Guten Tag, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Aktionsplanes
der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt ge-
gen Frauen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Dr. Christine Bergmann.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben
heute im Kabinett den Aktionsplan zur Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen beschlossen. In diesem Aktions-
plan sind alle beabsichtigten Maßnahmen der Ressorts
zur Bekämpfung von Gewalt dargestellt. Er gibt damit
über die Aktivitäten der jeweiligen Bundesministerien,
die diese zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in
den nächsten Jahren durchzuführen gedenken, umfas-
send Auskunft.
Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen für ihr En-
gagement bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frau-
en sehr dankbar. Ich gehe davon aus, daß diese gute Zu-
sammenarbeit bei der Umsetzung aller Vorhaben fortge-
setzt wird. Unser gemeinsames Ziel ist die Ächtung und
die Verminderung der Gewalt gegen Frauen in unserer
Gesellschaft.
Wenn man Gewalt gegen Frauen wirkungsvoll und
nachhaltig bekämpfen will, dann bedarf es eines umfas-
senden Gesamtkonzeptes. Es hat in der Vergangenheit
immer wieder einmal die eine oder andere Maßnahme
gegeben, die nicht zur Folge hatte, daß diese Gewalt
drastisch verringert wird. Deswegen wollen wir mit die-
sem Aktionsplan auch strukturelle Veränderungen errei-
chen. Sie betreffen insbesondere die Bereiche Präventi-
on, Recht, Kooperation zwischen Institutionen und Pro-
jekten, bundesweite Vernetzung von Hilfsangeboten,
Täterarbeit, Sensibilisierung von Fachleuten und Öf-
fentlichkeit und internationale Zusammenarbeit.
Ein solches Gesamtkonzept schließt notwendigerwei-
se nicht nur die unterschiedlichen Bundesressorts, son-
dern auch die Länder ein. Ich verweise hinsichtlich der
polizeilichen und gerichtlichen Praxis nur auf die Ge-
setzgebungskompetenzen, die bei den Ländern liegen.
Wir werden zu Beginn des Jahres zusammen mit den
Ländern – das ist bereits abgesprochen – eine Arbeits-
gruppe zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt, von
Gewalt gegen Frauen installieren. Dabei geht es darum,
die notwendigen Maßnahmen festzulegen und deren
Umsetzung zu begleiten. Wir werden in diese Arbeits-
gruppe auch Nichtregierungsorganisationen aufnehmen
und von ihren Erfahrungen profitieren.
Ich will ein paar Punkte benennen.
Im Bereich der Prävention geht es um Maßnahmen,
die geeignet sind, ein gesamtgesellschaftliches Klima zu
schaffen, in dem Gewalt gegen Frauen geächtet wird. Es
geht darum, den Kreislauf der Gewalt über die Genera-
tionen hinweg zu durchbrechen. Das beginnt mit dem
Recht auf gewaltfreie Erziehung – eine entsprechende
Vorlage befindet sich schon im Gesetzgebungsverfah-
ren – und endet bei dem Schutz der Älteren vor Gewalt.
Wir sehen einen anderen Schwerpunkt der gesetzge-
berischen Maßnahmen darin, den zivilrechtlichen Schutz
der von familiärer Gewalt betroffenen Frauen zu verbes-
sern und abzusichern. Die Bundesministerin der Justiz
wird in Kürze den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz
vor Gewalt vorlegen. Dieser Entwurf wird neben der
vereinfachten Zuweisung der Ehewohnung auch aus-
drückliche gesetzliche Regelungen für ein Kontakt-,
Belästigungs- und Näherungsverbot enthalten. Wir ha-
ben darüber schon an der einen oder anderen Stelle be-
richtet.
Um konkrete Gefahrensituationen zu beenden, muß
das Polizeirecht, das in der Kompetenz der Länder liegt,
greifen. Dies ist ein wichtiges Beispiel für die notwendi-
ge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, die
jetzt vorangetrieben wird. Die Umsetzung der bestehen-
den und der neuen Rechtsvorschriften in diesem Ge-
6864 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
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samtkonzept ist sehr wichtig. Dazu gehört eine entspre-
chende Fortbildung der jeweils zuständigen Stellen. Das
ist nötig, wenn man die Umsetzung der vorhandenen ge-
setzlichen Regelungen erreichen will. Es geht um ge-
zielte Schulung und Fortbildung sowie um Handlungs-
anweisungen und Richtlinien, wie bei Gewaltdelikten
vorzugehen ist. Sie gibt es zum Beispiel schon in dem
einen oder anderen Land – auch in Form polizeilicher
Richtlinien. Es geht um den Einsatz spezialisierter
Fachleute oder von Sondereinheiten, wie zum Beispiel
um die Sonderanwaltschaft für häusliche Gewaltdelikte
in Berlin. Es geht auch um institutionalisierte Koopera-
tionsformen zwischen den beteiligten Institutionen und
Projekten, also um runde Tische, damit alle zusammen-
arbeiten und damit es Ketten von der Polizei über die
Staatsanwaltschaft bis hin zu den Richtern gibt, um die
Gewalt wirksam zu bekämpfen.
Wir haben in diesem Gesamtkonzept auch die Täter-
arbeit in den Blick genommen. Es geht zum einen dar-
um, Täter ordnungsgemäß strafrechtlich zu verfolgen –
das war bisher nicht immer der Fall –, also darum, das
Recht stringent umzusetzen. Aber es geht zum anderen
auch darum, bei den Tätern einen Prozeß zur Änderung
ihres gewalttätigen Verhaltens einzuleiten, also darum,
auch psychosoziale Trainingskurse für Täter anzubieten
und ihnen im Zuge eines Verfahrens die Auflage zu ma-
chen, an solchen Kursen teilzunehmen, damit das Ge-
waltpotential reduziert wird. Wir unterstützen diesen
Ansatz der Täterarbeit, für den es auch schon Konzepte
gibt, sehr nachdrücklich.
Wir haben in diesem Gesamtpaket auch nicht den
Schutz ausländischer Frauen vor Gewalt vergessen. § 19
des Ausländergesetzes wird so geändert, daß das eigen-
ständige Aufenthaltsrecht von Frauen erweitert wird und
daß Frauen durch entsprechende Härtefallregelungen in
Gewaltsituationen besser geschützt sind.
Letzter Punkt: Auch die Bekämpfung des Frauenhan-
dels spielt in diesem Gesamtkonzept eine bedeutende
Rolle. Das heißt, wir werden – in Zusammenarbeit mit
den Ländern – mit speziellen Zeuginnenschutzpro-
grammen versuchen, diese Form der organisierten Kri-
minalität besser zu bekämpfen und wirksamer in diesem
Bereich zu arbeiten. Ich denke, daß das, was wir hier
vorgelegt haben, breite Unterstützung bei den Ländern
und Kommunen finden wird. Ich erwarte dies eigentlich
auch von der Opposition; denn wir wollen erreichen, daß
Gewalt in der gesamten Gesellschaft abgebaut wird und
daß die Opfer von Gewalt besser geschützt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, der eben auf-
gerufen worden ist.
Das Wort hat die Abgeordnete Maria Eichhorn.
Maria Eichhorn (CDU/CSU): Frau Ministerin, ein
großer Teil der angesprochenen künftigen Maßnahmen
betrifft, wie Sie auch selber gesagt haben, die Zustän-
digkeit der Länder und Kommunen. Ich frage Sie: Rei-
chen die Einrichtung eines Präventionsgremiums und
die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus,
um die von Ihnen angesprochenen Ziele zu erreichen?
Welche weiteren Instrumente haben Sie, um Ihre Forde-
rungen auch tatsächlich umsetzen zu können? Die Um-
setzung erfordert natürlich auch Geld, also Ausgaben
von Bund und Ländern. Haben Sie dafür Sorge getragen,
daß die zusätzlichen Ausgaben auch vom Bund mitfi-
nanziert werden? Wenn ja: In welchem Haushaltsansatz
wurde dies berücksichtigt? Wenn nein: Welche Gründe
gibt es dafür, daß die Kosten nur von Ländern und
Kommunen getragen werden bzw. auf diese abgescho-
ben werden?
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Ministerin
Bergmann, bitte.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeord-
nete Eichhorn, die einzusetzende Arbeitsgruppe ist ein
Steuerungs- bzw. Lenkungsgremium. Die Vorsitzenden
der Innenminister-, Frauenministerinnen- und Justizmi-
nisterkonferenz setzen in ihren jeweiligen Gremien die
entsprechenden Dinge um. Es gibt auch noch die Nicht-
regierungsorganisationen. Ich denke, mit diesem Gremi-
um läßt sich gut arbeiten.
Wir fangen mit diesem Thema auch nicht jetzt erst
an. Der Bund und das Land Berlin haben zum Beispiel
ein Modellprojekt zur Intervention durchgeführt. Da-
durch haben wir viele Erfahrungen gesammelt – auf sie
können wir zurückgreifen –, wie auch vor Ort runde Ti-
sche installiert werden können. Das gibt es mittlerweile
auch schon in anderen Ländern und in einigen Städten.
Ich habe mir gerade in dieser Woche in Unna angese-
hen, wie es dort funktioniert. Wir fangen also nicht ganz
von vorne an. Es gibt die Bereitschaft zur Zusammenar-
beit. Wir haben mit den Ländern schon viele Gespräche
geführt. Wir werden das gemeinsam durchführen. Wir
haben auch jetzt schon einige Dinge finanziert, wie zum
Beispiel diese Modellprojekte. Wir werden natürlich
auch die aus unserer Sicht notwendige Öffentlich-
keitsarbeit mitfinanzieren und in dem einen oder ande-
ren Fall die Einrichtung von Interventionszentralen un-
terstützen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Eichhorn, bitte
Ihre zweite Frage.
Maria Eichhorn (CDU/CSU): Ich möchte noch ein-
mal auf den zweiten Teil meiner Frage zurückkommen:
Haben Sie in Ihrem Haushalt berücksichtigt, daß auf
Bund, Länder und Kommunen zusätzliche Aufgaben zu-
kommen? Wenn ja, frage ich: In welchem Haushalts-
posten haben Sie diese Ausgaben eingestellt? Wenn
nein, frage ich Sie: Warum haben Sie diese nicht be-
rücksichtigt? Durch die von Ihnen angesprochenen
Maßnahmen wie Therapieeinrichtungen usw. kommen
ja hohe finanzielle Belastungen auf die Länder zu.
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6865
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Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich will die Frage
gerne noch einmal beantworten. Ich sagte ja, daß wir
jetzt schon für die Finanzierung einiger Bereiche gesorgt
haben. Wir werden auch das eine oder andere aus Bun-
desmitteln mitfinanzieren können. Dafür wurde Vorsor-
ge getroffen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um
Milliardensummen; auch das möchte ich klarstellen. Die
Länder und die Kommunen sind natürlich auch an einer
Zusammenarbeit in diesem Bereich interessiert. In vie-
len Ländern gibt es zum Beispiel in diesem Bereich
schon Fortbildungsmaßnahmen für die Polizei.
Wir müssen die notwendige Infrastruktur flächendek-
kend installieren. Nicht alles ist mit ungewöhnlich ho-
hen Zusatzkosten verbunden. Wichtig ist, daß diese
Aufgabe von allen gemeinsam angegangen wird. Wir
werden sehen, welche Maßnahmen wir zusätzlich noch
unterstützen können. Es ist aber die Bereitschaft bei
Ländern und Kommunen vorhanden, hier auch mitzu-
machen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Gerald
Weiß, Ihre Frage bitte.
Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Frau Mini-
sterin, ich möchte die Frage der Kollegin Eichhorn in
anderer Form noch einmal stellen. Sie haben Ihr Kon-
zept ja als umfassendes Gesamtkonzept bezeichnet und
es den „punktuellen Maßnahmen“ Ihrer Amtsvorgänge-
rin gegenübergestellt. Prävention kostet Geld. Gibt die
Bundesregierung denn mehr Geld für präventive Maß-
nahmen im nächsten Jahr gegenüber dem laufenden oder
dem letzten Haushaltsjahr aus? Wenn es nicht mehr
Geld für Prävention gibt, ist es ja nur Schall und Rauch.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Abgeordneter,
es ist typisch, daß Sie bei diesem wirklich wichtigen
Thema, das uns alle angeht, ausschließlich über Geld re-
den. Ich hätte mir gewünscht, daß auch die eine oder an-
dere inhaltliche Frage von Ihrer Seite gekommen wäre.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und der PDS)
Ich möchte einmal ein paar Dinge aufzählen, die wir
in bezug auf Prävention schon unternommen haben:
Das Recht auf gewaltfreie Erziehung: Eine Leitbild-
änderung in der Gesellschaft oder eine Rechtsänderung
in dieser Frage kosten zunächst einmal kein Geld. Erst
wenn wir die Leitbildänderung bezüglich des Rechts auf
gewaltfreie Erziehung mit entsprechenden Kampagnen
begleiten, kostet es Geld. Dafür haben wir in meinem
Haushalt im bescheidenen Umfang Vorsorge getroffen.
Wir sind schon im Gespräch mit den Verbänden vor Ort.
Für die Einrichtung eines Eltern-Krisen-Telefons
wird es von uns eine Finanzierungshilfe geben. Mit Si-
cherheit muß ein Teil der Finanzierung von Bund und
Ländern getragen werden. Das ist klar.
Zur Prävention gehört auch, endlich Ernst damit zu
machen, daß Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Damit setzen wir geltendes Recht um. Die Hemm-
schwelle bei den Tätern liegt nämlich höher, wenn sie
merken, daß die Anwendung häuslicher Gewalt kein
Kavaliersdelikt und keine Privatsache ist. Für die Um-
setzung geltenden Rechtes müssen in meinem Haushalt
keine Gelder vorgesehen werden. Wir wollen in den
Köpfen eine ganze Menge verändern. Ich hoffe, Sie zie-
hen dabei kräftig mit.
Auch die Koordinierung und Vernetzung zwischen
Frauenhäusern und Beratungsstellen werden von uns in
dem einen oder anderen Fall finanziert. Diese Vernet-
zung ist sehr wichtig im Rahmen dieses Gesamtpaketes,
weil beide Einrichtungen Anlaufstellen für Frauen sind.
Hierfür finden Sie Ansätze in meinem Haushalt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte Sie darauf aufmerksam ma-
chen, daß noch weit über zehn Wortmeldungen vorlie-
gen. Ich bitte um etwas Rücksichtnahme auf die anderen
Fragesteller. Jetzt noch eine Zusatzfrage des Kollegen
Weiß.
Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Frau Mi-
nisterin, die Hauptziele sind ja völlig unstrittig. Es geht
doch um die Frage, ob es bei der Erklärung einer guten
Absicht bleibt oder ob diese Vorhaben mit materiellen
Mitteln unterfüttert sind. Deshalb die Frage: Was geben
Sie mehr für Präventionsmaßnahmen als im laufenden
Haushalt aus? Das ist sehr wohl ein inhaltlicher Aspekt.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Abgeordneter,
ich habe Ihnen zu erklären versucht, daß Prävention
nicht nur eine Sache von Geld ist, sondern daß wir uns
zum Beispiel schon mit den Rechtsänderungen im prä-
ventiven Bereich bewegen. Diese Rechtsänderungen
werden wir durch entsprechende Kampagnen begleiten.
Ich kann Ihnen jetzt nicht in Mark und Pfennig sagen,
was wir im Jugendplan oder im Frauenplan dafür vorge-
sehen haben; das kann ich Ihnen gern noch nachliefern.
Aber wir verhandeln natürlich auch mit den Ländern
darüber, welche zusätzliche Kampagne ins Leben geru-
fen werden kann und wer dabei was finanziert. Ich kann
Sie alle nur auffordern, kräftig mitzumachen. Wir wer-
den vielleicht auch noch den einen oder anderen Spon-
sor finden, der uns bei einer schönen Aktion hilft. Bei-
spielsweise sind wir mit Sportverbänden im Gespräch,
um Partner zu gewinnen.
All diese Dinge sind sehr viel mehr als heiße Luft;
das gilt ja bereits für die Rechtsänderung. Denken Sie
auch an das, was wir für ausländische Frauen oder zur
Bekämpfung von Frauenhandel tun. All dies sind sehr
konkrete und handfeste Sachen. An dem nationalen Ak-
tionsplan, den wir heute beschlossen haben, waren,
glaube ich, neun Ressorts beteiligt.
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Das ist ja um so schlimmer, wenn mehrere
Ressorts beteiligt waren!)
Jeder wird seinen Teil dazu beitragen, und auch die
Länder sind bereit, ihren Teil beizutragen.
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Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Christel Hum-
me, Ihre Frage, bitte.
Christel Humme (SPD): Frau Ministerin, wodurch
unterscheidet sich das jetzige Programm von eventuellen
Aktivitäten der früheren Regierung?
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Durch das Bild in der Broschüre! – Joachim
Hörster [CDU/CSU]: Andere Druckerei!)
Falls es früher Defizite gab, welche führten zu den heu-
tigen Überlegungen?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Humme, es gab bereits in der Vergangenheit das eine
oder andere Projekt, die eine oder andere Maßnahme. Es
gibt auch heute schon rechtliche Möglichkeiten, um im
Falle ehelicher Gewalt der Frau die gemeinsame Woh-
nung zuzuweisen. Allerdings war das alles leider nicht
sehr wirksam. Wir wissen, daß in der Vergangenheit
normalerweise die mißhandelten Frauen mit ihren Kin-
dern die Wohnung verlassen mußten, und woanders
Schutz suchen mußten. Wir nehmen jetzt Rechtsände-
rungen vor und bauen das in ein Gesamtkonzept ein.
Wir wissen ja auch, wie sehr die jetzige Opposition im-
mer gegen das Recht auf gewaltfreie Erziehung gewet-
tert hat.
Wir sehen das Thema Bekämpfung von Gewalt an
Frauen nicht nur unter dem Aspekt, wie wir die Täter
aus der Wohnung schaffen, sondern auch im Hinblick
darauf, was wir in der Gesellschaft ändern können – bei-
spielsweise am Leitbild der Erziehung hin zu mehr ge-
waltfreier Erziehung –, wie wir den Opfern rechtlich
besser helfen können oder was im Bereich der ausländi-
schen Frauen notwendig ist, damit sie nicht gezwungen
sind, über lange Zeit in Gewaltsituationen auszuharren,
weil sie sonst ihr Aufenthaltsrecht in diesem Lande ver-
lieren. Hier hat es in der Vergangenheit Defizite gege-
ben. Es hat auch keine intensive Zusammenarbeit zwi-
schen Bund und Ländern gegeben, wie wir sie jetzt in-
stallieren werden. Wir haben schon viele Vorarbeiten
dazu geleistet, und ich bin mir sicher, daß dies in vielen
Bereichen funktionieren wird.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Ilse
Falk, Ihre Frage, bitte.
Ilse Falk (CDU/CSU): Frau Ministerin, Sie haben
hoffnungsvoll die Frage gestellt, ob dies ein Projekt sei,
das wir fraktionsübergreifend gemeinsam tragen kön-
nen. Natürlich begrüßen wir es, wenn Aktionen zur Be-
kämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg ge-
bracht werden. Es schließt ja an das an, was wir in vie-
len Jahren schon angestoßen und auf den Weg gebracht
haben. Deswegen haben wir mit besonderem Interesse
diesen Aktionsplan aufgenommen.
Nachdem aber nun schon vieles vorliegt – Sie selbst
sagen ja auch, daß es Vorarbeiten gegeben habe –, stellt
sich die Frage, warum der Plan jetzt nicht konkreter
wird bzw. wann er konkreter wird. An welchen konkre-
ten Hindernissen scheitert der Gesetzentwurf, den Sie
seit längerem angekündigt haben? Liegt es an den Ab-
sprachen mit den Ländern? Machen nur die Polizeibe-
hörden und die Innenminister Schwierigkeiten? Warum
können nicht jetzt schon ganz konkrete Hilfen sowohl
für betroffene Frauen als auch für damit befaßte Behör-
den auf den Weg gebracht werden? Aus den Erfahrun-
gen mit Projekten wie etwa dem Interventionsprojekt in
Berlin könnte man ja schon Handlungsanleitungen für
die anderen Länder machen, die als Anregungen an
Stellen ausgelegt werden könnten, die von Frauen auf-
gesucht werden; ich denke da zum Beispiel an Arztpra-
xen oder Ämter. Hier könnten sie dann auch erfahren,
wo sie Hilfe erhalten können. Zum anderen könnte man
der Polizei und den anderen zuständigen Ämtern
Checklisten und ähnliches an die Hand geben, um
schneller Hilfe leisten zu können. Es geht also nicht dar-
um, noch weitere Gremien zu bilden, sondern darum,
den Frauen und den mit Gewalt an Frauen befaßten Be-
hörden konkret zu helfen.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Falk, ich freue mich, daß Sie das Berliner Interventions-
projekt angesprochen haben. Ich denke, dies ist ein gutes
Beispiel dafür, wie es in den Ländern funktionieren
kann. Es hat ein paar Jahre gedauert – dahinter steckt ei-
ne Menge Arbeit –, dieses Projekt ins Leben zu rufen.
Diese Erfahrungen werden in die Arbeitsgruppe einflie-
ßen und auch den anderen Ländern zur Verfügung ste-
hen.
Ich will einmal die polizeilichen Richtlinien nennen.
Das Berliner Interventionsprojekt hat Richtlinien für die
Polizei erarbeitet, die in Berlin schon in Kraft gesetzt
sind. Jeder Polizist und jede Polizistin wissen an Hand
der entsprechenden Broschüre – das Stichwort „häusli-
che Gewalt“ ist Bestandteil dieses Katalogs –, wie sie
sich zu verhalten haben, unter welchen Umständen sie
den Täter mitnehmen müssen und wie sie die Beweis-
aufnahme durchzuführen haben. Hier ist schon viel gute
Erfahrung, auch Erfahrung im Bereich der Fortbildung,
vorhanden. In Schleswig-Holstein macht man sich diese
Erfahrung in dem einen oder anderen Punkt zunutze.
Der Sinn dieser Arbeitsgruppe, dieser Steuerungs-
gruppe, ist auch, diese Richtlinien der Innenministerkon-
ferenz mit dem Ziel vorzustellen, sich darauf zu verstän-
digen, daß diese Richtlinien in allen Ländern – Polizei
ist ja Ländersache – Anwendung finden. Die von uns
gesammelte Erfahrung mit der Fortbildung der Polizi-
sten soll als Empfehlung an alle anderen Bundesländer
weitergegeben werden.
Auf diese Weise sind die Umsetzungsschritte vorge-
sehen. Wenn sich in den Ländern niemand diesen
Schritten verschließt, wird die Umsetzung funktionieren.
Weil alle Länder in diesem Bereich die gleichen Pro-
bleme haben, gehe ich davon aus, daß all das, was sich
bewährt hat, aufgegriffen und umgesetzt wird. Eine gan-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6867
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ze Menge ist schon da und wird verteilt und verschickt.
Die Materialien sind schon in allen Ländern bekannt.
Wir fangen also nicht bei Null an.
