutionalisierung der polizeilichen Zusammenarbeit in
Europa beschlossen. Die Einrichtung von Europol hat
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ich hervorragend bewährt. Das kann man schon daran
rkennen, dass Europol immer weitere Zuständigkeiten
is hin zur Terrorismusbekämpfung bekam. Die Arbeit
on Europol ist bei den europäischen Bürgern wenig be-
annt, aber bei den Kriminellen gefürchtet.
Es ist längst überfällig, dass die justizielle Zusam-
enarbeit in Europa auf ein ähnliches Fundament ge-
tellt wird.
Die Praxis wird jetzt zeigen, wie positiv sich Eurojust
uswirken wird. Die Organisationsabläufe von Eurojust
olgt dem bewährten Modell von Europol.
Die heutige Zustimmung zu Eurojust ist nicht das
nde des Weges. Gleichwohl es ein wichtiger Schritt ist.
s bleibt das Problem, dass in einem massiv erweiterten
uropa ohne Grenzen die Bekämpfung der grenz-
berschreitend organisierten Kriminalität und die wach-
ende Gefahr des internationalen Terrorismus die
ationalen Strafverfolgungsbehörden zunehmend über-
ordern. Deshalb brauchen wir in absehbarer Zukunft
uropäische Organisationen zur Verbrechensbekämp-
ung. Dabei müssen noch viele nationale Bedenken
berwunden werden. Aber mit kontinuierlicher Arbeit
önnen diese Hindernisse überwunden werden. Wir
rauchen für das künftige Europa eine funktionsfähige
uropäische Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit
er Errichtung eines europäischen Strafgerichtshofes.
ieses Ergebnis zu erreichen, ist erklärtes Ziel der Bun-
esregierung. Meine Fraktion wird sie darin unterstüt-
en.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
uropäische Raum von Sicherheit, Recht und Freiheit
at in den letzten Jahren rasant Konturen gewonnen. Da-
ei ist es mit der gemeinsamen Sicherheit schneller und
roblemloser gegangen als mit der Vereinheitlichung des
echts und gleichen Freiheiten für die Unionsbürgerin-
en und Unionsbürger sowie alle Menschen, die in der
uropäischen Union leben. Geheimdienste und Polizei-
ehörden arbeiten eng und effektiv zusammen, nach
LAF, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung,
st mit Europol eine starke Vorstufe zu einer europäi-
chen Polizei entstanden. Einen europäischen Staatsan-
alt, einen europäischen Ermittlungsrichter, eine unab-
ängige europäische Justiz und eine effektive,
renzüberschreitend – eben wie auch die Ermittlungsbe-
örden – agierende Verteidigung sucht man vergebens.
Wir bekommen in den nächsten Monaten als neues
trafverfolgungsinstrument einen europäischen Haftbe-
ehl und werden damit erstmals seit Bestehen der Bun-
esrepublik Deutschland deutsche Staatsangehörige an
as europäische Ausland ausliefern müssen. Gemein-
ame Standards eines rechtsstaatlichen Strafprozesses
ind nicht in Sicht, von einem vereinheitlichten materiel-
en Strafrecht ganz zu schweigen. Die europäische
erfassung, deren Geburt noch blockiert ist, wird we-
igstens prozessuale Grundrechte bringen, die den Men-
chen direkt zugute kommen. Dies wäre ein riesiger
ortschritt, da die Europäische Menschenrechtskonven-
ion als zwischenstaatlicher Vertrag bisher unmittelbar
ur zwischen den Signatarstaaten gilt.
8266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
Die Errichtung von Eurojust, noch keine eigenstän-
dige europäische Staatsanwaltschaft, aber möglicher-
weise eine Vorstufe dazu, ist deshalb in der Verwirkli-
chung eines europäischen Raums von Sicherheit, Recht
und Freiheit ein, wenn auch kleiner, Fortschritt. Und
deshalb ist es auch richtig und wichtig, das Gesetz zur
Umsetzung des Beschlusses 2002/187/JI des Rates vom
28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur
Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität
voranzubringen.
Mit diesem Gesetz werden die Grundlagen geschaf-
fen, damit deutsche Strafverfolgungsbehörden und an-
dere staatliche Institutionen mit Eurojust praktisch,
schnell und unbürokratisch zusammen arbeiten können.
Dabei sind und bleiben deutsche Behörden an das inner-
staatliche Recht gebunden. Persönlichkeitsrechte von
Betroffenen sind nach den in Deutschland geltenden
Standards zu wahren. Im Zweifel haben deutsche Behör-
den das Recht, die Zusammenarbeit und die Anlieferung
von Daten und Fakten an Eurojust abzulehnen. Den da-
mit einhergehenden möglichen Verlust an Effektivität
bei der Strafverfolgung müssen wir so lange hinnehmen,
wie die von mir geschilderte und beklagte nachhinkende
Entwicklung prozessualer und von Beschuldigtenrechte
Realität ist.
Auch wenn Polizeibehörden unmittelbar mit Eurojust
in Kontakt treten, soll die innerstaatliche justizielle
Sachleitung unberührt bleiben. Das kann nur bedeuten,
dass die Polizeibehörden gehalten sind, die zuständigen
Staatsanwaltschaften umfassend zu informieren. Da wir
uns mit der Regelung dieser Kontakte auf Neuland bege-
ben, bleiben das Parlament wie die Bundesregierung
aufgerufen, die Entwicklung zu beobachten, und gegebe-
nenfalls gesetzlich nachzufassen, wenn die justizielle
Sachleitung in der Praxis ausgehöhlt werden sollte. Die
Staatsanwaltschaften sind aufgefordert, sich bei der Ver-
folgung schwerer Kriminalität das Heft des Handelns
nicht aus der Hand nehmen zu lassen.
Soweit für die Informationsweitergabe an Eurojust
automatisierte Arbeitsdateien anzulegen sein werden,
hat das Bundesjustizministerium durch Rechtsverord-
nungen die notwendigen gesetzlichen Grundlagen dafür
zu schaffen. Der Rechtsausschuss hat in diesem Zusam-
menhang empfohlen, im Gesetz selbst darauf hinzuwei-
sen, dass die Grundsätze des deutschen Datenschutz-
rechts dabei zur Geltung kommen.
Das Gesetz hat in der Form der Empfehlungen des
Rechtsausschusses die Zustimmung aller Fraktionen ge-
funden. Dies zeigt, dass bei gutem Willen auch in Fragen
der Sicherheit eine gemeinsame Position aller Fraktio-
nen zu finden ist, wenn wir uns auch in der Verteidigung
und Entwicklung des Rechts und der Freiheit in Europa
einig wissen.
Jörg van Essen (FDP): Der Gesetzentwurf, den wir
heute mit den Stimmen aller Fraktionen des Hauses be-
schließen, ist ein weiterer Mosaikstein zu dem Aufbau
eines gemeinsamen europäischen Raumes der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts. Bereits im Jahre 2002
wurde Eurojust als Einrichtung der Europäischen Union
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ur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Krimina-
tät geschaffen. Die FDP hat sich immer zu Eurojust be-
annt und wird dem Gesetzentwurf heute daher auch zu-
timmen. In keinem Zuständigkeitsbereich hat Eurojust
onkret die Aufgabe, sich mit nationalen Staatsanwalt-
chaften der beteiligten Mitgliedstaaten über laufende
erfahren auszutauschen und die Möglichkeit und Not-
endigkeit koordinierter Aktionen zu prüfen. Eurojust
oll eine sachgerechte Koordinierung der nationalen
taatsanwaltschaften, einen entsprechenden Informa-
onsaustausch sowie die Erledigung von Rechtshilfe
nd Auslieferungsersuchen erleichtern.
