Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Heute feiert der Kollege Dr. Christoph Zöpel seinen
60. Geburtstag. Ich gratuliere ihm namens des Hauses
sehr herzlich und wünsche ihm alles Gute.
(Beifall)
Der Kollege Paul Breuer hat am 27. Juni 2003 auf
seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzich-
tet. Als Nachfolgerin hat die Abgeordnete Magdalene
Strothmann am 3. Juli 2003 die Mitgliedschaft im
Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße die neue
Kollegin herzlich.
(Beifall)
Sodann gebe ich bekannt, dass der Kollege Christoph
Hartmann sein Amt als Schriftführer niedergelegt hat.
Die Fraktion der FDP benennt als Nachfolger den Kolle-
gen Michael Kauch. Sind Sie damit einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Kollege
Kauch als Schriftführer gewählt.
Dann möchte ich Sie davon unterrichten, dass der Äl-
testenrat gestern die Präsenzpflicht für Dienstag, den
8. Juli 2003, aufgehoben hat. Außerdem hat der Ältes-
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Redet
tenrat vereinbart, dass in der Haushaltswoche vom
9. September 2003 keine Regierungsbefragung, keine
Fragestunde und keine Aktuellen Stunden stattfinden
sollen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c auf:
4 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Hermann Otto Solms,
Gisela Piltz, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Kommunale Finanzreform)
– Drucksache 15/1247 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
(C
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ung
n 4. Juli 2003
4 Uhr
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerda
Hasselfeldt, Peter Götz, Günter Baumann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Finanzkraft der Kommunen stärken – kom-
munale Selbstverwaltung sichern
– Drucksache 15/1217 –
c) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eckpunkte für eine umfassende Gemeinde-
finanzreform
– Drucksache 15/1321 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen, wobei
ie FDP zwölf Minuten Redezeit erhalten soll. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
r. Andreas Pinkwart von der FDP-Fraktion das Wort.
ext
Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Städte und Gemeinden in Deutschland sind
in einer außergewöhnlich schwierigen Lage; wir haben
in diesem Jahr schon wiederholt darüber diskutieren dür-
fen. Worin liegen die Gründe für diese schwierige finan-
zielle Lage? – Zum einen in den gravierenden Schwä-
chen der in den letzten Jahren deutlich eingebrochenen
Gewerbesteuer als Einnahmequelle. Ihre Konjunkturab-
hängigkeit, aber auch ihre Mittel- und Großbetriebsab-
hängigkeit in der Struktur, ihre erhebliche Bürokratielast
und vieles mehr – ich komme gleich noch darauf
zurück – sprechen gegen die Gewerbesteuer.
blauäugig, zu sagen, das sei der einzige
men andere, gewichtige Gründe für die
n der Kommunen hinzu. Einer der
Aber es wäre
Grund. Es kom
Finanzsituatio
4766 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Dr. Andreas Pinkwart
wesentlichen Gründe – wenn wir genau hinschauen – ist
die schlechte wirtschaftliche Lage in Deutschland mit
wegbrechenden Steuereinnahmen in erheblichem Um-
fang – nicht nur bei der Gewerbesteuer, sondern auch bei
den anderen Steuerarten – sowie erheblichen zusätzli-
chen sozialen Lasten durch die hohe Arbeitslosigkeit.
Dies ist wesentlich auf die verschlechterten wirtschaftli-
chen Rahmenbedingungen zurückzuführen. Diese sind
vor allem von der seit fünf Jahren amtierenden Regie-
rung Rot-Grün zu verantworten.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Hinzu treten weitere Benachteiligungen der Kommu-
nen durch rot-grüne Politik: zum einen durch die Ver-
schlechterung bei der Gewerbesteuerumlage im Zuge
der großen Steuerreform und durch die Anhebung des
entsprechenden Umlagesatzes zulasten der Kommunen
– wir haben hier wiederholt beantragt, dies rückgängig
zu machen –
(Hans Eichel, Bundesminister: Sie haben es
aber mitbeschlossen!)
und zum anderen durch eine erhebliche Verlagerung
staatlicher Aufgaben auf die Kommunen ohne entspre-
chende Gegenfinanzierung. Das Konnexitätsprinzip,
von dem immer wieder die Rede ist, wird zulasten der
Städte und Gemeinden im praktischen Handeln leider
nicht umgesetzt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Bernd Scheelen [SPD]: Wir machen das
schon! Sie haben das früher nie gemacht!)
Welche Wege führen aus der Krise? Zunächst – das ist
unsere Meinung; wir haben das hier wiederholt vorgetra-
gen – brauchen wir ein Soforthilfeprogramm für die
Städte und Gemeinden.
(Bernd Scheelen [SPD]: Das haben wir
gemacht!)
Das Ergebnis der Kommission unter Ihrem Vorsitz, Herr
Eichel, kommt zu spät. Egal welche Variante im Ergeb-
nis umgesetzt wird, sie wird zum 1. Januar 2004 nicht zu
einer grundlegenden Verbesserung der Finanzsituation
der Kommunen in Deutschland führen. Deswegen brau-
chen wir nicht später eine Entlastung, sondern wir brau-
chen sie jetzt. Bekennen Sie sich endlich dazu, dass bei
der Gewerbesteuerumlage und bei der Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe der größte Teil des
Kuchens jetzt an die Gemeinden ausgeschüttet wird!
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Darüber hinaus brauchen wir eine dauerhaft stabile,
konjunkturunabhängige, unbürokratische und das Band
zwischen Wirtschaft und Gemeinden endlich wieder
stärkende Einnahmequelle für die Städte und Gemein-
den.
Daneben brauchen wir mehr Autonomie auf der
Ausgabenseite. Dabei stellt sich die Frage, ob man auf
die Gewerbesteuer setzen kann. Eine überbürokratische,
international unbekannte und daher wettbewerbsverzer-
rende, konjunkturanfällige und aufgrund erheblicher Ab-
grenzungsprobleme ungerechte Steuer wird nicht da-
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urch besser, dass Sie sie auf einen noch größeren
ersonenkreis ausdehnen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
chon jetzt werden von 2,7 Millionen Steuerpflichtigen
ur 900 000 veranlagt, von denen per saldo wiederum
ur wenige das Gros der Steuereinnahmen erbringen.
etzt wollen Sie diesen Kreis um über 800 000 Personen,
ie freie Berufe ausüben, erweitern.
Damit wird das Abgrenzungsproblem aber nicht ge-
öst. Es wird nur hin zur Schnittstelle zwischen selbst-
tändiger und nicht selbstständiger Tätigkeit verlagert.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)
ies würde nicht nur erhebliche verfassungsrechtliche
robleme aufwerfen, sondern auch zu Ausweichstrate-
ien bei den freien Berufen führen. Personen, die einen
reien Beruf ausüben, würden in eine unselbstständige
ätigkeit wechseln. Das wäre nicht nur gesellschaftspo-
itisch der völlig falsche Weg, das würde im Ergebnis
uch keinen Cent mehr an Steuereinnahmen für die
ommunen bedeuten.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Gewerbesteuer wird auch dadurch nicht besser,
ass Sie versuchen, sie gegen den ausdrücklichen Rat Ih-
es Bundeswirtschaftsministers, Ihres Superministers für
irtschaft und Arbeit, der heute leider nicht an der De-
atte teilnehmen kann – ich fand, er hat sich bei der Vor-
tellung des Kommissionsergebnisses hervorragend
eäußert –, um ertragsunabhängige Bestandteile zu er-
eitern; denn das hieße ja nichts anderes, als dass der
taat auch dann noch zugreift, wenn die Unternehmen in
er Krise sind, also Verluste machen. Hier unterstützen
ir Herrn Clement in seiner Meinung: Auf diesem Weg
ürden Sie die Betriebe erst recht in den Konkurs trei-
en.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Nun bringen Sie das Argument der Anrechenbarkeit
er Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer zumindest
ei den Einzel- und Personenunternehmen vor. Eine ver-
reiterte Bemessungsgrundlage – wenn Sie Mieten, Pach-
en und Leasing, also Kosten der Betriebe, auch noch be-
teuern wollen – würde nichts anderes bedeuten, als dass
n den Jahren, in denen die Betriebe keine Ertragsteuern
ahlen, weil sie Verluste schreiben, auch die Anrechen-
arkeit nicht gelingt. Die Übertragbarkeit der Anrechen-
arkeit ist in § 35 EStG nämlich nicht geregelt. Das heißt
e facto, dass es hier zu einer Substanzbesteuerung kom-
en würde: In einer Situation, in der der Mittelstand in
eutschland am Boden liegt und über ein Drittel der Be-
riebe unterkapitalisiert ist, würde ein weiterer Eingriff
n die Substanz, in die Eigenkapitalbasis der Betriebe,
tattfinden. Das wäre verantwortungslos.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wir, die Kolleginnen und Kollegen im Finanzaus-
chuss, haben uns einmütig und wiederholt – auch in der
etzten Legislaturperiode – zum Thema Basel II ausge-
auscht. Es sind Verbesserungen bei Basel II erreicht
orden. Ein Problem ist aber nach wie vor nicht gelöst
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4767
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(B) )
Dr. Andreas Pinkwart
– wir haben das in der letzten Finanzausschusssitzung
deutlich gemacht –, nämlich die prozyklische Wirkung
von Basel II. Im konjunkturellen Tal wirkt Basel II so,
dass die Unternehmen noch weniger Kredite erhalten.
Wenn Sie sie in dieser Situation noch zusätzlich mit
Steuern auf ertragsunabhängige Bestandteile belasten,
dann erhöhen Sie die prozyklische Wirkung von Basel II
und verschlechtern die Finanzierungsbedingungen des
Mittelstandes dramatisch.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Beide von Ihnen vorgeschlagenen Wiederbelebungs-
versuche der Gewerbesteuer lösen die Probleme nicht.
Sie verschaffen den Gemeinden keine Luft zum Atmen,
indem Sie sie den Betrieben abschnüren. Umgekehrt
wird ein Schuh daraus: Entlasten Sie die Betriebe. Ver-
schaffen Sie dem Mittelstand Luft zum Atmen! Dann
wird es auch den Kommunen in Deutschland und dem
Staat besser gehen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Deshalb schlagen wir Ihnen vor, die Finanzen der
Kommunen mit uns auf zwei verlässliche und gleichge-
wichtige Säulen zu stellen: Die erste Säule besteht aus
einem kommunalen Zuschlag auf die Ertragsteuern unter
Berücksichtigung des Wohn- und Betriebsstättenprinzips
und die zweite Säule aus einem wesentlich höheren An-
teil an der Umsatzsteuer.
(Horst Schild [SPD]: Steuererhöhungen!)
– Das sind keine Steuererhöhungen. Lieber Herr Kollege
Schild, durch Ihre Pläne werden die Steuern erhöht; le-
sen Sie dazu einmal die heutige Ausgabe der „FAZ“.
Nach Ihrem Modell werden 4 Milliarden Euro mehr ab-
kassiert, bei unserem Modell wird eine Belastungsneu-
tralität erreicht. Das ist der Unterschied zwischen den
Modellen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Bei Umsetzung unseres Vorschlags würde Konjunk-
turfestigkeit erzielt. Das Band zwischen Wirtschaft und
Kommunen würde wieder gestärkt; denn wir haben in
unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgeset-
zes vorgeschlagen, dass die Umsatzsteuer nach der An-
zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu-
geordnet wird. Dadurch käme es zu einer Belastungs-
und Aufkommensneutralität. Auch folgt unser Vorschlag
dem Prinzip der Verfassungsmäßigkeit, was bei Ihnen
nicht der Fall ist. Deswegen werben wir bei Ihnen für
dieses Zweisäulenmodell.
Ich möchte mit einer Bitte meiner Fraktion an den
Bundesfinanzminister schließen: Herr Eichel, wir wären
Ihnen und Ihrem Haus ausgesprochen dankbar, wenn Sie
während der Sommerpause – bekanntermaßen stehen
wir unter einem gewissen zeitlichen Druck – mit Ihrer
Arbeitsgruppe unser Zweisäulenmodell, das eine Erwei-
terung des BDI/VCI-Modells um die zweite Säule – den
Anteil an der Umsatzsteuer – darstellt und noch nicht ge-
rechnet worden ist, berechnen könnten.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die rechnen
doch immer falsch!)
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ir gehen davon aus, dass dieses Modell dem Wettbe-
erb mit den anderen Modellen standhält. Wir würden
ns im Herbst bei der weiteren Beratung diesem Wettbe-
erb gerne stellen. Deswegen wären wir Ihnen sehr ver-
unden, wenn Sie unserem Modell eine Chance in einem
airen Wettbewerb geben würden.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Kollegen Poß, SPD-Fraktion, das
ort.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Der Neben-
minister! – Hans Michelbach [CDU/CSU]:
Warum spricht Herr Eichel nicht?)
Joachim Poß (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ge-
etzentwurf der FDP, Kollege Pinkwart, bedeutet im
lartext eine Verabschiedung von der Gemeindefinanz-
eform. Sie haben, wie immer, nicht seriös gearbeitet
nd kein durchgerechnetes Modell vorgelegt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wider-
spruch bei der FDP)
ie Kommunen werden von Ihrer Partei nicht gerade
erwöhnt. Sie waren noch nie ein überzeugender Vertre-
er kommunaler Interessen. Deswegen brauchen wir
eute Morgen über diesen Entwurf nicht mehr zu spre-
hen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Bundeskanzler hat gestern in seiner Regierungs-
rklärung mit aller Deutlichkeit klar gemacht: Das Vor-
iehen der dritten Stufe der Steuerreform um ein Jahr
nd die mit der Agenda 2010 und dem Regierungsent-
urf zum Haushalt 2004 vorgegebenen ehrgeizigen
iele für dauerhafte Strukturveränderungen in Deutsch-
and gehören untrennbar zusammen. Wenn wir die Steu-
rsenkung und zugleich die erforderlichen Strukturmaß-
ahmen zur Gewährleistung dauerhaft tragfähiger
aushalte in Bund, Ländern und Gemeinden erfolgreich
uf den Weg bringen, geht die Rechnung auf. Dann ist
er konjunkturelle Impuls der Steuerentlastung der er-
orderliche und gewünschte Anschub für nachhaltig wir-
ende Wachstumskräfte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Für die Koalition war von Anfang an klar: Eine ganz
esondere Bedeutung kommt der Sicherung und Stär-
ung der kommunalen Investitionskraft zu. Auch von
iner gut funktionierenden Infrastruktur in unseren Städ-
en und Gemeinden, von ihrem Angebot an Bildung und
etreuung, an sozialen und kulturellen Leistungen hän-
en die Zukunftschancen und die Lebensqualität aller
ürgerinnen und Bürger ab. Es war daher nur konse-
uent, dass der Herr Bundeskanzler der Gemeindefinanz-
eform in seiner Regierungserklärung am 14. März einen
4768 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Joachim Poß
zentralen Platz im Rahmen der Agenda 2010 eingeräumt
hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Klatschen, es
geht um den Kanzler! Mitmachen!)
Auch bei diesem Thema, meine Damen und Herren
von der Union, sollten Sie Ihr Durcheinander endlich
überwinden. Warum findet sich eigentlich kein Name
aus der Unionsführung, weder der von Frau Merkel noch
von Herrn Merz, noch von Herrn Glos, auf dem Antrag
der CDU/CSU?
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt
doch überhaupt nicht! – Volker Kauder [CDU/
CSU]: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)
In der Fassung des Antrags, die mir übermittelt wurde,
findet sich kein Name der Unionsführung,
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: „Und Frak-
tion“ steht darauf!)
weil die Union in einer zentralen Frage unseres Landes,
nämlich wie es mit den Kommunen weitergeht, gespal-
ten ist.
(Beifall bei der SPD – Hans Michelbach
[CDU/CSU]: Poß, Posse!)
Überwinden Sie die Spaltung in Ihren eigenen Reihen!
Sie müssen sich entscheiden, ob Sie an der Seite der
Kommunen oder an der Seite des BDI das Thema wei-
terverfolgen wollen.
Wenn Sie mir das Exemplar zeigen, das die Namen
der Unionsführung enthält,
(Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] hält ein
Schriftstück in die Höhe)
dann muss ich das insoweit korrigieren.
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)
Auf der Fassung, die gestern vorlag, stand kein Name
der Unionsführung. Das ändert übrigens nichts an der
Richtigkeit meiner Feststellung: Sie haben keine Posi-
tion zum kommunalen Steuermodell.
(Beifall bei der SPD)
Frau Merkel oder Herr Merz können gleich darstellen,
für welches Modell sie votieren, ob sie für die moderni-
sierte Gewerbesteuer oder für das BDI-Modell sind.
Bisher haben sich die Volksparteien CDU und CSU in
der zentralen Frage der Gemeindefinanzreform nicht po-
sitioniert.
(Beifall bei der SPD)
Das muss sich dringend ändern; denn die Kommunen
brauchen eine klare Perspektive. Sie brauchen eine Lö-
sung zum 1. Januar 2004.
(Beifall bei der SPD)
Den Kommunen nützen keine zehn wortreich formu-
lierten Anforderungen an eine künftige Gemeindesteuer,
wie sie im Antrag der CDU/CSU aufgelistet sind. Sie
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rauchen eine konkrete Aussage dazu, wie sie in Zu-
unft zu stetigeren, besser planbaren Einnahmen kom-
en sollen.
(Jürgen Koppelin [FDP]: Wir wollen Eichel
hören!)
Als Abgeordneter aus einer Region, die seit Jahrzehn-
en einen schwierigen Strukturwandel zu bewältigen hat,
eiß ich: Kommunale Finanznot ist nicht nur ein Thema
er letzten zwei, drei Jahre. Neu ist jedoch – das sage ich
u dem, was Herr Pinkwart hier festgestellt hat –,
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Herr Professor
Dr. Pinkwart! – Friedrich Merz [CDU/CSU]:
So viel Zeit muss sein!)
ass die Einbrüche bei der Gewerbesteuer nach dem
nde des Börsenbooms, dem Platzen der Blase, der Li-
eralisierung im Binnenmarkt mit der daraus folgenden
mstrukturierung vieler großer Unternehmen und dem
achstumsausfall in den letzten drei Jahren auch Städte
nd Kommunen betroffen haben, die sich als Standorte
on Banken, Versicherungen und anderen Konzernen
mmer sicher geglaubt haben.
Die letzte umfassende Reform der Gemeindefinanzen
iegt jetzt über 30 Jahre zurück. Die verschiedenen Re-
ierungen Kohl haben sich 16 Jahre lang nicht um das
hema gekümmert. Das ist die Wahrheit, meine Damen
nd Herren!
(Beifall bei der SPD)
m Gegenteil: Die Gewerbesteuer wurde immer stärker
usgehöhlt. In der letzten Wahlperiode fanden es die
erren Stoiber und Teufel wichtiger, vor dem Verfas-
ungsgericht einen neuen, jahrelangen Streit über den
erade zuvor mit ihrer eigenen Zustimmung geregelten
änderfinanzausgleich vom Zaun zu brechen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Eichel war auch
dabei!)
Heute kommen Sie anstelle einer Reform mit einem
orschlag, der nicht weiter reicht als bis ins nächste Jahr.
as wird keine einzige Kommune dazu bewegen kön-
en, endlich wieder ausreichend und dauerhaft zu inves-
ieren. Thema verfehlt, Frau Merkel, Herr Merz, Herr
los!
(Beifall bei der SPD)
as haben Ihnen doch schon mehrere Tausend Kommu-
alpolitiker auf einer Veranstaltung des Bayerischen
emeindetages vor ein paar Wochen ins Stammbuch
eschrieben, als die Herren Staatsminister Faltlhauser
nd Beckstein den Kommunalpolitikern genau das un-
erjubeln wollten, was Sie heute hier vorlegen. Thema
erfehlt, haben die schwarzen Kommunalpolitikerinnen
nd Kommunalpolitiker gesagt. Thema verfehlt, stellen
uch wir hier und heute fest.
(Beifall bei der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]:
Wovon sprechen Sie denn?)
Was soll denn bitte die Senkung der Gewerbesteuer-
mlage, wenn Sie gleichzeitig die Gewerbesteuer ganz
nfrage stellen? Wo soll ein höherer Kommunalanteil an
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4769
(A) )
(B) )
Joachim Poß
der Umsatzsteuer herkommen? Wollen Sie die Mehr-
wertsteuer erhöhen?
(Zurufe von der SPD: Klar! – Ja, immer Steuer-
erhöhungspartei! – Dr. Guido Westerwelle
[FDP]: Verdoppeln! – Gegenruf von der SPD:
Das kommt ins Protokoll, Herr Westerwelle!)
So geht es wirklich nicht. So wird es auch nicht kom-
men. Die Bundesregierung wird handeln und vor Ende
der parlamentarischen Sommerpause
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Steuererhö-
hungen beschließen!)
einen Gesetzentwurf vorlegen, der dann zügig beraten
werden kann. Wir wollen am 1. Januar 2004 mit der
Umsetzung der Reform beginnen. Darin waren sich ges-
tern auch alle Kommissionsmitglieder einig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sehr gespannt, ob es die Länder – die nach
dem Grundgesetz die Interessen ihrer Kommunen in fi-
nanziellen Angelegenheiten zu wahren haben –, wagen
werden, mit der Unionsmehrheit im Bundesrat die Re-
form zu verhindern. Darauf sind wir alle sehr gespannt.
Das ist ein Test Ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber den
Kommunen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Die Kommunen, vertreten durch ihre Spitzenver-
bände, haben im Zuge der Arbeit der Kommission deut-
lich gemacht, was sie wollen, nämlich eine modernisierte
Gewerbesteuer mit einem verstetigten Aufkommen als
Kernstück des künftigen Gemeindesteuersystems. Wir
– die Koalition, die Bundesregierung wie auch die sozial-
demokratische Bundestagsfraktion – stehen an der Seite
der Kommunen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Sie ste-
hen am Abgrund!)
Die Alternative, die Abschaffung der Gewerbesteuer
zugunsten von kommunalen Zuschlägen zur Einkom-
men- und Körperschaftsteuer, die die Wirtschaftsver-
bände unter Führung des BDI in der Kommission vertre-
ten haben und die sich im Antrag der FDP-Fraktion im
Ansatz wiederfindet,
(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das stimmt
doch nicht!)
wird von den Kommunen aus gutem Grund abgelehnt.
Insbesondere die Großstädte hätten bei diesem Modell
riesige Einnahmeverluste zu verkraften, die bis zu einem
Drittel ihres bisherigen Aufkommens an der Gewerbe-
und Einkommensteuer ausmachen würden. Oder sie wä-
ren gezwungen, die zum Ausgleich der Gewerbesteuer
vorgesehenen Zuschläge auf die Einkommensteuer so
weit über das Niveau ihres jeweiligen Umlands anzuhe-
ben, dass eine noch stärkere Abwanderung von Betrie-
ben und Einwohnern unvermeidlich wäre. Das wäre die
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prichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera, die
ir den Kommunen nicht zumuten wollen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska
Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Meine Damen und Herren von der Union, Sie schrei-
en in Ihrem Antrag:
Die Gemeinden in Deutschland haben Anspruch
darauf, dass gerade diese Reform mit ihnen und
nicht gegen sie verwirklicht wird.
as sehen wir genauso. Die Kommunen haben sich be-
eits entschieden. Nehmen Sie sich doch selbst ernst und
rbeiten Sie mit uns gemeinsam an einer Erneuerung der
ewerbesteuer!
Die Erneuerung bzw. die Reform wäre aber ohne das
weite Element – die Zusammenlegung von Arbeitslo-
enhilfe und Sozialhilfe nach dem Hartz-Konzept – un-
ollständig. Das ist erforderlich, um auch den Städten in
trukturschwachen Regionen, denen eine Reform auf der
innahmeseite allein nicht in ausreichendem Maße hel-
en kann, wieder eine langfristig tragfähige finanzielle
erspektive zu geben. Wir haben das gemeinsam mit den
ommunen von Anfang an so gewollt. Schon die Glie-
erung der Kommissionsarbeit war auf diesen Doppel-
chritt der Verstetigung der Einnahmen einerseits und
er Entlastung auf der Aufgabenseite andererseits ange-
egt. Auch Letzteres müssen wir – insbesondere im Inte-
esse der strukturschwachen Kommunen – realisieren.
(Beifall bei der SPD)
Damit komme ich noch einmal auf unsere gestrige De-
atte zurück. Gerade auch mit Blick auf die Einnahmen
er Kommunalhaushalte stehen wir gemeinsam in der Ver-
ntwortung, für spürbare Erfolge beim Abbau von Aus-
ahmetatbeständen und Steuervergünstigungen zu sorgen.
ie Blockadehaltung des Bundesrats in der Steuerpolitik
Frühjahr, die Blockadehaltung von CDU/CSU und
DP hat die Städte und Gemeinden viele Milliarden Euro
ekostet. Das darf sich nicht wiederholen!
(Beifall bei der SPD)
Ich habe die gestrige Debatte und auch die Ausfüh-
ungen von Frau Merkel so verstanden, dass wir jetzt ge-
einsam das Aufbruchsignal für die vorgezogene Steu-
rsenkung setzen wollen. Die Kommunen können das
mso leichter mittragen, je schneller wir bei der Ge-
eindefinanzreform und beim Abbau von Steuersub-
entionen zu guten Ergebnissen kommen.
Daher noch einmal mein Appell: Nach all den berech-
igten Klagen über die Finanzlage der Kommunen ist es
etzt an der Zeit, für eine grundlegende und dauerhafte
erbesserung zu sorgen.
(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Mit einer Rolle
rückwärts?)
ie sind aufgefordert, das ernsthaft mitzubetreiben. An-
ernfalls verhindern Sie ein großes Reformwerk.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU
4770 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Joachim Poß
und der FDP – Zuruf von der FDP: Nicht zu
fassen!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile der Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Seit Monaten diskutieren wir nun in verschiede-
nen Gremien, in der Öffentlichkeit und bei sonstigen
Anlässen über die dramatische Finanzsituation der Ge-
meinden. Wir haben gehofft, dass heute, einen Tag nach
Abschluss der Beratungen der Regierungskommission
zur Reform der Gemeindefinanzen, vonseiten der Koali-
tionsfraktionen und der Regierung endlich eine Perspek-
tive aufgezeigt wird, die den Kommunen wirklich hilft,
und zwar nicht irgendwann und nicht mit einer neuen
Bezeichnung einer Steuer, sondern durch eine sofortige
Linderung ihrer Nöte. Wir sind leider enttäuscht worden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die Situation der Kommunen wird immer dramati-
scher und die Konsequenzen sind besorgniserregend. Es
hat handfeste Auswirkungen für die Bürger vor Ort
– es geht hier schließlich nicht um eine unpersönliche
Struktur von Städten und Gemeinden –, wenn notwen-
dige Investitionen unterbleiben, wenn Bibliotheken und
Hallenbäder geschlossen werden und wenn selbst not-
wendige Reparaturarbeiten an Schulen, Kindergärten
und Krankenhäusern entweder verschoben oder gar nicht
vorgenommen werden. Das Ganze ist, wie gesagt, nicht
neu. Die Regierung hat die Situation der Gemeinden
über Jahre verharmlost und verniedlicht. Herr Eichel, Sie
haben außerdem mit Ihren Entscheidungen in der Wirt-
schafts-, in der Finanz- und insbesondere in der Steuer-
politik zur Verschärfung der Probleme der Gemeinden
beigetragen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Die dramatische Situation hat enorme Auswirkungen
auf die kommunale Arbeit vor Ort. Ich habe bereits ge-
schildert, wie die Bürger davon betroffen sind. Aber ich
möchte ausdrücklich auch unsere Kollegen in den kom-
munalen Parlamenten und Gremien, die Oberbürger-
meister, die Bürgermeister und die Landräte, erwähnen,
die zurzeit einen äußerst schweren Job zu machen haben.
Wenn sie die an sie gerichteten Erwartungen nicht mehr
erfüllen können, weil ihnen die Gestaltungsmöglichkei-
ten vor Ort fehlen, weil ihnen immer mehr Geld vom
Bund und von den Ländern beispielsweise über die Ge-
werbesteuerumlage aus der Tasche genommen wird,
dann darf uns das nicht ruhen lassen. Eine solche Situa-
tion erfordert vielmehr die Solidarität der Bundespoliti-
ker mit den Kommunalpolitikern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
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Es ist auch notwendig, dass wir uns über die gesamt-
irtschaftlichen Konsequenzen dieser Situation im
laren sind; denn wenn Investitionen vor Ort unterblei-
en, weil die Gemeinden keinen finanziellen Spielraum
ehr haben, dann geht das insbesondere zulasten der
ittelständischen Unternehmen mit der Konsequenz,
ass dort noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen und
ass noch mehr Existenzen vernichtet werden, was wie-
erum – das ist dann die logische Konsequenz – zu noch
ehr Sozialausgaben und zu noch weniger Steuerein-
ahmen führt. Genau dieser Teufelskreis muss durchbro-
hen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben viel zu spät und erst nach unserem Drängen
n der letzten Legislaturperiode begonnen, eine Gemein-
efinanzreform anzugehen.
(Florian Pronold [SPD]: Sie haben 16 Jahre
geschlafen! – Joachim Stünker [SPD]:
Was?)
Das ist nachweisbar. – Sie selber haben zu Beginn der
etzten Legislaturperiode in Ihrer Koalitionsvereinba-
ung festgestellt, dass eine umfassende Gemeindefinanz-
eform vorgenommen werden müsse.
(Joachim Poß [SPD]: Richtig! Dann kamen
Stoiber und die Klage zum Finanzausgleich!)
ber die ganze Legislaturperiode hindurch haben Sie
ichts getan. Sie haben immer nur große Versprechun-
en gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
m Ende der letzten Legislaturperiode haben Sie end-
ich eine Kommission zur Reform der Gemeinde-
inanzen eingesetzt, wohl wissend, dass in dieser Legis-
aturperiode nichts mehr herauskommen wird.
(Joachim Poß [SPD]: Weil das andere Thema
erst abgearbeitet werden musste! Wegen
Stoiber!)
ie haben dann der Kommission unter Zeitdruck zwei
ufgaben gestellt: Sie sollte Vorschläge zur Gewerbe-
teuer sowie zur Zusammenlegung der Arbeitslosen- und
er Sozialhilfe erarbeiten.
(Joachim Poß [SPD]: Lenken Sie doch nicht
ab! Sagen Sie doch, welches Steuermodell Sie
wollen!)
ieser Auftrag war viel zu eng gestaltet; denn die Pro-
lematik ist viel umfassender. Die gesamte Einnahmen-
nd Ausgabensituation beispielsweise in der Grundsi-
herung, im Kinder- und Jugendhilfebereich und im Be-
eich der Eingliederungshilfe muss berücksichtigt wer-
en.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie haben den Kommunen doch ständig neue Aufga-
en und Ausgaben aufgebürdet. Sie behaupten, dass Sie
it der jetzigen Reform, die Sie als eine große anpreisen
in Wirklichkeit ist es nur eine kleine, wie wir es schon
äufig erlebt haben –, die Probleme der Gemeinden lö-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4771
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Gerda Hasselfeldt
sen könnten. Ich sage Ihnen: Die Probleme werden so
nicht gelöst, weil Ihnen die Gesamtschau fehlt. Wenn Sie
unseren Antrag lesen, dann werden Sie feststellen, dass
die Gesamtschau bei uns das Entscheidende ist. Man
kann nicht nur einige wenige Punkte herauspicken. Das
Ziel muss vielmehr sein, den Gemeinden eine Finanz-
ausstattung zu geben, die mit den Ausgaben und den
Aufgaben abgestimmt ist, die sie zu bewältigen haben.
Ich wiederhole: Man muss eine Gesamtbetrachtung vor-
nehmen und darf nicht nur Rosinen herauspicken.
Mittlerweile hat die von Ihnen eingesetzte Kommis-
sion ein Jahr gearbeitet. Ich möchte den Mitgliedern die-
ser Kommission ausdrücklich danken. Sie haben sich
sehr engagiert. Es ist allerdings schade, dass die Regie-
rung die Kommission in weiten Bereichen allein gelas-
sen hat
(Horst Schild [SPD]: Das ist doch absoluter
Unsinn! – Bernd Scheelen [SPD]: Was hat
Herr Fromme Ihnen denn erzählt?)
und dass in dieser Kommission kein Vertreter der freien
Berufe, die Sie jetzt in die Gewerbesteuerpflicht einbe-
ziehen wollen, vertreten war. Während dieser Kommis-
sion zum Beispiel Vertreter der Gewerkschaften ange-
hörten, sind diejenigen, die künftig zusätzlich zur Kasse
gebeten werden sollen, von Anfang an außen vor gelas-
sen worden.
Sie haben angekündigt, im Herbst einen Gesetzent-
wurf vorzulegen. Erst vor wenigen Monaten hat der
Bundeskanzler selbst in diesem Haus gesagt: Der Ge-
setzentwurf wird vor der Sommerpause vorgelegt. Dass
Versprechen nicht eingehalten werden, sind wir mittler-
weile gewohnt: Seit Monaten versprechen Sie milliar-
denschwere Entlastungen der Kommunen. Davon war in
den letzten Tagen nicht mehr die Rede; Zahlen werden
nicht mehr genannt.
(Horst Schild [SPD]: Mehrere Milliarden
stehen hier! – Gabriele Frechen [SPD]:
6 Milliarden!)
Was die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und So-
zialhilfe angeht, sprechen Sie jetzt nicht mehr von einer
konkreten Entlastung, sondern davon, dass die Größen-
ordnung der Entlastung im Laufe des Gesetzgebungsver-
fahrens festgelegt wird. Irgendwie ist das alles ganz ne-
bulös. Man verabschiedet sich heimlich, still und leise
von den früher gegebenen Versprechen.
Über eines müssen wir uns im Klaren sein: Wenn es
uns nicht gelingt, den Kommunen, den Städten und den
Gemeinden schnell und wirksam Hilfe zu gewähren,
dann wird das Vertrauen der Bürger in die Politiker noch
mehr zerstört – Sie haben darauf einen ganz wesentli-
chen Einfluss –, als es sowieso schon den Fall ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu-
rufe von der SPD: Das blockieren Sie doch ge-
rade! – Bundesrat!)
Beim Versuch, etwas über die Inhalte des Gesetzent-
wurfs, der vorgelegt werden soll, zu erfahren, stochert
man im Nebel herum. Anders als der Wirtschaftsminister
haben sich der Finanzminister und die Fraktionen für er-
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ragsunabhängige Elemente ausgesprochen. Folgt man
hrem Antrag, sollen die Zinsen zukünftig berücksichtigt
erden.
(Bernd Scheelen [SPD]: Die werden schon
heute berücksichtigt!)
Der Bundeskanzler hat vor der Bundestagswahl im
ergangenen Jahr auf einer öffentlichen Veranstaltung
m Tag der Freien Berufe versprochen, dass die freien
erufe nicht in die Gewerbesteuerpflicht einbezogen
erden.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
m Antrag der Koalitionsfraktionen und in den Verlaut-
arungen der Regierung ist davon dennoch die Rede.
uch daran wird deutlich: Glaubwürdigkeit ist dieser
egierung und den Koalitionsfraktionen völlig fremd.
ie brauchen sich nicht zu wundern, wenn die Leute Ih-
en nichts mehr glauben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wenn man nach einer Lösung dieses Problems sucht,
ann wäre es eigentlich nur logisch, sich die Ursachen
ieses Problems zunächst einmal vor Augen zu halten.
ine der wesentlichen Ursachen – Herr Professor
inkwart hat es in seinen Erläuterungen zum Ausdruck
ebracht – ist die wirtschaftliche Entwicklung. Durch
ie wirtschaftliche Entwicklung sind sowohl die Ein-
ommensteuer- als auch die Gewerbesteuereinnahmen
den letzten zwei Jahren dramatisch eingebrochen.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist die
Wahrheit!)
a beißt die Maus keinen Faden ab; das ist so.
Die erste und wichtigste Konsequenz muss sein, alles
afür zu tun, dass es wieder zu mehr Beschäftigung, zu
ehr Wachstum und damit zu mehr Steuereinnahmen
ommt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
ir müssen dafür sorgen, dass die Leute wieder Per-
pektiven haben und wieder investieren können.
(Gabriele Frechen [SPD]: Dann machen Sie
mal mit!)
Wir haben entsprechende Vorschläge vorgelegt,
(Joachim Stünker [SPD]: Wo denn? – Weitere
Zurufe von der SPD)
Sie nehmen das noch nicht einmal wahr – beispiels-
eise zur Strukturreform des Arbeitsrechts.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
arüber reden Sie gar nicht. Vielleicht werden Sie den
seit Monaten angekündigten – Gesetzentwurf irgend-
ann einmal vorlegen.
Wir alle wissen, dass es notwendig ist, die wirtschaft-
che Entwicklung voranzutreiben. Die von Ihnen vorge-
ehenen Steuererhöhungen – das, was Sie vorhaben, ist
4772 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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nichts anderes; dazu kommt es durch die Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer durch die
Einbeziehung der freien Berufe
(Bernd Scheelen [SPD]: Es geht um eine
Senkung von 23 Milliarden Euro!)
und die Einbeziehung von Mieten, Zinsen, Pachten und
Leasingraten – sind nicht dazu geeignet, die wirtschaft-
liche Entwicklung zu verbessern, ganz im Gegenteil.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ganz abgesehen davon hat dies natürlich auch überhaupt
nichts mit den eigentlichen Ursachen zu tun.
Damit bin ich bei der zweiten Ursache. Die zweite
Ursache ist Ihre eigene Politik, die Wirtschafts- und ins-
besondere die Steuerpolitik. Sie haben nämlich mit Ihrer
Steuerreform bei den Gemeinden, die ohnehin geringere
Einnahmen haben, noch mehr Geld abgezogen und zie-
hen weiter mehr Mittel ab, als das früher der Fall war.
Sie haben die Gewerbesteuerumlage von 20 auf 28 Pro-
zent erhöht, und zwar – das ist das Entscheidende – ohne
sachlichen Grund. Sie haben den Gemeinden Steuer-
mehreinnahmen versprochen durch Maßnahmen, die Sie
zwar angekündigt, aber dann nicht realisiert haben –
nicht etwa deshalb, weil wir gesagt haben, das komme
nicht infrage, sondern Sie selbst haben es nicht realisiert,
aber trotzdem das Geld der Gemeinden kassiert. Unter
seriösen Geschäftspartnern nennt man das ungerechtfer-
tigte Bereicherung.
Deshalb ist das Allerwichtigste, was Sie zu tun haben,
diese Gewerbesteuerumlagenerhöhung so schnell wie
möglich, nicht irgendwann, sondern sofort, zurückzu-
nehmen. Die Gemeinden haben ein Recht darauf.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Horst Schild [SPD]: Das ist doch pure Heu-
chelei!)
Das sollten Sie allein schon deshalb tun, meine Da-
men und Herren, weil die Gemeinden jetzt und nicht erst
irgendwann konkrete und auch kassenwirksame Hilfen
brauchen.
In der Kommission und in vielen anderen Zirkeln
wurden verschiedene Modelle intensiv diskutiert, insbe-
sondere das von Ihnen angesprochene Modell des Zu-
schlags, aber auch die so genannte Revitalisierung und
verschiedene Mischmodelle. Allerdings wurden nicht
alle durchgerechnet.
(Zuruf von der FDP: So ist das!)
Bevor sie nicht solide durchgerechnet sind, bevor nicht
alle Alternativen wirklich geprüft wurden, kann man
eine so grundlegende Reform nicht durchführen. Sie soll
zukunftsträchtig sein, für längere Zeit gelten und nicht
nur für ein Jahr oder zwei Jahre – was bei allem, was Sie
bisher vorgelegt haben, die Halbwertszeit war – und
dauerhaft tragen. Dazu ist es notwendig, dass wirklich
grundlegend durchgerechnet wird, auch die Verteilungs-
wirkungen ausgerechnet werden und die Gemeinden ge-
nau wissen, was auf sie zukommt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.
Dr. Andreas Pinkwart [FDP])
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Selbst wenn am 1. Januar 2004 im Gesetzblatt steht,
as Sie heute in groben Zügen andeuten, bringt das den
emeinden – da muss man ganz ehrlich miteinander um-
ehen – im Jahr 2004 nichts, sondern frühestens im Jahr
005, in manchen Bereichen sogar erst im Jahr 2006. Bei
en Landkreisen wird das noch ein Jahr später, wenn
berhaupt, kassenwirksam. Ich bezweifle, dass bei Ihren
orschlägen überhaupt etwas kassenwirksam wird. Es
ird nämlich nur fiskalisch auf dem Papier, aber nicht in
er Praxis wirksam, weil Sie die wirtschaftliche Ent-
icklung so kaputtmachen.
Deshalb ist es notwendig, sofort etwas zu tun. Ein
orschlag von uns liegt seit langem auf dem Tisch; ich
iederhole ihn hier. Ich habe vorhin gesagt: Die Ge-
einden haben ein Recht darauf. Dabei geht es nicht um
in Almosen oder ein Entgegenkommen. Ich spreche
on dem Recht der Gemeinden darauf, dass die Gewer-
esteuerumlage wieder auf das Niveau gesenkt wird, auf
em sie vor der Steuerreform war. Das bringt für die Ge-
einden schon in diesem Jahr 2,3 Milliarden Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Weil wir auch für die Gemeinden etwas tun müssen,
ie wenig oder keine Gewerbesteuereinnahmen haben,
ie unter der wirtschaftlichen Situation aber auch enorm
eiden, schlagen wir vor, den Gemeinden zumindest für
as Jahr 2004 eine höhere Umsatzsteuerbeteiligung zu
eben, den Anteil von 2,2 Prozent zumindest im Jahr
004 auf 3 Prozent anzuheben. Das schlagen wir nicht
or, weil wir die notwendige grundsätzliche Reform der
emeindefinanzen auf die lange Bank schieben wollen,
eiß Gott nicht.
(Bernd Scheelen [SPD]: Ach nein!)
m Gegenteil: Die Arbeit muss fortgesetzt werden, aber
it dem Ziel, eine wirklich langfristig tragfähige Reform
u erreichen, eine Reform, die eine Finanzausstattung der
emeinden gewährleistet, bei der die Aufgaben mit den
ur Verfügung stehenden Mitteln, und zwar originären
itteln, nicht zugewiesenen Mitteln, in Einklang stehen,
ine Reform, deren Auswirkungen auf die gesamtwirt-
chaftliche Entwicklung durchdacht ist, eine Reform, die
uch in den Konsequenzen und in den Verteilungswir-
ungen genau durchgerechnet ist; denn einen Blanko-
check, für wen auch immer, können wir uns bei einer
olch grundlegenden Reform nicht leisten. Wir wollen
ine grundlegende und tragfähige Reform.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist nicht in einem Hauruckverfahren zu machen.
s kann nicht angehen, dass man zuerst jahrelang untätig
leibt – und Sie sind jahrelang untätig geblieben; das
roblem ist nicht neu –,
(Joachim Poß [SPD]: Quatsch! Stoiber hat das
verursacht, weil erst ein Finanzausgleich ge-
macht werden muss!)
ann nach langem Drängen eine Kommission einsetzt,
ie aber zu keiner Einigung kam, was vorauszusehen
ar, und zwischenzeitlich selber nichts tut.
(Widerspruch bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4773
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Jetzt wollen Sie unter dem Deckmantel einer großen Re-
form etwas verkaufen, das letztlich nicht mehr als das
Drehen an einem Schräubchen in die falsche Richtung
darstellt, und das Ganze in einem Hopplahopp-Verfahren
durchziehen. Das, meine Damen und Herren, geht mit
uns nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Lassen Sie uns deshalb zweigleisig vorgehen: zum ei-
nen mit einem Sofortprogramm die aktuelle Not der
Kommunen wirksam lindern und zum anderen parallel
dazu eine große Reform erarbeiten, die Aufgaben, Aus-
gaben, Konnexität und alles, was dazu gehört, berück-
sichtigt. Dann sind wir auf einem guten Weg.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Wir werden diese
Reform nur gemeinsam mit den Kommunen durchführen
können; denn eine Reform gegen die Kommunen, die
Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte macht
keinen Sinn.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Ja eben!
Dann unterstützen Sie doch das Kommunal-
modell!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort der Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Eine alte Weisheit lautet: Wenn zwei sich strei-
ten, freut sich der Dritte. Ganz anders ist es bei den Ge-
meindefinanzen. Hier müsste es heißen: Solange sich
zwei streiten, leidet der Dritte Not.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist höchste Zeit für eine Reform der Gemeinde-
finanzen. Die finanzielle Situation der Kommunen ist
prekär und die Folgen für die Städte sind fatal. Wir ha-
ben jetzt lange debattiert, Berichte gelesen und ein Jahr
lang hat die Kommission gearbeitet. Wir haben von der
Kommission Ergebnisse präsentiert bekommen. Wir
sind jetzt gefragt, diese Ergebnisse so umzusetzen, dass
eine tragfähige und wirksame Reform der Gemeindefi-
nanzen zustande kommt.
Sie sagen: Wir brauchen ein Sofortprogramm. Wir ha-
ben in den letzten Monaten einiges auf den Weg ge-
bracht, was punktuell hilft. Die Flutopferhilfe hat den
Kommunen immerhin ein bisschen gebracht. Die KfW
hat ein kommunales Investitionsprogramm „Wachstums-
impulse“ aufgelegt. Wir wissen, dass das nur Kommu-
nen mit starkem Steueraufkommen hilft; aber immerhin.
Wir wissen auch, dass diese Einzelmaßnahmen nur
punktuell wirken, sie nutzen nicht strukturell. Wir brau-
chen eine strukturelle Reform der Finanzsituation der
Kommunen. Unser Ziel ist und bleibt eine Reform zum
1. Januar 2004.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
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Die Reformkommission hat gestern ihre Arbeit – die
rüfung von zwei Modellen – beendet. Man kann immer
en Vorwurf erheben, dass ihr Auftrag zu eng war und
och andere Modelle hätten geprüft werden müssen.
an kann aber auch sagen – deswegen will ich die von
er Kommission geleistete Arbeit ausdrücklich würdi-
en –, dass sie uns sehr deutlich klar gemacht hat, an-
and welcher Stränge wir entscheiden müssen, welche
rundlegenden Differenzen existieren und auf welche
ragen wir mit dieser Reform eine Antwort geben müs-
en. Ich finde, dass die Arbeit der Reformkommission
adurch sehr hilfreich gewesen ist, auch wenn sie keine
inigung hinbekommen hat. Das ist nicht schlimm; denn
ir hier müssen uns einigen. Die Arbeit der Kommission
ber erleichtert unsere Entscheidungsfindung, weil sie
ie Brennpunkte herausgearbeitet hat, nämlich die Hal-
ung zur Gewerbesteuer – Ja oder Nein – und zum Zu-
chlagsrecht – Ja oder Nein –, nichts anderes.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Gisela
Piltz [FDP]: Das wussten Sie vorher nicht?)
Bevor wir uns für ein Modell entscheiden, müssen wir
nhand der Prüfkriterien, die die Kommission ihrer Ar-
eit zugrunde gelegt hat, überlegen, mit welchem Mo-
ell die Ziele am effizientesten erreicht werden. Ich will
ie Ziele noch einmal nennen, die ja hier einhellig im-
er wieder thematisiert werden und auch im Antrag der
DU/CSU detailliert in zehn Punkten – nur bei einem
ringen Sie eine Bewertung – aufgelistet werden.
Ein erstes Ziel ist die Verstetigung der kommunalen
teuereinnahmen. Das heißt, wir wollen die Finanz-
raft der Kommunen stärken
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die habt ihr
doch kaputtgemacht!)
nd dafür sorgen, dass sie nicht mehr so stark von der
onjunktur abhängt. Das wollen Sie doch auch. Wir
ollen das aber nicht nur, weil die finanzielle Situation
er Kommunen dringend verbessert werden muss, son-
ern vor allem auch aus wirtschaftspolitischen Gründen.
er Investitionsstau in den Kommunen ist so massiv,
(Peter Götz [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal,
was die Ursache dafür ist!)
ass wir glauben, dass das Geld, das in die Kommunen
ineinfließt, produktiv wirkt, weil es sofort wieder aus-
egeben wird und wichtige Impulse für mehr Beschäfti-
ung gibt. Deswegen wollen wir für eine Verstetigung
er kommunalen Steuereinnahmen sorgen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Es ist ein Problem, dass die Steuereinnahmen nur von
enigen Steuerpflichtigen vor Ort aufgebracht werden.
ur ein kleiner Teil der wirtschaftlich Tätigen beteiligt
ich heute an den kommunalen Leistungen. Die Gewer-
esteuer ist eigentlich eine Bezahlung kommunaler Leis-
ungen. Daran müssen sich mehr beteiligen.
(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Dann machen
Sie das doch!)
4774 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Kerstin Andreae
Jetzt sagen Sie, unser Vorschlag bedeute eine Steuerer-
höhung. Ich sage Ihnen: Unser Vorschlag – gößerer
Zahlerkreis – ermöglicht eine Senkung der Steuersätze.
Das ist ein ganz elementarer Bestandteil dieses Modells.
Dann haben wir mehr, die sich an diesen Leistungen der
Kommune finanziell beteiligen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Ich könnte weitere Ziele nennen, die Sie alle kennen:
Administrierbarkeit, Lösung des Stadt-Umland-Pro-
blems, Vermeidung von Bürokratie; ich komme noch im
Einzelnen darauf. Diese können am besten durch das
Modell der kommunalen Spitzenverbände erreicht wer-
den. Wir sind nach einer langen Entscheidungsfindung
zu dem Schluss gekommen, dieses Modell zu verfolgen.
Wir stellen uns an die Seite der Kommunen, die die Ge-
werbesteuer beibehalten und weiterentwickeln wollen.
Das wollen auch wir.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Jetzt sage ich Ihnen kurz, warum wir das Modell der
Wirtschaftsverbände ablehnen. Das liegt auf der Hand,
wenn Sie sich die gemeindescharfen Berechnungen der
Kommission anschauen und sie vorbehaltlos interpretie-
ren. Es bestehen zwei große Probleme.
Das erste Problem ist die Stadtflucht. Kernstädte
werden einen wesentlich höheren Zuschlag auf die Ein-
kommensteuer legen müssen. Das bedeutet: Es lohnt
sich, auf dem Land zu wohnen und in der Stadt zu arbei-
ten. Damit kommt es zu einem Ausbluten der Kern-
städte. Das ist auch aus ökologischer Sicht nicht zu be-
fürworten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Das zweite Problem ist – das können Sie sich in den
Ergebnissen der Kommission genau anschauen –: Das
Steueraufkommen, das heute etwa je zur Hälfte von
den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern ge-
tragen wird, verlagert sich wesentlich auf die Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer. Nur noch ein kleiner Teil
des Steueraufkommens wird von der Wirtschaft getra-
gen. So bröckelt das Band zwischen Wirtschaft und
Kommune, das wir dringend brauchen, damit es vor Ort
ein Ansiedlungsinteresse und aktive Wirtschaftsförde-
rung gibt. Dieses Band wollen wir erhalten und stabili-
sieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Die Koalitionsfraktionen nehmen die Ziele der Re-
formkommission auf und haben in dem vorliegenden
Eckpunktepapier die wesentlichen Grundzüge einer
Neugestaltung der Gemeindefinanzen dargelegt. Dabei
steht für uns im Vordergrund, die Gewerbesteuer zu ei-
ner kommunalen Wirtschaftssteuer weiterzuentwickeln.
Ja, wir wollen die Einbeziehung der Freiberufler.
Ja, wir wollen, dass die Freiberufler die Gewerbesteuer
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uf die Einkommensteuer anrechnen können. Wir glau-
en, dass wir durch diese Erweiterung des Zahlerkreises
(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Die Bürokratie-
last ausweiten!)
ehr Steuergerechtigkeit erlangen können.
Ja, wir wollen, dass Finanzierungsneutralität ge-
ährleistet ist. Sie wissen um das Problem, dass Fremd-
apital und Eigenkapital steuerlich unterschiedlich be-
andelt werden.
(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das eine sind
Kosten, das andere ist Gewinn! Das ist ganz
einfach!)
ie wissen auch, dass – ganz vorsichtig gesagt – Ge-
inne steueroptimierbar sind.
Letzte Woche hat Innenminister Beckstein vorge-
chlagen, Managergehälter in die Bemessungsgrundlage
er Gewerbesteuer einzubeziehen. Warum sagt er das?
r sagt es, weil er weiß, dass der Betriebsausgabenabzug
s ermöglicht, die Steuerbasis zu senken und damit die
ewerbesteuer herunterzuschrauben. Dies wollen wir
ndern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/
CSU]: Das ist der falsche Weg für die Gemein-
den!)
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich teile den
orschlag von Innenminister Beckstein nicht. Aber er
enennt damit indirekt das Problem, das auch wir sehen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist doch
nur ein Teil des Problems!)
Neben der Ausgestaltung der Gewerbesteuer zu einer
ommunalen Wirtschaftsteuer gibt es natürlich weitere
spekte. Ein wesentlich unstrittigerer Aspekt ist die Zu-
ammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.
ie Kommunen können hier in Milliardenhöhe entlastet
erden. Ein Teil der eingesparten Mittel soll für den
ringend notwendigen Ausbau der Betreuung für Kinder
nter drei Jahren verwendet werden.
Ein dritter Aspekt – da wende ich mich an die Kolle-
innen und Kollegen von der SPD – ist die Gewerbe-
teuerumlage. Aus grüner Sicht gehört die Gewerbe-
teuerumlage in den Gesamtkontext der Reform der
emeindefinanzen. Wenn wir die Gewerbesteuer neu
uflegen, wenn wir das Band zwischen Kommune und
irtschaft festigen, wenn wir das kommunale Ansied-
ungsinteresse stärken und wenn wir die Gemeindefinan-
en umfassend reformieren wollen, dann dürfen wir die
erteilung der Steuereinnahmen zwischen den Ebenen
icht ausblenden. Dies bedeutet für mich in der logi-
chen Konsequenz, dass die Prüfung der Gewerbesteuer-
mlage im Gesamtkontext noch in diesem Jahr erfolgen
uss. Ich verhehle dabei nicht, dass die Gewerbesteuer-
mlage nach Auffassung der grünen Finanzpolitiker zu
och ist und gesenkt werden sollte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU und der FDP – Hans
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4775
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Kerstin Andreae
Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig! Aber
Sie reden nur!)
– Herr Götz, ich weiß, dass Sie mir Beifall spenden.
Aber jetzt erkläre ich Ihnen, warum wir den Antrag der
Union nicht unterstützen können.
Er verdeutlicht die komplette Unsicherheit der Union
zu diesem Thema. Frau Roth will etwas anderes als Herr
Beckstein, dieser will etwas anderes als die Bundestags-
fraktion und diese will etwas anderes als Ihre Bürger-
meisterinnen und Bürgermeister vor Ort.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wollen et-
was anderes als Herr Eichel! – Gegenruf des
Abg. Bernd Scheelen [SPD]: Sie wissen gar
nicht, was Sie wollen! Das ist viel schlimmer!)
Die Folge ist, dass Sie einen Antrag vorlegen, mit dem
Sie viel zu kurz springen.
Ich bewerte ein paar Punkte dieses Antrags: Sie sa-
gen, der Auftrag der Kommission sei zu eng gefasst ge-
wesen. Okay, aber von Ihnen kommt kein Vorschlag, der
im Hinblick auf die Steuer signifikant über die Vor-
schläge der Kommission hinausginge.
(Peter Götz [CDU/CSU]: Viele Vorschläge haben
wir eingebracht! Alle wurden abgelehnt!)
Sie sagen, die Gewerbesteuer wirke selektiv. Okay, aber
das liegt daran, dass in Zeiten der Unionsregierung die
Gewerbesteuer systematisch ausgehöhlt wurde. Sie sa-
gen, die Abgrenzung des Gewerbebegriffs sei problema-
tisch. Das sehen wir auch so. Dann sollten Sie uns aber
bei unserer Forderung nach Einbeziehung der Freiberuf-
ler öffentlich unterstützen. Dies wirkt der Selektion ent-
gegen. In den zehn Punkten, die Sie auflisten und die wir
größtenteils unterschreiben können, sagen Sie überhaupt
nicht, welches Steuermodell Sie eigentlich wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Sie müssen irgendwann springen. Ich sage Ihnen: Ein
bisschen Mut tut gut.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie
dringend, mit uns für eine umfassende Reform zu strei-
ten. Ihre Konfusion bedeutet weitere Verzögerung. Sie
haben uns vor nicht allzu langer Zeit vorgeworfen, wir
verzögerten die Gemeindefinanzreform.
(Peter Götz [CDU/CSU]: Habt ihr doch auch!
Nur ein Eckpunktepapier! – Dr. Andreas
Pinkwart [FDP]: Sie haben doch kein Gesetz!
Wo ist denn der Gesetzentwurf?)
Wir haben heute ein Eckpunktepapier. Im Laufe des
Sommers wird ein Gesetzentwurf erarbeitet. Sie aber le-
gen einen Gesetzentwurf vor, der die Probleme gar nicht
löst. Das ist Verzögerung.