Es geht jetzt darum, über die Innenminister- und
Justizministerkonferenzen alle Länder ins Boot zu holen,
so daß entsprechende Maßnahmen nicht nur in Berlin
und Schleswig-Holstein durchgeführt werden, sondern
daß bundesweit diese Richtlinien eingeführt und Fort-
bildungen veranstaltet werden. Es bringt nämlich nichts,
wenn man nur an einer Stelle das Recht ändert, wenn
man zum Beispiel nur die Polizei schult, auf der anderen
Seite aber die Staatsanwaltschaft solche Taten nicht
konsequent verfolgt oder die Richter nicht die Möglich-
keit, die sie haben, nutzen, die Täter in psychosoziale
Trainingskurse zu schicken.
Alle diese Maßnahmen müssen Hand in Hand umge-
setzt werden. Dazu brauchen wir eine Steuerungsgruppe.
Die Zahl ihrer Mitglieder ist nicht allzu groß. Dazu
brauchen wir auch die Bereitschaft der Länder, sich dar-
an zu beteiligen.
Ilse Falk (CDU/CSU): Wann liegt der Gesetzentwurf
vor?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Diese Frage möchte
ich eigentlich an den Parlamentarischen Staatssekretär
vom Justizministerium weitergeben. Ich kann nämlich
nicht genau sagen, wann der Gesetzentwurf vorliegt. Ich
weiß nur, daß es in Kürze der Fall sein wird.
(Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Sicher erst im
Frühjahr!)
Eine Menge Vorarbeiten sind ja schon gemacht worden.
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden][CDU/CSU]:
Einer von Ihnen beiden muß es doch wissen! –
Gegenruf des Parlamentarischen Staatssekre-
tärs Dr. Eckhart Pick: Ich weiß nicht, ob ich
das Wort habe! – Joachim Hörster [CDU/
CSU]: Ja doch! Wir sind sehr dafür!)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Die nächste Frage-
stellerin ist die Kollegin Sabine Jünger.
Sabine Jünger (PDS): Frau Ministerin, zunächst
eine Frage noch einmal zur Bund/Länder-Arbeitsgruppe:
Wird die Bundesregierung im Rahmen dieser Arbeits-
gruppe darauf hinwirken, daß es in Deutschland in allen
Bundesländern zu einer ähnlichen Regelung wie der
„Wegweis“-Regelung in Österreich kommt?
Eine zweite Frage zu Ihrem Aktionsplan: Lesbische
Frauen sind alltäglicher Gewalt – sowohl verbaler
sexualisierter als auch körperlicher Gewalt – ausgesetzt.
Dies bestätigt erneut eine jetzt vorgelegte Studie „Ge-
walt gegen lesbische Frauen“ des Frauenforschungs-
zentrums der Universität Bielefeld.
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Sie leben immer noch in der alten Zeit! Im al-
ten System!)
Inwieweit plant die Bundesregierung zielgruppenspezi-
fische Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen
lesbische Frauen in ihrem Aktionsprogramm?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete,
zu Ihrer ersten Frage. Die österreichische Regelung, auf
die Sie anspielen, findet sich in den Eckpunkten des na-
tionalen Aktionsplans wieder. Dieser Aktionsplan hat
einen zweistufigen Charakter: Es geht zum einen um
bundesrechtliche Regelungen, auf Grund derer die Täter
aus der Wohnung verwiesen und Schutzanordnungen für
Frauen – ich nenne zum Beispiel die Kontaktsperre –
getroffen werden können. Wir brauchen zum anderen
– damit komme ich wieder zur Bund/Länder-Arbeits-
gruppe – die Bereitschaft der Länder, das Polizeirecht so
zu ändern und so anzuwenden, daß es mit Hilfe polizei-
licher Intervention möglich ist, den Täter sofort der
Wohnung zu verweisen. Nach der jetzigen Praxis, so
glaube ich, läuft die Vollstreckung über den Gerichts-
vollzieher.
Wir brauchen auch die Polizeigesetze der Länder.
Wir haben eine andere Struktur als Österreich, und wir
können das nicht alles auf einer Ebene regeln. Aber da
sind die Justizministerin und der Innenminister bereits
mit den entsprechenden Landesministern im Gespräch.
Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Zielgruppen. Wir ge-
hen strukturell vor. Wir haben nicht einzelne Zielgrup-
pen herausgenommen, sondern überlegt: Was müssen
wir im Bereich der Prävention, im Bereich der Rechts-
änderung, im Bereich der Kooperation und im Bereich
der Vernetzung tun? Wir denken, daß diese Vorgehens-
weise alle Bereiche umfaßt.
Sollte sich herausstellen – auch dazu gibt es die Bund/
Länder-Arbeitsgruppe –, daß es an der einen oder anderen
Stelle Regelungsbedarf gibt, sind wir frei, das aufzuneh-
men. Wir haben ein Arbeitsprogramm; das heißt, wir
können verschiedene Erfahrungen aufnehmen, das eine
oder andere zusätzlich tun oder variieren. Das ist ein Ar-
beitsprogramm für die gesamte Legislaturperiode.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Bärbel
Sothmann, Ihre Frage, bitte.
Bärbel Sothmann (CDU/CSU): Frau Ministerin, ich
habe eine ganz kurze Frage an Sie. Nicht alles anders,
aber vieles besser machen – nach diesem Motto sind Sie
alle angetreten. Ist Ihnen das Aktionshandbuch bekannt,
das 1996 in Ihrem Hause verabschiedet worden ist, und
haben Sie es mit in Ihren Aktionsplan einfließen lassen?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete,
natürlich ist mir bekannt, was in meinem Haus erarbeitet
wurde. Wir haben auch nicht alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ausgewechselt,
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Nicht alle! Das ist wahr! Sozialdemokraten,
die aus der Vergangenheit da waren, durften
bleiben!)
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
6868 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
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das heißt, es steht mir ein entsprechender Erfahrungs-
schatz zur Verfügung. Wir beziehen uns natürlich auf
Erfahrungen, die gemacht wurden.
Aber ich sage noch einmal ganz klar, was das Neue
an diesem Gesamtkonzept ist. Wir haben jetzt ein Kon-
zept, das sich auf alle Bereiche, auch auf den rechtlichen
Bereich, bezieht. Das war bisher nicht der Fall. In der
Vergangenheit hat man nur überlegt – das ist selbstver-
ständlich auch wichtig; das war in den Ländern zum Teil
ebenfalls so –, wo die Frauen Hilfe bekommen können.
Sie kennen die Frauenhaus-Arbeit, die sehr wichtig war
für Frauen, die aber nicht bewirkt hat, daß Gewalt in der
Gesellschaft abgebaut oder reduziert wurde. Deshalb
haben wir gesagt, wir müssen an das Thema noch ein-
mal anders herangehen. Wir können nicht nur schauen:
Wo gibt es Beratungsstellen für Frauen? Wo gibt es
Frauenhäuser? Wie können wir Frauen schützen? Das
alles ist sehr wichtig, aber es geht auch darum: Wie
können wir präventiv arbeiten? Welche rechtlichen
Regelungen brauchen wir, damit der Schutz wirksam
wird?
Es ist nicht alles, was schon einmal erarbeitet wurde,
unberücksichtigt geblieben. Wir haben das natürlich
weiterentwickelt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zusatzfrage, Frau
Kollegin Sothmann?
Bärbel Sothmann (CDU/CSU): Sie sagten vorhin,
wir sollten nicht immer nur nach der Finanzierung fra-
gen. In dem angesprochenen Aktionsprogramm waren
Information und Aufklärung der Öffentlichkeit ganz
wichtig. Deswegen habe ich danach gefragt. Ich hoffe,
daß in Ihrem Aktionsplan Entsprechendes enthalten ist.
Sie haben jetzt von der Arbeitsgruppe von Bund und
Ländern gesprochen. Im Juni dieses Jahres haben Sie ei-
ne EU-Konferenz in Köln durchgeführt. Dort wurde da-
von gesprochen, eine gemischte Gruppe mit allen euro-
päischen Ländern aufzubauen, die sich mit diesen Fra-
gen befassen sollte. Haben Sie auch diese Ergebnisse in
Ihren Aktionsplan einfließen lassen? Wie sieht es mit
der gemischten Gruppe aus? Wird so etwas auch noch
kommen, oder konzentrieren Sie sich zunächst auf die
Arbeitsgruppe von Bund und Ländern?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Zum ersten Teil Ih-
rer Frage. Natürlich brauchen wir Informations- und Öf-
fentlichkeitsarbeit. Ich kann nur an alle appellieren, uns
dabei kräftig zu unterstützen. Das können auch unge-
wöhnliche Formen sein. Ich habe vorhin schon Sport-
vereine genannt. Wir suchen vor allen Dingen Männer,
die sich ganz klar gegen diese Form von Männergewalt
aussprechen. Ich sage das allen Ernstes, weil es, wenn
man Gewalt in der Gesellschaft ächten will, wichtig ist,
daß sich alle dazu bekennen, damit wir diese Gewalt aus
dem privaten Bereich herausbekommen und sie in der
Gesellschaft wie jede andere Form der Gewalt verfol-
gen.
Zum zweiten Teil der Frage. Die Kölner Konferenz
war der Auftakt des Aktionsjahres der Europäischen
Union zur Bekämpfung von Gewalt. Diese Tagung war
sehr erfolgreich. Es wurden auch Leitlinien ausgearbei-
tet, die natürlich in unseren Aktionsplan Eingang gefun-
den haben, wie umgekehrt auch unsere Erfahrungen in
die Leitlinien. Das ist ja immer ein Wechselspiel.
Das Thema bleibt weiter auf der Tagesordnung der
Europäischen Union. Hier haben sich die Frauenministe-
rinnen der europäischen Mitgliedstaaten verständigt, daß
zunächst einmal jede in ihrer Ratspräsidentschaft ver-
sucht, das Thema weiter zu verfolgen, weil man das
Ganze innerhalb eines halben Jahres nicht bewältigen
kann. Es wird in der finnischen Ratspräsidentschaft noch
eine Veranstaltung dazu geben. Wir Ministerinnen sind
hier in engem Kontakt. Es gibt noch keine spezielle Ar-
beitsgruppe innerhalb der Europäischen Union, die sich
mit diesem Thema beschäftigt, aber wir behandeln es in
jeder Ratspräsidentschaft in mindestens einer Veran-
staltung.
Ich halte dies für sehr wichtig. Wir hatten auch eine
Frauenministerinnenkonferenz zu diesem Thema. Es hat
sich in Europa etwas bewegt. Es sind schon die österrei-
chischen Erfahrungen angesprochen worden. Jedes Mit-
gliedsland versucht in der ihm gemäßen Weise, mit die-
sem Thema umzugehen und Gewalt an Frauen abzubau-
en. Es ist natürlich immer wichtig, daß man voneinander
lernt, untereinander Erfahrungen austauscht und das
Thema immer am Kochen hält.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Die nächste Frage-
stellerin ist die Kollegin Hildegard Wester.
Hildegard Wester (SPD): Frau Ministerin, ein
Schwerpunkt der Gewalterfahrung von Frauen ist der
häusliche Bereich. Sie haben eben schon dargestellt, daß
im präventiven Bereich von Ihnen und unter Mitwirkung
der anderen Ministerien vorgesehen ist, einen Gesetz-
entwurf durchzubringen, der die Erziehung mit Hilfe
von Gewaltmitteln ächten soll. Sie haben außerdem von
dem Vorhaben gesprochen, die Zuweisung der Ehewoh-
nung zu erleichtern.
Das sind zwei Maßnahmen, die kein Geld kosten und
lange überfällig sind. Haben Sie eine Erklärung dafür,
warum die Opposition heute in dieser Regierungsbefra-
gung von Ihnen konkrete Schritte und finanzielle Bereit-
stellungen anmahnt, wo sie die Notwendigkeit dieser
beiden Maßnahmen auch schon in ihrer Regierungszeit
gesehen hat und sie diese auch hätte umsetzen können,
da sie auf breite Bereitschaft im Hause gestoßen wäre
und die Maßnahmen zudem auch finanziell ohne Aus-
wirkungen geblieben wären?
Noch eine Frage zur erleichterten Zuweisung der
Ehewohnung. In welchem Zusammenhang kann ich das
mit den existierenden Frauenhäusern bzw. mit der weiter
bestehenden Notwendigkeit von Frauenhäusern sehen?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6869
(A) (C)
(B) (D)
Wester, zu Ihrer ersten Frage kann ich nur sagen: Es ist
mir unerklärbar, weshalb man das Thema „Recht auf
gewaltfreie Erziehung“ nicht längst schon einmal ge-
meinsam in diesem Hause hätte behandeln können. Ich
denke, daß das Thema „Bekämpfung von Gewalt an
Frauen“ eines ist, bei dem man auch parteiübergreifend
gut zusammenarbeiten kann, wenn einem das Thema
wirklich am Herzen liegt. Nun haben wir die Sache an-
gepackt. Wir machen ja, wenn auch nicht alles anders,
alles besser.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Ich denke, in diesem Bereich treten wir den Beweis da-
für gerade an.
(Beifall bei der SPD)
Zum Thema Frauenhäuser: Die Erfahrungen aus
Österreich haben gezeigt – wir haben mit einem solchen
Gewaltschutzgesetz Erfahrungen bisher nur aus Öster-
reich –, daß das Gesetz leider nicht dazu geführt hat, daß
Frauenhäuser überflüssig sind. Frauenhäuser braucht
man nach wie vor, auch wenn man bessere rechtliche
Regelungen hat, die Frauen besser schützt und die Frau-
en eher in der gemeinsamen Wohnung halten kann, als
das vorher der Fall war.
Das zeigt natürlich auch, wie groß in diesem Bereich
die Dunkelziffer ist. Sie wissen alle, wenn Sie sich mit
diesem Thema befassen, was Frauen zum Teil über Jah-
re in Gewaltbeziehungen aushalten müssen, weil sie
nicht ins Frauenhaus gehen wollen, weil sie nicht
anderweitig Hilfe in Anspruch nehmen wollen und es
ihnen einfach unangenehm ist, zuzugeben, in welcher
Situation sie leben. In dem Moment, wo es Hilfsange-
bote gibt, kommt natürlich vieles von diesen wirklich
schlimmen Tatbeständen sehr viel mehr an die Öffent-
lichkeit. Frauen werden ermutigt, sich aus einer Gewalt-
beziehung herauszubegeben, Anzeige zu erstatten und
das Ganze für sich besser zu regeln. Deshalb brauchen
wir Frauenhäuser nach wie vor.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Lenke,
Ihre Frage bitte.
Ina Lenke (F.D.P.): Frau Ministerin, ich denke, Sie
erwarten aus gutem Grund eine Zusammenarbeit mit
uns, und ich bin auch gerne bereit, für meine Fraktion
diese Zusammenarbeit zuzusagen. Aber sie muß auch
kollegial sein. Ich muß Ihnen sagen: Wenn wir heute
morgen um 11 Uhr diesen Plan auf den Tisch bekom-
men und dann um 13 Uhr Ihre Befragung ist, dann weiß
ich nicht, was da noch an Kollegialität und Unterstüt-
zung übrigbleibt. Ich finde, das sollte beim nächstenmal
wirklich geändert werden.
(Beifall bei der F.D.P.)
Ich sehe darin auch ein bißchen einen Affront: Sie
haben die Meinungsführerschaft, Sie wissen, was auf
den 40 oder mehr Seiten Ihres Programms steht. Wir
aber müssen mit unseren Terminen hinkommen. Daher
würde ich, wenn Sie eine Zusammenarbeit wollen, bit-
ten, auch alles dafür zu tun, damit es zu dieser Zusam-
menarbeit kommt.
Dann möchte ich etwas zur Täterarbeit sagen. Ich ha-
be mir diesen Abschnitt durchgelesen. Es ist eine Be-
schreibung von Tatsachen, eine Beschreibung dessen,
was schon da ist. Ich habe wenig Neues erkennen kön-
nen. Ich denke aber, wenn Sie als Regierung einen sol-
chen Plan machen, dann dürfen Sie in diesem Fall nicht
nur beschreiben, sondern müssen auch zumindest ganz
konkrete Ansatzpunkte geben. Das aber haben Sie in
dem Punkt 5 – Täterarbeit – nicht getan.
Ich komme zum Thema „häusliche Gewalt“. Sie ha-
ben die Unterstützung der F.D.P.-Fraktion, daß Täter,
die ihre Kinder, ihre Ehefrau schlagen, aus der Woh-
nung gewiesen werden. Denn wir empfinden es als ganz
wichtig, daß die Kinder und nicht die Täter ihr persönli-
ches Umfeld behalten. Daher werden wir Sie in diesem
Punkt unterstützen. Ich habe dazu aber noch zwei Fra-
gen.
Wird es nach Ihren Vorstellungen in ganz besonders
schlimmen Fällen auch eine sofortige Ausweisung des
Täters geben, und zwar beim Eintreffen der Polizei, also
unmittelbar nach dem Hilferuf? Und ist dann nach er-
folgter Ausweisung des Täters auch eine kurzfristige
Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung – von Amts
wegen oder auf Antrag – vorgesehen? Denn wir wissen
ja: Auch in einem so emotionalen Bereich müssen wir
als Staat den klaren Blick behalten und müssen im Inter-
esse des Täters, aber auch der Geschädigten innerhalb
kurzer Zeit, denke ich, prüfen, was Sache ist, damit es
nicht zu Ungerechtigkeiten kommt.
Zum Schluß möchte ich noch etwas sagen. Sie haben
von Polizeirichtlinien, von Fortbildung der Polizei ge-
sprochen. Ich komme aus Niedersachsen und kenne dort
die Verhältnisse. Ich weiß, daß die niedersächsische
Landesregierung die Finanzen der Polizei beschnitten
hat, daß sie die Bezahlung der Polizei beschnitten hat
und daß es viele Überstunden gibt. Wenn wir nun sehr
blauäugig von der Bundesebene her solche Wünsche
zum Beispiel jetzt an Niedersachsen richten, dann weiß
ich nicht, ob Sie nicht auf ein gewisses Unverständnis
der Polizei treffen werden – –
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin, ich
muß Sie daran erinnern, daß Sie Fragen stellen sollten.
Ina Lenke (F.D.P.): Gut, ich mache jetzt Schluß. Das
ist auch mein letzter Satz: Aus der Sicht der Polizei gibt
es allerdings nur wenige Möglichkeiten; denn zusätzli-
che Überstunden können Sie zum Beispiel der nieder-
sächsischen Polizei nicht zumuten.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete,
ich denke, wir werden noch viel Zeit haben, uns mit die-
sem nationalen Aktionsplan auseinanderzusetzen. Ich
sage das in allem Ernst. Es ist doch ein normaler Vor-
gang, wenn wir relativ schnell informieren. Das ist für
Sie doch auch eine Möglichkeit zu einer ersten Ausspra-
che darüber. Aber ich denke, wir werden sehr kollegial
hier noch über vieles miteinander reden können.
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
6870 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Sie haben das Thema „Ausweisung aus der Woh-
nung“ angesprochen. Ich kann natürlich noch nicht im
einzelnen sagen, wie die Regelungen am Ende aussehen
werden, aber ich kenne die Vorarbeiten. Wenn man die
Frauen wirklich schützen will, muß man erreichen, daß
die Täter die Wohnung sofort verlassen, daß es Schutz-
anordnungen gibt und daß auch schnell, in einer be-
stimmten Frist, entschieden wird. Denn sonst schützen
wir Frauen nicht, weil wir genau wissen, daß die Gewalt
eher zunimmt, wenn der Täter am nächsten Morgen
wieder da ist und dann sagt: „Was hast denn du jetzt mit
mir angestellt?“ Derartige Regelungen müssen also ge-
troffen werden, sowohl auf Bundesebene als auch über
die Polizeigesetze der Länder.
Wir haben natürlich nicht alles, was wir im Moment
schon vorliegen haben, in diesen Aktionsplan hinein-
packen können. Natürlich gibt es Konzepte für die psy-
chosoziale Arbeit mit Tätern. Sie liegen vor. Es gibt die
ersten Kurse in Berlin, in die jetzt eingewiesen wird.
Das steht zur Verfügung, damit machen wir jetzt die er-
sten Erfahrungen. Das kann also verwendet werden. Wir
können Ihnen Material darüber auch gern einmal zu-
stellen, wenn Sie das interessiert. Das kann ich Ihnen
anbieten. Da liegt schon viel vor, ohne daß wir das jetzt
im einzelnen in diesen Plan hineingepackt haben, der
zunächst einmal nur Rahmendaten enthält.
Zur Polizei kann ich nur sagen: Wir leben hier in ei-
nem armen Land. Berlin ist ein armes Land, hat viele
Schulden, muß viele Stellen abbauen usw., auch bei der
Polizei. Trotzdem haben wir es in den letzten Jahren
wirklich geschafft, in die normale Fortbildung in Füh-
rungskursen, die die Polizei sowieso macht, das Thema
„häusliche Gewalt“ aufzunehmen. Es sind kompetente
Frauen, die zum Beispiel dieses BIG-Projekt begleitet
haben. Sie sind hingegangen, haben entsprechend in-
formiert und haben Unterricht gemacht. Die Polizistin-
nen und Polizisten haben das als sehr hilfreich empfun-
den. Auf der anderen Seite haben wir mittlerweile – jetzt
gibt es ja auch die Spezialstaatsanwaltschaft – natür-
lich auch sehr viel mehr Anzeigen und Verurteilun-
gen. Die Polizei geht mit diesem Thema ganz anders
um. Das werden wir in allen Bundesländern erreichen
müssen.
Wie ich schon sagte, war ich diese Woche in Unna.
Auch dort macht die Polizei das; auch dort wird ver-
sucht, mit diesem Thema anders umzugehen, eben um
Frauen besser schützen zu können. Natürlich erwarten
wir, daß die Kette weitergeht. Deshalb muß es in der
Justiz die gleiche Fortbildung geben. Die Staatsanwalt-
schaft muß handeln; die Richter müssen handeln. Sie
müssen wissen, daß sie die Täter in diese psychosozialen
Trainingskurse einweisen können und sie nicht nach
Hause schicken müssen. Aus diesen Gründen ist die
Kooperation so wichtig.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Sche-
we-Gerigk, Ihre Frage bitte.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Frau Ministerin Bergmann, zunächst
möchte ich Sie beglückwünschen. Die EU-Konferenz
hat im März 1999 beschlossen, daß alle Mitgliedstaaten
Konzeptionen gegen häusliche Gewalt erarbeiten sollen.
Heute liegt uns das vor. Offensichtlich sieht die Opposi-
tion nur das Kostenargument. Deshalb möchte ich Sie
dazu gerne etwas fragen. Aus einer Antwort der Bundes-
regierung geht hervor, daß häusliche Gewalt den Staat
jährlich 29 Milliarden DM kostet. Ich frage Sie: Glauben
Sie nicht, daß die Maßnahmen, die Sie uns heute vorge-
schlagen haben – nämlich Prävention, Opferschutz, Be-
strafung der Täter, Veränderung des Verhaltens –, dazu
geeignet sind, diese Kosten sogar zu senken?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Da kann ich
schlicht und einfach mit Ja antworten.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wir sind schon etwas über der Zeit. Ich
möchte aber allen Fragestellerinnen und Fragestellern
die Chance geben, Ihre Frage zu stellen. Ich bitte aber
sowohl die Fragestellenden als auch die Ministerin um
kurze Statements. Frau Kollegin Gradistanac, Sie sind
dran.