Eurojust besteht aus nationalen Staatsanwälten, Rich-
ern oder Polizeibeamten, die von den EU-Mitgliedstaa-
n entsandt werden. Damit Eurojust funktionstüchtig ist
nd seine Aufgaben wahrnehmen kann, bedarf es noch
er Benennung eines nationalen Mitgliedes sowie die
egelung der damit verbundenen organisatorischen und
aftungsrechtlichen Fragen. Dies geschieht mit dem vor-
iegenden Gesetzentwurf. Bis zu einer völlig harmoni-
ierten europäischen Rechtspolitik ist es jedoch noch ein
eiter Weg. Wie wichtig es ist, große Anstrengungen zur
ereinheitlichung der Standards in Strafverfahren anzu-
trengen, zeigt die aktuelle Diskussion um die Einfüh-
ung des europäischen Haftbefehls. Ein europäisches
trafprozessrecht und einheitliche Verfahrensgarantien
ind noch in weiter Ferne. Hier wäre ein größeres En-
agement der Bundesregierung auf europäischer Ebene
ünschenswert. Als Motor auf dem Wege zu einer Har-
onisierung der europäischen Innen- und Rechtspolitik
t Deutschland zurzeit wahrlich nicht zu erkennen.
Die FDP spricht sich grundsätzlich dafür aus, den
usbau der europäischen Strafverfolgungsmöglichkei-
n rechtlich und institutionell voranzutreiben. Ziel muss
ach wie vor die Schaffung einer europäischen Staats-
nwaltschaft sein. Die Bemühungen der EU-Mitglied-
taaten dazu sind allerdings insgesamt nicht besonders
tark ausgeprägt. Wenn es uns gelingt, Eurojust zu einer
ffektiven Behörde im Kampf gegen grenzüberschrei-
ende schwere bzw. organisierte Kriminnlität zu machen,
ird vielleicht auch dieser Prozess beschleunigt werden.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der
undesministerin der Justiz: Heute ist ein guter Tag für
ie Strafverfolgung im gemeinsamen Raum der Freiheit,
er Sicherheit und des Rechts. Heute stimmen Sie über
en Entwurf des Eurojust-Gesetzes ab.
Die Geburtsurkunde von Eurojust ist bekanntlich der
rrichtungsbeschluss des Rates vom 28. Februar 2002.
ie eigentliche Geburtsstunde von Eurojust war aber der
uropäische Rat von Tampere im Oktober 1999. Gerade
eutschland hat sich dort und in der Folgezeit maßgeb-
ich an der Schaffung von Eurojust beteiligt. Deshalb ist
ie Umsetzung des Ratsbeschlusses von 2002 ein wichti-
er Schritt im Entstehungsprozess von Eurojust. Ein
ichtiger Schritt auf dem Weg, den der Entwurf des
onvents für einen europäischen Verfassungsvertrag
ufzeigt: die Fortentwicklung von Eurojust bis hin zu ei-
er Europäischen Staatsanwaltschaft.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8267
(A) )
(B) )
Das besondere Engagement Deutschlands für Euro-
just hat sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Euro-
just-Beschlusses fortgesetzt. Der Entwurf stellt eine gute
Balance dar: Auf der einen Seite gingen die Vorstellun-
gen dahin, Eurojust eher formlos als einen ständigen
runden Tisch zu konzipieren, der aktuelle Fragestellun-
gen im Bereich der europäischen strafrechtlichen Zu-
sammenarbeit abklärt. Dem standen auf der anderen
Seite Überlegungen gegenüber, Eurojust müsse als eine
europäische Institution stärker formalisiert werden. In
dem Ratsbeschluss finden sich beide Elemente wieder.
Hierbei galt es – wie häufig im europäischen Alltag – für
alle Beteiligten, über den jeweiligen Schatten zu sprin-
gen, was nach meinem Dafürhalten im Ergebnis aber
überaus gut gelungen ist.
Ziel des Eurojust-Beschlusses und Aufgabe von Eu-
rojust ist die wirksame Verbesserung der justiziellen Zu-
sammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union bei der Bekämpfung der schweren Kriminalität.
Eurojust erreicht dies als eine Einrichtung der Europäi-
schen Union, die Ermittlungsverfahren und sonstige
Strafverfolgungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten, soweit
das Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten betroffen ist, koor-
diniert. Hierbei geht es nicht zuletzt um ein konstrukti-
ves Miteinander von Justiz und Polizei bei der strafrecht-
lichen Zusammenarbeit. Dementsprechend sieht Art. 26
des Eurojust-Beschlusses vor, dass Eurojust und Europol
eine enge Zusammenarbeit pflegen. Um diese Worte mit
Leben zu erfüllen, haben Eurojust und Europol mittler-
weile den Entwurf einer Vereinbarung zur Zusammenar-
beit erstellt, der den europäischen Gremien zur Be-
schlussfassung vorliegt.
Mit Eurojust wird eine neue Qualität im System der
europäischen strafrechtlichen Zusammenarbeit geschaf-
fen. Insbesondere soll hierdurch die strafrechtliche Zu-
sammenarbeit zwischen den Staatsanwaltschaften und
Strafgerichten auf ein der bereits erreichten polizeilichen
Zusammenarbeit in Europa vergleichbares Niveau geho-
ben werden. Eurojust stellt sich dabei als das justizielle
Pendant zu Europol dar.
Die strafrechtliche Zusammenarbeit in der Europäi-
schen Union befindet sich derzeit insgesamt in einem
dynamischen Entwicklungsprozess. Nationale Funkti-
onsprinzipien können dabei für uns nicht mehr die allei-
nigen Entscheidungsmaßstäbe sein; andererseits stellen
die nationalen Rechtsordnungen eine wichtige Erkennt-
nisquelle für den europäischen Gesetzgeber dar. Der
Beitrag von Eurojust zu einer wirkungsvolleren Be-
kämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität wird
vor diesem Hintergrund vor allem auf der Ebene eines
intensiven Informationsaustausches zwischen Eurojust
und den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten
liegen.
Der Eurojust-Beschluss enthält mehrere Bestimmun-
gen, die eine Anpassung der bestehenden innerstaatli-
chen deutschen Rechtslage erforderlich machen. Diesem
Ziel dient der vorliegende Gesetzentwurf. Bei der Aus-
gestaltung der Regelungen mussten wir berücksichtigen,
dass der Beschluss bereits als geltendes europäisches
Recht die Bundesrepublik Deutschland bindet. Der Rah-
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en für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit Eu-
ojust wird schon durch den Beschluss selbst gesetzt; da-
inter darf also auch das Umsetzungsgesetz nicht
urückbleiben.