Jede weitere Verzögerung trägt zu einer Verschärfung
der strukturellen Probleme der Städte und Gemeinden
bei. Wir sollten den Kommunen gemeinsam helfen und
ein für alle Seiten befriedigendes Gewerbesteuerkonzept
erarbeiten, das nicht wirtschaftsfeindlich, sondern kom-
munalfreundlich ist. Wir brauchen eine umfassende Re-
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orm. Die Kommunen zählen auf uns. Wenn wir dies
eute auf den Weg bringen, dann ist es ein guter Tag für
ie Kommunen und damit ein guter Tag für die Men-
chen in diesem Land.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile des Wort dem Kollegen Peter Götz, CDU/
SU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß
[SPD]: Er sagt uns jetzt endlich, was die CDU
will!)
Peter Götz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist manch-
al spannend, die Unterschiede zwischen den Koali-
ionsfraktionen hier zur Kenntnis zu nehmen.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Bei uns sind die Unterschiede nicht so
groß!)
Uns geht es darum, dass das System der Gemeindefi-
anzen wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Der
achstuhl in den Kommunen brennt. Deshalb brauchen
ie sofort Hilfe. Wir greifen Ihren Vorschlag gern auf, die
ewerbesteuerumlageerhöhung sofort zurückzunehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß
[SPD]: Jetzt sagen Sie doch endlich, was Sie
wollen!)
Ständig neue Ankündigungen sind zu wenig, Herr
inanzminister; Handeln ist angesagt. Seit Jahren gehört
ie Reform der Kommunalfinanzen zu den Dauerbren-
ern der politischen Diskussion in Bund, Ländern und
emeinden.
(Bernd Scheelen [SPD]: Ja, 16 Jahre Kohl!)
ot-Grün hat innerhalb von wenigen Jahren die Städte
nd Gemeinden an den Rand des finanziellen Ruins re-
iert. Die kommunalen Haushalte laufen aus dem Ruder.
(Beifall bei der CDU/CSU)
enn Sie das noch nicht zur Kenntnis genommen haben,
ann sprechen Sie einmal mit Ihren Bürgermeistern,
berbürgermeistern und Landräten vor Ort.
(Horst Schild [SPD]: In der letzten Wahl-
periode wollten Sie die Gewerbesteuer noch
um 20 Prozent senken!)
Der Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Regie-
ungserklärung zur finanziellen Lage unseres Landes die
ommunale Finanzmisere mit keiner Silbe erwähnt. Er
at nicht einmal das Wort Kommunen in den Mund ge-
ommen. Städte, Gemeinden und Kreise gibt es bei ihm
icht.
(Widerspruch bei der SPD)
4776 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Peter Götz
Das ist schade und für unser Land nicht gut.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Durch Ihre über Jahre hinweg betriebene kommunal-
feindliche Politik gefährden Sie die kommunale
Selbstverwaltung in ihrer Grundsubstanz. Es ist immer
schwieriger, Menschen zu finden, die für ein kommuna-
les Mandat zur Verfügung stehen. Das hat etwas mit Ih-
rer Politik zu tun. Auf der einen Seite nehmen Sie den
Kommunen immer mehr Steuereinnahmen weg – wir ha-
ben es heute gehört: bei der Gewerbesteuer durch die
Gewerbesteuerumlage – auf der anderen Seite sorgen Sie
durch ständige Übertragung von neuen Aufgaben dafür,
dass die kommunalen Ausgaben immer mehr zunehmen.
Geschenke an die Bürger zu verteilen und sie von ande-
ren bezahlen zu lassen ist immer mehr zum Markenzei-
chen rot-grüner Politik geworden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Bernd Scheelen [SPD]: In Bayern müssen die
Kommunen die Lehrergehälter bezahlen!)
Grundsicherungsrente, Eingliederungshilfe, Ganz-
tagsschulen, Kinderbetreuung, das alles hört sich gut an.
Aber wer bezahlt die Rechnung? – Die Kommunen. In
den Städten und Gemeinden werden Schwimmbäder, Bi-
bliotheken und Theater geschlossen. Schulen, Straßen
und Kinderspielplätze können nicht mehr repariert wer-
den. Straßenbeleuchtungen werden in vielen Kommunen
abgeschaltet. Es gehen im wahrsten Sinne des Wortes die
Lichter aus.
(Widerspruch bei der SPD)
Was macht die Bundesregierung? Sie kündigt an und
verbreitet Hoffnung; aber Konkretes kommt nicht. Nach
fünf Jahren Ankündigungen
(Lothar Mark [SPD]: Was haben Sie jetzt Kon-
kretes?)
– Entschuldigung, Sie sind seit fünf Jahren in der Regie-
rungsverantwortung –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Widerspruch bei der SPD)
erklären Sie, dass man die kommunalen Finanzkräfte
stärken wolle. Dieser Tage ist ein dünnliches Eckpunkte-
papier serviert worden, in dem wieder nichts Neues und
nichts Substanzielles steht. Sie werfen uns in diesem Pa-
pier vor, dass wir den Kommunen schnell helfen wollen
und dass wir dafür konkrete Gesetzesvorschläge unter-
breitet haben. Das ist für uns nicht nachvollziehbar.
(Florian Pronold [SPD]: Für Sie ist vieles nicht
nachvollziehbar!)
Die mit großem Tamtam jahrelang angekündigte und
kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode unter dem
großen Druck der Öffentlichkeit und der Kommunen un-
ter dem Vorsitz des Bundesfinanzministers eingesetzte
Gemeindefinanzreformkommission – man sollte sich
es einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Gemeinde-
finanzreformkommission ist unter dem Vorsitz des Bun-
desfinanzministers eingesetzt worden –
(Zuruf von der SPD: Ja, und?)
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at, wie wir heute wissen, gestern ihre Zelte ergebnislos
bgebrochen.
(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist doch Unsinn!
Sie hat hervorragende Ergebnisse! Das müssen
Sie nur mal nachlesen!)
Sie hat gut gearbeitet; nur die Ergebnisse sind leider
icht hervorragend.
„Kommission zur Gemeindereform gescheitert“, lau-
en die Schlagzeilen in der Tagespresse. „Flickwerk pro-
rammiert“, titelt heute die „Welt“. Sie sollten einfach
inmal zur Kenntnis nehmen, was hier aufgezeigt wird.
Einig waren sich die Mitglieder der Kommission le-
iglich darüber, dass den Kommunen schnell geholfen
erden muss. Das lehnen Sie leider ab.
(Lothar Mark [SPD]: Dann blockieren Sie
nicht im Bundesrat weiter!)
un Sie es jetzt! Es wird höchste Zeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kaum ein Globalplayer zahlt heute dank Ihrer welt-
rößten rot-grünen Steuerreform überhaupt noch
ewerbesteuer. Nahezu alle international agierenden
onzerne haben sich von der Gewerbesteuer verabschie-
et.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Warum?)
err Bundesfinanzminister, wenn der Oberbürgermeis-
er von München vorgestern in der „Süddeutschen Zei-
ung“ zu Recht beklagt, dass – ich zitiere – „kein einzi-
es der sieben im Dax notierten Unternehmen Münchens
ewerbesteuer zahlt“ und mit dem Finger deutlich nach
erlin zeigt, dann besteht dringender Handlungsbedarf.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Bernd Scheelen [SPD]: Er spricht sich aber
auch für unser Kommunalmodell aus!)
Ich fordere Sie deshalb auf, den Streit in der Regie-
ung zu beenden und endlich den wiederholt von Ihnen
elbst angekündigten Entwurf eines Gesetz zur Gewer-
esteuer auf den Tisch zu legen, und zwar einen verfas-
ungsgemäßen. Ich bin gespannt, ob sich der Finanz-
inister oder der Wirtschaftsminister bei diesem
esetzentwurf durchsetzt. Wir werden einmal schauen,
as dabei unter dem Strich herauskommt.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Götz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Peter Götz (CDU/CSU):
Bitte, ja.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4777
(A) )
(B) )
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Herr Abgeordneter Götz, die nordrhein-westfälischen
CDU-Oberbürgermeister haben sich im Oktober letzten
Jahres einstimmig für das Modell der kommunalen Spit-
zenverbände ausgesprochen. Die Oberbürgermeister der
kreisfreien Städte haben in Mannheim dem Modell der
kommunalen Spitzenverbände mit überwiegender Mehr-
heit zugestimmt. Der Deutsche Städtetag und der Land-
kreistag folgten dem. Warum missachten Sie die Sach-
kompetenz Ihrer eigenen CDU-Bürgermeister in einer
derart eklatanten Art und Weise?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Peter Götz (CDU/CSU):
Ich frage Sie zurück: Warum legen Sie dann nicht
endlich einen Gesetzentwurf auf den Tisch?
(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie schon zitieren, dann darf ich vielleicht noch
einen weiteren Hinweis geben. Die SPD-Landtagsfrak-
tion in Bayern fordert: Die letzte Erhöhung der Gewer-
besteuerumlage infolge des Steuersenkungsgesetzes
2000 muss zurückgenommen werden.
(Bernd Scheelen [SPD]: Der bayerische An-
teil! Zitieren Sie komplett!)
Es kann ja nicht angehen, Herr Bundesfinanzminister,
dass Sie hier alles ablehnen und am Schluss die Länder
alles bezahlen lassen, was Sie nicht finanzieren wollen.
Das ist der falsche Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Götz, gestatten Sie noch eine Nachfrage? Der
Kollege Krüger ist noch nicht ganz zufrieden.
Peter Götz (CDU/CSU):
Ja.
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht bereit sind,
vor der eigenen Haustür zu kehren. Ansonsten bitte ich,
das Problem im von mir ansonsten sehr geschätzten
Bundesland Bayern zu erläutern. Schönen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe
von der CDU/CSU: Frage!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Das war nun keine Frage mehr.
Peter Götz (CDU/CSU):
Ich habe Ihrer Bemerkung keine Frage entnommen.
Ich würde gerne in meiner Rede fortfahren, und zwar
auch, weil wir die Debatte über die Kommunalfinanzen
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icht auf die Frage verkürzen dürfen, an welcher Stelle
ir die Gewerbesteuer reformieren. Der Einbruch der
ommunalfinanzen hat eine wesentlich größere Dimen-
ion; hier geht es um mehr. Die Ursachen dafür liegen
ei den Ausgaben und den Aufgaben.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Götz, gestatten Sie eine weitere Zwi-
chenfrage, diesmal vom Kollegen Pronold?
Peter Götz (CDU/CSU):
Ich würde gerne den Gedanken, den ich angesprochen
abe, fortsetzen.
Deshalb brauchen wir darüber hinaus eine Begren-
ung der Aufgaben- und der Ausgabenpolitik. Es muss
chluss sein mit dem ständigen Verschiebebahnhof, bei
em bundespolitische Aufgaben auf kommunale Haus-
alte verschoben werden. Diese Aufgaben können die
emeinden, Städte und Kreise nicht mehr finanzieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
eshalb fordern wir eine konsequente Anwendung des
onnexitätsprinzips bei der Übertragung von Aufga-
en auf die Kommunen, damit endlich wieder der
rundsatz gilt: Wer bestellt, bezahlt.
Wir wollen auch eine zügige, umfassende Reform der
ommunalfinanzen – wie sie von Ihnen seit fünf Jahren
mmer wieder angekündigt wird –, und zwar nicht ver-
ürzt auf die Frage der Gewerbesteuer. Eine solche Re-
orm muss die Städte und Gemeinden in die Lage verset-
en, über eigene Steuern zu verfügen, die ihnen stabile
nd verlässliche Einnahmen garantieren.
Langer Rede kurzer Sinn:
(Lachen bei der SPD)
ir wollen endlich Taten sehen, nicht irgendwelche An-
ündigungen. Durch Ihre zögerliche Politik verhindern
ie seit vielen Jahren dringend notwendige kommunale
nvestitionen. Die lokale Bauwirtschaft bricht weg –
ielleicht haben Sie das noch nicht zur Kenntnis genom-
en. Ein traditionsreiches Unternehmen nach dem ande-
en macht still und leise Pleite. Die Zahl der Arbeitslo-
en nimmt zu; Sie brauchen sich nur Ihre eigenen
tatistiken anzuschauen. Auch wenn nicht, wie bei Holz-
ann, der Bundeskanzler kommt, so hat das Ganze, was
ich hier wie in vielen anderen Politikfeldern vollzieht,
ur einen Namen: Er heißt Gerhard Schröder.
(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist ein guter
Kanzler! – Weiterer Zuruf von der SPD: An-
dere Debatte!)
Wir wollen zügige, vernünftige Lösungen. Wir wollen
ösungen, die nicht noch mehr Unternehmen in den
uin treiben.
(Lothar Mark [SPD]: Das ist eine ganz bösar-
tige Unterstellung!)
eshalb ist die von Ihnen angekündigte Substanzbesteu-
rung von Unternehmen, die rote Zahlen schreiben, der
alsche Weg. Sie vernichten damit Arbeitsplätze in
4778 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Peter Götz
Deutschland. Das kann nicht im kommunalen Interesse
sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Wir wollen, dass schnell gehandelt wird, und zwar so,
dass die Kommunen dies nicht erst im Jahre 2006 oder
noch später spüren, sondern so, dass sie dies bereits 2003
oder 2004 in ihren Kassen merken, damit sie endlich
wieder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ihre
Aufgaben wahrnehmen können.
Deshalb bitte ich Sie, auch im Namen vieler Kommu-
nalpolitiker, die heute zuhören: Herr Finanzminister,
stimmen Sie unserer Initiative zu und nehmen Sie die Er-
höhung der Gewerbesteuerumlage sofort zurück! Das ist
Geld, das der Bund den Kommunen weggenommen hat.
Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, es ihnen zu
belassen. Das hilft schnell und wäre ein positives Signal
für Ihren guten Willen. Es reicht nicht, Frau Kollegin
Andreae, hier am Rednerpult zu verkünden, dass Sie ei-
gentlich für die Rückführung der Gewerbesteuerumlage
sind, wenn Sie gleichzeitig den Antrag „Eckpunkte für
eine umfassende Gemeindefinanzreform“ unterschrei-
ben, in dem unser Vorschlag abgelehnt wird. Was gilt
jetzt: Entweder das eine oder das andere?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Um es ganz konkret zu sagen: Unsere Vorschläge,
schnell zu helfen, sind kein Ersatz für die dringend not-
wendige Reform, sondern sie gehen ihr voraus und die-
nen einer schnellen Entlastung der Kommunen.
Lebenswerte Städte und Gemeinden sind ein guter Ga-
rant für eine positive Entwicklung. Diese brauchen wir in
unserem Land dringend. Wenn Sie den Kommunen wirk-
lich helfen wollen, bitte ich Sie: Helfen Sie jetzt – nicht
für uns, sondern im Interesse der Bürgerinnen und Bür-
ger.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Bundesminister Hans Eichel.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nur einen einzigen Satz zur Antwort: Wer in
16 Jahren systematisch die Gewerbesteuer ausgehöhlt
hat,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU:
Oh!)
statt jemals das Thema Kommunalfinanzen auf die Ta-
gesordnung zu setzen, der kann nicht kritisieren, dass
wir erst die Unternehmensteuerreform und dann die Ge-
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eindefinanzreform durchführen. Wenn wir die Reihen-
olge anders herum gewählt hätten, hätten wir die Unter-
ehmensteuerreform noch gar nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Michelbach?
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:
Wenn es sein muss, bitte.
Hans Michelbach (CDU/CSU):
Herr Bundesfinanzminister, ich bin Ihnen dankbar,
ass Sie diese Frage zulassen. Was halten Sie denn von
er Forderung des bayerischen SPD-Fraktionsvorsitzen-
en Franz Maget,
(Ute Kumpf [SPD]: Das hatten wir doch schon
mal!)
er die ungerechtfertigte Bereicherung des Bundes zu-
asten der Kommunen durch die Gewerbesteuerumlage-
rhöhung anprangert und den bayerischen Kommunen
örtlich schreibt:
Die letzte Erhöhung der Gewerbesteuerumlage in-
folge des Steuersenkungsgesetzes 2000, die hälftig
jeweils Bund und Ländern zugute kommt, muss zu-
rückgenommen werden.
r geht dann noch darauf ein, dass es im Bund dafür lei-
er keine Mehrheit gibt.
Herr Bundesminister, ist Herr Maget damit nicht ein
larer Zeuge dafür, dass Sie endlich unserem Antrag fol-
en sollten, die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zu-
ückzunehmen? Auch aus den Reihen Ihrer eigenen Par-
ei wird das klar gefordert. Dazu steht Ihre Aussage hier
n einem klaren Widerspruch.
(Florian Pronold [SPD]: Die CSU hat die For-
derung im Landtag abgelehnt!)
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:
Ich werde dieses Thema nachher im Zusammenhang
usführlich behandeln, Herr Kollege Michelbach, und
ann bekommen Sie auch meine Antwort.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Gehen Sie
dann auch auf Maget ein?)
Von mir aus auch das, kein Problem. Aber in Bayern
st ja zurzeit Wahlkampf und es wird beispielsweise von
hrem Ministerpräsidenten für nach der Landtagswahl
llen alles versprochen. Ich erreiche nicht einmal, dass
m Finanzplanungsrat eine Arbeitsgruppe eingesetzt
ird, die sich mit den Ausgabenproblemen der Länder
nd Kommunen im Zusammenhang mit Bundesgesetzen
eschäftigen soll, weil in Bayern Landtagswahlen sind
nd sich keiner traut, das jetzt zu machen; erst nach der
ahl können sachliche Gespräche beginnen. Das ist die
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4779
(A) )
(B) )
Bundesminister Hans Eichel
Lage, mit der wir es in Bayern zu tun haben, meine Da-
men und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/
CSU]: Und was ist mit der SPD?)
– Ich komme darauf zurück. Es ging jetzt darum, was
Sie in Bayern machen.
Nun sage ich Ihnen kurz und klar etwas zu der Kom-
mission. 16 Jahre haben Sie nichts gemacht und die
Gewerbesteuer ausgehöhlt. Es waren stabilisierende
Elemente im Gesetz zur Fortentwicklung der Unterneh-
mensteuerreform enthalten. Das hat nicht ausgereicht;
das ist wohl wahr. Das, was der Kollege Ude sagt, ist die
Konsequenz Ihrer Gesetzgebung. In der Tat kann das
nicht hingenommen werden. Herr Senator Peiner aus
Hamburg hat sehr nachdrücklich auf die Gewerbesteuer-
zahlungen der großen, international tätigen Unterneh-
men an ihren Standorten in Deutschland hingewiesen. Es
ist richtig: Das muss geändert werden.
(Beifall bei der SPD)
Darüber besteht auch Einvernehmen.
Ich will hier keine streitige Debatte führen; denn ei-
nes ist ganz entscheidend: Wir hatten eine Kommission,
deren Auftrag, bevor wir den Kabinettsbeschluss gefasst
haben, mit allen Beteiligten – mit den Bundesländern,
den Wirtschaftsverbänden, den kommunalen Spitzenver-
bänden – einvernehmlich behandelt worden ist. Es hat
ein bisschen gedauert, bis wir alles unter einem Hut hat-
ten und den Einsetzungsbeschluss fassen konnten, aber
es war alles einvernehmlich.
Auch die Kommissionsarbeit ist vollkommen einver-
nehmlich erfolgt, auch was die Überprüfung der Modelle
betraf.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Götz?
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:
Nein, nach der Erfahrung mit Herrn Michelbach ma-
che ich das nicht.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Ich werde jetzt von der Arbeit der Kommission berich-
ten. Es dürfte für Sie hochinteressant und spannend sein
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist euer
parlamentarisches Verständnis! Dass Sie nicht
mal bereit sind, Fragen von Abgeordneten zu
beantworten! Wo sind wir denn hier?)
– auch für die Zwischenrufer, Herr Michelbach –, wie
sich die verschiedenen Länder, auch die B-Länder, in
dieser Kommission eingelassen haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vielleicht können wir doch gemeinsam zu einem Ergeb-
nis kommen. Sie müssten nur berücksichtigen, was Ihre
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andesregierungen und Ihre Kommunalpolitiker in die-
em Zusammenhang tun.
Ich will nun zur Arbeit der Kommission differenziert
ortragen und auf Unterschiede eingehen. Die gemein-
ame Grundlage, der Beschluss des Kabinetts, war – das
age ich ausdrücklich – vorher mit allen abgestimmt.
lle arbeiteten völlig einvernehmlich und ohne Streit zu-
ammen. Wir liegen genau im Zeitplan, der übrigens au-
erordentlich ehrgeizig ist. Auch das haben Sie anders
arzustellen versucht. Was wir nicht geschafft haben
das will ich Ihnen ebenfalls sagen –, ist, in allen Punk-
en einen breiten Konsens zu finden. Das ist wahr.
Ich möchte nun zum Ergebnis der Arbeit der Kom-
ission kommen, das ich gestern völlig einvernehmlich
usammengestellt habe, und es differenziert darstellen.
ie Kommission hat eine hervorragende Grundlage für
ie nun zu leistende Arbeit im Gesetzgebungsverfahren
eschaffen. Wir haben eine gemeinsame Position mit al-
en Verbänden und allen Vertretern gefunden, mit einer
usnahme: Sachsen war anderer Meinung.
Auf dieser Basis soll zum 1. Januar 2004 das Gesetz
ber die grundlegende Reform der Gemeindefinanzen
m Bundesgesetzblatt stehen. Darin waren sich alle ei-
ig. Deshalb erwarte ich, dass wir das im Bundesrat und
m Bundestag – das geht nur, wenn beide Organe zustim-
en – gemeinsam schaffen.
Ich will darauf hinweisen, dass es verfassungsrecht-
ich so ist, dass die Länder die Kommunen vertreten und
ass die Kommunalhaushalte verfassungsrechtlich Be-
tandteil der Länderhaushalte sind.
(Lothar Mark [SPD]: Das müssen wir denen
immer wieder erklären!)
s gibt eine besondere Verantwortung der Länder für die
ommunen, was sich bei ihrem Abstimmungsverhalten
m Bundesrat übrigens widerspiegeln müsste. Da wir das
invernehmlich entschieden haben, gehe ich davon aus,
ass wir das auch so machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ziel ist die Verstetigung der kommunalen Einnahme-
ituation. In Bezug auf die Einnahmeseite soll es als
rundlage einer kommunalen Wirtschaftssteuer eine
odernisierte Gewerbesteuer geben. Hierin bestand
invernehmen zwischen allen Landesvertretern, den
ommunalen Spitzenverbänden und der Bundesregie-
ung. Einvernehmen bestand nicht mit den Wirtschafts-
erbänden, wobei durchaus zu erkennen war, dass es bei
er Stärke der Ablehnung der Gewerbesteuer durchaus
ifferenzierungen gibt. Der Grad der Ablehnung durch
en BDI war nicht bei den anderen Wirtschaftsverbän-
en anzutreffen.
Ich bin übrigens froh, dass am Schluss alle erklärt ha-
en, auch BDI-Präsident Rogowski, dass sie sich beim
esetzgebungsverfahren kooperativ einbringen werden.
enn es macht keinen Sinn, dann, wenn alle Vertreter
er Kommunen und der Länder das Modell von BDI
nd VCI strikt ablehnen, zu sagen: Weil wir uns nicht
urchgesetzt haben, gehen wir nach Karlsruhe. Ich hoffe,
4780 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Bundesminister Hans Eichel
das wird nicht passieren. Ich begrüße ausdrücklich, dass
BDI-Präsident Rogowski erklärt hat, am Gesetzgebungs-
verfahren kooperativ mitzuarbeiten.
In diesem Zusammenhang ist zu würdigen, dass ge-
klärt wurde, wie die Verbreiterung der Bemessungs-
grundlage aussehen soll. Darüber will ich im Einzelnen
nichts sagen, weil wir verabredet haben – es gibt auch in
der Bundesregierung noch Diskussionen darüber; das ist
ja auch in Ordnung –, dass wir mit allen Betroffenen
sehr sorgfältig im Gesetzgebungsverfahren verhandeln
wollen. Denn die Verstetigung der kommunalen Einnah-
mesituation – das haben wir alle gewollt – ist nicht ein-
fach auszutarieren. Ziel muss sein, dass die prozyklische
Investitionspolitik der Gemeinden aufhört.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diese ist schlecht für uns alle. Das ist kein Vorwurf an
die Gemeinden, sondern ein Vorwurf, der unserem Sys-
tem und der ständigen Aushöhlung der Gewerbesteuer
gilt. In diesem Zusammenhang muss man sich die Frage
stellen, wie sich das auf der einen Seite auf kleine und
mittlere Betriebe auswirken wird und wie wir es auf der
anderen Seite schaffen, dass die großen, international tä-
tigen Unternehmen Gewerbesteuer zahlen. In diesem
Punkt hat Christian Ude vollkommen Recht; darüber
muss man gar nicht streiten. Also werden wir das bereits
bei der Aufstellung sehr sorgfältig prüfen. Das erwarte
ich selbstverständlich auch von Ihnen, wenn der Gesetz-
entwurf der Bundesregierung vorliegt.
Die Zusammenführung der Zuständigkeit für die Ar-
beitslosenhilfeempfänger und die arbeitsfähigen Sozial-
hilfeempfänger bei der Bundesanstalt für Arbeit und da-
mit deren Überführung in die finanzielle Verantwortung
des Bundes ist, mit Ausnahme des Deutschen Landkreis-
tages einvernehmlich beschlossen worden. Alle anderen
waren dafür.
Es gibt auch eine gemeinsame Position hinsichtlich
der Entlastungswirkungen für die kommunale Ebene;
dieses Thema war übrigens im Rahmen des Auftrages
ursprünglich nicht vorgesehen. Es stand ja im Auftrag
des Kabinetts, dass es keine Belastungsverschiebungen
zwischen den Ebenen geben dürfe. Seinerzeit hatten die
kommunalen Spitzenverbände – ich muss das einmal
zum Schmunzeln sagen – den dringenden Wunsch geäu-
ßert, das in den Entwurf hineinzuschreiben, weil sie den
Verdacht hatten, der Bund wolle die Arbeitslosenhilfe-
empfänger ihrer Zahlungspflicht unterstellen. Da haben
sie gesagt: Das darf nicht passieren, wenn es dafür kei-
nen Ausgleich gibt. – Das ist in Ordnung. Ich sage aber
ganz leise: In demselben Augenblick, in dem klar war,
dass der Zug anders herum fährt, haben sich viele an
diese Forderung, die wir auf Wunsch der kommunalen
Spitzenverbände in den Beschluss des Kabinetts hinein-
geschrieben haben, nicht mehr so gern erinnert.
Ich sage ausdrücklich: Unsere Bereitschaft – so weit
das geht; ich komme gleich auf diese Bemerkung
zurück –, an dieser Stelle zu helfen, besteht. Deswegen
haben wir – mit unserer Stimme – einvernehmlich fest-
gestellt, dass Entlastungswirkungen für die kommunale
Ebene im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu klä-
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en sind. Warum soll das im Rahmen des Gesetzge-
ungsverfahrens geschehen? Weil es zwei Dinge betrifft:
an muss klären, was auf der Einnahmeseite passiert,
um Beispiel mit der Gewerbesteuerumlage. Sie ist sei-
erzeit mit Zustimmung der kommunalen Spitzenver-
ände beschlossen worden – das muss sich jeder noch
inmal klar machen –, weil deutlich war, dass die Kom-
unen in etwa, sogar unterdurchschnittlich, an den
urch die Steuerreform verursachten Ausfällen beteiligt
erden sollten. Das war der Punkt. An dem Argument
at sich auch nichts geändert, nur dass die Finanznot der
ommunen in der Zwischenzeit genauso groß geworden
st wie unsere.
Ich will bei der Gelegenheit sagen: Wir werden zu-
ätzlich zu den Wirkungen einer modernisierten Gewer-
esteuer, auch die Wirkungen auf der Einkommensteuer-
eite zu beachten haben. Das wird man im Einzelnen in
iesem Herbst betrachten müssen. Hier ist ausdrücklich
on Entlastungswirkungen die Rede.
Es war die Meinung einer Mehrheit von Gewerk-
chaften, Wirtschaftsverbänden, kommunalen Spitzen-
erbänden und einem Teil der Ländervertreter, dass es
ußerdem ein Sofortprogramm geben solle. Das würde
ch in keinem Moment bestreiten. Wir wollen aber in
iesem Herbst sehen, was auf dem Tisch liegt und wel-
he Wirkungen sich bereits in 2004 entfalten. Das wird
an dann sehen. Dann können Sie wieder Anträge ein-
ringen.
Aber ich sage ausdrücklich: Die Finanzprobleme
er Kommunen sind nicht durchgreifend – das ist übri-
ens auch nicht unsere Aufgabe – unter Rückgriff auf
en Bundeshaushalt zu lösen; das ist eine Aufgabe der
änder. Sie sind demzufolge nur in einem Konsolidie-
ungskonzept durchgreifend zu lösen, das sowohl die
änder und die Kommunen als auch den Bund in eine
ndere finanzielle Situation bringt. Dabei sind Betrach-
ungen der Ausgabenseite genauso anzustellen wie die
er Einnahmeseite.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
abei haben alle eine große Verantwortung.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Minister, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:
Danke, Herr Präsident. Ich bin sofort fertig.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er hätte län-
ger reden können, wenn er meine Frage zuge-
lassen hätte!)
Bayern hätte das schon machen können; es wurde
brigens im Bayerischen Landtag abgelehnt. Die Bayeri-
che Staatsregierung hätte doch schon längst ihren An-
eil an der Umsatzsteuer abtreten können. Das wäre in
rdnung gewesen.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der
CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4781
(A) )
(B) )
Bundesminister Hans Eichel
Ich sage Ihnen: Es gibt auch bei uns da und dort unter-
schiedliche Auffassungen. Es ist aber erstaunlich, dass
wir bei dem, was ich eben dargestellt habe, eine gemein-
same Position aller dort anwesenden B-Länder-Vertreter
und
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der Maget
fordert es vom Bund!)
aller kommunalen Spitzenverbände – und zwar, wie Sie
wissen, einschließlich derer, die Ihrer Partei angehören –
haben.
Letzter Punkt. Wir haben verabredet, den Themenka-
talog dessen, was weiterbehandelt werden soll, in einer
gemeinsamen Besprechung zwischen kommunalen Spit-
zenverbänden, dem Vorsitzenden der Finanzminister-
konferenz, dem Vorsitzenden der Innenministerkonfe-
renz und der Bundesregierung festzulegen. Denn dass
wir nur die beiden Themen Gewerbesteuer und Zusam-
menführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in das
Zentrum gestellt haben, war ausdrücklich auch der
Wunsch der kommunalen Spitzenverbände. Ich halte das
für richtig, weil eine breitere Themenpalette nie dazu ge-
führt hätte, dass wir in einem Jahr zu einem Ergebnis der
Kommissionsarbeit gekommen wären. Angesichts des
Ziels 1. Januar 2004 war die Begrenzung auf diese bei-
den großen Themen die richtige Antwort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundesregierung wird im August im Kabinett
über den Entwurf entscheiden. Er wird Ihnen zugeleitet.
Wir haben einen straffen Zeitplan; wir alle haben dafür
eine Verantwortung. Wir müssen in diesem Herbst neben
vielen anderen Dingen für eine durchgreifende Konsoli-
dierung der Kommunalhaushalte sorgen. Durch diesen
Gesetzentwurf werden wir einen wesentlichen Beitrag
dazu leisten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/
CSU]: Steuererhöhungen!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile der Kollegin Gisela Piltz, FDP-Fraktion,
das Wort.
Gisela Piltz (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Arme Kommunen – das ist der einzige Gedanke, der mir
gleich in mehrfacher Hinsicht kommt, wenn ich das
sehe, was Rot-Grün hier heute vorgeschlagen hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Bei Umsetzung der Pläne von Rot-Grün bleiben die
Kommunen arm. Eine umfassende finanzielle Absiche-
rung ist nicht zu erwarten. Ich darf mir aus aktuellem
Anlass folgende Bemerkung gestatten: Das, was das Ka-
binett open air in Neuhardenberg besprochen hat, geht
mit ungefähr 4,5 Milliarden Euro zulasten der Kommu-
nen. Die Entlastungen, die Sie vorschlagen, würden we-
niger bringen. Ich frage mich, wie Sie angesichts dieser
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atsache heute eigentlich noch in Ihre Gemeinden nach
ause gehen und erklären können, warum Sie sie so, wie
ie es heute hier tun, im Regen stehen lassen.
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD:
Weil wir etwas tun! – Hartmut Schauerte
[CDU/CSU]: Die bleiben in Berlin! Die fahren
ja gar nicht nach Hause!)
Arme Kommunen aber auch, weil die rot-grüne Bun-
esregierung hier und heute zum wiederholten Mal ge-
eigt hat, dass ihr das Schicksal der Kommunen eigent-
ich ziemlich egal ist.
(Lachen des Abg. Bernd Scheelen [SPD])
Erinnern Sie sich noch an den Anfang des Jahres und
n das Thema Grundsicherung? Das war wieder einmal
in dunkles Kapitel für die Kommunen. Sie haben sich
er „angenehmen“ Auftragsverteilung zulasten der
ommunen bedient.
(Florian Pronold [SPD]: Warum sitzt die FDP
in keinem Kommunalparlament? Weil sie
keine Ahnung von der Praxis hat!)
ie haben zwar eine Kostenerstattung in Höhe von
09 Millionen Euro bereitgestellt, überwiesen wurde sie
ber an die Länder und nicht an die Kommunen. Das be-
eichnen Sie auch noch als Umsetzung des Konnexi-
ätsprinzips.
Meine Damen und Herren, wir legen heute als erste
nd bisher einzige Fraktion einen Gesetzentwurf mit ei-
em konkreten Vorschlag zur Umsetzung des Konnexi-
ätsprinzips vor. Wir sind so konsequent, dass wir sagen:
s kann nicht länger angehen, dass derjenige, der be-
tellt, nicht bezahlt und dass immer alles zulasten der
ommunen geht. Nehmen Sie sich ein Beispiel an die-
em Gesetzentwurf.
(Beifall bei der FDP)
Auf unsere Anfrage hin erklärte die Bundesregierung
ur Grundsicherung damals lapidar: Über die Kosten
ann die Bundesregierung im Moment noch keine Aus-
age treffen. Meine Damen und Herren von der Bundes-
egierung, das macht ja wohl deutlich, dass Sie gar nicht
issen, welche Kosten bei den Kommunen anfallen, und
ass es Ihnen eigentlich auch egal ist.
(Zuruf von der SPD: Das ist doch überhaupt
nicht wahr!)
hne leistungsfähige Kommunen wird in den Städten
eniger gebaut, fallen Arbeitsplätze weg und wird das
irtschaftswachstum noch weiter geschwächt. Nur
urch unseren Gesetzentwurf, eine konkrete Gemeinde-
inanzreform und die Beachtung des Konnexitätsprin-
ips wird sich das ändern.
(Beifall bei der FDP)
Ich komme zum Schluss. Lassen Sie es nicht zum
cheitern einer umfassenden und soliden Finanzreform
ommen! Helfen Sie den Kommunen hier und sofort!
enden Sie sich von einer unsoliden und unsicheren
innahmequelle der Kommunen ab! Kommen Sie weg
4782 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Gisela Piltz
von der Gewerbesteuer und hin zu einem soliden Finanz-
konzept, wie wir es Ihnen heute vorschlagen!
Die Kommission ist gescheitert, wir sind es nicht. Wir
haben nicht 13 Monate umsonst getagt; wir haben Ihnen
einen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie können mit Ihrer Zu-
stimmung einen erheblichen Beitrag zur Sanierung der
Kommunen leisten. Wir würden uns freuen, wenn Sie
unserem Antrag zustimmen würden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile der Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Herr Bundesminister Eichel, der Bürgermeister von
Neuhardenberg, Herr Michael Kernchen, parteilos, hätte
sich sicher gefreut, wenn Sie – Herr Eichel, ich spreche
gerade direkt zu Ihnen; es wäre nett, wenn Sie diese eine
Minute zuhören würden – das Schloss am letzten Wo-
chenende für eine Stunde verlassen hätten, um bei ihm
auf ein Bier vorbeizuschauen.
Dieser kleine Ort Neuhardenberg hat zwar ein schö-
nes Schloss, aber auch 1 Million Euro Schulden. Bei al-
len Inszenierungen, die in unserer Mediengesellschaft
offenbar unvermeidbar sind, sollte auch ein Finanz-
minister einmal hinter die Kulissen schauen.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Er hätte das
Bier mitbringen müssen! – Volker Kauder
[CDU/CSU]: Für 1 Million Euro Schulden hat
der Eichel kein Ohr!)
Die schwerste Finanzkrise in der Geschichte der Bun-
desrepublik trifft die allermeisten der etwa 14 000 Rat-
häuser und 323 Landratsämter. Den Kommunen werden
in diesem Jahr rund 10 Milliarden Euro fehlen. Das sind
noch 3 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor. Die Ge-
werbesteuer als wichtigste Steuereinnahme der Städte
und Gemeinden ist seit 2001 in einem bislang unbekann-
ten Umfang eingebrochen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da hat sie
Recht!)
Von diesen rückläufigen Einnahmen müssen die Kom-
munen zusätzlich einen zunehmenden Anteil als Gewer-
besteuerumlage an Bund und Land abführen.
Besonders angespannt ist die finanzielle Situation von
Kommunen in Ostdeutschland. Deren Pro-Kopf-Steu-
ereinnahmen betragen lediglich ein Drittel dessen, was
die Kommunen im Westen einnehmen. Damit hängen
die meisten ostdeutschen Kommunen am Tropf ihrer
Länder.
Bundesweit gehen die kommunalen Investitionen
spürbar zurück. Im Jahre 2002 lagen diese Investitionen
30 Prozent unter dem Niveau von 1992. Das heißt, viele
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ommunen können nicht einmal mehr ihre Pflichtaufga-
en erfüllen. Der Bund muss unserer Meinung nach den
ommunen die finanziellen Folgen der Langzeitarbeits-
osigkeit – das sind jährlich rund 5 Milliarden Euro – im
ahmen der kommunalen Sozialhilfe erstatten.
Welche Vorschläge aber liegen auf dem Tisch? Ich
ill die Vorschläge der Unternehmerverbände heraus-
reifen. Diese wollen die Gewerbesteuer abschaffen und
urch ein so genanntes kommunales Zuschlagsrecht auf
ie Lohn- und Körperschaftsteuer ersetzen. Das würde
edeuten: Vor allem große Unternehmen würden aus ih-
er Verantwortung für die Kommunalfinanzierung ent-
assen. Im Gegenzug würden den Arbeitnehmern noch
rößere Lasten aufgebürdet. Nach dem Willen der Un-
ernehmer würde der Anteil der Arbeitnehmer am kom-
unalen Steueraufkommen von derzeit ungefähr 48 Pro-
ent auf voraussichtlich 64 Prozent gravierend ansteigen
nd dementsprechend der Anteil der Unternehmen spür-
ar sinken.
Wir als PDS haben ganz andere Vorschläge:
Erstens. Erhalt und Modernisierung der Gewerbe-
teuer als wirtschaftskraftbezogene Steuer.
Zweitens. Der Kreis der Steuerpflichtigen muss spür-
ar erweitert werden. Alle ortsansässigen Wirtschafts-
inheiten – von den global wirtschaftenden Konzernge-
ellschaften bis hin zu den freien Berufen – sollten ab
em Jahr 2004 entsprechend ihrer Leistungskraft ihren
eitrag für die Finanzierung ihrer Standortgemeinde
eisten.
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] –
Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dass Sie das
wollen, überrascht uns nicht!)
Ich bin nicht dafür da, Sie in jeder Sitzung zu überra-
chen, sehr geehrter Herr Kollege.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Denken Sie
an Ihr PDS-Vermögen!)
Drittens. Erweiterung der Bemessungsbasis für die
ewerbesteuer. Daher sollten ab dem Jahr 2004 sämtli-
he Zinsen und Zinsanteile von Mieten, Pachten und
easingraten einbezogen werden.
Viertens. Um den Kommunen sofort, das heißt, noch
m laufenden Haushaltsjahr 2003, mehr finanziellen
pielraum einzuräumen, sollte die mit der Steuerreform
on 2000 beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuerum-
age zugunsten von Bund und Länder von jetzt 26 Pro-
ent wieder auf 20 Prozent reduziert werden. Auch die
rünen sind schon darauf eingegangen. Damit hätten
tädte und Gemeinden noch in diesem Jahr 2,3 Mil-
iarden Euro mehr an Gewerbesteuer zur Verfügung.
Fünftens. Für den Nachtragshaushalt dieses Jahres
ordern wir eine kommunale Investitionspauschale des
undes, und zwar nicht nur an ostdeutsche Städte und
emeinden, sondern auch für Kommunen in struktur-
chwachen Regionen im Westen.
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4783
(A) )
(B) )
Dr. Gesine Lötzsch
Zur Finanzierung könnte zum Beispiel der Verkauf eines
geringen Teils der immer noch immensen Goldreserven
der Bundesbank mobilisiert werden.
Ich erwarte nicht, dass Sie gleich alle Vorschläge der
PDS aufnehmen. Aber Sie sollten sich neuen Ideen öff-
nen. Das würde uns allen helfen.
Vielen Dank.
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Karin Roth, SPD-Frak-
tion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Karin Roth (Esslingen) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Mit unseren Vorschlägen zur Gemeindefinanz-
reform, auf der Einnahmenseite wie auch auf der Ausga-
benseite, wollen wir den finanziellen Spielraum der
Kommunen erweitern. Wir sehen alle gemeinsam – da-
rüber gibt es keinen Dissens –, dass es notwendig ist,
den Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, da-
mit sie Investitionen vor Ort tätigen können. Das ist un-
ser Beitrag zur Wachstums- und Beschäftigungspolitik.
Diese Reform wollen wir voranbringen und am
1. Januar 2004 in Kraft setzen. Das ist die Perspektive.
(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/
CSU]: Donnerwetter!)
Die Gemeindefinanzreform ist auch die Vorausset-
zung dafür, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen-
zuführen, Herr Kauder. Das ist etwas, was offensichtlich
auch die CDU/CSU will.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Schon lange
vor Ihnen! Willkommen im Club!)
– Das ist nicht richtig. Wir haben das schon sehr viel län-
ger geplant, Herr Schauerte. Entscheidend ist, dass es
auch gemacht wird.
(Peter Götz [CDU/CSU]: Ihr habt unsere Vor-
schläge abgelehnt!)
Wir haben mit den ersten Seiten Gesetzen zur Hartz-
Reform schon einiges auf den Weg gebracht. Wir haben
wichtige Weichen gestellt. Denken Sie daran, dass wir
die Vermittlung in Arbeit verbessert und vor allen Din-
gen die Existenzgründungen vorangebracht haben. Die
Zahl der Existenzgründungen ist in der ersten Hälfte die-
ses Jahres um 33 000 gestiegen. Das ist ein großer Erfolg
unserer Hartz-Gesetze I und II. Die „Berliner Zeitung“
schreibt darüber: „Das ist der Boom des Jahres“. Das ist
ein gutes Zeichen, um auch die Hartz-Gesetze III und IV,
die unter anderem die Zusammenlegung der Arbeitslo-
senhilfe und der Sozialhilfe betreffen, auf den Weg zu
bringen.
(Beifall bei der SPD)
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s ist überhaupt keine Frage: Wir müssen weg von der
inanzierung der Arbeitslosigkeit und hin zur Vermitt-
ung in Arbeit und zur Integration in Beschäftigung. Das
un wir vor allen Dingen mit der Zusammenführung der
rbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Indem Sie die
Wirtschaft kaputtmachen, schaffen Sie das si-
cher!)
ir brauchen klare Zuständigkeiten und vor allen Din-
en klare Verantwortlichkeiten. Der Verschiebebahnhof,
en es – das ist unstrittig – in diesem Bereich gibt, zwi-
chen den Kommunalfinanzen auf der einen Seite und
en Bundesfinanzen auf der anderen Seite, soll der Ver-
angenheit angehören.
Wir wollen mit der Zusammenführung von Sozial-
ilfe und Arbeitslosenhilfe einen Wechsel einleiten.
as betrifft sehr viele Menschen in unserem Land, nach
en heutigen Schätzungen 900 000 Sozialhilfeempfän-
er und 1,3 Millionen Arbeitslosenhilfeempfänger, zu-
ammen genommen also 2,2 Millionen Menschen in un-
erem Land.
Weil eine solch große Gruppe von Menschen von die-
er Reform betroffen sind, brauchen wir dazu – das sage
h an die Adresse der CDU/CSU – einen Kompromiss
nd die Fähigkeit zum Konsens. Das kann man nicht im
issens organisieren. Ich bin ganz überrascht, dass es in
iesem Zusammenhang – wenn man den Antrag der
DU/CSU liest – sehr viele Gemeinsamkeiten gibt. Das
t aus meiner Sicht ein Signal dafür, dass wir vielleicht
it der CDU/CSU einen Kompromiss erreichen. Dies
äre zum Wohle der Menschen; denn sie warten auf die-
es Signal.
(Beifall bei der SPD – Peter Götz [CDU/
CSU]: Als wir regiert haben, habt ihr das abge-
lehnt!)
Wir wollen mit der Reform zum einen zwei nebenei-
ander vorhandene, getrennte steuerfinanzierte Systeme
usammenfassen. Zum anderen wollen wir vor allen
ingen die Integration von Langzeitarbeitslosen in
rbeit und Beschäftigung verbessern. Ich weiß, dass das
hrgeizige Ziele sind. Aber wenn die aktivierenden Leis-
ungen unabhängig vom Status des Langzeitarbeitslosen
usammengefasst werden, kann dies – davon bin ich
berzeugt – nicht nur zu mehr Beschäftigung führen,
ondern auch dazu beitragen, dass die Menschen mehr
elbstbewusstsein und eine Perspektive erhalten. In die-
em Zusammenhang ist „fördern und fordern“ keine
eerformel, sondern sogar existenziell.
Wir müssen positive Signale setzen, die zeigen, dass
iedereingliederung für viele machbar ist und Eigen-
nitiative und Eigenverantwortung belohnt werden.
eshalb sind wir jetzt schon – im Vorgriff auf diese Re-
orm – bereit gewesen, zwei große Sonderprogramme
u finanzieren. Zum Ersten gibt es JUMP plus, wodurch
00 000 junge Menschen den Einstieg in den Beruf er-
alten sollen. Das finanziert die Bundesregierung mit
10 Millionen Euro.
(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wie beurteilt
Clement diese Programme?)
4784 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Karin Roth (Esslingen)
Zum anderen wurde in den letzten Tagen zusätzlich das
Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose in Höhe von
860 Millionen Euro beschlossen. Mit diesen beiden Pro-
grammen schließt die Bundesregierung die finanzielle
Lücke in diesem Jahr, die entstanden ist, weil sich Kom-
munen und Länder zum Teil aus den Arbeitsmarktpro-
jekten zurückgezogen haben. Wir setzen also schon in
diesem Jahr ein positives Signal in Richtung der Kom-
munen. Das ist eine gute Nachricht für die Beschäfti-
gungsträger in den Regionen und eine noch bessere
Nachricht für die Menschen, die von Langzeitarbeitslo-
sigkeit betroffen sind.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen eine neue staatliche Fürsorgeleistung einfüh-
ren. Wir wollen, dass Erwerbsfähige im Alter von 15 bis
65 Jahren anspruchsberechtigt sind, und wir wollen vor
allen Dingen, dass die Leistung existenzsichernd und ar-
mutsfest ist.
Aus dem Antrag der CDU/CSU ergeben sich Mög-
lichkeiten zu einem gemeinsamen Kompromiss in der
Frage der Sanktionen und der Anrechnung von Vermö-
gen. Ich wünschte mir, dass insbesondere auch hinsicht-
lich der Gestaltung auf kommunaler Ebene eine gemein-
same Position gefunden wird. Es geht nicht an, weiterhin
auf Dezentralisierung zu setzen, wie es der Landkreistag
fordert, und die Zuständigkeit für die neuen Leistungen
den Kommunen zu übertragen. Ich halte es vielmehr für
richtig, die Zuständigkeit für diese Leistungen der Bun-
desanstalt für Arbeit zu übertragen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die wird noch
nicht einmal ihrer eigentlichen Aufgabe ge-
recht!)
Alle Leistungen aus einer Hand – das ist die richtige
Position!
Die kommunalen Haushalte erfahren durch diese
neue Maßnahmen Entlastungen in Milliardenhöhe. Ich
denke, diese Möglichkeit muss genutzt werden, zum
Beispiel um die Kinderbetreuung auszubauen. Deshalb
sollen 1,5 Milliarden Euro aus der Einsparsumme an die
Kommunen zurücküberwiesen werden. Das ist eine
wichtige Botschaft für die allein erziehenden Mütter und
Väter; denn damit wird die Voraussetzung für ihre Er-
werbsfähigkeit geschaffen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska
Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Roth, Sie haben Ihre Redezeit schon über-
schritten.
Karin Roth (Esslingen) (SPD):
Mit der Gemeindefinanzreform wollen wir die Kom-
munen, vor allem in den strukturell benachteiligten Re-
gionen, unterstützen. Auch mit der Zusammenlegung der
Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe sollen die Kommu-
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en entlastet werden. Ich denke, es ist Zeit, dass wir uns
uf diesen Weg einigen, auch und vor allem im Interesse
er Menschen in unserem Lande.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Kollegen Klaus-Peter Flosbach, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.
Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
undesminister musste leider weg, um einen wichtigen
ermin wahrzunehmen. Das müssen wir verstehen. Er
at uns seine Probleme vorgetragen und über die Prüfun-
en informiert, die er vornehmen will. Als er nicht mehr
eiterwusste, erzählte er von den 16 Jahren, in denen die
nion dieses Land geführt hat. Als langjähriger Kom-
unalpolitiker versichere ich Ihnen: Jedes dieser
6 Jahre war für die Kommunalpolitik und für die Bür-
er in unserem Lande besser als die letzten fünf Jahre
nter dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Lachen bei der SPD – Horst
Kubatschka [SPD]: Sie sind ja wirklich ein
Witzbold!)
Der Kollege Götz hatte Recht: Der Einfluss von Mi-
ister Eichel auf den Bundeskanzler ist offensichtlich so
ering, dass der Bundeskanzler gestern nicht mit einem
inzigen Wort die katastrophale Finanzlage der Kom-
unen in diesem Land erwähnt hat. Die Kommunen ha-
en finanziell bewegte Jahre hinter sich; der Druck auf
ie Ausgabeseite ist gerade von Ihrer Bundesregierung
mmer weiter erhöht worden. Die Erosion der kommuna-
en Finanzen hat unter dieser Regierung eine Größenord-
ung erreicht, die nur mit dem krassen Versagen der
undesregierung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik
u begründen ist. Das wird derzeit allen Bürgern klar.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das
hnen recht nahe steht, prognostiziert ein Wachstum von
,1 Prozent. Die Bundesregierung hingegen kalkuliert
mmer noch mit einem Wachstum von 2 Prozent.
(Bernd Scheelen [SPD]: Für das nächste Jahr!)
as muss man sich einmal vorstellen! Die Zahl der In-
olvenzen steigt ständig an. Unsere Kommunen weisen
in laufendes Defizit in Höhe von mindestens
0 Milliarden Euro auf. Denken Sie in diesem Zusam-
enhang an die 80er- und 90er-Jahre zurück, als die
aushalte noch ausgeglichen waren!
Durch das Vorziehen der Steuerreform wird für die
ommunen ein weiteres Loch von 2 Milliarden Euro
ntstehen. Sie können ihre Bilanzen nur noch durch
chönrechnen gestalten. Die Nachricht über ein weiteres
och in Höhe von 2 Milliarden Euro hat, so schreibt die
Süddeutsche Zeitung“ in ihrer gestrigen Ausgabe, bei
en Kommunen wie eine Bombe eingeschlagen. Denn
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4785
(A) )
(B) )
Klaus-Peter Flosbach
die Betroffenen wissen, dass ihnen eine Gegenfinanzie-
rung nicht möglich ist.
Herr Eichel hat wieder eine Arbeitsgruppe eingesetzt,
die die Kosten für die Kommunen errechnen soll. Das ist
natürlich eine tolle Leistung. Sie wissen doch, dass die
Kommunen keine Möglichkeit haben, weitere Kürzun-
gen auf der Ausgabenseite vorzunehmen. Gerade des-
halb ist es erstaunlich, was die Kommunen in den letzten
Jahren geleistet haben. Sie müssen immer bedenken,
dass jede Kürzung im kommunalen Bereich für die Bür-
ger unmittelbar spürbar ist. Ich appelliere deshalb an Sie
in den Regierungsfraktionen: Vergessen Sie nicht, dass
die Eingliederungshilfe für die Kommunen ein wichti-
ges Thema ist. Die hier vorhandenen Probleme können
die Kommunen nicht alleine bewältigen. Wir wissen,
dass sich die Erfordernisse der Eingliederungshilfe, de-
ren Mittel den Behinderten zugute kommen, in den
nächsten Jahren verdoppeln werden. Wir müssen des-
halb hier ein eigenes Leistungsgesetz schaffen. Dafür
brauchen wir Ihre Unterstützung.
Den Kommunen geht es schlecht und Ihnen fällt
nichts anderes ein, als die Gewerbesteuer zu reanimie-
ren. Diese Steuer hat bewiesen, dass sie wegen der Un-
stetigkeit und der Konjunkturanfälligkeit der aus ihr re-
sultierenden Einnahmen jegliche kommunale Planung
über den Haufen werfen kann. Sie ist des Weiteren sehr
bürokratisch, weil sie aufwendig berechnet werden
muss: Zuerst müssen der Gewinn und der Gewerbeertrag
ermittelt werden. Dann muss eine Gewerbesteuererklä-
rung abgegeben werden. Danach erfolgt die Prüfung des
Gewerbesteuerbescheids. Dann geht es von den Finanz-
ämtern zu den Steuerämtern der Städte. Die Gemeinden
ziehen schließlich die entsprechenden Beträge ein – und
dann wird die Zahlung wieder auf die Einkommensteuer
angerechnet.
Der Kanzler hat gestern von Bürokratieabbau gespro-
chen. Nichtsdestotrotz machen Sie heute den Vorschlag,
750 000 bzw. 800 000 Freiberufler in die Gewerbesteuer
einzubeziehen. Wir werden ja sehen, was passieren wird,
wenn die ersten Einsprüche kommen, und zwar unab-
hängig davon, ob die Einbeziehung der freien Berufe in
diese Steuer verfassungsgemäß ist oder nicht. Derzeit
müssen 750 000 selbstständige Freiberufler eine teure
und aufwendige Berechnung ihrer beruflichen Einkünfte
vornehmen. Anschließend erfolgt die Anrechnung der
Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer, allerdings nur
bis zu einem Hebesatz von 350 Prozent.
(Zurufe von der SPD: 360 Prozent!)
Aus Sicht der Bürger haben wir es mit einer doppelten
Belastung zu tun; denn der Hebesatz endet ja nicht unbe-
dingt bei 350 Prozent. In Frankfurt beispielsweise liegt
der Hebesatz bei 490 Prozent. Hier wird der einzelne
Freiberufler deutlich mehr Steuern zahlen als bisher. So
kommt ja – der Deutsche Städtetag hat es heute bekannt
gegeben – die zusätzliche Belastung von 2 Milliarden
Euro zusammen. Selbst diejenigen, die innerhalb der
Freibeträge bleiben, also keinen Gewinn errechnen,
müssen natürlich die Ermittlungskosten tragen. Diese
beginnen für diese Gruppe der Freiberufler bei 300 Euro
und können in die Tausende gehen.
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Zusammenfassend stelle ich fest: Das alles ist nichts
nderes als eine dramatische Steuererhöhung für die
50 000 selbstständigen Freiberufler in Deutschland.
as sollten Sie von Rot-Grün auch den Menschen sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
nstatt eine unsinnige Steuer abzuschaffen, dehnen sie
iese mit dem Gerechtigkeitsargument auf 750 000 wei-
ere Existenzen aus. Das ist der wahre Abbau von Büro-
ratie, von dem Kanzler Schröder gestern gesprochen
at.
Nun geht Ihre Liebeserklärung an die Gewerbesteuer
och ein Stück weiter. Sie wollen die so genannten
rtragsunabhängigen Teile wie Zinsen, Leasingraten
nd Mieten in die Berechnung der Gewerbesteuer einbe-
iehen. Damit greifen Sie tief in die Substanz der Unter-
ehmen ein. Warum müssen denn viele Unternehmen
ieten und Leasingverträge abschließen? Weil sie nicht
ber das notwendige Eigenkapital verfügen. Nur noch
it dieser Fremdfinanzierung können viele Unterneh-
en überleben. Sie von Rot-Grün wollen offenbar bei
en 40 000 Insolvenzen noch draufsatteln. Es ist kaum
u glauben, wie tief offenbar die mangelnde Kenntnis
om Innenleben deutscher Unternehmen bei Ihnen sitzt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das Scheitern der Kommission zur Reform der
emeindefinanzen ist ein Armutszeugnis für die Bun-
esregierung. Lange genug haben Sie diese Kommission
ersteckt und sich auch hinter ihr versteckt. Ich be-
aupte, dass die beabsichtigte Ausdehnung der Gewerbe-
teuer schon vorher zu Ihrem Plan gehört hat. Sie können
brigens auch nicht die kommunalen Spitzenverbände he-
anziehen. Denn diesen geht es heutzutage ausschließ-
ch um die Frage: Wie kommen wir schnell an Geld?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
ie wissen genau, dass die kommunalen Spitzenver-
ände unser Sofortprogramm unterstützen. Das ist auch
icht verwunderlich; denn es verspricht als Einziges so-
ortige Hilfe.