Renate Gradistanac (SPD): Frau Ministerin, Sie
haben schon einiges zur Täterarbeit ausgeführt. Das fällt
unter den Begriff Sekundärprävention. Können Sie uns
noch etwas zum Thema Primärprävention – zum Bei-
spiel Stärkung für Mädchen – sagen?
Gewalt gegen Frauen ist nicht nur in der Bundesrepu-
blik ein Thema, sondern auch ein europäisches und ein
internationales Thema. Gibt es insofern Gedanken oder
Ausführungen, die Sie uns kurz mitteilen könnten?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich will versuchen,
es kurz zu machen. Die Primärprävention fängt schon
bei der Umsetzung des Rechtes auf gewaltfreie Erzie-
hung an. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt,
wenn es um Primärprävention geht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
F.D.P.)
Das geht weiter: Sie haben Mädchenarbeit angespro-
chen. Man versucht bereits – dafür gibt es Beispiele und
Modelle –, Mädchen in die Lage zu versetzen, sich
selbst zu behaupten, und gleichzeitig, Jungen in die La-
ge zu versetzen, Konflikte anders als mit Gewalt auszu-
tragen. Ich denke, das sind zwei Beispiele in diesem Be-
reich.
Sie haben die internationale und die europäische Zu-
sammenarbeit angesprochen. Wir sind dabei, bei den
Vereinten Nationen in einer Unterkommission der Men-
schenrechtskommission Punkte aufzugreifen. Denn das
Thema „Frauenrechte sind Menschenrechte“ muß auf
allen Ebenen verankert werden. Natürlich geht es dabei
auch um das Recht der Unversehrtheit der Person. Übri-
gens kann ich allen die erfreuliche Mitteilung machen –
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6871
(A) (C)
(B) (D)
das Recht nehme ich mir einfach einmal –, daß wir das
Zusatzprotokoll zur CEDAW zeichnen werden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
F.D.P.)
Nach zehn Jahren ist es endlich gelungen, ein Überein-
kommen zu erzielen. Wir werden das am 10. Dezember
zeichnen. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel –, wenn
es auch langwierig war. Aber wir machen es wieder
einmal besser als Sie; Sie haben das nie hinbekommen,
sondern in diesem Bereich immer gebremst. Wir haben
es aber geschafft. Denn es ist ganz wichtig, daß Frauen,
deren Rechte verletzt werden, über diese Frauenrechts-
kommission die Möglichkeit einer Individualbeschwer-
de haben, sich also dorthin wenden können. Ich denke,
das ist ein Erfolg für Frauen. Da sollten wir uns einmal
freuen!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, sowie bei Abgeordneten der
F.D.P.)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Dehnel,
Ihre Frage bitte.
Wolfgang Dehnel (CDU/CSU): Frau Ministerin, auf
Seite 11 Ihres Aktionsplans steht, daß es Ihnen darum
geht, das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frau-
en zu beseitigen. An welche Bereiche denken Sie da im
besonderen?
Auf Seite 22 kündigen Sie an, daß Ende 1999 der
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Gewalt vorge-
legt wird. Welcher Termin stimmt nun: „in Kürze“ oder
„Ende 1999“? Kann man sich auf das verlassen, was in
dem Aktionsplan steht?
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Dehnel, wir
sind uns darüber im klaren, daß auch eine vernünftige
Gleichstellungspolitik präventiv wirkt. Wenn Frauen
ökonomisch unabhängig sind, wenn sie über gleiche
Möglichkeiten verfügen wie Männer, dann ist dies eine
Gewaltprävention im weitesten Sinne. Das sage ich hier
in allem Ernst.
Sie haben auch noch auf die Terminstellung hinge-
wiesen. „Ende des Jahres“ ist auch „in Kürze“. Ich kann
Ihnen das genaue Datum nicht nennen; ich habe es nicht
vorliegen. Aber der Entwurf kommt; wir werden uns
noch gut darüber unterhalten können.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Thomas
Dörflinger, Ihre Frage bitte.
Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Frau Ministerin,
in der Inhaltsbeschreibung des Aktionsplans der Bun-
desregierung findet sich der für meine Begriffe bemer-
kenswerte Satz:
Gewalt wird gelernt: in den Familien, in den Me-
dien, im allgemeinen gesellschaftlichen Umgang.
Stimmen Sie mir zu, daß diese undifferenzierte und pau-
schalierende Darstellung unzutreffend ist, weil in all den
genannten gesellschaftlichen Bereichen Gewaltanwen-
dung nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, und
daß es deswegen angesagt wäre, sich zu diesem Thema
etwas differenzierter zu äußern?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich freue mich, daß
Sie sozusagen all das, was wir zu diesem Thema auf
dem Tisch haben, von uns haben wollen. Das können
wir gerne machen.
Ich stimme Ihnen aber nicht zu. Dafür will ich nur ei-
nen Punkt anführen: Es ist bekannt, daß Menschen, die
in ihrer Kindheit Gewalt erfahren haben, eher dazu nei-
gen, Gewalt anzuwenden, als diejenigen, die diese nicht
erfahren haben. Das ist natürlich nicht zwangsläufig so.
Aber eine solche Aussage ist durchaus berechtigt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Fragesteller
ist der Kollege Norbert Geis.
Norbert Geis (CDU/CSU): Frau Ministerin, Sie set-
zen sich für die gewaltfreie Erziehung ein und wollen
diese auch in das Gesetz aufnehmen. Meinen Sie nicht,
daß diese Formulierung viel zu weit, viel zu unpraktika-
bel und letztlich sogar absurd ist?
Denken Sie an folgenden Fall: Ein Kind will morgens
nicht in die Schule gehen, sondern im Bett liegenbleiben
und wird von der Mutter auch nicht auf die Füße ge-
stellt, weil sie gewaltfrei erziehen will. Dann muß die
Polizei kommen und das Kind gewissermaßen mit Poli-
zeigewalt zur Schule bringen, weil wir eine allgemeine
Schulpflicht haben. Meinen Sie nicht, daß die von Ihnen
so propagierte Formulierung im Grunde genommen ab-
surd ist? Meinen Sie nicht, daß die Formulierung, die die
damaligen Koalitionsparteien in der letzten Legislatur-
periode nach einer langen Diskussion gefunden haben
– es ist nicht wahr, daß wir darüber nicht diskutiert hät-
ten –, daß nämlich die Erziehung nicht gegen die Würde
des Kindes verstoßen darf, daß also unzählige Erzie-
hungsmaßnahmen verboten sind, viel eher das trifft, was
Sie im Grunde genommen erreichen wollen?
(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Herr Geis, in zehn Minuten
findet die Anhörung statt!)
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich bin nicht Ihrer
Meinung, Herr Geis. Ich denke, daß ganz klar gesagt
werden muß: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie
Erziehung,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der F.D.P.)
weil jede Form von Gewalt für Kinder schädlich ist, sie
in ihrer Würde verletzt. Wir wollen damit, wie Sie wis-
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
6872 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
sen, die Eltern nicht kriminalisieren. In unserer Gesell-
schaft, in den Köpfen der Eltern gibt es noch immer die
Meinung: Eine Tracht Prügel hat noch keinem Kind ge-
schadet! oder: Die Ohrfeige ist nicht so schlimm! Wir
wollen klarmachen, daß wir mit unseren Kindern anders
umgehen müssen. Wenn uns dies gelingt, werden wir in
einigen Jahren vielleicht nicht mehr die Gewaltspirale in
der Gesellschaft beklagen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der F.D.P.)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin
Rönsch, Ihre Frage bitte.
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) (CDU/CSU): Frau
Ministerin, ist es Ihnen möglich, innerhalb der Bundes-
regierung abzuklären, wann dieser Gesetzentwurf vor-
gelegt wird? Herr Staatssekretär Pick kann Ihnen das
Datum bestimmt in einem kurzen Zuruf mitteilen, damit
Sie diese Frage beantworten können, die hier schon
mehrfach gestellt worden ist.
Frau Kollegin Lenke, Sie haben dieses Heftchen in
nur zehn Minuten durchgelesen. Wenn man nämlich die
Koalitionsvereinbarung, die vor einem Jahr getroffen
wurde, kennt, findet man darin nichts Neues.
Ich hätte mir gewünscht, Frau Ministerin, wenn Sie
dieses Jahr genutzt hätten. Denn in den Koalitionsver-
einbarungen ist genau das gleiche festgeschrieben. Ich
frage Sie sehr nachdrücklich: Was tun Sie – außerhalb
der Belastung und der Zusammenarbeit mit den Kom-
munen und den Ländern – ganz konkret, um die Bevöl-
kerung zu mobilisieren, um die Nachbarschaft zu sensi-
bilisieren, damit Gewalt gegen Frauen wahrgenommen
und ihr begegnet wird? Was tun Sie für den Schutz der
Kinder in diesen Familien? Ich konnte sehr wenig davon
lesen, daß die Kinder, wenn Gewalt in der Familie, Ge-
walt gegen die Mutter wahrgenommen wird, davor be-
wahrt werden.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Zur ersten Frage.
Die Eckpunkte des Gesetzes liegen vor. Ich freue mich,
daß Sie so ungeduldig auf dieses Gesetz warten. Es wird
in Kürze kommen.
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Nach einem Jahr darf man ungeduldig sein!)
Lange wird es nicht mehr dauern. Wir werden uns dann
darüber auseinandersetzen können.
(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]:
Ende des Jahres: Ja oder nein?)
Zum anderen will ich Ihnen etwas sagen, Frau
Rönsch. Wir haben dieses eine Jahr gut genutzt. Wir ha-
ben in diesem einen Jahr mehr auf den Weg gebracht als
Sie in den vergangenen 16 Jahren.
(Beifall bei der SPD)
Dies muß man auch einmal sagen. Wir hätten sonst nicht
so viel Gewalt in der Gesellschaft, und die Frauenhäuser
wären sonst nicht permanent voll. Wir wären weiter,
hätten Sie das, was Sie mich fragen, immer ordentlich
gemacht und gesagt, in allen Bereichen der Gesellschaft
wollen wir die Gewalt abbauen, wir wollen die Polizei
schonen. Dies alles steht in unserem Programm. Sie wis-
sen – das habe ich gerade gesagt –, daß wir das Thema
„gewaltfreie Erziehung“ mit Informationsarbeit, mit
Aufklärungsarbeit, mit einem Elterntelefon verbinden
und daß wir mit dem Kinderschutzbund und mit Ver-
bänden zusammenarbeiten. Wir nehmen uns dazu für
das nächste Jahr eine ganze Menge vor. Ich kann Sie nur
bitten, kräftig daran mitzuwirken – jeder in seinem Be-
reich –, denn das ist ein gesamtgesellschaftliches The-
ma.
(Beifall bei der SPD]
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich beende jetzt den
Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der fort-
geschrittenen Zeit lasse ich jetzt nur eine freie Frage an
die Bundesregierung zu.
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Jürgen Koppelin (F.D.P.): Nachdem am Wochen-
ende zu lesen war, daß der Herr Bundeskanzler einem
Unternehmen in Bayern erhöhte Forschungsmittel zuge-
sagt hat, frage ich, wo diese Mittel hergenommen wer-
den. Wird der Sockel für Forschungsmittel aufgestockt,
oder werden andere dabei zu kurz kommen? Es geht um
die Firma Adtranz. Ist das heute im Kabinett besprochen
worden?
Vizepräsidentin Petra Bläss: Wer beantwortet die
Frage für die Bundesregierung? Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Catenhusen, bitte.
Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei
der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lie-
ber Kollege Koppelin, das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung bereitet ein Forschungsprogramm
zur Frage der Mobilitätsforschung mit einem festen
finanziellen Rahmen vor. Ich gehe davon aus, daß jede
Art von Projekten, die im Bereich Mobilität in den näch-
sten Monaten auf das Haus zukommen, unabhängig von
der Herkunft des Empfängers nach Qualitätszielen ge-
prüft und im Rahmen des vorgesehenen Budgets auch
bewilligt wird.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine Zusatzfrage.
Dann ist die Regierungsbefragung endgültig zu Ende.
Jürgen Koppelin (F.D.P.): Dann frage ich noch
einmal, weil die Frage nicht beantwortet wurde: Wie
kann der Bundeskanzler am Wochenende von sich aus
verkünden, daß ein bestimmtes Unternehmen erhöhte
Forschungsmittel des Bundes bekommt? Der Etat steht
ja fest. Dann müssen andere offensichtlich zu kurz
kommen. Die finanziellen Mittel, die der Bundeskanzler
versprochen hat, müssen zuerst einmal an dieses Unter-
nehmen fließen. Ist diese Zusage des Bundeskanzlers
mit Ihrem Hause besprochen worden?
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6873
(A) (C)
(B) (D)
Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei
der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu-
nächst, Herr Koppelin, es ist immer interessant, daß Sie
sich nicht einmal die Mühe machen, irgend etwas als
angebliche Aussage des Bundeskanzlers zu zitieren,
sondern daß Sie in offenkundig freier Formulierung aus
Ihrer Sicht eine Interpretation vornehmen.
Der zweite Punkt. Es ist richtig, daß im Haushalt des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung im
nächsten Jahr ein Steigen der Mittel vorgesehen ist. Es
ist richtig, daß die für den Bereich der Verkehrstechnik
und Mobilität wichtige Industrie darauf aufmerksam
gemacht worden ist und gemacht wird, daß wir einen
neuen Förderschwerpunkt setzen, daß jede Art von Un-
ternehmen in diesem Bereich die Möglichkeit hat, sich
mit qualifizierten Projekten einzubringen, und daß die
neue Bundesregierung dem Bereich Mobilität und Ver-
kehr eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken wird.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Die Regierungsbe-
fragung ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 14/2207, 14/2222 –
Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beant-
wortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Lothar Ibrügger zur Verfügung.
Ich rufe auf die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten
Georg Brunnhuber:
Trifft der Bericht im „Spiegel“ vom 29. November 1999 zu,wonach dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen, Reinhard Klimmt, zu einem Zeitpunkt, als er nochnicht Bundesminister war, antiquarische Bücher im Wert von ca.25 000 DM von einem Geschäftsmann, der einst Geschäftsführereiner Sportagentur war, finanziert worden sind?
Lothar Ibrügger, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Lieber
Kollege Brunnhuber, die Bundesregierung hat keine
eigenen Kenntnisse über den in der Frage dargestellten
Sachverhalt. Ansonsten wird auf die Erklärung des Lan-
desverbandes Saar der SPD, dessen Vorsitzender Herr
Klimmt ist, verwiesen. Danach trifft der erwähnte Be-
richt so nicht zu, sondern es ist von folgendem Sachver-
halt auszugehen:
Seit Jahren engagiert sich Herr Klimmt zusammen
mit weiteren Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft
und Wissenschaft für den Aufbau eines Zentrums für
Druck- und Buchkultur in der saarländischen Gemeinde
Wadgassen. Im Rahmen seines Engagements hat Herr
Klimmt für dieses Projekt in den letzten Jahren zahlrei-
che Druckmaschinen und Bücher gesammelt und teil-
weise auch selbst erworben. Anfang der 90er Jahre hat
er für Rechnung eines Geschäftsmannes für das Projekt
antiquarisch zirka 1 500 politische und zeitgeschichtli-
che Bücher zum Preis von 25 000 DM ausgesucht. Der
Inhaber des Antiquariats, bei dem die Bücher ausgesucht
worden sind, hat diesen Sachverhalt schriftlich bestätigt
und nachgewiesen. Die Bücher sind nach Gründung der
Gesellschaft zur Förderung der Buchkultur in deren Be-
sitz übergegangen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine Zusatzfrage? –
Bitte, Herr Kollege.
Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Letzteres hätte ich
gern noch einmal bestätigt. Es gibt eine eindeutige Er-
klärung des Herrn Ministers, wenn ich Sie recht verstan-
den habe, daß eine Eigentumsübergabe mit klarer Beur-
kundung vorhanden ist. Gibt es eine eindeutige Aussage
dazu, wo die Bücher derzeit lagern?
Lothar Ibrügger (SPD): Herr Kollege Brunnhuber,
ich wiederhole den Eingangssatz für die Bundesregie-
rung: Die Bundesregierung hat keine eigenen Kenntnis-
se über den in der Frage dargestellten Sachverhalt. Sie
beziehen sich auf einen Bericht der „Spiegel“-
Redaktion. Erster Teil der Antwort.
Zweiter Teil. Ich stelle Ihnen gern den vollen Wort-
laut der Erklärung des Landesverbandes Saar zur Verfü-
gung, auf den sich auch in diesem Fall die Antwort der
Bundesregierung bezieht, da sie keine eigenen Erkennt-
nisse besitzt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe auf die
Dringliche Frage 2 des Kollegen Brunnhuber:
Um welche Bücher mit welchem Wert handelt es sich?
Lothar Ibrügger (SPD): Frau Präsidentin, die Frage
ist bereits im Zusammenhang mit der Nennung der Zahl
der Bücher beantwortet worden.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zusatzfrage? – Kol-
lege Brunnhuber, bitte eine kurze Zusatzfrage.
Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Ich habe noch
eine Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, hat sich die Bun-
desregierung nicht darum bemüht, eigene Erkenntnisse
zu gewinnen?
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Zum Beispiel
durch eine dienstliche Erklärung!)
Lothar Ibrügger (SPD): Herr Kollege Brunnhuber,
die Bundesregierung ist tätig geworden, nachdem Sie
eine Dringliche Frage im Parlament gestellt haben. Sie
haben als Abgeordneter das Recht auf eine Antwort
durch die Bundesregierung. Diese Antwort habe ich
Ihnen eben gegeben. Die Bundesregierung selbst hat
keine eigenen Erkenntnisse über den dargestellten Sach-
verhalt. Aber ich stelle Ihnen darüber hinaus gern den
Text der Erklärung des Landesverbandes Saar zur Ver-
fügung, auf den die Antwort der Bundesregierung ab-
hebt.
6874 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Bitte, Kollege
Brunnhuber.
Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Da es direkt den
Herrn Bundesminister Klimmt betrifft, frage ich Sie, ob
er selbst eine Erklärung dazu abgegeben hat und ob man
diese Erklärung auch bekommen kann.
Lothar Ibrügger (SPD): Herr Kollege Brunnhuber,
ich habe Ihnen für die Bundesregierung geantwortet und
kann Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nachdem wir
in der Sitzung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen unsere Arbeit erfüllt haben, nicht sa-
gen, ob es eine Erklärung dazu gibt oder nicht. Ich habe
Ihnen für die Bundesregierung den Sachverhalt darge-
legt und erklärt, worauf die Kenntnisse der Bundesregie-
rung beruhen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Die Frage des Kolle-
gen Koppelin, bitte.
Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Staatssekretär, da
die Bundesregierung so wenige Erkenntnisse darüber
hat, möchte ich Sie fragen: Hat denn die Bundesregie-
rung Erkenntnisse darüber, daß die Meldung stimmt, der
Geschäftsmann, von dem die Schenkung kommt, sei im
April 1997 wegen Untreue und Beihilfe zur Bilanzmani-
pulation zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf
Bewährung sowie zur Zahlung einer Geldstrafe von
30 000 DM an eine gemeinnützige Organisation verur-
teilt worden?
Lothar Ibrügger, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr
Kollege Koppelin, ich nehme Ihre Information zur
Kenntnis und wiederhole hier: Die Bundesregierung hat
auf Dringliche Fragen der Kollegen geantwortet. – Sie
haben jetzt weitere Informationen eingebracht, die nicht
unmittelbar Gegenstand der Fragen der Kollegen waren.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Wir kommen zur
Dringlichen Frage 3 des Abgeordneten Norbert Königs-
hofen:
Trifft der Bericht des „Spiegel“ vom 29. November 1999 zu,daß die Feier des 50. Geburtstages von Bundesminister ReinhardKlimmt in großem Umfange von einem Geschäftsmann gespon-sert wurde, und wie steht die Bundesregierung dazu?
Lothar Ibrügger, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr
Kollege Königshofen, die Bundesregierung hat keine
eigenen Kenntnisse über die Durchführung eines vor
sieben Jahren stattgefundenen Geburtstagsempfangs ei-
ner Landtagsfraktion für ein jetziges Regierungsmit-
glied.
Ansonsten wird auf die Erklärung des Landesver-
bandes Saar der SPD, dessen Vorsitzender Herr Klimmt
ist, verwiesen. Danach hat die SPD-Landtagsfraktion
im August 1992 einen Empfang aus Anlaß des
50. Geburtstags von Herrn Klimmt ausgerichtet und war
Herr Klimmt in die Organisation des für ihn ausgerich-
teten Geburtstagsempfangs nicht eingebunden.
Herr Kollege, Frau Präsidentin, jetzt zur zweiten Fra-
ge des Kollegen Königshofen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Dann muß ich vorher
die Dringliche Frage 4 des Abgeordneten Königshofen
aufrufen:
Gibt es geschäftliche Beziehungen zwischen der Bundesre-gierung einschließlich ihr nachgeordneter Behörden einerseitsund der in dem „Spiegel“-Bericht genannten Sportagentur ande-rerseits?
Lothar Ibrügger, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Soweit
der Bundesregierung bekannt ist, bestehen derartige ge-
schäftliche Beziehungen nicht. Ob die alte Bundesregie-
rung solche geschäftlichen Beziehungen hatte, ist der
jetzigen Bundesregierung nicht bekannt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Königsho-
fen, haben Sie Zusatzfragen?
(Norbert Königshofen [CDU/CSU]: Nein!)
– Dann der Kollege Hörster, bitte.
Joachim Hörster (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
ist die Bundesregierung in Anbetracht des gegenwärtig
offenbar mangelhaften Erkenntnisstandes bereit, diesen
durch weitere Nachforschungen zu verbessern und ge-
gebenenfalls den Bundesminister über eine dienstliche
Erklärung zu veranlassen, hierüber Auskunft zu geben?
(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Und die Fraktionen
zu informieren!)
Lothar Ibrügger, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr
Kollege Hörster, Ihre Qualifizierung als „mangelhaften
Erkenntnisstand“ des Sachverhaltes – er beruht auf Pres-
seerklärungen und einem Bericht des „Spiegel“ – kann
ich nicht nachvollziehen. Die Bundesregierung hat keine
eigenen Erkenntnisse.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das halte ich
ja gerade für mangelhaft, daß sie keine Er-
kenntnisse hat!)
Auf diesen Sachverhalt, der seit einigen Tagen in der
Öffentlichkeit bekannt ist, hat sie hingewiesen.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Wollen Sie
Ihre Erkenntnisse verbessern? Das war doch
der Kern meiner Frage!)