Zur Erfüllung der Aufgaben von Eurojust ist die Zu-
ammenarbeit der deutschen Vertreter mit den nationalen
trafverfolgungsbehörden das wesentliche Element. In
er Ausgestaltung dieser Beziehungen liegt deshalb auch
as Schwergewicht des Gesetzentwurfs. Außerdem ent-
ält der Gesetzentwurf Regularien insbesondere zur Er-
ennung und Abberufung des nationalen Mitglieds und
er es unterstützenden Personen. Weitere Bestimmungen
etreffen die Errichtung von nationalen Anlaufstellen für
ie deutschen Eurojust-Vertreter sowie – last but not
east – die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben
es Eurojust-Beschlusses.
Mit dem Gesetz wird die Wahrnehmung der Eurojust
bertragenen Aufgaben durch Deutschland in vollem
mfange sichergestellt. So ermöglichen die Regelungen
um direkten Informationsaustausch zwischen dem deut-
chen Eurojust-Mitglied und den deutschen Strafverfol-
ungsbehörden eine intensive und schnelle Kooperation.
ichts wäre fataler, als eine neue europäische Einrich-
ung zu schaffen, die mangels der für ihre Arbeit erfor-
erlichen Informationen lediglich auf dem Papier
tünde! Eine reibungslose direkte Informationsübermitt-
ung zwischen Eurojust und den zuständigen deutschen
tellen ist vielmehr das Lebenselixier dieser zentralen
ustiziellen Stelle auf europäischer Ebene.
Eurojust zu ermöglichen, das zu tun, wofür es ge-
chaffen wurde, dient ferner die in dem Gesetzentwurf
orgesehene Möglichkeit deutscher Strafverfolgungsbe-
örden, von sich aus tätig zu werden und Informationen
ozusagen „spontan“ an Eurojust zu übermitteln, wenn
iese Informationen zur Erfüllung der Aufgaben von Eu-
ojust beitragen.
Eurojust arbeitet außerdem eng mit dem Europäi-
chen Polizeiamt Europol, dem Europäischen Amt für
etrugsbekämpfung OLAF sowie dem Europäischen
ustiziellen Netz zusammen. Diese Möglichkeiten wer-
en durch das Gesetz für das deutsche Eurojust-Mit-
lied, soweit erforderlich, konkretisiert.
Die Bundesregierung unternimmt – unter Beachtung
echtsstaatlicher Grundsätze – alles, was notwendig und
ngemessen ist, um die schwere Kriminalität in der Eu-
opäischen Union wirksam und nachhaltig zu bekämp-
en. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Gesetz hierzu
inen wichtigen Beitrag leisten wird.
nlage 3
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Schaffung einer
nationalen Küstenwache (Tagesordnungs-
punkt 25)
Annette Faße (SPD): Nicht nur der 11. September
001 hat ungeahnte Ängste heraufbeschworen, sondern
8268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
auch die Erfahrungen aus den Schiffshavarien vor der
deutschen Küste erfordern angemessene Reaktionen im
Bereich des Havariemanagements und der polizeilichen
Gefahrenabwehr.
Priorität hatte dabei für uns zunächst die Straffung der
nationalen deutschen Strukturen für das Unfallmanage-
ment. Seit dem 1. Januar 2003 haben wir in Cuxhaven
das Havariekommando eingerichtet. Hier wurde in bei-
spielhafter Kooperation zwischen dem Bund und allen
fünf Küstenländern eine gemeinsame Einrichtung ge-
schaffen, die ein einheitliches und damit wesentlich ef-
fektiveres Unfallmanagement bei schweren Havarien ge-
währleistet. Mit unseren Nachbarstaaten Dänemark,
Niederlande, Schweden und Polen bestehen Koopera-
tionsvereinbarungen.
Im polizeilichen Bereich werden angesichts der ver-
änderten Gefährdungslage und neuer internationaler Ver-
pflichtungen zur Abwehr terroristischer Bedrohungen
umfangreiche nationale Maßnahmen eingeleitet, um im
Bereich der Gefahrenabwehr weitere Verbesserungen
und eine höhere Effizienz zu erreichen. Die an der Ar-
beitsgruppe „Küstenwache – neu“ beteiligten Bundes-
ressorts prüfen derzeit im Dialog mit den Ländern, wie
die Küstenwache in Bezug auf den Aufgabenvollzug op-
timiert werden kann. Wir erwarten die Ergebnisse dieser
Prüfung in wenigen Monaten.
Das ist ein Grund, warum wir dem Antrag der Frak-
tion nicht zustimmen können: Wir wollen die Empfeh-
lungen der Arbeitsgruppe „Küstenwache – neu“ abwar-
ten.
Ich bin zuversichtlich, dass die Arbeitsgruppe uns
eine sachlich und wirtschaftlich optimale Lösung aufzei-
gen wird.
Weniger zuversichtlich bin ich allerdings, ob diese
Lösung Ihrem Antrag nahe kommt. Denn es besteht zur
Optimierung der Gefahrenabwehr keine Notwendigkeit,
das Grundgesetz zu ändern – darauf läuft es beim Antrag
doch hinaus. Ich bin mir sicher: Die notwendigen Maß-
nahmen lassen sich im Rahmen der bestehenden Zustän-
digkeiten beim Bund und bei den Ländern vernünftig lö-
sen. Die Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und
Landesbehörden funktioniert. Das können Sie nicht
leugnen.
Ich sehe darum keinen Grund, eine Bundesküstenwa-
che mit eigener Rechtspersönlichkeit zu schaffen: Es
sind zum Teil sehr unterschiedliche Aufgaben mit hoch
spezialisierten Fahrzeugen und Personal zu erledigen.
Denken Sie dabei nur an die Wartung der Seezeichen,
eine Routineaufgabe der Wasser- und Schifffahrtsver-
waltung, und die grenzpolizeiliche Sicherung, eine origi-
näre Aufgabe des BGS. Durch eine neue Einheitsbe-
hörde würden hier sicher – neben den bestehenden
Problemen – zusätzliche neue Probleme geschaffen.
Der heutige Koordinierungsverbund Küstenwache,
auf den die Damen und Herren von der Opposition zu ih-
rer Regierungszeit sehr stolz waren, hat sich im Grunde
bewährt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Koordinie-
rungsverbund Küstenwache und dem Havariekommando
funktioniert gut. Natürlich wird trotzdem alles getan, um
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ie Zusammenarbeit unter neuen Anforderungen zu ver-
essern.
Lassen Sie mich kurz auf das Havariekommando ein-
ehen. In dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion wird be-
auptet, die Schaffung des Havariekommandos habe
keine wesentliche Verbesserung“ gebracht.
Wollen Sie nicht sehen, dass das Verkehrsministerium
nd die Küstenländer eine beispielhafte Organisation zur
ewältigung von Havarien geschaffen haben? In dem
ntrag ist von „informellen Koordinierungsverbünden“
ie Rede und es wird vollkommen ignoriert, dass im
rnstfall unverzüglich und schlagkräftig agiert werden
ann.
Sollen also die gelebten und bewährten föderalen Zu-
tändigkeiten und Abläufe des Alltagsbetriebs geopfert
erden, ohne dass es notwendig wäre? Dem können und
ollen wir nicht zustimmen. Ich empfinde das auch als
eleidigung der Männer und Frauen, die heute in diesen
trukturen eine hervorragende Arbeit leisten.