Sie haben sich aber nicht nur hinter der Kommission
ur Reform der Gemeindefinanzen versteckt, sondern
aben uns auch alle Detailergebnisse verheimlicht. Sie
aben sich nur auf zwei Modelle konzentriert, obwohl
ehn verschiedene vorgelegen haben, unter anderem von
er FDP und insbesondere von unserem Kollegen
romme. Sie waren einfach nicht in der Lage, mithilfe
ieser Modelle Detailergebnisse vorzulegen, was für das
elingen einer Beratung notwendig ist.
Die Krisenanfälligkeit des jetzigen Gewerbesteuersys-
ms hat doch gezeigt, dass die Zeit für eine neue Finan-
ierung unserer Städte und Gemeinden längst reif ist. Na-
rlich kann auch ein Zuschlagsmodell das Band
wischen der Wirtschaft auf der einen Seite und den Bür-
ern auf der anderen Seite sein. Sie begründen Ihre Ableh-
ung aller Zuschlagsmodelle damit, dass die Arbeitneh-
er dadurch zu stark belastet werden. Wie Sie wissen,
ind die Kommunen mit 15 Prozent an den Einkommens-
teuereinnahmen beteiligt. Die Vorschläge – ich halte sie
ür realistisch – zielen darauf ab, dass diese 15 Prozent
4786 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Klaus-Peter Flosbach
herausgelöst werden und dass auf dieser Grundlage ein
Zuschlagsrecht für die Gemeinden gebildet wird. Wir
müssen selbstverständlich noch darüber diskutieren, ob
die Verteilung der Mittel heute noch gerecht ist. Vor allen
Dingen müssen wir an die Mischfinanzierung herange-
hen; denn sie ist ein Übel dieser Zeit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte jetzt
noch die Gewerbesteuerumlage in den Kommunen an-
sprechen. Die Kommunen meines Kreises befinden sich
in folgender Situation – ich habe mit den jeweiligen Bür-
germeistern gesprochen –: Zehn Kommunen befinden
sich in der Haushaltssicherung, drei noch nicht. Die
Kommunen müssen von ihren Gewerbesteuereinnah-
men, sofern sie solche noch haben, einen Betrag von
28 Prozent und demnächst 30 Prozent an Bund und Land
abführen. Da sie noch Gewerbesteuereinnahmen haben,
bekommen sie vom Land entsprechend geringere Zuwei-
sungen, sodass von den eigentlichen Gewerbesteuerein-
nahmen überhaupt nur 10 Prozent übrig bleiben. Wir
sollten wirklich eine gemeinsame Lösung finden und die
gesamte mit der Gewerbesteuer verbundene Bürokratie
abschaffen. Das ist der einzig sinnvolle Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir brau-
chen ein Konzept, das von der Bevölkerung in Gänze ak-
zeptiert wird. Nutzen wir deshalb diese Situation, um
den Kommunen eine neue finanzielle Basis zu geben!
Frau Andreae, ich unterstütze Ihr Vorhaben – auch Frau
Scheel, die Vorsitzende des Finanzausschusses, hat da-
von gesprochen –, die Gewerbesteuerumlage zu senken.
Unterstützen aber auch Sie unseren Vorschlag, kurzfris-
tig den Umsatzsteueranteil von 2,2 Prozent auf 3 Prozent
anzuheben! Das hilft den Gemeinden – sofort und wirk-
sam.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Bernd Scheelen,
SPD-Fraktion.
Bernd Scheelen (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Flosbach, jedes der 16 Jahre unter der Regierung
Helmut Kohl war für die Gemeinden ein verlorenes Jahr.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/
CSU]: Guck doch auf die Zahlen! – Hans
Michelbach [CDU/CSU]: Sie müssen sich ein-
mal die Gewerbesteuerstatistik anschauen!)
In diesen 16 Jahren wurde die Gewerbesteuer ausge-
höhlt. Die jetzt zu beobachtenden, im Vergleich zu frü-
heren Jahren relativ geringen Gewerbesteuereinnahmen
sind eine Folge Ihrer verfehlten Politik in dieser Zeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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Ich könnte mein Redemanuskript jetzt eigentlich zur
eite legen und alles, was Kollegen hier gesagt haben,
ommentieren. Ich will das nur in Teilen tun.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Scheelen, gestatten Sie vorweg eine
wischenfrage des Kollegen Götz?
Bernd Scheelen (SPD):
Ich werde gleich die Zwischenfrage beantworten, die
ie vorhin gestellt haben. Aber stellen Sie ruhig eine
eitere Zwischenfrage!
Peter Götz (CDU/CSU):
Vielen Dank, dass Sie mir diese Möglichkeit ge-
en. – Sind Ihnen zwei Zahlen bekannt – –
(Zurufe von der SPD: Mehr!)
Ich bin schon froh, wenn er zwei Zahlen kennt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Ist Ihnen bekannt, dass es einen Zusammenhang zwi-
chen dem Ende der Regierungszeit unter Helmut Kohl und
er Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens gibt? Das
ewerbesteueraufkommen belief sich 1999 – das war eine
uswirkung der Politik der Regierung Helmut Kohl – auf
twa 27 Milliarden Euro. Ist Ihnen bekannt, dass sich das
ewerbesteueraufkommen der Gemeinden in diesem
ahr voraussichtlich auf eine Größenordnung von
6 Milliarden Euro beläuft? Können Sie mir erklären,
nwieweit die Differenz zwischen 27 Milliarden Euro
nd 16 Milliarden Euro etwas mit der Regierung Helmut
ohl zu tun hat? Hat das vielleicht nicht doch etwas mit
em Wechsel zur Regierung Schröder zu tun?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein ganz
bisschen!)
Bernd Scheelen (SPD):
Diese Frage beweist Ihre ganze Doppelzüngigkeit.
ei den 27 Milliarden Euro handelt es sich um einen
ruttowert. Den können Sie nicht mit einem vermutli-
hen Nettowert – abzüglich der Gewerbesteuerumlage –
ergleichen. Was Sie machen, ist schräg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Aufkommen der Gewerbesteuer im Jahr davor
etrug 23,5 Milliarden DM. Das gute Aufkommen in
999 – da regierte Gerhard Schröder schon – hat mit der
uten Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zu tun
ehabt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – La-
chen bei der CDU/CSU)
as steigerte sich im Jahr 2000 noch. Da hatten wir das
öchste Gewerbesteueraufkommen überhaupt.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4787
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Bernd Scheelen
Der Rückgang beim Gewerbesteueraufkommen, der
sich jetzt zeigt, Herr Kollege Götz, hängt mit der Aus-
höhlung zusammen, die Sie betrieben haben. Sie haben
die Gewerbesteuer zu einer reinen Gewinnsteuer ge-
macht. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wie jetzt zeigt
sich, dass Sie eine falsche Politik betrieben haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Präsident Wolfgang Thierse:
Der Kollege Götz will nicht lockerlassen. Herr Kol-
lege Scheelen, gestatten Sie noch eine weitere Zwi-
schenfrage des Kollegen Götz?
Bernd Scheelen (SPD):
Wenn es denn sein muss.
Präsident Wolfgang Thierse:
Bitte schön.
Peter Götz (CDU/CSU):
Ich möchte nur fragen: Ist Ihnen bekannt, Kollege
Scheelen, dass schon einmal ein wichtiges Mitglied Ihrer
Fraktion das Thema brutto und netto behandelt hat und
damit Probleme hatte?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Peter Dreßen [SPD]: Das war schwach!)
Bernd Scheelen (SPD):
Herr Kollege Götz, ich habe eher den Eindruck, dass
Sie brutto und netto verwechselt haben. Ich werde auch
keine weiteren Zwischenfragen des Kollegen Götz mehr
zulassen und nur noch die Zwischenfrage beantworten,
die er vorhin gestellt hat und die Bayern betraf; der Kol-
lege Michelbach hat ja auch noch in die Kerbe gehauen.
Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Die SPD-Land-
tagsfraktion in Bayern
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die unbe-
deutendste Oppositionsfraktion in Deutsch-
land!)
hat im Bayerischen Landtag beantragt – insofern haben
Sie nur die Hälfte zitiert –, dass in Bayern der Länderan-
teil an der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage infolge
der Steuerreform zurückgezahlt wird.
(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Das würde
euch so passen! – Hans Michelbach [CDU/
CSU]: Weil der Bund nicht mitmacht!)
Das haben die Bayerische Staatsregierung und die CSU-
Landtagsfraktion mit ihrer Mehrheit abgelehnt. Das
zeigt, wie ernst Sie diese Forderung wirklich nehmen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/
CSU]: Das ist ja zynisch!)
Sie stellen hier im Bundestag das vierte Mal, glaube
ich, die Forderung, dass der Erhöhungsanteil der Gewer-
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esteuerumlage infolge der Steuerreform zurückgezahlt
ird. Ernst meinen Sie es damit aber nicht; noch vor ein-
inhalb Jahren, im Zusammenhang mit dem Länder-
inanzausgleich, haben Sie es abgelehnt, über die Ge-
erbesteuerumlage zu reden. Wie ernst Sie es damit
einen, haben Sie ganz besonders in Bayern gezeigt.
ie Staatsregierung ist nicht bereit, ihren Anteil an die
emeinden zurückzuzahlen.
(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Das ist Bun-
desgesetz! – Hans Michelbach [CDU/CSU]:
Da ist der Bund zuständig!)
anz im Gegenteil: In Bayern nimmt man den Kommu-
en sogar Geld für die Besoldung von Lehrern ab. Das
ibt es in keinem anderen Bundesland.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Jetzt noch ein Wort zur FDP als Kommunalpartei. Ich
inde es besonders spannend, dass sich die FDP als
ommunalpartei geriert. Sie von der FDP sind in den
0er-Jahren in Nordrhein-Westfalen – das ist mein Hei-
atbundesland, daher kommen auch die beiden Abge-
rdneten, die von Ihnen heute hier gesprochen haben –
och reihenweise aus den Kommunalparlamenten geflo-
en.
(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Wir sind 1999
wieder eingezogen!)
as geschah doch nicht deswegen, weil Sie so gute Poli-
ik gemacht haben. Sie sind erst wieder hineingekom-
en, als die Fünf-Prozent-Hürde gefallen ist. Da hatten
ie die Chance, mit 2 Prozent wieder in den Stadtrat ein-
uziehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]:
Mit Polemik kommt man nicht weiter! –
Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ihre Verluste
waren auch ganz schön!)
Frau Kollegin Piltz, Sie haben bemerkt: Wenn ich mir
hren Antrag anschaue, dann sage ich nur: Arme Kom-
unen. – Ich kann Sie nur dazu auffordern, unseren An-
rag, unser Vorhaben, das Kommunalmodell zum Ge-
etz zu machen, zu unterstützen; denn das ist das, was
ie Kommunen wollen. Sie wollen nicht nur kurzfristig
eld haben, Herr Kollege Flosbach, Sie wollen ein lang-
ristiges Konzept, das zukunftssicher ist, und das ist das
onzept der kommunalen Spitzenverbände, das auch
nserem Antrag zugrunde liegt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Die Haltung der CDU/CSU ist hier in der Zeitung
ehr gut beschrieben. Ich hatte das Vergnügen, am
ontag in Bayern zu sein, und konnte vor Ort die „Süd-
eutsche Zeitung“ kaufen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: So weit
durften Sie reisen?)
arin steht: Kommunen fühlen sich im Stich gelassen. – Das
ielt nicht auf die Bundesregierung, sondern auf die
4788 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Bernd Scheelen
Bayerische Staatsregierung. Vom Bayerischen Städtetag
ist zu hören, die CSU eiere in dieser Frage herum. Herr
Deimer, der Ihnen als Oberbürgermeister von Landshut
und Städtetagschef in Bayern sicherlich sehr gut bekannt
ist, fühlt sich von der Staatsregierung verraten und sagt: Wir
sind stinksauer. Die haben uns im Stich gelassen. – Das ist
die Stimmung an der CSU-Basis bei Ihnen in den Kom-
munen!
Sie sollten sehr gut auf das hören, was Ihre Kommu-
nalpolitiker vor Ort wollen. Die wollen das, was wir in
unserem Antrag niedergelegt haben, nämlich die Durch-
setzung des Kommunalmodells. Dazu werde ich gleich
noch ein paar Sätze sagen.
Ich will zunächst einmal die Gelegenheit nutzen, der
Kommission von dieser Stelle aus für die wirklich inten-
sive Arbeit, die sie in gut einem Jahr geleistet hat, sehr
herzlich zu danken. Es war nicht einfach, in einer so kur-
zen Zeit den sehr schwierigen Komplex der Gemeinde-
finanzen so aufzuarbeiten, wie sie es getan hat.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto
Solms)
Sie hat uns gestern den Abschlussbericht vorgelegt, der,
was das Zahlenmaterial angeht, völlig unstrittig ist. Da-
rüber gibt es innerhalb der Kommission, zwischen den
verschiedenen Partnern überhaupt keinen Streit. Unsere
Aufgabe ist jetzt, anhand der unstrittigen Zahlen zu ent-
scheiden, was wir machen wollen. Das ist Aufgabe von
Politik. Wir haben Ihnen unseren Antrag vorgelegt, nach
dem das Kommunalmodell weiterverfolgt werden soll.
Zwei Sätze dazu, warum wir das BDI/VCI-Modell
nicht wollen. Das hat verschiedene Gründe. Ein Grund
ist folgender: Dieses Modell verlagert Zahllasten der
Wirtschaft infolge der Gewerbesteuer auf Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer. Zwei Drittel der jetzigen Last,
die die Unternehmen mit der Gewerbesteuer tragen, sol-
len demnächst Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
tragen. Damit, meine Damen und Herren, sind wir nicht
einverstanden. Das werden wir nicht mitmachen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Wenn Sie sich das Zahlenmaterial des BDI/
VCI-Modells anschauen, werden Sie feststellen, dass die
Kommunen unterm Strich leer ausgehen, denn das Auf-
kommen erhöht sich nicht. Ganz im Gegenteil, es sind
8 Millionen Euro – diesmal sind es wirklich 8 Millionen
und nicht 8 Milliarden, Herr Flosbach – weniger. Das
geht im Wesentlichen zulasten der Länder. Hier stellt
sich die Frage, wie Sie das auf der anderen Seite ausglei-
chen wollen. Das heißt, dieses Modell hilft den Kommu-
nen überhaupt nicht.
Ein dritter Punkt ist, dass, vorausgesetzt, das
Hebesatzrecht, das den Gemeinden nach diesem Modell
auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeräumt
werden soll, würde in Kraft treten, die großen Städte
– vorhin wurden ja Frankfurt und die dort geltenden
480 Punkte genannt – einen deutlich höheren Hebesatz
erheben müssten als die Umlandgemeinden. Auch das
können Sie dem von der Gemeindefinanzreformkom-
mission vorgelegten Zahlenmaterial entnehmen. Bei ei-
nem durchschnittlichen Hebesatz von 23 Prozent würde
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rankfurt beispielsweise 35 Prozent weniger kommu-
ale Einnahmen haben, während die Gemeinde Krons-
erg, wo viele gut verdienende Leute wohnen, 65 Pro-
ent mehr hätte. Um das auszugleichen, müssten die
ebesätze deutlich verändert werden. Frankfurt müsste
ann mit einem Hebesatz von etwa 35 Prozent kalkulie-
en, während Kronsberg möglicherweise mit 8 oder
Prozent auskäme. Das würde zur Stadtflucht führen,
ie wir aber nicht unterstützen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Letzter Grund, warum wir das BDI/VCI-Modell ab-
hnen: Es ist ein bürokratisches Monster. Es wundert
ich, ehrlich gesagt, dass die FDP und auch die Indus-
ie so etwas vorschlagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
tellen Sie sich ein Werk wie BMW vor, das Arbeitneh-
er aus vielleicht 50 Umlandgemeinden beschäftigt. Die
ohnbuchhaltung müsste den Hebesatz dieser 50 Ge-
einden abfragen. All das muss in die Berechnungen
infließen und auf dem Lohnsteuerzettel des Arbeitneh-
ers erscheinen. Es ist und bleibt also ein bürokratisches
onster. So etwas ist nicht durchsetzbar.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf
von der CDU/CSU: Dafür gibt es doch Com-
puter!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Scheelen, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Pinkwart?
Bernd Scheelen (SPD):
Bitte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Pinkwart, bitte.
Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Herr Kollege Scheelen, ich möchte Sie gerne fragen,
b Sie den Antrag zur Grundgesetzänderung, der heute
on der FDP-Fraktion vorgelegt worden ist, gelesen ha-
en. Dann müssten Sie nämlich festgestellt haben, dass
ier nicht die Umsetzung des BDI/VCI-Modells bean-
ragt wird, sondern ein Zweisäulenmodell. Besteht die
ereitschaft in Ihrer Fraktion, sich mit diesem Ansatz
useinander zu setzen, damit wir tatsächlich zu einer
rundlegenden Reform kommen können?
Bernd Scheelen (SPD):
Herr Kollege Pinkwart, Sie haben im Prinzip das
DI/VCI-Modell übernommen und noch ein paar Ele-
ente angefügt. Das ändert aber nichts an den Aussagen,
ie ich gerade zu den Auswirkungen dieses Modells ge-
ätigt habe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gerda
Hasselfeldt [CDU/CSU]: Stimmt doch über-
haupt nicht!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4789
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Bernd Scheelen
Jetzt sage ich noch einen Satz zu dem, was wir vorha-
ben: Wir wollen, dass die Gewerbesteuer modernisiert
wird. Ich wende mich entschieden gegen die Behaup-
tung, dass das, was wir da vorschlagen, einer Substanz-
besteuerung gleichkommt. Das ist eine infame Lüge. Es
geht im Prinzip darum, diejenigen Unternehmen, die
– das beklagen Sie ja auch permanent – Möglichkeiten
zur Gestaltung ihrer steuerlichen Belastungen haben,
nämlich die großen Konzerne, und die keine Gewerbe-
steuer mehr zahlen, dazu zu zwingen, wieder ihren Bei-
trag zur kommunalen Infrastruktur zu leisten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wir können nicht akzeptieren, dass sich Großunterneh-
men aus der Finanzierung der Gemeinden verabschie-
den. Das verhindert das Modell, das wir Ihnen vorschla-
gen. Es geht nicht um eine weitere Belastung des
Mittelstandes, ganz im Gegenteil: Der wird durch Frei-
beträge und eine entsprechende Gestaltung von solchen
Belastungen freigestellt. Es geht also um die großen
Konzerne, denn es ist auch eine Frage der sozialen Ge-
rechtigkeit, ob Großkonzerne ihren Beitrag für das Ge-
meinwesen leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition,
ist aufgrund der Wahlentscheidungen in den Bundeslän-
dern Verantwortung zugewachsen. Nehmen Sie diese
Verantwortung wahr! Hören Sie auf Ihre Kommunalpoli-
tiker vor Ort! Unterstützen Sie unser Kommunalmodell
und tragen Sie dazu bei, dass wir dieses Jahr eine ver-
nünftige und anständige Reform hinbekommen, die zum
1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/1247 und 15/1217 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sache 15/1321 mit dem Titel „Eckpunkte für eine umfas-
sende Gemeindefinanzreform“: Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? – Der
Antrag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-
nommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
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und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung
Dritte Verordnung zur Änderung der Ver-
packungsverordnung
– Drucksachen 15/1179, 15/1272 Nr. 2.1,
15/1343 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gerd Friedrich Bollmann
Werner Wittlich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Birgit Homburger
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger,
Dr. Christian Eberl, Daniel Bahr (Münster), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Ökologisch sinnvolle und effiziente Alternati-
ven zum Zwangspfand auf Getränkeverpa-
ckungen
– Drucksachen 15/315, 15/729 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gerd Friedrich Bollmann
Werner Wittlich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Birgit Homburger
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
ollege Gerd Friedrich Bollmann von der SPD-Fraktion
as Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die die-
er Debatte nicht folgen wollen, bitte ich, den Saal zu
erlassen, damit sich die anderen auf die Rede konzen-
ieren können. Bitte schön, Herr Bollmann.
Gerd Friedrich Bollmann (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
iebe Kollegen! Es liegt sicherlich im Interesse aller Be-
roffenen, dass wir die Verpackungsverordnung zügig
nd abschließend regeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ich denke, dass mir alle hier im Hause zustimmen,
enn ich sage, dass die jetzt geltende Pfandregelung
nübersichtlich ist und dringend verbessert werden
uss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
CDU/CSU – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]:
Ja, dem können wir zustimmen!)
4790 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Gerd Friedrich Bollmann
Wir haben uns intensiv mit diesem Thema befasst. Vor
zwei Tagen fand dazu im Umweltausschuss eine öffent-
liche Anhörung statt. Unsere Meinung zur Novelle der
Verpackungsverordnung wurde dabei bestätigt: Die Neu-
regelung stärkt Mehrwegsysteme und ökologisch vor-
teilhafte Getränkeverpackungen.
(Birgit Homburger [FDP]: Wer hat das denn
gesagt?)
Sie bringt Klarheit für Verbraucher und größere Pla-
nungs- und Investitionssicherheit für die betroffenen
Wirtschaftszweige.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Die Umweltschutzverbände, das Umweltbundes-
amt, das Institut für Energie- und Umweltforschung
und die Verbraucherzentralen bewerten die Novelle
positiv. Der Bundesverband mittelständischer Privat-
brauereien sprach, bezogen auf das Pfand, von einer Er-
folgsstory und sprach sich aus ökologischen und ökono-
mischen Gründen für die von uns vorgeschlagene
Neuregelung aus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg
Tauss [SPD]: Und gegen Stoiber!)
Es gibt natürlich auch Kritik an der Novelle, aber
selbst die Kritiker müssen zugeben, dass das Pfand
schon jetzt eine Lenkungswirkung in Richtung Mehr-
weg ausübt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: Unser
Ziel ist es, Abfall zu vermeiden und speziell bei den Ge-
tränkeverpackungen Mehrwegsysteme und ökologisch
vorteilhafte Verpackungen zu fördern.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Dieses Ziel wird auch von den Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes unterstützt. Nach einer Forsa-
Umfrage vom 11. und 12. Juni halten 75 Prozent der Be-
fragten ein Pfand auf Einwegflaschen und Dosen grund-
sätzlich für richtig. 70 Prozent der Befragten sind jedoch
mit der gegenwärtigen Umsetzung der Verpackungsver-
ordnung weniger oder überhaupt nicht zufrieden. Un-
übersichtliche Regelungen, fehlende Rückgabemöglich-
keiten, die Verweigerung eines Teiles des Handels und
die Meinung der Bürger beweisen die dringende Not-
wendigkeit einer raschen Neuregelung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was würde passieren, wenn diese Novelle scheitert?
(Jörg Tauss [SPD]: Eine Katastrophe!)
Dann würde die jetzige Pfandregelung mit all ihrer Un-
übersichtlichkeit und der ökologisch wenig sinnvollen
Unterscheidung nach Getränkesegmenten weiter gelten.
Weiterhin gäbe es zum Beispiel die absurde Regelung,
dass nur auf Mineralwasser mit Kohlensäure Pfand erho-
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en wird, nicht jedoch auf Mineralwasser ohne Kohlen-
äure. Diese ökologisch und ökonomisch nicht nachvoll-
iehbare Regelung stammt aus der Zeit, in der sich die
amalige Bundesumweltministerin Angela Merkel in-
nsiv mit dieser Thematik beschäftigt hat.
(Horst Kubatschka [SPD]: Das hat man da-
von!)
Aber es würde sogar noch schlimmer kommen. Nach
er jetzigen Regelung müsste demnächst Pfand auf
ein,
(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar
nicht!)
ilch und möglicherweise auch auf Fruchtsäfte erhoben
erden, egal in welchen Verpackungen sie angeboten
erden.
(Birgit Homburger [FDP]: Stimmt überhaupt
nicht!)
as bedeutet, es gäbe auch Pfand auf Getränkekartons,
lso auf Verpackungen, die nach den Ergebnissen der
kobilanzen genauso umweltverträglich wie Mehrweg-
ysteme sind.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das könnten
Sie doch gar nicht durchhalten!)
Die Konsequenz wäre eine weitere Verunsicherung
er Verbraucher, eine fehlende Planungs- und Investiti-
nssicherheit für die Verpackungs- und Getränkeherstel-
er und vor allem eine weitere Schwächung ökologisch
orteilhafter Verpackungen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
ll dies zeigt, dass die Neuregelung unbedingt notwen-
ig ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Merkel hat
ich in der gestrigen Debatte zur Regierungserklärung
n, wie ich finde, kurioser Form zum Dosenpfand geäu-
ert.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Ganz hervorra-
gend! Das war sehr stark!)
ie hat von „hirnrissigen Vorschlägen“ und „Schwach-
inn, der keine Grenzen kennt“ gesprochen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Werner Wittlich
[CDU/CSU]: Das ist das, was Sie hier erzäh-
len!)
ch würde diese Begriffe nicht verwenden. Aber wenn
rau Merkel dies tut, dann hat sie wohl bereits verges-
en, dass es sich genau um jenen Unsinn handelt, an dem
ie als zuständige Ministerin mitgewirkt hat und den wir
un durch die dringend notwendige Novelle korrigieren
ollen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Werner Wittlich [CDU/
CSU]: Wie kann man mir so einen Käse erzäh-
len? Das schreit ja zum Himmel, so einen
Schwachsinn zu erzählen!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4791
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Gerd Friedrich Bollmann
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heute zu verab-
schiedende Novelle beruht auf den Eckpunkten, die das
Bundesumweltministerium mit den Umweltministern
von Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Nordrhein-Westfalen abgesprochen hat.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das ist ja wie-
der eine Unterstellung!)
Dieser Kompromiss mit Vertretern des Bundesrates vom
16. Februar dieses Jahres ist die Grundlage; ich hoffe,
dass wir auf dieser Basis auch im Bundesrat zu einer
schnellen Einigung kommen werden.
Meine Damen und Herren von der Union, ich denke,
Sie akzeptieren ebenfalls das Pflichtpfand für alle Ein-
weggetränkeverpackungen. Neben wenigen kleinen Än-
derungen fordern Sie jedoch insbesondere die Einfüh-
rung einer automatischen Innovationsklausel. Einen
solchen Automatismus lehnen wir ab. Politische Ent-
scheidungen muss das Parlament treffen.
Die Anhörung im Umweltausschuss hat deutlich ge-
macht, dass ein Innovationsautomatismus nicht sinnvoll
und auch nicht notwendig ist. Herr Professor Troge, Prä-
sident des Bundesumweltamtes, stellte eindeutig fest,
Ökobilanzen seien ein Hilfsmittel für die politische Ent-
scheidungsfindung, könnten aber die politische Entschei-
dung, welche Verpackungen umweltverträglich sind,
nicht ersetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Tanja Gönner [CDU/CSU]:
Sie haben es nicht kapiert!)
Insbesondere die Bewertung der Kriterien ist eine politi-
sche Entscheidung.
Herr Professor Troge erläuterte in der vorgestrigen
Anhörung des Umweltausschusses des Weiteren, dass er
den in der Novelle vorgesehenen Weg zur Prüfung der
Umweltverträglichkeit für sinnvoll und praktikabel
hält. Jeder Produzent einer Getränkeverpackung kann
eine Ökobilanzstudie durchführen lassen; diese wird
vom Umweltbundesamt geprüft. Die Untersuchung nach
internationalen Normen dauert zwischen drei und sechs
Monate. Anschließend ist eine schnelle Entscheidung
über die ökologische Vorteilhaftigkeit und damit die
Pfandbefreiung durch den Verordnungsgeber möglich.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Jahre hat das
doch bisher gedauert! Sie wissen gar nicht,
wovon Sie reden!)
Ebenso sprach sich das Institut für Energie- und Um-
weltforschung gegen einen Innovationsautomatismus
aus. Es wies darauf hin, dass die Komplexität und die
Vielzahl der zu beachtenden und sich auch verändernden
Kriterien einen Automatismus nicht zuließen. Darüber
hinaus müssten bei der Entscheidungsfindung auch wei-
tere Informationen, beispielsweise ökonomische und so-
ziale Aspekte, berücksichtigt werden.
Diese Argumente der Sachverständigen bestärken un-
sere Position. Eine Innovationsklausel ohne Beteiligung
des Parlaments an der Entscheidungsfindung lehnen wir
als undemokratisch ab.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Tanja Gönner [CDU/CSU]:
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Dann nehmen Sie doch mal ein Verfahren mit
Beteiligung! Sie haben doch noch nie darüber
nachgedacht!)
rotz dieser unterschiedlichen Standpunkte halte ich
ine schnelle Einigung im Bundesrat für möglich.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Alles, was Ih-
nen nicht passt, ist undemokratisch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Novelle der
undesregierung ist eine gute Lösung. Sie setzt unser
mweltpolitisches Ziel der Abfallvermeidung und der
örderung von Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften
etränkeverpackungen in sinnvoller Weise um. Sie
chafft eine für den Verbraucher übersichtliche Lösung.
icht zuletzt sorgt sie für Planungs- und Investitionssi-
herheit bei den Getränke- und Verpackungsherstellern.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dieser
weckmäßigen und notwendigen Novelle zuzustimmen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Peter Paziorek von
er CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/
SU-Bundestagsfraktion bekennt sich in der Umwelt-
olitik zu der Idee der Kreislaufwirtschaft. Die Ver-
ackungsverordnung, die unser damaliger Bundes-
mweltminister, Professor Töpfer, initiiert hat, hat in der
evölkerung zu einem umweltbewussten Verhalten ge-
ührt. Wir sind stolz auf dieses Ergebnis christlich-de-
okratischer Umweltpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Hier geht es heute nicht um die Frage, ob das, was da-
als richtig initiiert worden ist, weiter aufrechterhalten
erden soll. Heute geht es nur darum, ob die von Ihnen
orgelegte Novelle zur Verpackungsverordnung den
eutigen und modernen Anforderungen der Umweltpoli-
ik gerecht wird. Wir sagen Ihnen schon jetzt: Das ist lei-
er nicht der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Bollmann, eines muss ich klarstellen: Sie haben
n Ihrer Rede Frau Merkel die Verantwortung für die jet-
ige Fassung der Verpackungsverordnung zugewiesen,
bwohl nach Ihrer Ansicht – so haben Sie ausgeführt –
eue, moderne Ökobilanzen einen Novellierungsbedarf
rfordern. Sie kennen aber nicht die Vorgeschichte. Zur
eit von Frau Merkel gab es eine Ökobilanz, und zwar in
achen Schlauchbeutel. Frau Merkel hat diese Öko-
ilanz 1997 in ihrem Novellierungsentwurf aufgegriffen.
998 ist diese Novelle beschlossen worden.
4792 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Dr. Peter Paziorek
Die heute in Rede stehenden Veränderungen der Ver-
packungsverordnung, zum Beispiel zur Kartonverpa-
ckung, sind durch Ökobilanzen erforderlich geworden,
die erst nach 1998 eingereicht und teilweise erst im Jahre
2000 bewertet worden sind. Da war Frau Merkel nicht
mehr Umweltministerin; da war Herr Trittin Umwelt-
minister.
(Zuruf von der CDU/CSU: Leider! – Zuruf des
Bundesministers Jürgen Trittin)
– Herr Minister, es ist nicht üblich, von der Regierungs-
bank Zwischenrufe zu machen. – Wie kommen Sie dazu,
Frau Merkel einen solchen Zeitablauf in die Schuhe zu
schieben? Was Sie vorgetragen haben, war falsch. Die
Vorwürfe gehen völlig fehl.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Eines muss man ebenfalls festhalten: Wir hatten am
Mittwoch eine Anhörung. Das Beratungsverfahren zu
dieser Verpackungsverordnung ist erst heute Morgen im
Umweltausschuss abgeschlossen worden. Dies ist ein
völlig ungewöhnliches und hektisches Verfahren. Ich
sage deutlich: Ein solches hektisches Verfahren werden
wir in Zukunft nicht mehr akzeptieren. Das hat über-
haupt nichts mit einem ordentlichen Beratungsgang hier
im Parlament zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die Folgen dieses überstürzten Verfahrens sieht man
deutlich – dies spiegelt sich im vorliegenden Entwurf
wider –:
Erstens. Diese Verordnung ist rechtlich nicht durch-
dacht.
Zweitens. Sie ist kompliziert und bürokratisch.
Drittens. Sie setzen – das ist unser Hauptvorwurf – tech-
nologisch das falsche Signal. Ihre Verpackungsverord-
nung wirkt innovationsfeindlich; denn sie erschwert un-
nötigerweise die Entwicklung ökologisch günstiger
neuer Verpackungen. Das muss immer das Ziel einer
modernen Umweltpolitik sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Die Anhörung hat ergeben, dass europarechtlich noch
viele Fragen offen sind, zum Beispiel: Kann diese Ver-
ordnung überhaupt mit dem Binnenmarkt konform ge-
hen? Die neuesten Äußerungen von Frau Wallström am
vorgestrigen Tage im Europaparlament deuten darauf
hin, dass die ganze Angelegenheit für die EU noch nicht
erledigt ist.
In der Beratung des Umweltausschusses ist die Frage
aufgeworfen worden, ob ein zentraler Begriff dieser Ver-
ordnung, die „ökologische Vorteilhaftigkeit“, überhaupt
ein Begriff ist, der weiteren Gerichtsverfahren in
Deutschland standhalten wird. Von Sachverständigen ist
die Frage aufgeworfen worden, ob unter dem Gesichts-
punkt der Belastbarkeit dieser Verordnung nicht der Be-
griff „ökologisch gleichwertig“ sinnvoller ist. Warum
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aben wir nicht die Zeit, über solche Fragen hier im Ple-
um in Ruhe zu diskutieren?
Es gab ja große Bedenken von Sachverständigen hin-
ichtlich der Frage, ob die jetzt bestehenden Einwegglas-
ysteme tatsächlich kostengünstig fortgeführt werden
önnen. Welche Auswirkungen hat Ihre Verpackungs-
erordnung auf Recyclingverfahren, auf mittelständi-
che Strukturen in diesem Bereich? Das alles sind
unkte, die wir gerne erörtert hätten, die aber leider auf-
rund der Hektik nicht ausdiskutiert werden konnten.
Ein Sachverständiger hat gesagt, dass nun auch beim
engenstromnachweis große bürokratische Verfahren
ntwickelt werden müssen. Er hat uns in der Anhörung
argelegt, welche bürokratischen Konsequenzen sich
araus entwickeln. All das, Herr Bollmann, wischen Sie
eute mit einer Bewegung vom Tisch. Ich kann dazu nur
agen: Sie zeigen damit, dass Sie aufgrund der hekti-
chen Beratung nicht zu den Kardinalproblemen dieser
erpackungsverordnung gekommen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu-
ruf von der CDU/CSU: Das ist undemokra-
tisch!)
Nun zu dem Hauptvorwurf – Sie haben ihn in der Tat
orrekt beschrieben – in der politischen Diskussion der
etzten Tage: Es geht um die Frage, ob eine Innova-
ionsklausel eingeführt werden soll oder nicht. Ich will
uf den politischen Kern der Auseinandersetzung zu-
ückkommen. An der Frage, ob eine Innovationsklausel
ingeführt werden soll oder nicht, kann man nämlich
lar und deutlich den Unterschied zwischen rot-grüner
nd christlich-demokratischer Umweltpolitik erkennen.
ir wollen in der Umweltpolitik nicht nur kontrollieren,
ondern wir wollen durch eine moderne Gestaltung des
mweltrechts Innovationen anregen und wollen an die
irtschaft Signale senden, dass wir für die Einführung
euer Verpackungsmaterialien offen sind. Wir wollen
amit deutlich machen, dass die Umweltpolitik Anreize
etzen muss und dass sie nicht nur mit Verboten arbeiten
arf.
Sie setzen auf Kontrolle. Sie setzen beispielsweise auf
angwierige Beratungen im Deutschen Bundestag über
ie Frage, ob eine neue Verpackung demokratisch legiti-
iert werden kann. Ich habe Verständnis dafür, dass das
egitimitätsgebot in vielen Bereichen unseres Verfas-
ungsstaates einen hohen Rang hat. Aber dass dieses Le-
itimitätsgebot entscheidend dafür sein soll, ob eine
eue Form der Kartonverpakkung nun eingeführt wer-
en soll oder nicht, erschließt sich mir unter keinen Um-
tänden. Ich glaube, das gilt auch für die gesamte CDU/
SU-Bundestagsfraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Haben Sie denn den Zeitplan des Beratungsverfah-
ens im Griff, wenn das UBA, wie Sie vorschlagen, nach
echs Monaten mit der ökologischen Bewertung fertig
st und wenn das BMU schätzungsweise in zwei Mona-
en seinen Stempel darunter setzt? Wie lange wollen Sie
m Plenum über diese Fragen beraten? Wir haben doch
ber den Karton als Verpackung diskutiert. Die entspre-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4793
(A) )
(B) )
Dr. Peter Paziorek
chende Ökobilanz wurde schon im Jahr 2000 erstellt.
Aber erst jetzt, im Jahr 2003, diskutieren wir darüber, ob
diese Verpackungsform als ökologisch vorteilhaft aner-
kannt werden kann. Daran sieht man, dass es notwendig
ist, eine Innovationsklausel einzuführen, die klare Ver-
fahrensbestimmungen kennt und in der genaue Fristen
enthalten sind. Das ist das Signal an die Wirtschaft, dass
wir Anregungen für neue Schritte auf dem Gebiet der
Umweltpolitik geben wollen. Das muss unser Ziel sein.
Deswegen fordern wir Sie auf: Sagen Sie Ja zu einer In-
novationsklausel im Rahmen der Beratungen über den
Entwurf einer Verpackungsverordnung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es ist in den Beratungen des Ausschusses immer wie-
der angedeutet worden – dass will ich zum Schluss klar
sagen –, dass wir Einvernehmen erzielt haben. Sie be-
haupten jetzt aber – das war ein Diskussionspunkt –,
dass die Union von diesem Einvernehmen abrücken will.
Ich sage deutlich – Herr Minister, Sie nicken –: Von die-
ser Regelung will bei der Union niemand abrücken.
Ich habe eine Presseerklärung des baden-württember-
gischen Umweltministers vorliegen, die direkt nach dem
Gespräch am 16. Februar veröffentlicht wurde. In dieser
Presseerklärung vom 17. Februar heißt es unter der
Überschrift „Öffnungsklausel für zukünftig ökologisch
vorteilhafte Getränkeverpackungen“:
Dieses Anliegen ist den unionsregierten Ländern
besonders wichtig, um umweltverträgliche Verpa-
ckungsinnovationen anzuregen und in einer vorher-
sehbaren Weise sie „als Belohnung“ aus der Pfand-
pflicht zu entlassen
Niemand kann jetzt mehr behaupten, dass nicht schon
im Februar dieses Thema Gegenstand der Erörterung
war. Deshalb sage ich: Geben Sie sich einen Ruck!
Kommen Sie unserer Forderung nach, diese Innova-
tionsklausel einzuführen! Ich glaube, dann werden wir
eine breite parlamentarische Mehrheit für einen solchen
Novellierungsentwurf bekommen.
Heute muss ich leider sagen, dass wir diesen Entwurf
nur ablehnen können, weil ein zentraler Punkt unserer
Forderungen nicht aufgegriffen worden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU:
Sehr überzeugend!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Vogel-Sperl
vom Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Über wenige Themen ist in den vergangenen
Jahren und Monaten so kontrovers und intensiv disku-
tiert worden wie über das Thema Dosenpfand. Auch in
dieser Legislaturperiode haben wir uns bereits mehrfach
im Plenum des Bundestages und im Umweltausschuss
mit diesem Thema beschäftigt. Nach einer Meldung der
„Zeit“ vom 18. Juni hat es kaum eine Frage – abgesehen
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on der Auseinandersetzung über die Agenda 2010 – so
ft in die Schlagzeilen geschafft wie die Diskussion um
ie Dose.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ch habe aufmerksam zugehört und muss feststellen:
urch ständiges Wiederholen werden Ihre Argumente
eder besser noch richtiger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Tanja Gönner [CDU/CSU]:
Ihre aber auch nicht!)
ch frage mich zudem, ob wir am Mittwoch auf der glei-
hen Veranstaltung waren.
(Tanja Gönner [CDU/CSU]: Das fragen wir
uns allerdings auch!)
ie Anhörung im Umweltausschuss am Mittwoch hat ge-
eigt: Das Pfand auf Einwegverpackungen ist ein verhält-
ismäßiges, praktikables und ökologisch sinnvolles In-
trument, um den Mehrweg nachhaltig zu stärken. Damit
rägt das Pfand dem im Kreislaufwirtschafts- und Ab-
allgesetz verankerten Grundsatz Rechnung, Abfall zu
ermeiden. Dies wird vom Umweltbundesamt bestätigt.
ehr noch: Von Herrn Professor Dr. Troge wurde bei der
nhörung weiter ausgeführt, dass die Pfandregelung im
ergleich zu einem Lizenzmodell oder einer Abgabenlö-
ung das geeignetste und verhältnismäßigste Mittel sei,
m Mehrweg zu schützen. Außerdem ist das Pfand ein
eeignetes Mittel, Verpackungen zurückzunehmen und
inem anspruchsvollen Recycling zuzuführen.
Es wird immer wieder behauptet, das Pfand führe zu
inem Abbau von Arbeitsplätzen. Wenn ich mir die
ressemeldungen der vergangenen Tage anschaue, ergibt
ich für mich ein anderes Bild. So war im „General-An-
eiger“ vom 26. Juni zu lesen, dass eine Großbrauerei
ie Becks trotz des Dosenpfandes beim Umsatz zulegen
onnte. Der Konzern Thyssen-Krupp Stahl investiert
ach Meldung der „Westfälischen Rundschau“ vom
7. Juni sogar 100 Millionen Euro in die Weißblechher-
tellung für Getränkedosen in Andernach.
Meine Damen und Herren, die Anhörung hat gezeigt:
ie Pfandpflicht ist eine Maßnahme, die Arbeitslätze si-
hert und neue schafft,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN und der SPD – Tanja Gönner
[CDU/CSU]: Und „Brau und Brunnen“ schließt
Brauereien!)
rbeitsplätze im arbeitsintensiven Mehrwegbereich, Ar-
eitsplätze bei den mittelständischen Unternehmen, die
ich auf die Vorgaben der Politik verlassen und auf
ehrweg gesetzt haben.
Im Bereich der mittelständischen Getränke- und
rauereibetriebe sind seit der Einführung des Pfandes
irca 10 000 neue Arbeitsplätze entstanden
(Tanja Gönner [CDU/CSU]: Es gibt keine
Zahlen, die das belegen!)
nd damit vor allem regionale Kreisläufe gestärkt wor-
en.
4794 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
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Dr. Antje Vogel-Sperl
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP,
mit Ihrem immer wieder vorgetragenen Argument, das
Pfand vernichte Arbeitsplätze, ignorieren Sie den Mittel-
stand und seine Bedeutung für unsere Wirtschaft. Sie
lassen sich vor den Karren der Einweglobby spannen,
die sich ohne eine nachhaltige Ausrichtung nur an kurz-
fristigen ökonomischen Zielen orientiert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Die Novelle macht die Pfandpflicht für die Verbrau-
cher verständlicher und gibt der Wirtschaft Rechts- und
Investitionssicherheit.
(Tanja Gönner [CDU/CSU]: Genau! Europa-
recht lässt grüßen!)
Die Pfandpflicht wird zukünftig nicht mehr von Quoten
abhängig sein. Hersteller, Abfüller und Vertreiber wer-
den wissen, welche Verpackungen auch mittel- und lang-
fristig pfandpflichtig sind, ohne kohlensäurehaltige und
kohlensäurefreie Getränke unterscheiden zu müssen.
Das Ziel der Verordnung, den Mehrweganteil über
72 Prozent zu halten und damit Abfälle zu vermeiden,
wird seit 1997 eben nicht mehr erreicht. Ohne das Pfand
würde Mehrweg genauso endgültig aus den Regalen ver-
schwinden wie in den Nachbarländern, die kein Einweg-
pfand haben. Dem wirkt die Einführung des Pfandes
– zur Überraschung seiner Kritiker – ganz entschieden
entgegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zur Förderung von Innovationen bedarf es auch kei-
ner so genannten Innovationsklausel. Sie ist rechtlich
auf der Grundlage des bestehenden Kreislaufwirtschafts-
und Abfallgesetzes nicht möglich, sie ist politisch nicht
akzeptabel und sie ist auch nicht notwendig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Eine Entscheidung durch den Verordnungsgeber mit Be-
teiligung des Parlaments ist erforderlich, weil die Entschei-
dung über die Pfandpflicht für eine Verpackungsart von er-
heblicher Tragweite ist und eine solche Entscheidung nicht
an Experten delegiert werden darf. Eine Ökobilanz ist nun
einmal keine schlichte Rechenaufgabe. Der Beurteilung
einer Ökobilanz müssen notwendigerweise politische
Wertungen zugrunde gelegt werden. Dies wurde auch
von, ich betone: allen Sachverständigen bei der Anhö-
rung des Umweltausschusses bestätigt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/
CSU]: Da gibt es auch keine Bedenken! –
Tanja Gönner [CDU/CSU]: Legen Sie was
vor!)
Einen Ökobilanzautomatismus kann es deshalb nicht
geben. Vielmehr müssen bei politischen Entscheidungen
über die Pfandpflicht von Verpackungen auch weitere
Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Mit ei-
nem Automatismus würden wir als Fachpolitiker uns
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elbst die Fähigkeit absprechen, eine solche Entschei-
ung verantwortungsvoll zu treffen.
Eine Innovationsklausel ist ohnehin nicht notwendig,
eil eine Anpassung an neue Erkenntnisse durch eine
erordnungsänderung durchaus kurzfristig möglich ist.
ies ist von Herrn Professor Dr. Troge bei der Anhörung
usdrücklich bestätigt worden. Mir stellt sich zudem die
rage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union:
enn Sie so für Innovationen sind, warum haben Sie
ann eigentlich 2001 unserem Gesetzentwurf nicht zuge-
timmt?
(Tanja Gönner [CDU/CSU]: Da gab es sie
auch nicht! Hätte es sie gegeben, hätten wir ja
eine Formulierung!)
Hinsichtlich Ihrer Forderung nach einem einheitli-
hen Pfand in Höhe von 25 Cent begrüße ich, dass die
5 Cent immerhin schon akzeptiert werden. Aber das
ach Volumen differenzierte Pfand hat der damalige
mweltminister Klaus Töpfer aus gutem Grund vorge-
ehen. Das Pfand soll schließlich in einem angemesse-
en Verhältnis zum Preis des gesamten Gebindes stehen.
ie zwei Pfandsätze sind außerdem in der Handhabung
nproblematisch, genauso wie die unterschiedlichen
fandhöhen beim Mehrweg.
Dies gilt im Übrigen auch für die Rücknahme von
artyfässern. Wir haben heute früh in der Ausschusssit-
ung von Herrn Professor Troge gehört, dass außerdem
er Materialeinsatz für diese Fässer deutlich höher ist,
ls wenn die gleiche Menge in Dosen abgefüllt würde.
ine ökologische Rechtfertigung für eine „Lex Party-
ass“ gibt es also nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Werner
Wittlich [CDU/CSU]: Natürlich gibt es die!)
Nach Schätzungen der Verbraucherzentralen verblei-
en durch nicht zurückgegebene Einwegverpackungen
erzeit monatlich circa 80 Millionen Euro beim Handel.
inzu kommen zusätzlich noch einmal circa 330 Millio-
en Euro an eingesparten Lizenzgebühren, die nicht an
as DSD entrichtet werden müssen. Die Finanzierung
ines einheitlichen Rücknahmesystems ist also entgegen
llen Behauptungen keine außergewöhnliche Belastung
ür Handel und Industrie. Auch dies ist ein Ergebnis un-
erer Anhörung in Umweltausschuss.
Lassen Sie mich zum Schluss eine Bemerkung ma-
hen, die über die Diskussion um das Pfand hinausgeht.
it ihrem Wortbruch haben Teile von Handel und Ge-
ränkeindustrie einen Schaden angerichtet, der weit über
en Tag hinaus reichen wird. Denn das Ansehen eines
ichtigen Instruments der Umweltpolitik, nämlich das
er freiwilligen Selbstverpflichtung, ist dadurch von der
irtschaft selbst erheblich beschädigt worden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ch fordere Sie auf, Ihre Zustimmung zu der Novelle
icht zu verweigern, damit wir das Thema Verpackungs-
echtsnovelle im Sinne einer nachhaltigen Wirtschafts-,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4795
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Dr. Antje Vogel-Sperl
Verbraucher- und Umweltpolitik endlich abschließen
können.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
der FDP-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU)
Birgit Homburger (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über das Thema Zwangspfand haben wir schon vielfach
diskutiert. Dabei ist klar geworden, dass wir eine umfas-
sende Novelle der Verpackungsverordnung brauchen.
Diese kleine Novelle, die heute hier vorgelegt worden
ist, ist nichts anderes als Flickschusterei.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Der Zeitablauf bei diesem Vorhaben zeigt, Herr Mi-
nister Trittin, mit welcher Arroganz Sie mit dem Parla-
ment umgehen: Im Februar haben Sie bestimmte Verab-
redungen getroffen. Sie haben sich dann vier Monate
Zeit gelassen, um die Verordnung in den Deutschen
Bundestag einzubringen. Anschließend wird der Deut-
sche Bundestag gezwungen, diese Verordnung innerhalb
von anderthalb Wochen im Schweinsgalopp durch das
Parlament zu peitschen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Das, Herr Trittin, ist die Arroganz der Macht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, ich
verstehe nicht, warum Sie sich von Minister Trittin so
missbrauchen lassen. Bei Ihnen besteht genauso wie bei
uns noch Beratungsbedarf. Ich kann nicht verstehen, wie
man so vorgehen kann: Es wird eine Anhörung angesetzt
und obwohl dort mehr Fragen aufgeworfen als beant-
wortet werden, schließt man das Ganze anschließend ab.
Obwohl die Verordnung im Ausschuss nicht mehr ver-
nünftig beraten wird, bringt man sie hier ein. Es wird
mehr und mehr zu einem peinlichen rot-grünen Mario-
nettentheater.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Ulrich Kelber [SPD]: Inhalte!)
Ich will Ihnen einige zentrale Punkte nennen. Zu-
nächst zur Frage des Rücknahmesystems. Hier soll es
so genannte Insellösungen geben. Diese sind europa-
rechtlich aber höchst fragwürdig.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)
Die EU-Kommission hat in ihrem Schreiben an das
BMU kürzlich klar gemacht, dass ein nicht bundesweites
Rücknahmesystem wettbewerbsrechtliche Fragen auf-
wirft und nicht akzeptabel sei.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genauso ist
es!)
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iese Grundsatzeinwände gelten nicht nur für die Über-
angslösung. Das hat auch die Anhörung deutlich ge-
acht. Deswegen sage ich Ihnen: Das Zwangspfand
ird europarechtlich keinen Bestand haben.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
In der Diskussion wird angeführt, dass es einen Trend
um Mehrweg gebe. Das ist im Moment sicherlich rich-
ig. Aber klar ist auch, dass dieser Trend einzig und al-
ein aus dem aktuellen Rücknahmechaos resultiert.
(Ulrich Heinrich [FDP]: So ist es!)
enn Rücknahmesysteme erst einmal etabliert sind,
ann wird sich dieser Trend umkehren. Dann werden
ich die großen Handelsketten für ein System entschei-
en, und zwar für das, das sie einfacher handhaben kön-
en. Wenn erst einmal Rücknahmeautomaten aufgestellt
ind, dann müssen sie sich auch rentieren, weil sie Geld
ekostet haben. Dann werden sie das Mehrwegsystem
auerhaft gefährden. Deswegen ist diese Novelle ökolo-
ischer und ökonomischer Unsinn.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt
haben Sie es uns aber gegeben!)
Wir haben zwischenzeitlich auch eine parteiübergrei-
ende Einigung darüber erzielt, dass die Trennlinie nicht
ehr zwischen Einweg und Mehrweg verläuft, sondern
ufgrund aktueller Ökobilanzen, neuer wissenschaftli-
her Erkenntnisse und technologischer Entwicklungen
wischen ökologisch sinnvollen und ökologisch nicht
innvollen Verpackungen. Wenn das allerdings so ist,
ann frage ich mich, warum Sie in dieser Novelle nach
ie vor nicht nur eine Quote ökologisch sinnvoller Ver-
ackungen, sondern auch noch zusätzlich eine Mehr-
egquote erheben wollen, obwohl sich daran keine
echtsfolge knüpft. Das, meine Damen und Herren von
ot-Grün, ist bürokratischer Wahnsinn.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Das Zwangspfand
st unsozial. Wenn Sie immer von Nachhaltigkeit reden,
ann sollten Sie sich die Dinge klar anschauen. Die Kol-
egin von den Grünen hat gerade von Arbeitsplätzen ge-
prochen. Ich empfehle dringend, dass man beim Mehr-
eg nicht nur auf die eine Seite schaut, sondern dass man
uch auf die andere Seite schaut. Wenn man das tut – das
aben wir in der Anhörung getan –, dann wird man mer-
en – das haben uns die Sachverständigen bestätigt –,
ass es netto zu einem Arbeitsplatzverlust in Deutsch-
and kommt. Deswegen ist das, was Sie machen, unso-
ial.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Das
stimmt nicht! Ich weiß nicht, bei welcher An-
hörung Sie waren!)
Sie haben ja bereits die Rede des Kollegen Paziorek
ehört, der völlig zu Recht etwas zur Innovations-
lausel gesagt hat. Diese neue Zwangspfandregelung ist
nnovationsfeindlich. Er hat das alles erklärt. Ich sage
4796 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
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Birgit Homburger
Ihnen klar: So schafft man keine Investitionssicherheit
und schon gar nicht, wenn man weiß, dass das Ganze am
1. Oktober 2003 umgesetzt sein soll, der Bundesrat sich
aber erst am 26. September 2003, also vier Tage vorher,
damit beschäftigen kann. Das hat doch mit Investitions-
sicherheit nichts, aber auch gar nichts zu tun.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wieder diese
Hektik!)
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Das Risiko
irreversibler ökologischer, ökonomischer und sozialer
Fehlsteuerungen ist zu groß. Die FDP hat Ihnen mit den
Abfülllizenzen eine Alternative vorgelegt. Ich fordere
Sie, Herr Trittin, auf: Nutzen Sie Ihre Chance! Setzen
Sie dieses Zwangspfand aus und machen Sie mit uns ge-
meinsam eine ökologisch, ökonomisch und sozial sinn-
volle und verträgliche Regelung!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Ulrike Mehl [SPD]: Wer hat denn diese Rege-
lung erfunden, Frau Kollegin?)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Michael Müller von der
SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Michael Müller (Düsseldorf) (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn
man die Debatte über das Töpfer-Pfand von Anfang an
verfolgt hat – ich war seit Ende der 80er-Jahre immer
dabei –, dann kann man nur zu folgendem Ergebnis
kommen: Immer wenn es darum ging, einen wichtigen
Gedanken umzusetzen – in diesem Fall war es der Ge-
danke der Stoffwirtschaft, der dahinter stand –, dann
haben Sie verwässert, verzögert und verhindert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/
CSU]: Das ist doch nicht wahr!)
Immer wieder war es die gleiche Geschichte; ich meine
jetzt niemanden persönlich, aber es war Ihre Fraktion.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Deswegen
machen Sie jetzt Ihre Novelle!)
Die große Idee – wir haben damals in einer Enquete-
Kommission und vielen anderen Gremien darüber disku-
tiert – war die Verbindung von Ökonomie und Ökologie
über die stoffliche Seite. Das war die Idee von Klaus
Töpfer. Er hat sich schon damals nicht durchsetzen kön-
nen, weil die FDP – sprich: der Handel – dagegen war.
(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, das war eine
Frage des Systems!)
Der ursprüngliche Ansatz ist nicht durchgekommen. Da-
nach haben Sie ein anderes Modell entwickelt.