– Ich habe keinen Anlaß, dazu eine Aussage zu treffen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe jetzt den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6875
(A) (C)
(B) (D)
Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung. Ich rufe
die Frage 1 der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs auf:
Wie stellt sich für die Bundesregierung die im Verlaufe desJahres 1999 auf der Grundlage der Regelungen des Psychothe-rapeutengesetzes vom 16. Juni 1998 sowie der entsprechendenÄnderungen bzw. Ergänzungen im GKV-Solidaritätsstärkungs-gesetz vom 19. Dezember 1998 entstandene Situation hinsicht-lich der Vergütung der Psychotherapeuten dar, und teilt dieBundesregierung die Einschätzung, daß die Existenz der Psy-chotherapie-Praxen akut bedroht ist?
Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Gesundheit: Frau Kollegin Fuchs, Ihre
Frage beantworte ich wie folgt: Die geltenden gesetzli-
chen Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer
Leistungen im Jahr 1999 und deren Auswirkungen sind
am 23. Juni 1999 im Gesundheitsausschuß des Deut-
schen Bundestages sowie mit Vertretern verschiedener
psychotherapeutischer Berufsgruppen im Bundesmi-
nisterium für Gesundheit am 16. Juni 1999 eingehend
erörtert worden. Dabei ist deutlich geworden, daß die
vorhandenen Daten nicht ausreichen, um weiterführende
politische Entscheidungen unter Berücksichtigung der
regionalen Besonderheiten treffen zu können.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat deshalb
die Kassenärztliche Bundesvereinigung aufgefordert, die
zur Zeit verfügbaren Daten zur Vergütungssituation der
Psychotherapeuten in den Regionen der einzelnen Kas-
senärztlichen Vereinigungen vorzulegen. Auf Grund re-
gional sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen sind
solche differenzierten Daten erforderlich, um den beste-
henden Handlungsbedarf einschätzen zu können.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine Nachfrage der
Kollegin Fuchs, bitte.
Dr. Ruth Fuchs (PDS): Frau Staatssekretärin, danke
für Ihre Antwort. – Die Situation ist bekannt – in einigen
neuen Bundesländern sind die entsprechenden Daten
jetzt auch bestätigt –: Die Budgets sind aufgebraucht.
Mit welchem Zeitraum darf man rechnen, bis die Bun-
desregierung konkrete Vorschläge macht, um dieses
Problem entsprechend in einem gesetzlichen Rahmen zu
lösen?
Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Gesundheit: Frau Kollegin Fuchs, ich
sagte schon: Wir haben die KBV dringlich gebeten, uns
die Daten zu übermitteln, und zwar aufgeschlüsselt nach
regionalen Besonderheiten. Es gibt ja 23 KVen. Als Ab-
geordnete, die aus den neuen Bundesländern kommt,
wissen Sie ja selber, daß gerade in den neuen Bundes-
ländern Besonderheiten bestehen und daß man eine ad-
äquate Regelung nur dann treffen kann, wenn man die
genaue Datenlage kennt. Wenn man auf die spezifische
Situation eingehen will, kann man das nicht regeln, in-
dem man nach dem Gießkannenprinzip verfährt. Wir tun
alles, was wir können, damit wir die Daten – aus den
genannten Gründen aufgeschlüsselt nach regionalen Be-
sonderheiten – bekommen. Herr Kirschner, Vorsitzender
des Gesundheitsausschusses, dessen Mitglied Sie ja
sind, hat die Bundesregierung gebeten, die erforderli-
chen Zahlen, sobald sie vorliegen, zu übermitteln. Er
möchte dieses Thema sofort im Januar auf die Tages-
ordnung des Gesundheitsausschusses setzen. Wir begrü-
ßen das. Wir brauchen wirklich handfestes Material,
damit wir aus Sicht der Bundesregierung – abgesehen
von der Auffangregelung, von der Sie wissen, daß sie
besteht – einschätzen können, ob und, wenn ja, was hier
noch getan werden muß.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine weitere Zusatz-
frage des Kollegen Seifert.
Dr. Ilja Seifert (PDS): Frau Staatssekretärin, Ihrer
Antwort entnehme ich, daß Sie das Problem durchaus
ernst nehmen, aber jetzt warten wollen, bis sich die Da-
tenlage verändert. Unabhängig davon muß es aber doch
in Ihrem Haus schon gewisse Vorarbeiten für den je-
weiligen Fall geben, so daß dann – je nachdem, wie die
Daten ausfallen – nur noch entschieden werden muß,
welche Variante gemacht wird. Sie könnten vielleicht
schon einmal die drei oder vier wichtigsten Eckpunkte
nennen, die für die jeweilige Situation gelten.
Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Gesundheit: Herr Kollege Seifert, das
kann ich nicht. Der Sachverhalt ist der, daß hier etwas
über die Auffangregelung getan werden kann, wenn
akuter Handlungsbedarf besteht. Ob hier weiterer
Handlungsbedarf besteht, ist erst ersichtlich, wenn wir
die nach regionalen Besonderheiten spezifizierten Daten
haben. Wir können – wie ich schon gesagt habe – hier
nicht alles über einen Leisten scheren. Wir müssen
schauen, wo sich in den Regionen unter Umständen spe-
zielle Probleme – wir wissen es nicht genau – ergeben.
Dazu müssen wir die Daten haben. Alles andere ist Kaf-
feesatzleserei. Das tun wir in unserem Ministerium
nicht.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe jetzt Frage 2
der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Aktivitätenund Positionen der Verbände der Krankenkassen und der Kas-senärztlichen Vereinigungen sowie der Aufsichtsbehörden derLänder in Bezug auf eine Verbesserung der Vergütung der Psy-chotherapeuten, und welche eigenen konstruktiven Lösungsan-sätze – ggf. auch gesetzliche Maßnahmen – verfolgt die Bundes-regierung, um eine angemessene Finanzierung der psychothera-peutischen Versorgung zu gewährleisten?
Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Gesundheit: Zur Beantwortung der
Frage 2 möchte ich folgendes ausführen: Zu den in der
aktuellen Diskussion vertretenen unterschiedlichen Auf-
fassungen zum Inhalt und zu den Konsequenzen der
geltenden gesetzlichen Regelungen zur Vergütung psy-
chotherapeutischer Leistungen im Jahre 1999 möchte
ich zunächst folgendes feststellen: Für die Vergütung
der Psychotherapeuten steht im Jahre 1999 für die je-
weilige Versorgungsregion – das sind, wie gesagt, 23,
und ein Problem ist, daß wir die Daten aus allen 23 Re-
gionen brauchen – der Kassenärztlichen Vereinigungen
ein Ausgabenvolumen jeweils für die einzelne KV-
Vizepräsidentin Petra Bläss
6876 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Region zur Verfügung, welches sich aus folgenden
Komponenten zusammensetzt: den Ausgaben der Kran-
kenkassen im Jahre 1996 für psychotherapeutische Lei-
stungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
und den Ausgaben für psychotherapeutische Leistungen
außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung im Jahre
1997.
Durch das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene
GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz ist dieses Ausgaben-
volumen noch erhöht worden, weil die neue Bundesre-
gierung der Auffassung war, daß die Regelungen, die
damals gerade von der alten Regierung erlassen waren,
voraussichtlich nicht reichen würden. Also haben wir
dieses Ausgabenvolumen noch wie folgt erhöht: Erstens.
Die Summe, die für psychotherapeutische Leistungen
außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zugrunde
zu legen ist, wurde um 40 Prozent erhöht. Zweitens. Das
Ausgabenvolumen, das für psychotherapeutische Lei-
stungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
einzustellen ist, erhöht sich um den Prozentsatz der Ho-
norarsteigerungen für das Jahr 1999.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgaben ha-
ben die Verbände der Krankenkassen und die Kassen-
ärztlichen Vereinigungen das Vergütungsvolumen für
die psychotherapeutische Versorgung in der jeweiligen
Region im Jahre 1999 zu vereinbaren. Für den Fall, daß
die tatsächliche Entwicklung in den verschiedenen Ver-
tragsregionen in einer vom Gesetzgeber nicht gewollten
Weise verläuft, greift eine sogenannte Auffangregelung.
Danach haben die Vertragspartner geeignete Maßnah-
men zur Stützung des Punktwertes für psychotherapeuti-
sche Leistungen zu ergreifen, wenn dieser Punktwert
den für die ärztliche Beratungs- und Betreuungsleistun-
gen geltenden Punktwert um mehr als 10 vom Hundert
unterschreitet.
Diese Auffangregelung nach Art. 11 Abs. 2 des Psy-
chotherapeutengesetzes wird unterschiedlich interpre-
tiert. Das Bundesministerium für Gesundheit vertritt da-
zu folgende Auffassung: Der Gesetzgeber verfolgt mit
der für das Jahr 1999 geltenden Übergangsregelung zur
Vergütung psychotherapeutischer Leistungen das Ziel,
die Vergütung dieser Leistungen in das vertragsärztliche
Vergütungssystem auf der Grundlage der oben angege-
benen Vergütungsniveaus zu integrieren. Die Auffang-
regelung flankiert diesen Einstieg in das vertragsärztli-
che Vergütungssystem dahin gehend, daß eventuelle,
nicht gewollte Auswirkungen dieses Verfahrens auf die
Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen
durch geeignete Maßnahmen für den Fall eines Absin-
kens des Punktwerts für diese Leistungen unter einen
bestimmten Grenzwert vermieden werden. Bei einer
Unterschreitung dieses Schwellenwertes sind nach der
gesetzlichen Regelung geeignete Maßnahmen zu treffen.
Eine Erhöhung der ärztlichen Gesamtvergütungen bei
Unterschreitung des Schwellenwertes ist auf Grund der
in Art. 14 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz abschlie-
ßend bestimmten Höhe der Gesamtvergütungen im Jahr
1999 nicht zulässig. Eine Begrenzung der Punktwertdif-
ferenz kann darum nur durch Maßnahmen zur Stützung
des Punktwerts für psychotherapeutische Leistungen im
Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabs erreicht wer-
den. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach der
Auffassung des Gesundheitsministeriums hier im Rah-
men der Auffangregelung verpflichtet, entsprechende
Maßnahmen durchzuführen.
Die Prüfung, ob die Vereinbarungen zur Festlegung
des Vergütungsvolumens für psychotherapeutische Lei-
stungen den geltenden rechtlichen Vorgaben entspre-
chen, ist Aufgabe der jeweils zuständigen Aufsichtsbe-
hörde.
Das ist strittig; darum habe ich es gleich gesagt. Es
gibt dazu auch die Stellungnahme von Herrn Dr. Hess.
Das ist aber ein Punkt, zu dem die Rechtsauffassungen
unterschiedlich sind.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs
auf.
Wann kann mit dem Abschluß der gegenwärtig noch laufen-den Prüfung der Unterlagen für Atomtransporte und mit der Er-teilung von Beförderungsgenehmigungen durch das Bundesamtfür Strahlenschutz gerechnet werden?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit: Herr Kollege Laufs, Sie fragen danach, wann
mit dem Abschluß der gegenwärtig noch laufenden Prü-
fung der Unterlagen für Atomtransporte und mit der Er-
teilung von Beförderungsgenehmigungen durch das
Bundesamt für Strahlenschutz gerechnet werden kann.
Ich kann diese Frage nicht pauschal beantworten,
denn beim Bundesamt für Strahlenschutz liegen Anträge
auf Erteilung von Beförderungsgenehmigungen für drei
verschiedene Transporttypen vor. Die erste Gruppe von
Anträgen betrifft innerdeutsche Transporte von den
Kraftwerken in das Zwischenlager Ahaus. Die zweite
Gruppe betrifft die Transporte von Glaskokillen von der
Wiederaufarbeitung in Frankreich nach Gorleben, und
das dritte sind Anträge für Transporte von deutschen
Kraftwerken zu den Wiederaufarbeitungsanlagen in
England und Frankreich.
Eine Begutachtung der geplanten Schutzmaßnahmen
gegen das Überschreiten der zulässigen Kontaminati-
onsgrenzwerte erfolgte getrennt nach diesen drei Trans-
porttypen. Deshalb möchte ich Sie über die einzelnen
Transporttypen informieren.
Zum ersten Bereich: Das Gutachten für die innerdeut-
schen Transporte wurde am 10. Mai 1999 fertiggestellt
und ist eine Grundlage für die Entscheidung der zustän-
digen Behörden zur Erteilung der entsprechenden Ge-
nehmigungen.
Um deutlich zu machen, welche Behörden daran be-
teiligt sind, zähle ich diese einmal auf: Zum einen ist das
Bundesamt für Strahlenschutz für die Beförderungs- und
Einlagerungsgenehmigung sowie für die verkehrsrecht-
Parl. Staatssekretärin Christa Nickels
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6877
(A) (C)
(B) (D)
liche Zulassung der Behälter unter Hinzuziehung der
Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung als
Gutachter zuständig, zum anderen das Eisenbahnbun-
desamt für die Beförderungsgenehmigungen leerer Be-
hälter und schließlich die Landesbehörden für die Bela-
dung der Behälter. Für die Einlagerung selbst ist die ab-
schließende Zustimmung der Länderaufsichtsbehörden
und für den Transport die der Länderinnenbehörden er-
forderlich.
Zum zweiten Bereich: Das Gutachten für die Glasko-
killentransporte wurde am 24. Juni dieses Jahres fertig-
gestellt und ist ebenfalls eine Grundlage für die Ent-
scheidung der zuständigen Behörden. Die Vorgehens-
weise stimmt mit der bei den innerdeutschen Transpor-
ten überein.
Es gibt eine etwas andere Situation bei den Genehmi-
gungen für die Transporte zu den deutschen Zwischen-
lagern. Vielleicht kann ich zu diesen beiden Punkten
ganz konkret auf Ihre Frage bezüglich der Transportge-
nehmigung sagen: Die Genehmigungen für die Trans-
porte zu den deutschen Zwischenlagern werden erteilt,
sobald die Forderungen der Gutachten umgesetzt sind
und die übrigen Voraussetzungen, die ich eben erwähn-
te, bei den Behörden vorliegen.
Es gibt für den dritten Bereich das Gutachten, das am
22. November dieses Jahres vom EBA veröffentlicht
wurde. Dies ist das „Gutachten zur Beförderung abge-
brannter Brennelemente in die Wiederaufarbeitungsan-
lagen“. Mit der Abarbeitung der in diesem Gutachten für
die Wiederaufarbeitungstransporte enthaltenen und von
den Betreibern akzeptierten Empfehlungen werden den
verkehrs- und atomrechtlich zuständigen Behörden die
notwendigen Voraussetzungen für eine entsprechende
Bescheidung vorliegen.
Vor der abschließenden Klärung, daß die Kontami-
nationsüberschreitungen während des gesamten Zyklus
mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sind, kön-
nen Beförderungsgenehmigungen zu den Wiederaufbe-
reitungsanlagen nicht erteilt werden. Wann diese ab-
schließende Klärung herbeigeführt sein wird, hängt von
der Bereitstellung der für die Abarbeitung der Empfeh-
lungen notwendigen Unterlagen durch die Betreiber ab.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Laufs, eine
Zusatzfrage.
Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin,
nachdem der Vertreter des Bundesamtes für Strahlen-
schutz bei der Anhörung des Umweltausschusses am
Montag dieser Woche festgestellt hat, daß zum Beispiel
für die innerdeutschen Transporte alle technischen und
radiologischen Fragen auf Bundesebene am 19. Novem-
ber dieses Jahres abgearbeitet waren, frage ich Sie: Wel-
che Sachgründe halten Sie davon ab, eine konkrete
Antwort zu geben, nachdem die Bundesregierung in der
Fragestunde vom 8. September festgestellt hat, daß nach
Vorlage aller Unterlagen maximal vier Wochen ge-
braucht werden, bis eine Genehmigung für solche
Transporte erteilt wird?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Herr Kollege Laufs, Sie haben aus der Anhö-
rung nur einen Teil der Antwort des Bundesamtes für
Strahlenschutz zitiert. Das Bundesamt für Strahlen-
schutz ist die Genehmigungsbehörde. Ich verweise auf
die sehr ausführliche Antwort des Vertreters des Bun-
desamtes für Strahlenschutz. Um nur einen Punkt zu
nennen: Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die In-
nenbehörden der Länder und auch das Bundesinnenmi-
nisterium auf dem vorgesehenen Weg um Stellungnah-
men gebeten. Dies ist wesentlich bei der Frage – ich
möchte nicht für das Bundesamt für Strahlenschutz
sprechen; ich gebe nur das wieder, was auch in der An-
hörung deutlich geworden ist –, ob das Bundesamt für
Strahlenschutz diese Genehmigung erteilt hat.
Wir haben in der Anhörung sehr ausführlich über die
Einzelvoraussetzungen – aus Sicht der Polizei und aus
Sicht der Innenbehörden – debattiert. Es ging auch um
andere Bereiche. Ich erinnere an die Moderatorproble-
matik aus technischer Sicht, die zwischenzeitlich aufge-
treten war. Dies alles muß vom Bundesamt für Strahlen-
schutz geprüft werden. Wenn die Genehmigungsvoraus-
setzungen vorliegen, werden die Genehmigungen für die
Transporte erteilt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zweite Zusatzfrage,
Kollege Dr. Laufs, bitte.
Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Es ist richtig, daß der
Vertreter des Bundesamtes für Strahlenschutz einen
Hinweis auf die öffentlichen Interessen nach § 4 Abs. 2
Nr. 6 des Atomgesetzes gegeben hat. Aber im Hinblick
auf frühere Genehmigungen möchte ich Sie noch einmal
fragen, warum Sie nicht konkrete Zeiträume benennen
können, bis diese Routineprüfungen abgeschlossen sind
und eine Transportgenehmigung, zum Beispiel für in-
nerdeutsche Transporte, erteilt werden kann.
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit: Die Frage ist sehr einfach zu beantworten, ver-
ehrter Kollege Laufs: Es müssen natürlich die Stellung-
nahmen der Innenbehörden vorliegen. Ich verweise dar-
auf, daß das Bundesamt für Strahlenschutz die Innenmi-
nisterien der Länder um Mitteilung gebeten hat, ob Tat-
sachen bekannt sind, die im Hinblick auf alle beantrag-
ten Transporttypen im Einzelfall überwiegend öffentli-
che Interessen – Sie haben es eben in Ihrer Frage ge-
nannt: § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Atomgesetzes – begründen
könnten und die der Wahl der Art, der Zeit und des We-
ges der Beförderung entgegenstehen. Die Frage nach
diesen Prüfungen des Bundesamtes für Strahlenschutz,
das als Genehmigungsbehörde das Verfahren nach
Recht und Gesetz durchführt, kann ich hier nicht mit
konkreten Zeitangaben beantworten, weil alle Genehmi-
gungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen.
Ich verweise auf eine Debatte aus dem Landtag von
Sachsen-Anhalt – sie ist Ihnen sicherlich sehr gut be-
kannt –, in der es um die Frage des Weges ging. Der
Parl. Staatssekretärin Simone Probst
6878 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 12. November die-
ses Jahres in seiner 30. Sitzung einen sehr knappen, aber
auch sehr eindeutigen Beschluß gefaßt: Der Landtag von
Sachsen-Anhalt lehnt Castor-Transporte durch Sachsen-
Anhalt ab. Das deutet darauf hin, daß sicherlich nicht
alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Lipp-
mann zu einer Zusatzfrage, bitte.
Heidi Lippmann (PDS): Frau Staatssekretärin, kann
ich Ihre Ausführungen dahin gehend interpretieren, daß
es im nächsten Jahr, während in Hannover die EXPO
2000 stattfinden wird, keine Castor-Transporte nach
Gorleben geben wird?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit: So können Sie meine Antwort nicht interpretie-
ren; denn ich habe gesagt, daß die Genehmigungsbehör-
de das Bundesamt für Strahlenschutz ist. Sobald alle
Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, werden die
Transporte genehmigt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Damit kommen wir
zur Frage 4 des Kollegen Dr. Paul Laufs:
Wird der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit der Aufforderung des niedersächsischenUmweltministers Wolfgang Jüttner nachkommen, eine Weisungauf Nichterteilung der Betriebsgenehmigung für die Pilotkondi-tionierungsanlage in Gorleben auszusprechen?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Herr Kollege Laufs, auf Ihre Frage, ob der
Bundesumweltminister der Aufforderung des nieder-
sächsischen Umweltministers Jüttner nachkommt, eine
Weisung auf Nichterteilung der Betriebsgenehmigung
für die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben auszu-
sprechen, könnte ich mit einem einfachen Nein beant-
worten. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang dar-
auf hinweisen, daß das niedersächsische Umweltmini-
sterium in der Verantwortung steht, das atomrechtliche
Genehmigungsverfahren für die Pilotkonditionierungs-
anlage in Gorleben im Sinne des § 71 a ff. des Verwal-
tungsverfahrensgesetzes zu führen und zum Abschluß zu
bringen. Wir haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln,
daß dies von niedersächsischer Seite nicht nach Recht
und Gesetz geschieht.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine Zusatzfrage des
Kollegen Dr. Laufs, bitte.
Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Kann Ihre Antwort da-
hin gehend interpretiert werden, daß mit einer dritten
Teilgenehmigung durch das Land Niedersachsen für die
Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben um die Jahres-
wende gerechnet werden kann?
Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Ich freue mich, daß hier anscheinend eine
große Interpretationsfreudigkeit herrscht. Aber ich bitte
doch, auf meine Antworten zu achten. Die Genehmi-
gungsbehörde ist das Land Niedersachsen. Wir haben
keinen Zweifel daran, daß dieses Verfahren nach Recht
und Gesetz durchgeführt wird.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Wir kommen nun
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Be-
antwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Uschi Eid zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 des Abgeordneten Günter Nooke auf:
Inwieweit ist die Bundesregierung im Vorfeld der Preisver-leihung an einen ehemaligen Oberst der Staatssicherheit durchdas Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP)beteiligt bzw. unterrichtet worden, vergleiche „Morgenpost“vom 21. Oktober 1999, und was hat die Bundesregierung gege-benenfalls im nachhinein in dieser Angelegenheit unternom-men?
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Herr Kollege Nooke, die Antwort auf Ihre
Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung hat Profes-
sor Dr. Fischer weder für die Preisverleihung vorge-
schlagen oder einen solchen Vorschlag weitergeleitet,
noch war sie an der Auswahl des Preisträgers beteiligt.
Die Vereinten Nationen konsultieren weder bei Vor-
schlag noch bei Auswahl von VN-Preisträgern deren
Heimatregierungen, sondern teilen lediglich den Tatbe-
stand einer Auszeichnung mit.
Am 3. August 1999 unterrichtete der Direktor für Öf-
fentlichkeitsarbeit der Vereinten Nationen unsere Stän-
dige Vertretung bei den Vereinten Nationen in New
York schriftlich davon, daß das zuständige VN-
Auswahlkomitee Professor Dr. Fischer als einen von
sechs Preisträgern für die UNDP-Auszeichnung 1999
„Wettlauf gegen Armut“ bestimmt hat. Weder UNDP
noch unsere Ständige Vertretung in New York hatten
vor der Preisverleihung am 8. September 1999 Kenntnis
über die frühere Zugehörigkeit des Preisträgers zum Mi-
nisterium für Staatssicherheit. Im nachhinein hat sie
UNDP hierüber unterrichtet.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Nooke, eine
Zusatzfrage, bitte.