Ein Wort noch zu Herrn Kollegen Goldmann. Ich
abe heute seine Äußerung in der „Süddeutschen Zei-
ung“ gelesen. Ich finde das schon ein starkes Stück,
enn er sagt: „Kein Mensch weiß, welche Rechte der
eiter des Havariekommandos eigentlich hat.“
Er soll dann weiter behauptet haben, der Leiter sei auf
en Goodwill und die Boote anderer Einheiten angewie-
en. Der Kollege Goldmann behauptet hier Dinge – er
ar, wie ich höre, ja in Cuxhaven –, von denen er sehr
enau weiß, dass sie mit der Realität nichts zu tun haben.
as ist unredlich, weil Sie sehr genau wissen, dass der
eiter umfassende Einsatzbefugnisse hat. Diese Befug-
isse zu schaffen, die wir jetzt Gott sei Dank haben, dazu
aren CDU/CSU und FDP während ihrer Regierungs-
eit nicht in der Lage.
Eine vergleichbar flexible Organisation wie das Ha-
ariekommando sollte auch die neue Küstenwache wer-
en. So wie das Havariekommando seit dem 1. Januar
003 in Cuxhaven im Dienst ist, um die Arbeiten im
alle einer schweren Havarie zu koordinieren, so könnte
um Beispiel auch die neue Küstenwache an einem
tandort konzentriert werden. Eines ist jedoch klar: Den
m CDU/CSU-Antrag heraufbeschworenen Kompetenz-
irrwarr aufgrund einer terroristischen Bedrohung wird
s in der Realität nicht geben.
Ein solcher Ernstfall, von dem wir natürlich hoffen,
ass er niemals eintreten wird, löst eine polizeiliche Son-
erlage mit entsprechend straffen Strukturen und Zu-
tändigkeiten aus. Jedes dann jeweils zuständige Ressort
rhält umfassende Kompetenzen und Weisungsbefug-
isse.
Ein Satz noch zur Bundesmarine: Es wird beklagt,
ass diese zurzeit nicht zur Unterstützung gegen terroris-
ische Angriffe angefordert werden kann. Nun, das wird
uch auf absehbare Zeit so bleiben; denn es herrscht un-
er den beteiligten Ressorts Einverständnis darüber, dass
ie Bundesmarine keine polizeilichen Aufgaben wahr-
ehmen soll. Im Rahmen der Amtshilfe bzw. nach dem
eerechtsabkommen ist der Einsatz jederzeit möglich.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8269
(A) )
(B) )
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Die-
ser Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist über-
flüssig, denn das generelle Ziel, die Gefahrenabwehr auf
See zu optimieren, wird schon verfolgt. Bald werden uns
die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Küstenwache – neu“
vorliegen. Diese werden wir dann umzusetzen haben.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Fol-
gende Tickermeldung könnte uns heute, am 13. Februar
2004, hier in Berlin erreichen: Drama vor der deutschen
Nordseeküste! Öl-Supertanker, von Terroristen mit
Sprengstoff bestückt, treibt führungslos auf Emden zu.
Eine Kollision mit einem Off-Shore- Windpark außer-
halb des Küstengewässers kann nicht ausgeschlossen
werden. Eine Umweltkatastrophe droht!
Folgendes Eingreifszenario entspräche der Rechtslage:
Der BGS wird alarmiert, um die Bomben zu entschärfen,
das Bundesverkehrsministerium, um der Kollisionsgefahr
zu begegnen, das Bundesumweltministerium, um den
Ölaustritt zu begrenzen, und das Bundesverteidigungs-
ministerium, damit der SAR-Hubschrauber eingesetzt
werden kann. Das Ministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft sorgt mit seinen Fische-
reischutzbooten für den Abzug bedrohter Fischerboote.
Das Havariekommando und die Küstenwachen der Län-
der versuchen, den Einsatz zu koordinieren. Doch das
Leck geschlagene Schiff treibt in stürmischer See weiter
aus den Hoheitsgewässern in die Küstengewässer.
Eine neue Rechtslage tut sich auf: Jetzt ist für das
Entschärfen der Bombe die Polizei von Niedersachsen
zuständig, für die Ölabwehr das dortige Umweltministe-
rium. Würde der Wind drehen und der Riesentanker auf
die Küste Schleswig-Holsteins zutreiben, ergibt sich
wieder eine neue Zuständigkeit.
Dieses Horrorszenario ist nicht Realität geworden.
Noch nicht! Aber auch fünf Jahre nach der Havarie der
„Pallas“ gibt es noch immer bei uns keine Küstenwache
aus einem Guss. Und 15 Monate nach dem folgenschwe-
ren „Prestige“-Unglück vor Spanien fehlt es in Deutsch-
land an Rechtsklarheit im See-Katastrophenfall. Seit
dem Terror Anschlag auf das World Trade Center in
New York hat nicht nur die Luft-, sondern auch die See-
sicherheit eine neue Dimension erhalten. Ob die Kape-
rung eines Kreuzfahrtschiffs im Hafen von Lübeck, ob
der Überfall auf einen Chemikalientanker im Nord-Ost-
see-Kanal, ob eine gewollte Schiffskollision in der Ka-
detrinne vor Fehmarn, die jährlich von 60 000 Schiffen
befahren wird, nach dem 11. September 2001 ist nichts
mehr undenkbar.
Wir, die Bundesrepublik, sind weder auf Terrorakte
noch auf ökologische Katastrophen vorbereitet. Wir leis-
ten uns ein heilloses Behörden-Durcheinander. Wir ver-
teilen immer noch die Seesicherheits-Kompetenzen auf
fünf verschiedene Bundesministerien, die Küstenländer
sowie neun Behörden mit 16 Dienststellen. Über 25 Ver-
träge, Vereinbarungen und Abkommen gibt es für die
Kooperation.
Wir leisten uns den Luxus, die Bundesmarine, die
24 Stunden rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft ist
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nd alle personellen wie logistischen Voraussetzungen
at, aus dem zivilen Katastrophen-Einsatz auszuklam-
ern. Wir pochen auf föderale, traditionelle Zuständig-
eiten, ohne uns zu vergegenwärtigen, dass es zur Si-
herheit von Mensch und Meer nur eine einheitliche
entrale Gefahrenabwehr geben kann. Wir praktizieren
icherheitsprovinzialismus und blenden aus, dass für
ine europäische Seesicherheits-Agentur eine nationale
üstenwache die Voraussetzung ist.
Wir müssen alles tun, um Anschläge und Unfälle auf
ee zu verhindern. Aber Seesicherheit aus einer Hand
ibt es bei uns immer noch nicht. Auch wenn durch zahl-
eiche Kooperationsverträge die Zusammenarbeit der
ehörden, Ministerien und Institutionen etwas ge-
chmeidiger geworden ist, eine effiziente Eingreiftruppe
it eigenständigen Kompetenzen ist nicht vorhanden.
Wir, die Union, haben eine zentrale Seesicherheit be-
eits vor fünf Jahren gefordert. Sie ergab sich als Konse-
uenz aus dem Drama um die „Pallas“. Bundeskompe-
nz war das Gebot der Stunde. Auch der gesamte
andtag von Schleswig-Holstein hat sich dieser Einsicht
ffen gegenüber gezeigt. Auf Antrag meines Kollegen
einz Maurus und der CDU-Fraktion haben sich auch
ie Sozialdemokraten, die FDP und die Bündnis-Grünen
ür Führung und Verantwortung aus einer Hand ausge-
prochen. Der Weg dazu setzt eine Grundgesetzänderung
zw. einen Staatsvertrag voraus. Bisher hat die Bundes-
egierung noch keine konkrete Initiative für die See dazu
nternommen.
