Rede von
Dietrich
Austermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Normalerweise müsste man
anhand der Fragestellung der Aktuellen Stunde erwarten,
dass zuerst die Regierung die Gelegenheit wahrnimmt,
sich zu äußern. Dies hätte der Bundesfinanzminister tun
können. Er wollte aber stattdessen in den Haushaltsaus-
schuss kommen. Wir haben dafür die Sitzung unterbro-
chen, sodass er Zeit hat. Er erscheint aber trotzdem nicht.
Das macht aber nichts, weil bekannt ist, was die Bun-
desregierung beabsichtigt zu tun, nämlich nichts.
Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen, dass es
die Regierung bisher abgelehnt hat, eine Politik zu ma-
chen, die dazu beiträgt, dass das Einnahme-Ausgabe-Ver-
hältnis in eine vernünftige Relation kommt.
Bund, Länder und Gemeinden werden in diesem Jahr
Steuerausfälle in Höhe von 13,3 Milliarden DM und im
nächsten Jahr Mindereinnahmen von 24,5 Milliarden DM
verkraften müssen. Das ist eine Folge der falschen rot-
grünen Politik.
Wir haben dies seit vielen Monaten vorhergesagt. Die
Regierung hat das bis zuletzt geleugnet. Die Folge ist klar
erkennbar: Die Gewerbesteuer bricht auch infolge der
Auktion der UMTS-Lizenzen ein. Die Gemeinden müs-
sen die freiwilligen Leistungen kürzen. Die Investitionen
gehen zurück. Es wird mehr Sozialhilfeaufwendungen
und mehr Arbeitslose geben.
Zur Begründung der katastrophalen Ergebnisse ver-
weist der Bundesfinanzminister auf externe Einflussfak-
toren. Das heißt, schuld sind wieder einmal die anderen.
Man könnte es auch anders sagen: Er kann halt nichts
dafür. Die Zahlen der Steuerschätzung geben jedoch für
eine externe Begründung wenig her.
Der Bund beispielsweise verliert im nächsten Jahr
aufgrund der Schätzabweichung 2,7 Milliarden Euro.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
19641
Aufgrund von Steuerrechtsänderungen wird er mehr als
das Doppelte verlieren, nämlich 5,7 Milliarden Euro.
Steuerrechtsänderungen sind das Paradebeispiel für einen
internen Faktor. Die Körperschaftsteuer, also die von den
großen Aktiengesellschaften und GmbHs zu entrichtende
Gewinnsteuer, erlebt in diesem Jahr einen Einbruch von
mehr als 90 Prozent, die Einnahmen stürzen von 23,6 Mil-
liarden Euro im letzten Jahr auf nur noch 1,7 Milliar-
den Euro.
In der Ableitung der Körperschaftsteuer wird das so ge-
nannte Steuersenkungsgesetz mit Auswirkungen in Höhe
von zusammen 17 Milliarden Euro in den Jahren 2001
und 2002 als wesentlicher Grund genannt. Auch dies ist
kein externer Faktor. Abschreibungen wegen des Erwerbs
und der Zinsen für Kredite zum Kauf von UMTS-Lizen-
zen, Zahlungen aufgrund der Zwangsarbeiterentschädi-
gungen, Verlustverrechnung innerhalb der Organschaften
sind alle nicht extern verursacht. Der Einbruch bei der
Umsatzsteuer, weil nicht mehr privat investiert wird, ist
eine Folge der schlechten rot-grünen Politik.
Das ist hausgemacht.
Allein bei der Halbierung des rechnerischen Aufkom-
mens der Körperschaftsteuer im laufenden Jahr handelt es
sich um eine Aufkommensminderung von etwa 11 Milli-
arden Euro. Nach allem, was man hört, ist dies im
Wesentlichen nicht konjunkturbedingt, sondern Folge des
von unserem Fraktionsvorsitzenden sehr nachdrücklich
bekämpften Halbeinkünfteverfahrens.
Die Sonderausschüttungen der großen Körperschaften
verfolgen das Ziel, die aufgelaufenen Anrechnungsgutha-
ben für die Anteilseigner nutzbar zu machen und nicht mit
der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens verfallen zu
lassen. Die Union hat sich im letzten Jahr massiv gegen
diesen Systemwechsel bei der Steuer gewendet. Ich sage
Ihnen: Die Steuereinnahmen zeigen, wie richtig diese Po-
sition war. Die konjunkturelle Lage ist schwierig genug.
Die von der rot-grünen Bundesregierung willkürlich und
oft mit geradezu schlampiger Arbeit im Detail provozier-
ten Mindereinnahmen sind ein Skandal.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, was das für den nor-
malen Steuerzahler bedeutet. Die Steuerschätzung zeigt,
dass für den Lohnsteuerzahler, die Bezieher kleiner oder
mittlerer Einkommen, die Reform wirklich nichts bringt.
Die Einnahmen aus der Lohnsteuer werden trotz des An-
stiegs der Arbeitslosenzahl auf fast vier Millionen schon
im nächsten Jahr über denen des Jahres 2000 liegen. Es
wird also Steuermehreinnahmen geben, obwohl es angeb-
lich eine gewaltige historische Entlastung gegeben hat.
Nur in diesem Jahr gibt es eine Delle, ein vergleichs-
weise geringfügiges Minus von nicht einmal 2,5 Prozent.
Die Regierung knebelt die Kleinen, schröpft diejenigen,
die etwas leisten, benachteiligt den Mittelstand, lässt die-
jenigen zur Ader, die sich darum bemühen, ihr Leben
nicht nur selbst zu bestimmen, sondern auch selbst zu
finanzieren. Den Aktiengesellschaften und Aktionären
macht sie ohne Not milliardenschwere Steuergeschenke.
Die Salamireform bei den Steuern ist eine Missgeburt,
die, verknüpft mit den Erhöhungen der Energiepreise,
jede Konsum- und Investitionsbereitschaft abgedämpft
hat. Sie hat den Abschwung verstärkt. Man kann sogar,
kurz gefasst, sagen: Die Steuereinnahmen zeigen, dass
diese Regierung eine Abschwungregierung ist.
Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass die Arbeits-
losenzahlen im nächsten Jahr um mindestens 400 000
über denen der bisherigen Haushaltsplanung liegen.
Schon in diesem Jahr wird sich das Defizit der Bundesan-
stalt für Arbeit auf rund 4 Milliarden DM verdreifachen.
Ich habe nicht den Eindruck, dass die für das nächste Jahr
zu erwartenden Ausgabensteigerungen und Risiken im
Haushaltsentwurf der Bundesanstalt vollständig berück-
sichtigt sind.
Vor diesem Hintergrund, liebe Kollegen, muss man
feststellen: Die Bundesregierung tut nicht nur zu wenig,
nein, sie tut nichts! In den Haushaltsberatungen, die zur-
zeit laufen, wird getrickst, kaschiert, vertuscht. Steigende
Ausgaben werden künstlich klein gerechnet, Investitio-
nen nur virtuell gesteigert, die Nettokreditaufnahme wird
nur scheinbar abgesenkt, die Einnahmen werden zu opti-
mistisch veranschlagt. Alle wesentlichen Haushaltsdaten
zeigen in die falsche Richtung.
Das ist keine verantwortliche Politik für unser Land.
Wir wollen mehr Investitionen, echte und anhaltende
Steuerentlastungen für den Mittelstand und für alle, die
investieren wollen und mehr Arbeitsplätze schaffen wol-
len. Die Regierung ist, wie diese Steuerschätzung zeigt,
auf dem falschen Weg.
Herzlichen Dank.