Günter Nooke (CDU/CSU): Darf ich Ihre Antwort
so interpretieren, daß der Name der Ständigen Vertre-
tung sehr wohl bekannt war, daß sie aber nicht nachge-
fragt und recherchiert hat, was sich hinter dem Lebens-
lauf von Oberst Fischer verbarg und daß es bezüglich
seiner beruflichen Ausbildung in der DDR in diesem
Lebenslauf falsche Angaben gab?
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Parl. Staatssekretärin Simone Probst
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6879
(A) (C)
(B) (D)
Entwicklung: Die Ständige Vertretung wurde über die
Tatsache unterrichtet, daß die Vereinten Nationen einen
Preisträger ausgewählt haben. Dies hat die Ständige
Vertretung erst einmal zur Kenntnis genommen. Sie hat
vor dem 8. September nicht gewußt, daß er Mitglied des
Ministeriums für Staatssicherheit war.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Nooke,
eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Günter Nooke (CDU/CSU): Mich würde interessie-
ren, ob der Prozeß, den Sie eben geschildert haben, gän-
gige Praxis ist und inwieweit die Bundesregierung Vor-
schläge erarbeitet, um dies zu verändern. Auch meine
zweite eingereichte Frage weist darauf hin. Ich würde
dann noch einmal eine Zusatzfrage stellen.
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Um Ihnen gleich die Möglichkeit für die
zwei Zusatzfragen zu lassen, möchte ich einfach ant-
worten, daß eine Stasi-Verbindung des Preisträgers nicht
bekannt war und daß eine Auszeichnung durch die Ver-
einten Nationen nicht Anlaß für eine Personalüberprü-
fung durch die Bundesregierung sein kann.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine Zusatzfrage der
Kollegin Lippmann.
Heidi Lippmann (PDS): Frau Staatssekretärin, ange-
sichts der Tatsache, daß Herr Professor Fischer als ehe-
maliges Mitglied des Ministeriums für Staatssicherheit
im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der nationalen Ar-
mutskonferenz der Bundesrepublik Deutschland mit
einer Urkunde für sein ehrenamtliches Engagement ge-
gen Armut ausgezeichnet wurde, frage ich Sie: Plant die
Bundesregierung, um in ähnlichen Fällen künftig inter-
nationale Auszeichnungen zu verhindern, Gesetzesricht-
linien zu erlassen, die ehrenamtliche Tätigkeiten von
ehemaligen, auch im Ruhestand befindlichen Mitglie-
dern des Ministeriums für Staatssicherheit untersagen?
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Ich betone noch einmal, daß die Tatsache,
daß die Vereinten Nationen jemanden zum Preisträger
erwählen, nicht dazu führt, daß die Bundesregierung ei-
ne Personalüberprüfung in Gang setzt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine weitere Zusatz-
frage der Kollegin Ostrowski, bitte.
Christine Ostrowski (PDS): Frau Staatssekretärin,
gehe ich also recht in der Annahme, daß die Vereinten
Nationen den Preis für gezeigte Leistungen verliehen
haben? Andersherum gefragt: Können Sie sich vorstel-
len, daß die Vereinten Nationen einen Preisträger aus-
wählen, der keine Leistungen erbracht hat?
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Da müssen Sie den Generalsekretär der
Vereinten Nationen fragen. Ich habe nicht das Mandat,
hier für ihn zu sprechen.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Bei den Ver-
einten Nationen kann ich mir vieles vorstel-
len!)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe die Frage 6
des Kollegen Nooke auf:
Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die na-tionalen Regierungen in den Entscheidungsprozess des UNDPüber Preisverleihungen stärker eingebunden werden, und wiebegründet sie ihre Haltung?
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Die Antwort auf Ihre zweite Frage lautet
folgendermaßen: Die Bundesregierung wird sich nicht
dafür einsetzen, daß die nationalen Regierungen vor
VN-Auszeichnungen an einzelne Personen oder Organi-
sationen der Zivilgesellschaft offiziell konsultiert wer-
den. Bei 158 Mitgliedsländern mit sehr unterschiedli-
chen Vorstellungen bezüglich der Gewährung von Mei-
nungsfreiheit ist das bisherige Verfahren der Vereinten
Nationen sinnvoll, denn bei Auszeichnungen der Ver-
einten Nationen für den Einsatz zum Beispiel für Men-
schenrechte, Armutsbekämpfung oder andere VN-
Aufgaben treffen die Geehrten nicht immer auf vorbe-
haltlose Unterstützung und Wohlwollen ihrer Heimatre-
gierungen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Nooke, bitte
Ihre Zusatzfrage.
Günter Nooke (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin,
ist Ihnen bekannt, daß das zuständige UN-Büro in Genf
die Auszeichnung nachträglich in der Form kommentiert
hat, daß man, wenn man darüber informiert gewesen
wäre, daß Herr Fischer früher in Potsdam-Golm den
Lehrstuhl für politische Untergrundtätigkeit innehatte
und dort gelehrt hatte, diese Auszeichnung nicht verlie-
hen hätte? Wie wollen Sie in Zukunft solche Fälle ver-
hindern, wenn Sie sich jetzt auf die Position zurück-
ziehen, daß Sie sich darum nicht weiter kümmern wol-
len?
Meines Erachtens müßte hier noch einmal ganz klar
gesagt werden, wie Sie in Zukunft Schaden vom Land
abwenden wollen, wenn Deutschland als einziges Land
– er war der einzige Europäer, der ausgezeichnet wurde –,
sich nicht darum kümmert, daß die UN umfassend in-
formiert werden – wie es ja anscheinend im Interesse der
UN liegt.
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Es ist mir bekannt, daß UNDP auf Grund
dieser Informationen, die unsere Ständige Vertretung
Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid
6880 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
den UN gegeben hat, am 20. Oktober 1999 eine Presse-
erklärung mit folgendem Wortlaut abgegeben hat:
UNDP had no indication of Prof. Fischer's alleged
involvement with Stasi. Had such information been
offered to UNDP and confirmed to be true, UNDP
would not have considered Prof. Fischer as a can-
didate in its annual poverty awards ceremony.
Soweit die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Kann man das
auf deutsch sagen? Die Amtssprache ist
Deutsch!)
– Okay: UNDP hatte keine Hinweise darauf, daß Profes-
sor Fischer angeblich in eine Stasi-Tätigkeit involviert
war. Hätte UNDP eine solche Information gehabt und
sich diese als wahr herausgestellt, hätte UNDP Professor
Fischer nicht als Kandidaten für diesen jährlichen Ar-
mutspreis aufgestellt.
(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)
Ihre Frage richtet sich nicht an uns. Ich könnte
sie allenfalls in Form eines Wunsches an die UN-
Organisationen weitergeben, daß sie die nationalen Re-
gierungen fragen, wenn sie jemanden aus einem be-
stimmten Land auswählen und es Anhaltspunkte geben
könnte, daß mit dem Ausgewählten etwas nicht stimmt.
Aber ich wiederhole: Wir werden keine Schritte unter-
nehmen, die dazu führen könnten, daß dies zur Regel
wird, weil es genügend Länder auf dieser Erde gibt, die
beispielsweise gar kein Interesse daran haben, daß Op-
positionelle, die sich besonders in Sachen Menschen-
rechte hervortun, einen solchen Preis bekommen. Wir
wollen verhindern, daß nationale Regierungen Men-
schen möglicherweise denunzieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Nooke, eine
letzte Zusatzfrage, bitte.
Günter Nooke (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin,
wenn Sie jetzt das Hohelied von Nichtregierungsorgani-
sationen und deren Freiheit singen, dann frage ich Sie,
ob die Bundesregierung eine Beziehung zur Förderung
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes oder des Landes-
verbandes Brandenburg oder Sachsen des Arbeitslosen-
hilfeverbandes sieht. Diese Förderung aus öffentlichen
Kassen führt ja letztlich dazu, daß Leute überhaupt erst
in der Öffentlichkeit agieren können und für solche
Auszeichnungen in Frage kommen.
(Heidi Lippmann [PDS]: Das darf doch wohl
nicht wahr sein!)
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Das ist nun nicht mein Ressort. Wir be-
grüßen immer, wenn Organisationen, die sich im ent-
wicklungspolitischen Bereich ehrenamtlich betätigen,
entsprechende Auszeichnungen bekommen.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Wer weiß denn
Bescheid?)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin Lipp-
mann, Sie haben eine Zusatzfrage.
Heidi Lippmann (PDS): Frau Staatssekretärin, ich
gehe davon aus, daß die Bundesregierung nicht plant,
eine Richtlinie zu erlassen, die ehemaligen Mitarbeitern
des Ministeriums für Staatssicherheit oder anderen Men-
schen, die in entsprechenden Positionen gearbeitet ha-
ben, ausdrücklich verbietet, sich in der Bundesrepublik
Deutschland ehrenamtlich zu engagieren.
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Ich vertrete das Entwicklungspolitikres-
sort. Von daher haben wir auch nicht solche Gesetze an-
zuregen. Ihre Frage müßte daher von einem anderen
Mitglied der Bundesregierung beantwortet werden. Ich
kann Ihnen allenfalls eine schriftliche Antwort zusagen,
sofern Sie darauf bestehen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine weitere Zusatz-
frage der Kollegin Ostrowski.
Christine Ostrowski (PDS): Frau Staatssekretärin,
in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit, die im Osten
Deutschlands herrscht, frage ich Sie, ob Sie – im Gegen-
satz zu meinem verehrten Kollegen Nooke – meiner
Meinung sind, daß die Arbeit von Menschen, die sich
beispielsweise in Vereinen und Verbänden engagieren,
um Arbeitslosen zu helfen, im öffentlichen Interesse
liegt und der Staat demzufolge dafür auch öffentliche
Gelder bereitstellen sollte, wie er ja auch andere Vereine
und Verbände wie etwa die Caritas fördert.
(Unruhe bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich mache darauf aufmerksam, daß die
Kollegin Eid hier als Staatssekretärin des Bundesmini-
steriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung zur Verfügung steht. Ich erlaube gleichwohl
eine kurze Antwort; aber dann werden wir dieses Thema
beenden.
Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung: Zunächst einmal ist zu begrüßen, wenn
sich Menschen ehrenamtlich betätigen. Was mein Res-
sort angeht, so ist dies zum Beispiel bei der Stiftung
„Nord-Süd-Brücke“ oder bei den „Eine Welt“-Läden der
Fall. Ich habe viele von ihnen in den neuen Bundeslän-
dern besucht. Allerdings handelte es sich bei dem hier in
Rede stehenden Preisträger um einen Einzelfall, von
dem im nachhinein bekanntgeworden ist, daß er ein
Stasi-Mitglied war. Nun ist es das Recht von UNDP, zu
sagen, er hätte den Preis nicht bekommen, wenn man
dies vorher gewußt hätte. Das habe ich erst einmal gar
nicht zu kommentieren.
(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Tun Sie
das doch mal!)
Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6881
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe jetzt den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf.
Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär Dr. Eckhart Pick zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Michelbach auf:
Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Vorgän-ge um die Philipp Holzmann AG die derzeitigen Regelungen desAktienrechts und insbesondere des Gesetzes zur Kontrolle undTransparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) für ausrei-chend, um die Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte beiVerletzung ihrer Sorgfaltspflicht sicherzustellen, und wenn nein,welche gesetzlichen Änderungen zieht sie in Erwägung?
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Die Frage des Herrn Kollegen
Michelbach bezieht sich aktuell auf die Verantwortlich-
keit von Organen von Aktiengesellschaften, speziell der
Holzmann AG.
Ich darf wie folgt antworten: Die Bundesregierung –
das gilt übrigens für die alte wie auch für die neue Bun-
desregierung – ist immer dafür eingetreten, daß Gesell-
schaftsorgane bei Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten
scharf in die Haftung genommen werden. Dies hat auch
die damalige Opposition schon im Gesetzgebungsver-
fahren zum Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im
Unternehmensbereich – kurz: KonTraG – in der letzten
Wahlperiode deutlich gemacht. Allerdings muß man sa-
gen, daß nach dem deutschen Aktiengesetz kein Pro-
blem mit den Haftungstatbeständen besteht. Die Haftung
von Vorständen und Aufsichtsräten ist in unserem Recht
sehr scharf, insbesondere nach § 93 Abs. 2 Aktiengesetz
sogar mit einer Beweislastumkehr verbunden.
Das Nadelöhr liegt nicht im Tatbestand, sondern bei
der Geltendmachung. Die Haftungsansprüche stehen
nämlich der Gesellschaft zu, da zunächst die Gesell-
schaft geschädigt ist. Wenn aber das jeweils andere Or-
gan der Gesellschaft nicht bereit ist, einen Haftungsan-
spruch geltend zu machen und sich auch in der Haupt-
versammlung keine Mehrheit hierfür findet, so stellt sich
die Frage, wie eine Minderheit die Klageerhebung er-
zwingen kann.
Hierzu sieht § 147 Aktiengesetz ein Klageerzwin-
gungsverfahren vor, das durch das KonTraG vor gut an-
derthalb Jahren noch einmal verschärft worden ist. Nach
Abs. 3 haben auch Minderheiten, die nur ein Zwan-
zigstel des Grundkapitals oder 500 000 Euro an Nenn-
betrag aufbringen, eine solche Klageerzwingungsmög-
lichkeit.
Im Falle Holzmann ist es wohl nicht so, daß die
Hauptversammlungsmehrheit eine Inanspruchnahme
früherer Vorstandsmitglieder verhindern möchte und
daß es jetzt ein Problem des Minderheitenschutzes ge-
ben würde. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, ha-
ben offenbar der neue Vorstand und der neue Aufsichts-
rat nach 1997 mehrere Rechtsgutachten eingeholt und
Sonderprüfungen vorgenommen, um die Frage der Ver-
antwortlichkeit des Altvorstandes zu prüfen. Auch ist
die Entlastung dieser Vorstandsmitglieder in den letzten
Hauptversammlungen nicht erteilt worden.
Gegenwärtig sieht die Bundesregierung keinen
Handlungsbedarf. Die Bundesregierung wird die weitere
Entwicklung jedoch sehr genau beobachten, insbesonde-
re unter dem Gesichtspunkt, ob sich die im KonTraG
vorgesehenen Instrumente bewähren oder nicht.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Michelbach,
bitte Ihre Zusatzfrage.
Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
wurde im Falle Holzmann im Rahmen des Steuerge-
schenks an die Deutsche Bank auch die Frage etwaiger
Verstöße und die Eingrenzung des dort vorhandenen
Überschneidungsgeflechtes bei Entscheidungen von
Vorstand – auch dem neuen Vorstand –, dem Aufsichts-
ratsvorsitzenden und der Deutschen Bank angespro-
chen? Mit diesen Personen ist ja offen verhandelt wor-
den. Stellt sich nicht auch Ihnen die Frage, ob man in
diesem Zusammenhang nicht auch die Haftungsfrage
und die Verstöße gegen das KonTraG hätte ansprechen
und klären müssen?
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Herr Kollege, haben Sie Ver-
ständnis dafür, daß ich über diese Verhandlungen – Sie
haben sie so bezeichnet – keine authentischen Aussagen
treffen kann. Ich gehe davon aus, daß es im Interesse der
jetzt geretteten Gesellschaft ist.
(Gert Willner [CDU/CSU]: Noch sind die
nicht gerettet!)
– ich denke, wir alle hoffen, daß dieses Unternehmen
gerettet ist –, daß das Unternehmen in eigener Verant-
wortung eventuelle Schadenersatzansprüche gegen frü-
here Organe sehr ernsthaft und gründlich prüft.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Michelbach,
Ihre zweite Zusatzfrage.
Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
tär, angesichts der Tatsache, daß schon mehrere Mo-
nate die Insolvenz und die Überschuldung offenkundig
sind – diese sind nicht erst durch Sonderprüfungen zu-
tage getreten –, frage ich Sie, ob Sie nicht auch der
Meinung sind, daß hier insbesondere die Aufsichts-
pflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Auf-
sichtsrates erheblich verletzt wurde. Sind Sie ferner mit
mir der Auffassung, daß im Rahmen des KonTraG und
des Aktiengesetzes die Zahl der Aufsichtsratsmandate
von zehn auf drei zu reduzieren wäre, daß Vertreter
von Banken nicht in den Aufsichtsräten konkurrieren-
der Unternehmen sitzen dürften und daß eine Verquik-
kung von Kreditgebern und Mitgliedern von Aufsichts-
räten nicht mehr statthaft ist? Sehen Sie angesichts die-
ser Entwicklung die Möglichkeit – ein Kollege hat dies
bereits angesprochen –, das Aktiengesetz zu verschär-
fen?
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Herr Kollege Michelbach, Sie
werden Verständnis dafür haben, daß ich mich einer
6882 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Bewertung des Verhaltens einzelner Mitglieder des Vor-
standes oder des Aufsichtsrates des betreffenden Unter-
nehmens enthalten muß. Auf der anderen Seite erinnere
ich daran, daß wir gerade diese von Ihnen, Herr Michel-
bach, angesprochenen Punkte vor gut anderthalb Jahren
beim Erlaß des KonTraG – wir waren damals in der Op-
position, und ich war Berichterstatter – zusammen mit
der Regierungskoalition behandelt haben. Es gab seiner-
zeit weitergehende Vorschläge, und zwar von bei-
den Seiten. Wir haben uns damals nicht durchsetzen
können.
Man wird in der Tat überprüfen müssen, ob man im
Lichte der Erfahrungen mit dem KonTraG in den letzten
anderthalb Jahre weiteren Handlungsbedarf sieht. Die
Bundesregierung wird, wie ich schon betont habe, sehr
sorgfältig beobachten, ob die Anzahl der Aufsichtsrats-
mandate sowie die möglichen Verflechtungen zwischen
Banken und anderen Wirtschaftsunternehmen überprü-
fungsbedürftig sind.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie auf. Zur Beantwortung steht Herr Par-
lamentarischer Staatssekretär Siegmar Mosdorf zur Ver-
fügung.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Ralf
Brauksiepe auf:
Welcher Unterschied ergibt sich aus der Kenntnis derBundesregierung, wenn für den Wirkungsgrad einer Anlagemit Gasturbinen und nachgeschalteten Dampfturbinen (GuD-Anlagen) der elektrische Wirkungsgrad im Sinne des Quotientenaus der Brutto-Stromerzeugung vermindert um den Betriebs-eigenverbrauch und der zeitgleich technisch zugeführten Energieaus Mineralöl festgelegt wird im Vergleich zur Festlegung aufden Jahresnutzungsgrad als Quotienten aus der Summe der indas elektrische Netz nach Abzug des Eigenverbrauchs für dasKraftwerk abgegebenen elektrischen Energie und der Summeder zugeführten nutzbaren Energie in einem Jahr, wenn derZeitpunkt des so erstmalig ermittelten Jahresnutzungsgrades aufdas Erreichen der viertausendsten Vollastbenutzungsstunde fest-gelegt wird?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
elektrische Wirkungsgrad einer Anlage bezeichnet ihre
Leistungsfähigkeit zur Ausnutzung der eingesetzten
Brennstoffe zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im Un-
terschied dazu können für die Ermittlung des Nut-
zungsgrades unterschiedliche Zeiteinheiten gewählt
werden, zum Beispiel jährliche Nutzungsgrade. Der
Nutzungsgrad ist damit eine zeit-/raumbezogene Grö-
ße. Wegen der unterschiedlichen Fahrweise eines
Kraftwerkes im Zeitraum eines Jahres wird der Jahres-
nutzungsgrad in der Regel immer niedriger sein als ein
unter definierten Bedingungen ermittelter Wirkungs-
grad.
Im Mineralölsteuergesetz in der ab 1. Januar 2000
gültigen Fassung wird für die Steuerbefreiung von
Gas- und Dampfkraftwerken jedoch vom Wirkungsgrad
und nicht vom Jahresnutzungsgrad ausgegangen. Auf
diese Weise wird das Erreichen der 4 000. Vollastbe-
nutzungsstunde für die Steuererhebung keine Rolle
spielen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Brauksiepe,
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Herr Staatsse-
kretär, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dessen,
was im Gesetz steht, und vor dem Hintergrund, daß das
RWE in seinem Schreiben an den Ministerpräsidenten
des Landes Nordrhein-Westfalen vom Jahresnutzungs-
grad ausgeht, die Absicht dieses Unternehmens, an sei-
ner Zusage für die Durchführung seines Kraftwerkser-
neuerungsprogramms nur dann festzuhalten, wenn auf
den Jahresnutzungsgrad abgestellt wird?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kol-
lege, mir liegt ein Schreiben des Vorstandes der RWE
an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen,
Herrn Clement, vom 23. November vor, in dem der
RWE-Vorstand ausdrücklich betont – das ist jetzt bezo-
gen auf die vereinbarte Grundlage –:
Wenn dieses Artikelgesetz im ersten Halbjahr 2000
im Rahmen der Novellierung des Energiewirt-
schaftsrechts in Kraft tritt und auch keine zusätzli-
chen Förderungen von Kraft-Wärme-Koppelungen
erfolgen, die über die in dem vorher erwähnten
Schreiben hinausgehen, werden wir an den geplan-
ten Investitionen in Braunkohle und dem Ausbau-
programm wie bisher festhalten.
Das ist eine klare Zusage des RWE-Vorstandes auf der
Grundlage dessen, was wir vereinbart haben.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine zweite Zusatz-
frage? – Bitte.
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Herr Staats-
sekretär, stimmen Sie mir zu und entspricht es auch Ih-
rer Kenntnis, daß das von Ihnen zitierte Schreiben im
Anschluß an die von Ihnen zitierte Stelle wie folgt
lautet:
Hinsichtlich des Wirkungsgrades von 57,5 Prozent
als Voraussetzung für die vorgesehene Mineral-
ölsteuerbefreiung für neue Gaskraftwerke gehen
wir davon aus, daß für die Messung folgendes ver-
bindlich festgelegt wird: Es ist auf den Jahresnut-
zungsgrad abzustellen.
Können Sie mir zustimmen, daß in dem von Ihnen
zitierten Zusammenhang von der RWE genau dies als
Bedingung genannt wird?
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Ein-
schätzung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsi-
denten, daß, obwohl Sie den elektrischen Wirkungsgrad
im Gesetz definiert haben, die Frage des Maßstabes auf
dem Verwaltungswege zu regeln wäre?
Parl. Staatssekretär Dr. Eckhardt Pick
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6883
(A) (C)
(B) (D)
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Erstens
kann ich Ihnen zustimmen, daß das, was Sie eben zitiert
haben, in dem Schreiben des RWE-Vorstandes enthalten
ist. Zweitens ist das Haus bemüht, eine entsprechende
Regelung auf dem Verwaltungswege zu erreichen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Pazio-
rek, Sie haben auch noch eine Zusatzfrage, bitte.
Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
tär, teilt die Bundesregierung die Meinung der Koaliti-
onsfraktionen, geäußert während der Beratungen zu die-
sem Gesetz im Finanzausschuß am 5. November 1999,
wonach in diesem Gesetz zur Fortführung der ökologi-
schen Steuerreform bei der Festlegung der steuerlichen
Begünstigung für die GuD-Kraftwerke eine klare ge-
setzgeberische Entscheidung zugunsten des elektrischen
Wirkungsgrades getroffen worden sei und nicht zugun-
sten eines sogenannten Jahresnutzungsgrades? Wie se-
hen Sie vor dem Hintergrund dieses Beratungsganges
des Parlamentes überhaupt noch eine Möglichkeit, in-
nerhalb von Verwaltungsvorschriften zwischen den ver-
schiedenen Nutzungsgraden hin- und herzuspringen?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Verehrter
Herr Kollege, ich bitte Sie um Verständnis, daß ich nicht
von Ihnen mir gegenüber berichtete Äußerungen von
Kollegen aus der Finanzausschußsitzung vom 5. No-
vember 1999 kommentieren möchte. Dazwischen lag
nämlich noch eine Verhandlungsrunde, wie Sie wissen.
Der Brief vom RWE-Vorstand, den Ihr Kollege vorhin
zitiert hat, bezog sich auf ein späteres Ergebnis.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Klin-
kert, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkung der
Erdgassteuerbefreiung in der Verstromung auf die Ar-
beitsplätze in der Braunkohlenförderung und Braun-
kohlenverstromung? Teilt die Bundesregierung meine
Sorge, daß der Erhalt von vielleicht wenigen hundert
Arbeitsplätzen, die zum Beispiel im Kraftwerk Lubmin
als dem von dieser Regelung am meisten begünstigten
Kraftwerk entstehen können, zum Verlust von Tausen-
den an Arbeitsplätzen in der Lausitz, im mitteldeutschen
oder auch im rheinischen Revier führen könnte? Eine
Sorge übrigens, die auch in einem Brief Ihres Ministeri-
ums zum Ausdruck kommt, in dem es heißt, daß eine
Befreiung von GuD-Anlagen von der Mineralölsteuer
mittel- und langfristig folgenschwere Konsequenzen
insbesondere für die ostdeutsche Braunkohlenwirtschaft
und -verstromung haben kann. Weiter heißt es in dem
Brief: Für den Fall einer Steuerbefreiung muß die Politik
die Frage beantworten, wie entsprechende Arbeitsplatz-
verluste kompensiert werden können.
Siegmar Mosdorf (SPD): Herr Kollege, ich weiß
nicht, von wann dieses Schreiben stammt.
(Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: September!)
Sie wissen, daß wir seit September mehrere Verhand-
lungsrunden hatten. Wir hatten die Sitzung am 5. No-
vember, dann gab es noch einen weiteren Termin. In-
zwischen haben wir eine Konditionierung vorgenom-
men. Diese Konditionierung besagt, daß GuD-
Kraftwerke mit einem elektrischen Wirkungsgrad von
57,5 Prozent, die zwischen dem 1. Januar 2000 und dem
31. März 2003 in Betrieb genommen werden, für zehn
Jahre vollständig von der Mineralölsteuer befreit wer-
den. Diese Konditionierung ist erst nach diesem Schrei-
ben vorgenommen worden, wie Sie wissen. Das führt
dazu, daß wir die Sorge, die Sie jetzt vorgetragen haben,
daß es zu tausendfachen Belastungen der Braunkohlen-
wirtschaft in Ostdeutschland und im Rheinland kommt,
nicht teilen. Wir glauben, daß die Braunkohle auch in
Zukunft ein wichtiger Träger unserer Energieversorgung
sein wird.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine weitere Zusatz-
frage. Bitte, Herr Kollege.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
birgt die Regelung, die Sie gerade angesprochen haben,
nicht die Gefahr, daß sie wegen einer einzelfallbezoge-
nen Sonderregelung nicht verfassungskonform ist?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Ich kann
diese Frage jetzt nicht verfassungsrechtlich beurteilen –
da bitte ich Sie um Verständnis –, aber das ist eine Re-
gelung, die wir einvernehmlich getroffen haben – wie
Sie wissen, hat der Bundesrat dem inzwischen zuge-
stimmt –, so daß ich davon ausgehe, daß diese Regelung
jedenfalls tragfähig ist.
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Die Kondi-
tionierung hat der Bundesrat beschlossen?)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Wir kommen jetzt zu
der Frage 9 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung der Pauscha-lierung der Telefongebühren für Internetzugänge (flat-rate) imHinblick auf eine im Aktionsprogramm der Bundesregierung„Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaftdes 21. Jahrhunderts“ angestrebte schnelle Verbreitung der In-ternetanschlüsse in Deutschland bei?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsi-
dentin, Herr Kollege Mayer, wenn Sie einverstanden
sind, möchte ich die Fragen 9 und 10 zusammen beant-
worten.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe also auch
noch die Frage 10 auf:
Wird die Bundesregierung die Einführung dieser Pauschal-preise in Deutschland fördern, und wenn ja, mit welchen Maß-nahmen?
6884 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsi-
dentin! Lieber Herr Kollege Mayer, die von der Bundes-
regierung vorangetriebene wettbewerbsorientierte Tele-
kommunikationspolitik hat maßgeblich zur starken Ab-
senkung der Preise für die Internetnutzung beigetragen.
Die Minutenpreise für den Internetzugang sind seit An-
fang dieses Jahres um mehr als die Hälfte abgesunken;
ich spreche jetzt von der Hauptverkehrszeit. Auch die
Internet-Service-Provider haben in den letzten Monaten
ihre Preise deutlich reduziert.
Diese Preissenkungen haben zur derzeit beobachtba-
ren Wachstumsdynamik im Bereich der Internetnutzung
beigetragen. Ende 1998 hatten 7,5 Millionen Deutsche
oder 9 Prozent der Bevölkerung einen Internetzugang.
Für dieses Jahr wird mit einem weiteren kräftigen Zu-
wachs auf mindestens 11 Millionen Nutzer gerechnet.
Sie wissen, daß das ein sehr dynamischer Markt ist und
daß die Dynamik stark von den Preisen abhängt. Bis
2002 sollen nach unseren Voraussagen etwa 27 Millio-
nen Nutzer einen Internetzugang haben.
Aus der Sicht der Bundesregierung sollte auch für
den Bereich des Internetzugangs der Grundsatz der Ko-
stenorientierung gelten, da anderenfalls mit einer ineffi-
zienten Nutzung knapper Ressourcen oder mit Wettbe-
werbsverzerrungen zu rechnen ist.
Nicht oder wenig ausdifferenzierte Flat-rate-Systeme
hätten die Wirkung, daß Wenignutzer Vielnutzer sub-
ventionieren würden. Ob hierdurch einer noch schnelle-
ren Verbreiterung des Internets gedient wäre, ist unsi-
cher.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Mayer,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr
Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Einführung
pauschaler Telefongebühren für den Internetzugang in
den USA zu einer wesentlichen Ausweitung der Inter-
netwirtschaft insgesamt geführt hat und damit auch ei-
nem Ziel dienen würde, das die Bundesregierung für
Deutschland hat?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist
mir durchaus bekannt. Sie wissen aber, daß es in den
USA andere Abgrenzungen, Abgrenzungen regionaler
Art, im Telefonbereich gibt als in Deutschland. Des-
halb kann man das nicht ganz genau vergleichen. Aber
ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Es spricht
überhaupt nichts dagegen, wenn sich die Provider oder
die Diensteanbieter auf Flat rates einigen, zum Beispiel
in der Frage, ob man Bibliotheken oder Schulen gün-
stige Zugänge erlaubt. Das kann man einem Mono-
polisten nicht gestatten, denn dann würde ein verzerr-
ter Wettbewerb entstehen. Aber wenn sich alle Anbie-
ter darauf verständigen könnten, ein solches besonde-
res Angebot zu machen, würde dagegen nichts spre-
chen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Mayer,
Ihre zweite Frage, bitte.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr
Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Ein-
führung von Pauschalpreisen für Telefongebühren im
Zusammenhang mit Internetzugängen – Flat rate – in
Deutschland an der Haltung der Deutschen Telekom AG
scheitert, die für diesen Bereich, nämlich den Ortszu-
gang, noch Monopolist ist, und daß es daher dringend
notwendig ist, daß von seiten der Bundesregierung
Maßnahmen ergriffen werden, um den Monopolisten
dazu zu bringen, diese Möglichkeit auch für andere Te-
lefongesellschaften zu öffnen?
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr
Kollege, Sie wissen, daß wir uns in einem sehr filigra-
nen Prozeß der Liberalisierung befinden und daß wir auf
diesem Gebiet schon große Fortschritte erreicht haben.
Ich komme gerade vom Telekommunikationsrat der
Europäischen Union, der gestern in Brüssel getagt hat,
wo diese Fortschritte, vor allem auch in Deutschland,
gewürdigt worden sind. Ich glaube, wir sind einen
wichtigen Schritt vorangekommen.
Ich will das noch einmal ausdrücklich sagen: Die
Bundesregierung hat nach der Verabschiedung ihres
Aktionsprogramms, ihres Masterplans „Deutschlands
Weg in die Informationsgesellschaft“, zusammen mit
der Wirtschaft – die Deutsche Telekom und viele andere
Partner sind dabei – die Initiative „Deutschland 21“ ge-
startet. Inzwischen beteiligen sich an dieser Initiative
mehr als hundert Unternehmen. Das Ziel ist, gezielt
günstige Bedingungen für Schulen und Bibliotheken zu
erreichen. Zum Beispiel hat die Initiative die Absicht,
20 000 Patenschaften für Schulen zu organisieren, damit
wir das Ziel, alle Schulen zu tragbaren Bedingungen ans
Netz zu bekommen, möglichst schnell erreichen. Inso-
fern sind wir, glaube ich, gemeinsam daran interessiert,
uns auf die Internet-Economy, auf die digitale Ökono-
mie, vorzubereiten und alle Voraussetzungen dafür zu
schaffen. Über die feinen Instrumentarien muß man je-
desmal wieder neu beraten. Klar ist aber: Wir haben ein
Interesse daran, daß die Preise weiter sinken, damit sich
diese digitale Ökonomie verbreitern kann.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Sie haben noch zwei
Zusatzfragen, Herr Kollege Dr. Mayer. Bitte.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Darf
ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung
– auch im Interesse von Schulen und beispielsweise von
Haushalten, in denen es Kinder gibt, die im Internet sur-
fen wollen – die Einführung einer Flat rate grundsätzlich
für richtig hält, daß sie dieses deshalb unabhängig von
den filigranen Fragen der Regulierung als politisches
Ziel erklärt und daß sie gegebenenfalls im Aktionspro-
gramm nachträglich nachbessert, um Telefongesell-
schaften in Deutschland die Möglichkeit zu eröffnen,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6885
(A) (C)
(B) (D)
Internetzugänge zu Pauschalpreisen für das Telefon an-
zubieten?
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr
Kollege, die Bundesregierung bessert nicht nach, son-
dern liefert gute Handwerksarbeit ab.
(Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf von der
CDU/CSU: Seit wann? – Kurt J. Rossmanith
[CDU/CSU]: Neue Erkenntnisse!)
Das Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Vor-
bereitung, „Deutschlands Weg in die Informationsge-
sellschaft“, gehört sicher zu den guten Programmpunk-
ten. Dieses Programm kann sich – wie Sie wissen – se-
hen lassen. Wie ich von Ihnen weiß, sehen Sie das auch
so.
Ich will noch einmal auf eines hinweisen: Wir dürfen
beim Vergleich mit dem amerikanischen Markt nicht
leichtfertig sein. Amerika hat ein anderes Telekommu-
nikationssystem. Deshalb sind die Flat rates nicht ein-
fach übertragbar. Aber noch einmal: Wenn sich die
Wettbewerber wettbewerbsneutral auf solche Flat rates
für bestimmte Einheiten – man kann das ja nur für be-
stimmte Einheiten, wie zum Beispiel Schulen und Bi-
bliotheken, machen – einigen, dann wäre das nur zu be-
grüßen. Denn das würde die Verbreiterung der digitalen
Plattform erheblich erhöhen, und damit würden wir er-
heblich vorankommen. Das geht aber, wie gesagt, nur
wettbewerbsneutral. Man kann das nicht von einem
verlangen, der dann einen Vorteil gegenüber den Wett-
bewerbern hat. Man kann es auch nicht von bestimmten
Wettbewerbern – etwa über Lizenzauflagen – verlangen.
Es geht nur auf der dargestellten Basis. Wenn man das
im Rahmen der Initiative „D 21“ erreichen kann – war-
um nicht? Es würde jedenfalls helfen.
Die Bundesregierung ist daran interessiert, die Preise
insgesamt weiter herunterzubringen. So ist auch unsere
Regulierungspolitik angelegt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Mayer, Ihre
letzte Frage. Bitte.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Flat rates in
den USA nicht nur bestimmten Gruppen, wie beispiels-
weise Schulen, sondern generell allen Endverbrauchern
gegeben werden? Ist die Bundesregierung politisch be-
reit, die Regulierungsbehörde zu unterstützen, wenn sie
daran arbeitet, daß alle Telefongesellschaften – selbst-
verständlich wettbewerbsneutral – die Möglichkeit er-
halten, Pauschalpreise für Telefongebühren im Zusam-
menhang mit dem Internet anzubieten? Dazu ist selbst-
verständlich notwendig, daß die Deutsche Telekom AG
entsprechende Angebote an die übrigen Telefongesell-
schaften für die Nutzung des Ortsnetzes, das ja zu 99
Prozent noch der Deutschen Telekom AG gehört, macht.
Denn ohne deren Preisgestaltung gegenüber den Wett-
bewerbern können die Wettbewerber keine Pauschal-
preise anbieten.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber
Kollege Mayer, ich will nur darauf hinweisen – Sie
wissen es, aber ich möchte es noch einmal öffentlich
sagen –, daß die Flat rate in den USA nur für regionale,
also sehr begrenzte, örtliche Märkte gilt. Weil die
Systeme verschieden sind, kann man sie nicht ohne
weiteres vergleichen.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht: Ich hatte
schon in Beantwortung Ihrer vorhergehenden Frage ge-
sagt, daß, wenn es eine wettbewerbsneutrale Initiative
der Wettbewerber gäbe, die Preise für bestimmte Berei-
che weiter zu senken oder vielleicht sogar Flat rates vor-
zusehen, nach meiner Auffassung nichts dagegen sprä-
che. Dies muß aber wettbewerbsneutral sein.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich rufe jetzt den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parla-
mentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfü-
gung.
Da die Fragen 11, 12, 13 und 14 der Kollegen Niebel
und Zierer schriftlich beantwortet werden sollen, rufe
ich die Frage 15 des Kollegen Thomas Strobl auf:
Wie vereinbart es die Bundesregierung, Kapitallebensversi-cherungen als private Altersversorgung zu besteuern, mit ihremZiel, die private Altersversorgung zu fördern?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abge-
ordneter Strobl, Sie haben nach den Belastungen durch
die sogenannte Rente mit 60 und der notwendigen Ent-
lastung unseres Rentenversicherungssystems gefragt.
Hierzu ist zunächst anzumerken, daß die Bezeich-
nung „Rente mit 60“ mißverständlich ist. Anders als bei
den früheren Vorruhestandsregelungen gehen die Über-
legungen zum vorzeitigen Ausscheiden jetzt von der
Voraussetzung aus, daß die gesetzliche Rentenversiche-
rung nicht belastet wird, sondern daß dies durch Tarif-
vertrag aus dem Verteilungsspielraum des jeweiligen
Tarifbereichs zu finanzieren ist. Aus Sicht der Bundes-
regierung kann es deshalb nur darum gehen, für die Ta-
rifvertragsparteien die notwendigen Rahmenbedingun-
gen zu schaffen. Deswegen wird der angesprochene
Sachverhalt durch die Bezeichnung „vorgezogene Tarif-
rente“ zutreffender erfaßt.
Wegen der geforderten Belastungsneutralität der vor-
gezogenen Tarifrente für die Rentenversicherung ist ein
Widerspruch zu der im Haushaltssanierungsgesetz ent-
haltenen Rentenanpassung nach der Preisveränderungs-
rate für die Jahre 2000 und 2001 nicht erkennbar. Diese
Übergangsregelung für zwei Jahre stellt den notwendi-
gen Beitrag der Rentnerinnen und Rentner zur Konsoli-
dierung und Stabilisierung des Rentensystems dar. Im
Gegensatz zur Rentenanpassung mit demographischem
Faktor, die die Rentenreform der alten Bundesregierung
vorgesehen hatte, wird dadurch die Rentenanpassung
nur für einen eng begrenzten Zeitraum, nicht aber auf
Dauer von der Lohn- und Gehaltsentwicklung abgekop-
pelt.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
6886 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Langfristig bewirkt die zweimalige Rentenanpassung
nach der Preisveränderungsrate für die Rentenversiche-
rung dennoch, daß bereits kurzfristig und dauerhaft rund
60 bis 70 Prozent der Einsparwirkung erreicht wird, die
der demographische Faktor der alten Bundesregierung
erst auf längere Sicht entfaltet hätte.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Staatssekretä-
rin, ich gehe davon aus, daß damit auch die Frage 16 be-
antwortet ist.
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Nein, Frage
16 werde ich noch beantworten.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Dann rufe ich zu-
nächst den Kollegen Strobl zu einer Zusatzfrage auf.
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau
Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, daß der
Personenkreis, der auf Grund dieser Regelung früher in
Rente geht und damit keine Rentenversicherungsbeiträge
mehr zahlt, durchaus zu weniger Einnahmen in der Ren-
tenkasse beiträgt und daß die Rentenkasse dadurch sehr
wohl belastet wird?
(V o r s i t z : Vizepräsident Rudolf Seiters)
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Nein, Herr
Strobl, diese Auffassung teile ich nicht. Wir haben bei
unseren Überlegungen hinsichtlich einer vorgezogenen
Tarifrente sehr eng auch mit dem Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger, insbesondere mit dessen Ge-
schäftsführer, Herrn Professor Dr. Ruland, zusammen-
gearbeitet und ein Konzept entwickelt, durch das durch
eine Art Vorfinanzierung eine Belastung der Rentenver-
sicherung ausgeglichen wird.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau
Staatssekretärin, gilt das gleiche für die Arbeitslosen-
und die Krankenversicherung? Wie sehen Sie das Pro-
blem der Steuerausfälle, da von diesem Personenkreis
nur vermindert Steuern gezahlt werden?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe
mich jetzt zur Rentenversicherung geäußert. Sie haben
auch nach der Rentenversicherung gefragt. Ich kann Ih-
nen sagen: Für die Rentenversicherung ist es aufkom-
mensneutral.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Dann rufe ich die
Frage 16 des Kollegen Strobl auf:
Wie vereinbart es die Bundesregierung, auf der einen Seitedie Rentenanpassung auf das Inflationsniveau zurückzuschrau-ben und die Rentenversicherung damit zu entlasten und auf deranderen Seite die „Rente mit 60“ zu befürworten und damitweitere Belastungen, etwa durch Beitragsausfälle, für die ge-setzliche Rentenversicherung zu akzeptieren?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Bei der Frage
16 fragen Sie nach den Auswirkungen des Steuerberei-
nigungsgesetzes für die Kapitallebensversicherungen.
Die Antwort des Arbeitsministeriums ist, daß das Ziel,
die private Altersvorsorge zu fördern, bei den angespro-
chenen Maßnahmen nicht gefährdet ist. Nach wie vor
bleiben Lebensversicherungen, bei denen man typisie-
rend davon ausgehen kann, daß sie der Altersvorsorge
dienen, steuerlich begünstigt. Daher können Beiträge zu
reinen Rentenversicherungen und zu langlaufenden
Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht weiterhin
als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht
werden. Soweit sie als Rente ausbezahlt werden, bleiben
die Erträge aus der Ansparphase steuerfrei. Lediglich die
in der Auszahlungsphase der Rente zusätzlich erwirt-
schafteten rechnerischen Zinsen, der sogenannte Er-
tragsanteil der Rente, werden wie bereits nach gelten-
dem Recht besteuert.
Lebensversicherungen, die nicht typisierend der Al-
tersvorsorge dienen, sollen jedoch im Vergleich mit ande-
ren Kapitalanlagen künftig steuerlich nicht mehr begün-
stigt werden. Daher ist im Steuerbereinigungsgesetz 1999
vorgesehen, den Sonderausgabenabzug und die Steuer-
freiheit von langlaufenden Kapitallebensversicherungen
zu streichen. Bei dieser Versicherungsform überwiegt der
Charakter einer frei verfügbaren Kapitalanlage.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Zusatzfrage.
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Sind Sie,
Frau Staatssekretärin, der Auffassung, daß die Besteue-
rung von Lebensversicherungen ein geeignetes Instru-
ment ist, die Menschen zu mehr privater Vorsorge zu
bewegen?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe ge-
rade ausgeführt, daß es nicht um die generelle Besteue-
rung der Lebensversicherung geht, sondern daß es sehr
differenziert zu betrachten ist, daß die eigentlichen Al-
tersvorsorgeprodukte nach wie vor steuerlich so behan-
delt werden wie bisher und daß die Lebensversicherun-
gen, die primär der Kapitalanlage dienen, jetzt wie ande-
re Kapitalanlageformen besteuert werden.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine zweite Zusatz-
frage des Kollegen Strobl.
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Dann will
ich, Frau Staatssekretärin, die Frage umgekehrt stellen:
Sind Sie der Auffassung, daß die Besteuerung dieser Art
von Lebensversicherung und auch die Halbierung des
Sparerfreibetrages keinerlei Auswirkungen auf die Be-
reitschaft der Menschen haben, private Altersvorsorge
zu betreiben?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Strobl,
Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6887
(A) (C)
(B) (D)
Sie wissen, daß der Arbeitsminister initiativ geworden
ist, um die private Zusatzvorsorge auf eine noch breitere
Basis zu stellen, daß er Vorschläge entwickelt hat, wie
man das für Gruppen, die bisher wirtschaftlich nicht da-
zu in der Lage waren, fördern will. Ich denke, daß hier
eine ganz neue Initiative zur Schaffung privater Alters-
vorsorge ergriffen wird.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage der Kollegin Reinhardt.
Erika Reinhardt (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin,
es trifft doch zu – da werden Sie mir recht geben –, daß
viele Menschen die Lebensversicherung dazu verwendet
haben, Eigentumswohnungen zu erwerben. Bedeuten Ih-
re Ausführungen, daß dies zukünftig nicht mehr möglich
sein soll bzw. eine hohe Besteuerung erfolgt?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Selbstver-
ständlich ist es möglich. Es erfolgt keine hohe Besteue-
rung, wohl aber eine gewisse Belastung.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich rufe die Frage
17 des Kollegen Dr. Heinrich Fink auf:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Be-stand der Künstlersozialkasse dauerhaft zu sichern und derenauch von Experten vorausgesagter Gefährdung durch das In-krafttreten des Haushaltssanierungsgesetzes (mit den im Artikel24 zur Künstlersozialversicherung vorgesehenen Änderungen)ab Januar 2000 zu begegnen?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Dr.