Jetzt jedoch hat die Bayerische Staatsregierung im
undesrat eine Verfassungsänderung vorgelegt, die für
ie Luft- und Seesicherheit gleichermaßen gilt. Auch in
er Föderalismus-Kommission gibt es Aufgeschlossen-
eit dafür von allen Beteiligten aus allen Fraktionen.
Aber hier im Bundestag blockieren SPD und Bünd-
is-Grüne diese Unionseingabe. Man verweist auf das
avariekommando und die beiden Küstenwachen. Man
erschweigt, dass man durch vier verschiedene Ver-
ehrsminister in fünf Jahren die Angelegenheit nicht
nergisch genug angepackt hat. Zuletzt ist Manfred
tolpe am Widerstand starker Abteilungen, die eine Auf-
sung befürchten müssen, gescheitert. Dabei würde die
chaffung einer nationalen Küstenwache nicht nur Kos-
n in Milliardenhöhe senken, sondern auch einen Bei-
ag zur Entbürokratisierung leisten.
Dass jetzt Begehrlichkeiten aus dem Bundesinnenmi-
isterium erkennbar werden, die aus gut 100 Booten
estehende Bundesflotte allein zu dirigieren, hat sich
undesverkehrsminister Manfred Stolpe selber zuzu-
chreiben. Hinzu kommt, dass Otto Schily für den Terro-
ismus zuständig ist. Doch auch ihm würde der Durch-
riff versagt bleiben. Was in Dänemark, Frankreich,
talien, Portugal und Spanien schon seit langem prakti-
iert wird, ist bei uns nicht möglich: Im Ernstfall können
GS und Bundesmarine nicht direkt angefordert wer-
en.
Seit Jahren lehnt die Bundesregierung einen profes-
ionellen Einsatz der Marine in Krisenfällen ab. Diese
usgrenzung gilt es zu ändern. Integration aller Kräfte
8270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
im Rahmen eines Krisenmanagements muss die Zielset-
zung sein. Einen begrüßenswerten Ansatz für mehr Bun-
deskompetenz gibt es bereits bei der Ausweisung der
40 Notliegeplätze bei Havarien. Doch ob es demokrati-
schen Prinzipien entspricht, diese Aufstellung als Ge-
heimpapier unter Verschluss zu halten, muss bezweifelt
werden.
Vor dem Hintergrund der wachsenden terroristischen
Bedrohung und dem immer noch nicht gelösten Kompe-
tenzwirrwarr zwischen den im Ernstfall zuständigen Mi-
nisterien, muss sofort gehandelt werden. Wir brauchen
jetzt eine nationale Küstenwache. Nur so können das
einzigartige Ökosystem von Nord- und Ostsee und das
Leben der Bevölkerung ausreichend geschützt werden.
Zudem schafft eine bundesweite Finanzierung eine ge-
rechtere Lastenverteilung. Jedes Bundesland in Deutsch-
land profitiert von den Meeren und sicheren Seegrenzen.
Die Kosten werden derzeit hauptsächlich von den Küs-
tenländern getragen.
Was wir brauchen, ist Rechtsklarheit, Organisations-
klarheit und Kompetenzklarheit.
Erstens. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen,
dass Eindeutigkeit in der Zuordnung der nationalen Küs-
tenwache besteht. Wem soll sie unterstehen? Dem Ver-
kehrsminister, dem Innenminister, oder soll eine eigen-
ständige Behörde eingerichtet werden?
Zweitens. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen,
dass Eindeutigkeit über den Standort einer nationalen
Küstenwache geschaffen wird. Die bestehende Küsten-
wache wird derzeit von zwei Standorten aus koordiniert:
Neustadt an der Ostsee und Cuxhaven an der Nordsee.
Das Havariekommando hat seinen Sitz in Cuxhaven. In
beiden Städten ist fachliche Kompetenz konzentriert,
sind die Voraussetzungen für eine zentrale Institution ge-
geben.
Drittens. Die Bundesregierung ist aufgefordert, für ei-
nen Rechtsrahmen für die Einfuhrung von BGS und
Bundesmarine zu sorgen. Wir brauchen Klarheit über
den Umfang der Integration von Bundesmarine und
BGS. Aus ideologischen Gründen die Bundesmarine
weiter ins Abseits zu stellen kommt einer Diskriminie-
rung gleich.
Viertens. Die Bundesregierung ist gehalten, baldmög-
lichst für eine Seerechtssicherheit zu sorgen. Dafür gibt
es zwei Möglichkeiten: eine Änderung des Grundgeset-
zes oder Staatsverträge zwischen Bund und Ländern.
Nur wenn der rechtliche Rahmen feststeht, können Ma-
rine und BGS effektiv eingreifen.
Fünftens. Schließlich ist die Bundesregierung in der
Verpflichtung, einen zeitlichen Umsetzungsrahmen zu
setzen. Die EU konzipiert derzeit an einer Europäischen
Küstenwache. Unser Beitrag dazu muss sein, wann
Brüssel mit einem einheitlichen deutschen Konzept
rechnen kann. Die EU erwartet einen Ansprechpartner.
Erst wenn Klarheit über die angesprochenen Punkte
herrscht, können wir uns auf den Meeren vor unserer
Haustür ein Stück sicherer fühlen.
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Auch der Bundesrechnungshof und der Haushaltsaus-
chuss des Bundestags fordern seit Jahren die Konzen-
ation aller Seesicherheitsdienste, aus Kosten- wie aus
ffizienzgründen. Eine parlamentarische Anhörung zur
hematik halte ich für geboten.
Die „Pallas“- und „Prestige“-Havarie sollte Grund ge-
ug zum Handeln sein. Der 11. September 2001 in New
ork hat uns allen die Brutalität des Terrors ausreichend
or Augen geführt. Mehr Sicherheit, ob auf See oder in
er Luft, ist das Gebot der Stunde.
Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Wer erinnert sich
icht an die Havarien der „Pallas“, der „Erika“ und der
Prestige“ und die verheerenden Auswirkungen auf die
kosysteme. Wir hoffen alle, dass solche Katastrophen
n Zukunft ausbleiben. Doch alleine hoffen wird nicht
eichen. Ich versichere Ihnen: Der nächste Seeunfall ist
ediglich eine Frage der Zeit. Wer von Ihnen möchte
ann den Bürgern erklären, dass ein Aufbau effektiver
trukturen zur Sicherung von See und Küsten nicht
öglich war? Anstelle einer schlagkräftigen einheitli-
hen nationalen Küstenwache leisten wir uns einen
ompetenzwirrwarr sondergleichen.
In die tägliche Arbeit sind: BGS, Zoll, Wasser- und
chifffahrtsverwaltung, Bundesanstalt für Landwirt-
chaft und Ernährung sowie die Marine und die Deut-
che Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger involviert.
arallel dazu erstrecken sich diese Befugnisse im Küs-
enmeer auf mehrere Landesbehörden. Seit den 50er-
ahren wird versucht, diese unterschiedlichen Kompe-
enzen durch immer weitere Kooperationsvereinbarun-
en zu koordinieren. Mittlerweile gibt es 25 Verträge.
as Ergebnis ist ein Nebeneinander von Einheiten und
uständigkeiten, das mittlerweile selbst von Experten
aum noch überblickt werden kann.