Ich kann das übrigens auch deshalb sagen, weil ich
viele Kritikpunkte, die Sie heute vorbringen, damals vor-
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ebracht habe. Wir sind damals in einer Weise von Ihnen
ritisiert worden, die unerträglich war. Ich will Ihnen das
eute noch einmal sagen; Sie können das in den alten
rotokollen nachlesen. Jetzt stellen Sie sich hier mit ei-
er Chuzpe hin, als ob die Verpackungsverordnung, die
eute vorliegt, keine Vorgeschichte hätte, die Sie zu ver-
ntworten haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
as ist das denn überhaupt für eine Logik, wenn sich die
randstifter auf einmal sozusagen als Feuerwehrleute
ufspielen? Das ist doch die Wahrheit in dieser Sache.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/
CSU]: Jetzt brennt bei Ihnen was durch! –
Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen
die gesamte Geschichte sehen!)
enn es darum ging, bei der Verpackungsverordnung
erbesserungen zu erreichen, haben Sie immer wieder
rgumente dafür gefunden, diese Verbesserungen nicht
uzulassen. Das war die ganze Geschichte der Ver-
ackungsverordnung.
(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Sie sind am
Ende völlig durchgeknallt!)
Im Gegensatz zu Ihnen war ich immer dabei. Weil es
us meiner Sicht um eine ganz wichtige Frage geht,
ürde ich an Ihrer Stelle ein wenig mehr Selbstkritik
ben. Das würde Sie glaubwürdiger machen.
Lieber Herr Paziorek, das was Frau Merkel hier ge-
agt hat, hatte mit der Innovationsklausel, über die wir
urchaus reden können,
(Tanja Gönner [CDU/CSU]: Aha!)
ichts zu tun.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Aber natür-
lich!)
Entschuldigung, aber Sie hören anscheinend nicht zu.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Doch, im-
mer!)
s geht um die Frage, ob man eine automatische Innova-
ionsklausel einführt oder ob man die Innovationsförde-
ung auf einem anderen Weg betreibt.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Darüber
müssen wir uns jetzt unterhalten! – Tanja
Gönner [CDU/CSU]: Eben, Sie haben aber
nichts vorgelegt!)
as ist ein politischer Unterschied. Sie machen daraus
ber einen Streit und sagen, dass wir auf diesem Feld ge-
en Innovationen sind. Um es einmal klar zu sagen: Da-
on hat hier niemand geredet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Tanja Gönner [CDU/CSU]:
Haben Sie etwas vorgelegt oder haben Sie
nicht?)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4797
(A) )
(B) )
Michael Müller (Düsseldorf)
Ich habe den Eindruck, dass Sie hier nicht ganz sauber
sind.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: In der Argu-
mentation, meinen Sie!)
Ich erinnere an die Kritik von Frau Merkel in der ges-
trigen Debatte. Sie hatte überhaupt nichts mit der Innova-
tionsklausel zu tun. Es war stattdessen ein reines Lächer-
lichmachen des Instruments der Verpackungsverordnung
und ihrer eigenen Arbeit als Umweltministerin. Das ist
die Wahrheit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/
CSU]: Nein! – Tanja Gönner [CDU/CSU]: Sie
hat nicht von dieser Verpackungsverordnung
gesprochen!)
Ich sage das aber auch aus einem anderen Grund, weil
es in dieser Diskussion aus meiner Sicht zwei zentrale
Punkte gibt, die wir gemeinsam nicht hinnehmen kön-
nen:
Erster Punkt. Als die Verpackungsverordnung ent-
standen ist, hat eine große Mehrheit der Bevölkerung
Umweltpolitik mit Abfallpolitik gleichgesetzt. Abfallpo-
litik war in jener Zeit mit großem Abstand das Thema
Nummer eins in der Umweltpolitik. Weil es nicht nur um
die Abfallpolitik, sondern auch um das ökologische
Selbstverständnis unserer Politik geht, müssen wir jetzt
ein gemeinsames Interesse haben. Wir können es nicht
zulassen, dass die Abfallpolitik lächerlich gemacht wird.
So wie die Diskussion im Augenblick von Ihnen geführt
wird, kann man sie nicht mehr als ernsthaft bezeichnen.
Es handelt sich um den Versuch, ein Instrument lächer-
lich zu machen. Das geht nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ich komme zum zweiten Punkt, der weit über diese
Diskussion hinausgeht: Anfang der 90er-Jahre ist die
Quote nach intensiven Verhandlungen mit der Wirt-
schaft und dem Handel festgelegt worden. Viele von de-
nen waren bei mir und haben gesagt: Diese Quote ist in
Ordnung, das machen wir mit. – Sofort als die Quote
1997 unterschritten wurde, hat die Wirtschaft alles ge-
tan, um das Gesetz dann doch nicht in Kraft treten zu
lassen.
Wer dieser Strategie der Wirtschaft durch sein eigenes
Verhalten auch noch Vorschub leistet, der macht jede
Möglichkeit einer seriösen Absprache kaputt. Das kön-
nen wir nicht wollen. Wenn wir uns bei einer Sache an-
fänglich auf ein Konsensprinzip einigen – wie gesagt,
das Ganze geschah damals zunächst gegen unseren Wi-
derstand –, dann muss das Konsensprinzip auch gelten,
wenn es ernst wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Tanja Gönner [CDU/CSU]:
Dann müssen doch auch Vorschläge gemacht
werden, Herr Müller!)
Dann darf nicht so getrickst werden, wie es jetzt getan
wird.
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Ich sage das übrigens auch in Ihrem Interesse. Neh-
en Sie an, Sie würden jetzt die Regierung stellen und
hr Partner würde ein Gesetz, das gemeinsam verab-
chiedet wurde, derart infrage stellen. Dann müssten
uch Sie das mit aller Macht kritisieren. Das tun Sie lei-
er nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter
Paziorek [CDU/CSU]: Doch! Wir haben im-
mer gesagt, dass Gesetze eingehalten werden
müssen!)
Ja, vielleicht im zehnten oder zwölften Nebensatz. Ich
abe aber keine klare Ansage von Ihnen gehört, in der
ieses Verhalten des Handels und der Wirtschaft massiv
ritisiert worden ist. Wir müssen es aber aus Gründen
er Glaubwürdigkeit unserer Umweltpolitik kritisieren.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Natürlich
müssen Gesetze eingehalten werden!)
Lassen Sie mich einen letzten Satz zur Innovations-
lausel sagen: Bei der Innovationspolitik geht es eben
icht nur um eine technische Frage. In der ganzen Dis-
ussion über die Abfallpolitik haben wir nicht nur die
eite der Wirtschaft zu sehen, sondern wir müssen auch
as Bewusstsein, das Handeln und die Motive der Men-
chen berücksichtigen, die sich engagieren. Mit der Be-
auptung von Innovationen, die zum Teil auf diesem Ge-
iet zustande kamen, wurde auch Schindluder getrieben;
as war so. Zum Teil wurden Dinge als ökologisch be-
eichnet, die das nicht waren.
Deshalb bleibt es dabei – das entspricht übrigens mei-
em Selbstverständnis –: In einer solch wichtigen Frage
uss das Parlament natürlich ein Mitspracherecht ha-
en. Wieso auch nicht? Technik ist nicht wertneutral, sie
t politisch zu bewerten.
Wir haben eine große Bitte: Bei allen Unterschieden,
ie wir haben, sollten Sie das Instrument offensiv vertei-
igen und zeigen, dass es ein Teil der gemeinsamen Ge-
chichte des Bundestages ist.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Natürlich!
Habe ich ja gesagt!)
nstrumentalisieren Sie die Debatte bitte nicht mit offen-
ichtlichen Stammtischparolen oder aufgrund einer po-
ulistischen Sucht nach der schnellen Überschrift!
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das habe ich
doch nicht getan!)
as hilft uns allen nicht, es schadet uns nur.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Werner Wittlich von
er CDU/CSU-Fraktion.
Werner Wittlich (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ver-
hrter Herr Kollege Müller, die Verpackungsverordnung
4798 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Werner Wittlich
von Klaus Töpfer wird in den meisten Teilen ihrem An-
spruch, Deponienotstand und Müllbergen – eine Ent-
wicklung, die Sie kennen – entgegenzuwirken, gerecht.
In dieser Hinsicht ist sie sehr erfolgreich gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Einzige, was wir wollen, ist, die technischen Ent-
wicklungen im innovativen Bereich dem Verbraucher-
verhalten ein Stück anzupassen. Ich denke, dies ist un-
sere Aufgabe als Gesetzgeber.
Werden Minister dafür bezahlt, dass sie die Bürger
vorsätzlich ärgern und schikanieren? Wenn dem so
wäre, hätte Umweltminister Trittin
– „der grüne Pfand-Rambo“ –
eine Gehaltserhöhung verdient.
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Nicht
das schon wieder!)
So titelte die „Bild“-Zeitung am 4. Juni. Die Zustim-
mung in der Bevölkerung zum Dosenpfand ist drastisch
eingebrochen. Laut einer jüngst veröffentlichten Um-
frage des Bielefelder Marktforschungsinstituts Valid Re-
search sprechen sich nur noch 52 Prozent der Befragten
für das Pfand aus, 45 Prozent sind dagegen, 3 Prozent
machen keine Angaben. Vor einem Jahr, also noch vor
Pfandstart, waren noch 77 Prozent der Befragten für das
Zwangspfand und 20 Prozent dagegen.
Aus Sicht der Union stehen wir vor einer Reihe unge-
löster Probleme: Handel und Wirtschaft wollen sich ver-
ständlicherweise nicht mit der bestehenden Rechts-
unsicherheit abfinden. Für die meisten Einzelhändler,
insbesondere für mittelständische Lebensmittelkaufleute
und Kioske, ist der Einstieg in ein bundeseinheitliches
Pfandsystem zum 1. Oktober unmöglich geworden.
Wenn Herr Trittin hier mit Bußgeldern droht, müssten
diese Händler den Verkauf von Einwegflaschen und Do-
sen ganz einstellen. Es stellt sich die Frage, ob dadurch
aus der Pfandpflicht nicht ein indirektes Verbot für Ein-
weg wird. Damit steht uns ein neuer Streit mit der EU-
Kommission ins Haus. Um dies zu verschleiern, singt
jetzt der Bundesumweltminister ein öffentliches Loblied
auf die Discounter, die ganz auf Einweg setzen und ein
eigenes Rücknahmesystem aufbauen. Es ist fraglich, ob
und inwieweit diese Insellösungen mit dem Europarecht
vereinbar sind. Im Übrigen sind 95 Prozent aller impor-
tierten Getränke in Einweg verpackt. Ich frage mich,
Herr Minister Trittin: Wie wollen Sie diese Verpackun-
gen in die Pfandpflicht einbeziehen?
Viele mittelständische Betriebe, besonders Getränke-
und Verpackungshersteller, sind in ihrer Existenz be-
droht. Einige Brauereien haben bei Einwegverpackungen
Rückgänge zwischen 60 und 70 Prozent zu verkraften.
Dieser Einbruch wird nur zum Teil wieder im Mehrweg-
geschäft aufgefangen. Insgesamt ist der Bierabsatz in
Deutschland in den ersten fünf Monaten um rund
7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Seit
Anfang dieses Jahres sind nachweisbar 3 500 Arbeits-
plätze verloren gegangen. Langfristig drohen die Schlie-
ßung von 2 000 Unternehmen, darunter vor allem
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ioske, und der Verlust von weiteren 10 000 Arbeits-
lätzen.
Wir haben in den vergangenen Tagen eine selten da
ewesene Missachtung des Parlamentes erleben kön-
en.
(Beifall bei der CDU/CSU)
bwohl erst Ende August die Ergebnisse des von der
undesregierung in Auftrag gegebenen Gutachtens über
ie wirtschaftlichen Auswirkungen des Pflichtpfandes
orliegen, wurde die Verordnung noch vor der parlamen-
arischen Sommerpause durchgepeitscht. Wegen der ge-
etzlichen Fristen hatten die Gremien des Bundestages
aktisch nur zwei Wochen für die gesamten Beratungen
eit. Hierfür hagelte es sogar Kritik aus den Reihen der
egierungskoalition. Der Vorsitzende des Umweltaus-
chusses hat in einem Brief an den Bundesumweltminis-
er scharf kritisiert, dass wir als Parlament so sehr unter
ruck gesetzt wurden.
Am Mittwoch wurden die Beratungen im Umweltaus-
chuss nach nur 70 Minuten auf einen Geschäftsord-
ungsantrag der Grünen hin mit Zustimmung der SPD
bgebrochen. Viele unserer inhaltlichen Fragen waren zu
iesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet, zum Beispiel
ie gesamte Ausgestaltung von Ökobilanzen. Auch hier
urden die Informationsrechte des Parlamentes und der
pposition wieder einmal mit Füßen getreten.
Gerade die Grünen, die sich selbst immer als Partei
ür Demokratie und Minderheitenrechte bezeichnen, ha-
en deutlich gemacht, dass es sich dabei meistens nur
m Worthülsen handelt.
(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Lassen Sie die Kirche im Dorf!)
Sie haben gerade Grund, Frau Kollegin Hustedt, etwas
u sagen. Es ist eine Zumutung, heute kurz vor Beginn
er Debatte noch eine Ausschusssitzung anzusetzen, um
iesen Mangel zu heilen.
CDU und CSU halten die Einführung eines Pfandes
uf Einweggetränkeverpackungen nach wie vor für
rundsätzlich falsch. Da die Bundesregierung aber an
en bestehenden Regelungen festhalten will, müssen wir
ehen, wie wir das Beste aus der misslichen Situation
achen. Es ist wichtig, die Auswirkungen für Verbrau-
her, Wirtschaft und Handel so erträglich wie möglich zu
estalten.
Deshalb haben wir folgende vier Forderungen for-
uliert, an denen wir festhalten werden:
Erstens. Für Milchverpackungen muss ein Ausnah-
etatbestand geschaffen werden. Diese Forderung
urde zum Glück inzwischen in die Novelle aufgenom-
en.
Zweitens. Verpackungen ab 3 Liter dürfen nicht in die
fandpflicht einbezogen werden.
Drittens. Wir fordern ein einheitliches Pfand von
5 Cent.
Viertens. Es muss eine Innovationsklausel geschaffen
erden, in der die Voraussetzungen verbindlich festge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4799
(A) )
(B) )
Werner Wittlich
legt werden, unter denen die Freistellung von der Pfand-
pflicht gewährt werden soll. Die Anhörung am vergan-
genen Mittwoch hat gezeigt, dass die vorgelegte Novelle
beim Kriterium „ökologische Vorteilhaftigkeit“ viel zu
starr und unflexibel ist. Durch immer mehr technische
Neuerungen und Innovationen erhöht sich der Anpas-
sungsdruck. Die Innovationsklausel erlaubt es, ökolo-
gisch vorteilhafte Verpackungen in einem zügigen Prüf-
verfahren von der Pfandpflicht freizustellen.
Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich eindeutig zum
Schutz des Mehrweges.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)
Die jetzige Regelung ist aber eine Provokation für den
Verbraucher, weil sie ihn zur Kasse bittet, für die Geträn-
kehersteller, weil sie deren Absatz reduziert, und für den
Handel, weil sie ihm unnötige Kosten aufbürdet. Wir tra-
gen nur eine Novelle der Verpackungsverordnung mit,
die verbraucherfreundlich ist, die Rechtssicherheit
schafft und die Förderung ökologisch vorteilhafter Ver-
packungen klar und zukunftsweisend regelt. Wir fordern
deshalb eine Novelle der Verpackungsverordnung, die
unseren Anforderungen Rechnung trägt.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Franz Obermeier von
der CDU/CSU-Fraktion.
(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Jetzt kommt die dritte Variante einer
CDU/CSU-Position! – Silke Stokar von
Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
zum Thema Minderheitenschutz!)
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die un-
endliche Geschichte der Verpackungsverordnung geht in
eine neue Phase. Die nächste Phase wird Ende Septem-
ber dieses Jahres sein. Dann werden wir sehen, was von
dem, was heute vorliegt, noch übrig bleibt.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genau!)
Das Hauptproblem bei der ganzen Frage besteht für
meine Begriffe darin, dass landauf, landab so getan wird,
als wären Mehrwegverpackungen per se ökologisch
günstiger als Einwegverpackungen. In diesem Zusam-
menhang muss man darauf hinweisen, dass die Verpa-
ckungsverordnung von 1991 von einem Mengenziel in
Höhe von 72 Prozent ausgegangen ist. Wir müssen uns
darüber klar sein, dass das ein Mengenziel ist und kein
ökologisches Ziel. Daraus entwickeln wir unsere Forde-
rung nach der Innovationsklausel.
Diese Innovationsklausel hat natürlich ihren Sinn.
Denn von 1991 bis heute haben sich die technischen Vo-
raussetzungen in der Verpackungswirtschaft deutlich
verändert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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as sollten Sie, Herr Müller, zur Kenntnis nehmen,
enn Sie über diese Dinge sprechen.
Im Übrigen, Herr Müller, Sie reden über Kreislauf-
irtschaft und geschlossene Stoffströme usw. Wer hat
enn die Kreislaufwirtschaft eingeführt? Es war eine
DU/CSU-geführte Bundesregierung, die diese Dinge
ingeführt hat, und nicht eine SPD-geführte Regierung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei
der SPD)
hre Äußerungen, Herr Müller, haben uns deutlich vor
ugen geführt, dass Sie persönlich – wie auch der größte
eil der SPD-Fraktion – in Ihrer Denkweise der Ent-
icklung um zehn Jahre hinterherhinken.
(Lachen bei der SPD – Ulrike Mehl [SPD]:
Ausgerechnet Sie müssen das sagen!)
Ihrer Äußerung, das Unterschreiten der Quote habe
as In-Kraft-Treten des Gesetzes verhindert, ist die
rage entgegenzuhalten, warum die Quote nicht einge-
alten wurde. Sie wurde nämlich auch deswegen nicht
ingehalten, weil sich die technischen Voraussetzungen
ür die Verpackungsherstellung in diesen zehn Jahren
eutlich verändert haben.
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Aber
Herr Obermeier, das ist doch horrender Un-
sinn!)
Wenn man sich ein bisschen mit dieser Materie be-
asst, dann bekommt man das mit. Wenn man sich mit
iesem Thema befasst, erkennt man, dass das Mehrweg-
ystem durchaus sinnvoll ist
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Aber da-
rum ging es doch gar nicht! Es ging um die
Dosenflut!)
nd dass in bestimmten Fällen den technischen Innova-
ionen Rechnung getragen werden muss.
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Na klar!)
Deswegen fordern wir eine Innovationsklausel,
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]:
Dosenflut!)
ie rechtlich verlässlich ist, bestimmte Kriterien beinhal-
et und Bewertungsverfahren sowie die Intervalle, in de-
en die ökologische Überprüfung erfolgt, festlegt.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genau!)
olche Regelungen erwarten wir von der Verpackungs-
erordnung. Dann können Sie sich unserer Zustimmung
icher sein. Denn auch wir stehen im Prinzip zur Mehr-
egverpackung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber
[SPD]: Aber wenn es darauf ankommt?)
Ich möchte noch auf die volkswirtschaftlichen As-
ekte dieses Themas eingehen. Es gibt in Deutschland
in funktionierendes Verpackungsrücknahmesystem.
n keinem anderen Land werden so viele Verpackungs-
egenstände wieder eingesammelt und in den Stoffkreis-
uf zurückgeführt.
4800 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
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Franz Obermeier
Mit der vorgesehenen Novelle der Verpackungsver-
ordnung würde ein Parallelsystem eingeführt. Darüber
müssen wir uns alle im Klaren sein. Wir müssen den
Bürgerinnen und Bürgern auch mitteilen, dass die Ein-
führung eines solchen Parallelsystems mit zusätzlichen
Kosten verbunden ist.
(Ulrich Kelber [SPD]: Ihre Redezeit ist um!)
Auch was das Parallelsystem angeht, haben wir be-
reits technische Erfahrungen gesammelt. Der Stand der
Technik hat sich in den zurückliegenden Jahren auch in
diesem Bereich deutlich verändert.
Ich fordere Sie in diesem Sinne auf: Schließen Sie
sich der Innovationsklausel an!
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Legen Sie uns einen Vorschlag vor, mit dem wir uns be-
schäftigen können! Wir sind für Ihre Vorschläge offen.
Möglicherweise bekommt dann die Novelle der Verpa-
ckungsverordnung dank der CDU/CSU einen guten An-
strich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bevor wir zur Abstimmung kommen, erteile ich dem
Kollegen Josef Göppel das Wort zu einer persönlichen
Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung.
Josef Göppel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte
zu der Abstimmung folgende Erklärung abgeben: Ich bin
grundsätzlich für die Verordnung. Schon im Bayerischen
Landtag bin ich für die Pfandregelungen eingetreten, was
dann auch zu einem entsprechenden Beschluss geführt hat.
An der Aktion „Dosenfreie Zone“ haben sich zahlreiche
CSU-Politiker – darunter auch ich – beteiligt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Warten Sie, bevor Sie so applaudieren! Meine heutige
Gegenstimme bezieht sich auf die fehlende Präzisierung
des Verfahrens und der Inhalte,
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)
inwiefern – unabhängig von der jeweiligen Regierungs-
mehrheit in diesem Hause – neue Verpackungen als öko-
logisch vorteilhaft eingestuft werden können.
(Horst Kubatschka [SPD]: Herr Göppel, das ist
doch an den Haaren herbeigezogen! – Gegen-
ruf des Abg. Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]:
Herr Kubatschka, hören Sie doch bis zum
Ende zu!)
Ich rate dazu, in den nun folgenden Beratungen im
Bundesrat auf diese Vorschläge einzugehen, damit ein
konstruktives Ergebnis erzielt werden kann. Dann wird
eine Lösung zustande kommen, die von einer breiten
Mehrheit getragen wird. Die Messlatte dafür muss die
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eweils günstigste Mehrwegverpackung sein. Dann wird
s auch niemand mehr verhindern können, dass die Ver-
ackungen endlich überall in einem landesweiten Rück-
ahmesystem zurückgegeben werden können. Diese von
iner breiten Mehrheit getragene Lösung ist mein Ziel.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber
[SPD]: Dann müssen Sie sich aber wenigstens
enthalten!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
nd Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/1343 zu der
ritten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung
er Verpackungsverordnung. Der Ausschuss empfiehlt,
er Verordnung auf Drucksache 15/1179 zuzustimmen.
er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
ehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
egen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenom-
en.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/729 zu
em Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Ökolo-
isch sinnvolle und effiziente Alternativen zum Zwangs-
fand auf Getränkeverpackungen“. Der Ausschuss emp-
iehlt, den Antrag auf Drucksache 15/315 abzulehnen.
er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
timmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
st mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
timmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU ange-
ommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Anpassung von Dienst- und Versor-
gungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004
(Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpas-
sungsgesetz 2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004)
– Drucksachen 15/1186, 15/1223 –
(Erste Beratung 53. Sitzung)
– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
– Drucksache 15/1021 –
(Erste Beratung 53. Sitzung)
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innen-
ausschusses (4. Ausschuss)
– Drucksache 15/1347 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Clemens Binninger
Silke Stokar von Neuforn
Ernst Burgbacher
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4801
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus-
schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/1350 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
Klaus Hagemann
Anja Hajduk
Otto Fricke
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen je
ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
und der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das
Wort der Kollege Hans-Peter Kemper von der SPD-
Fraktion.
Hans-Peter Kemper (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bera-
ten heute in einer sehr schwierigen finanziellen Situation
über die Anpassung von Besoldung und Versorgung. Da-
bei geht es um folgende wesentliche Punkte:
Der erste Punkt betrifft die Übertragung der Ergeb-
nisse der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst auf
Besoldung und Versorgung. Seit langem gilt es als aus-
gemacht – das ist völlig unstrittig –, dass die Ergebnisse
der Tarifverhandlungen wirkungsgleich auf Besoldung
und Versorgung übertragen werden. Das haben unser In-
nenminister und die innenpolitischen Sprecher der Frak-
tionen sehr frühzeitig zugesagt. Daran werden wir uns
auch halten. Wir werden die Ergebnisse der Tarifver-
handlungen wirkungsgleich übertragen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/
CSU]: Da fehlt noch ein Wort!)
Lange Zeit galt es ebenso als ausgemacht, dass auch
der Kompensationsteil, der in den Tarifverhandlungen
für die Arbeiter und Angestellten vereinbart worden ist,
auf Besoldung und Versorgung übertragen werden sollte.
Das bedeutet selbst bei einer wirkungsgleichen Übertra-
gung eine zeitliche Verschiebung von exakt drei Mona-
ten.
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)
Ich möchte hier ein Wort an die Kolleginnen und Kolle-
gen der CDU/CSU richten, die in dieser Frage plötzlich
Bedenken bekommen haben.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Zu Recht!)
Sie kritisieren die Verschiebung als ungerecht, obwohl
gerade die unionsgeführten Bundesländer im Bundesrat
sehr viel Wert darauf gelegt und massiv darauf gedrun-
gen haben. Sie wollten weit über das hinausgehen, was
wir heute beschließen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Deshalb kön-
nen wir doch anderer Meinung sein!)
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atürlich kann man das anders machen. Aber Sie versu-
hen, sich hier einen schlanken Fuß zu machen. Sie sind
is zu einem gewissen Grad feige und unehrlich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
ch will Ihnen jetzt gar nicht vorhalten – darüber haben
ir ja in den letzten Legislaturperioden ausführlich dis-
utiert –, wie oft Sie in den letzten zehn Jahren eine zeit-
iche Verschiebung bei der Übertragung der Ergebnisse
er Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst auf Be-
oldung und Versorgung vorgenommen haben. Ich
laube, es war in den letzten zehn Jahren nicht ein Tarif-
bschluss dabei, dessen Übertragung Sie nicht zeitlich
der inhaltlich verschoben haben. Ich glaube, dass Sie
elbst von Ihrer heftigen Kritik an dem, was jetzt vorge-
chlagen worden ist, nicht überzeugt sind und dass Sie
icht ehrlich sind; denn auch Sie kennen die Fakten.
(Beifall bei der SPD)
Es geht des Weiteren um eine Öffnungsklausel – diese
aben die Länder im Bundesrat mit großer Mehrheit be-
chlossen –, die die Möglichkeit bietet, die Besoldungs-
npassung um weitere drei Monate zu verschieben. Die
nionsgeführten Länder waren hier übrigens vorneweg.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber auch
Nordrhein-Westfalen!)
Es stimmt, dass auch Nordrhein-Westfalen dabei war.
ch habe ja gesagt, dass die Länder diese Öffnungsklau-
el mit großer Mehrheit beschlossen haben.
Dem wollen wir jedenfalls nicht folgen. Wir wollen
s bei einer einmaligen Verschiebung um drei Monate
ls Kompensationslösung belassen; denn für eine wei-
ere Verschiebung gibt es keine überzeugende Begrün-
ung.
Bei den heutigen und auch bei allen künftigen Verände-
ungen gilt für uns im Hinblick auf die Beamten der
rundsatz: keine Privilegien, aber auch keine Sonderopfer.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
In öffentlichen Veranstaltungen und auch in den Me-
ien wird oft die Forderung erhoben, den öffentlichen
ienst stärker zur Kasse zu bitten. All diejenigen, die
lauben, man könne über das hier Vorliegende weit hi-
ausgehen, vergessen, dass in den Bereichen der Feuer-
ehr, der Polizei und der Justiz kaum Personen arbeiten,
ie nach A 13 bis B 11 besoldet werden; ihre Besol-
ungsstufe liegt vielmehr deutlich darunter. Diese Men-
chen leisten eine hervorragende, eine engagierte und oft
uch eine gefährliche Arbeit. Es wäre unfair, ihnen
urch eine Verschiebung zusätzliche Lasten aufzubür-
en.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Im Übrigen wäre es unfair und unrichtig, so zu tun,
ls ob die einzelnen Beamten die finanzielle Situation, in
er wir uns jetzt befinden, verursacht hätten. Wenn alle
bstriche machen müssen, dann kann man das auch von
4802 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Hans-Peter Kemper
den Beamten verlangen; das ist überhaupt keine Frage.
Sie sind dazu auch durchaus bereit. Die Beamten dürfen
allerdings nicht den Eindruck gewinnen, sie seien die
Prügelknaben oder die Sparschweine der Nation. Sie
dürfen zu Recht erwarten, dass sie für eine Leistung, die
sie unzweifelhaft erbringen, angemessen entlohnt wer-
den.
Wir wollen uns einer fast einhelligen Forderung nach
Öffnungsklauseln in Bezug auf das Weihnachtsgeld und
das Urlaubsgeld, also auf die jährlichen Sonderzuwen-
dungen, allerdings nicht verschließen. Die Länder benö-
tigen dringend Finanzspielräume. Im Übrigen sind wir
auf die Zustimmung des Bundesrats und damit der
Mehrheit der Länder angewiesen. Wir regeln die Zustän-
digkeiten neu. Es bleibt den Ländern überlassen, die
Spielräume, die wir ihnen einräumen, vernünftig zu nut-
zen. Auf der Bundesebene wird es in diesem Jahr weder
beim Urlaubsgeld noch beim Weihnachtsgeld Kürzun-
gen geben.
Die Länder haben ihr Vorgehen selbst zu verantwor-
ten. Wir raten, bei den Einschränkungen soziale Staffe-
lungen vorzunehmen; denn für die Angehörigen der un-
teren und mittleren Besoldungsgruppen wirken sich
Kürzungen beim Weihnachtsgeld ungleich härter als bei
den Spitzenverdienern aus. Wir werden die Angleichung
der Löhne und Gehälter in Ost und West vorantreiben.
Die in den Tarifverhandlungen in dieser Hinsicht erziel-
ten Ergebnisse werden wir übernehmen.
Wir haben es im Grundsatz mit zwei Gesetzesvorha-
ben zu tun: zum einen mit der Übernahme des Tarifer-
gebnisses, zum anderen mit strukturellen Veränderun-
gen. Da diese Gesetzesvorhaben inhaltlich und zeitlich
sehr eng verknüpft sind und da sie von den Betroffenen
als Einheit gesehen werden – die Beamtinnen und Beam-
ten werden die Auswirkungen, ob negative oder positive,
auf jeden Fall auf ihrem Gehaltszettel bemerken –, ha-
ben wir sie zu einem Gesetzesvorhaben zusammenge-
fügt.
Ich weiß, dass die geplanten Regelungen weder bei
den Beamten noch bei ihren Berufsorganisationen
Freude auslösen. Wenn wir einen leistungsstarken öf-
fentlichen Dienst und die langfristige Bezahlbarkeit von
Besoldung und Versorgung sichern wollen, dann gibt es
aber keinen anderen Weg.
Uns allen – da spreche ich fraktionsübergreifend – ist
aber auch klar, dass es mit ständigen Korrekturen an Be-
soldung und Versorgung allein nicht getan ist, sondern
dass wir langfristig strukturelle Veränderungen vor-
nehmen müssen; deswegen haben wir vereinbart, nach
der Sommerpause eine Anhörung mit einer ausführli-
chen Beratung über strukturelle Veränderungen des öf-
fentlichen Dienstes durchzuführen. Ich denke, wir wer-
den an einem Strang ziehen, um die Zukunft des
öffentlichen Dienstes zu sichern und den Leistungen der
Beamten gerecht zu werden.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang
osbach.
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen
olleginnen und Kollegen wird es heute nicht leicht fal-
en, dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines
esetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
uzustimmen. Mir geht es dabei nicht anders. Es waren
erade die Bundesländer, die Anfang der 70er-Jahre den
undesweiten Besoldungswirrwarr durch eine Verein-
eitlichung des Besoldungsrechts im Bund und in den
ändern beenden wollten. Dieses richtige Anliegen
ührte 1971 zu einer entsprechenden Änderung des
rundgesetzes.
Nunmehr wollen die Länder durch die Einführung so
enannter Öffnungsklauseln zumindest in einem Teilbe-
eich die Besoldungsautonomie für ihre Bediensteten
urückgewinnen. Das hätte zur Folge, dass sich die Be-
mtenbesoldung wieder ganz unterschiedlich entwickeln
ann und sicherlich auch unterschiedlich entwickeln
ird – je nach Finanzkraft der Länder und des Bundes.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich die Bundes-
änder die Initiative Berlins, auch Öffnungsklauseln für
ie Grundgehälter einzuführen, nicht zu Eigen gemacht
aben, sodass zumindest die Besoldungsordnungen im
ern bestehen bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt nach wie vor viele gute Gründe für die Beibe-
altung der Einheitlichkeit der Besoldung. Aber nicht
ur der Bundeshaushalt, sondern auch die Etats von Län-
ern und Kommunen befinden sich aufgrund der anhal-
end hohen Arbeitslosigkeit und wegen der wegbrechen-
en Steuereinnahmen auf allen Ebenen in einem
atastrophalen Zustand – eine Folge der Politik dieser
undesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]:
Herr Bosbach, Sie wissen es doch besser!)
a der Personalkostenanteil in den Etats der Länder und
ommunen wesentlich höher ist als in dem Etat des
undes, ist es verständlich, dass die Länder Gestal-
ungsspielräume zurückgewinnen wollen, nicht nur bei
er Besoldung der Beamten, sondern auch im Tarif-
ereich, zumal von den 4,8 Millionen Staatsdienern nur
,8 Millionen Beamtinnen und Beamte, aber 3 Millionen
rbeiter und Angestellte sind, deren Bezahlung nicht
ir als Gesetzgeber, sondern die Tarifvertragsparteien
estlegen. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass insbe-
ondere die Personalkosten, aber auch die Versorgungs-
ufwendungen gerade die Länder und Kommunen vor
roße Herausforderungen stellen und ihre politischen
estaltungsspielräume einschränken. Diese Probleme
ird man dauerhaft nicht durch Öffnungsklauseln lösen
önnen,
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4803
(A) )
(B) )
Wolfgang Bosbach
sondern nur dadurch, dass sich der Staat endlich wieder
auf seine Kernaufgaben konzentriert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Zahl der
Beamten vermehrt sich nicht von selbst. Kein Beamter
sitzt auf einer Stelle, die er selbst geschaffen hat. Es ist
die Politik, die massenweise Gesetze, Rechtsverordnun-
gen und Erlasse fabriziert, die anschließend von der Bü-
rokratie exekutiert werden müssen. Abends wundern wir
uns, warum wir so viel Personal haben. Allein in der
letzten Wahlperiode sind auf der Bundesebene 382 Ge-
setze und 1 361 Rechtsverordnungen in Kraft getreten.
Allein auf der Bundesebene gibt es heute 5 328 Gesetze
und Rechtsverordnungen mit insgesamt 86 000 einzel-
nen Vorschriften.
Wir leben in einer Zeit gravierender Veränderungen.
Wir haben einen großen Reformbedarf. Das gilt auch
für den öffentlichen Dienst. Das wissen übrigens die Be-
troffenen selbst am besten. Wir haben bereits in der Ver-
gangenheit – das gilt noch für unsere Regierungszeit und
das gilt für die Regierungszeit dieser Koalition – eine
Fülle von notwendigen und zum Teil überfälligen Refor-
men in Gang gesetzt. Aber wir können nicht gleichzeitig
ständig neue staatliche Aufgaben definieren, neue Büro-
kratie aufbauen und uns anschließend wundern, dass wir
eine so große Bürokratie haben. Das heißt: Reformbe-
dürftig ist auch unser eigenes Tun als Gesetzgeber.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Einen schlanken Staat und eine schlanke Verwaltung
werden wir nicht mit mehr Gesetzen schaffen, sondern
nur mit Deregulierung und mit Entbürokratisierung,
nicht zuletzt mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern, ganz gleich, ob es Beamte, Arbeiter oder An-
gestellte sind.
In diesem Sinne bitten wir um eine breite Unterstüt-
zung unseres Entschließungsantrags. Wirklich jeder in
diesem Haus kann ihn unterstützen. Auch die Mitarbei-
ter des öffentlichen Dienstes haben einen Anspruch da-
rauf, dass nicht nur der jeweilige Dienstherr, sondern
auch und insbesondere die Politik fair und gerecht mit
ihnen umgeht.
Ich danke für das Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Silke Stokar.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Bundesregierung – das muss an dieser Stelle noch ein-
mal gesagt werden – ist nicht von sich aus tätig gewor-
den. Es war der einmütige Wunsch der Länder, eine Öff-
nungsklausel einzuführen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch ein-
mal daran erinnern, dass der Antrag der rot-grünen Bun-
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esregierung auf umfangreiche Reformen in der
4. Wahlperiode von den Ländern abgelehnt wurde. Wir
ehen heute, wie groß der Bedarf ist, hier tätig zu wer-
en.
Es hat mich schon etwas überrascht, dass die Länder
etzt in der Frage einer zeit- und wirkungsgleichen
bertragung der Tarifvereinbarung, nachdem sie ja
inmütig die Verantwortung für diese mit übernommen
aben, die Haltung der Bundesregierung kritisieren. Die
on den Ländern geforderte Verschiebung der Übertra-
ung um weitere drei Monate kann, wie ich denke, nicht
kzeptiert werden. Ich war mir mit meinem Kollegen
on der SPD sehr schnell darüber einig; deshalb haben
ir uns auch nicht bei den Finanzministern rückversi-
hert, die in diesen Fragen ja immer ein gewichtiges
ort mitsprechen, als wir gesagt haben, dass es nicht an-
ehen kann, dass die Länder die Finanzierung einer Ta-
ifvereinbarung, für die auch sie die Verantwortung tra-
en, einseitig den Beamten und Beamtinnen sowie
ersorgungsempfängern aufzubürden versuchen. Des-
alb tragen wir die weitere Verzögerung der Übertra-
ung der Tarifvereinbarung nicht mit.
Nachdem hier Berlin so häufig kritisiert worden ist,
öchte ich es einmal loben. Ich finde, dass die Vereinba-
ung, die die Stadt Berlin jetzt in einer extrem schwieri-
en Finanzsituation in der Frage der notwendigen Perso-
aleinsparungen und der Eröffnung von Perspektiven für
en öffentlichen Dienst mit den Gewerkschaften getrof-
en hat, vorbildlich ist. Ich wünsche mir, dass wir auch
uf Bundesebene diesen Weg einschlagen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen, dass ich
ie unangemessene Kritik, die in der Vergangenheit an
en Gewerkschaften und auch am Deutschen Beamten-
und geübt wurde, nicht teile. Bei den weiteren Diskus-
ionen um die Zukunft des öffentlichen Dienstes und
nsbesondere bei den Verhandlungen über strukturelle
eformen wünsche ich mir starke Gewerkschaften als
leichwertigen Partner; denn gerade das Beispiel Berlin
at deutlich gemacht, dass man mit den Gewerkschaften
urchaus zu einer vernünftigen Einigung kommen kann.
Es ist von meinem Kollegen Herrn Kemper schon gesagt
orden, dass wir im Innenausschuss entschieden haben,
ach vorne zu gehen. Wir werden gleich nach der Sommer-
ause eine Anhörung zu strukturellen Reformen im öf-
entlichen Dienst durchführen.
(Georg Brunnhuber [CDU/CSU]: Aber auch
zur Besoldung!)
ir brauchen das Rad hier nicht neu zu erfinden. Herr
lement hat damals in Nordrhein-Westfalen eine Kom-
ission eingesetzt, die heutige Bull-Kommission. Hier
ind sehr gute Vorschläge für umfangreiche Reformen
rarbeitet worden. Sie berühren ja nicht nur das Beam-
enrecht, sondern wir brauchen – das wissen Sie alle –
uch im BAT-Bereich Reformen. Wir werden hier auch
ie Frage einbeziehen müssen, welche Staatsaufgaben
ir wie erledigen wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
bschluss kommen: Ich gehöre zu den Leuten, die der
uffassung sind, dass wir einen hoch qualifizierten
4804 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Silke Stokar von Neuforn
öffentlichen Dienst in Deutschland brauchen. Die Erledi-
gung von Aufgaben durch Staatsbedienstete möchte ich
nicht, wie es in Äußerungen vonseiten der CDU/CSU
anklang, auf Kernaufgaben reduzieren. Diese müssten
ja auch erst einmal definiert werden. Außerdem ist mit
dem Schlagwort Reduzierung auf Kernaufgaben immer
Privatisierung verbunden. Damit geht eine schlechte Er-
ledigung von Staatsaufgaben einher. Das haben wir bei
den Kommunen erlebt, die den Weg der Privatisierung
gegangen sind. Ich möchte, dass die Staatsaufgaben auch
von Staatsbediensteten erledigt werden. Die Staatsbe-
diensteten haben dann natürlich auch einen Anspruch
darauf, für die ihnen zukommenden Aufgaben gut aus-
gebildet und leistungsgerecht bezahlt zu werden.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Burgbacher.
Ernst Burgbacher (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich mit einer Bemerkung zum Verfahren
beginnen: Am Dienstag haben wir in etwa stündlicher
Abfolge Änderungsanträge sowie Änderungen zu den
Änderungsanträgen bekommen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Leider wahr!)
Ich halte ein solches Verfahren für nicht in Ordnung. Die
von der FDP beantragte Anhörung ist abgelehnt worden.
Ich sage Ihnen: Solch wichtige Gesetze ohne eine Anhö-
rung, dafür aber mit ständig neuen Änderungsanträgen,
die keiner mehr lesen konnte, zu verabschieden, ent-
spricht nicht einem seriösen Gesetzgebungsverfahren.
Unsere Beamten haben jedoch ein Recht auf ein seriöses
Verfahren.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Heute haben wir wieder die Begriffe „zeit- und wir-
kungsgleich“, „inhalts- und wirkungsgleich“ sowie
„zeit- und inhaltsgleich“ gehört. Man kann sie fast belie-
big kombinieren. Herr Kemper, Sie haben von wirkungs-
gleich gesprochen, Frau Stokar hat von zeit- und wir-
kungsgleich gesprochen. In Bad Kissingen wurde von
allen gesagt: Wir verbürgen uns für eine zeit- und
wirkungsgleiche Umsetzung der besoldungsrechtlichen
Vorschriften.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dazu haben
wir einen Antrag gestellt!)
Das ist nicht geschehen und auch das ist nicht in Ord-
nung.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wurde
damals – auch von uns – als zu hoch bewertet. Die Ver-
handlungsführer – auch Sie, Herr Minister – sind dann
eingeknickt. Ich halte es nicht für richtig, an dieser Stelle
zu sparen und zu sagen, dass die Beamten drei Monate
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änger auf die Besoldungserhöhung warten müssen. Das
erletzt den Gleichklang von Tarif und Besoldung. Da-
ei werden wir nicht mitmachen. Wir sprechen uns dezi-
iert gegen eine Besoldung nach Kassenlage aus. Des-
alb werden wir als FDP dem Teil des Gesetzentwurfes
icht zustimmen.
(Beifall bei der FDP)
Lassen Sie mich – ich glaube, damit spreche ich das
anze Haus hier an – noch eines deutlich machen: Wir alle
wir Innenpolitiker sowieso – tragen eine große Verant-
ortung dafür, dass wir einen öffentlichen Dienst von
oher Qualität haben. Zu einem öffentlichen Dienst von
oher Qualität gehören die entsprechenden Beamten und
ngestellten. Deshalb können wir nicht zusehen, wie die
eamtenbesoldung sozusagen als Steinbruch für den Fi-
anzminister verwendet wird.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
ir dürfen übrigens auch nicht zusehen, wie – das be-
rifft weniger die Innenpolitiker, aber viele andere – po-
ulistisch auf den Beamten herumgehackt wird. Sonst
erden wir im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte – das
etrifft auch die Beamten – den Kürzeren ziehen. Das
ürfen wir gerade als Innenpolitiker nicht zulassen.
(Beifall bei der FDP)
Wir können deshalb nicht den Weg der ständigen
orrekturen an der Besoldung gehen. Vielmehr muss die
ffentliche Verwaltung auf die Kernaufgaben konzen-
riert werden und darüber müssen Einsparungen erreicht
erden.
(Beifall bei der FDP)
Lassen Sie mich angesichts der Kürze der Zeit nur
och zwei Bemerkungen zu den Öffnungsklauseln ma-
hen. Wir halten diese für den falschen Weg. Deshalb
aben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt. Wir
itten Sie herzlichst, diesen intensiv zu beraten. Wir
chlagen vor, das Besoldungsrecht zu modernisieren,
em Dienstherrn mehr Freiheiten für eine sachgerechte
ezahlung einzuräumen, Sonderzuwendungen in die Ta-
ellen einzubauen und die Besoldungstabellen neu zuzu-
chneiden, um mehr Luft zu bekommen, um einerseits
ehr auf den Arbeitsmarkt reagieren zu können und an-
ererseits eine stärkere Leistungsbezahlung zu verwirk-
ichen. Deswegen werden wir dem Konzept der Öff-
ungsklauseln nicht zustimmen.
Wir fordern eine seriöse Gesetzgebung. Wir fordern,
ie öffentlichen Aufgaben auf den Kern zu konzentrie-
en, aber nicht ständig an der Besoldung etwas zu än-
ern. Wir fordern vor allem, für unsere Beamten einzu-
tehen. Wir haben hoch motivierte, gute Beamte. Das
ollte man hier betonen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister des In-
ern, Otto Schily.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4805
(A) )
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Otto Schily, Bundesminister des Innern:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Burgbacher, Sie müssen schon bei der Wahrheit
bleiben: Durch diesen Gesetzentwurf wird, wie Herr
Kollege Kemper es hier bekräftigt hat, der Tarifab-
schluss bei der Beamtenbesoldung in der Tat wirkungs-
und inhaltsgleich umgesetzt.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aber nicht
zeitgleich!)
Ich halte also die Zusage ein, die ich in Potsdam gegeben
habe.
Durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung ist
sichergestellt, dass auch die Beamten, Richter und Solda-
ten sowie Versorgungsempfänger ungeachtet der beste-
henden schwierigen Rahmenbedingungen an der allge-
meinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Ich bin
übrigens der Meinung, dass Kritik, die aus der freien Wirt-
schaft gekommen ist, angesichts der Tarifabschlüsse in
der freien Wirtschaft in jeder Weise ungerechtfertigt ist.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der
FDP)
Im Tarifbereich werden die Dienst- und Versorgungs-
bezüge für die Beamten, Richter und Soldaten in drei
Schritten linear um insgesamt 4,4 Prozent angehoben
und die tariflich vereinbarten Einmalzahlungen übertra-
gen. Der Gesetzentwurf enthält übrigens auch eine so-
ziale Komponente: Die ganz oberen Einkommensklas-
sen der Minister und Staatssekretäre nehmen an der
Erhöhung nicht teil, werden allerdings an den Kürzun-
gen teilzunehmen haben. Auch dies darf man an dieser
Stelle ruhig einmal erwähnen.
Selbstverständlich müssen auch die im Tarifrecht ver-
einbarten Entlastungsmaßnahmen wirkungsgleich über-
tragen werden, Herr Kollege Burgbacher. Sie sind un-
trennbarer Bestandteil des Tarifabschlusses. Die
Verschiebung der Erhöhungszeitpunkte um jeweils
drei Monate ist in ihrer Wirkung – das haben wir genau
berechnet – mit den Entlastungsmaßnahmen des Tarifab-
schlusses vergleichbar. Für die Beamtinnen und Beam-
ten ist dies eine angemessene und gerechte Lösung.
Der Vorwurf aus den Reihen der Opposition, der Ge-
setzentwurf fordere von den Beamtinnen und Beamten
Sonderopfer, weshalb die dreimonatige Verschiebung
zurückzunehmen sei, ist einigermaßen bizarr.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Was?)
Wenn die präzise Übertragung nicht nur der tariflichen
Verbesserungen, sondern auch der tariflichen Kompen-
sationen ein Sonderopfer sein soll, dann frage ich Sie,
wie der Antrag des Bundesrates zu verstehen ist, der mit
der Mehrheit der von CDU bzw. CSU und FDP regierten
Länder zustande gekommen ist und in dem verlangt
wird, die Verschiebung um drei Monate auf insgesamt
sechs Monate zu verlängern. Dazu müssen Sie sich ein-
mal äußern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/
CSU]: Das lehnen wir ab!)
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Sie verfangen sich hier einmal mehr in Ihren Wider-
prüchen. Im Bundestag wollen Sie sich als Schutz-
atrone der Beamtinnen und Beamten aufspielen und
ordern allerlei Wohltaten; im Bundesrat beschließen Sie
as genaue Gegenteil. Das passt nicht zusammen. Ir-
endwann müssen Sie sich einmal sortieren.
(Beifall bei der SPD)
nderenfalls muss ich auf den schönen alten Spruch von
arl Valentin zurückkommen: Mögen hätten Sie schon
ollen, aber dürfen haben Sie sich nicht getraut. Dies ist
eine gute Regel für die Politik.
Meine Damen und Herren, im zweiten Teil des Ge-
etzentwurfs wird eine begrenzte Öffnung des Besol-
ungsrechts beim Weihnachts- und Urlaubsgeld vorge-
ommen. Wie Sie alle wissen – das wurde hier ja auch
chon erwähnt –, geht sie auf ein nahezu einstimmiges
ändervotum zurück. Mit Blick auf die unterschiedliche
erteilung der Personalkosten – die CDU/CSU hat in ih-
em Antrag selbst hervorgehoben, dass der Bundesrat in
ieser Weise votiert hat – sollte in diesem Hause Einver-
ehmen darüber bestehen, dass sich der Bundesgesetz-
eber dieser Bitte des Bundesrates nicht verschließen
ann. Ich begrüße es daher, dass sich auch die CDU/
SU-Fraktion, wenn auch erst im zweiten Anlauf, ent-
chlossen hat, diesem Antrag der Koalition zuzustimmen.
uch eine späte Einsicht ist lobenswert; ich hoffe, dass
ich dies in Ihrem Abstimmungsverhalten niederschlägt.
Aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU
nd insbesondere von der FDP, ich vermisse eine klare
inie. Auf der einen Seite kritisieren Sie Flächentarif-
erträge und starre Regelungen und verlangen Flexibili-
ierung. Wenn man sich hier an einer Stelle von einem
tarren System löst und Flexibilisierung beschließt, dann
st es Ihnen auch wieder nicht recht. Sie müssen sich hier
chon auf eine einheitliche Linie verständigen.
Wir sollten diese Flexibilität, die wir damit schaffen,
icht gleich wieder einsammeln. Denn diesen Gestal-
ungsspielraum gilt es zu nutzen. Das ist eine Maß-
ahme, die die Länder einhellig fordern. Wir sollten ih-
en da keine Hindernisse in den Weg legen.
Hier im Hause besteht im Wesentlichen Einverneh-
en darin – das habe ich den Beiträgen entnommen –,
ass wir im öffentlichen Dienst eine gleich gerichtete
inkommensentwicklung wahren müssen. Im vorliegen-
en Gesetzentwurf wird dieser Zielsetzung mit einer
: 1-Übernahme des Tarifabschlusses auf die Beamtin-
en und Beamten Rechnung getragen, insbesondere im
ereich der linearen Bezüge.
Das gilt auch dann, wenn es aufgrund der neu ge-
chaffenen Öffnungsklausel zu Einschnitten kommen
ann. Denn bei der Betrachtung der Einkommen kann
icht nur auf die Bruttobeträge abgestellt werden. Es
ird ja wohl niemand im Ernst behaupten, dass die Be-
mtinnen und Beamten beim Vergleich der Nettover-
ienste gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
ehmern benachteiligt werden. Ich jedenfalls werde
eiterhin darauf achten, dass die Beschäftigungsbedin-
ungen im öffentlichen Dienst gleich gerichtet entwi-
kelt und die Statusgruppen nicht unterschiedlich behan-
elt werden.
4806 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Bundesminister Otto Schily
Der heute vorgelegte Gesetzentwurf beweist einmal
mehr, dass wir an dem bewährten Gleichklang zwischen
Tarif und Besoldung festhalten und die notwendigen Re-
formen parallel voranbringen werden. Es bedarf dazu
keiner Aufforderung durch die Opposition. Ein Abwei-
chen von diesen Grundsätzen haben andere gefordert.
Sie sollten ihre Forderungen daher an andere aus ihren
Reihen adressieren. Damit tun sie vielleicht etwas Bes-
seres, als wenn sie sich hier zu Wort melden.
Der Bund wird in diesem Jahr keine Kürzungen im
Bereich des Weihnachtsgeldes vornehmen. Kürzungen
sind aber für das Haushaltsjahr 2004 erforderlich. Um
eine parallele Entwicklung im öffentlichen Dienst zu er-
möglichen, hat der Bund Anfang dieser Woche im Tarif-
bereich die Tarifverträge über das Weihnachts- und das
Urlaubsgeld gekündigt. Ich verstehe gut, dass diese
Kündigung bei den Gewerkschaften nicht unbedingt Be-
geisterung ausgelöst hat. Wir werden diese Fragen ge-
meinsam mit den Gewerkschaften im Rahmen der be-
gonnenen Verhandlungen zur BAT-Reform erörtern. Ich
hoffe, dass wir – bei gutem Willen auf allen Seiten – zu
vernünftigen neuen Absprachen gelangen können.
Der Gestaltungsspielraum sollte dabei genutzt wer-
den, um strukturelle Überlegungen einzubeziehen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ein Teil des
eingesparten Betrages für eine bessere Leistungsbezah-
lung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfü-
gung steht. Wir haben hierfür deshalb in den Haushalt
2004 in einem eigenen Titel zusätzlich 50 Millionen
Euro eingestellt. Ein Teil dessen, was dort zurückgeführt
wird, fließt wieder in das Bezahlungssystem, aber unter
dem Vorzeichen der Leistungsbezahlung. Ich glaube, das
ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie Sie alle wissen, werden in den kommenden Jahr-
zehnten Pensionszahlungen in besonderem Maße Belas-
tungen hervorrufen, insbesondere bei den Ländern. Lesen
Sie das noch einmal in meinem zweiten Versorgungsbe-
richt nach. Aus diesem Grunde halte ich es für vertretbar,
bei den notwendigen Maßnahmen zwischen aktiven Be-
amtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerin-
nen und -empfängern zu differenzieren und Einsparun-
gen in unterschiedlicher Höhe vorzunehmen. Über die
Einzelheiten werden wir im Rahmen des Gesetzgebungs-
verfahrens zu beraten haben.
Meine Damen und Herren, ich begrüße es, dass hier
von allen Seiten die Modernisierung des öffentlichen
Dienstes angesprochen worden ist. Die Modernisierung
des öffentlichen Dienstes ist ein wesentliches Element
der grundlegenden Reformen, die wir jetzt mit aller
Kraft voranbringen müssen. Ich lade Sie alle – auch Sie,
Herr Bosbach – ein, daran konstruktiv mitzuwirken.
In diesem Sinne begrüße ich es, dass Sie im Innenaus-
schuss eine Expertenanhörung zur Zukunft des öffent-
lichen Dienstes durchführen wollen. Ich will daran erin-
nern: Die besten Experten in diesem Bereich sind die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Diens-
tes selbst, die Beamtinnen und Beamten sowie ebenso
die Tarifbeschäftigten, denen ich an dieser Stelle für ihre
Leistungsbereitschaft und auch für ihr besonderes Enga-
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ement bei der Modernisierung des öffentlichen Diens-
es herzlich danken möchte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Clemens
inninger.
Clemens Binninger (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
nd Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Zu-
chauertribünen!
(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Populist! – Zuruf
von der SPD: Meine Damen und Herren drau-
ßen im Lande!)
Herr Kollege von der SPD, es ist ein sehr seltsames
erhalten von Ihnen, „Populist“ zu schreien, nur weil ich
ie Menschen in unserem Land begrüße.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir reden heute über zwei Dinge. Zum einen reden
ir über die Besoldungsanpassung. Die Beamten sollen
m Rahmen der Übernahme des Tarifabschlusses mehr
eld bekommen. Zum anderen reden wir über Öff-
ungsklauseln. Den Beamten wird Geld genommen, vor
llen Dingen beim Weihnachtsgeld.
Zu dem ersten Thema Besoldungsanpassung haben
ir den Antrag gestellt, eine zeitgleiche Übertragung
es Tarifabschlusses vorzunehmen. Ich möchte daran
rinnern: Alle Parteien haben unmittelbar nach der Ta-
ung des Beamtenbundes in Bad Kissingen eine zeit-
nd inhaltsgleiche Übertragung gefordert. Herr Kollege
emper, das Wort „zeitgleich“ kam Ihnen heute nicht
ehr über die Lippen. Von einer zeitgleichen Anpassung
ollen Sie jetzt also nichts mehr wissen. Wir haben uns
ür eine zeitgleiche Übertragung eingesetzt; Sie haben
ie abgelehnt. Die Beschäftigten werden das sehr auf-
erksam registrieren.
Sie argumentieren immer damit, dass auch wir in der
ergangenheit die Anpassung zeitlich verzögert durch-
eführt hätten. Es ist gar keine Frage, dass das zutrifft.
etzt aber haben die Länder mit der Öffnungsklausel eine
öglichkeit zur finanziellen Kompensation.
(Hans-Peter Kemper [SPD]: Keine Fluchtver-
suche!)
ir brauchen also keine zusätzliche zeitliche Kompen-
ation. Auch das ist Gegenstand unseres Antrags.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu dem zweiten Thema Öffnungsklausel ist zu sagen,
ass auch für uns dieses Thema schwierig ist. Ich bedau-
re es sehr, dass der Herr Minister jetzt nicht mehr anwe-
end ist.
(Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: Ich
passe für ihn auf!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4807
(A) )
(B) )
Clemens Binninger
– In Ordnung. – Ich hätte ihm gerne persönlich etwas zu
dem Thema Öffnungsklausel gesagt; man kann es ihm ja
ausrichten. Wir tragen die Öffnungsklausel mit, weil wir
der Ansicht sind, dass die Länder mit ihrem großen Per-
sonalkostenanteil einen Gestaltungsspielraum brauchen.
Wir sagen aber auch – deshalb haben wir einen Ent-
schließungsantrag eingebracht –: Wir setzen bei der
Ausgestaltung dieser Öffnungsklausel sehr stark darauf,
dass a) das Grundgehalt unangetastet bleibt, dass b) die
Ausgestaltung sozial gerecht erfolgt und dass man sich
c) – das wäre wünschenswert – bei der Ausgestaltung
dem Modell des Deutschen Beamtenbundes, einem
sehr konstruktiven Vorschlag, nähert.
Das ist machbar. Baden-Württemberg wird genau die-
ses Modell übernehmen. Dann kann man die Öffnungs-
klausel auch mittragen. Baden-Württemberg setzt damit
den Maßstab auch für die von Rot-Grün regierten Län-
der. Wir lassen uns überraschen, was von dieser Seite
noch kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sind uns sicherlich darin einig, dass die Probleme
in der Zukunft nicht gelöst werden, wenn wir alle zwei
Jahre Einschnitte bei den Beamten vornehmen. Ich sel-
ber war Beamter; ich habe mit einer sehr niedrigen Be-
soldungsgruppe begonnen und bin mit einer etwas höhe-
ren ausgeschieden. Mitte der 80er-Jahre habe ich im
Monat 750 Euro netto verdient. Ich hatte nicht den Ein-
druck, dass das zu viel war. Wir sollten auch daran den-
ken, dass wir beim Thema Beamte nicht nur über Regie-
rungsdirektoren oder Ministerialräte, sondern auch über
Polizeibeamte und Soldaten reden müssen. Denen ist es
kaum zu vermitteln, warum die Gerechtigkeitslücke zwi-
schen Tarifbeschäftigten und ihnen möglicherweise im-
mer größer wird. Wir sind aufgefordert, zu verhindern,
dass dies geschieht.
Im Kern werden wir das Personalkostenproblem nur
dann lösen, wenn wir bereit sind, die Aufgaben des Staa-
tes konsequent abzubauen und damit in der Folge Perso-
nal abzubauen. Ich teile Ihre Einschätzung nicht, Frau
Kollegin Stokar von den Grünen, dass möglichst viele
Aufgaben beim Staat belassen werden sollen. So werden
wir das Kostenproblem nie in den Griff bekommen. Das
müssen Sie wissen. Ohne Aufgabenreduzierung wird
auch kein Personalabbau möglich sein. Ohne Perso-
nalabbau aber wird das Kostenproblem spätestens nach
zwei Jahren wieder auf der Tagesordnung stehen.
Deshalb wird im September auf unsere Initiative hin
– in diesem Zusammenhang gilt mein Dank den Bericht-
erstattern aller Fraktionen – eine Anhörung stattfinden,
auf der wir uns mit diesen Fragen, aber auch mit den
Fragen der Besoldung und den Auswirkungen der Öff-
nungsklausel befassen wollen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Ich hätte den Minister gern gefragt, wie er seinen Per-
sonenschützern, den Polizeibeamten, die sich im Zweifel
mit ihrem Leben für ihn einsetzen, erklären will, dass er,
obwohl er ihnen sagt, dass er zwar mit ihrer Arbeit sehr
zufrieden sei und alles für sie tun wolle, als Nächstes ihr
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eihnachtsgeld kürzt. Es hätte mich interessiert, wie er
iese Gratwanderung schafft; denn uns hält er hier vor,
ir würden uneinheitlich argumentieren.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Clemens Binninger (CDU/CSU):
Gerne.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Bitte.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es geht ja
auch um die Personenschützer von Frau Vogt!
Deshalb muss sie sich melden!)
Ute Vogt (Pforzheim) (SPD):
Lieber Kollege Binninger, ich wüsste gerne, ob Sie
ine Empfehlung haben, wie beispielsweise Ministerprä-
ident Teufel dies seinerseits seinen Personenschützern
rklären soll.
(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist
keine Frage!)
Doch!
(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Keine
Frage, dass er das kann!)
Clemens Binninger (CDU/CSU):
Frau Kollegin Vogt, er wird es ihnen erklären können,
eil Baden-Württemberg die Öffnungsklausel über das
eamtenbundmodell anwenden wird.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!
Mal gespannt, was der Bund macht!)
er Vorschlag, jetzt zu dynamisieren, kam aus der Be-
mtenschaft. Insofern ist das für die Beamtenschaft ak-
eptabel. Deshalb kann Herr Teufel das tun. Ob das auch
er Bund tun wird, wird man sehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wer ist eigentlich in der Bundesregierung für den öf-
entlichen Dienst verantwortlich? Wer war der Verhand-
ungsführer beim Zustandekommen des Tarifabschlus-
es, der dazu geführt hat, dass die Länder gesagt haben,
ie bräuchten Ausgleichsmaßnahmen? Wer ist zu diesem
hema seit Monaten auf Tauchstation? Auf alle diese
ragen gibt es nur eine Antwort: Otto Schily. Er war
icht da. Er hat dieses heiße Eisen nicht angepackt, son-
ern andere vorgeschickt. Auch heute wieder muss sein
taatssekretär aufpassen.
(Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: Ich
passe gern auf Sie auf!)
er Minister ist wahrscheinlich wieder auf Tauchstation,
m sich vor einer Position zu drücken. Das registrieren
ie Beschäftigten und die Berufsvertretungen sehr auf-
erksam.
4808 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Clemens Binninger
Dass eines klar ist: Wir – die Abgeordneten, der öf-
fentliche Dienst, die Berufsvertretungen und auch Sie,
wenn Sie ehrlich sind, von der AG und aus dem Innen-
ausschuss – wissen nach dieser Debatte: Wir haben von
diesem Minister, was das Thema Impulse und Reform-
ansätze im öffentlichen Dienst angeht, nichts mehr zu er-
warten. Ich freue mich trotzdem auf die Zusammen-
arbeit. Wir bieten sie noch einmal an. Danke, dass Sie
unseren Vorschlag angenommen haben. Ich hoffe sehr,
dass Sie unserem Entschließungsantrag, der sich ganz
stark auf die Ausgestaltung der Öffnungsklausel bezieht,
zustimmen werden. Daran werden wir schon heute mes-
sen können, ob es Ihnen mit den Beamten ernst ist oder
ob das bei Ihnen nur Populismus war.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Abg. Wolfgang Bosbach [CDU/CSU] meldet
sich zu Wort – Gegenruf von der SPD: Die
Rede ist doch schon zu Ende!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Was möchten Sie?
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
Ich möchte eine Kurzintervention machen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es ist wich-
tig!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Es ist eigentlich nicht üblich, eine Kurzintervention
zu machen, wenn man schon einen Redebeitrag hatte.
Versuchen Sie, es kurz zu machen.
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
Frau Präsidentin, ich möchte nur sagen, dass der Kol-
lege Binninger während seiner Rede nicht wissen
konnte, dass der Innenminister zu mir gekommen ist, um
meine Fraktion um Entschuldigung dafür zu bitten, dass
er wegen einer Sitzung des Bundessicherheitsrates an
dieser Debatte nicht teilnehmen kann, und dass wir ihm
das selbstverständlich nachsehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur An-
passung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund
und Ländern 2003/2004. Der Innenausschuss empfiehlt
unter Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 15/1347, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt
getrennte Abstimmung.
Wir stimmen zunächst über Art. 1 bis Art. 12 in der
Ausschussfassung ab. Ich bitte diejenigen, die zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-
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en? – Enthaltungen? – Art. 1 bis Art. 12 sind angenom-
en worden.
Abstimmung über Art. 13 bis Art. 21 sowie Einlei-
ung und Überschrift in der Ausschussfassung. Ich bitte
iejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzei-
hen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Art. 13
is Art. 21 sowie Einleitung und Überschrift sind mit
en Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und
DU/CSU gegen die Stimmen der FDP, eine Stimme aus
er CDU/CSU und die Stimme der fraktionslosen Abge-
rdneten Petra Pau angenommen worden.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
en die Stimmen der FDP und einer weiteren Stimme bei
nthaltung der CDU/CSU angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Druck-
ache 15/1363. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
rag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
ntschließungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen
auses gegen die Stimmen der CDU/CSU bei einer Ent-
altung abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf
rucksache 15/1361 soll zur federführenden Beratung
n den Innenausschuss und zur Mitberatung an den
echtsausschuss und an den Haushaltsausschuss über-
iesen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des In-
enausschusses auf Drucksache 15/1347 zu dem vom
undesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
ienstrechtlicher Vorschriften. Unter Ziffer 2 seiner Be-
chlussempfehlung empfiehlt der Innenausschuss, den
esetzentwurf auf Drucksache 15/1021 für erledigt zu
rklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
ehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Wolfgang Schäuble,
Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Wirksamen Zivil- und Katastrophenschutz
schaffen
– Drucksache 15/1097 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4809
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Es wird darum gebeten, alle Reden zu Protokoll ge-
ben zu können. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
der Fall. Dann verfahren wir so mit den Reden der Abge-
ordneten Reichenbach, Philipp, Stokar1), Piltz und des
Parlamentarischen Staatssekretärs Körper2).
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1097 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Anpassung von Zuständigkeiten im Gen-
technikrecht
– Drucksache 15/1222 –
(Erste Beratung 53. Sitzung)
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Anpassung von Zuständigkeiten im
Gentechnikrecht
– Drucksache 15/996 –
(Erste Beratung 46. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft (10. Ausschuss)
– Drucksache 15/1341 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Matthias Weisheit
Helmut Heiderich
Friedrich Ostendorff
Dr. Christel Happach-Kasan
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.
Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgese-
hen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
schlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Matthias Weisheit.
Matthias Weisheit (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach dieser Debatte werden wir das Gesetz zur Anpas-
sung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht beschlie-
ßen. Die Frage muss schon erlaubt sein, warum wir über
diese rein organisatorische Maßnahme debattieren müs-
sen. Ich habe den Verdacht, dass die Debatte, die wir in
den letzten Wochen an jedem Freitag geführt haben, mit
Debatten zur grünen Gentechnik fortgesetzt werden soll.
Natürlich hätten wir dieses Gesetz im Zuge der Gesetze
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1) Redebeitrag wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
2) Anlage 3
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eschließen können, zu denen keine Aussprache stattfin-
et. Aber das war offensichtlich nicht möglich.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Wegen der
Bundesregierung, nicht wegen uns!)
Diese Anpassung setzt im nachgeordneten Bereich
ort, was mit dem Organisationserlass des Bundes-
anzlers vom 22. Oktober 2002 festgelegt wurde, näm-
ich die Verlagerung des Aufgabenbereichs grüne Gen-
echnik vom Bundesministerium für Gesundheit zum
undesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
nd Landwirtschaft.
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, was in die-
em Zusammenhang notwendig ist. Ich fordere Sie auf:
timmen Sie diesem Gesetzentwurf einfach zu! Er ist ein
orschaltgesetz zur Novelle des Gentechnikrechtes, des-
en zügige Umsetzung Sie hier allemal und immer wie-
er vehement einfordern.
Aber ich habe es schon angesprochen: Ich befürchte,
ieser organisatorische Vorgang soll auch wieder ein
isschen zum ideologischen Grabenkampf instrumenta-
isiert werden. Das wird schon ein wenig in dem Antrag
eutlich, in dem Sie sich beschweren, dass das Robert-
och-Institut nunmehr Benehmensbehörde und nicht
ehr Einvernehmensbehörde sei und damit degradiert
erde. Das ist schlichtweg eine Konsequenz aus der Zu-
tändigkeitsverlagerung von einem Ministerium in das
ndere.
Ich kann nun alles verstehen; aber diese plötzliche
iebe zum Umweltbundesamt, das eine Zuständigkeit
erliert, die zum Bundesamt für Naturschutz wandert,
ann ich mir angesichts anderer Debatten, die wir im Zu-
ammenhang mit Pflanzenschutz und anderem im Aus-
chuss geführt haben, überhaupt nicht vorstellen. Mir
ehlt jedes Verständnis dafür, dass hier plötzlich die
iebe zum Umweltbundesamt bei Ihnen erblüht.
Wo immer es um grüne Gentechnik geht, finden Sie
deologisches und versuchen, die Bundesregierung kräf-
ig anzugreifen, und unterstellen ihr Ideologie. Dann
ommt der Lieblingstextbaustein von der Blockadepoli-
ik der rot-grünen Bundesregierung. Das wird allmählich
angweilig.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das wird gefähr-
lich!)
ber dass Sie auf jeden Gaul in dieser Geschichte auf-
pringen, zeigt das letzte Interview Ihrer Kollegin
eiche in „Bild am Sonntag“. Im Gastkommentar ließ
ie sich dazu hinreißen, die unsäglichen Äußerungen des
merikanischen Präsidenten Bush, die EU verschärfe
urch ihre kritische Haltung zu gentechnisch veränder-
en Lebensmitteln das Hungerproblem in Afrika, voll
nd ganz zu unterstützen. Ich glaube, das ist restlos lä-
herlich.
(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])
Ich brauche niemandem zu erklären, dass die EU ein
ielfaches mehr an Entwicklungshilfe für Afrika aus-
ibt als die USA und dass gerade die USA die Entwick-
ungsländer mit ihren subventionierten Agrarüberschüs-
en überschwemmen und dort die Märkte kaputtmachen.
4810 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Matthias Weisheit
Um den Hunger langfristig zu bekämpfen, bedarf es ei-
ner eigenständigen landwirtschaftlichen Entwicklung
vor Ort und müssen politische Lösungen her und nicht
gentechnische.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Die gentechnischen Entwicklungen der Firmen sind
weder geeignet noch dazu gedacht, den Welthunger zu
bekämpfen. Ihre Produkte, etwa die von Monsanto, zie-
len darauf, in den großen Märkten der USA und Europas
abgesetzt zu werden. Denn nur dort können sie mit Profit
verkauft werden. Das Profitstreben kann man den Fir-
men auch nicht vorwerfen.
Aber das bedeutet im Gegenzug, dass ein Großteil der
Entwicklungen nicht dort eingesetzt werden kann, wo
das Geld nicht vorhanden ist, entsprechendes Saatgut zu
kaufen. Ich zitiere aus dem Kompendium „Gentechnik
und Lebensmittel“ der Firma Monsanto:
Es stimmt, dass die meisten der bisher hergestellten
gentechnisch veränderten Kulturpflanzen für die
Landwirtschaft der kapitalstarken industrialisierten
Länder bestimmt sind. Es trifft auch zu, dass die
Landwirte in den Entwicklungsländern sich dieses
Saatgut zu den Preisen, wie sie in den Industrielän-
dern verlangt werden, nicht leisten können.
Damit ist in diesem Zusammenhang und zu diesem Vor-
wurf, den man zurückweisen muss, eigentlich alles ge-
sagt.
Für mich bleibt noch – auch angesichts der Debatte
von gestern Abend, die wir zum Agrarbericht geführt ha-
ben – eine spannende Frage: Wie soll man die grüne
Gentechnik offensiv vorantreiben, wenn bei den Ver-
brauchern in Europa und in der Bundesrepublik eigent-
lich eine überwiegende Ablehnung solcher Lebensmittel
vorhanden ist?
(Albert Deß [CDU/CSU]: Kennzeichnungs-
pflicht!)
– Die Kennzeichnungspflicht kommt ja jetzt. Gott sei
Dank hat das EP auch die notwendigen Grenzwerte fest-
gelegt und die Debatte abgeschlossen. Dann kann man
sie umsetzen.
Aber die Chance, für spezielle europäische und deut-
sche Produkte mit einem besonderen Qualitätsmerkmal,
nämlich gentechnikfrei, zu werben und für diese Pro-
dukte einen Markt zu haben, wird vertan. Wenn man her-
geht und den großen Mischmasch mit gentechnisch ver-
ändertem Raps, mit gentechnisch verändertem Mais und
so fort, der in aller Welt angeboten wird, bei uns auch
einführen will, ist das eigentlich genau der verkehrte
Weg in diesem Bereich.
Hier sehe ich einen ganz großen Widerspruch zu dem,
was wir gestern Abend von der Opposition in der De-
batte hier zu hören bekamen, und zu dem, wie sie sich
verhält.
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Nichts
Neues!)
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist zu diesem
unkt eigentlich alles gesagt, was zu sagen war. Ich for-
ere Sie nochmals auf, unserem Gesetzentwurf zur An-
assung von Zuständigkeiten zuzustimmen; denn wenn
s jetzt bei dem entsprechenden Ministerium angesiedelt
ird, dann ist es mehr als logisch, dass auch die Zustän-
igkeiten bei den nachgeordneten Behörden verlagert
erden. Ihren Antrag werden wir leider ablehnen müs-
en.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Helmut Heiderich [CDU/
CSU]: Immerhin „leider“! Das ist ja schon mal
was!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Helmut
eiderich.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verbliebene Kolleginnen und Kol-
egen!
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Verschie-
dene? – Heiterkeit im ganzen Hause)
Verbliebene! Ich freue mich über die große Beteili-
ung, die wir in diesem Hause heute noch haben.
Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Weisheit muss ich
agen, dass der vorliegende Gesetzentwurf der Bundes-
egierung weder von seinem Inhalt her noch ansonsten
otwendig ist. Er ist auch nicht hilfreich; denn die Ent-
cheidung des Bundeskanzlers, die Zuständigkeit für das
entechnikrecht in das Bundesministerium für VEL zu
erlagern, erzwingt keineswegs die Konsequenzen, die
ie heute hier beschließen wollen.
Die Zerschlagung des Robert-Koch-Instituts als der
eltweit anerkannten und renommierten Gentechnikbe-
örde in Deutschland, die weitere Zersplitterung des
enehmigungsverfahrens – dies steckt ja auch in Ih-
em Gesetzentwurf, den Sie heute hier vorlegen – und
ie besondere Betonung der und die Einengung auf die
aturschutzfachlichen Aspekte sind allesamt ungeeignet,
hrem eigenen Regierungsziel gerecht zu werden. Herr
eisheit, Sie vergessen leider immer, dass in Ihrer Re-
ierungserklärung steht, dass Sie die Bio- und Gentech-
ik als Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts aus-
auen wollen.
Ich zitiere einmal, was der „Tagesspiegel“, der nicht
erade ein Parteiorgan der CDU ist, heute über das ei-
entliche und offensichtliche Ansinnen dieser Vorlage
chreibt: „Regierung will grüne Gentechnik ausbrem-
en …“. Ich glaube, damit hat er sehr genau beschrie-
en, was Ihre eigentliche Intention bei dieser Vorlage
st.
Dass das Robert-Koch-Institut einen wesentlichen
nteil an der Entwicklung der Biotechnik in Deutsch-
and und darüber hinaus weltweit hat, brauche ich nicht
eiter zu betonen. Lassen Sie mich nur eine kleine Notiz
m Rande erwähnen: Sie formulieren in Ihrem Gesetzes-
ntrag, dass die entsprechenden Ressourcen des RKI
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4811
(A) )
(B) )
Helmut Heiderich
– so heißt es – auf das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit übergehen sollen.
Andererseits verlangen Sie aber, dass das RKI weiterhin
als Benehmensbehörde an allen Genehmigungsverfahren
beteiligt werden soll.
Hier stellt sich doch die Frage, mit welchen Ressour-
cen das RKI das zukünftig tun soll, wenn Sie ihm vorher
die Ressourcen weggenommen und sie verlagert haben.
Ich meine, auch das zeigt, dass der Gesetzentwurf unaus-
gegoren ist und offensichtlich nur den politischen Inten-
tionen folgt, wie es der „Tagesspiegel“ so hervorragend
dargestellt hat. Auch die Tatsache, dass die neue Be-
hörde das Wort „Verbraucherschutz“ im Namen tragen
soll, bedeutet noch nicht, dass sie in dieser Hinsicht eine
bessere Arbeit leisten würde.
(Zuruf von der SPD: Es geht um eine Zuord-
nung!)
Das Gleiche gilt, so meinen wir, für die eben auch
schon angesprochene Verlagerung der Zuständigkeit aus
dem Umweltbundesamt in das Bundesamt für Natur-
schutz. Herr Kollege Weisheit, diese Verlagerung ist
nicht einmal formal begründet, weil sich der Organisa-
tionserlass des Kanzlers nicht auf das BMU, sondern
nur auf das BMVEL bezogen hat. Deswegen haben Sie
zu Recht gesagt, dass es sich hier um ein Vorschaltge-
setz handelt. Sie wollen sich der Zustimmungspflicht
der Bundesländer, die sie nach dem Gentechnikrecht ei-
gentlich hätten, entziehen, indem Sie das vorziehen und
nicht im Zusammenhang mit dem übrigen Gentechnik-
recht novellieren wollen. So, wie der „Tagesspiegel“ das
beschrieben hat, ist hier der Wunsch Vater des Gedan-
kens.
Ich will den Artikel noch weiter zitieren. Hier heißt es
– man höre genau hin –:
Das UBA hingegen gilt Trittin, ebenfalls grünen
Stimmen
– nicht unseren –
zufolge, als „viel zu liberal“, weil es den Einsatz
der grünen Gentechnik nicht kategorisch ablehnt.
Darum gehen Kreise davon aus, dass das BfN die
großflächigere Anwendung von Genpflanzen in
Deutschland nach Kräften verhindern wird.
Hier wird offensichtlich ideologische Absicht mit den
notwendigen gesetzlichen Änderungen durcheinander
gebracht.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Der
„Tagesspiegel“, die Bibel des Herrn
Heiderich!)
Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt ansprechen.
Verehrte Frau Wolff, hören Sie gut zu! Wenn ich richtig
informiert bin, war gestern das Richtfest des UBA in
Dessau. Das UBA wurde in Dessau angesiedelt mit dem
Versprechen, Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern
zu schaffen. Aber durch die Aufgabenübertragung, die
Sie mit Ihrem Gesetzentwurf beschließen wollen, ziehen
Sie die Arbeitsplätze wieder von Dessau ab und verla-
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ern sie in Richtung Bonn. Auch das ist eine Fehlent-
cheidung.
Gerade in Sachsen-Anhalt gibt es hervorragende lo-
ale Kompetenzen in Sachen Gentechnik. Ich erinnere
n die Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kultur-
flanzen in Quedlinburg oder an das Institut für Pflan-
engenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.
ch denke aber auch an die Initiativen des Nachbarlandes
achsen, die bis 2005 200 Millionen Euro in eine Bio-
echnologieoffensive investieren werden. In diesem Zu-
ammenhang wird auch von der Biocity Leipzig und
om Bioinnovationszentrum Dresden gesprochen. Hier
ibt es eine ganze Reihe von guten Ansätzen. Auch des-
egen ist die Entscheidung, die Zuständigkeit des Um-
eltbundesamtes für diesen Bereich auf das BfN zu
bertragen, falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Durch die Schaffung des BVL als zusätzlicher Ge-
ehmigungsbehörde wird das bisherige Verfahren nicht
erade vereinfacht, sondern weiter ausgedehnt und da-
it noch komplexer und langwieriger. Das kann nicht
inn einer solchen Entscheidung sein. Sie handeln damit
n der Verwaltungspraxis genau entgegengesetzt zu dem,
as der Europäische Rat mit der so genannten Lissabon-
trategie beschlossen hat. Diese Lissabon-Strategie ist
erade vom Europäischen Parlament im Bereich der
io- und Gentechnik angemahnt worden. Dabei ist es
ie Intention der SPD und der Grünen, in diesem Be-
eich bis zum Jahre 2010 an die Weltspitze zu gelangen.
as, was Sie hier machen, ist aber genau das Gegenteil,
ämlich eine Verhinderungsstrategie.
Es ist nicht nur dem „Tagesspiegel“, sondern auch ei-
er Reihe von grünen Abgeordneten, die in dem Artikel
itiert werden, aufgegangen, dass es Intention dieses Ge-
etzentwurfs ist, von Entscheidungen nach wissenschaft-
ichen Kriterien wegzukommen und sich immer mehr an
en politischen Intentionen der grünen Fraktion auszu-
ichten. Ich will nur daran erinnern, dass wir bei der
KBS, der Zentralen Kommission für die Biologische
icherheit, mehrfach öffentliche Debatten darüber füh-
en mussten, dass grüne Minister in die Entscheidung
er ZKBS eingegriffen haben, um sie nachträglich zu
orrigieren oder aufzuhalten. Dieses Verfahren ist bei
xakten wissenschaftlichen Beurteilungen nicht haltbar.
Sie versuchen mit diesem Gesetzentwurf wieder ein-
al, ein Stück ordentlicher wissenschaftlicher Beurtei-
ung des Gentechnikrechts wegzuräumen und Ihren
deologischen Vorstellungen ein bisschen mehr Raum zu
erschaffen. Dagegen erklärt Ihr Wirtschaftsminister
lement – das ist ein völliger Widerspruch, Herr Kollege
eisheit –, er werde sich mit Nachdruck dafür einsetzen,
ass Europa das Moratorium bei GVO aufhebe, um die
ntwicklung gentechnisch verbesserter Produkte auch in
eutschland zu forcieren.
Ich sage zum Abschluss: Ich bedauere es, dass die
PD mit dieser Gesetzesvorlage – Sie selbst haben das
ort Vorschaltgesetz benutzt – ihren von mir gerade
kizzierten Weg forsetzen will.
4812 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, Abschluss ist Abschluss.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Sie wissen doch selbst ganz genau, dass sowohl For-
schung und Entwicklung an Universitäten als auch Saat-
zuchtunternehmen in Deutschland damit ein völlig fal-
sches Signal bekommen. Deswegen haben wir einen
Entschließungsantrag vorgelegt. Wir bitten Sie darum,
ihm zuzustimmen und Ihren Gesetzentwurf zurückzuzie-
hen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
Matthias Berninger.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Heiderich, eines will ich klar sagen: Wenn hier
einer – ich habe schon viele Reden von Ihnen gehört –
eine ideologische Schlacht um die Gentechnik führt,
dann sind Sie es und nicht die Bundesregierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Was interessiert die Bürgerinnen und Bürger im
Land? Sie interessiert zunächst einmal, dass sie eine
Wahlfreiheit haben und eine klare Kennzeichnung gen-
technisch veränderter Lebensmittel vorfinden. Deswe-
gen ist es mir eine besondere Freude, an diesem Tag da-
von zu berichten, dass man sich auf europäischer Ebene
geeinigt hat und dass es diese klare Kennzeichnung gen-
technisch veränderter Lebensmittel in Europa in Zukunft
geben wird.
(Albert Deß [CDU/CSU]: Das war immer
unsere Forderung!)
Damit haben die Verbraucherinnen und Verbraucher zu-
künftig die Wahl, ob sie diese Produkte kaufen oder
nicht. Ich glaube, dass das eine ganz wichtige Vorausset-
zung ist, um rational mit dem Thema Gentechnik umzu-
gehen; denn es gibt in der Union zu viele, die der Ideolo-
gie anhängen, man könne die Gentechnik durch die
Hintertür einführen. Das wird nicht gehen. Diese Tech-
nologie muss sich bei den Verbraucherinnen und
Verbrauchern durchsetzen. Sie müssen zur Kenntnis
nehmen, dass in Bezug auf Nahrungsmittel die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher Gentechnologie ablehnen.
(Albert Deß [CDU/CSU]: Wo ist diese
Hintertür?)
Es sind aber nicht nur die Verbraucherinnen und Ver-
braucher. Sie wissen, dass auch viele große Unterneh-
men – Unilever ist nicht gerade ein mittelständischer
Lebensmittelproduzent – die Entscheidung getroffen ha-
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en, dass sie keine gentechnisch veränderten Produkte in
hr Sortiment aufnehmen. Sie folgen damit dem Wunsch
er Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch das muss
an an einem solchen Tag in einer solchen Debatte zur
enntnis nehmen.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Sie folgen
dem Druck von Greenpeace!)
avon sagen Sie in der Regel überhaupt nichts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung hat zu Beginn der Legislaturpe-
iode die Entscheidung getroffen, die Zuständigkeiten
ür die grüne Gentechnik auf das Bundesministerium
ür Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
u übertragen. Es ist doch nur folgerichtig, dass das neu
eschaffene Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
ensmittelsicherheit die Kernkompetenz bekommt, zu
eurteilen, ob gentechnisch veränderte Produkte für die
erbraucherinnen und Verbraucher eine potenzielle Ge-
ährdung darstellen oder nicht. Das hat nichts mit Ideo-
ogie zu tun. Es ist vernünftig, dass dieses Bundesamt,
essen Kernkompetenz es ist, über solche Fragen zu ent-
cheiden, die Hauptaufgabe bekommt.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist das Bundesamt für
aturschutz. Ich glaube, die Mitarbeiterinnen und Mit-
rbeiter des Bundesamtes für Naturschutz haben es ver-
ient, dass man sie verteidigt. Zu glauben, das seien so-
usagen Heerscharen von Truppen, die, „Tagesspiegel“-
rtikeln folgend, irgendwelche Entscheidungen fern der
ache treffen, wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ern wirklich nicht gerecht. Ich empfinde auch die Art
nd Weise, wie Sie mit ihnen umgehen, als absolut unan-
emessen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Wir haben es bei der Gentechnik mit der Interaktion
ebender Organismen zu tun. Das ist der Grund, warum
as Bundesamt für Naturschutz hier zukünftig eine stär-
ere Kompetenz bekommen muss; das ist ein höchst
achbezogener Grund. Wir haben die Kennzeichnung
eklärt. Jetzt wird die Koexistenz die Grundfrage sein.
enn dies nicht geklärt wird, werden gerade die Bäue-
innen und Bauern in Deutschland die Zeche zu bezahlen
aben. Es gibt Unternehmen, die keine Gentechnik in ih-
en Produkten haben wollen. Es gibt Landwirte, die sich
ertraglich verpflichten, gentechnikfreie Produkte abzu-
iefern. Wenn sie dann ernten und Rückstände von gen-
echnisch veränderten Produkten feststellen, ist ihre
rnte futsch.
Diese Situation wird in den Dörfern zu massiven
onflikten führen. Die Politik muss also in der Lage
ein, die Koexistenz so zu regeln, dass die Landwirte die
reiheit haben, das zu produzieren, was der Markt nach-
ragt. Auch da wird das Bundesamt für Naturschutz aus-
esprochen hilfreich sein. Herr Kollege Deß, das wird
on den Landwirten in Bayern und anderswo genauso
esehen.
Wir haben alle Interessengruppen, die der Wirtschaft,
er Verbraucher und der Landwirte, zusammengerufen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4813
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
und gefragt, was sie von der Koexistenz halten. Alle mit-
einander sagten, dass ihnen die Politik helfen müsse und
ihnen das nicht allein überlassen werden dürfe. Denn die
Folge würde sein, dass einige wenige auf Gentechnik
setzen und die Ernte vieler anderer dadurch verhagelt
wird. Das will niemand, es sei denn die CDU/CSU-Frak-
tion, weil sie der Gentechnik die Tür öffnen will. Die
Bundesregierung stellt sich klar dagegen.
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschlie-
ßung ausdrücklich gesagt, dass nationale Regelungen
zur Koexistenz notwendig sind. Wir werden das machen.
Wir werden das RKI und dessen Sachverstand entgegen
Ihren Äußerungen weiterhin einbeziehen. Aber wir brau-
chen eine Struktur, die den neuen Herausforderungen an-
gemessen ist. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit und das Bundesamt für Natur-
schutz sind unsere Partner. Der Sachverstand in diesen
Ämtern wird in dieser Debatte ausgesprochen hilfreich
sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Sehr gerne.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie zu den
im „Tagesspiegel“ zitierten moderaten grünen Kreisen
gehören, denen zufolge der Präsident des BfN, Herr
Vogtmann, erklärt hat, er „plädiere für ein totales Verbot
der grünen Gentechnik in der Landwirtschaft“ und dass
deswegen die Umstrukturierung des UBA zugunsten des
BfN vorgenommen werde?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Ich habe dem „Tagesspiegel“ kein Interview gegeben.
Gegebenenfalls hätte ich das auch unter meinem Namen
gemacht. Dass ich ein moderater Grüner bin, werfen mir
einige vor; andere wiederum begrüßen das. Das tut hier
aber nichts zur Sache.
Erlauben Sie mir zum Abschluss eine klare Aussage
vonseiten der Bundesregierung in Richtung Washing-
ton: Der Vorwurf, unsere Politik in der grünen Gentech-
nik produziere mehr Hunger in der Welt, ist zynisch und
muss in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Ich denke, dass an dieser Stelle mit der Regierung Bush
die Pferde durchgegangen sind.
Auf der einen Seite werden weltweit jährlich
8 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe im ländlichen
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aum aufgebracht. Der Betrag ist in den vergangenen
ehn Jahren halbiert worden. Auf der anderen Seite brin-
en wir 1 Milliarde Euro pro Tag für die Landwirtschaft
n den Industrieländern auf. Dieses Ungleichverhältnis
nd die Tatsache, dass allein die USA einen Rüstungs-
tat in Höhe von 400 Milliarden Euro haben – hinzu
ommen weitere 400 Milliarden Euro in den anderen
ändern der Erde –, tragen weit mehr zum Hunger bei
ls unsere an den Interessen der Verbraucher und des
arktes orientierte Politik im Bereich der grünen Gen-
echnik, die vorausschauend statt blind technikgläubig
wie die Positionen, die Sie regelmäßig vertreten – ist.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Christel
appach-Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Staatssekretär Berninger, ich möchte Ihnen in ei-
em Punkt ausdrücklich Recht geben: Es geht darum,
ass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Mit-
rbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden verteidigen,
enn sie ihre Aufgaben beim Vollzug der von uns verab-
chiedeten Gesetze wahrnehmen.
Ich frage Sie aber, Herr Kollege Berninger: Wo waren
ie, als Greenpeace beispielsweise die Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeiter des RKI angegriffen hat? Warum haben
ie sie nicht verteidigt? Das habe ich vermisst.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Damit komme ich zu dem Vorgang, der letztlich den
nstoß für die vorliegende Gesetzesinitiative von Rot-
rün gegeben hat. Erinnern wir uns: Im Frühjahr dieses
ahres wurde in Thüringen ein vom Robert-Koch-Institut
enehmigter Freisetzungsversuch mit pilzresistentem
eizen vorbereitet. Das Anhörungsverfahren wurde im
inklang mit EG-rechtlichen Vorschriften durchgeführt,
ie unter anderem auch den Schutz von Betriebs- und
eschäftsgeheimnissen verlangen. Greenpeace hat das
KI wegen seiner gesetzeskonformen Genehmigung des
reisetzungsversuchs kritisiert. In der Folge ist das Ver-
uchsfeld widerrechtlich zerstört worden.
Die Kritik von Greenpeace war in der Sache verfehlt.
o aber waren Sie, um dies Greenpeace mitzuteilen?
ie Regierung hat mir auf meine Anfrage hin keine Kri-
ikpunkte an der Umsetzung des Gentechnikgesetzes
urch das RKI genannt. Sie können das auf
rucksache 15/821 nachlesen.
Am 21. Mai aber wurde von den Regierungsfraktio-
en ein Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Zustän-
igkeiten verändert werden sollen. Das heißt doch:
enn Greenpeace hustet, springt Rot-Grün!
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
4814 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
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Dr. Christel Happach-Kasan
Dieser Gesetzentwurf ist die unmittelbare Folge der völ-
lig unberechtigten Kritik von Greenpeace und der Angst
von Rot-Grün, sich gegen diese sicherlich mächtige Or-
ganisation zu stellen.
Rot-Grün hat dem Druck von Greenpeace nachgege-
ben. Wir wissen jetzt: Diese Regierung verteidigt zwar
die rot-grünen Interessen, aber nicht die der Menschen in
Deutschland, die Interessen der jungen Generation, die
sich in Deutschland eine Existenz aufbauen möchte, der
arbeitsuchenden Menschen und der mittelständischen
Unternehmen, die die gentechnischen Methoden in der
Pflanzenzüchtung brauchen, um zukunftsfähige Pro-
dukte zu entwickeln.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Sie haben mir in Ihrer Antwort doch selbst mitgeteilt,
verehrte Regierung, dass bereits Unternehmen ins Aus-
land abgewandert sind.
Der Naturschutz in Deutschland wird durch die
Übertragung von Aufgaben zum Vollzug des Gentech-
nikgesetzes geschwächt. Die Betreuung von Groß-
schutzgebieten, die Erstellung Roter Listen und der
internationale Naturschutz sind die Kernaufgaben des
Bundesnaturschutzgesetzes.
Werfen Sie einmal einen Blick auf die Internetseite
dieses Amtes! Heute ist dort beispielsweise zu lesen:
„BfN-Feldhamster ‚Konstantin‘ wird zum Multimedia-
Star“. Das ist die Botschaft, die sich an die Unternehmen
richtet, die die grüne Gentechnik in Deutschland ver-
wirklichen werden. Morgen ist dann vielleicht zu lesen:
„BfN – GVO sind die Renner unter den neu zugelasse-
nen Sorten“. Auch ein Bundesnaturschutzamt muss sich
an Recht und Gesetz halten. Sonst ergeht es dem Amt
wie Minister Müller von den Grünen in Schleswig-Hol-
stein: Er ist im April dieses Jahres mit seinem Versuch,
widerrechtlich die Kennzeichnung einer Sorte zu er-
zwingen, vor Gericht mit Pauken und Trompeten durch-
gefallen. Sein Versuch, mit Behördenwillkür grüne Ideo-
logie durchzusetzen, ist gescheitert. Was lernen wir
daraus? – Wenn sich die Grünen mit grüner Gentechnik
beschäftigen, dann geht es um die Verhinderung dieser
Technologie und um sonst nichts.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Das Ganze hat nichts mit den Verbraucherwünschen
zu tun; denn wir wissen gar nicht, was die Verbraucher
wirklich wünschen. Verbraucher haben nämlich nicht die
Möglichkeit, an der Ladentheke Produkte der grünen
Gentechnik einzukaufen. Das haben Sie doch verhindert.
Wir wissen außerdem sehr gut, dass ein großer Unter-
schied zwischen dem, was Verbraucher in Umfragen an-
geben, und ihrem tatsächlichen Verhalten besteht. Die
theoretische Bereitschaft, mehr Geld für Nahrungsmittel
auszugeben, ist deutlich stärker ausgeprägt als der tat-
sächliche Griff nach teureren Produkten. Der Ökoland-
bau hat dies leidvoll erfahren.
Das Ganze hat auch nichts mit dem Schutz der Um-
welt oder dem Schutz der Gesundheit zu tun. Kollege
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erninger, Sie haben doch bestätigt, dass bis jetzt keine
chäden aufgetreten sind.
Zusammenfassend können wir daher feststellen: Eine
echnologie, die von den Grünen als Risikotechnologie
ezeichnet wird, ist besonders sicher. Es gibt andere
echnologien, die nicht so sicher sind, zum Beispiel die-
enigen, die im Bergbau eingesetzt werden.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Ich komme zum Schluss.
Die FDP fordert in Kenntnis all dieser Dinge Bundes-
anzler Schröder auf, seine Richtlinienkompetenz wahr-
unehmen und den grünen Spuk der Blockade der Gen-
echnik zu beenden.
Wir stimmen dem Resolutionsentwurf der CDU/CSU
u und lehnen den Gesetzentwurf ab.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Albert Deß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Albert Deß (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der von der Bundesregierung und der rot-grü-
en Koalition vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Re-
elung der Zuständigkeiten bei der Gentechnik löst nicht
as Kernproblem auf diesem Gebiet, nämlich die Behin-
erung der Biotechnologie und insbesondere der grünen
entechnik durch Rot-Grün. Entscheidend ist nicht, wel-
he Zuständigkeit wohin verlagert wird, sondern ob die
entechnik gefördert oder gehemmt wird. Die rot-grüne
undesregierung hat sich aber wieder einmal für die
remserrolle entschieden und vertreibt so mit Vollgas
rbeitsplätze im Biotechnologiebereich aus Deutsch-
and.
Die EU-Mitgliedstaaten waren nach EU-Recht ver-
flichtet, die neue Freisetzungsrichtlinie für transgene
flanzen binnen 18 Monaten umzusetzen. Deutschland
ätte dies durch Änderung des materiellen Rechts des
entechnikgesetzes bis Oktober 2002 tun müssen. Die
undesregierung hat aber diese Frist verstreichen lassen.
tatt im materiellen Teil des Gentechnikrechts – EU-
onform – Nägel mit Köpfen zu machen, wie es von EU-
echts wegen dringend geboten ist, beschäftigt Rot-
rün den Deutschen Bundestag mit einer Zuständig-
eitsregelung, die völlig unnötig ist und die nur weitere
ehinderungen für eine zukunftsorientierte Anwendung
er Gentechnik bringt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
it dieser Zuständigkeitswurstelei wird Rot-Grün der
edeutung der Gentechnik nicht gerecht; denn für eine
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4815
(A) )
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Albert Deß
gesicherte Ernährung der rasant wachsenden Weltbevöl-
kerung ist der Einsatz der Gentechnik unverzichtbar. Un-
endlich viele Generationen von Menschen haben sich
seit jeher bemüht, Tiere und Pflanzen zu züchten. Bis
heute wurde dadurch die Nahrungsgrundlage wesentlich
verbreitert und die Qualität verbessert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Durch gentechnische Methoden können Pflanzen mit
Resistenzmechanismen gegen Krankheit und Schäd-
linge ausgestattet werden. Es wird geschätzt, dass in den
Entwicklungsländern rund 50 Prozent der möglichen Er-
träge durch Krankheiten und Schädlinge verloren gehen.
Durch die Verbesserung der Resistenz von Kulturpflan-
zen gegen tierische Schädlinge sowie Virus- und Pilzer-
krankungen, wie sie unter anderem durch den Einsatz
gentechnischer Methoden möglich wird, könnten also
die Ernteverluste gerade in den Entwicklungsländern
entscheidend reduziert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Darüber hinaus könnte die Gentechnik helfen, Pflanzen
gegen die problematischen Einflüsse von Dürre oder
Salz tolerant zu machen, sodass sie auch auf schlechten
Böden besser wachsen.
Durch biotechnische Zuchtmethoden ist es möglich,
die Erträge von Pflanzen selbst unter widrigen Anbaube-
dingungen zu erhöhen. Eine Rekombination der pflanzli-
chen Gene kann – das ist unbestritten – zu Ernte- und Er-
tragssteigerungen bis zu 60 Prozent führen.
(René Röspel [SPD]: Wo ist denn die Quelle
für diese Behauptung?)
Einen positiven Nebeneffekt haben die bereits er-
wähnten Züchtungsziele auch auf die Umwelt. Deshalb
verstehe ich überhaupt nicht, warum die Grünen dage-
gen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Zucht von krankheits- und schädlingsresistenten so-
wie nährstoffeffizienteren Pflanzen kann zu einem deut-
lich reduzierten Einsatz von chemischen Pflanzenschutz-
mitteln und mineralischen Düngemitteln führen. So ist
beispielsweise der Einsatz von Insektiziden in Indien
oder Südafrika durch den Anbau gentechnisch behandel-
ter, insektenresistenter Baumwolle um bis zu 80 Prozent
gesunken. Ein besonders positiver Effekt ist die Tatsa-
che, dass die Flächenproduktivität der Landwirtschaft
gerade in Hungerländern durch den Einsatz gentechnisch
veränderter Pflanzen enorm gesteigert werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
So werden die Nachfrage nach neuem Ackerland und
Waldrodungen verhindert und die dort lebende Arten-
vielfalt wird geschützt. Die grüne Gentechnik bietet so-
mit große Chancen für den Naturschutz; denn das Vor-
handensein ertragreicher Sorten trägt dazu bei,
Regenwälder und Savannen zu retten.
(Matthias Weisheit [SPD]: Das war schon vor
15 Jahren falsch, was Sie gerade gesagt ha-
ben!)
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Biotechnologie und grüne Gentechnik sind für die
elternährung und für den Einsatz der nachwachsen-
en Rohstoffe unverzichtbar. Deshalb ist die rot-grüne
remserpolitik auf den Gebieten der Erforschung, Ent-
icklung und Anwendung dieser Zukunftstechnologie
erantwortungslos.
Ich bitte darum – die FDP hat ihre Unterstützung be-
eits angekündigt –, dem Antrag der CDU/CSU zuzu-
timmen. Die Umsetzung der in ihm enthaltenen Forde-
ungen würde dazu beitragen, dass Arbeitsplätze in
iesem Bereich in Deutschland erhalten bleiben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Ich erteile jetzt Herrn Bundesminister Trittin – er
öchte zu dieser Debatte Stellung nehmen – das Wort.
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte
ich nicht gemeldet, wenn Sie, Frau Abgeordnete, sich
arauf beschränkt hätten, Ihre Ablehnung von Feld-
amstern zu demonstrieren. Ich weiß nicht, was Sie ge-
en diese possierlichen Tiere haben. Sie sind vom Aus-
terben bedroht. Wir tun viel dafür, sie zu erhalten. Ich
inde, man kann dem BfN nicht vorwerfen, sich für eine
olche Tierart stark zu machen und sich zum Beispiel zu-
utze zu machen, dass sich Kinder mit diesen Tieren
dentifizieren. Das lehrt frühzeitig einen vernünftigen
mgang mit der Natur. Wenn Sie etwas gegen Hamster
aben, dann ist das Ihre Sache. Ich kann diese Auffas-
ung nicht teilen.
Zu Wort habe ich mich aus einem anderen Grund ge-
eldet. Herr Heiderich, ich muss das, was Sie hier ge-
agt haben, für die Bundesregierung und gerade für die
itarbeiter des Bundesamtes für Naturschutz in aller
eutlichkeit zurückweisen. Die Behauptung, das
undesamt für Naturschutz gehe nicht nach wissen-
chaftlichen, sondern nach ideologischen Kriterien vor,
st eine dermaßen bodenlose Unterstellung, dass ich Sie
uffordere, entweder Belege dafür vorzulegen – wenn
ie das tun, dann werde ich gegen die entsprechenden
ersonen vorgehen – oder diese Behauptung auf der
telle zurückzunehmen. Sie können diesen Vorwurf ge-
enüber diesem Amt – früher war es übrigens einmal
em Landwirtschaftsministerium zugeordnet – nicht al-
en Ernstes aufrechterhalten.
Das Bundesamt für Naturschutz war immer dafür zu-
tändig, das gesamte Monitoring der Artenvielfalt
urchzuführen. Angesichts dessen ist es sachgerecht,
ass in diesem Bundesamt auch die Einflüsse der Gen-
echnologie auf die Artenvielfalt zusammengefasst be-
andelt werden. Das hat keinerlei ideologische Gründe,
ondern ist schlicht und ergreifend ein Stück Praxis. Es
st auch praktizierter Bürokratieabbau – wir werden
leich eine Debatte zu diesem Thema führen –; denn
oppelarbeit wird verhindert.
(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Eben nicht!)
4816 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
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Bundesminister Jürgen Trittin
Ich muss auch die Behauptung, die Bundesregierung
wolle die Verbraucherinnen und Verbraucher in Sachen
Gentechnik bevormunden, mit allem Nachdruck zurück-
weisen. Das ist falsch. Genau das Gegenteil ist richtig.
Wir haben gesagt: Die Freisetzung und das Inverkehr-
bringen genveränderter Organismen können in dem Mo-
ment stattfinden, in dem für die Verbraucherinnen und
Verbraucher eine klare Kennzeichnung vorhanden ist
und in dem es klare Angaben zur Herkunft gibt. Wir
wollen die Wahlfreiheit. Sie wollen nicht Wahlfreiheit,
sondern Sie wollen den Verbraucherinnen und Verbrau-
chern etwas unterjubeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-
Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch dum-
mes Zeug!)
Das ist der Kern des Konflikts, um den es hier geht.
Wenn wir hier für Zuständigkeitsregeln sorgen, sorgen
wir dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher
tatsächlich Wahlfreiheit haben. Dann wird sich am
Markt erweisen, ob die Vorteile der Gentechnik überzeu-
gen oder nicht; da bedarf es dieses Geredes überhaupt
nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich würde mir schon wünschen, dass Sie gelegentlich
auch die industriepolitische Debatte mit im Kopf haben.
Ich bin mir nämlich nicht sicher, dass das, was beispiels-
weise von der US-Regierung immer zu der Frage vorge-
bracht wird, warum wir Verbraucherschutz und Gesund-
heitsschutz vernachlässigen sollen, tatsächlich der wahre
Kern ist und ob das wirklich im Interesse unserer Agrar-
industrie – wir haben ja auch Industrie –, unserer Saat-
züchter ist. Da habe ich erhebliche Zweifel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Damit ist die Rednerliste wieder aufgemacht. Es ha-
ben sich der Kollege Heiderich und die Frau Kollegin
Happach-Kasan gemeldet. Möchte noch jemand das
Wort? – Ich bitte Sie, sich im Interesse aller Kollegen,
die nach Hause wollen, kurz zu fassen.
Herr Kollege Heiderich, Sie haben das Wort. Bitte.
Helmut Heiderich (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht,
aber ich muss auf das, was der Minister vorgetragen hat,
replizieren.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich den Mitarbei-
tern des BfN vorgeworfen habe, ideologische Beurtei-
lungen vorzunehmen.
(Lachen des Abg. Dr. Reinhard Loske
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von
der SPD: Doch!)
– Moment! Wenn das bei Ihnen so angekommen sein
sollte, dann will ich das ausdrücklich zurücknehmen. Ich
habe mich auf das bezogen, was im „Tagesspiegel“ dazu
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esagt wird, Herr Minister. Im „Tagesspiegel“ wird aus
reisen der Grünen zitiert – das habe ich eben schon
orgetragen –, dass man vorhat, mit dieser Änderung die
rüne Gentechnik auszubremsen. Das heißt: Diejenigen,
ie aus Ihren grünen Kreisen kommen, werfen Ihnen
or, was Sie mir hier unterstellen wollen.
Wenn Sie in meine Unterlagen sehen, dann werden
ie feststellen, dass ich genau das als Argument benutzt
abe, was auch der Bundesrat schon vorgetragen hat,
nd nicht den Mitarbeitern vorgeworfen habe, ideolo-
isch Einfluss zu nehmen. Vielmehr haben Ihre Kolle-
innen Ministerinnen auf bereits getroffene Entschei-
ungen Einfluss genommen. Ich erinnere an Ihre frühere
ollegin Fischer und Ihre jetzige Kollegin Künast.
Lassen Sie mich noch drei oder vier Bemerkungen zu
em machen, was Sie angesprochen haben. Es war ge-
ade die CDU/CSU, die von Anfang an für Kennzeich-
ungsverfahren eingetreten ist. Sie haben die ganze
eit über solche Verfahren verzögert und verhindert. Ich
iederhole, was Albert Deß gesagt hat: Die Freiset-
ungsrichtlinie hätte längst umgesetzt sein müssen. Sie
ragen die Verantwortung dafür, dass sie noch nicht um-
esetzt ist
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
nd dass die Verbraucher bis heute nicht die Wahlfreiheit
aben, die sie längst hätten haben können.
Herr Minister, Sie haben eben so ganz nebenbei etwas
iederholt, was immer Argument von Greenpeace ist.
ie haben nämlich gesagt, Sie seien nicht bereit, den
esundheitsschutz zu vernachlässigen. Sehr geehrter
err Minister, nehmen Sie zur Kenntnis, dass es bei der
rage der Kennzeichnung der grünen Gentechnik nicht
m Fragen des Gesundheitsschutzes geht! Alle Wissen-
chaftler weltweit erklären unisono, dass die Produkte
er grünen Gentechnik genauso sicher und genauso ge-
und sind wie die sonstigen Produkte.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das stimmt überhaupt nicht! Das ist
Quatsch, was Sie erzählen! Blödsinn!)
Das wird unisono erklärt – mit Ausnahme von Green-
eace und von Herrn Minister Trittin. Es geht nicht um
esundheitsschutz; es geht um Wahlfreiheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ie könnten endlich dafür sorgen, dass wir Wahlfreiheit
n Deutschland haben. Ich lasse mir von Ihnen nicht vor-
alten, dass wir irgendjemandem etwas unterstellen.
Wenn Sie denn so große Aufmerksamkeit haben wol-
en, dann will ich daran erinnern – das ist eben schon ge-
agt worden –, dass sich Greenpeace bei dem Feldver-
uch in Thüringen in einer Weise verhalten hat, die eine
eaktion Ihrer Regierung erfordert hätte. Greenpeace
at nämlich einfach behauptet, die gesetzlichen Vor-
chriften, die wir geschaffen haben, reichten nicht aus;
s müsse nach Greenpeace-Recht beurteilt werden und
eswegen habe man das Recht, das Feld zu zerstören.
Man höre und staune: Vorgestern ist ein neuer Ver-
uch zerstört worden. In Freising in Bayern, in Roggen-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4817
(A) )
(B) )
Helmut Heiderich
stein, gab es einen Versuch mit dem Anbau von Kartof-
feln. Auch das Versuchsfeld ist zertrampelt worden. Das
war ein Versuch des BMBF, also, mit Verlaub, ein von
Ihrer Regierung und damit in gewisser Weise auch von
uns durchgeführter und gesponserter Versuch. Man hört
von Ihrer Seite nicht das Geringste dazu, dass es unver-
antwortlich ist, wenn man Versuche, die von der Regie-
rung durchgeführt werden, zerstört.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Herr Minister Trittin, ich will am Schluss noch einmal
darauf hinweisen, dass es der „Tagesspiegel“ war, der
Zitate von Ihnen bringt, die sich in die Richtung inter-
pretieren lassen,
(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist der „Tagesspiegel“! Nicht die
Bibel!)
dass Sie die grüne Gentechnik ausbremsen wollen. Das
steht nicht in meiner Redevorlage. Ich sage das noch ein-
mal ganz ausdrücklich, damit nicht auf die Mitarbeiter
und Beamten des BfN ein falsches Licht fällt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort zur Erwiderung hat die Kollegin Happach-
Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Schade eigentlich, Herr Minister Trittin, dass Sie die Ge-
legenheit ungenutzt verstreichen ließen. Warum haben
Sie sich nicht vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des RKI gestellt? Warum unterstellen Sie Kollegen
Heiderich, dass er den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern des Bundesamtes für Naturschutz nicht zutraue,
dass sie nach Recht und Gesetz verfahren? Ich habe in
meiner Rede ausdrücklich gesagt, dass ich diesen Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern das zutraue. Sie werden
auch danach verfahren müssen, denn sonst bekämen sie
Gerichtsverfahren an den Hals. Das werden sie nicht
wollen.
Herr Minister, Sie hätten schon einmal ein Wort zum
Robert-Koch-Institut und zu der ausgesprochen kompe-
tenten Arbeitsweise in diesem Hause sagen können.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Natürlich wissen auch Sie, Herr Minister, dass ich
Feldhamster genauso gern wie Sie mag, wahrscheinlich
sogar lieber. Ich glaube nämlich nicht, dass Ihnen Natur-
schutz tatsächlich am Herzen liegt,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
denn sonst hätten Sie dem Bundesamt für Naturschutz
nicht diese Aufgabe übertragen. Sie sollten doch eigent-
lich wissen, wofür dieses Bundesamt zuständig ist, näm-
lich für Naturschutzgroßprojekte, für internationalen Na-
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urschutz, für Natur- und Artenschutz, für Rote Listen.
ie haben genug zu tun mit diesen Bereichen, bei denen,
ie ich glaube, auch in Deutschland noch einiges im Ar-
en liegt. Daran haben grüne Minister noch nie etwas
ndern können.
Dass Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher be-
ormunden wollen, wissen wir alle. Wir wissen, dass
rüne meinen, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben.
ass das nicht stimmt, wissen wir auch. All das ist
ichts Neues. Wir wissen ebenfalls, dass grüne Minister
lles tun, um einen Erfolg der grünen Gentechnik zu ver-
iteln. Erinnern wir uns an die grüne Gesundheitsminis-
erin, die sich vor der Landtagswahl in Schleswig-Hol-
tein über die einstimmige Entscheidung der ZKBS, der
entralen Fachkommission für die Bewertung der Si-
herheit von gentechnisch veränderten Organismen, Bt-
ais zuzulassen, hinweggesetzt und damit sehr deutlich
ezeigt hat, was grüne Minister von der naturwissen-
chaftlich exakten Arbeitsweise von Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeitern halten, nämlich überhaupt gar nichts.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU)
Insofern, Herr Minister, ist es enttäuschend, was Sie
u dieser Frage hier im Plenum gesagt haben. Das lohnte
icht.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
npassung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht.
er Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
andwirtschaft empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschluss-
mpfehlung, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
n der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das
andzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthal-
ungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
ung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
timmen von CDU/CSU und FDP angenommen worden.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestell-
en Stimmverhältnis angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache
5/1360. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschlie-
ungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
en gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abge-
ehnt worden.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
irtschaft zu dem von den Fraktionen der SPD und des
4818 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Anpassung von Zuständigkeiten im Gen-
technikrecht. Unter Ziffer II empfiehlt der Ausschuss,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/996 für erledigt zu
erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Joachim Günther (Plauen), Gudrun
Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Modellregionen für Deregulierung und Büro-
kratieabbau
– Drucksache 15/1134 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Die Kollegen Fuchs und Wend haben ebenso wie der
Parlamentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch ge-
beten, ihre Reden zu Protokoll geben zu können1). Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann redet
zu diesem Tagesordnungspunkt nur die Abgeordnete
Birgit Homburger.