Fink, Sie fragen nach den Auswirkungen des Haushalts-
sanierungsgesetzes auf den Bestand der Künstlersozial-
kasse. Die Künstlersozialkasse wird durch die Regelun-
gen des Art. 17 des Haushaltssanierungsgesetzes nicht
gefährdet. Mit der Absenkung des Bundeszuschusses
von 25 Prozent auf 20 Prozent der Ausgaben der Künst-
lersozialkasse wurde der Verminderung des Selbstver-
marktungsanteils Rechnung getragen und damit ledig-
lich eine Anpassung an geänderte Verhältnisse entspre-
chend der gesetzlichen Zweckbestimmung vorgenom-
men.
Der Betrag, um den sich der Bundeszuschuß vermin-
dert, ist zusätzlich von den abgabepflichtigen Verwer-
tern aufzubringen. Dadurch erhöht sich der Satz der
Künstlersozialabgabe im Jahr 2000 im Durchschnitt um
0,8 Prozentpunkte. Für das Jahr 2000 ergibt sich ein ein-
heitlicher Abgabesatz von vier vom Hundert. Die soziale
Absicherung der versicherten Künstler und Publizisten
wird durch die Absenkung nicht berührt.
Die Einführung des einheitlichen Abgabesatzes ver-
ändert auch nicht die Gesamthöhe der Künstlersozial-
abgabe, sondern nur die Lastenverteilung innerhalb
der verschiedenen Verwertergruppen. Maßnahmen zur
Sicherung des Bestandes der Künstlersozialkasse sind
daher nicht erforderlich.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Zusatzfrage.
Dr. Heinrich Fink (PDS): Welche Möglichkeiten se-
hen Sie, die Bedingungen für die soziale Sicherung der
Künstlerinnen und Künstler im Rahmen der Novellie-
rung zu verbessern?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Dr.
Fink, die soziale Sicherung ist durch die Einführung der
Künstlersozialkasse erheblich verbessert worden. Wenn
Sie einen Vergleich zu den anderen sozialen Sicherungs-
systemen ziehen, dann stellen Sie fest, daß den Künst-
lern durch die Künstlersozialkasse die Möglichkeit er-
öffnet wird, für das Alter, gegen Krankheit und im
Rahmen der Pflegeversicherung vorzusorgen, und zwar
– wenn ich den einheitlichen Hebesatz heranziehe – zu
einem Beitragssatz von 4 Prozent für die Künstler und
von 4 Prozent für die Verwerter, während es sich in der
gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung
und Pflegeversicherung um einen Gesamtbeitrag von 34
Prozent handelt, der hälftig jeweils vom Arbeitgeber und
dem Beschäftigten aufzubringen ist. Wir haben also eine
soziale Absicherung, die der besonderen sozialen Situa-
tion der Künstler Rechnung trägt.
Ich meine, es ist ein großer Fortschritt für die Bun-
desrepublik, daß wir diese Künstlersozialkasse haben.
Sicherlich gibt es andere Bereiche, in denen die soziale
Lage der Künstler – zum Beispiel im Bereich der bil-
denden Künste die Ausstattung mit Ateliers – noch ver-
besserungswürdig ist. Aber ich sehe keine Notwendig-
keit, bei der Künstlersozialkasse Veränderungen vorzu-
nehmen, und meine, wir sollten alles tun, um diese
soziale Einrichtung zu stabilisieren.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Dr. Heinrich Fink (PDS): Ist der vorhandene Zeit-
plan zur Erarbeitung eines Berichts und zur Novellie-
rung der Regelungen für die Künstlersozialkasse über-
haupt realistisch?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Der Haus-
haltsausschuß hat im Rahmen der Beratungen gefordert,
daß bis zum 31. März des nächsten Jahres ein Bericht
über die soziale Lage der Künstler erstellt wird. Wegen
der dazu notwendigen Erhebung von Daten wird dies bis
zu diesem Zeitpunkt kaum möglich sein. Das Arbeits-
ministerium könnte an Hand der Unterlagen der Künst-
lersozialkasse diesen Bereich, was die soziale Lage der
Künstler angeht, in einem Bericht darstellen. Alles, was
darüber hinausgeht, würde eine umfangreiche Datener-
hebung erfordern und wäre eine Aufgabe, die über den
Verantwortungsbereich des Arbeitsministeriums hinaus-
geht.
Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
6888 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich rufe die Frage
18 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl auf.
Wie hoch war in den Jahren 1994, 1995, 1996, 1997 und1998 der von Bund, Ländern und Kommunen und Körperschaf-ten des öffentlichen Rechts erbrachte Gesamtaufwand beim Ar-beitslosengeld, bei der Arbeitslosenhilfe, bei der Sozialhilfe undbei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fürNichtdeutsche (aufgeschlüsselt nach den aufgeführten Lei-stungsarten)?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Dr. Uhl,
zunächst zur Höhe der Sozialhilfe und der Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Nichtdeut-
sche. In der amtlichen Sozialhilfestatistik werden die
Ausgaben nach Hilfearten und nicht für einzelne Perso-
nengruppen getrennt erfaßt, somit auch nicht getrennt
nach Deutschen und Nichtdeutschen. Nur in der Emp-
fängerstatistik werden die Anteile der nichtdeutschen
Empfänger ausgewiesen. Ich kann Ihnen, wenn Sie es
möchten, jetzt gern die Zahlen vorlesen. Aber vielleicht
wäre es besser, wenn ich sie Ihnen schriftlich gebe, weil
das die Kollegen sonst etwas ermüden würde.
(Gert Willner [CDU/CSU]: Das ist ein guter
Vorschlag!)
Beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitslosenhilfe
ist es ähnlich: Angaben über die Höhe der an Nichtdeut-
sche ausgezahlten Leistungen im Rahmen von Arbeits-
losengeld und Arbeitslosenhilfe liegen der Bundesanstalt
für Arbeit nicht vor. Bei der Buchung der Auszahlungen
an die Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslo-
senhilfe werden die Auszahlungen an nichtdeutsche Lei-
stungsbezieher nicht getrennt erfaßt.
Für das Jahr 1998 liegen jedoch erstmalig Angaben
über die Anzahl der nichtdeutschen Leistungsbezieher
von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vor. Im Jahr
1998 betrug der Anteil der nichtdeutschen Leistungsbe-
zieher an der Gesamtzahl der Bezieher von Arbeitslo-
sengeld 7,9 Prozent; bei der Arbeitslosenhilfe lag der
Anteil bei 13,1 Prozent .
Vizepräsident Rudolf Seiters: Zusatzfrage.
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Staatssekre-
tärin, ich gehe davon aus, daß die Zahlen dem Protokoll
beigefügt werden, so daß ich darüber verfügen kann.
(Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher: Selbst-
verständlich!)
Sind die bei den EU-Partnern anfallenden migrationsbe-
dingten Kosten wesentlich niedriger als in Deutschland,
und was tut die Bundesregierung, um eine Harmonisie-
rung auf diesem Gebiet zu erreichen?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Dr. Uhl,
da muß ich Sie bitten, mir Zeit zu lassen, Ihnen das
schriftlich zur Verfügung zu stellen. Ich habe Ver-
gleichszahlen aus anderen europäischen Ländern weder
im Kopf noch heimlich in der Tasche, weil ich aus Ihrer
Frage geschlossen habe, daß Sie vor allen Dingen die
deutschen Zahlen interessieren. – Ich höre gerade, daß
die EU-Kommission einen solchen Vergleich vorberei-
tet.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine zweite Zusatz-
frage.
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Stimmt die Bun-
desregierung und insbesondere das von Ihnen vertretene
Ministerium der Erklärung des Bundesinnenministers
Otto Schily zu, wonach die Lasten der Wanderungsbe-
wegungen innerhalb der Europäischen Union nur dann
gerechter verteilt werden können, wenn sich Deutsch-
land im Einwanderungs- und Asylbereich den Standards
der anderen europäischen Rechtsstaaten anpaßt?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Bei der Ver-
teilung der Lasten durch die Wanderungsbewegungen
geht es nicht nur um die Leistungen nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz oder der Sozialhilfe, sondern es
stehen sehr viel umfassendere Leistungen in Rede. Ich
denke, es muß sicher darum gehen, innerhalb der EU zu
einer gerechten Lastenverteilung zu kommen. Zur Be-
antwortung der Frage, ob dazu eine Änderung unseres
Asylrechtes notwendig ist oder ob nicht eine Verständi-
gung auf Mindeststandards in der EU, die nationale
Ausprägungen möglich machen, der richtige Weg ist, ist
der Innenminister oder sein Staatssekretär die richtige
Adresse. Das liegt nicht im Verantwortungsbereich des
Arbeitsministeriums.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich rufe die Frage
19 der Kollegin Christine Ostrowski auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Sozialämter in denKommunen bereits heute Schreiben an Sozialhilfeempfängerversenden, in denen sie die Empfänger auffordern, ihre Unter-kunftskosten zu senken, da die Kommune die Wohngeldkostenab 2000 nicht mehr in der bisherigen Höhe übernehmen könne,und welche Folgerungen zieht sie daraus?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Kollegin
Ostrowski, Sie fragen, ob der Bundesregierung bekannt
sei, daß Sozialämter in den Kommunen bereits heute
Schreiben an Sozialhilfeempfänger versenden, in denen
sie die Empfänger auffordern, ihre Unterkunftskosten zu
senken. Die klare Antwort der Bundesregierung lautet:
Nein, das ist uns nicht bekannt.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Zusatzfrage.
Christine Ostrowski (PDS): Frau Staatssekretärin,
zunächst möchte ich Sie bitten, den zweiten Teil meiner
ersten Frage zu beantworten: Welche Folgerungen zie-
hen Sie daraus?
(Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher: Da uns
derartiges nicht bekannt ist, können wir auch
keine Folgerungen daraus ziehen!)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6889
(A) (C)
(B) (D)
– Gut. – Dann stelle ich Ihnen folgende Zusatzfrage: Sie
wissen, daß die Änderung des Wohngeldgesetzes im
Bundesrat zunächst abgelehnt wurde und jetzt in den
Vermittlungsausschuß geht. Der Grund dafür ist vorran-
gig der, daß die Kosten des Pauschalwohngelds – das sind
zirka 2,5 Milliarden DM – nun auf Länder und Kommu-
nen überwälzt werden sollen. Ihnen ist sicherlich auch
bekannt, daß die Sozialausgaben der Kommunen in den
letzten Jahren ohnehin gewachsen sind. Es handelt sich
also um eine Zusatzbelastung für Länder und Kommunen.
Können Sie die Schlußfolgerungen, die die Verbände
– zum Beispiel der Deutsche Städtetag oder der Deut-
sche Städte- und Gemeindebund –, die Länder und die
Kommunen ziehen, nachvollziehen: Durch die Überwäl-
zung der Kosten des Pauschalwohngeldes erhöht sich
der Druck auf die Kommunen weiter und werden die
Sozialausgaben bei den Kommunen so hoch, daß sie ein
Interesse daran haben müssen, Sozialhilfeempfänger in
möglichst preiswerten – im Klartext: in billigeren –
Wohnungen unterzubringen?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Es ist selbst-
verständlich im Interesse der Kommunen, Sozialhilfe-
empfänger in möglichst preiswerten, aber adäquaten
Wohnungen unterzubringen. Darüber hinaus ist es eine
Streitfrage zwischen der Bundesregierung, insbesondere
dem Bundesfinanzminister, und den Kommunen, wie
ausgeglichen die Bilanz bei Belastung und Entlastung
der Kommunen ist. Die Bundesregierung ist der Mei-
nung, daß die Kommunen hierdurch nicht unzumutbar
belastet werden.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Christine Ostrowski (PDS): Frau Staatssekretärin,
ich möchte noch etwas zur Angemessenheit fragen.
Nach der Regelsatzverordnung in Verbindung mit dem
Bundessozialhilfegesetz sind Empfängern von laufender
Hilfe zum Lebensunterhalt die Unterkunftskosten in tat-
sächlich entstandener Höhe zu ersetzen. Dabei ist eine
Angemessenheitsprüfung vorzunehmen. Geben Sie mir
recht, daß der Begriff „angemessen“ im Bundessozial-
hilfegesetz bzw. in der Regelsatzverordnung nicht exakt
definiert, also auslegbar ist?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Mit dem Be-
griff der angemessenen Mietkosten arbeiten die Sozial-
hilfeträger seit vielen Jahren, und er hat in der Praxis
durchaus eine Konkretisierung erfahren. Ich halte es
auch nach wie vor für den richtigen Maßstab, im Einzel-
fall darüber zu entscheiden, welches angemessene
Wohnkosten sind.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich rufe die Frage
20 der Kollegin Ostrowski auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass in manchen Gemein-den 16 bis 40 % der Sozialhilfeempfänger bereits heute höhereWohnkosten haben als nach den künftig geltenden Höchstbe-tragstabellen als angemessen anerkannt werden, und wie wirdsich das auf die Sozialhilfekosten der Kommunen auswirken?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Kollegin
Ostrowski, die bisherigen Pauschalwohngeldempfänger
werden durch die Wiederherstellung des Gleichgewichts
zwischen Pauschal- und Tabellenwohngeld in ihrer Ge-
samtheit zum Umstellungszeitpunkt gleich viel Wohn-
geld erhalten wie zuvor, da der Einführung von Miet-
höchstbeträgen allgemeine Leistungsverbesserungen ge-
genüberstehen. Die Umstellung bringt es naturgemäß
mit sich, daß der künftige besondere Mietzuschuß für
bisher pauschalwohngeldberechtigte Sozialhilfeempfän-
ger im Einzelfall höher oder niedriger sein kann als das
bisherige Pauschalwohngeld. Diese Abweichungen he-
ben sich aber im Durchschnitt auf. Für die Kommunen
in ihrer Gesamtheit entstehen daher zum Umstellungs-
zeitpunkt keine zusätzlichen Sozialhilfeausgaben.
Der Bundesregierung liegen im übrigen keine Daten
aus einer amtlichen Statistik vor, die die Aussage bestä-
tigen, „daß in manchen Gemeinden 16 bis 40 Prozent
der Sozialhilfeempfänger bereits heute höhere Wohnko-
sten haben, als nach den künftig geltenden Höchstbe-
tragstabellen als angemessen anerkannt werden“.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Zusatzfrage.
Christine Ostrowski (PDS): Frau Staatssekretärin,
bisher wurden die laufenden Unterkunftskosten derge-
stalt erstattet, daß zirka jeweils die Hälfte über das pau-
schale Wohngeld und über die Sozialhilfe abgedeckt
wurde. Im Wohngeldgesetzentwurf ist folgende Ände-
rung vorgesehen: Das pauschale Wohngeld richtet sich
nicht mehr nach der Höhe der Unterkunftskosten, son-
dern erstens nach dem jeweiligen normierten Gesamt-
einkommen des Empfängers und zweitens nach den
Miethöchstgrenzen, bis zu denen Wohngeld bemessen
wird. Das heißt, daß der pauschale Wohngeldzuschuß in
Zukunft einfach begrenzt wird.
Ich frage noch einmal nach: Der Bundesverband
Freier Wohnungsunternehmen hat an die wohnungspoli-
tischen Sprecher aller Fraktionen – ich nehme an, daß
der Bundesregierung das bekannt ist – auf Grund der
Wohngeldstatistik folgende Überschreitungen feststellt,
und zwar zum Beispiel bei Wohnungen, die ab 1992 be-
zugsfertig geworden sind, also bei der höchsten Stufe.
Ich nehme jetzt die Mietstufe III als Beispiel. Die Über-
schreitungen betragen dort bei Einpersonenhaushalten
über 16 Prozent, bei Zweipersonenhaushalten 26 Prozent
und bei Dreipersonenhaushalten 18 Prozent.
Sind auch Sie meiner Auffassung, daß diese Personen
– hierbei geht es mir um den individuellen Anspruch –,
sollte das Wohngeldgesetz so, wie es entworfen ist, in
Kraft treten, bezogen auf ihren Anspruch auf das pau-
schale Wohngeld quasi zurückgestuft werden, gemessen
an der jetzigen Gesetzeslage?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Die Syste-
matik der Finanzierung der Wohnungskosten ändert sich
dadurch möglicherweise. Aber im Sozialhilferecht ist es
so, daß jeder Sozialhilfeempfänger einen Anspruch dar-
Christine Ostrowski
6890 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
auf hat, die tatsächlich entstehenden angemessenen Ko-
sten der Unterkunft erstattet zu bekommen. Wenn hierzu
das pauschale Wohngeld nicht ausreicht, muß dies durch
die Sozialhilfe entsprechend ergänzt werden.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Christine Ostrowski (PDS): Ich habe Sie also rich-
tig verstanden, Frau Staatssekretärin: Wenn in Zukunft,
falls dies Gesetz wird, der Anteil des Pauschalwohngel-
des an den Unterkunftskosten sinkt, dann würde die Dif-
ferenz zu den tatsächlichen Unterkunftskosten über die
Sozialausgaben trotzdem dem Empfänger zugute kom-
men?
Das heißt also, die Kommunen hätten trotzdem die
Unterkunftskosten insgesamt zu zahlen, aber der Anteil
des Sozialhilfebeitrages würde steigen und von den
Kommunen bezahlt werden, und darauf hätte der So-
zialhilfeempfänger einen Anspruch?
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Arbeit und Sozialordnung: Ja, soweit es
sich hier um die angemessenen Kosten einer Unterkunft
handelt.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Wir sind damit am
Ende Ihres Geschäftsbereiches, Frau Parlamentarische
Staatssekretärin. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow bereit.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hartmut Koschyk
auf.
Welche Auswirkungen haben die vom Bundeskabinett be-schlossenen Sparmaßnahmen auf das Standortkonzept der Bun-deswehr und verfügt die Bundesregierung nunmehr über kon-krete Informationen zum Standortkonzept, nachdem beispiels-weise vom Bundesministerium der Verteidigung ein Baustop fürdie Sanierung des Wirtschaftsgebäudes und der Truppenküche inder Markgrafenkaserne Bayreuth verfügt wurde, obwohl bereitserste Aufträge hierfür vergeben wurden (Antwort 29 in Druck-sache 14/1494 auf meine Schriftliche Anfrage vom 2. August1999)?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Herr Kollege Koschyk, Aus-
wirkungen der beschlossenen Sparmaßnahmen für das
Jahr 2000 für die Bundeswehr werden derzeit unter-
sucht. In diesem Zusammenhang prüfen wir zunächst
die Wirtschaftlichkeit der sogenannten Kleinststandorte
mit weniger als 50 Dienstposten.
Inwieweit sich aus dem für Mai kommenden Jahres
vorzulegenden Bericht der Kommission „Gemeinsame
Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ Auswirkungen
auf einzelne Standorte ergeben werden, kann heute ver-
ständlicherweise noch nicht prognostiziert werden. Auf
Grund der abzuwartenden Empfehlungen der Kommis-
sion und der Sparmaßnahmen sind gesicherte Aussagen
zur Realisierung von geplanten Infrastrukturvorhaben
zur Zeit nicht möglich. Baubeginne für große Baumaß-
nahmen der Bundeswehr konnten bzw. können in den
Jahren 1999 und 2000 jedenfalls nur noch bei wenigen
Vorhaben von hoher Priorität erfolgen.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich für
Infrastrukturvorhaben in seinem Bereich vorbehalten,
vor Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen die
Zustimmung hierzu zu erteilen.
Für die Sanierung des Wirtschaftsgebäudes in der
Markgrafenkaserne Bayreuth, die Sie verständlicher-
weise ansprechen, sind insgesamt Kosten in Höhe von
8,5 Millionen DM veranschlagt. Das Vorhaben ist in
zwei Abschnitte unterteilt. In einem ersten Abschnitt er-
folgte die Aufstellung der Containerküche und der Con-
tainerspeiseräume. Mit der Übergabe der Container im
November 1999 ist die ordnungsgemäße Verpflegung
des in der Kaserne stationierten Luftwaffenausbildungs-
bataillons bis auf weiteres sichergestellt.
Angesichts der Mittelknappheit und der Tatsache, daß
durch die Containerlösung zunächst der dringendste Be-
darf gedeckt werden konnte, wurde der Baubeginn für
die Sanierung des Altbaus in den Herbst 2000 verscho-
ben. Die zuständige Bauverwaltung wurde angewiesen,
Herr Kollege, die zur Erstellung der Containerlösung
notwendigen Maßnahmen abzurechnen und vor Einlei-
tung von Ausschreibungen für den zweiten Bauabschnitt
die Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidi-
gung einzuholen.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine Zusatzfrage
des Kollegen Koschyk.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
können Sie, nachdem nach meiner Kenntnis auch für das
weitere Bauvorhaben bereits Aufträge vergeben worden
sind, die dann durch den plötzlichen Stop von seiten des
BMVg unterbrochen werden mußten, sagen, auf welche
Beträge sich die Auftragnehmeransprüche für entgange-
ne Gewinne, die abgegolten werden müssen, belaufen
und in welcher Höhe der plötzliche Abbruch dieser Sa-
nierungsmaßnahmen zu Buche schlägt?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Herr Kollege, da ich der of-
fensichtlich irrtümlichen Annahme war, daß Ihre Frage
in Richtung des Bestandes des Standortes Bayreuth
zielte, bin ich nicht so gut vorbereitet, wie ich es sein
sollte. Ich schicke Ihnen die Antwort auf Ihre letzte Fra-
ge gern schriftlich.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
ist in diesem Zusammenhang dem Bundesverteidi-
gungsministerium eigentlich eine Studie der Universität
der Bundeswehr München bekannt, wonach die Bun-
deswehr bei einem unveränderten Finanzrahmen in den
Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6891
(A) (C)
(B) (D)
kommenden Jahren von 340 000 auf 230 000 Mann ver-
kleinert werden müsse und wonach bei der Bundeswehr
zwischen 120 000 und 170 000 Arbeitsplätze verloren
gehen würden? Wie bewertet die Bundesregierung diese
Studie?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Diese Studie ist bekannt. Sie
ist von dem früheren stellvertretenden Generalinspekteur
Professor Dr. Schnell, dem Lehrstuhlinhaber, schon in
der Anhörung des Haushaltsausschusses vorgetragen
worden. Sie geht von nicht gesicherten Annahmen aus
und ist insoweit spekulativ.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine Zusatzfrage
des Kollegen Werner Siemann.