1994 wurde die deutsche Küstenwache gegründet. Sie
st leider auch nur ein Koordinierungsverbund – nicht
ehr als eine Verabredung. Daher sind auch die Küsten-
achzentren in Cuxhaven und Neustadt nach wie vor
eine echten Führungszentren. Sie dienen im Alltagsbe-
rieb allenfalls der gegenseitigen Tagesinformation über
ie vorgesehenen Revierfahrten. Eine gemeinsame
insatzplanung gibt es nicht. Das einzig Verbindende
wischen den Einsatzfahrzeugen des Bundes aus den un-
erschiedlichen Fachressorts ist die Aufschrift „Küsten-
ache“. Das letzte Kapitel der unendlichen Koordinie-
ungsgeschichte stellt das neue Havariekommando dar.
s soll bei Eintritt eines so genannten „komplexen Scha-
ensfalls“ die Führung übernehmen. Klare Befehlsstruk-
uren sind nicht geschaffen worden. Wir können von
lück reden, dass das Havariekommando noch nicht in
inem wirklichen Ernstfall getestet wurde.
Wo liegen die Ursachen für die geschilderten Pro-
leme? Wie ist es zu diesem Kompetenzwirrwarr ge-
ommen?
Erstens: Ressortegoismus zwischen den Bundesmi-
isterien.
Zweitens: die Kompetenzverteilung zwischen Bund
nd Land.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8271
(A) )
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Der Bund ist, anders als für den Luftraum, nicht für
die gesamte Gefahrenabwehr auf See zuständig. Daraus
folgt diese absurde Aufgabenverteilung: Der Bund ist
beispielsweise dafür zuständig, zu kontrollieren, dass die
Schiffe kein Schweröl verlieren. Sobald dann aber doch
Schweröl ins Wasser gelangt ist, hat der Bund keine
Kompetenz mehr. Die Bundesbeamten müssen dann das
Umweltministerium des Landes anrufen und höflich da-
rum bitten, ein Schiff vorbeizuschicken. Erklären Sie das
einmal einem Beamten auf See.
Beenden wir die gescheiterten Koordinationsversu-
che. Lassen Sie uns einen wirklichen Neuanfang wagen
und die unterschiedlichen Kompetenzen in einer natio-
nalen Küstenwache bündeln.
Welche Vorteile bringt eine nationale Küstenwache?
Erstens: Auf aktuelle Gefährdungslagen kann schnel-
ler reagiert werden.
Zweitens: Effizienz – durch die Bündelung aller auf
See eingesetzten Schiffe kann intensiver überwacht wer-
den.
Drittens klare Ansprechpartner: Auch in der Zusam-
menarbeit mit anderen Ländern ist eine einheitliche Küs-
tenwache als Ansprechpartner von Vorteil.
Dies ist auch für die Kooperationen der nationalen
Küstenwache mit der Marine von Vorteil. Wir wollen
nicht wie bei der US-Coastguard einen grundsätzlichen
Einsatz der Marine im Inneren. Es ist aber unabdingbar,
dass die Marine genauso wie die Luftwaffe bei terroristi-
schen Angriffen auf klaren rechtlichen Grundlagen Hilfe
leisten kann.
Wir brauchen für die notwendige Änderung der
Art. 87 und 89 GG alle Parteien an Bord. Stimmen Sie
unserem Antrag zu!
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Auch ich begrüße den Antrag der Opposition zur
Einrichtung einer nationalen Küstenwache. Die Bünde-
lung der derzeit auf Bundes- und Landesebene verteilten
Überwachungs- und Vollzugsaufgaben ist richtig und
notwendig. Denn eine solche Führungskonzentration er-
leichtert eine schnelle und effektive Reaktion auf
Schiffsunfälle, aber auch auf Menschenschmuggel oder
Zollvergehen.
Das gemeinsame Havariekommando ist ein erster be-
grüßenswerter Schritt in diese Richtung. Aber er reicht
nicht aus. Denn wir haben auch weiterhin ein Nebenei-
nander von vielfältigen Kompetenzen bei der Seesicher-
heit, der Überwachung, dem Zoll, dem BGS, der Fische-
reiaufsicht sowie dem Seenot- und Rettungsdienst. Die
jeweiligen Akteure können im Havariefall gut zusam-
menarbeiten, wenn sie untereinander harmonieren. Die
Strukturen der Zusammenarbeit an sich begünstigen aber
nicht zwangsläufig eine gute Kooperation. Deshalb se-
hen auch wir Grünen Handlungsbedarf, um zu einer stär-
keren Konzentration der Vollzugszuständigkeiten zu ge-
langen.
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Allerdings ist der Bundestag nicht der einzige Ort, an
em die Aufstellung einer nationalen Küstenwache ent-
chieden werden sollte. Vielmehr kann die Föderalis-
uskommission schneller mit den beteiligten Bundes-
ändern zu einer Vereinbarung über die Neuverteilung
er Aufgaben gelangen. Hier haben wir von Bündnis 90/
ie Grünen die Idee einer nationalen Küstenwache be-
eits eingebracht. Diese Frage muss in diesem Jahr von
er Föderalismuskommission auch entschieden werden.
Die Bündelung der nationalen Vollzugszuständigkei-
en ist zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Schritt,
m Nord- und Ostsee besser vor Umweltkatastrophen zu
chützen. Denn nicht nur die großen Schiffsunglücke der
etzten Jahre waren der Grund für massive Verschmut-
ungen der See. Auch die alltägliche Schadstoffbelas-
ung, beispielsweise durch illegale Schiffstankreinigun-
en, muss verringert werden. Dies haben die in den
etzen Tagen im Wattenmeer gefundenen Tausenden von
erölten Vögeln abermals bewiesen. Auch hier müssen
auerhafte Strukturen geschaffen werden, um diese Be-
astungen deutlich zu verringern.
Deshalb müssen wir zur nachhaltigen Stärkung der
icherheit auf den Meeren: erstens mehr Gebiete als be-
onders empfindliche Meeresgebiete – PSSA – auswei-
en, zweitens die Versicherungs- und Haftungssummen
en tatsächlichen Schadensereignissen anpassen, drit-
ens eine strengere Hafenstaatenkontrolle einführen und
iertens die internationalen Standards in der Ausbildung
er Seeleute erhöhen.
Hans-Michael Goldmann (FDP): Die CDU/CSU,
m in der Fußballersprache zu bleiben, hat mit ihrem
ntrag den richtigen und notwendigen Anstoß gegeben,
as Spiel ist jetzt gemeinsam, das heißt fraktions- und
ufgabenübergreifend zu gestalten. Jetzt muss „Butter
ei die Fische“. Und als Aufgaben nenne ich: Reform
er Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Havariekom-
ando und/oder nationale Küstenwache, Küstenwache
it Wasserschutzpolizei und Änderung des Grundgeset-
es, Port Security – also Sicherheit im Hafen –, Sicher-
eit aber auch auf den Schiffen usw.
Die FDP ist für gründliche Reformschritte. Bereits
um Jahreswechsel 1992/93 gab es eine interfraktionelle
nitiative im Deutschen Bundestag mit dem Ziel, eine na-
ionale Küstenwache zu schaffen. In den letzten elf Jah-
en gab es nicht nur das Pallas-Unglück mit den daraus
esultierenden 24 Empfehlungen der Grobecker-Kom-
ission, die unter anderem die Einrichtung einer natio-
alen Seewache forderte, sondern auch die Landtage von
chleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ha-
en sich für die Einrichtung einer solchen Küstenwache
usgesprochen und ihre Bereitschaft signalisiert, Länder-
ompetenzen für eine solche Küstenwache an den Bund
bzugeben.