Birgit Homburger (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben in Deutschland circa 70 000 Gesetze, Verord-
nungen und Rechtsvorschriften. Wir haben im Arbeits-
recht, im Sozialrecht, im Steuerrecht, im Bauplanungs-
recht, im Umweltrecht viel zu viel Bürokratie. Man
könnte die Liste fortführen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Diese Bürokratie muss endlich reduziert werden.
Wenn es nach uns von der FDP-Bundestagsfraktion
ginge, wäre vieles schon längst erledigt. Wir würden auf
nationaler Ebene gerne einiges deregulieren. Aber Sie
sperren sich dagegen. Deswegen haben wir hier einen
Antrag eingebracht, um wenigstens Modellregionen zu-
zulassen, sodass wir bestimmte Dinge, die Sie auf Bun-
desebene aus ideologischen Gründen nicht haben wol-
len, wenigstens in Modellregionen ausprobieren
können.
(Beifall bei der FDP)
Ich zitiere:
Nach unserer Erfahrung bewähren sie sich sehr …
Es ist ein Instrument, um Kräfte freizusetzen. Auf
diese Weise könnte man für eine überschaubare
Zeit gesonderte … Regelungen in einem Land oder
auch in mehreren Ländern zulassen. Wir können
daraus für weitere Prozeduren lernen; denn wir
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r1) Anlage 4
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müssen den Prozess der Überwindung von Über-
bürokratie in Deutschland wirklich mit neuen Ideen
voranbringen.
as sind die Worte des Bundesministers für Wirtschaft
nd Arbeit, Wolfgang Clement, vom 30. Oktober 2002
ier in diesem Hohen Hause zum Thema Modellregio-
en.
(Beifall bei der FDP – Hans-Michael
Goldmann [FDP]: Wo ist er denn?)
Die Errichtung von Modellregionen sollte – so wurde
s uns angekündigt – wesentlicher Bestandteil des Mas-
erplans Bürokratieabbau werden. Bisher ist jedoch
ichts geschehen. Auch die Umsetzung des so genannten
ofortprogramms zum Bürokratieabbau ist bisher nicht
ngegangen worden. Ich kann nur sagen: Ich habe kein
erständnis dafür, dass man diesen Punkt hier nicht de-
attieren will.
(Beifall bei der FDP)
ch kann natürlich verstehen, dass die Redner der SPD
hre Reden zu Protokoll geben. Ich kann das nachvoll-
iehen. Bei der Bilanz, die Sie zum Bürokratieabbau
orlegen, nämlich: nur geredet, aber kein einziges Mal
ehandelt zu haben, würde auch ich mich schämen.
ann hätte ich an Ihrer Stelle auch keine Lust, darüber
eute zu reden.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Frau Kollegin, ich darf Sie einmal unterbrechen. Wir
aben vereinbart, dass die Tatsache, dass Kollegen ihre
eden zu Protokoll geben – sie waren also sehr wohl be-
eit, zu diesem Punkt zu reden –, von dem einzigen Red-
er, der sein Rederecht in Anspruch nimmt, nicht gegen
ie anderen verwendet werden darf. Daran müssen auch
ie sich halten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Birgit Homburger (FDP):
Gut, Frau Präsidentin. Ich nehme das zur Kenntnis
nd bitte Sie, das nicht auf die Redezeit anzurechnen.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Man muss
sich dafür entschuldigen, wenn man so etwas
macht! Das ist nicht sehr kollegial!)
Mittlerweile haben 80 Regionen in Deutschland ihr
nteresse als Modellregion bekundet. 36 haben laut Un-
errichtung des Bundesministeriums für Wirtschaft und
rbeit zwischenzeitlich ihre Bewerbung eingereicht.
ber es gibt noch nicht einmal von der Bundesregierung
estgelegte Kriterien für eine solche Bewerbung. Wenn
an im BMWA anruft und nach den Kriterien für eine
ewerbung sowie danach fragt, wo eine Bewerbung als
odellregion eingereicht werden kann, bekommt man
ie Antwort: Eine Bewerbung kann noch nicht einge-
eicht werden, weil es noch keine entsprechenden Krite-
ien gibt.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4819
(A) )
(B) )
Birgit Homburger
Vonseiten der Bundesregierung jedoch hören wir,
dass schon Regionen ausgewählt sein sollen. Die jüngs-
ten Erfahrungen, die beispielsweise die Region Ostwest-
falen-Lippe gemacht hat, die sich schon als Modell-
region beworben hat, also zu den 36 Regionen gehört,
die ihre Bewerbung eingereicht haben,
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das Ems-
land auch!)
sind die: Ihnen ist gesagt worden, es solle zunächst Pilot-
regionen geben, die sich als Modellregionen bewerben
dürfen. Dann ist eine Ausschreibung für einen Wettbe-
werb der Regionen geplant. Mir scheint, der Minister hat
das mit dem Bürokratieabbau nicht ganz verstanden. An-
statt dass tatsächlich Bürokratie abgebaut wird, führen
die Pläne, die uns jetzt mitgeteilt werden, zu mehr Büro-
kratie in Deutschland.
(Beifall bei der FDP)
Es gibt einen zentralen Punkt: Es wird nämlich be-
hauptet, zur Einführung der Modellregionen sei eine
Grundgesetzänderung notwendig. Das ist absoluter
Unsinn.
(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ein bisschen vor-
sichtig! Immer mit der Ruhe!)
Die FDP hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass es zur
Errichtung von Modellregionen Möglichkeiten gibt,
ohne dass es einer langwierigen Grundgesetzänderung
bedarf, und zwar durch einfachgesetzliche Öffnungs-
klauseln in den einschlägigen Bundesgesetzen. Dieses
Verfahren haben wir in unserem Antrag sauber beschrie-
ben.
Das Interessante daran ist, dass es inzwischen auch
aus dem Hause des Bundeswirtschaftsministers ein
Rechtsgutachten gibt, das genau diese Position bestätigt,
dass also keine Grundgesetzänderung erforderlich ist.
Ich frage mich, warum die Bundesregierung nicht end-
lich Abstand von dieser Forderung nimmt. Das kann ja
nur damit zu tun haben, dass man Modellregionen ver-
hindern will.
(Dr. Peter Danckert [SPD]: Oder dass die Auf-
fassung richtig ist! – Hans-Michael Goldmann
[FDP]: Oh, er hat immerhin zugehört!)
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck,
dass es an diesem Punkt unverändert eine Blockadehal-
tung der Bundesregierung gibt. Das ist völlig unverständ-
lich. Ziel muss sein, durch Modellregionen möglichst
vielfältige Erfahrungen für künftige bundeseinheitliche
Neuregelungen zu sammeln. Daher fordert die FDP auch,
dass die Auswahlkriterien weit zu fassen sind. Dabei
kann eben nicht nur das Kriterium Strukturschwäche eine
Rolle spielen. Vielmehr können auch wirtschaftsstarke
Regionen ein Interesse als Modellregion haben, um he-
rauszufinden, ob sich ihr Entwicklungspotenzial unter
veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen noch stei-
gern lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wenn
Sie also bei einem zentralen Thema, das den Menschen
in Deutschland auf den Nägeln brennt, dem Bürokratie-
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bbau, auch nur noch einen kleinen Hauch an Glaubwür-
igkeit behalten wollen, dann hören Sie mit der Ankün-
igungspolitik von Minister Clement auf. Machen Sie
ndlich Ernst mit dem Bürokratieabbau
(Dr. Peter Danckert [SPD]: Regen Sie sich
doch nicht so auf! Das ist gar nicht gut!)
nd richten Sie wenigstens die Modellregionen sofort
in.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/1134 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:
P 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Jäger, Ulrike Mehl, Michael Müller (Düsseldorf),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske,
Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN
Den Flüssen mehr Raum geben – Ökologische
Hochwasservorsorge durch integriertes Fluss-
gebietsmanagement
– Drucksache 15/1319 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
P 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Angelika Brunkhorst, Hans-Michael
Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Hochwasserschutz – Solidarität erhalten, Ei-
genverantwortung stärken
– Drucksache 15/1334 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Auch hier ist gebeten worden, die Reden, die alle
orbereitet und ausgearbeitet haben, zu Protokoll zu ge-
en, weil die Kolleginnen und Kollegen ihre Züge oder
lüge erreichen müssen. Es handelt sich um die Reden
er Abgeordneten Jäger, Blank, Petzold, Loske und
4820 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Homburger1). Sind Sie einverstanden, dass wir sie zu
Protokoll geben? – Das ist der Fall. Dann verfahren wir
auch so.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
Drucksachen 15/1319 und 15/1334 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter H.
Carstensen (Nordstrand), Dirk Fischer (Ham-
burg), Ursula Heinen, w
der Fraktion der CDU/C
Mehr Rechte für Fa
Personenverkehr
– Drucksache 15/1236
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau-
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und
Ausschuss für Verbrauchersc
Landwirtschaft
Ausschuss für die Angelegen
Auch hier besteht die Bitte,
geben. Es handelt sich um die
Teuchner, Bartol, Heinen, Höfken, Kopp und Conne-
mann2). Einverstanden? – Dann verfahren wir so.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1236 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Abweichend von der
Tagesordnung soll die Vorlage federführend im Aus-
schuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen beraten
werden. Sind Sie einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
ung des Deutschen Bun-
eptember, 10 Uhr, ein.
nnen und Kollegen eine
erpause, die hoffentlich
echungen und Rückrufen
wird. Das ist, glaube ich,
ine schöne Sommerzeit
ern auf den Rängen.
en der SPD, des
GRÜNEN und der
5 Uhr)
1) Anlage 5
Berichtig
56. Sitzung, Seite 4710 (
zweite Satz ist wie folgt zu le
kommt in der Tat zum Ausdru
Union aus gutem Grund nicht
kommunalen Strukturen die T
beralisiert wird.“
Seite 4711 (A), letzter Absa
folgt zu lesen: „Ich bin auch un
dass sie immer wieder darauf
Resolutionen des UN-Sicherhe
che zur Armutsbekämpfung be
ung
D), zweiter Absatz, der
sen: „In diesem Katalog
ck, dass die Europäische
möchte, dass für unsere
rinkwasserversorgung li-
tz, der zweite Satz ist wie
serer Ministerin dankbar,
hinweist, dass nicht nur
itsrates, sondern auch sol-
folgt werden müssen.“
eiterer Abgeordneter und
SU
hrgäste im öffentlichen
–
und Wohnungswesen (f)
Arbeit
hutz, Ernährung und
heiten der Europäischen Union
die Reden zu Protokoll zu
Reden der Abgeordneten
Ich berufe die nächste Sitz
destages auf Dienstag, den 9. S
Ich wünsche allen Kollegi
schöne und erholsame Somm
nicht von allzu vielen Unterbr
in das Parlament unterbrochen
im Interesse von uns allen. E
wünsche ich auch den Zuschau
Die Sitzung ist geschlossen.
(Beifall bei Abgeordnet
BÜNDNISSES 90/DIE
FDP)
(Schluss: 13.4
2) Anlage 6
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4821
(A) )
(B) )
und Verwaltungsvorschriften der MitgliedstaatenAndreas
fDr. Schockenhoff, CDU/CSU 04.07.2003
ür eine neue Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts-
Es ist deshalb nur zu begrüßen, dass die Kommission
dieses wichtige Thema aufgegriffen und den Vorschlag
Albert DIE GRÜNEN
Anlage 1
Liste der entschuldigte
*
*
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Altmaier, Peter CDU/CSU 04.07.2003
Andres, Gerd SPD 04.07.2003
Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 04.07.2003
Bury, Hans Martin SPD 04.07.2003
Deittert, Hubert CDU/CSU 04.07.2003
Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 04.07.2003
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.07.2003
Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 04.07.2003
Dr. Hendricks, Barbara SPD 04.07.2003
Kossendey, Thomas CDU/CSU 04.07.2003
Kramme, Anette SPD 04.07.2003
Künast, Renate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 04.07.2003
Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 04.07.2003
*
Lamp, Helmut CDU/CSU 04.07.2003
Meyer (Hamm), Laurenz CDU/CSU 04.07.2003
Mortler, Marlene CDU/CSU 04.07.2003
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 04.07.2003
Otto (Godern), Eberhard FDP 04.07.2003
Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 04.07.2003
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 04.07.2003
Raidel, Hans CDU/CSU 04.07.2003**
Schindler, Norbert CDU/CSU 04.07.2003
Schirmbeck, Georg CDU/CSU 04.07.2003
Schmidt (Ingolstadt), BÜNDNIS 90/ 04.07.2003
A
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
der NATO
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
der OSZE
nlage 2
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung über die Beschlussempfehlung
und den Bericht: Vorschlag für eine Richtlinie
des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungs-
vorschriften der Mitgliedstaaten über den Ver-
braucherkredit. (56. Sitzung, Tagesordnungs-
punkt 16)
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Konsumenten- und
reditverhalten haben sich in den letzten Jahrzehnten in
eutschland deutlich verändert. Es wird mehr konsu-
iert, gleichzeitig ist die Bereitschaft, diesen Konsum
ber Kredite zu finanzieren, gestiegen. Jeder vierte
aushalt in Deutschland ist verschuldet. Allein die Kon-
umentenkredite schlagen mit fast 7 700 Euro pro Haus-
alt zu Buche. Besonders betroffen sind junge Familien
nd arme Haushalte. Dieser Trend läßt sich nicht nur in
eutschland, sondern in fast allen Ländern der EU fest-
tellen. Die Rahmenbedingungen wurden dieser Situa-
ion bisher nicht ausreichend angepasst.
Mit der EU-Richtlinie 87/102/EWG konnte zwar
chon 1987 auf Gemeinschaftsebene ein Rechtsrahmen
ür Verbraucherkredite gesetzt werden. Diese Richtlinie
urde im Grundsatz jedoch bis heute nicht verändert
nd ist inzwischen hoffnungslos veraltet.
bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
chösser, Fritz SPD 04.07.2003
chultz (Everswinkel), Reinhard SPD 04.07.2003
eib, Marion CDU/CSU 04.07.2003
inghammer, Johannes CDU/CSU 04.07.2003
teinbach, Erika CDU/CSU 04.07.2003
immer (Neuss), Willy CDU/CSU 04.07.2003
issmann, Matthias CDU/CSU 04.07.2003
4822 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
vorgelegt hat. Wir unterstützen das Anliegen der Kom-
mission, der wachsenden Verbraucherverschuldung in
Europa entgegenzuwirken und die Voraussetzungen für
einen transparenten, grenzüberschreitenden Darlehens-
markt zu schaffen. Auf diesem gemeinsamen Darlehens-
markt muss aber ein hohes Verbraucherschutzniveau
gewährleistet sein. Der Richtlinienentwurf sieht ver-
schärfte und vor allem einheitliche Schutzmaßnahmen
gegen Missbrauch vor.
Einige der Verbraucherschutzbestimmungen der Bun-
desrepublik wurden in den Richtlinienentwurf bereits
aufgenommen. So soll ein Kreditvertrag innerhalb von
14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden
können. Kreditanbieter sollen künftig Informations-
pflichten gegenüber Kreditnehmern bezüglich aller mög-
lichen entstehenden Kosten, wie zum Beispiel Verzugs-
zinsen, unterliegen.
An einigen zentralen Punkten besteht aus unserer
Sicht jedoch noch Änderungsbedarf:
So lehnen wir eine Maximalharmonisierung, wie im
Richtlinienentwurf vorgeschlagen, ab und fordern statt-
dessen Mindeststandards auf hohem Niveau. Dadurch
würde sichergestellt, dass weiterführende nationale Re-
gelungen zum Verbraucherschutz beibehalten oder aber
ermöglicht werden.
Gegen das im Entwurf geplante zentrale Schuldnerre-
gister, ähnlich der Schufa, haben wir datenschutzrech-
liche Bedenken. Es fehlen auch Schutzmechanismen ge-
gen fehlerhafte Eintragungen.
Der wichtige Bereich der Immobilienkreditgeschäfte
muss in die Richtlinie aufgenommen werden. Gerade bei
dieser Art von Krediten wird sich der Verbraucher auch
EU-weit nach günstigen Angeboten umsehen.
Um eine unnötige Bürokratisierung und Kosten für
Verbraucherinnen und Verbraucher zu verhindern, sollen
Kredite unter 400 Euro nicht in den Geltungsbereich der
Richtlinie fallen.
In dem Richtlinienentwurf sind keine klaren Regelun-
gen für verbundene Geschäfte enthalten. Das wollen wir
ändern. Wenn zwischen dem Kreditvertrag und dem Ver-
trag, der mit diesem Kredit finanziert wird, eine wirt-
schaftliche Einheit besteht, müssen bei einem Widerruf
des Vertrages beide Verträge nichtig sein. Ansonsten
wäre der Verbraucher gezwungen, eine andere Finanzie-
rungsmöglichkeit für das erhaltene Produkt zu suchen.
Unser Ziel ist es, die Rahmenbedingungen so zu
gestalten, dass Kreditangebote in der EU unter den best-
möglichen Bedingungen für Anbieter und für Darlehens-
nehmer verhandelt werden können. Um dies sicher-
zustellen, hat meine Fraktion den vorliegenden
fraktionsübergreifenden Änderungsantrag zum Richt-
linienentwurf initiiert und auf den Weg gebracht.
Wir haben in der EU bereits viel erreicht. Wir haben
den Binnenmarkt. Wir haben den Euro. Durch die Ver-
einheitlichung der Währungen hat die EU einen Schub
erhalten und ist fester zusammengewachsen.
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Der gemeinsame Darlehensmarkt stellt jedoch immer
och einen weißen Fleck auf der Harmonisierungsland-
arte der EU dar. Das ist nicht zeitgemäß. Das werden
ir ändern.
Wir brauchen einheitliche Rahmenbedingungen für
arlehensgeber und Darlehensnehmer in Europa. Wir
rauchen gleiche Wettbewerbschancen und wir brauchen
or allem auch bessere Schutzmechanismen für die Ver-
raucherinnen und Verbraucher.
Wir haben das alles heute noch nicht. Es gibt keine
leichen Wettbewerbschancen. Wir haben Wettbewerbs-
erzerrungen, die sich gerade auch durch den Einsatz der
euen Kommunikationstechnologien täglich verstärken
nd keineswegs im Interesse der Verbraucherinnen und
erbraucher liegen.
Über das Internet ist der Zugang zum gemeinsamen
arlehensmarkt für viele Verbraucherinnen und Ver-
raucher überhaupt erst möglich geworden. Sie müssten
igentlich die Gewinner auf dem gemeinsamen Darle-
ensmarkt sein. Denn sie sind nicht mehr auf die natio-
alen Märkte beschränkt, sondern können jetzt sehr
chnell und relativ problemlos aus einem deutlich größe-
en europaweiten Angebot den für sie günstigsten Kredit
uswählen.
Schön wäre es, wenn es nicht den Haken bei der Ver-
leichbarkeit der einzelnen Angebote gäbe. Zins ist
ämlich nicht gleich Zins. Jahrelang hat man sich in der
U mit den Berechnungsmodalitäten für den effektiven
ahreszins herumgeplagt. Bis heute fehlt jedoch eine ein-
eitliche Bemessungsgrundlage, die es den Verbrauche-
innen und Verbrauchern ermöglicht, die einzelnen An-
ebote tatsächlich zu vergleichen. Weil es keine
inheitlichen Kriterien gibt, können sich heute bis zu
weistellige Differenzen bei der Berechnung des Pro-
entsatzes ergeben.
Was in einem Mitgliedstaat legal ist, kann in einem
nderen als Straftat verfolgt werden. In Deutschland gilt
in Zinssatz, der den durchschnittlichen Zinssatz um no-
inal 12 Prozent übersteigt als Wucher und ist strafbar.
n Großbritannien hingegen sind unter Umständen Zins-
ätze bis zu 48 Prozent erlaubt. Ein buntes Durcheinan-
er offenbart sich den Akteuren auf dem gemeinsamen
arlehensmarkt auch bei den Rechtsvorschriften der
inzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der für den Wi-
erruf, für Bedenkzeiten oder die Nichterklärung von
reditverträgen geltenden Verfahren und Fristen. Kre-
itgeber verirren sich im Dschungel der unterschied-
ichen Karenzzeiten. Verbraucher sind, abhängig vom
ohnsitz, mit abweichenden Vollstreckungsverfahren
nd -fristen konfrontiert.
So sieht es heute aus. Das alles passt jedoch schon
ange nicht mehr in das Bild eines starken Europas. Mit
em Richtlinienentwurf und unseren Änderungsvor-
chlägen werden diese Probleme erneut angepackt und
iner Lösung zugeführt. Ich bin mir sicher, dass wir mit
nserer Initiative und der geänderten Verbraucherkredit-
ichtlinie die nötige Transparenz und Sicherheit für die
kteure auf dem gemeinsamen Darlehensmarkt durch-
etzen und mehr Vertrauen erzielen aber auch mehr
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4823
(A) )
(B) )
Wettbewerb verbunden mit Wachstumsimpulsen in Eu-
ropa bewirken werden.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Wirksamen Zi-
vil- und Katastrophenschutz schaffen (Tages-
ordnungspunkt 21)
Gerold Reichenbach (SPD): Zu Beginn der 90er-
Jahre wurde der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz
massiv zurückgefahren. Man war der Meinung, dass er
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks praktisch nicht
mehr gebraucht würde. In dieser Zeit wurde der Bevöl-
kerungs- und Katastrophenschutz nicht nur finanziell ab-
gebaut, sondern Sie haben damals Strukturen zerschla-
gen, deren Unverzichtbarkeit sich heute zunehmend
erweist.
Beispiel Sirenen. Damals wurde es in das Belieben
der Länder gestellt, ob der Betrieb der Sirenen beibehal-
ten wird oder nicht. Ergebnis: Die meisten Länder haben
ihre Sirenen verrotten lassen. Weitere Beispiele: einheit-
liche Schulung der Führungskräfte einheitliche Füh-
rungsvorschriften. – Alles abgeschafft zu der Zeit, in der
Sie in der Bundesregierung waren.
Seit Beginn unserer Regierungszeit, 1998, wird der
Bevölkerungs- und Katastrophenschutz wieder schritt-
weise aufgebaut. Die Erfahrungen vom 11. September
und die Elbe-Flut haben die Maßnahmen, die seither er-
griffen wurden, intensiviert. Eingeleitet wurden sie aber
schon früher. Allein beim THW ist 2002 der Haushalt
seit 1997 um rund 40 Prozent auf 132 Millionen Büro
gestiegen.
Wir machen unsere Hausaufgaben. Tun Sie es da, wo
Sie politische Verantwortung tragen. Ich nenne Ihnen
nur ein paar Beispiele.
Erstens. Sie fordern den Bund auf, Maßnahmen zu er-
greifen, zum Beispiel die Verbesserung der Kommunika-
tion zwischen Katastrophenschutzbehörde, technischer
Einsatzleitung, Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr. Der
Bund hat seine Hausaufgaben gemacht: Die Verbin-
dungsoffiziere der Bundeswehr werden an der AKNZ
(Akademie für Katastrophenschutz, Notfallplanung und
Zivilschutz in Bad Neuenahr) in der Zusammenarbeit
ausgebildet. Die technische Ausstattung des THW
wurde erweitert und mit den anderen Hilfsorganisatio-
nen abgestimmt. Was Feuerwehr, Polizei und Katastro-
phenschutzbehörden angeht, müssen die Länder han-
deln! Wenden Sie sich an Ihre politischen Freunde in den
von Ihnen regierten Ländern. Hier sehe ich in der Tat
Handlungsbedarf.
Zweitens. Sie fordern wortreich und in semantischen
Variationen, dass der Bund seine Koordinierungsaufga-
ben und seine Steuerungsfunktion wahrnehmen soll. Der
Bund hat hier eine positive Leistungsbilanz vorzuweisen:
Auf- und Ausbau eines satellitengestützten Warnsystems;
Aufbau des GMLZ; Aufbau der deNIS; Erweiterung des
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usbildungsprogramms der AKNZ; Wiederaufnahme der
rste-Hilfe-Ausbildung. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Und wir werden noch in diesem Jahr ein Bundesamt
ür Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, BBK,
inrichten. Auch hier: Der Bund hat seine Hausaufgaben
emacht und macht sie weiter. Sorgen Sie dafür, dass
ort, wo Sie in den Ländern vertreten sind, die Hausauf-
aben auch gemacht werden.
So fehlen bis heute von manchen Ländern wichtige
aten für die Internetplattform deNIS. Diese Daten sind
ber die Voraussetzung für ihr Funktionieren.
Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel: Sie fordern,
ass der Bund für einheitliche Führungsstrukturen sor-
en möge. Das ist wirklich amüsant.
Wir haben die gemeinsame Dienstvorschrift, die DV 100,
ntwickelt. Für die Feuerwehren wurde sie in allen Län-
ern umgesetzt. Ausnahme: Bayern! Sorgen Sie doch
rst einmal dafür, dass Ihre Parteifreunde in Bayern die
V 100 auch bei ihren Feuerwehren einführen!
Sie möchten, dass der Bund seine Gefährdungsana-
yse mit der Gefährdungsanalyse der Länder abstimmt.
ut. Nun ist zu erfahren, dass die Gefährdungsanalyse
es Landes Baden-Württemberg frühestens 2006 vorlie-
en wird. Wir treiben sie auf Bundesebene voran. Also
orgen Sie dafür, dass da, wo Sie Verantwortung tragen,
uch die Hausaufgaben zügig erledigt werden!
Drittens. Sie fordern, dass der Bund den Katastro-
henschutz auf den neuesten technischen Stand bringen
oll. Der Bund macht das. Das THW hat ein breites In-
estitionsprogramm aufgelegt, um seine Ausstattung den
euen Gefahrenlagen und den modernsten Anforderun-
en anzupassen. Die unendliche Geschichte um die Ein-
ührung des modernen Digitalfunks wurde nicht vom
und verschuldet. Es sind die Länder, die hier seit Jah-
en zögern, Geld in die Hand zu nehmen. Erst vergan-
ene Woche ist hier, auf Initiative des Bundeskanzlers,
ndlich wieder Bewegung in die Sache gekommen.
uch hier macht der Bund seine Hausaufgaben. Sorgen
ie dafür, dass da, wo Sie Verantwortung tragen, auch
ie Hausaufgaben zügig erledigt werden!
Viertens. Es gibt das Problem, dass die Zweiteilung
wischen dem Zivilschutz als Bundesangelegenheit und
em Katastrophenschutz als Länderangelegenheit den
eutigen Gegebenheiten nicht mehr voll gerecht wird.
ber: Ihr Ruf, das Grundgesetz zu ändern und die Bun-
eswehr im Zivil- und Katastrophenschutz einzusetzen,
öst dieses Problem nicht. Nach Art. 35 GG kann die
undeswehr ja bereits Amtshilfe leisten und sie macht
as auch. Und sie macht das auch gut, wie spätestens seit
er Elbe-Flut allen Bürgerinnen und Bürgern bekannt ist.
Und noch etwas: Der Zivil- und Katastrophenschutz
at das Potenzial und kann seine Aufgaben wahrnehmen.
r kann es in vielen Bereichen sogar besser, als Sie in Ih-
em Antrag unterstellen. Ich nenne nur das Thema ABC-
pür-Fahrzeuge: Der Zivilschutz verfügt über 340 solcher
ahrzeuge, die technisch das Gleiche leisten können wie
er Fuchs-Spürpanzer und teilweise sogar moderner
ind. Sie wurden übrigens vom Bund angeschafft. 2001,
4824 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
nur 4 Wochen nach dem Terroranschlag in den USA,
wurden die ersten Fahrzeuge ausgeliefert. Die Bundes-
wehr verfügt nur über etwas mehr als 100 speziell für
den Kriegsfall konstruierte Fahrzeuge. Dazu stellt sich
die Frage, ob diese Fahrzeuge im Katastrophenfall über-
haupt verfügbar wären. Wir wissen, dass wir auf abseh-
bare Zeit mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr leben
müssen. Die Kräfte, die hier gebunden sind, sind aber für
den Zivilschutz nicht verfügbar.
Das Gleiche gilt für die Deichverteidigung: 60 Pro-
zent der Einsatzkräfte waren Rekruten der Bundeswehr.
Das Know-how aber lag und liegt bei den hauptamtli-
chen und ehrenamtlichen Katastrophenschutzkräften von
Feuerwehr, THW, DLRG und anderen. Rekruten mit
neunmonatiger Ausbildung können das gar nicht leisten,
auch Berufssoldaten nicht, die für ganz andere Aufgaben
ausgebildet werden. Deshalb: Es ist und bleibt nur sinn-
voll, die Bundeswehr subsidiär einzusetzen.
Ich fasse zusammen: Die Koalition von SPD und
Grünen hat seit 1998 auf Bundesebene den Bevölke-
rungs- und Katastrophenschutz verbessert. Die Koalition
wird das aus Verantwortung für die Bevölkerung auch
weiterhin tun. Die bestehenden Lücken werden wir
schließen. Wir werden das Thema Luftsicherheit ange-
hen und lösen.
Auch beim Terror-Fall werden wir die Lücke schlie-
ßen, die dadurch entstehen kann, dass dieses Szenario
weder ein Verteidigungsfall noch ein Katastrophenfall
ist. Das praktische Problem gibt gibt es übrigens nicht
erst seit dem 11. September. Es ist heute nur bewusster
geworden. Die Auswirkung eines Absturzes einer Zivil-
maschine zum Beispiel auf Biblis sind die gleichen, un-
abhängig davon, ob sie gezielt oder aus technischem
oder menschlichem Versagen herbeigeführt wurden. Um
solchen Lagen wirksam begegnen zu können, muss man
sich wirklich im Detail darüber unterhalten, inwieweit
die Kompetenzen neu geregelt werden müssen. Auch
hier sind die Länder mit gefordert. Ein entsprechender
Arbeitsauftrag liegt übrigens in der Innenministerkonfe-
renz.
Nehmen Sie in den Ländern, in denen Sie die Regie-
rung stellen, Ihre Verantwortung wahr! Nehmen Sie die
Angebote, die der Bund macht, GMLZ, deNIS, usw.,
auch endlich wahr! Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Sie
hätten den Antrag besser dort eingebracht, wo Sie selbst
die politische Verantwortung für einen wirksamen Be-
völkerungs- und Katastrophenschutz tragen.
Wir machen unsere Hausaufgaben für den Schutz un-
serer Bevölkerung und wir machen sie ordentlich und
zügig!
Beatrix Philipp (CDU/CSU): Irren ist menschlich,
sagt ein Sprichwort. Zuzugeben, dass man sich geirrt
hat, fällt manchem sehr schwer. In der Politik geschieht
dies ganz selten, was sicherlich nicht gerade zur Glaub-
würdigkeit der handelnden Personen beiträgt. Aber ent-
scheidend ist, dass man die Konsequenzen zieht, wenn
man einen Irrtum erkannt hat. Damit scheint es bei der
Regierungskoalition nicht weit her zu sein.
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Ich setze dies an den Anfang unserer Debatte, weil es
ereiche gibt, in denen es unübersehbare Folgen hat,
enn man es unterlässt, Konsequenzen zu ziehen. Einer
er Bereiche, in denen Untätigkeit im wahrsten Sinne
atastrophale Folgen hat, ist der Bereich des Zivil- und
atastrophenschutzes. Die Menschen haben einen An-
pruch darauf, dass wir alles – aber auch wirklich alles –
nternehmen, um für die unterschiedlichsten Katastro-
hen- und Bedrohungslagen Vorsorge zu treffen.
Dabei denke ich nicht nur an die Bevölkerung, die auf
ns und unser Handeln angewiesen ist, sondern auch an
ie vielen tausend Menschen, die in Gefahrensituationen
hr Leben für andere aufs Spiel setzen. Das sind sowohl
auptamtliche als auch Ehrenamtliche, deren Engage-
ent viel zu wenig gewürdigt wird.
Nun wird niemand in diesem Haus bestreiten, dass
as Thema Zivil- und Katastrophenschutz immer wieder
it sehr unterschiedlicher Intensität diskutiert wurde.
ach dem Fall der Mauer und dem damit verbundenen
efühl, dass wir uns nun in einer gewissen Sicherheit
iegen dürfen, was die Bedrohung von außen angeht,
urden die Mittel für den Zivil- und Katastrophenschutz
rastisch gekürzt. Manche – ich denke da an die Fraktion
er Grünen -glaubten sogar, auch die innere Sicherheit
ei mehr als stabil und waren der Ansicht, auf den Bun-
esnachrichtendienst bzw. den Verfassungsschutz ver-
ichten zu können. Wäre man ihnen gefolgt, nicht auszu-
enken!
Mittlerweile hat sich das Bewusstsein und die Sensi-
ilität für mögliche Bedrohungen bei der Bevölkerung
nd auch bei uns massiv verändert.
Spätestens seit dem 11. September 2001, aber auch
ach den Erfahrungen mit der Flutkatastrophe im Som-
er 2002 und nicht zuletzt durch den Flugzeugzwi-
chenfall in Frankfurt/Main, der glücklicherweise
limpflich verlief, dürfte allen klar sein, dass unser zwei-
eteiltes nationales Notfallvorsorgesystem solchen Er-
ignissen angepasst werden muss.
Die bisherige Verteilung der Kompetenzen auf Län-
er und Kommunen auf der einen Seite und dem Bund
uf der anderen Seite ist dringend revisionsbedürftig,
ie uns die Praxis gelehrt hat und wie es vorstellbare
edrohungsszenarien erst recht erforderlich machen. Ich
abe für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in jeder
aushaltsplanberatung auf den dringenden Handlungs-
edarf hingewiesen, zuletzt im März dieses Jahres von
ieser Stelle aus – leider mit nur wenig Erfolg, wie man
m Haushalt sieht.
Selbst der dringende Appell des früheren SPD-Ober-
ürgermeisters von Köln Norbert Burger im September
001, die Planungen für den Haushalt 2002 im Bereich
es Zivilschutzes zu überdenken und von Kürzungen ab-
usehen, hat die Regierung nicht beeindrucken können.
Ich zitiere aus seinem Schreiben, das er als Vorsitzen-
er der ständigen Konferenz für Katastrophenvorsorge
nd Katastrophenschutz an die damalige Vorsitzende des
nnenausschusses gerichtet hat:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4825
(A) )
(B) )
„Die erschreckenden Attentate in den Vereinigten
Staaten am 11. September haben uns allen vor Augen ge-
führt, wie verletzlich eine zivile Gesellschaft durch ihre
eigenen technischen Errungenschaften und ihre Offen-
heit geworden ist. Die Konsequenzen dieser Anschläge
mit rund 6 000 Toten und über 2 000 Verletzten zeigen
auf, mit welchen Ausmaßen der Staat rechnen muss, der
nun einmal für die Maßnahmen zum Schutz der Gesell-
schaft vor den Auswirkungen terroristischer Gewalt ver-
antwortlich ist.“
Auch wenn vielleicht die Neigung groß ist, anzuneh-
men, dass Europa und Deutschland nicht unmittelbares
Ziel terroristischer Aktivitäten sein wird, nationale und
internationale Informationen sollten uns beunruhigen
und zumindest Anlass genug sein, massive Vorsorge zu
treffen, die neben ernsthafter Arbeit auch einen gewissen
Zeitvorlauf erforderlich macht. Wir gehen heute davon
aus, daß die Vorbereitungen des Anschlages in New
York circa 2 Jahre gedauert haben.
Internationale Sicherheitsexperten stehen verständ-
nislos vor der fast als sorglos zu bezeichnenden Haltung
der europäischen Länder. Dabei ist und bleibt Europa in
fast allen Fragen seiner Sicherheit auf die USA angewie-
sen. So führt Jonathan Stevenson, Fachmann für Terro-
rismusbekämpfung des Internationalen Instituts für stra-
tegische Studien in London, in einem sehr lesenswerten
Artikel im „Rheinischen Merkur“ vom 17. April dieses
Jahres aus:
„In keiner anderen Frage sind die Unterschiede zwi-
schen Europa und Amerika deutlicher als auf dem Ge-
biet der inneren Sicherheit. Während sich die USA zu
energischen neuen Sicherheitsmaßnahmen durchrangen,
unternehmen die Europäer sichtlich weniger, um ihre
Einreisebestimmungen zu verschärfen oder die Grenz-
kontrollen zu verbessern. Die schwachen europäischen
Maßnahmen auf dem Gebiet der inneren Sicherheit ma-
chen die USA stärker verwundbar, während gleichzeitig
die amerikanischen Sicherheitsmaßnahmen Europa stär-
ker verwundbar machen. Wenn europäische Politiker
dieser Realität nicht ins Auge sehen und die Zusammen-
arbeit nicht intensivieren, werden die Staaten auf beiden
Seiten des Atlantiks weiterhin großen Risiken ausgesetzt
sein.“
Diesen Aspekt habe ich bisher in keiner Debatte so
eindringlich betont gesehen.
Der dramatische Kurswechsel in der amerikanischen
Sicherheitspolitik nach dem 11. September, die Einrich-
tung eines „Heimatschutzministeriums“ und ein Etat von
40 Milliarden Dollar für die innere Sicherheit machen
die USA insgesamt sicherer. Diese Maßnahmen bewir-
ken aber auch, dass Europa ein immer lohnenderes Ziel
für Terroristen wird. Eine Veränderung der Strategien
der Terroristen haben wir schon erleben müssen: es sind
die „weicheren“ Ziele, Urlaubsgebiete – der Straßburger
Weihnachtsmarkt –, die neuerdings ins Visier genommen
werden.
Kurz: Wir brauchen eine erheblich intensivere, euro-
päische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Terroris-
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usbekämpfung und im Zivil- und Katastrophenschutz,
er sich heute davon leider nicht trennen lässt.
Frankreich, Italien und Großbritannien haben sehr
chnell auf die Ankündigungen Bin Ladens im Novem-
er des vergangenen Jahres reagiert, in denen er Ziele
ußerhalb Europas ankündigte.
Wir debattieren seit Jahren die Kompetenzen von Eu-
opol und die Frage, wer die längst überfällige Einfüh-
ung des digitalen Sprechfunks bezahlt. Völlig überal-
ert, mit analogen Geräten aus den 70er-Jahren, abhörbar
nd auf unterschiedlichen Frequenzen innerhalb
eutschlands, wird derzeit technisch „getrommelt“ –
on europäischer Harmonisierung ganz zu schweigen!
Nicht einmal auf die Ausschreibung kann man sich
erständigen, schon gar nicht mehr das vom Innenminis-
er angepeilte Datum der Fußball-Weltmeisterschaft im
ahre 2006 erreichen, wie wir unlängst hier und im In-
enausschuss erfuhren. Das ist ein Skandal.
Wenn wir heute nun einen recht umfassenden Antrag
orlegen, dann ist er das Ergebnis zahlreicher Gespräche
it Fachleuten und mit Betroffenen, das Ergebnis diver-
er Anfragen an die Bundesregierung und schließlich
uch Konsequenz aus unterschiedlichsten Berichten,
um Beispiel der Schutzkommission beim Bundesinnen-
inister. Dieser Antrag dürfte Ihrem Wunsch nach inten-
iven, fachlich fundierten Vorschlägen der Opposition,
ie Sie auf unterschiedlichsten Gebieten ja immer wie-
er einfordern, in jeder Beziehung gerecht werden.
In der Vorbemerkung unserer Anfrage, die die Bun-
esregierung im Februar dieses Jahres beantwortet hat
nd die bei oberflächlichem Hinsehen den falschen Ein-
ruck erwecken könnte, es sei alles in Ordnung, haben
ir ausgeführt, erforderlich seien unter anderem „ein
erändertes strategisches Vorgehen, ein gemeinsames
efahren-Management von Bund und Ländern sowie
ine stärkere Bündelung der Einsatzpotenziale aller Ver-
altungsebenen.“
An diesem Ziel hat sich nichts geändert.
Das heißt ganz konkret: Erstens. Die Kräfte und Mit-
el der inneren und äußeren Sicherheit müssen enger als
isher miteinander verzahnt werden.
Hierzu gehört ein Gesamtverteidigungskonzept, in
as Polizei, Bundesgrenzschutz, Katastrophenschutz und
undeswehr einzubeziehen sind.
Zweitens. Die einschlägigen Vorschriften, vor allem
ie des Zivilschutzgesetzes, sind so zu novellieren, dass
eben Aufgaben zum Schutz vor kriegerischen Ausei-
andersetzungen auch Aufgaben im Zusammenhang mit
nderen Angriffen von nationaler Bedeutung wahrge-
ommen werden können.
Drittens. Die Gefährdungsanalyse des Bundes ist mit
en Gefährdungsanalysen der Länder abzustimmen.
Viertens. Die Bundesregierung muss mit Nachdruck
afür Sorge tragen, dass im Sinne einer ganzheitlichen
nd integrierten Gefahrenabwehr eine einheitliche Füh-
ungsdienstvorschrift in den Ländern auf allen Ebenen
nerkannt und umgesetzt wird.
4826 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Fünftens. Es ist erforderlich, dass ausreichende
Rechtsgrundlagen geschaffen werden, damit die Bundes-
wehr Unterstützungsleistungen für die Bundesländer,
insbesondere für die Bereiche mit atomaren, biologi-
schen und chemischen Gefahren, Sanitätswesen und
Kommunikation, im Hinblick auf einen terroristischen
Angriff erbringen kann.
Sechstens. Im Fall eines internationalen Terroran-
schlages mit radioaktiven Substanzen sowie biologi-
schen oder chemischen Kampfstoffen ist Deutschland
nur unzureichend vorbereitet. Für derartige Szenarien
sind durch den Bund zentrale Vorplanungen zu erstellen,
um nicht zuletzt einen einheitlichen Schutz der Bevölke-
rung in der gesamten Bundesrepublik zu gewährleisten.
Dies betrifft besonders die präventiven Planungen zur
Sicherstellung von Energie – Strom, Gas und Wärme –,
Wasser und Ernährung.
Siebtens. Die Infrastruktur nicht nur bei ABC-Lagen,
sondern insbesondere auch bei einer Vielzahl von Be-
troffenen – medizinische Versorgung, Transport, Unter-
bringung und Betreuung – muss der veränderten Bedro-
hungslage angepasst werden.
Achtens. Angesichts der Lücken im Warnsystem sind
endlich Lösungen zur unmittelbaren Warnung der Be-
völkerung zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben.
Neuntens. Zur Verbesserung der Selbsthilfefähigkeit
der Bevölkerung müssen wichtige Inhalte des Selbst-
schutzes und der ersten Hilfe in verstärktem Maße brei-
ten Bevölkerungskreisen vermittelt werden.
Zehntens. Es ist ein Ausbildungssystem für den Be-
reich „Selbsthilfe“ zu entwickeln.
Bereits eingangs habe ich auf den hohen Stellenwert
des Engagements der Tausenden von ehrenamtlichen
Helfern hingewiesen. Ohne ihr Engagement, ihren Ver-
zicht auf Freizeit zugunsten der Gemeinschaft und im
wahrsten Sinne des Wortes tatkräftige Solidarität wäre
unsere Gesellschaft nicht nur ärmer, sondern auch unfä-
hig, sich den drängenden Aufgaben im Bereich des Zi-
vil- und Katastrophenschutzes zu stellen.
Ihnen müssen aber nicht nur unsere Anerkennung und
unser Dank gelten, sondern ihnen gegenüber sind wir
auch verpflichtet, Bedingungen und Ausstattungen zur
Verfügung zu stellen, die ihnen eine Bewältigung ihrer
Aufgaben erst möglich machen. Daher ist ebenso erfor-
derlich:
Erstens. Die Zusammenhänge zwischen Wehrdienst,
Zivildienst und Katastrophenschutz sind zu berücksichti-
gen. Da eine Vielzahl der Helfer insbesondere des THW
und der Hilfsorganisationen anstelle des Wehrdienstes
Dienst bei den Hilfsorganisationen während einer mehr-
jährigen Verpflichtungszeit leisten, ist die Kürzung der
Einberufungskontingente kontraproduktiv. Die schlei-
chende Aushöhlung von Wehrdienst und Zivildienst ist
abzuwenden.
Zweitens. Die Rechengröße der zeitlichen Verfügbar-
keit der Helfer mit ergänzender Ausbildung im Zivil-
schutz – die Verpflichtungszeit bei einer Katastrophen-
schutzorganisation beträgt sechs Jahre, man geht aber
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lanerisch von einer Zeitspanne von zehn Jahren aus –
st den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.
Drittens. Unabhängig davon sind zur Gewinnung und
achhaltigen Motivation von ehrenamtlichen Helfern
eitgemäße Anreizsysteme zu schaffen.
Die Ernsthaftigkeit, mit der wir uns mit diesem
hema befassen müssen, lässt keinen Raum für parteipo-
itische Auseinandersetzungen. Wir begrüßen es daher,
ass der Bundesinnenminister beabsichtigt, ein neues
undesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz
inzurichten. Wir sind gerne bereit, im Rahmen der Aus-
chussarbeit konstruktiv an einem wirksamen Zivil- und
atastrophenschutz mitzuarbeiten und vertrauen auf die
insicht der Regierungskoalition, dass endlich konkret
ehandelt werden muss.
Gisela Piltz (FDP): Deutschland ist in der Tat
chlecht vorbereitet auf Katastrophen wie auch auf mili-
ärische und terroristische Angriffe. Veraltetes Material,
angelnde Koordination und Kompetenzgerangel stei-
ern noch die Gefährdung der Bevölkerung. Daher kann
an vernünftigerweise dem Antrag der Unionsfraktion
ort nicht widersprechen, wo er diese Missstände auflis-
et und grundsätzliche Verbesserungen fordert. Doch
uch die Union bleibt die Antwort darauf schuldig, was
onkret zu tun ist. Einmal mehr fällt ihr ein, die Kompe-
enzen der Bundeswehr im Innern zu erweitern. Das aber
st keine Lösung.
Die Bevölkerung bedarf zu ihrem Schutz vor allem
reierlei: erstens kompetentes und gut ausgerüstetes
ilfspersonal, zweitens profunde Kenntnisse zum
elbstschutz und drittens eine klare Kompetenzvertei-
ung, um schnelle Hilfe richtig zu koordinieren.
Der Deutsche Städtebund und der Feuerwehrverband
aben bereits Ende 2001 gefordert, die strikte Trennung
wischen Zivil- und Katastrophenschutz aufzuheben.
er Zivil- und Katastrophenschutz ist eine Aufgabe, die
ur von Bund und Ländern gemeinsam bewältigt werden
ann. Dabei ist – gerade vor dem Hintergrund möglicher
erroranschläge – eine klare Einteilung in Zivil- und Ka-
astrophenschutz kaum mehr möglich. Die Kompetenzen
üssen daher gebündelt werden, um im Notfall schnell
andeln zu können.
Doch nicht nur innerhalb Deutschlands müssen die
uständigen Behörden und Verbände gut zusammenar-
eiten. Terrorismus macht nicht an nationalen Grenzen
alt. Nicht Deutschland allein, sondern Europa muss
ich wappnen. Nur gemeinsame Übungen, wie von der
nion vorgeschlagen, werden hier nicht ausreichen. Der
ivil- und Katastrophenschutz ist eine europäische Auf-
abe, die nur durch konsequente Zusammenarbeit be-
ältigt werden kann. Die Bundesregierung muss darauf
rängen, dass einheitliche Standards geschaffen werden.
as Beispiel der inkompatiblen Digitalfunkstandards in-
erhalb Europas zeigt, dass hier dringender Handlungs-
edarf besteht.
Kompetente Helfer brauchen eine solide Ausbildung.
s ist gut, dass die Bundesregierung die Akademie für
risenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz aus-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4827
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baut. Doch müssen auch die vielen Helfer vor Ort eine
gute Ausbildung an modernen Geräten erhalten. Hierbei
müssen die Kommunen, die für den lokalen Katastro-
phenschutz zuständig sind, unterstützt werden.
Doch die beste Ausbildung nützt nichts, wenn die
Ausstattung veraltet ist. Die Anstrengungen der Bundes-
regierung, moderne Fahrzeuge und Geräte anzuschaffen,
müssen intensiviert werden.
Schließlich ist der Selbstschutz wesentlich. Die Be-
völkerung muss in die Lage versetzt werden, eigenver-
antwortlich in Katastrophenlagen zu reagieren. Umfas-
sende Aufklärung ist bereits in den Schulen und
insbesondere am Arbeitsplatz notwendig. Panikmache
aber wird dem Thema nicht gerecht und wirkt kontrapro-
duktiv. Wer panisch – gemacht – ist, kann nicht beson-
nen reagieren. Es gibt vielfältige Gefahren. Eine davon
ist, dass im tatsächlichen Katastrophenfall das Hilfssys-
tem unzureichend funktioniert. Dieser Gefahr müssen
wir begegnen, und zwar mit konkreten Forderungen. Der
Antrag der Union listet die Problempunkte auf und bleibt
im Wesentlichen die Antworten schuldig. Das reicht
nicht aus.
Daher können wir dem Antrag nicht zustimmen.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Innern: Deutschland hat ein funktionie-
rendes Hilfeleistungssystem. In ihm arbeiten der Bund
und die für den Katastrophenschutz zuständigen Länder
gemeinsam mit den Hilfsorganisationen und Feuerweh-
ren eng und wirkungsvoll zusammen. Rückgrat und Ba-
sis dieses Hilfeleistungssystems ist – das zeichnet das
deutsche Notfallvorsorgesystem besonders aus – das eh-
renamtliche Engagement. Die freiwilligen Feuerwehren
haben über 1,2 Millionen Mitglieder. Fünf Freiwilligen-
organisationen – das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-
Samariter-Bund, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesell-
schaft, die Johanniter-Unfall-Hilfe, der Malteser Hilfs-
dienst – ergänzen dieses System mit noch einmal einer
halben Million ehrenamtlicher Helferinnen und Helfern.
Der Bund bringt durch die Bundesanstalt Technisches
Hilfswerk rund 70 000 wiederum freiwillig tätige Helfe-
rinnen und Helfer in dieses System ein. Es ist ein Sys-
tem, um das uns viele Länder beneiden, das es zu erhal-
ten und zu stärken gilt.
Dass das deutsche Notfallvorsorgesystem funktio-
niert, dass es auch mit großflächigen Gefahrenlagen und
Schadensereignissen fertig werden kann, haben zuletzt
die Sommerhochwasser an Elbe, Donau und Mulde vor
einem Jahr gezeigt. Hier haben die Hilfsorganisationen
und die Feuerwehren, hier haben das THW, die Bun-
deswehr und der Bundesgrenzschutz ein hohes Maß an
Professionalität, vor allem auch an selbstlosem Einsatz-
willen gezeigt und alle haben hervorragend zusammen-
gearbeitet.
Dass es auch Defizite gibt, will ich gar nicht ver-
schweigen. Über sie wird seit den Anschlägen des
11. September 2001 sehr offen geredet. Die Zivilschutz-
kapazitäten des Bundes wie auch – obwohl von der äuße-
ren Sicherheitslage eigentlich unberührt – die Katastro-
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henschutzkapazitäten der Länder wurden in den 90er-
ahren deutlich abgebaut. Angesichts des Antrags der
DU/CSU, über den wir hier heute debattieren, könnte
ch jetzt mit dem Hinweis kommen, dass dieser massive
bbau der Zivilschutzkapazitäten weithin unter ihrer
egierungsverantwortung stattgefunden hat. Aber das
äre billig. Der Hinweis auf Versäumnisse in der Ver-
angenheit bringt uns alle nicht weiter. Wir sollten uns
ieber darum kümmern, was jetzt und in Zukunft zu tun
t.
Wir dürfen diese Fragen nicht polemisch, wir müssen
ie sachlich diskutieren. Dies gilt insbesondere auch für
ie grundsätzliche Frage, ob der Rahmen unseres zwei-
eteilten nationalen Katastrophenvorsorgesystems noch
timmt. Der 11. September 2001 hat insofern als Zeiten-
ende gewirkt. Die asymmetrische Bedrohung durch
en internationalen Terrorismus passt nicht mehr so
hne weiteres in die überkommene Zuständigkeitsvertei-
ung.
Ein erstes Umsteuern im Bereich des Zivil- und
atastrophenschutzes hat denn auch unmittelbar nach
em 11. September 2001 stattgefunden. Die Flutkata-
trophe im letzten Sommer hat diesen Prozess des Um-
teuerns, der Umstrukturierung, des neuen Nachdenkens
ber bessere und effizientere Lösungen noch einmal be-
chleunigt und verstärkt.
Mit den Ländern haben wir uns im vergangenen Jahr
uf eine neue Rahmenkonzeption für den Zivil- und Ka-
astrophenschutz verständigt. Sie wurde auf der Innen-
inisterkonferenz Anfang Juni 2002 unter der Über-
chrift „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in
eutschland“ verabschiedet. Ihre Philosophie ist die ge-
einsame Verantwortung von Bund und Ländern für au-
ergewöhnliche Gefahren- und Schadenlagen. Es geht
icht um neue Zuständigkeiten, sondern um partner-
chaftliches Zusammenwirken über föderale Grenzen
inweg.
Ziel der neuen Rahmenkonzeption ist zweierlei: Wir
ollen die vorhandenen Hilfspotenziale des Bundes und
ie in den Ländern, also Feuerwehren und Hilfsorganisa-
ionen, besser miteinander verzahnen. Wir wollen und
üssen neue Koordinierungsinstrumentarien für ein effi-
ienteres Zusammenwirken des Bundes und der Länder
ntwickeln, damit die Gefahrenabwehr auch auf neue
edrohungen angemessen reagieren kann. Dies gilt ins-
esondere für den Bereich des Informationsmanage-
ents.
Stand die Vereinbarung auf der Innenministerkon-
erenz im Juni 2002 noch deutlich im Zeichen der ter-
oristischen Bedrohung, so ist die Richtigkeit des Neu-
onzepts generell für Großschadenslagen, wie etwa
ochwasser, bei der Bilanzierung auf der Innenminister-
onferenz Anfang Dezember vergangenen Jahres betä-
igt worden. Diesen ersten Umsetzungsbericht zur neuen
trategie sollten Sie einmal lesen. Sie würden dann se-
en, was auf dem Gebiet des Zivil- und Katastrophen-
chutzes in der Zwischenzeit bereits alles geschehen ist.
Wir haben nach dem 11. September 2001 sehr schnell
uf die neue Bedrohungslage reagiert. Wir konnten vor
4828 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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allem deshalb so schnell reagieren, weil Überlegungen
zur Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes
– dies betone ich hier ausdrücklich – von uns schon
lange vor dem 11. September 2001 angestellt worden
waren. Wir waren deshalb in der Lage, nach den Atten-
taten und nach der Flutkatastrophe des letzten Sommers
bereits in Angriff genommene Aktivitäten beschleunigt
fortsetzen und dabei nicht unvorbereitet auch neue kon-
zeptionelle Wege gehen zu können. Es ist ja nun wirk-
lich nicht so, dass, wie der Antrag der Union nahe legt,
bei der – in der Tat notwendigen – Umstrukturierung des
Zivil- und Katastrophenschutzes bei null begonnen wer-
den muss. Hier wurde – in enger Abstimmung und Zu-
sammenarbeit mit den Ländern – ich möchte betonen:
mit allen Ländern – vieles schon erreicht und noch mehr
jedenfalls auf den richtigen Weg gebracht.
Kurzfristig wurden an die Länder rund 650 Zivil-
schutzfahrzeuge ausgeliefert. Neben Krankentransport-
wagen waren dies vor allem moderne ABC-Erkundungs-
kraftwagen. Mit ihnen hat Deutschland erstmals ein hoch
mobiles System zur Aufspürung, Messung und Erfas-
sung von radiologischen, biologischen und chemischen
Kontaminationen. Derzeit wird unter Federführung des
Bundesministeriums des Innern ein neues technisches
Ausstattungskonzept für den ergänzenden Katastrophen-
schutz erarbeitet. Es geht vor allem – aber nicht allein –
um die Fahrzeugausstattung. Philosophie dieser neuen
Ausstattungskonzeption ist: Wir müssen weg vom bishe-
rigen Gießkannenprinzip, hin zu einer mehr bedarfs-
orientierten Ausstattung, die sich an potenziellen Risiken
und Gefahren vor Ort ausrichtet. Dieses zukunftswei-
sende Konzept befindet sich derzeit in der Abstimmung
mit den Ländern und den Hilfsorganisationen.
Im Oktober 2001, nur knapp vier Wochen nach den
Terroranschlägen in den USA, konnten wir das neue
satellitengestützte Warnsystem in Betrieb nehmen. Per
Satellit können amtliche Warndurchsagen in Sekunden-
schnelle über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-
ten und – dies setzen wir gerade in einem zweiten Schritt
um – auch über private Rundfunkanstalten verbreitet
werden. Wir haben auch die Länder in dieses Warnsys-
tem einbezogen; wir haben sie mit Sendeeinrichtungen
ausgestattet, die es ihnen erlauben, ihrerseits Warnmel-
dungen etwa vor regionalen Gefahren an die angeschlos-
senen Medien zu verschicken.