Es ist an der Zeit, die notwendigen Schritte zu mehr
aritimer Sicherheit zu gehen. Das Havariekommando
eicht nicht. Trotz aller gegenteiligen Versicherungen ist
as Havariekommando nach wie vor auf den guten Wil-
en aller Beteiligten angewiesen. Gesetzliche Bestim-
ungen über die Kompetenzen des Havariekommandos
8272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) )
(B) )
und Regelungen zu Haftungsfragen sind nicht klar. Auch
die Bemühungen, über einen Koordinierungsverbund die
Einsätze der auf See zuständigen Abteilungen der unter-
schiedlichen Bundesministerien und der Wasserschutz-
polizeien besser zu verknüpfen, sind nicht überzeugend.
Wir brauchen einen ganzheitlichen Lösungsansatz für
die Safety- und Security-Probleme der Schifffahrt. Dabei
muss auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffs-
verkehrs gewährleistet sein. Eine nationale Küstenwache
kann – bei gewolltem Miteinander – die Chance des effi-
zienten Küstenschutz bieten, bei dem es im Fall von Un-
fällen nicht erst lange Koordinierungsschwierigkeiten
gibt und ein Kompetenzwirrwarr entsteht. Eine effiziente
Personalverwaltung kann auf diesem Weg ebenso er-
reicht werden wie ein effizientes Beschaffungswesen,
Doppelarbeit wird vermieden!
Unter Einbeziehung bisheriger Aufgaben der Länder
sichert eine Küstenwache einheitliche Standards für die
Schifffahrt und eine faire Lastenteilung; denn von siche-
ren Zufahrtswegen zu See profitieren nicht nur die Küs-
tenländer, sondern alle Länder der Bundesrepublik.
Doch eine Küstenwache ist leichter gefordert als um-
gesetzt. Eine nationale Küstenwache greift nämlich
weitgehend in die Kompetenzen bestehender Ministe-
rien, Ämter und Behörden ein. So ist davon die Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung des Bundes davon ebenso
betroffen wie zum Beispiel der Bundesgrenzschutz.
Wir brauchen den großen Wurf. Denn sinnvollerweise
sollten wir zusammen mit der Küstenwache auch die art-
verwandten Probleme endlich lösen. Insbesondere muss
in diesem Zusammenhang auch die Reform der Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung endlich zu einem sinnvollen
Abschluss gebracht werden. Bis zum 1. Juli dieses Jah-
res müssen wir außerdem den ISPS-Code national umge-
setzt haben und auch hier ergeben sich Überschneidun-
gen mit einer nationalen Küstenwache.
Deshalb sieht die FDP zu diesem Thema noch einen
intensiven Beratungsbedarf. Wir sollten im Rahmen der
Ausschussberatungen unbedingt eine Expertenanhörung
durchführen.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Die
Antragsteller fordern die Schaffung einer zentralen na-
tionalen Küstenwache mit umfassenden örtlichen und
sachlichen Zuständigkeiten zur Gefahrenerforschung
und zur Gefahrenabwehr auf See.
Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die
Bundesregierung die Zielrichtung Ihres Antrages unter-
stützt. Auch wir sehen vor allem unter dem Eindruck der
veränderten Sicherheitslage nach dem 11. September
2001 die Notwendigkeit, alle Einsatzkräfte des Bundes
und der Länder im Einsatzfall zu bündeln und unter eine
schlagkräftige Führung mit kurzen Entscheidungswegen
zu stellen.
Ich freue mich aber auch, Ihnen mitteilen zu können,
dass wir dieses Ziel mit erheblich weniger Aufwand und
Rummel erreichen werden, als hier vorgeschlagen wird.
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Die Erfahrungen aus den jüngsten Schiffshavarien
uch vor der deutschen Küste und die erhöhte generelle
efährdung durch terroristische Übergriffe erfordern an-
emessene Reaktionen nicht nur im Bereich des Hava-
iemanagements, sondern auch bei der polizeilichen Ge-
ahrenabwehr.
Der derzeit bestehende Koordinierungsverbund Küs-
enwache hat sich bei der Abwicklung des Alltagsge-
chäftes als durchaus erfolgreich erwiesen. Die Schiffe
nd Dienststellen der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
ung sorgen für sichere Verkehrswege und für die Sicher-
eit und Leichtigkeit des Verkehrs, dabei werden sie von
en Zoll- und BGS-Booten bei der Überwachung der
inhaltung der Verkehrsvorschriften unterstützt. Die
GS-Boote ihrerseits gewährleisten den grenzpolizeili-
hen Schutz, das heißt, sie verhindern das illegale Ein-
eisen und bekämpfen organisierte Schlepper- und
chleuserkriminalität.
Der Zoll wiederum überwacht den Warenverkehr, vor
llem auf Einhaltung der bestehenden Verbote, und er si-
hert die Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben.
Die Schiffe der Bundesanstalt für Landwirtschaft und
rnährung schließlich kümmern sich um den Fischerei-
chutz, und die Wasserschutzpolizeien der Länder stellen
en allgemein-polizeilichen Schutz in den Küstengewäs-
ern und in den Häfen sicher.
All dies ist kein „buntes Durcheinander“ und keine
unsinnige Zersplitterung“, sondern Ausdruck einer
omplexen Wirklichkeit an der deutschen Küste mit ho-
en Anforderungen an die unterschiedlichsten Qualifika-
ionen.
Und dieser Realität können wir nicht dadurch begeg-
en, indem wir mal eben am Grünen Tisch entscheiden,
erart hoch spezielle und vielfaltige Aufgaben mit teil-
eise unterschiedlichen Interessen seien ab sofort von
iner einzigen Behörde in gleicher Qualität und bei glei-
her Akzeptanz zu erledigen.
Was sinnvoll ist, wird auch getan: Die Seegehenden
inheiten des Bundes und der Länder haben ihre Aktivi-
äten miteinander verzahnt und aufeinander abgestimmt,
hne an den bestehenden und bewährten Zuständigkei-
en zu rütteln. Und zur schnellen Reaktion auf alltägliche
efahren und Störungen erfolgt zusätzlich der Einsatz
er übrigen Fahrzeuge der Küstenwache entsprechend
er jeweiligen Lage.
Mir sind keine ernst zu nehmenden Klagen über die
ufgabenwahrnehmung an der deutschen Küste zu Oh-
en gekommen; wir haben es hier im Gegenteil mit hoch
otivierten Beamten von ausgesuchter Kompetenz zu
un, die bei teilweise schwierigsten Bedingungen tagaus,
gein einen prima Job machen.
Aber es ist auch völlig unstrittig, dass die Küstenwa-
he einer kritischen Überprüfung insbesondere daraufhin
edarf, was ihre Schlagkraft in einer so genannten Son-
erlage angeht. Diese hoffentlich rein theoretischen Mo-
ente verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit.
Die interministerielle Arbeitsgruppe „Küstenwache –
eu“ unter Leitung des Bundesministeriums des Innern
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004 8273
(A) )
(B) )
hat daher Eckpunkte zur Verbesserung der Zusammenar-
beit vereinbart und mit der Erarbeitung von Konzepten
zur Optimierung der Aufgabenerledigung begonnen; sie
legt ihr Hauptaugenmerk auf das Management von be-
sonderen Gefahrensituationen.
Nach dem heutigen Erkenntnisstand bedarf es zu ei-
ner Optimierung der Gefahrenabwehr sowohl im Be-
reich safety als auch im Bereich security keiner Grund-
gesetzänderung.
Die notwendigen Maßnahmen lassen sich im Rahmen
der bestehenden Zuständigkeiten beim Bund und bei den
Ländern vernünftig, zielführend und vor allem kosten-
günstig durch geeignete aufbau- und ablauforganisatori-
schen Maßnahmen lösen.
Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den
bestehenden Koordinierungsverbund Küstenwache
durch eine Bundesküstenwache mit eigener Rechtsper-
sönlichkeit zu ersetzen. Die Zusammenarbeit der ver-
schiedenen Bundes- und Landesbehörden funktioniert
und hat sich bewährt. Dies schließt nicht aus, diese Zu-
sammenarbeit weiter auszubauen und Optimierungsbe-
darf zu erkennen und entsprechend umzusetzen. Und es
wird auch geprüft, ob und gegebenfalls wie die bereits
jetzt gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen dem
Koordinierungsverbund Küstenwache und dem Havarie-
kommando weiter optimiert werden kann.
Mit dem Havariekommando hat das Bundesmiste-
rium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen gemeinsam
mit den Küstenländern und unter Beteiligung der an der
Küstenwache beteiligten Ressorts eine beispielhafte Or-
ganisation zur Bewältigung von Havarien geschaffen,
um die wir im Übrigen in der Europäischen Union benei-
det werden. Sie ermöglicht im Ernstfall – wir nennen das
„komplexe Schadenslage“ – unverzüglich schlagkräftige
Strukturen, ohne die gelebten und bewährten föderalen
Zuständigkeiten und Abläufe im Alltagsbetrieb zu beein-
trächtigen.
Dieses Prinzip ist uns außerordentlich wichtig. Und es
gilt in besonderer Weise für den schifffahrtspolizeilichen
Vollzug und die Verkehrslenkung.
Die Abwicklung von jährlich circa 160 000 Schiffs-
bewegungen allein in der Deutschen Bucht ist eine hohe
organisatorische Herausforderung. Die hierfür eingerich-
teten Strukturen – ich nenne hier einmal an vorderster
Stelle die Verkehrszentralen – sind von weltweit aner-
kannter Qualität und der Schifffahrt bestens vertraut.
Die an der Küstenwache beteiligten Ressorts sind da-
her übereingekommen, die bestehenden Strukturen im
Alltagsbetrieb möglichst unverändert zu lassen und für
die an einem Standort zu konzentrierende neue Küsten-
wache eine flexible Organisation nach Alltagsbetrieb
und Sonderlage, unter Beiziehung der Erfahrungen mit
dem Havariekommando, zu schaffen.
Wir streben an, die in der Seesicherheit tätigen Behör-
den und die Küstenwache unter einem Dach zusammen-
zuführen und mittels eines gemeinsamen Maritimen La-
gezentrums die Informationen aller zu bündeln und für
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ie Abarbeitung der jeweiligen Aufgaben zu nutzen.
nbestritten ist dabei, dass im Ernstfall das jeweils zu-
tändige Ressort umfassende Kompetenzen und Wei-
ungsbefugnisse erhält: Bei einer Havarie führt der Ha-
ariekommandant; im Falle einer terroristischen
edrohung hat selbstverständlich ein Polizist das Sagen.
Das in dem Antrag beschriebene Szenario einer terro-
istischen Bedrohung wird demgemäß ohne langes Hin
nd Her sofort eine polizeiliche Sonderlage mit entspre-
hend straffen Strukturen und Zuständigkeiten auslösen.
as von Ihnen befürchtete „Kompetenzwirrwarr“ kön-
en Sie zu den Akten legen.
Eine ständige organisatorische Einbindung der Bun-
esmarine in die Aufgaben der maritimen Sicherheit ist
erzeit nicht Gegenstand der Überlegungen. Ebenso we-
ig haben erste Gedankenspiele über den Ausbau der
uropäischen Agentur für Seesicherheit, der EMSA, zu
iner europäischen Küstenwache Auswirkungen auf un-
ere Konzepte. Außerdem ist die EMSA gerade erst da-
ei, ihre generelle Arbeitsfähigkeit herzustellen.
Der Antrag des Kollegen Börnsen, weiterer Abgeord-
eter und der CDU/CSU-Fraktion muss als nicht zielfüh-
end abgelehnt werden.
nlage 4
Amtliche Mitteilungen
Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 20. Sitzung
u dem vom Deutschen Bundestag am 6. November
003 beschlossenen
Ersten Gesetz zur Änderung des Verfütterungs-
verbotsgesetzes
as Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen.
Die Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit-
eteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
eschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
achstehenden Vorlage absieht:
Finanzausschuss
– Unterrichtung durch den Präsidenten des Bundesrechnungs-
hofes
Bericht nach §§ 99 BHO über die Steuerausfälle bei der
Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermei-
dung – Vorschläge an den Gesetzgeber –
– Drucksache 15/1495 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-
orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
ung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 15/1547 Nr. 2.3
Drucksache 15/1765 Nr. 2.11
Drucksache 15/1765 Nr. 2.15
8274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
(A) (C)
(B) (D)
Rechtsausschuss
Drucksache 15/1948 Nr. 1.22
Drucksache 15/2217 Nr. 2.15
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Drucksache 15/2104 Nr. 1.1
Drucksache 15/2104 Nr. 1.3
Drucksache 15/2104 Nr. 2.15
Drucksache 15/2104 Nr. 2.24
Drucksache 15/2104 Nr. 2.26
Drucksache 15/2217 Nr. 1.5
Drucksache 15/2217 Nr. 2.4
Drucksache 15/2217 Nr. 2.10
Drucksache 15/2217 Nr. 2.18
Drucksache 15/2217 Nr. 2.24
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 15/2217 Nr. 1.6
Drucksache 15/2217 Nr. 2.7
Drucksache 15/2217 Nr. 2.8
Drucksache 15/2217 Nr. 2.12
Drucksache 15/2217 Nr. 2.22
Drucksache 15/2217 Nr. 2.26
Drucksache 15/2217 Nr. 2.30
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Drucksache 15/1948 Nr. 1.17
Drucksache 15/2028 Nr. 2.11
Drucksache 15/2217 Nr. 1.2
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 15/2104 Nr. 2.9
Drucksache 15/2104 Nr. 2.16
Drucksache 15/2104 Nr. 2.17
Drucksache 15/2104 Nr. 2.18
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Drucksache 15/1547 Nr. 2.127
Drucksache 15/1948 Nr. 1.20
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 15/2217 Nr. 2.20
Drucksache 15/2373 Nr. 2.30
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 15/1613 Nr. 1.6
Drucksache 15/2104 Nr. 2.23
Drucksache 15/2217 Nr. 2.13
Drucksache 15/2217 Nr. 2.16
sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19
91, 1
2, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344
92. Sitzung
Berlin, Freitag, den 13. Februar 2004
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4