Angemahnt werden im vorliegenden Antrag ver-
stärkte Koordinierungsbemühungen des Bundes. Auch
hier sind wir neue konzeptionelle Wege gegangen, die
weithin schon vor dem 11. September 2001 vorbereitet
wurden. Zwischenzeitlich wurde das gemeinsame
Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern
(GMLZ) in der Zentralstelle für Zivilschutz aufgebaut.
Das GLMZ ist seit Herbst 2002 einsatzfähig. Es soll vor
allem – und dies ist eine der wichtigsten Erfahrungen,
die wir mit dem Management der Hochwasserkatastro-
phe im letzten Sommer gemacht haben – das Ressourcen-
management von Bund und Ländern bei großflächigen
Gefahrenlagen unterstützen.
Die Vernetzung der Informationssysteme von Bund
und Ländern im Bereich des Zivil- und Katastrophen-
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chutzes erfolgt über das Deutsche Notfallvorsorge-
nformationssystem deNIS. Kernaufgabe dieser Daten-
ank ist die übergreifende Verknüpfung, Aufbereitung
nd Bereitstellung von Informationen für das Manage-
ent für Großkatastrophen. Der Prototyp von deNIS
ird derzeit in der Zentralstelle für Zivilschutz erprobt.
Stichwortartig möchte ich wenigstens noch folgende
aßnahmen erwähnen:
Wir bauen die Akademie für Krisenmanagement,
otfallplanung und Zivilschutz zu einem Kompetenz-
entrum für das gemeinsame Krisenmanagement von
und und Ländern, zu einem Forum für den wissen-
chaftlichen Austausch sowie zu einer Begegnungsstätte
nd Ideenbörse für Experten aus dem In- und Ausland
us.
Wir haben die Forderung der Ausbildung der Bevöl-
erung in erster Hilfe seit Herbst letzten Jahres wieder
ufgenommen.
Wir haben die Bundesmittel für die Zivil- und Kata-
trophenschutzforschung mit dem Schwerpunkt B- und
-Bereich deutlich aufgestockt.
Zum Schutz vor Terrorangriffen mit biologischen
ampfstoffen hat der Bund eine nationale Notreserve
on Pockenimpfstoff angeschafft; diese Reserve wird
etzt in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und
ändern aufgestockt, damit eine Vollversorgung der Be-
ölkerung gewährleistet ist.
Aus der zwischen Bund und Ländern verabredeten
euen Strategie wollen wir vor allem aber auch eine
ichtige organisatorische Konsequenz ziehen: Die
ienstleistungen und Serviceangebote des Bundes im
ereich des Zivil- und Katastrophenschutzes sollen in
inem neuen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
atastrophenhilfe zentral gebündelt und vorgehalten
erden. Wir wollen den zivilen Bevölkerungsschutz da-
it auch optisch-organisatorisch als wichtige Säule des
ationalen Sicherheitssystems hervorheben.
All dies zeigt: Wir stellen uns auf die neuen Heraus-
orderungen ein. Die Aufgabe, die wir zu lösen haben,
st zugegebenermaßen nicht einfach. Wir sind mitten in
er Arbeit. Ich bin mir sicher: Wir sind auch auf dem
ichtigen Weg. Ich lade Sie alle dazu ein, auch über Ihre
olitischen Freunde in den Ländern, diesen Prozess en-
agiert und konstruktiv zu unterstützen.
nlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Modellregionen
für Deregulierung und Bürokratieabbau (Ta-
gesordnungspunkt 23)
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): „Wenn es nicht
otwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es notwendig,
ein Gesetz zu erlassen.“ Mit diesem Ausspruch Monte-
quieus, der so einfach und klar die Grundregel zum Bü-
okratieabbau benennt, leite ich meine Rede zu der heu-
igen Bürokratieabbau-Debatte ein. Was kann hier Neues
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4829
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debattiert werden? Es gibt noch immer keine spürbare
Aktivität der Bundesregierung beim Bürokratieabbau.
Der FDP-Antrag zu dieser Debatte fordert die Regie-
rung auf, so genannte Modellregionen einzurichten. Herr
Bundesminister Clement, ich frage Sie: Was wird denn
nun aus Ihren Ankündigungen, die mittlerweile ein Stan-
dardzeichen Ihrer Politik sind? Sie waren – das muss
man Ihnen immerhin zugute halten – der Initiator einer
solchen Test- oder Modellregion, die Sie im November
vergangenen Jahres ankündigten. Danach gab es die Vor-
schläge des sächsischen Staatsministers Dr. Gillo, die Ih-
nen zu weitreichend waren. Nun beruhigen Sie uns in
der letzten Unterrichtung durch Ihr Ministerium vom
3. Juni 2003 mit mehrstufigen Vorstudien zu so genann-
ten Pilotprojekten zu Modellregionen. Ich will es neutral
formulieren und sagen: Es reicht nun! Ihre scheibchen-
weisen Ankündigungen legen Sie sich besser selbst aufs
Brot.
Laut FDP-Antrag haben sich mittlerweile über 80 Re-
gionen im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
als Modellregionen beworben. Wie lange noch wollen
Sie die west- und die ostdeutschen Regionen, die alle
flexiblere Regelungen bitter nötig haben, warten lassen?
Ihre Ankündigung ließ das Land aufhorchen und Zuver-
sicht schöpfen, dass Überregulierung und Überbürokra-
tisierung der Vergangenheit angehören werden. Die
Menschen in den neuen Bundesländern brauchen klare
Signale, die sie ermutigen, in ihrer Heimat zu bleiben,
und die ihnen Hoffnung auf Arbeit und bessere Lebens-
bedingungen in Aussicht stellen.
Aus guten Gründen haben Sie eine Verfassungsände-
rung angeregt. Denn eine rechtlich komplexe Materie wie
die befristete Abweichung mit Landes- von Bundesrecht
berührt auf den ersten Blick die Grundfesten unserer Ver-
fassung. Dies ist aber kein Grund, die Einrichtung von
Modellregionen auf die lange Bank zu schieben. Gehen
Sie auf unseren Oppositionspartner zu und greifen Sie auf
das Rechtsgutachten der FDP zurück: Eine Verfassungs-
änderung ist danach nicht notwendig; ausreichend in den
einschlägigen Bundesgesetzen sind vielmehr einfachge-
setzliche Öffnungsklauseln. Diese ermöglichen es den
Ländern, das entsprechende Bundesrecht flexibel anzu-
wenden, um Innovationsregionen zu schaffen. Auch die
Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt haben in ihren Bun-
desratsgesetzesentwürfen ebenfalls keine Verfassungsän-
derung für notwendig erachtet. Wir erwarten somit, dass
auf dieser Grundlage etwas passiert. Lassen Sie uns für
Deutschland etwas Neues ausprobieren; die Bürgerinnen
und Bürger und die Unternehmer warten doch darauf.
In der letzten Wahlperiode hat diese Regierung pro
Tag 1,6 Regelungen – Gesetze oder Verordnungen – ver-
abschiedet. Von diesem unerträglichen Zustand müssen
wir uns nun verabschieden. Ich sehe in dem Experiment
der Modellregionen einen guten Ansatz, mit flexibleren
Regelungen in verschiedenen Rechtsbereichen zu dere-
gulieren und Bürokratie abzubauen. Wir wollen mal et-
was ausprobieren!
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die in ihrem
Grundansatz zum Bürokratieabbau Öffnungsklauseln
dringend empfiehlt, begrüßt die Forderungen der FDP zu
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odellregionen ausdrücklich. Dass wir der FDP-Frak-
ion nicht in allen vorgeschlagenen Bereichen zustim-
en, ist eine andere Frage. Aber die Grundrichtung ist
bsolut richtig. Während das Thema in den Schubladen
es Ministeriums schlummert, fordern die Oppositions-
arteien unverzügliches Handeln.
Ich möchte etwas genauer auf die Information des
undesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom
. Juni 2003 eingehen. Dort wird unter „III. Verfahrens-
tand“ eine Vorgehensweise beschrieben, die eigentlich
inem Leitfaden für Bürokratieaufbau, aber nicht -abbau
ntstammen könnte. Das BMWA, so heißt es da, prüft
usammen mit der Bertelsmann-Stiftung die Vorschläge
es DIHK zu vorgeschalteten Pilotregionen auf eine
chnelle Umsetzung. So weit, so gut. Ich frage mich nur:
o sind die eigenen Vorschläge des BMWA?
Für die Pilotregionen – also die Regionen, die Vorrei-
er der Modellregionen sein sollen – wird von BMWA,
er Stiftung und den Regionen selbst ein so genanntes
rbeitshandbuch erarbeitet. Dieses Buch zur Verwirkli-
hung von Modellgebieten soll als Grundlage dienen,
m einen Wettbewerb der Regionen auszuschreiben.
ieses Buches wird in einem mehrstufigen Verfahren
ntwickelt.
Fazit – ich zitiere –: „Dadurch soll ‚im Kleinen‘ um-
esetzt werden, was sich das BMWA mit Öffnungsklau-
eln im Grundgesetz bzw. auf einfacher gesetzlicher
bene vorstellt“. Dieses rückwärtsgewandte, übervor-
ichtige Hinausschieben von wichtigen Entscheidungen
st einfach unfassbar. Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘
ich nicht nass – dieses Motto steckt hinter hehren An-
ündigungen zum Bürokratieabbau. Wir alle fordern
odellregionen. Aber diese Beschreibung des BMWA
enne ich Bürokratieabbau light.
Überschlägt man die Halbwertzeit dieser Vorgehens-
eise, so frage ich mich, wann Deutschland wirklich von
uälender Bürokratie befreit wird. Solche Vorschläge
erden uns auf Jahre nicht erleichtern. Vielleicht können
ir dann in zehn Jahren Bürokratie abbauen, doch bis da-
in sind wir längst an Bürokratie erstickt.
Bürokratieabbau bedeutet Mut zum Risiko, mehr Ei-
enverantwortung und Freiheit vom Staat. Dass dies
icht immer leicht umzusetzen ist, mag an jahrzehnte-
anger gelebter deutscher Vollkaskomentalität liegen.
er lässt schon gerne seine Pfründe los, um am Ende ri-
ikoreich zu leben? Bürokratieabbau ist vergleichbar mit
adikalem Subventionsabbau: Jeder befürwortet ihn,
ber keiner ist bereit, bei sich selbst anzufangen. Eine
andlung auf diesem Gebiet kann nur durch ein geän-
ertes Bewusstsein eines jeden vollzogen werden.
Nehmen Sie sich den Mut, Herr Bundesminister, und
etzen Sie schnell und unbürokratisch in Deutschland
odellregionen ein. Für deren Auswahl ist ein sach-
icher Grund erforderlich, wie zum Beispiel Struktur-
chwäche oder geringere Wirtschaftskraft. Struktur-
chwache Räume in das Modell-Konzept einzubeziehen
st auf jeden Fall sinnvoll.
So findet beispielsweise bei meinem Kollegen
olfgang Börnsen im Wahlkreis Flensburg-Schleswig
4830 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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die größte Bundeswehr-Standortschließung in diesem
Jahr statt. 1 800 Dienstposten hat Struck gestrichen; wei-
tere 1 000 Arbeitsplätze bleiben im Umfeld des Marine-
flieger-Flugplatzes auf der Strecke – all das in einem ex-
trem strukturschwachen Raum. Hier in der Struktur- und
Steuerpolitik einen völlig neuen Ansatz zu wagen wäre
sachlich richtig. Doch leider fehlt bislang ein konkretes
Konzept der Bundesregierung.
Doch auch wirtschaftsstarke Regionen sollen ihre
Möglichkeiten unter veränderten gesetzlichen Rahmen-
bedingungen ausprobieren können. Bestehende Wirt-
schaftskräfte sind weiter zu stimulieren und zu größt-
möglichster Entfaltung zu bringen.
Aus den Reihen der Regierungskoalition ist mir eine
besonders wirtschaftsstarke Region bekannt. Das Biele-
felder Modell zur wirtschaftsnahen Verwaltung ist die
Initiative keines anderen als des Vorsitzenden des Aus-
schusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend. Die
Gegend um Bielefeld und Gütersloh ist keine struktur-
schwache Region, eher im Gegenteil. Sie ist geprägt
durch große Mittelständler, etwa den Gerätehersteller
Miele. Es ist daher ein deutliches Signal, dass partei-
übergreifend und regionenübergreifend der Wunsch
nach Deregulierung besteht. Ich habe die Hoffnung, dass
der Druck von unten vielleicht am ehesten die Behar-
rungskräfte der Bürokratie aushebeln kann.
Modellregionen sind ein wichtiger Baustein im ge-
samten Konzept Bürokratieabbau. Doch es müssen noch
etliche Dinge darüber hinaus gemacht werden. Ich habe
aber das Gefühl, dass sich die Bundesregierung nur auf
Handwerksordnungen und Statistiken beschränkt. Dere-
gulierung ist eben übergreifend zu betreiben. Da warten
wir auf das Gesamtkonzept der Regierung zum Bürokra-
tieabbau. Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Vorschläge
dazu einsatzbereit vorliegen. Wir haben in einer Frak-
tionsanhörung in der vergangenen Woche unser Konzept
führenden Wirtschaftsverbänden vorgestellt. Die Ap-
pelle an uns, den Kampf gegen die Bürokratie voranzu-
treiben, waren sehr eindringlich. Unser Konzept fand
eindeutig Zustimmung.
Doch von Ihnen hört man nichts. Es gab einmal das
Gerücht um einen Masterplan. Jeder mittelständische
Unternehmer, der daraufhin Hoffnungen entwickelte,
dürfte mittlerweile frustriert und enttäuscht sein. Ihre
Verweigerungshaltung ist gefährlich. Deutschland befin-
det sich laut einer OECD-Studie beim Bürokratieabbau
auf den hinteren Plätzen.
Mich wundert dieses Untätigbleiben allerdings nicht
mehr. Eine Frage an die Bundesregierung im Juni ergab,
dass die Untersuchungen des Instituts für Mittelstands-
forschung Bonn von 1995 über die Belastungen der Un-
ternehmen durch Bürokratie die derzeit umfangreichste
und insoweit aktuellste Studie ist, die der Bundesregie-
rung vorliegt. Ich wiederhole: Aus dem Jahr 1995!
Betrachtet man die Zunahme der Zahl der Regelun-
gen pro Jahr, so ist ein Regieren auf der Basis solcher
Zahlen unverantwortlich und für den deutschen Mittel-
stand ein Schlag ins Gesicht. Eine Aktualisierung der
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tudie ist nun für Herbst 2003 versprochen worden. Wir
ind sehr gespannt darauf.
Das Gebot der Stunde ist überdeutlich: Bürokratie in-
iltriert unsere Republik unsichtbar, aber spürbar. In
eutschen Tageszeitungen werden die besten Bürokratie-
ossen der Woche zum Besten gegeben.
Der Hamlet-Satz „Es ist etwas faul im Staate Däne-
ark“ trifft auch auf unseren Staat zu. Ich stelle fest:
eutschlands Bürokratie ist über die Jahre konstant ge-
achsen. Sie ist zu einer geld- und zeitfressenden Krake
eworden, die Deutschland im Würgegriff hält. Sinn-
olle Regelungen stehen einträchtig neben überflüssi-
en, unverständlichen und veralteten Regelungen. Aber
lle sollen befolgt werden. Wir alle kennen die wahnwit-
igen Beispiele deutscher Regelungsgründlichkeit.
Seit nun fast fünf Jahren befindet sich die rot-grüne
egierung an der Macht. Fast fünf Jahre ist es her, dass
erhard Schröder sein Amt antrat und sich an der Redu-
ierung der Arbeitslosigkeit messen lassen wollte. Und
eit fast fünf Jahren ist uns diese Regierung ernsthaften
nd spürbaren Bürokratieabbau schuldig. Des Kanzlers
orte aber – zu Beginn seiner ersten Amtszeit versprach
r wörtlich: „Wir werden die Verwaltung schlanker und
ffizienter machen, wir werden hemmende Bürokratie
asch beseitigen“ – sind wertloser als Internetaktien.
Was haben wir denn für dieses Versprechen, das er im
etzten Oktober routiniert wiederholte, erhalten? In der
etzten Wahlperiode hat diese Regierung mehr als an-
erthalb Gesetze pro Tag erlassen, aber nur 91 gestri-
hen. Statt Bürokratieabbau haben wir die Diskussion
ber die Ausbildungsplatzabgabe und eine bürokratische
lickschusterei bei der angeblichen Entlastung kleinerer
nternehmen. Diese Regierung hat neue Behörden ge-
chaffen, wie zum Beispiel das zentrale Zulagenamt für
ie Verwaltung der kapitalgedeckten Rente oder die
inanzagentur für öffentliche Schuldenverwaltung. Die
inijobs stattet Rot-Grün mit einer speziellen Behörde
m Ruhrgebiet und in Cottbus aus – insgesamt
350 Stellen – und die Bundesanstalt für Arbeit als
asserkopf der Nation benötigt rund 12 000 neue Mitar-
eiter. Das nenne ich Bürokratenschwemme gegen Ar-
eitslosenheer!
SPD bedeutet hier nur noch „Schröder packt drauf.“
ei der Steuer sind wir das bereits gewohnt.
Die Lage ist bitterernst und die Stimmung miserabel.
ürokratie hat in Deutschland ein Ausmaß angenom-
en, das die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft spürbar
ähmt. Laut einer DIHK-Umfrage will jedes vierte In-
ustrieunternehmen bis 2006 seine Produktion ins Aus-
and verlagern. 42 Prozent der Betriebe nennen als
rund die hohe Steuer- und Abgabenlast sowie Bürokra-
iekosten.
Wir leben momentan in Zeiten, in denen das Wort
Wirtschaftswunder“ nur noch historischen Bezug hat.
as wir brauchen, ist eine systematische Entbürokrati-
ierung des gesamten deutschen Regelwerkes. Allein die
ntbürokratisierung würde so manchen Unternehmer
it mehr Vertrauen in die Zukunft blicken lassen. Da-
um werde ich diesen Kampf, der gerade erst begonnen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4831
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hat, nicht aufgeben, sondern unermüdlich alles tun, um
diese Regierung auf Trab zu halten.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Ludwig Erhard
aus den Zeiten des Wirtschaftswunders meine Rede
schließen und zur Diskussion überleiten:
Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will
das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein
Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du,
Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.
Dr. Rainer Wend (SPD): Die Kolleginnen und Kol-
legen von der FDP-Fraktion fordern die Bundesregie-
rung auf, ziemlich viele Rechtsbereiche zu öffnen: bunt
gemischt Landes- und Bundesrecht. Gleichzeitig wollen
sie die Länder selbst entscheiden lassen, wie sie das
Bundesrecht anwenden wollen. Darf ich Sie fragen: Ha-
ben sie eigentlich das System des Föderalismus verstan-
den? Anscheinend nicht! Sie haben wirklich ein ausge-
sprochen interessantes Staatsverständnis.
Wie Sie alle wissen, hat das Bundeskabinett im April
beschlossen, mit den Ländern in einen Dialog zu treten,
inwieweit es möglich ist, Öffnungsklauseln in Bundes-
gesetzen zugunsten abweichender Landesregelungen zu
schaffen. Dieser Dialog ist noch nicht ganz abgeschlos-
sen. Unabhängig von diesen Überlegungen hat es den
Vorschlag gegeben, so genannte Pilotregionen zu initiie-
ren, die den Bürokratieabbau vorantreiben. Das BMWA
hat diese Vorschläge geprüft. In der Öffentlichkeit sind
die beiden Vorhaben allerdings vermengt worden, sodass
es zu einem spontanen Wettrennen bei den Bewerbungen
als Modellregion gekommen ist.
Entgegen den Behauptungen der FDP haben sich aber
nicht 80 Regionen beworben, sondern lediglich 36.
Diese Bewerbungen sind spontan entstanden, da es keine
Ausschreibung des BMWA gegeben hat. Das Ministe-
rium hat sich nun entschlossen, gemeinsam mit der Ber-
telsmann-Stifung ein „Handbuch zur Verwirklichung
von Modellregionen“ zu entwickeln. Da noch nicht ganz
klar ist, welches die geeignetste Form für die Verwirk-
lichung von Modellregionen ist, wird es zunächst einmal
nur einige wenige, vorgeschaltete Pilotprojekte geben.
Dazu kommen natürlich nur die Regionen in Betracht,
die sich bereits heute mit dem Thema beschäftigt und
sinnvolle Vorschläge erarbeitet haben. Ziel des Projektes
soll es sein, entweder einen Wettbewerb unter Modellre-
gionen auszurufen oder aber für Regionen, die Modellre-
gion sein wollen, ein Arbeitshandbuch zur Umsetzung
vor Ort zu erstellen.
Nun werfen diese Kolleginnen und Kollegen dem Mi-
nister vor, er würde nicht schnell genug an der Umset-
zung arbeiten. Ich muss ihnen allerdings mitteilen, dass
sie noch nicht ganz auf dem neuesten Stand sind. Bereits
Mitte Juli findet ein Arbeitstreffen zwischen Vertretern
der drei Testregionen, der Bertelsmann-Stiftung und dem
BMWA statt. Dieses bereitet das „Kick-Off-Meeting“
für die drei Testregionen Ende August/Anfang Septem-
ber vor.
Als Abgeordneter aus Ostwestfalen-Lippe, einer Re-
gion, die neben Bremen und Schwerin als Testregion
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userkoren ist, ist es mir natürlich ein Anliegen, zügig an
em Thema Deregulierung und Entbürokratisierung wei-
er zu arbeiten. Wir wollen kontinuierlich überprüfen,
elche Gesetze die wirtschaftliche Entwicklung er-
chweren oder hemmen. Richtige und gute Absichten
on Vorgaben werden häufig im Verfahren erschwert.
um Teil gibt es Doppelstrukturen, die gleichzeitig auch
mmer Zeitverzögerung bedeuten oder unterschiedliche
nteressenlagen verfestigen, anstatt sie in einem Prozess
er Abwägung aufzulösen und zu einem Ergebnis füh-
en.
Ostwestfalen-Lippe möchte als Vorreiter für Land und
und erproben und unter Beweis stellen, wie ein Abbau
ürokratischer Regeln Existenzgründungen fördern, den
ittelstand stärken und die wirtschaftliche Entwicklung
nd Innovationskraft vorantreiben kann. Dabei leitet
ine Frage die Bemühungen: Wie kann der Bürokratie-
bbau dabei helfen, dass Unternehmen es leichter haben,
ich anzusiedeln, zu expandieren oder den Unterneh-
ensalltag effektiver zu gestalten? Das alles, um letzt-
ndlich ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, in dem
ehr neue Arbeitsplätze entstehen können.
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im politi-
chen Handeln – weg von der Verfahrensorientierung hin
u Ergebnisorientierung. Dazu ist eine kontinuierliche
ufgaben- und Verfahrenskritik notwendig, die sowohl
ie Landes-, die Bundes- und die europäische Ebene mit
inbezieht. Wir sind uns einig: Wenn wir der Wirtschaft
mpulse geben wollen, müssen wir sie von den bürokra-
ischen Aufgaben entlasten, deren Wirksamkeit in Frage
teht. So ist es jetzt vernünftig, dass wir mit der Vorstu-
ie beginnen. Wir werden dabei überprüfen, ob nicht
chon bei bestehender Gesetzesanwendung Erleichterun-
en möglich sind – Stichwort „Ermessenspielräume“. In
inem weiteren Schritt wird zu prüfen sein, wo es Mög-
ichkeiten gibt, unter welchen Umständen Vorschriften
eöffnet werden können.
Die Gespräche mit der Bertelsmann-Stiftung sind
urz vor dem Abschluss, es fehlt eigentlich nur noch an
er formalen Unterschrift. Die Bertelsmann-Stiftung
ird diesen Prozess begleiten und evaluieren.
Nachdem nun etliche Kommissionen sich den Kopf
erbrochen haben, wie man theoretisch den Bürokratie-
bbau vorantreiben kann, ist es nun endlich an der Zeit,
raktisch zu handeln.
Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister für Wirtschaft und Arbeit: Bürokratieabbau ist
mmer ein Thema, über das es sich zu reden lohnt und so
reue ich mich zu dem vorliegenden Antrag der FDP
tellung zu nehmen.
Allerdings musste ich bei der Durchsicht des Antrags
eststellen, dass Sie das Thema offensichtlich missver-
tanden haben, zumindest aber nicht auf dem neuesten
tand sind. So konnte ich lesen, dass der „Masterplan
ürokratieabbau", der den bundesweiten Abbau von Bü-
okratie und Maßnahmen zur Deregulierung enthält, an-
eblich noch nicht auf den Weg gebracht worden sei.
as Bundeskabinett hatte aber bereits im Februar den
4832 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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„Masterplan Bürokratieabbau“ nebst einem Sofortpro-
gramm beschlossen gehabt. Weitere 40 Projekte sollen
am 9. Juli 2003 beschlossen werden, sodass dann bereits
circa 50 Projekte zum Bürokratieabbau umgesetzt wer-
den.
Der Vorschlag zur Einfuhrung von Modellregionen,
der zusätzlich zu diesen Projekten verwirklicht werden
soll, wurde bei der Befragung der Wirtschaftsverbände
vom DIHK eingebracht und geht auch auf den Vorschlag
von Bundesminister Wolfgang Clement für Experimen-
tierklauseln zur Erprobung innovativer Regelungen zu-
rück. Damit soll Unternehmen geholfen werden, not-
wendigen Pflichten leichter nachzukommen.
Sie benutzen nun dieses Thema, um Ihre altbekannten
Maximalforderungen hier wieder im Plenum diskutieren
zu können.
Wenn ich mir Ihre Gewichtung ansehe, dann umfasst
der Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten dreimal so-
viel Text wie die übrigen Vorschläge. Dass der Laden-
schluss in der Zwischenzeit nicht nur durch ein „Minire-
förmchen“ reformiert worden ist, bleibt unbeachtet.
Auch bei der Forderung, das Verkehrswegeplanungs-
beschleunigungsgesetz auf die alten Länder auszudeh-
nen, haben Sie bereits erfolgte Änderungen übersehen.
Wegen der positiven Erfahrungen mit dem Verkehrswe-
geplanungsbeschleunigungsgesetz wurden nämlich die
meisten Bestimmungen des Ursprungsgesetzes in die je-
weiligen Fachgesetze und das Verwaltungsverfahrens-
gesetz übernommen. Sie haben damit bereits Gültigkeit
für das gesamte Bundesgebiet erlangt.
Weiter bemerkenswert finde ich Ihre Einstellung ge-
genüber dem Parlament und den Ländern. Zum einen
fordern Sie die Bundesregierung auf, Modellregionen
sofort zu benennen und dann dafür zu sorgen, dass die
Länder im Bezug auf die ausgewählten Regionen in ver-
schiedenen Bereichen das Bundesrecht flexibler anwen-
den können. Soll das die Bundesregierung so auffassen,
dass sie die vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Gesetze nicht ernst nehmen soll? Im Übrigen, nach der
verfassungsmäßigen Ordnung unseres Landes, ist für die
Gesetzesanwendung die jeweilige Verwaltung des jewei-
ligen Landes zuständig. Sollen wir uns darüber hinweg-
setzen? War nicht früher die FDP und deren Fraktion be-
sonders sensibel, wenn es um rechtsstaatliche Fragen
ging?
Dies nur zum Inhalt Ihres Antrages.
Dessen ungeachtet hat Bundesminister Clement ent-
schieden, dass zusätzlich zum „Masterplan Bürokratie-
abbau“ in enger Zusammenarbeit mit der Bertelsmann
Stiftung und unter Einbeziehung von einer oder mehre-
ren Pilotregionen ein Verfahren zur Einrichtung von In-
novationsregionen entwickelt wird.
Es ist richtig, dass im Bundesministerium für Wirt-
schaft und Arbeit ausgehend von dem Vorschlag des
Bundesministers Wolfgang Clement zu Öffhungsklau-
seln im Grundgesetz oder in Bundesgesetzen zahlreiche
Schreiben, insbesondere von Industrie- und Handels-
kammern, aber auch Ländern eingegangen sind. Darin
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urde die Bitte bekundet, als Modellregion ausgewählt
u werden. Neben bloßen Interessenbekundungen haben
ndere Regionen bereits Arbeitsstrukturen geschaffen,
on denen bemerkenswerte, teilweise bereits unter heuti-
en Bedingungen umsetzbare Vorschläge unterbreitet
urden.
Um diese Vorleistungen der Regionen nicht zu enttäu-
chen, soll in enger Zusammenarbeit mit der Bertels-
ann Stiftung eine schnelle Umsetzung der in den Vor-
chlägen enthaltenen Erleichterungen geprüft werden.
eshalb soll es ein oder mehrere Pilotprojekte zu den
odellregionen geben, wenn vor Ort verwertbare Ergeb-
isse vorgelegt wurden. Weitere Voraussetzung dafür ist,
ass das jeweilige Land auch seine Bereitschaft bekun-
et, bei landesrechtlichen Vorschriften eine vergleich-
are Untersuchung anzustellen. Dabei ist an ein mehr-
tufiges Verfahren gedacht.
Zuerst wird zu prüfen sein, ob nicht bereits im Rah-
en der Gesetzesanwendung Erleichterungen möglich
ind, indem Ermessensspielräume, die bereits im Gesetz
röffnet werden, auch von den Entscheidern des konkre-
en Sachverhalts ausgeschöpft werden. Weiter wird in ei-
er nächsten Stufe zu prüfen sein, welche Änderungen in
en Vorschriften zukünftig solche Möglichkeiten eröff-
en. Erkenntnisse sollen in die Gesetzgebung bei Bund
nd Ländern einließen oder werden im Rahmen des
Masterplan Bürokratieabbau“ weiterverfolgt werden
önnen, wenn eine schnelle Umsetzung derzeit nicht
öglich sein sollte.
Nach Abschluss dieser Vorarbeiten sollen die Anfor-
erungskriterien in einem Handbuch niedergelegt wer-
en, auf dessen Basis dann ein bundesweiter Wettbewerb
wischen den Regionen ausgeschrieben werden könnte.
Neben dem „Masterplan Bürokratieabbau“ und der
öderalismusreform sollen die Innovationsregionen eine
eitere Initiative zur Förderung von Innovation durch
bbau insbesondere von Verfahrensregeln sein.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über die Anträge:
– Den Flüssen mehr Raum geben – Ökologische
Hochwasservorsorge durch integriertes
Flussgebietsmanagment
– Hochwasserschutz – Solidarität erhalten,
Eigenverantwortung stärken
(Zusatztagesordnungspunkte 6 und 7)
Renate Jäger (SPD): Im August ist es ein Jahr her,
ass wir in unserem Land von einer der größten Flutka-
astrophen heimgesucht wurden. Unmittelbar in dieser
eit schrieb Axel Noack, der Bischof der Kirchenpro-
inz Sachsen:
… wenn die Wasser sich verlaufen haben, verlaufen
sich auch die erschreckten Gedanken, die guten
Vorsätze, die gelobte Besserung wieder im Sande.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4833
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(B) )
Wir müssen heute, nach einem Jahr, feststellen, dass
diese Aussage stimmt, aber auch nicht stimmt. Sie
stimmt dahin gehend, dass trotz jahrzehntelanger Erfah-
rungen mit Überschwemmungen immer näher an die
Ufer und Auen gebaut wurde und auch heute wieder
Neubebauungen bzw. Wiedererrichtungen in den Über-
schwemmungsgebieten gefordert und diskutiert werden,
in der Annahme, es werde schon nicht wieder so
schlimm kommen. Sie stimmt nicht, weil vielerorts an
Konzepten zum Hochwasserschutz intensiv gearbeitet
wird. Dies ist auch notwendig, um die großen Wieder-
aufbauleistungen derer, die letztes Jahr alles verloren
hatten, auch dauerhaft zu schützen bzw. vor neuem
Schaden zu bewahren.
Auch die kurz nach dem Hochwasser gewählte Bun-
desregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung meh-
rere politische Ziele gegen Hochwasser aufgenommen:
Die in ihren Auswirkungen mit Ausbaumaßnahmen ver-
gleichbaren Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe wer-
den nicht umgesetzt, Staustufen an der Saale nicht ge-
baut. Der Flächenverbrauch soll gemäß unserer
Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Jahr 2020
von derzeit 129 Hektar pro Tag auf 30 Hektar pro Tag re-
duziert werden. Die Funktionsfähigkeit der Wasserstra-
ßen als Verkehrswege soll ökologisch behutsam sicher-
gestellt und die untere Havel soll vor 2006 aus dem Netz
der Bundeswasserstraßen herausgenommen und renatu-
riert werden. Besonders möchte ich in diesem Zusam-
menhang das Fünf-Punkte-Programm zur Verbesserung
des vorbeugenden Hochwasserschutzes nennen, das
maßgeblich darauf abstellt, länderübergreifende Akti-
onspläne aufzustellen und umzusetzen sowie die grund-
gesetzlichen Kompetenzen des Bundes in diesem Be-
reich zu stärken. – So weit dazu.
Nun wissen wir alle, dass Hochwasserschutz in unse-
rem föderalistischen System Ländersache ist. Doch die
Erfahrungen des letzten Jahres zeigten, dass das lokale
und regionale Krisenmanagement über Kreis- und Län-
dergrenzen hinweg keinesfalls optimal gelaufen ist, und
die Erfahrungen zeigten auch, dass alle Einsatzkrafte des
Bundes – Bundeswehr, Technisches Hilfswerk und Bun-
desgrenzschutz – Hervorragendes auch über Landes-
grenzen hinweg zu leisten vermochten.
Deshalb macht es Sinn, wenn wir in unserem Antrag
fordern, dass die Bundesregierung die Länder und Kom-
munen bei ihrer konzeptionellen Arbeit unterstützt und
Koordinierungsaufgaben wahrnimmt, zum Beispiel bei
der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder der
internationalen Zusammenarbeit zum vorsorgenden, na-
turverträglichen Hochwasserschutz und der Katastro-
phenabwehr. Die Wasserrahmenrichtlinie mit der gefor-
derten integrierten Betrachtung von Fließgewässern
bietet die Chance, den Gewässerschutz, die Gewässer-
nutzung und den Wasserrückhalt in der Fläche miteinan-
der zu verbinden und den gesellschaftlichen Gesamtnut-
zen zu erhöhen. Durch gezielte Fördermöglichkeiten des
Bundes könnten Schäden in Überschwemmungsgebieten
vermieden bzw. vermindert werden, wie zum Beispiel
Ölverschmutzungen durch die Förderung von umwelt-
freundlichen Heizungen in Gebäuden.
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Auch bei den Bemühungen um eine umweltgerechte
orst- und Landwirtschaft können wir nicht auf eine na-
ionale, europäische und internationale Zusammenarbeit
erzichten. Die kürzlich beschlossene EU-Agrarreform
acht dies nochmals deutlich. Und um eine Ökologisie-
ung der Land- und Forstwirtschaft kommen wir nicht
erum, wenn wir zur Bekämpfung von Hochwasser auch
ie Wasserrückhaltefähigkeit von Boden und Landschaf-
en verbessern wollen und müssen. Gegenwärtig ist die
asserzurückhaltefunktion unserer Wälder, besonders
n den Hochlagen, großflächig vermindert. Als Beispiel
ei das Erzgebirge genannt, wo es in den Hochlagen
urch Waldsterben fast nur noch Kahlflächen gibt, die
it Sicherheit zur Verschärfung des Hochwassers im vo-
igen Jahr beigetragen haben.
Darüber hinaus halten wir es für sinnvoll, wenn Na-
urschutzgroßprojekte des Bundes und Hochwasser-
chutzmaßnahmen der Länder besser miteinander ver-
nüpft werden, um natürliche Synergien nutzbar zu
achen und zu verstärken. Niemand wird die Effektivi-
ät einer Vernetzung der Informationssysteme von Bund
nd Ländern im Bereich des Zivil- und Katastrophen-
chutzes bestreiten wollen. Auch die Notwendigkeit ei-
er solchen Vernetzung macht dieser Antrag deutlich.
Wir werden auch nicht umhin kommen, den Vollzug
estehender Gesetze zum Hochwasserschutz zu verbes-
ern und mögliche gesetzliche Änderungen gegebenen-
alls anzupacken. Die bundespolitischen Ziele für die
lüsse, die als Bundeswasserstraßen gelten, müssen
war von Bundesseite definiert werden, sollten aber in
in Gesamtkonzept des jeweiligen Flusses mit seinem
inzugsgebiet integriert werden. Ein solches Gesamt-
onzept soll am Einzugsgebiet der Elbe und ihrer Ne-
enflüsse als Modellregion für Deutschland erprobt wer-
en.
So weit zu einigen Forderungen des Antrags, die mei-
es Erachtens von allen Fraktionen mitgetragen werden
önnen. Als Abgeordnete aus einem vom Hochwasser
es letzten Jahres am stärksten betroffenen Gebiet
öchte ich an dieser Stelle nochmals die schnellen und
nbürokratischen Hilfen der Bundesregierung für die
lutopfer hervorheben. Ziel muss es aber sein, das Scha-
ensausmaß derartiger Hochwasser umfassend zu mini-
ieren. Dies ist nicht allein durch Landespolitik mach-
ar; denn zum Hochwasserschutz in Gänze gehört auch
ine entsprechende Klimaschutzpolitik des Bundes mit
em Ziel, die Treibhausgasemissionen deutlich zu ver-
indern, unter anderem mit den entsprechenden Pro-
rammen zum Ausbau regenerativer Energien und mit
er Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger oder
er schon erwähnten neuen Agrarpolitik, die sämtlich
on dieser Bundesregierung ins Laufen gebracht wur-
en.
Der Direktor des Instituts für Klimaforschung in Pots-
am, Professor Hans-Joachim Schnellhuber, führt für die
ntstehung eines Hochwasserereignisses fünf Hauptfak-
oren an, die ein Überschwemmungsdesaster bestimmen:
iederschlagsereignis, Abflussverhalten, Gerinnestruk-
ur, Werteexposition und Katastrophenmangement. Bis
uf das Niederschlagsereignis werden alle Faktoren
4834 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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durch unsere Zivilisation beeinflusst, zumeist für den
Hochwasserschutz negativ durch einen verfehlten Um-
gang mit unseren Flüssen und deren Einzugsgebieten;
denn keine noch so gute Technik kann die Naturgewalten
vollständig beherrschen. Deshalb müssen wir umdenken
und nach anderen Wegen suchen, wie wir Schäden an
Menschen und Gütern durch Hochwasser vermindern
oder ganz vermeiden können – wo der Mensch Eingriffe
unterlassen sollte und wo sie sehr wohl im Einklang mit
der Natur notwendig sind, um Fluss und Mensch zu hel-
fen. Als erste Voraussetzung ist dafür eine achtungsvol-
lere Einstellung zu Landschaft, Natur und in dieser Be-
ziehung zu unseren Gewässern notwendig, mit der wir
unsere Maßnahmen planen und umsetzen. Das Nachden-
ken, das zur Hochwasserkatastrophe eingesetzt hat, muss
unser weiteres Handeln begleiten.
Ulrich Petzold (CDU/CSU): Nun liegt er doch vor,
der Antrag der Koalitionsfraktionen, der schon wochen-
lang durch den Bundestag geisterte, aufgesetzt wurde,
wieder abgesetzt wurde, erneut aufgesetzt wurde und
nun heute hier in erster Lesung behandelt wird. Ein
Glück, dass scheinbar noch einmal Verkehrspolitiker
darüber gesehen haben und Ihnen die größten Peinlich-
keiten, wie die Aussage zur Förderung von Projekten
von flussangepassten Binnenschiffen, die es seit 1998
längst gibt, oder auch die Forderung nach der Wieder-
herstellung der Elbe als sozialistische Flussruine erspart
haben. Aber, meine Damen und Herren von der Koali-
tion, gestatten Sie mir schon die Frage, warum Sie jetzt
einen solchen Antrag so überstürzt auf die Tagesordnung
setzen. Der Antrag des Landes Sachsen-Anhalt zur Si-
cherung der Schifffahrtswege durch ökologisch vertret-
bare Erhaltungsmaßnahmen wurde noch am 4. Juni die-
ses Jahres im Umweltausschuss des Bundesrates von den
A-Ländern, also Ihren Ländern, mit der Begründung ab-
gelehnt, dass die Stellungnahme der Bundesregierung zu
Auswirkungen von Ausbau und Unterhaltungsmaßnah-
men an Flüssen auf den Hochwasserschutz noch nicht
vorliegt.
Nun liegt uns diese Stellungnahme auch heute noch
nicht vor, trotzdem diskutieren wir heute fröhlich über
Flussmanagament. Ich bedauere dies ausdrücklich, da
uns eine wesentliche Diskussionsgrundlage fehlt. Doch
es ist nicht so, dass diese Grundlage auch der Bundesre-
gierung fehlt. Das Testat der Bundesanstalt für Wasser-
bau zum Geschiebemanagement an der Elbe liegt der
Bundesregierung bereits seit Wochen vor, ohne dass sie
es zugänglich gemacht hat. Dass es vorliegt, beweisen
die wieder aufgenommenen Baggerungsarbeiten an der
Elbe. Doch scheinbar ist das Testat zum Geschiebe-
management wenig schmeichelhaft für die Bundesregie-
rung, da durch den unbegründeten Stopp dieser Arbeiten
wertvolle Zeit zum Erhalt der Elbeflusslandschaft verlo-
ren gegangen ist. Ich bin gespannt, wie lange es dann
noch dauern wird, bis uns das noch ausstehende Testat
zu den Unterhaltungsmaßnahmen als Arbeitsgrundlage
vorliegt. Trotzdem wollen wir uns heute in die Diskus-
sion zum Flussgebietsmanagement begeben. Doch ich
bin schon beim ersten Punkt von all den vielen, die wir
begrüßen sollen, hängen geblieben. Ja, ich habe mir den
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ntrag wieder und wieder durchgelesen. Es steht da ein
berschwänglicher Dank an die Bundesregierung – und
onst? Nichts.
Ich komme nun aus einem betroffenen Dorf in Sach-
en-Anhalt und habe dort selbst 14 Tage im Wasser ge-
tanden. Wenn im Koalitionsantrag in so überschwäng-
icher Weise die Leistung der Bundesregierung
erausgestellt wird und die Leistungen anderer, insbe-
ondere der vielen Menschen, die den Wiederaufbau tat-
achlich geleistet haben, so gar nicht erwähnt werden,
ann hinterlässt das doch einen schalen Beigeschmack.
ch möchte die Verdienste der Bundesregierung in keiner
eise schmälern, doch noch bis in die jetzige Zeit hinein
elfen Vereine und Verbände, helfen Hilfsorganisatio-
en, sind freiwillige Helfer unterwegs und sorgen zum
eispiel auch dafür, dass die Schäden an Ökosystemen,
n unserer Biosphärenlandschaft, wieder so weit als
öglich behoben werden. Ihnen möchte ich hier und
eute meinen Dank aussprechen.
Dieses „Helfen“ war auch wieder bei diesem Hoch-
asser die Erfahrung – die Erfahrung, was Humanität
st. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren
on der FDP, fällt es mir bei aller Wertschätzung des In-
altes Ihres Antrages doch sehr schwer, die von Ihnen
ewählte Überschrift zu akzeptieren.
Es war nicht Verantwortungslosigkeit, die viele Men-
chen Hab und Gut verlieren ließ. Um ein ähnliches
ochwasser in der Geschichte unserer Region wiederzu-
inden, muss man bis in das 15. Jahrhundert zurückge-
en, sodass alle Schutzeinrichtungen auf das letzte große
ochwasser von 1845 ausgerichtet waren. Doch im Jahr
002 war das Wasser fast einen Meter höher. Deshalb
eigere ich mich, von individuell leichtfertigem Han-
eln zu sprechen.
Selbstverständlich – so wie es ist, kann es vielerorts
icht bleiben. Mit Sicherheit müssen wir uns über raum-
rdnungsplanerische Ansätze und Bauvorschriften in
ochwassergefährdeten Gebieten unterhalten und hier
inden sich ja in beiden Anträgen gute, weiter verfolg-
are Anknüpfungspunkte. Die Bereitschaft der Men-
chen, sich jetzt an einschränkende Maßnahmen zu hal-
en, ist um vieles höher als noch vor einem Jahr. Doch
ie Zeit läuft ab. Wenn ich mir den Punkt 5 der Forde-
ungen des Koalitionsantrages an die Bundesregierung
nsehe, so muss ich sagen, diese Reparatur- und Wieder-
ufbaumaßnahmen zum Beispiel an Heizungsanlagen
ind längst gelaufen. Ihr Antrag kommt zu spät. Viel zu
iele Hauhalte haben sich aus Kostengründen für die Re-
aratur der alten Ölheizung entschieden, weil sie nicht
eitig genug Förderzusagen erhielten. Es wird nicht ein-
ach werden, hier noch etwas zu ändern. Doch an ande-
en Stellen können wir noch etwas ändern!
Hochwasser sind am wirkungsvollsten an den Ober-
äufen, in den Einzugsgebieten der Flüsse, zu bekämp-
en. Die Wasserrahmenrichtlinie kann bei richtiger Um-
etzung ein sehr gutes Hilfsmittel sein. Für mich stellt
ich in diesem Zusammenhang die Frage: Warum wer-
en unsere Wälder in fast allen Bundesländern noch
wangsweise von den Wasser- und Bodenverbänden ent-
ässert? Wäre es nicht an der Zeit, unsere Wälder durch
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4835
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die Benennung als Reservoir für den Rückhalt von Re-
genwasser vor dem Unsinn der Entwässerung zu schüt-
zen? Auf diesen Punkt sollten wir gemeinsam unser Au-
genmerk richten!
Wenn das Wasser erst einmal den Mittellauf unserer
Flüsse erreicht hat, ist nur noch mit größtem Kostenauf-
wand etwas gegen die Zerstörungskraft der Fluten zu
machen. Doch sollten wir als erstes mit der Mär aufräu-
men, dass Verkehrswasserbau mit Hochwasserschutz un-
vereinbar wäre. Wer den vielen sachlichen Vorträgen der
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Wasserbau auch nur
einmal aufmerksam zugehört hat, dem ist klargeworden,
dass die Auswirkungen von Strombaumaßnahmen bei
Hochwasser lediglich im Promille-Bereich liegen, aber
auf der anderen Seite durch gesteuerte und ungesteuerte
Polder, also Deichrückverlegungen, durchaus Wirkung
zu erzielen ist. Doch Polderbau und Deichrückverlegun-
gen müssen immer im Einvernehmen mit Eigentümern
und Nutzern erfolgen. Nur so erzielen wir Akzeptanz im
Umweltschutz.
Ökologischer Hochwasserschutz und Schifffahrt sind
nach bisher wissenschaftlich nicht widerlegter Aussage
durchaus miteinander vereinbar. Naturschutzgroßpro-
jekte, Hochwasserschutzmaßnahmen und Strombaumaß-
nahmen lauten im Bereich des Biosphärenreservates
Mittlere Elbe in Sachsen-Anhalt durchaus Hand in
Hand. Das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Dres-
den und die Biosphärenreservatsverwaltung ringen im-
mer wieder einmal miteinander, ziehen aber dann an ei-
nem Strang. Deshalb kann ich mir so sicher sein, die
Schifffahrt ist ein ökologischer und zukunftsträchtiger
Verkehrsträger. Wir stehen daher zum Antrag des Landes
Sachsen-Anhalt, „der Binnenschiffahrt eine faire Chance
einzuräumen“.
Liebe Kollegen von der Koalition, wir begrüßen, dass
Sie nun auch eine klare Aussage zu Unterhaltungsmaß-
nahmen an Flüssen fordern, und sind gespannt, ob die
Bundesregierung nach langer Rechtsunsicherheit defi-
niert, was „in ihren Auswirkungen Ausbaumaßnahmen
vergleichbare Unterhaltungsmaßnahmen“ sind. Nachdem
mir auf eine diesbezügliche Anfrage vom 13. Februar
dieses Jahres nur eine ausweichende Antwort gegeben
wurde, hoffe ich, dass damit nun endlich für Unterhal-
tungsmaßnahmen Rechtssicherheit geschaffen wird.
Sorgen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren
von der Koalition, dafür, dass die Bundesregierung die
Erkenntnisse des Testats zum Geschiebemanagement der
Bundesanstalt für Wasserbau schnellstmöglichst veröf-
fentlicht und das Testat zu Ihres Antrages in den Aus-
schüssen vorliegt. Auf jeden Fall wird unsere Beratung
dann sehr viel konkreter sein können. Der Antrag der
FDP wird mit Sicherheit eine gute Beratungsgrundlage
in den Ausschüssen sein.
Renate Blank (CDU/CSU): Fast ein Jahr ist es her,
dass das große Sommerhochwasser an Elbe, Mulde und
Donau und ihren Nebenflüssen große wirtschaftliche
Schäden verursacht hat, ja sogar Menschenleben for-
derte. Diese Überschwemmungskatastrophe zwingt zum
Handeln.
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Im Antrag der Koalitionsfraktionen wird die
schnelle und unbürokratische Hilfe durch die Bundesre-
ierung“ gelobt. Das mag in Einzelfällen durchaus zu-
reffen, aber auch Ihnen sollten doch die vielen Kritik-
unkte und Beschwerden nicht unbekannt sein. Wenn
ch allein daran denke, wie lange es gedauert hat, die von
er CSU geforderte Entlastung der Kommunen beim
luthilfefonds gesetzestechnisch umzusetzen! Die Kom-
unen werden endlich von ihrem Anteil zum Fluthilfe-
onds freigestellt. Neben dieser finanziellen Entlastung
erden auch völlig unsinnige Belastungen für die von
er Flut betroffenen Kommunen beseitigt. Oftmals sollte
ine Kommune genauso viel in den Fonds einzahlen, wie
ie zur Beseitigung ihrer Flutschäden ausgezahlt be-
ommt. Das war insbesondere in Bayern der Fall.
Was ist zu tun? Der Bund muss mit den Ländern eine
emeinsame Hochwasserschutzstrategie entwickeln:
rstens, natürliche Rückhaltesysteme – das bedeutet
orbeugenden Hochwasserschutz durch Reaktivierung
atürlicher Rückhalteräume, Renaturierung, Auen-
rogramme und Schutzwallsanierung –, zweitens, tech-
ischer Hochwasserschutz – das sind Deichsanierungs-
rogramme und Hochwasserrückhaltebecken sowie
ochwasserschutz in Städten –, drittens, weiter gehende
ochwasservorsorge – das bedeutet Festsetzung von
berschwemmungsgebieten mit absolutem Be-
auungsverbot, Ausweisung von Vorranggebieten und
ie Optimierung der Wasserwarnung mit Vorhersage-
odellen.
Das bayrische Hochwasserkonzept sieht zum Beispiel
it dem Aktionsprogramm 2020 „Nachhaltiger Hoch-
asserschutz in Bayern“ bis zum Jahr 2020 in diesen
ereichen Investitionen von insgesamt 2,5 Milliarden
uro vor. Ein vergleichbares Konzept sollte bundesweit
usammen mit den Ländern erarbeitet werden.
Dies wären drei Punkte, die alles beinhalten, was zu
un ist. Dazu bedarf es keines fünfseitigen Koalitionsan-
ags.
Im Antrag von Rot-Grün wird auch begrüßt, dass ei-
ige Wasserstraßen nicht mehr oder nur mit flussbauli-
hen Maßnahmen ausgebaut werden. Für uns ist das un-
erständlich. Wie wollen sie denn die gewünschte
erkehrsverlagerung auf das umweltfreundliche Binnen-
chiff erreichen, wenn Sie notwendigen Ausbaumaßnah-
en ihre Zustimmung verweigern? Es sollte doch be-
annt sein, dass als Ursache bei Hochwasserschäden
rrtümlich verkehrswasserbauliche Maßnahmen genannt
erden. Fälschlicherweise wird auch behauptet, dass
nsbesondere der Ausbau von Wasserstraßen die Hoch-
assergefahr maßgeblich erhöhe, weshalb bei jedem
ochwasser von neuem gefordert wird, geplante Aus-
aumaßnahmen zu unterlassen. Solche Behauptungen zu
en Ursachen sind nicht nachvollziehbar, ebenso wenig
araus abgeleitete Folgerungen.
Es wird auch immer behauptet, die Häufigkeit und In-
ensität von Hochwassern stehe in Zusammenhang mit
en in einem Fluss vorhandenen Staustufen. Dies ist
chlichtweg falsch. Physikalische und mathematische
odelle belegen die Unrichtigkeit dieser und ähnlicher
ehauptungen.
4836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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Lassen Sie mich am Beispiel Donau aufzeigen, dass
die von Rot-Grün beschlossene Ausbauvariante der Do-
nau zwischen Straubing und Vilshofen, nämlich nur
flußbauliche Maßnahmen durchzuführen, eindeutig ei-
nes höheren Hochwasserschutzes bedarf. Noch einmal:
Die Variante A ist nachweislich diejenige, die den auf-
wendigsten Hochwasserschutz benötigt. Alle anderen
Ausbauvarianten bleiben von den Anforderungen darun-
ter. Die Donau zwischen Straubing und Vilshofen muss
also nicht allein im Interesse der Schifffahrt mit Staustu-
fen ausgebaut werden, sondern insbesondere wegen ei-
nes optimalen Hochwasserschutzes. Das ist die Sach-
lage. Sie sollten also ihren Beschluss, nur die Variante A
in das Raumordnungsverfahren zu nehmen, noch einmal
überdenken.
Bei sämtlichen Ausbauvorhaben werden doch die Be-
lange des Hochwasserschutzes im Rahmen der Umwelt-
verträglichkeitsprüfung, die integrierter Bestandteil der
öffentlich-rechtlichen Planfeststellungsverfahren ist, be-
rücksichtigt. Modellrechnungen ergeben regelmäßig,
dass sich der Hochwasserschutz nicht verschlechtert;
meistens können im Zuge des Ausbaus sogar Verbesse-
rungen erreicht werden. Nicht zuletzt gewährleistet bei
allen Wasserstraßenvorhaben des Bundes das gesetzlich
vorgeschriebene wasserwirtschaftliche Einvernehmen
der Länder, dass auch aus Ländersicht die Hochwasser-
belange nach Ausbau hinreichend gewährt sind.
Um mehr Verkehr auf das umweltfreundliche Binnen-
schiff verlagern zu können, brauchen wir auch weiter den
Wasserstraßenausbau. In der Fachwelt wird die Umwelt-
freundlichkeit der Binnenschifffahrt von niemandem
ernsthaft bezweifelt und ist allgemein anerkannt – manch-
mal habe ich den Eindruck, dass Rot-Grün die Umwelt-
freundlichkeit nicht wahrhaben möchte. Das Binnen-
schiff hat einen geringen Primärenergieverbrauch, auch
im Vergleich zur Bahn bezogen auf die erbrachte Ver-
kehrsleistung, gering Lärmemissionen, Abgasemissio-
nen, die kaum ins Gewicht fallen, und ist das sicherste
Transportmittel im Güterverkehr. Hochwasserschutz
muss sein, aber mit Augenmaß!
Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre und ihre Fol-
gen haben verdeutlicht, dass sich unser Umgang mit
Flüssen ändern muss. Allein das große Sommerhoch-
wasser 2002 an Elbe, Mulde und Donau und ihren Ne-
benflüssen hat wirtschaftliche Schäden von circa 9 Milli-
arden Euro verursacht. Die Kanalisierung, Vertiefung, zu
enge Eindeichung und Anstauung unserer Fließgewässer
haben zu einem immer schnelleren Wasserabfluss ge-
führt und den Flüssen ihre natürlichen Überflutungsauen
genommen. Die industrialisierte Landwirtschaft verdich-
tet die Böden. Der kranke Wald kann seine Wasserspei-
cherfunktion nicht mehr erfüllen. In rund tausend Jahren
sächsischer Geschichte wurde noch nie so viel Fläche
versiegelt und überbaut wie seit 1990 – und dies bei ei-
nem extremen Einwohnerrückgang. Es entstanden ge-
waltige Gewerbegebiete und Einkaufszentren neben
Städten und Dörfern, die deren Kernflächen teilweise
übersteigen.
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Es wird auch künftig nicht möglich sein, Hochwasser
it Sicherheit zu verhindern, Was wir aber können, ist,
as Ausmaß der Schäden zu verringern: durch ökologi-
che Hochwasservorsorge, nachhaltige Flusspolitik und
in Umdenken in der Verkehrs- und Siedlungspolitik.
ie Bundesregierung hat sich – lange vor dem Hochwas-
er – zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2020
m 80 Prozent zu reduzieren. Um dieses Ziel zu errei-
hen, werden wir eine Strategie zur Flächenreduzierung
uflegen.
Der Fehler der Vergangenheit lag darin, dass Flüsse
u einseitig in ihrer Funktion als Wasserstraßen und
ransportwege ausgebaggert, begradigt und beschleu-
igt wurden. Die Flüsse wurden den Schiffen angepasst.
mgekehrt ist es richtig: Die Schiffe müssen den Flüs-
en angepasst werden. Es ist zwar richtig: Der Transport
ber die Flüsse hat unter bestimmten Kriterien ökologi-
che Vorteile gegenüber der Straße oder gar dem Luft-
erkehr. Doch entscheidend ist das rechte Augenmaß.
Flüsse sind lebendige Ökosysteme mit einer eigenen
ynamik. Hoch- und Niedrigwässer sind ein natürlicher
eil dieser Dynamik. Auen und Feuchtgebiete überneh-
en wichtige Funktionen im natürlichen Kreislauf: Sie
ind einzigartige Lebensräume für viele Tiere und Pflan-
en und bieten Erholungsräume für uns Menschen. Sol-
he ursprünglichen Systeme sind in unserer Lebensum-
elt selten geworden. Kaum noch jemand hat die
hance, die Einzigartigkeit eines natürlichen Flusslaufes
ahrzunehmen und seine Schutzbedürftigkeit zu erken-
en.
Dass intakte Flusslandschaften auch ganz andere
unktionen erfüllen, wird bei jedem neuen Hochwasser
chmerzlich erkennbar. Die immensen Schäden von vor
inem Jahr sollten uns allen eine Lehre sein.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Sommer
chnell reagiert und unbürokratisch den Opfern und
eidtragenden der Hochwasserkatastrophe geholfen. Sje
at die Initiative ergriffen und mit dem Fünf-Punkte-
rogramm zur Verbesserung des vorbeugenden Hoch-
asserschutzes die Grundlage dafür geschaffen, dass be-
tehende Vollzugs- und Regelungsdefizite beim Hoch-
asserschutz abgebaut werden.
Ein effektiverer Hochwasserschutz erfordert aber ne-
en der konsequenten Durchsetzung des geltenden
echts auch eine Fortentwicklung des bestehenden bun-
esgesetzlichen Instrumentariums. Wenn es um Sied-
ungsentwicklung und Reduzierung der Flächenversie-
elung, um die Rückverlegung von Deichen oder
aßnahmen, die zu Beschränkungen landwirtschaftli-
her Tätigkeiten führen, um Flussausbau und Flussunter-
altung sowie Katastrophenschutz geht, reicht die beste-
ende Gesetzeslage nicht aus.
Aus diesem Grund begrüße ich außerordentlich, dass
as Umweltministerium in enger Kooperation mit den
eteiligten Ressorts an einem Artikelgesetz zur Verbes-
erung des vorbeugenden Hochwasserschutzes arbeitet.
in solches Gesetz soll den Hochwasserschutzgedanken
n den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes in
eeigneter Weise entweder erstmals verankern oder ver-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4837
(A) )
(B) )
stärken. Im Rahmen des Artikelgesetzes soll der Hoch-
wasserschutz im Wesentlichen mit folgenden Punkten
vorangebracht werden:
Erstens. Im Wasserhaushaltsgesetz werden die zentra-
len Ziele und Grundsätze des Hochwasserschutzes fort-
entwickelt.
Zweitens. Überschwemmungsgebiete werden als sol-
che noch deutlicher gekennzeichnet. Die Länder werden
verpflichtet, die festgesetzten Überschwemmungsge-
biete in die Flächennutzungs-, die Bebauungs- und in die
Raumordnungspläne zu übernehmen. Ein wesentliches
Element des vorsorgenden Hochwasserschutzes sind
bundesrechtliche Vorgaben bestimmter Verbote. Insbe-
sondere sind die Ausweisung neuer Baugebiete in Über-
schwemmungsgebieten durch Bauleitpläne sowie der
Neubau in Überschwemmungsgebieten zu verbieten.
Drittens. Zur notwendigen Erweiterung des Hochwas-
serschutzes soll im WHG die Kategorie der „über-
schwemmungsgefährdeten“ Gebiete neu eingeführt wer-
den. Das sind Gebiete, die zum Beispiel bei
Deichbrüchen überflutet werden. Hier sollen die Länder
verpflichtet werden, solche Gebiete zu ermitteln und in
die Raumordnungs- und Bauleitpläne aufzunehmen. Zu
den wesentlichen Grundsätzen eines zukunftsweisenden
Hochwasserschutzes gehört auch, Bodenerosion zu ver-
hindern. Deshalb sollte nach einer definierten Über-
gangszeit in Überschwemmungsgebieten kein Ackerbau
mehr betrieben und Ackerland in Grünland umgewan-
delt werden.
Fünftens. Um der Forderung nach mehr Raum für die
Flüsse gerecht zu werden, brauchen wir nationale Hoch-
wasserschutzpläne, die von den Ländern aufgestellt und
auch international abgestimmt werden. Auch dies soll im
WHG geregelt werden. Dort ist vorgesehen, auch be-
stimmte Maßnahmen vorzugeben, zum Beispiel die
Schaffung von Retentionsräumen, Rückverlegung von
Deichen, Erhaltung und Wiederherstellung von Auen,
Rückhaltung von Niederschlagswasser sowie die umfas-
sende Information der Öffentlichkeit.
Sechstens. Es wird seine Zeit brauchen, bis die ge-
setzlich beschlossenen Maßnahmen ihre Wirkung in der
Praxis entfalten. Wir müssen deshalb besser vorbereitet
sein auf die nächsten Hochwasser. Die Überflutung von
besiedelten Gebieten birgt sicherlich immer die
schlimmsten Schäden. An der Jahrhundertflut vom letz-
ten Jahr hat sich allerdings gezeigt, wie problematisch
der Einbau von Ölheizungen in potenziell gefährdeten
Gebieten ist. Wir wollen deshalb, dass der Einbau von
neuen Ölheizungen grundsätzlich in solchen Gebieten
verboten wird und bestehende Ölheizungen mit der Zeit
nachgerüstet werden.
Siebtens. Wir werden im Bundeswasserstraßengesetz
festschreiben, dass Bundeswasserstraßen hochwasser-
neutral unterhalten und ausgebaut werden. Dabei sollen
auch die Rolle des Naturschutzes und die Gewässeröko-
logie gestärkt werden.
Achtens. Schließlich ist vorgesehen, im Gesetz über
den Deutschen Wetterdienst die Aufgaben des DWD
beim vorbeugenden Hochwasserschutz zu konkretisieren
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nd auszubauen. Hierzu gehört auch die Verbesserung
er Zusammenarbeit mit den Ländern.
Summa summarum bleibt festzuhalten: Das Konzept
st anspruchsvoll, teilweise mit schmerzhaften Eingriffen
erbunden und deshalb sicher nicht leicht durchzusetzen.
ie Abstimmung innerhalb der Bundesregierung läuft
ach Auskunft des federführenden Hauses gut – über die
ommerpause wird der Gesetzentwurf abgestimmt sein.
Die Flutkatastrophe des letzten Jahres hat in ihrem
usmaß enorme Zerstörung und volkswirtschaftliche
osten verursacht. Dies sind auch Folgekosten eines un-
erlassenen Klimaschutzes. Wer meint, Klimaschutz
önne man sich nur in wirtschaftlich guten Zeiten leis-
en, ist auf dem Holzweg. Statt den Ast, auf dem wir sit-
en, abzusägen, müssen wir den Baum, der uns ernährt,
flegen. Wir müssen Klimaschutz auch aus materiellen
nteressen betreiben. Deshalb wird sich die Bundestags-
raktion Bündnis 90/Die Grünen dafür einsetzen, dass
er Klimaschutz in Deutschland vorankommt. Der Ab-
au umweltschädlicher Subventionen, die Fortsetzung
es Nationalen Klimaschutzprogramms, die Einführung
es Emissionshandels und die Novellierung des Erneuer-
are-Energien-Gesetzes (EEG) sind die wichtigsten Auf-
aben in den kommenden Monaten. Auch die Schaffung
on steuerlichen Anreizen zur Energieeinsparung und
O2-Vermeidung ist essenziell, um unsere Klimaschutz-iele zu erreichen.
Klimaschutz ist Hochwasserschutz für übermorgen.
as allein wird aber nicht ausreichen, um solche Schä-
en in Zukunft zu vermeiden. Es ist zu erwarten, dass
ochwasser-Ereignisse in der Anzahl zunehmen wer-
en. Entscheidend wird sein, dass wir einen konsequen-
en und umfassenden Politikwechsel im Hochwasser-
chutz einleiten, und zwar weg vom Beherrschen-Wollen
er Natur, hin zum nachhaltigen Umgang mit unseren
lüssen, auch mit dem Hochwasser.
Birgit Homburger (FDP): Noch ist gut in Erinne-
ung, wie Umweltminister Trittin vor etwa einem Jahr
ber die Deiche des Sommerhochwassers stolzierte. Aus
er Not der Betroffenen wurde eine Kulisse zur Selbst-
arstellung. Anstatt sich an die Empfehlungen zu erin-
ern, die schon die Vorgängerregierung ausgesprochen
atte, ritt der Umweltminister mal wieder seine politi-
chen Steckenpferdchen. Schon dies allein mussten die
pfer der Hochwasserkatastrophe als Hohn empfinden.
s folgten Ankündigungen und wolkige Versprechun-
en, garniert mit einem „Eckpunktepapier“ zum Hoch-
asserschutz, das im April 2003 endlich, nach sieben
onaten, vorgestellt wurde. Das ist bisher alles. Nun ist
ald ein Jahr vergangen. Noch immer wartet der Deut-
che Bundestag vergeblich auf den lange angekündigten
esetzentwurf dieser Bundesregierung zum Hochwas-
erschutz. Also heißt die rot-grüne Bilanz einmal mehr:
ußer Spesen nichts gewesen.
So verwundert es auch nicht, dass der nun vorgelegte,
ilig zusammengezimmerte Verlegenheitsantrag von
ot-Grün nichts anderes ist als politische Augenwische-
ei. Er belegt vor allem eines: Rot-Grün nimmt den
ochwasserschutz nicht wirklich ernst. Wie sonst ließe
4838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
sich erklären, dass der von Rot-Grün vorgelegte Antrag
in 14 Punkten schlicht und einfach alles aufzählt, was
Umweltminister Trittin in seiner bisherigen Amtszeit an-
gekündigt hat. Offensichtlich geht es allein darum, die
zähe Untätigkeit dieser Regierung auch beim Hochwas-
serschutz vor den Bürgerinnen und Bürgern zu kaschie-
ren.
Da Rot-Grün nichts Konkretes vorweisen kann, wird
in der Not selbst die peinliche Forderung begrüßt, das
„5-Punkte-Programm“ zur Verbesserung eines vorbeu-
genden Hochwasserschutzes vom 15. September 2002
„zügig umzusetzen“. Außerdem werden Maßnahmen
aufgezählt, die allenfalls am Rande etwas mit dem
Hochwasserschutz zu tun haben: angefangen von der
Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, über die na-
tionale Nachhaltigkeitsstrategie, die Förderung regene-
rativer Energien, die Ökosteuer bis hin zur Ökologisie-
rung der Land- und Forstwirtschaft.
Aber nicht genug damit, dass diese Bundesregierung
auch ein Jahr nach der letzten Hochwasserkatastrophe
offensichtlich außerstande ist, konkrete, verbindliche
und in sich stimmige Konzepte zum Hochwasserschutz
vorzulegen. Es kommt noch schlimmer: Rot-Grün ver-
strickt sich in Widersprüche. Da wird einerseits aus-
drücklich der umweltverträgliche Gütertransport durch
die Binnenschiffahrt hervorgehoben und betont, der Gü-
terverkehr solle auf die Wasserstraßen verlagert werden.
Die FDP stimmt dem ausdrücklich zu und beglück-
wünscht die Bundesregierung zu dieser Einsicht. Diese
ist im Übrigen auch in dem Hochwasser-Eckpunkte-
papier von Minister Trittin nachzulesen. Aber leider
bleibt es beim Lippenbekenntnis. Wenige Zeilen später
wird nämlich in demselben Antrag begrüßt, dass diese
Bundesregierung seit dem vergangenen Sommer bei der
Pflege der deutschen Wasserstraßen alle Räder stillste-
hen lässt. Allen Ernstes werden die von Rot-Grün ge-
stoppten Flussbaumaßnahmen an Elbe und Saale als
Maßnahmen zum Hochwasserschutz angepriesen – dies,
obwohl diese wasserbaulichen Maßnahmen nach einhel-
liger fachlicher Einschätzung in keinerlei Sachzusam-
menhang zu Hochwassersituationen stehen. Diese Bun-
desregierung kennt offenbar keine Hemmungen, wenn es
darum geht, den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die
Augen zu streuen.
Immerhin besteht inzwischen Einigkeit, dass ein ab-
soluter Schutz vor Hochwasser nicht möglich ist. Des-
halb muss alles Menschenmögliche getan werden, um
vorausschauend optimale Vorsorge zu leisten. Die FDP
fordert die Bundesregierung auf, die gegebenen Verspre-
chen einzuhalten und endlich ein widerspruchsfreies
Konzept für eine vorausschauende, umfassende und
wirksam vorbeugende Strategie für den Hochwasser-
schutz vorzulegen.
Der heutige Antrag der FDP enthält demgegenüber
26 konkrete Vorschläge. Diese sind das Ergebnis einer
intensiven Befassung der FDP mit dem Thema Hoch-
wasserschutz in den vergangenen Monaten. Die FDP hat
in fünf Anhörungen eine Vielzahl von Sachverständigen
gehört. Intensiv diskutiert wurden hochwasserschutzre-
levante Fragen der Gewässerökologie, der Verkehrspoli-
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ik, des Bau- und Planungsrechts, neuere Entwicklungen
n Forschung und Technologie für einen verbesserten
ochwasserschutz und ökonomische Fragen, die unver-
ichtbarer Bestandteil nachhaltiger Politikkonzepte zum
ochwasserschutz sein müssen.
Die FDP nimmt den Hochwasserschutz ernst und legt
em Deutschen Bundestag mit ihrem Antrag heute ein
ündel zielgerichteter Maßnahmen vor. Die FDP fordert
ie Bundesregierung insbesondere dazu auf, fluss-
ebietsbezogene, internationale Hochwasserkonferenzen
u initiieren und in Abstimmung mit den europäischen
achbarn durchzuführen. Dafür bieten sich die durch die
uropäische Wasserrahmenrichtlinie vorgezeichneten
lussgebietsbezogenen Strukturen an, um Grundlagen für
inen abgestimmten länderübergreifenden Hochwasser-
chutz zu schaffen. Der FDP-Antrag weist die dazu ge-
igneten Wege.
nlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Mehr Rechte
für Fahrgäste im öffentlichen Personenver-
kehr(Tagesordnungspunkt 24)
Sören Bartol (SPD): Busse und Bahnen müssen eine
chte Alternative zum Auto und zum Flugzeug werden.
as Verkehrswachstum, das in den nächsten Jahren auf
ns zukommen wird, ist nur zu bewältigen, wenn der öf-
entliche Personenverkehr sein Kundenpotenzial besser
usschöpft.
Den Löwenanteil bei den Beförderungsleistungen
acht mit fast 83 Prozent der motorisierte Individualver-
ehr aus. Schiene und öffentlicher Straßenverkehr errei-
hen nur einen Anteil von unter 9 Prozent (Straßenbau-
ericht 2002). Damit können wir nicht zufrieden sein.
Wir haben deshalb in der letzten Legislaturperiode
ine Qualitätsoffensive für den öffentlichen Verkehr ge-
tartet. Ein Baustein dieser Strategie für einen attrakti-
en Personenverkehr ist die Stärkung des Verbraucher-
chutzes und der Kundenrechte.
Auch wir sehen wie Sie, meine Damen und Herren
on der CDU/CSU, Verbesserungsbedarf beim Verbrau-
herschutz im öffentlichen Verkehr. Deswegen haben
ir im letzten Jahr die Bundesregierung mit einer umfas-
enden Bestandsaufnahme beauftragt. Nur auf einer
olch fundierten Grundlage können wir Fahrgastrechte
eitgemäß und verbraucherorientiert weiterentwickeln,
hne die Verkehrsunternehmen zu überfordern.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, zu prüfen, wie
ie haftungsrechtliche Situation von Fahrgästen bei
angelhaften Leistungen verbessert werden kann. Auch
ine umfassende Fahrplanauskunft und die Einrichtung
nd Förderung unabhängiger Schlichtungsstellen sind
ckpunkte für den Prüfauftrag, der als Gutachten dem-
ächst in Auftrag gegeben wird und dessen Ergebnis wir
offentlich zügig erwarten können.
Mit ihrem Antrag „Fahrgäste ohne Rechte – mehr
echte für Fahrgäste!“ erweckt die Unionsfraktion den
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4839
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(B) )
Eindruck: Die Fahrgäste des öffentlichen Personenver-
kehrs sind in Deutschland rechtlos und der Willkür der
Verkehrsunternehmen – vor allem der Bahn – ausgesetzt.
Ist das wirklich so? Ich will gar nicht verhehlen, dass
dieser Eindruck angesichts der öffentlichen Debatte über
Zugverspätungen und das neue Preissystem der DB AG
entstehen konnte. Dennoch sollte man bei den Tatsachen
bleiben. Und da lohnt sich durchaus eine kritische Be-
schäftigung mit Ihrem Antrag: Erstens. In Ihrem Antrag
bemängeln Sie, dass Bahnkunden, deren Zug sich ver-
spätet oder ganz ausfällt, den vollen Fahrpreis bezahlen
müssen und keinen Entschädigungsanspruch haben. Das
ist falsch! In diesem Fall reicht es nicht aus, nur die Ei-
senbahnverkehrsordnung zu lesen – ein Blick in die Be-
förderungsbedingungen der DB AG gibt hier deutlich
Aufschluss. Diese sehen nämlich vor, dass der Kunde
bei Ausfall oder wesentlichen Verspätungen der Züge
Schadensersatz- oder Rückerstattungsansprüche hat;
oder er muss unentgeltlich an den Ausgangsbahnhof zu-
rückbefördert werden.
Zweitens. Sie fordern, dass jedes Verkehrsunterneh-
men nicht nur die eigenen, sondern auch die Fahrplan-
und Preisdaten der übrigen Konkurrenten veröffentli-
chen muss. Auch ich bin nicht glücklich über die Hal-
tung der DB AG, die sich weigert, die Zugverbindungen
von Connex in ihr Kursbuch aufzunehmen. Die DB AG
ist nicht gut beraten, die Lösung bei den Gerichten zu su-
chen. Ihre grundsätzliche Forderung nach umfassender
Auskunftspflicht für alle Verkehrsunternehmen proble-
matisch. Sie würde nämlich bedeuten, dass zum Beispiel
auch die Firma Connex ihre Kunden umfassend über die
Zugverbindungen der DB AG informieren müsste. Da-
mit tun Sie den konkurrierenden Unternehmen einen Bä-
rendienst. Wir sind uns aber mit Ihnen in dem Ziel einer
umfassenden Fahrplanauskunft einig. Auch hier erwar-
ten wir praktikable Vorschläge, wenn die Bundesregie-
rung das Ergebnis ihrer Prüfung vorlegt.
Drittens. Sie fordern, die Beförderungspflicht weiter-
hin als Aufgabe des Staates im öffentlichen Recht zu re-
geln. Diese Beförderungspflicht für öffentliche Bahnen –
dazu zählt unter anderem die DB AG – gibt es bereits.
Lesen Sie einmal § 10 des Allgemeinen Eisenbahngeset-
zes. Da steht alles drin. Oder wollen Sie eine Beförde-
rungspflicht für den Staat einfordern? Dann müssten Sie
aber die Bahnreform rückgängig machen, die eine klare
Trennung von unternehmerischen und staatlichen Auf-
gaben im Bahnbereich festschreibt.
Ich gebe Ihnen Recht, meine Damen und Herren von
der CDU/CSU: Es gibt Spielraum für Verbesserungen im
Sinne der Kunden. Ich halte jedoch nichts davon, in ei-
ner blinden Regulierungswut neue rechtliche Regelun-
gen aus dem Handgelenk zu schütteln. Wir brauchen
eine fundierte Grundlage, wenn wir einerseits Kunden-
rechte stärken und andererseits die Verkehrsunterneh-
men nicht überfordern wollen.
Verbraucherschutzrechte sind jedoch nicht alles – aus
Sicht der Kunden entscheidend für die Attraktivität von
Bussen und Bahnen sind auch Kundenfreundlichkeit und
Service. Verständliche Tarife, gute Beratung, Informatio-
nen über Ursachen von Verspätungen und alternative
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eisemöglichkeiten sind wichtige Faktoren für ein posi-
ives Image der Bahn- und Busanbieter. Hier haben die
erkehrsunternehmen schon einiges dazugelernt. Wir
rauchen im öffentlichen Personenverkehr ein partner-
chaftliches Klima zwischen den Kunden und den Ver-
ehrsunternehmen, das die Interessen beider Seiten zu-
ammenbringt. Dazu können Kundenbeiräte beitragen,
ie es vereinzelt bei den Unternehmen und bei Verkehrs-
erbünden schon heute gibt. Ich denke, auch Herr
ehdorn sollte über diese Möglichkeit für sein Unter-
ehmen ernsthaft nachdenken.
Ich bin überzeugt, dass Wettbewerb auch zu günsti-
en Preisen und besserer Qualität führt. Wir haben für
ehr Wettbewerb auf der Schiene gesorgt. Neue Bahn-
etreiber wie Connex finden zunehmend ihren Weg auf
ie Trassen der DB Netz. Auch das nützt dem Verbrau-
herschutz: Verkehrsunternehmen, die am Markt erfolg-
eich sein wollen, müssen sich an den Wünschen der
unden orientieren. Deswegen musste die Bahn auch ihr
reissystem überarbeiten.
Lassen Sie uns gesetzliche Regelungen nicht über-
türzen, sondern gemeinsam im Dialog mit den Ver-
ehrsunternehmen darauf hinwirken, dass die Nutzer öf-
entlicher Verkehrsmittel nicht als Beförderungsfälle
ehandelt werden, sondern als Kunden mit einem An-
pruch auf gute Serviceleistung.
Jella Teuchner (SPD): „Rechnest Du noch oder
ährst Du schon?“ – es war Harald Schmidt, der die Kri-
ik am neuen Preissystem der Bahn so anschaulich auf
en Punkt gebracht hat. Ein Preissystem, das es dem ein-
elnen Reisenden kaum erlaubt, die für ihn optimale
erbindung zu finden, wird nicht akzeptiert. Diese Wo-
he hat die Deutsche Bahn reagiert, sie hat die alte Bahn-
ard wieder eingeführt und Änderungen am Preissystem
ekannt gegeben. Dies ist ein Zeichen für die Orientie-
ung am Kunden; als solches wurde es auch von allen
eiten begrüßt.
Orientierung am Kunden, das ist für Unternehmen,
ie am Markt bestehen wollen, die eine Seite der Me-
aille. Die andere Seite ist, dass Kunden natürlich auch
echte haben. Wir haben erst vor kurzen mit der Schuld-
echtsmodernisierung bekräftigt, dass die Verbraucher
inen Anspruch auf mängelfreie Produkte haben. Dies
uss selbstverständlich auch für die Fahrgäste im öf-
entlichen Personenverkehr gelten.
Ob dieses Recht auf mängelfreie Produkte wirklich
mgesetzt ist und was wir tun können, um die Stellung
er Fahrgäste zu verbessern, darüber haben wir in der
etzten Zeit ja schon öfters diskutiert. Insbesondere seit
ie Bahn das neue Preissystem eingeführt hat, ist auch
ie öffentliche Diskussion sehr intensiv geworden. Wir
atten ja zuletzt im Ausschuss für Verbraucherschutz,
rnährung und Landwirtschaft dazu eine Anhörung, in
er deutlich geworden ist, dass es Nachholbedarf gibt.
Der Weg mag ja für manche Fahrgäste das Ziel sein;
ie meisten reisen aber, um anzukommen, sehr oft um zu
inem bestimmten Zeitpunkt anzukommen. Das muss
ich in den Fahrgastrechten widerspiegeln; auch
4840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
(A) )
(B) )
Reisende haben einen Anspruch auf eine belastbare Ter-
minplanung. Das Europäische Parlament hat diese
Woche genau in diesem Punkt die Rechte der Fluggäste
gestärkt. Es hat Regelungen zugestimmt, die Entschädi-
gungen und Rücktrittsrechte für Flugpassagiere regeln,
die wegen Überbuchung oder Stornierung von Flügen
ihre Reise nicht antreten können.
Die Anhörung hat gezeigt, dass wir bei den Kunden-
rechten mehr Transparenz brauchen. Wir brauchen Re-
gelungen, die zum einen der besonderen Situation ge-
rade der Bahnunternehmen Rechnung tragen, die sich
aber ansonsten an den Regelungen des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs orientieren.
In der Anhörung hat Professor Ansgar Staudinger, Di-
rektor der Forschungsstelle für Reiserecht an der Univer-
sität Bielefeld, ziemlich konkrete Vorschläge gemacht,
wie zukünftige Regelungen aussehen können. Diese Vor-
schläge sind auf große Sympathien gestoßen. Ich hoffe
auch, dass wir bald die in der letzten Legislaturperiode
von der Bundesregierung angeforderte Bestandsauf-
nahme zu den Fahrgastrechten bekommen. Auf dieser
Basis können wir im Herbst die Diskussion um die Fahr-
gastrechte im öffentlichen Personenverkehr führen. Ich
gehe davon aus, dass wir zu einer guten Lösung für die
Fahrgäste kommen werden.
Ursula Heinen (CDU/CSU): „Die Bahn kann es … doch
nicht“ – so eine kürzlich, Ende Juni, erschienene Über-
schrift zu zwei Artikeln in der „FAZ“ vom 26. Juni 2003.
Diese Überschrift ist traurig und alarmierend zugleich.
Denn was besagt sie? Die Kunden sind von der Bahn
oftmals enttäuscht. Das ist schade, denn die Bahn ist
doch eigentlich Bestandteil und Bedingung unseres mo-
bilen Lebens. Die heutigen Zugverbindungen ermögli-
chen, dass Distanzen wie München–Hamburg schnell
überwunden werden. Und das muss auch einmal gesagt
werden: Die neue ICE-Strecke von Köln nach Frankfurt
ist wirklich eine erhebliche Entlastung.
Aber warum sind die Kunden so enttäuscht? Die
Bahn als Unternehmen wird den Anforderungen der mo-
bilen Gesellschaft offenbar zurzeit nicht gerecht. Die be-
queme Zugfahrt nimmt beispielsweise, wie wir alle
schon erfahren haben, ein jähes Ende, wenn eine An-
schlussverbindung ausfällt, und dies geschieht oft und in
den letzten Monaten zunehmend.
Die Politik ist daher gefragt zu prüfen, was sie tun
kann. Das gilt nicht nur für die Vertreter der Bundesregie-
rung im Bahn-Aufsichtsrat. Wie können wir den Verbrau-
chern zu mehr Vertrauen in die Bahn und Zufriedenheit
mit ihr und anderen Verkehrsunternehmen verhelfen?
Wie können wir Verkehrsunternehmen als verlässliche
Partner positionieren, die wissen, wo ihre Verantwortung
beginnt, was sie umfasst und wo sie aufhört?
Wir haben die öffentliche Debatte über die Bahn ver-
folgt und intensiv auch in einer Anhörung im Ausschuss
die daran anknüpfenden Fragen diskutiert. Das Ergebnis
ist der Antrag, den wir heute diskutieren, den wir von
der CDU/CSU eingebracht haben: „Mehr Rechte für
Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr“. Wir haben
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ns dabei mit Absicht nicht nur mit der Bahn beschäf-
igt, die im Kreuzfeuer der öffentlichen Debatte steht,
ondern auch mit anderen Verkehrsträgern wie Bus,
lugzeug, Überlandbus, Schiff.
Lassen Sie mich unsere Kernforderung darstellen:
Die Verbraucher dürfen nicht länger im öffentlichen
ersonenverkehr schlechter behandelt werden als auf an-
eren Rechtsgebieten. Sie sollen nicht länger nur auf
ulanzregelungen von Verkehrsunternehmen angewie-
en sein. Überall sonst stehen ihnen Gewährleistungs-
echte und Haftungsansprüche zu, insbesondere auch im
rivatrechtlichen Reisevertragsrecht. Deshalb fordern
ir: Das Recht der Personenbeförderung soll grundle-
end neu geordnet werden.
Alle Regelungen sollen einheitlich und verkehrsmit-
elübergreifend gelten, sei es, ob der Verbraucher Bahn,
us, Überlandbus, Schiff oder Flugzeug nutzt.
Ganz wichtig, um für Klarheit bei allen zu sorgen:
aftungsgrundsätze sind zu beachten. Zum Beispiel darf
in Verkehrsunternehmen zwar Ersatzansprüche bei Ver-
chulden Dritter ausschließen – zum Beispiel Zuparken
er Schiene durch ein Auto – nicht aber wenn eine Ver-
pätung im eigenen Gefahrenbereich liegt, wie zum Bei-
piel Mängel an den Triebfahrzeugen. Auch sind Haf-
ungsgrenzen vorzusehen.
Übrigens: Ihre zögerliche Haltung bei diesem Thema
st für mich kaum nachvollziehbar; schließlich fordert
elbst die nordrhein-westfälische Verbraucherschutzmi-
isterin Höhn (Grüne) die Streichung des § 17 der Eisen-
ahn-Verkehrsordnung, die bislang eine Haftung der Ei-
enbahn für eine Verspätung oder Ausfall eines Zuges
usschließt.
Und ein weiteres Thema: Den Verbrauchern muss der
ahrkartenkauf und die Auskunft über Zugverbindungen
uch mit anderen Verkehrsunternehmen, sei es auch nur
ür eine Teilstrecke, sowohl im Internet als auch am
ahnhof durch ein einziges Verkehrsunternehmen mög-
ich sein.
Die Deutsche Bahn ist seit fast zehn Jahren privati-
iert, der Bund ist Anteilseigner – solche Änderungen
ind daher angemessen, notwendig und möglich!
Gerade in den vergangenen Tagen haben wir Bestäti-
ung in der von uns eingeschlagenen Richtung erhalten:
as Kammergericht Berlin hat jetzt entschieden, dass
ie Deutsche Bahn AG Fernverbindungen ihres größten
onkurrenten Connex in ihre Fahrpläne aufnehmen
uss. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsver-
ahrens müssen die Daten von Connex für zwei Strecken
ofort in der Online- und Telefonreiseauskunft der Deut-
che Bahn AG aufgenommen werden. In anderen ge-
ruckten Medien muss die Bahn der Auflage beim
ächsten Druck nachkommen. Diese Entscheidung des
erichts entspricht der Forderung unseres Antrags. Das
ericht hat damit Versäumnisse der Bundesregierung
orrigiert und wird hoffentlich die endgültige Entschei-
ung in der Hauptsache nicht anders treffen.
Das aber ist der entscheidende Punkt: Das Gericht hat
n dieser Stelle die Aufgabe der Politik übernommen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4841
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Sie dagegen haben trotz intensiver öffentlicher Diskus-
sion, trotz vollmundiger Anpreisungen von Frau Künast
und trotz Besprechungen der Ressorts und der verant-
wortlichen Minister für Umwelt, Verkehr und Verbrau-
cherschutz nichts hinbekommen! Es wäre Ihre Aufgabe
gewesen, durch klare gesetzliche Vorgaben die Fahrplan-
daten in einer von Ihnen angestrebten Verkehrs-Wettbe-
werbslandschaft sicherzustellen. Sie hatten dies im rot-
grünen Koalitionsvertrag auch vereinbart. Stattdessen:
Schützenhilfe kommt nur von der Rechtsprechung.
Und noch eins: der Aktionsplan Verbraucherschutz
von Frau Künast. Dass er als Aktionsplan insgesamt
mangels konkreter Zielsetzungen, Vorschläge und Zeit-
pläne wenig taugt, habe ich schon in der letzten Debatte
gesagt. Soeben hat sich der Bundesrat zum Aktionsplan
geäußert und von Verbraucher- wie von Wirtschaftsseite
gerade in Bezug auf die Fahrgastrechte festgestellt
– Empfehlungen der Ausschüsse für Verbraucherpolitik
und Wirtschaft, Drs. BR 323/1/03 vom 30.06.03 –:
Die Stärkung der Fahrgastrechte (ist) … ein sinn-
voller Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des
Öffentlichen Personenverkehrs. (Ziff. 24 Wirt-
schaft).
Und, noch deutlicher:
Das Verweisen auf ein künftiges Tätigwerden auf
EU-Ebene verkennt das von den Bürgern inzwi-
schen als gravierend erlebte veraltete Kundenver-
ständnis der Deutschen Bahn. … Der Bundesrat
fordert hier ausdrücklich Regelungen auch auf nati-
onaler Ebene (Ziff. 23, Verbraucher). – Deshalb
reicht auch das sich in der Ratifikation befindliche
Übereinkommen über den internationalen Eisen-
bahnverkehr, worauf StS Hartenbach in einer Ant-
wort auf eine schriftliche Frage von mir verwies,
nicht aus, um bessere Haftungsregeln für die Kun-
den zu erzielen.
Damit ist aber auch klar: Die Bundesregierung ist
zum Handeln aufgefordert, von den Bürgern, vom Bun-
desrat und von uns! Unterstützen Sie unseren Antrag.
Gitta Connemann (CDU/CSU): „Henriette Bimmel-
bahn fuhr noch nie nach einem Plan. Doch dann pfeift
sie und sie bimmelt, rattert, knattert, dampft und faucht,
ruckelt, zuckelt“. James Krüss beschreibt in seinem
gleichnamigen Kinderbuch eine Idylle, eine idealisierte
Erinnerung, die Kinder erfreut, aber nicht in die heutige
Zeit passt – eine Zeit, in der es auf Pünktlichkeit, auf Zu-
verlässigkeit ankommt.
Mit dieser Zuverlässigkeit wirbt unter anderem das
größte deutsche Verkehrsunternehmen, die Bahn AG.
1992 wurde das ehemalige Staatsunternehmen privati-
siert. Unter Hinweis auf diese Privatisierung verbittet
sich die Geschäftsleitung die Einmischung der Politik in
Unternehmensentscheidungen – nach dem Aktienrecht
vollkommen zutreffend. Auf der anderen Seite werden
aber alle gesetzlichen Regelungen, die für das gute alte
Staatsunternehmen geschaffen worden waren, um es
besser zu stellen, gerne in Anspruch genommen.
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Dazu gehören Vorschriften wie § 12 Allgemeines
isenbahngesetz, der bestimmt, dass Tarife bekannt zu
achen sind, aber nicht sagt, wo und wie. § 17 Eisen-
ahnverkehrsordnung besagt „Verspätung oder Ausfall
ines Zuges begründen keinen Anspruch auf Entschädi-
ung.“ Bei Verspätungen oder Zugausfall ist der Kunde
lso auf Kulanz angewiesen und damit der Gefahr von
illkür ausgesetzt. Dies gilt aber auch für andere öffent-
che Verkehrsunternehmen wie Straßenbahnen, Omni-
usse etc. Dort bestehen ebenfalls keine Ansprüche auf
ntschädigung. So begründen laut § 16 der Verordnung
ber die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den
traßenbahn- und Omnibusverkehr „Abweichungen von
ahrplänen durch Verkehrsbehinderungen, Betriebsstö-
ungen oder -unterbrechungen sowie Platzmangel keine
rsatzansprüche“. Es wird auch keine Gewähr für das
inhalten von Anschlüssen übernommen.
Was bedeutet das nun konkret für den Fahrgast? Er ist
aktisch ohne Rechte. Viele von Ihnen werden es am ei-
enen Leib erfahren haben. Denn jeder von uns hat eine
ieser Geschichten zu erzählen, die von Verspätungen,
erpassten Anschlüssen, nicht vorhandenen Sitzplätzen,
alsch ausgestellten Fahrscheinen, fehlerhaften Fahrplä-
en, von Nachzahlungen handeln. Aber sicher werden
ie wenigsten von uns versucht haben, den Fahrpreis zu-
ückzuerhalten oder Schadenersatz geltend zu machen.
as hätte auch wenig Chancen auf Erfolg gehabt. Denn
ach den vorgenannten Vorschriften gibt es diese An-
prüche so gut wie nicht. Der Fahrgast ist auf die Kulanz
es Verkehrsunternehmens angewiesen.
In keinem anderen Bereich ist der Verbraucher so
chlecht geschützt wie im Fahrgastbereich. In welchem
nderen Bereich könnten privatwirtschaftliche Unter-
ehmen sich sonst nur auf Kulanz zurückziehen, für
angelhafte Leistungen den vollen Preis einfordern und
as auch noch mit Schutz des Staates?
Dies mutet wie eine Geschichte aus grauer Vorzeit an.
iese Tragikomödie spielt aber in der Bundesrepublik
eutschland des Jahres 2003. Und das, obwohl seit vie-
n Jahren Verbraucherschutzverbände, Vereine wie Pro
ahn vollkommen zu Recht mehr Rechte für den Fahr-
ast fordern. Und das, obwohl wir eine Ministerin ha-
en, die sich zur Verbraucherschützerin Nummer eins
usgerufen hat.
Im Bereich der öffentlichen Verkehrsunternehmen ist
erbraucherschutz nicht nur ein bloßes Modewort. Die
undesregierung agiert hier offensichtlich nach dem
otto „Schützt die Bahn vor den Verbrauchern“. Denn
st in den letzten Jahren etwas für die Stärkung der Fahr-
astrechte getan worden? Nein! Ist überhaupt das Be-
ürfnis seitens der Bundesregierung gesehen worden?
ein!
Bezeichnend ist insoweit die Antwort der Bundes-
egierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Frak-
on zum Verbraucherschutz in öffentlichen Verkehrsmit-
eln. Noch am 23. Juli 2001 negiert die Bundesregierung
den Handlungsbedarf. Diese Einstellung hat sich nicht
eutlich geändert. Liest man nämlich den im Mai dieses
ahres vorgestellten „Aktionsplan Verbraucherschutz“
er Bundesregierung, finden sich unter dem Punkt
4842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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„Öffentlicher Personenverkehr“ nur dürftige Verweise
auf EU-Regelungen und die Länder.
Eine eigene Verantwortlichkeit wird nicht gesehen.
Sie ist aber gegeben. Denn nur durch Änderungen auf
bundesgesetzlicher Ebene wird der Fahrgast dauerhaft
rechtlich genau wie jeder andere Verbraucher gestellt.
Dazu braucht es gar nicht so viel. Es müsste nur die Gel-
tung des bürgerlichen Rechts wieder hergestellt werden.
Denn danach ist der Beförderungsvertrag ein Werkver-
trag. Nach Werkvertragsrecht hätte der Fahrgast einen
Anspruch darauf, am Ziel anzukommen, und zwar
pünktlich. Er müsste den Fahrpreis erst nach ordnungs-
gemäßer Leistung zahlen, sprich: nach Ankunft. Bei
nicht ordnungsgemäßer Leistung hätte er entweder ein
Recht auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder
Schadensersatz. Diese Rechte sind durch die gewerbe-
rechtlichen Sonderregelungen für öffentliche Verkehrs-
unternehmen faktisch ausgehöhlt. Dies ist nur möglich,
weil diese Regelungen als gesetzliche Normen nicht der
normalen Inhaltskontrolle nach dem Recht der allgemei-
nen Geschäftsbedingungen unterliegen.
Die Bundesregierung hat die Pflicht, Fairness im
Rechtsverhältnis zwischen Fahrgast und öffentlichem
Verkehrsunternehmen herzustellen. Dazu hat unsere
Fraktion mit dem vorliegenden Antrag einen prakti-
kablen, gerechten und ausgewogenen Vorschlag unter-
breitet: Überführen Sie das Personenbeförderungsrecht
in einen privatrechtlichen Regelungskontext. Lösen Sie
die Regelungen betreffend das Rechtsverhältnis zwi-
schen Fahrgast und Verkehrsunternehmen aus gewerbe-
rechtlichen Gesetzen wie dem AEG und dem PBefG so-
wie den darauf gründenden Verordnungen wie EVO und
VO-ABB heraus und verankern Sie diese im bürger-
lichen Recht. Schaffen Sie ein einheitliches und ver-
kehrsmittelübergreifendes Recht für die Benutzung aller
öffentlichen Personenverkehrsunternehmen. Beschrän-
ken Sie die geplante Neuregelung auf die privatrechtli-
chen Rahmenbedingungen eines Beförderungsvertrages
und überlassen Sie die weitere Ausgestaltung des Ver-
tragsverhältnisses den Vertragsparteien zum Beispiel
durch Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen.
Bringen Sie grundsätzliche Haftungsprinzipien des
Schuldrechts auch im öffentlichen Personenverkehr zur
Anwendung. Stellen Sie eine vollumfängliche Inhalts-
kontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen in Be-
förderungsverträgen sicher mit dem Ziel, die Rechte der
Fahrgäste nicht unangemessen zu beschneiden.
Ich habe bislang kein Argument der Bundesregierung
gehört, das gegen diesen Antrag und die damit verbun-
dene Besserstellung von Fahrgästen im öffentlichen Per-
sonenverkehr sprechen würde. Wenn Verbraucherschutz
für Sie tatsächlich mehr als ein Modewort ist, können
Sie unserem Antrag die Unterstützung nicht verweigern.
Nur so wird eine Bahn wie Henriette Bimmelbahn dau-
erhaft Geschichte sein.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Initiativen von Bündnis 90/Die Grünen in Sachen Ver-
braucherschutz, Fahrgastrechte und Tarifverbesserun-
gen haben sich gelohnt. Am Mittwoch hat die Deutsche
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ahn AG bekannt gegeben, dass sie ab August die von
ns geforderte Bahn-Card 50 wieder einführen wird.
iele Stammkunden der Bahn werden sich über die wie-
ergewonnene Flexibilität freuen. Einfachere, verständ-
ichere Sparpreise und verkürzte Vorkaufsfristen verbes-
ern das Angebot für Bahnkunden deutlich. Nun heißt es
ndlich wieder „Einsteigen und losfahren“. Die Bahn hat
ich damit auf ihre Kunden besonnen und stellt sich ih-
em Hauptkonkurrenten, dem Auto.
Weitere Erfolge der rot-grünen Verbraucher- und Ver-
ehrspolitik sind bessere Regelungen für Wochenendbin-
ungen und Fahrtunterbrechungen sowie die Reduzie-
ung der unangemessen hohen Stornogebühren. Die Bahn
at nun verstanden, dass der Kunde im Mittelpunkt ihrer
nternehmenspolitik stehen muss. Erfolgreiche Bahnpo-
itik ist verbraucherorientiert. Und darum unterstützen
ir die Deutsche Bahn auch bei der von ihr angestrebten
obilitäts-Card, die dem Verbraucher viele Vorteile brin-
en wird. So wird das Vertrauen der Bahnkunden zurück-
ewonnen und ein attraktives Angebot geschaffen.
Als Verbraucherpolitikerin habe ich schon einige
ahre Erfahrung in der Diskussion verbraucherpoliti-
cher Anliegen. Eine Erfahrung ist, dass Verbraucher-
chutz eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftlichen
rfolg ist. Das haben wir im Lebensmittelbereich erfah-
en, wo wir schon seit längerer Zeit eine sehr konse-
uente Qualitätsdiskussion führen, und das gilt natürlich
n den Bereichen des öffentlichen Verkehrs gleicherma-
en. Mangelnder Verbraucherschutz dagegen führt zu
efiziten, die möglicherweise wesentlich teurer sind als
ie Einhaltung von Verbraucherpflichten oder Verbrau-
herrechten.
Auch wenn seit der Bahnreform die Verantwortung
ür Tarifentscheidungen beim Vorstand der Bahn liegt,
ann es der Politik nicht gleichgültig sein, wenn dieses
nternehmen mit massiv rückgängigen Fahrgastzahlen
nd Umsatzeinbußen in Schwierigkeiten gerät. Da darf
ann auch nicht Öl ins Feuer gegossen werden, indem
um Boykott aufgerufen wird, wie das Frau Kopp von
er FDP tut. Das ist verantwortungslos und destruktiv.
ier müssen wir den Verbraucherinteressen durch geeig-
ete Formen Gehör verschaffen. Das haben wir getan:
it intensiver politischer Diskussion, in Gesprächen mit
em Vorstand und mit einer Ausschussanhörung.
Die gemeinsame Anhörung von Verbraucher- und
erkehrsausschuss im Mai dieses Jahres war ein positi-
es Signal und hat gezeigt, dass sich beim Thema Kun-
enorientierung die Interessen von Verbraucherschüt-
ern und Bahnfreunden überschneiden. Es haben sich
uch die Handlungspotenziale im öffentlichen Verkehr
ezeigt. Nicht nur bei Fahrgastrechten, sondern auch bei
ahrplaninformationen, Service, Beschwerdemanage-
ent und Vertrieb sind noch weitere Weichen zu stellen.
Wenn wir aus der Anhörung eine Bilanz ziehen kön-
en, dann doch die, dass sie einiges in Bewegung ge-
racht hat. Oder anders gesagt, die Bahn ist damit aufs
ichtige Gleis gesetzt worden. Denn in der Anhörung
ind die richtigen Anregungen gegeben worden. Dort ist
ufgezeigt worden, wie es geht, verbraucherfreundliche
obilitätsdienstleistungen zu erbringen. Dort haben wir
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4843
(A) )
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von Fahrgastverbänden gehört, dass zum Beispiel die
niederländischen Eisenbahnen 0,3 Prozent des Umsatzes
für ein vernünftiges Erstattungssystem im Personenver-
kehr aufbringen. In England ist es so, dass Sie bei einer
Stunde Verspätung Anspruch haben auf 20 Prozent Fahr-
preiserstattung. Manche Verkehrsbetriebe zahlen dann
aus Marketinggründen sogar freiwillig den kompletten
Fahrpreis zurück.
Die nächsten Schritte haben Bündnis 90/Die Grünen
nach der Anhörung bereits vorgedacht. In unserem Eck-
punktepapier vom Mai finden sich bereits die Forderun-
gen nach gesetzlich verbindlichen Kundenrechten, nach
einer unabhängigen Schlichtungsstelle und einem Ticket
von Tür zu Tür. Auch unsere Initiative einer Überfüh-
rung der veralteten Eisenbahnverordnung in zeitgemäße
Rechtsnormen trägt hierzu bei. Durch die Entbürokrati-
sierung könnten die bundesweiten Regeln des Bürger-
lichen Gesetzbuches greifen, die dem neuerdings pri-
vaten Rechtsverhältnis zwischen Verbraucher und
Verkehrsunternehmen gerecht werden.
Hier müssen wir die Umsetzung vorantreiben. Und
wir können versprechen, dass Bündnis 90/Die Grünen
das Thema hartnäckig weiter verfolgen wird, so wie wir
die Rückkehr der alten Bahn-Card mit ihrer 50-Prozent-
Rabattwirkung für Stammkunden, die spontan und zu-
gleich preisgünstig reisen möchten, gefordert haben.
Übrigens haben wir mit der Bahn-Card noch ein wichti-
ges verbraucherpolitisches Ziel erreicht. Wir haben näm-
lich dem Kunden die Wahlfreiheit zurückgegeben. Bahn-
fahrer sollen selbst entscheiden, welche Bahn-Card sie
für ihr Nutzerverhalten wählen wollen.
Ein attraktiver öffentlicher Verkehr ist für uns das
Rückgrat zukunftsfähiger Mobilität. Nur ein kundenori-
entierter öffentlicher Verkehr gewinnt mehr Fahrgäste
und höhere Marktanteile. Attraktivität für die Fahrgäste
verlangt eine kundenfreundliche Vernetzung aller Nah-
und Fernverkehrsangebote zu einem durchschaubaren,
komfortablen und benutzerfreundlichen Gesamtsystem
mit hoher Servicequalität. Es ist erklärtes Ziel der rot-
grünen Koalition, den politischen Rahmen herzustellen,
um „ein für die Benutzer attraktives öffentliches Ver-
kehrssystem mit flächendeckendem Angebot, anbieter-
übergreifender Fahrplanauskunft und einem Ticket von
Tür zu Tür anzubieten“.
Die Gewährung von erweiterten verbindlichen Kun-
denrechten beim Kauf von Mobilitätsdienstleistungen ist
gesetzlich transparent zu verankern. Mindestrechte der
Haftung müssen definiert und für die gesamte Wegekette
des öffentlichen Personenverkehrs eingeführt werden.
Als Informations- und Vertriebsstandard fordern wir,
dem Kunden eine Tür-zu-Tür-Fahrplanauskunft und
schrittweise auch ein Tür-zu-Tür-Ticket anzubieten.
Im öffentlichen Verkehr müssen noch weitere Schran-
ken hochgehen. Alle Verkehrsunternehmen sind gehal-
ten, transparente und somit keine unnötige Zugangsbar-
rieren zu schaffen. Auch in einem anderen Bereich
müssen Hindernisse beseitigt werden: Menschen mit Be-
hinderungen dürfen durch das neue Preissystem nicht
benachteiligt werden.
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Teile unserer Forderungen finden wir nun im Antrag
on CDU/CSU wieder. Ich habe die Forderung nach
euen rechtlichen Haftungsregeln für Zugausfall, Verspä-
ung und Anschlussversäumnis gesehen. Da gehen wir
it. Natürlich kann es nicht länger folgenlos bleiben,
enn es am Bahnsteig heißt: „Der Zug hat voraussicht-
ich 40 Minuten Verspätung.“ Ansagen dieser Art müssen
em Bahnkunden die Möglichkeit eröffnen, bei schuld-
aft verspätet erbrachter Leistung zu rügen und Scha-
ensersatz geltend zu machen, wobei natürlich vorher zu
lären ist, in welchen Fällen dies gilt. Das ist eine klare
ertragliche Pflichtverletzung, für die ein Ausgleich ge-
ährt werden muss. Da müssen wir die Rechtsposition
es Verbrauchers eindeutig stärken und ein zeitgemäßes
erbraucherfreundliches Fahrgastrecht schaffen.
Lassen Sie mich aber eines auch deutlich sagen: Dann
rwarten wir von der Union aber auch ein eindeutiges
nd klares Vorgehen. Es kann nicht angehen, dass wir
ier heute einen Antrag diskutieren, der mehr Rechte für
ahrgäste fordert, und im Wirtschaftsausschuss des Bun-
esrats wird auf Antrag Bayerns genau dieses Ziel im
ktionsplan Verbraucherschutz mit Kostenargumenten
nd rechtlichen Argumenten abgelehnt. Hier darf es dann
m Bereich öffentlicher Verkehr auch keinen Zickzack-
urs geben. Ich erwarte also ein klares und energisches
orgehen auf allen politischen Ebenen. Dann werden wir
m Verbraucherschutz auch gemeinsam vorankommen.
Zusammengefasst: Wir wollen ein sorgfältiges und
bgestimmtes Vorgehen erreichen. Darum werden wir
ns in der nächsten Woche auch noch einmal mit Rechts-
xperten zusammenfinden und die nächsten Schritte
onkret festlegen.
Gudrun Kopp (FDP): Die Bahn hat derzeit Mühe,
hr selbst verschuldetes Image als größtes „Kunden-Ab-
chreckungs-Unternehmen“ zu korrigieren.
Serviceverweigerung, Arroganz, Ignoranz von Kun-
enwünschen – eine solche Serie von Verfehlungen kann
ich nur ein Monopolist leisten. Die Deutsche Bahn AG,
ast konkurrenzlos und mit reichlich Steuergeldern ge-
üttert, bewegt sich nur, wenn ihr Gerichte, Verbraucher
nd auch die Politik Beine machen.
Ich habe versucht, mit einem persönlich initiierten,
eitlich befristeten Boykottaufruf an die geplagten Bahn-
unden zusätzlich Druck auf den schwerfälligen Mono-
olisten zu machen – und siehe da: Mit ersten Korrektu-
en am Preissystem bewegt sich die Bahn –
illimeterweise zwar, aber immerhin.
Die rot-grüne Bundesregierung hat in dieser Ausei-
andersetzung völlig versagt. Denn anstatt endlich die
ötigen Schritte zu unternehmen, die Bahn zu veranlas-
en, Schiene und Netz zu trennen und damit endlich
ehr Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen, wurde der
auptverantwortliche Manager, Hartmut Mehdorn, sogar
it einer eiligst herbeigeführten Vertragsverlängerung
elohnt. Ob sich Mehdorn allerdings halten lässt, be-
weifle ich.
Jetzt geht es darum, die Verbraucherrechte gegenüber
er Bahn zu stärken. Denn für den Monopolisten gelten
erzeit immer noch Sonderrechte.
4844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
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(B) )
Im Eisenbahnrecht gibt es die Eisenbahnverkehrsord-
nung (EVO), die die Bahn gegenüber sonstigen öffentli-
chen Verkehrsträgern privilegiert. § 17 EVO stellt die
Bahn nämlich von jeder Haftung frei. Damit muss jetzt
endlich Schluss sein.
Es ist dringend notwendig, die rechtlichen Vorausset-
zungen für verschuldensunabhängige Schadenersatzrege-
lungen, zum Beispiel für Verspätungen, etwa den allge-
meinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB), zu schaffen. Im vorliegenden Antrag der CDU/
CSU werden unterstützenswerte Wege aufgezeigt, wie
dies geschehen kann.
Die FDP fordert die rot-grüne Bundesregierung auf
zu handeln. 18 Milliarden Euro jährliche Haushaltsbe-
lastungen des Bundes für die Schiene sind Verpflichtung
genug, Bahnchef Mehdorn aufs richtige Gleis zu setzen.
Anlage 7
Amtliche Mitteilung
Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 8. Sitzung zu
dem vom Deutschen Bundestag am 6. Juni 2003 be-
schlossenen
– Gesetz zur Neustrukturierung der Förderbanken des Bun-
des (Förderbankenneustrukturierungsgesetz)
das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Innenausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Verringerung und Straffung von Bundesbehörden
– Drucksachen 13/3923, 15/345 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
1. Bericht und Fortschreibung des Aktionsprogramms
zur weiteren Steigerung von Effektivität und Wirt-
schaftlichkeit der Bundesverwaltung
– Drucksachen 13/9980, 15/345 Nr. 2 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
„Schlanker Staat“: Die nächsten Schritte
– Drucksachen 13/10145, 15/345 Nr. 3 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-
destag gemäß § 5 Abs. 3 des Bundesstatistikgesetzes
(BStatG) für die Jahre 2001 und 2002
– Drucksachen 15/864, 15/973 Nr. 1.3 –
– Unterrichtung durch den Präsidenten des Statistischen Bun-
desamtes
Bericht des Statistischen Bundesamtes gemäß § 18
Abs. 6 Satz 2 Parteiengesetz (PartG) über die Entwick-
lung des Preisindexes der parteitypischen Ausgaben für
das Jahr 2002
– Drucksachen 15/865, 15/973 Nr. 1.4 –
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Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus-
haltsjahres 2001
– Drucksachen 14/6240, 15/345 Nr. 39 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus-
haltsjahres 2001
– Drucksachen 14/6873, 15/345 Nr. 40 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus-
haltsjahres 2001
– Drucksachen 14/7532, 15/345 Nr. 41 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus-
haltsjahres 2001
– Drucksachen 14/8573, 15/345 Nr. 42 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU-
orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
ung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 15/792 Nr. 2.8
Drucksache 15/979 Nr. 1.9
Rechtsausschuss
Drucksache 15/103 Nr. 2.79
Drucksache 15/339 Nr. 2.4
Drucksache 15/339 Nr. 2.6
Drucksache 15/339 Nr. 2.8
Drucksache 15/345 Nr. 16
Drucksache 15/345 Nr. 17
Drucksache 15/345 Nr. 18
Drucksache 15/345 Nr. 20
Drucksache 15/345 Nr. 21
Drucksache 15/345 Nr. 23
Drucksache 15/345 Nr. 24
Drucksache 15/345 Nr. 25
Drucksache 15/345 Nr. 26
Drucksache 15/345 Nr. 27
Drucksache 15/392 Nr. 2.31
Drucksache 15/457 Nr. 2.5
Drucksache 15/792 Nr. 2.27
Drucksache 15/979 Nr. 1.3
Drucksache 15/979 Nr. 2.24
Finanzausschuss
Drucksache 15/979 Nr. 1.4
Drucksache 15/979 Nr. 1.5
Drucksache 15/979 Nr. 1.6
Drucksache 15/979 Nr. 1.7
Drucksache 15/979 Nr. 2.9
Drucksache 15/979 Nr. 2.12
Drucksache 15/979 Nr. 2.14
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003 4845
(A) (C)
(B) (D)
Drucksache 15/979 Nr. 2.18
Drucksache 15/979 Nr. 2.25
Drucksache 15/979 Nr. 2.27
Drucksache 15/1041 Nr. 1.2
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Drucksache 15/1041 Nr. 2.2
Drucksache 15/1041 Nr. 2.6
Drucksache 15/1041 Nr. 2.7
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 15/457 Nr. 2.23
Drucksache 15/979 Nr. 2.28
Drucksache 15/979 Nr. 2.46
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 15/1041 Nr. 1.1
57. Sitzung
Berlin, Freitag, den 4. Juli 2003
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7