Werner Siemann (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
schließen Sie aus, daß im Bundesverteidigungsministe-
rium schon jetzt, ohne daß die Ergebnisse der Arbeit der
Kommission abgewartet würden, konkrete Planungen
hinsichtlich der Auflösung bestimmter Großverbände in
Bataillons-, Brigade- bzw. Divisionsstärke angelaufen
sind?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Ich schließe autorisierte Pla-
nungen aus. Im Gegensatz zur Vorgängerregierung ver-
bieten wir nicht das Denken.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Gert
Willner [CDU/CSU]: Das war aber daneben! –
Abg. Werner Siemann [CDU/CSU] meldet
sich zu einer weiteren Zusatzfrage)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich bitte um Ver-
ständnis, daß ich keine zweite Zusatzfrage gewähre. Nur
der Fragesteller hat das Recht dazu.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Günther Friedrich
Nolting auf:
Wie hoch war die Zahl der Weiterverpflichtungen bei denSoldaten auf Zeit der Bundeswehr in den ersten neun Monatendieses Jahres (in Prozent wie in absoluten Zahlen), und wie sinddiese Zahlen im Vergleich zum Zeitraum des Vorjahres zu wer-ten?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: In den ersten neun Monaten
des Jahres 1999 befanden sich durchschnittlich, lieber
Herr Kollege Nolting, 131 625 Soldaten auf Zeit im
Dienst der Streitkräfte. Davon haben sich 9 045 Soldaten
– ich gebe es Ihnen gleich schriftlich; Sie müssen nicht
mitschreiben – zu einer längeren Dienstzeit weiterver-
pflichtet. Das entspricht einem Anteil von 6,9 Prozent
der durchschnittlichen Ist-Stärke der Soldaten auf Zeit.
Im gleichen Zeitraum des Vorjahres befanden sich
durchschnittlich 133 188 Soldaten auf Zeit im Dienst.
Davon haben sich 10 657 Soldaten weiterverpflichtet.
Das entspricht einem Anteil von 8 Prozent.
Damit haben sich 1999 1 612 Soldaten auf Zeit weni-
ger als im Vorjahr weiterverpflichtet. Dies entspricht
einem Rückgang der absoluten Zahlen um 15,1 Prozent.
Vergleicht man jedoch den Rückgang der prozentualen
Anteile der Weiterverpflichtungen mit den jeweiligen
Ist-Stärken der Soldaten auf Zeit, so ergibt sich ein
Rückgang um 1,1 Prozent.
Dieser Rückgang der Weiterverpflichtungen erfordert
Maßnahmen, auf die in der Beantwortung der folgenden
Frage eingegangen wird. Darf ich die Beantwortung die-
ser Frage gleich anschließen, Herr Präsident?
Vizepräsident Rudolf Seiters: Dann rufe ich Fra-
ge 23 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting auf:
Treffen die Aussagen des Vorsitzenden des Deutschen Bun-deswehrverbandes e.V. zu, daß die Anwerbung von freiwilliglänger Dienenden unter den Wehrpflichtigen mit einem Minusvon 20% den größten Rückgang in der Geschichte der Bundes-wehr erfahren hat, und wie gedenkt die Bundesregierung dementgegenzuwirken?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Die Planung der Streitkräfte
sah, wie Sie wissen, für das Jahr 1999 vor, daß bis ein-
schließlich Oktober 1999 insgesamt 9 810 Soldaten, die
auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, als Sol-
daten auf Zeit gewonnen werden sollten. Es gelang je-
doch nur, 8 115 Soldaten als sogenannte Statuswechsler
zu verpflichten. Das Fehl von 1 695 dieser Statuswechs-
ler entspricht 17,3 Prozent vom Soll der Planung der
Streitkräfte. Zur Zeit werden für das Jahr 1999, ein-
schließlich der Monate November und Dezember, für
die Streitkräfte 10 305 Statuswechsler prognostiziert.
Dies entspricht gegenüber der Planung der Streitkräfte
einem Fehl von rund 13 Prozent.
Im Jahr 1998 wurden 10 372 Statuswechsler für die
Streitkräfte gewonnen. Der Rückgang gegenüber dem
Vorjahr um 67 Statuswechsler liegt damit unter
1 Prozent.
Zur Verbesserung der Nachwuchsgewinnung für die
Streitkräfte hat die Bundesregierung die Personalwer-
bung durch zunächst zwei Maßnahmen intensiviert.
Weitere Maßnahmen werden folgen. Mit der Werbe-
maßnahme „Berufsstart 1999“ sollen junge Männer und
Frauen nach Abschluß ihrer Berufsausbildung für den
Dienst in den Streitkräften gewonnen werden. Mit der
Aktion „Offizier 2000“ sollen vor allem die Abiturienten
des Jahres 2000 auf den Offizierberuf angesprochen
werden. Es ist beabsichtigt, diese Maßnahmen der
Nachwuchswerbung auch im Jahr 2000 fortzusetzen.
Zusätzlich soll die Attraktivität der Laufbahn der
Unteroffiziere – hier gibt es ein beachtliches Fehl – ver-
bessert werden. Hierzu ist eine Untersuchung beim So-
zialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr einge-
leitet worden. Wir wollen zukünftig eine bessere Ver-
flechtung der Werdegänge der Soldaten auf Zeit mit der
Wirtschaft erreichen und die Werdegänge im Beruf des
Feldwebels neu ordnen. Hierzu wurden bereits Verbin-
dungen mit Verbänden der Wirtschaft aufgenommen.
Hartmut Koschyk
6892 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Außerdem werden, Herr Kollege Nolting, zur Zeit
Modelle der regionalen Zusammenarbeit zwischen
Truppe, Berufsförderungsdienst, Wirtschaft und Ar-
beitsverwaltung erprobt. Ziel ist es, den Beruf des Sol-
daten auf Zeit attraktiver zu machen und die Wiederein-
gliederung in das zivile Berufsleben deutlich zu verbes-
sern. Aber all diese Maßnahmen dienen vor allem der
Verbesserung der Nachwuchsgewinnung.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Nol-
ting, Sie haben nun die Möglichkeit, zu beiden von Ih-
nen schriftlich eingereichten Fragen Zusatzfragen zu
stellen.
Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Staatsse-
kretär, gibt es eine ähnliche Entwicklung im Bereich der
Grundwehrdienstleistenden, die sich freiwillig ver-
pflichten, länger Grundwehrdienst zu leisten?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Sie fragen wohl nach der
Einstellung ungedienter junger Männer. Im Jahre 1999
sollten bis einschließlich Oktober nach der Planung der
Streitkräfte insgesamt 13 294 Soldaten auf Zeit einge-
stellt werden. Es konnten jedoch nur 10 653 Soldaten
auf Zeit gewonnen werden. Das Fehl von 2 641 Ein-
stellungen entspricht rund 20 Prozent vom Soll der Pla-
nungen der Streitkräfte.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Staatsse-
kretär, ich möchte speziell danach fragen, ob es auch im
Bereich der freiwillig länger dienenden Grundwehr-
dienstleistenden ein Fehl gibt.
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Herr Kollege Nolting, wir
erwarten auf Grund des Trends des Jahres 1999 für das
Jahr 2000 einen weiteren Rückgang der Zahl der Sta-
tuswechsler. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die
Verringerung des Bewerberpotentials – jetzt wird der
Zusammenhang mit Ihrer Frage deutlich –, weil die Jah-
resdurchschnittsstärke der GWDL von rund 116 000 im
Jahr 1999 auf rund 105 000 im Jahr 2000 zurückgeführt
wird. Dies ist ein Minus von 9,5 Prozent. Eine genaue
Aufschlüsselung der Zahlen für den Übergang kann ich
Ihnen gerne nachreichen.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Die Fragen 24 und
25 des Kollegen Dr. Werner Hoyer werden schriftlich
beantwortet.
Ich rufe Frage 26 des Kollegen Jörg van Essen auf:
Wird angesichts der unzureichenden Auslastung der Bun-deswehrkrankenhäuser durch Soldaten und der knappen Res-sourcen im Einzelplan 14 über den Abbau der überschüssigenund durch Zivilpatienten, die nicht der Bundeswehr angehören,genutzten Bettenkapazität in Höhe von 30 bis 40% nachgedacht,um mit dem frei werdenden Sanitätspersonal die angespannteVersorgungslage im Bereich des Truppensanitätsdienstes zuverbessern?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Herr Kollege van Essen, eine
unzureichende Auslastung der Bundeswehrkrankenhäu-
ser durch Soldatenpatientinnen und -patienten ist nicht
gegeben. 1998 betrug die Bettenauslastung der Bundes-
wehrkrankenhäuser knapp 80 Prozent. Diese Bele-
gungsquote ist mit der im zivilen Gesundheitswesen
vergleichbar und enthält rund 60 Prozent Soldaten und
40 Prozent Zivilpatienten. 80,5 Prozent aller stationären
Behandlungen von Soldaten werden in Bundes-
wehrkrankenhäusern durchgeführt. Die verbleibenden
19,5 Prozent der Soldaten werden in zivilen Einrichtun-
gen behandelt, und zwar überwiegend im Rahmen von
nicht beeinflußbaren Noteinweisungen oder aus sozialen
Gründen, wie zum Beispiel der Entfernung des Bundes-
wehrkrankenhauses vom Wohnort des Soldaten bei län-
ger dauernder Behandlung.
Auf Grund der Rahmenbedingungen ist eine Reduzie-
rung des Anteils der Betten für Zivilpatienten nicht
möglich, da ansonsten die Möglichkeiten zur Aus-, Fort-
und Weiterbildung sowie der In-Übung-Haltung – gera-
de im Rahmen der Einsatzvorbereitung – sowohl für das
Personal der zentralen Sanitätsdienststellen der Bundes-
wehr als auch für das Personal des Truppensanitätsdien-
stes der Teilstreitkräfte zum Beispiel im Fachbereich
Rettungsmedizin nicht hinnehmbar eingeschränkt wür-
den.
Eine Verlagerung von Personal der Bundeswehrkran-
kenhäuser in den Truppensanitätsdienst wäre darüber
hinaus auf Grund des hohen Anteils an Zivilpersonal
und unterschiedlicher Qualifikationsanforderungen nur
in begrenztem Umfang möglich.
Soweit meine Antwort auf Ihre erste Frage.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Wir kommen zur
Frage 27 des Kollegen van Essen. Danach ist die Frage-
stunde zu Ende.
Welche Erkenntnisse liegen vor, die den Schluß zulassen,daß die Bundeswehrkrankenhäuser zur Wahrnehmung ihresAuftrags die Versorgung unterschiedlichster Patientengruppenaller Altersgruppen durchführen müssen, und worauf beziehensich diese möglicherweise vorliegenden Kenntnisse?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Die Anforderungen, lieber
Kollege van Essen, an einen einsatzfähigen Sanitäts-
dienst erfordern auf Grund des begrenzten Alters- und
Krankheitenspektrums bei Soldaten eine ausreichende
Zahl mitzuversorgender Zivilpatienten in Bundeswehr-
krankenhäusern. Nur so steht ein hinsichtlich Alter und
Geschlecht uneingeschränktes Patienten-, Krankheits-
oder Verletzungsspektrum zur Aus-, Fort- und Weiter-
bildung sowie In-Übung-Haltung zur Verfügung. Die
hierfür erforderliche Bettenzahl wurde bereits vor dem
Rechnungsprüfungsausschuß der 13. Wahlperiode mit
842 von insgesamt 2 290 Betten beziffert. Eine Erhö-
hung dieses Bettenanteils ist derzeit nicht beabsichtigt.
Qualitative und quantitative Bemessungsgrundlage
für die Versorgung unterschiedlicher Patienten- und Al-
tersgruppen in Bundeswehrkrankenhäusern sind dabei
die für den Erwerb der Facharztqualifikation maßgebli-
Parl. Staatssekretär Walter Kolbow
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6893
(A) (C)
(B) (D)
chen Vorgaben der Weiterbildungsordnung der Ärzte-
kammern. Entsprechende Kennzahlen wurden auch dem
Bedarf an In-Übung-Haltung im Sinne einer Qualitäts-
sicherung zugrunde gelegt. Hierzu wurden zum Beispiel
in den operativen Fächern an Hand der sogenannten
„Operationskataloge“ beziehungsweise an Hand der
zahlenmäßigen Vorgaben für bestimmte Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden der Gesamtbedarf an weiter-
bildungsrelevanten Operationen und Untersuchungen
ermittelt und entsprechend dem statistisch nachgewiese-
nen Krankheitsaufkommen bei Zivilpatienten die jeweils
erforderliche Bettenzahl berechnet.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich lasse noch eine
kurze Zusatzfrage verbunden mit der Bitte um kurze Be-
antwortung zu.
(Parl. Staatssekretär Walter Kolbow: Wenn
möglich!)
Jörg van Essen (F.D.P.): Herr Staatssekretär, kann
ich Ihren Antworten entnehmen, daß das Bundesministe-
rium der Verteidigung kurz- und mittelfristig nicht plant,
die bestehende Struktur der Bundeswehrkrankenhäuser
zu ändern und insbesondere kleinere Bundeswehrkran-
kenhäuser zu schließen?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Sie schließen richtig.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich danke Ihnen,
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beant-
wortung der Fragen. Ich gehe allerdings davon aus, daß
Sie uns noch als Redner in der nachfolgenden Aktuellen
Stunde zur Verfügung stehen. Die Fragen 28 bis 51 und
57 bis 72 werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 52
bis 56 wurden zurückgezogen.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Unsicherheit über die weitere Entwicklung der
Bundeswehr nach der Rede des Bundeskanz-
lers vor der Kommandeurstagung
Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das
Wort dem Kollegen Thomas Kossendey für die
CDU/CSU-Fraktion.
Thomas Kossendey (CDU/CSU): Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Ak-
tuelle Stunde beantragt, weil die Kommandeurstagung
der Bundeswehr eigentlich immer eine Art Seismograph
für das Stimmungsbild innerhalb unserer Bundeswehr
ist. Die Rede des Bundeskanzlers auf dieser Komman-
deurstagung ist sozusagen die Meßlatte, an der wir die
Stimmung konkret ablesen können.
Aus unserer Sicht gibt es hierbei einigen Nachfrage-
bedarf. Ein – man möchte sagen: fast nebensächlicher –
Punkt ist, daß in der Rede des Bundeskanzlers der Name
Scharping nicht einmal gefallen ist, höchstens einmal
indirekt, als der Bundeskanzler davon gesprochen hat,
wie es in Zukunft mit der Finanzierung der Bundeswehr
aussieht. Minister Scharping versucht ja, uns, aber ei-
gentlich nicht der CDU/CSU, sondern mehr den Grünen
und der SPD, klarzumachen, daß sich der, der in der
Champions-League spielen will, nicht auf Kreisklassen-
niveau finanzieren darf. Der Bundeskanzler sagte dazu,
daß er das für völlig abwegig halte. Den Verteidigungs-
haushalt alleine könne man nicht zum Maßstab nehmen,
um sicherheitspolitische Aktivitäten zu messen. Wer das
tue, greife zu kurz. – So scharf ist eigentlich selten ein
Verteidigungsminister von seinem Kanzler auf einer
Kommandeurstagung gerügt worden.
(Susanne Kastner [SPD]: Quatsch! Wo waren
Sie denn? Was deuten Sie da alles hinein? –
Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja, völliger Quatsch!)
Der Kanzler hat sogar deutlich gesagt, er wolle weiter
nach der uns allen bekannten Rasenmäher-Methode spa-
ren. Das halten wir für vollkommen falsch.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Paul Breuer [CDU/CSU]: Schädlich! – Weite-
re Zurufe der Abg. Susanne Kastner [SPD])
Der Verteidigungshaushalt ist eben kein beliebiger
Einzelplan in unserem Bundeshaushalt. Es besteht doch
ein Unterschied, ob wir am BAföG, am Wohngeld oder
beim Sozialhilfegesetz etwas ändern oder eine Straße
bauen oder nicht oder ob wir die Aufwendungen für die
äußere Sicherheit unseres Landes, für die Sicherheit des
Bündnisses und letztendlich für den Frieden in Europa
verringern. Das hat doch eine ganz andere politische
Qualität. Es wäre wichtig, wenn der Bundeskanzler
etwas mehr bedächte, daß die Aufwendungen für die
äußere Sicherheit unseres Landes vor die Klammer des
Bundeshaushaltes gezogen werden müssen.
Wir erwarten die politische Kraft des Bundeskanz-
lers, dies seinen Koalitionsfraktionen klarzumachen.
Unsere große Sorge ist aber, daß sich hier zwei Linien
rotgrüner Politik treffen, die in dieser Kombination sehr
verhängnisvoll sein könnten: der strikte Sparkurs von
Bundesminister Eichel einerseits und der Wille der Grü-
nen andererseits, die Bundeswehr so zu beschneiden,
daß sie kein taugliches Element für Landes- und Bünd-
nisverteidigung sowie für die Herstellung des Friedens
in Konflikten mehr sein kann.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ach, Kollege Kossendey, wo haben Sie
denn das aufgeschnappt?)
Diese unheilige Allianz macht uns und übrigens auch
den Kommandeuren der Bundeswehr Sorge.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie veranstalten hier ein Polittheater
und nichts anderes! Das macht Sorge!)
Parl. Staatssekretär Walter Kolbow
6894 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Der Bundeskanzler hat die Kommandeure im unklaren
gelassen, wie seine Sicherheitspolitik in Zukunft ausse-
hen und wieviel Beer und wie wenig Scharping darin
vorkommen soll.
Immerhin hat er auch die Opposition angesprochen
und das Ziel genannt, bei der zukünftigen Gestaltung der
Bundeswehr mit der Opposition mehr Gemeinsamkeit
zu erreichen. Gerne, kann ich sagen, Herr Bundeskanz-
ler, wir sind immer dabei.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Schade ist,
daß er es nicht hört!)
Das wichtigste Ziel aus unserer Sicht ist auch aus
leidvoller Erfahrung in der Vergangenheit, daß wir eine
Verstetigung und Verläßlichkeit des Verteidigungshaus-
haltes brauchen. Man kann sich nicht darüber beklagen,
daß bei der Bundeswehr ein Investitionsstau in unge-
ahnter Höhe hinterlassen worden sei, und als Antwort
darauf den Verteidigungshaushalt um 3,5 Milliarden
DM kürzen. Man kann nicht in Köln die europäischen
Verteidigungsinitiativen gemeinsam mit den europäi-
schen Partnern beschwören und dann zu Hause der Bun-
deswehr die materiellen Grundlagen für die Erfüllung
dieser Versprechen entziehen. Man kann nicht immer
mehr Aufgaben anpacken – das reicht von Osttimor bis
zu den Versprechen, die gestern auf dem Pariser Gipfel
gegeben worden sind – und dann Lösungen für die fi-
nanziellen Engpässe in der Bundeswehr erst für das
übernächste Jahr in Aussicht stellen.
Mein Vorschlag ist, daß wir uns bemühen, zwischen
den großen Parteien eine Übereinstimmung darüber zu
erzielen, wie die Finanzausstattung der Bundeswehr in
Zukunft aussehen soll. Dabei kommt es mir gar nicht so
sehr auf die Höhe der Mittel an, sondern auf die Stetig-
keit. Warum ist es nicht möglich, zwischen den großen
Parteien ein Einverständnis darüber herbeizuführen, ei-
nen gewissen Prozentsatz am Bundeshaushalt oder am
Bruttoinlandsprodukt dafür vorzusehen?
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Weil Sie es 16 Jahre selber nicht ge-
schafft haben! Ganz einfach deshalb!)
Da wir alle so viel von Europa und von der verteidi-
gungspolitischen Perspektive Europas reden, wäre das
übrigens auch ein Kriterium, nach dem all die Europäer,
die sich jetzt auch in Helsinki verteidigungspolitisch
wieder tief in die Augen schauen und manches beschwö-
ren werden, verpflichtet werden könnten. Das machte
dann auch den jeweiligen nationalen Finanzministern
den Griff in die Verteidigungskasse etwas schwerer, als
es in der Vergangenheit der Fall war.
Um die Redezeit von 5 Minuten nicht zu überschrei-
ten, möchte ich nur noch einen letzten Aspekt anspre-
chen: das Stichwort Rationalisierung und Outsourcing.
Der Bundeskanzler als Globalwirtschaftspolitiker hat
natürlich darauf hingewiesen, daß hier etwas zu tun sei.
Weil das so sehr nach Wirtschaft klingt, fühlte sich der
Bundeskanzler geradezu in seinem Element. Aber war-
um gilt bei Holzmann etwas, was bei der Bundeswehr
auf einmal nicht gelten soll? Wer sanieren und rationali-
sieren will, muß erst einmal Geld in die Hand nehmen
und investieren. Wer das nicht tut, hilft der Bundeswehr
nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Volker Kröning [SPD]: Die Bundeswehr steht
doch nicht vor dem Ruin!)
Unser Vorschlag, für das nächste Jahr 1,7 Milliarden DM
mehr in den Verteidigungshaushalt einzustellen, wäre
hilfreich gewesen. Sie haben diese helfende Hand aus-
geschlagen. Nachdem aber das erste Jahr Rotgrün für die
Bundeswehr geradezu ein Jahr im Stau gewesen ist,
sollten Sie mehr auf unsere Vorschläge eingehen, damit
die folgenden Jahre für die Bundeswehr wenigstens
nicht ganz verloren sein werden.
Schönen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich gebe das Wort
für die SPD-Fraktion dem Kollegen Peter Zumkley.
Peter Zumkley (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! In der Rede des Bundeskanzlers vor
der 37. Kommandeurstagung der Bundeswehr findet
man keine Passage, die man ernsthaft und seriös als Un-
sicherheit für die Bundeswehr interpretieren oder in eine
solche ummünzen kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der
CDU/CSU)
Die Tatsache, daß Sie von der CDU/CSU eine Aktuelle
Stunde zu einer Rede vor den Bundeswehrkommandeu-
ren beantragt haben, zeugt von mangelnder Sensibilität
für die Bundeswehr selbst.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wie schon bei den Gelöbnissen neigen Sie erneut zur
parteipolitischen Effekthascherei.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So
sind sie!)
Selbstverständlich haben Sie das Recht, den Bundes-
kanzler und andere zu kritisieren.
(Zuruf von der CDU/CSU: Aber gewiß!)
Meiner Auffassung nach zeugt es aber von mangelndem
Gespür, dies an einer Tagung des Generalinspekteurs,
dessen Gast der Bundeskanzler war, festzumachen.
Im übrigen, Herr Kossendey: Stimmungsbilder be-
kommt man am besten, wenn man wie ich weitgehend
an der Tagung teilnimmt und dort die Gesprächsmög-
lichkeiten mit den Kommandeuren gelegentlich auch
wahrnimmt. Lassen Sie uns deshalb – ich will jetzt die-
ses Stichwort aufnehmen – mit größtmöglichem Kon-
sens die Aufgaben und Herausforderungen der Bundes-
wehr parlamentarisch begleiten und unterstützen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Thomas Kossendey
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6895
(A) (C)
(B) (D)
Das Thema der Kommandeurstagung lautete: „Bun-
deswehr im Einsatz – Bilanz und Perspektive“.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Da ist keine
Perspektive!)
Die Bundeswehr im Einsatz findet dank der guten Aus-
bildung und des großen Engagements der Soldatinnen
und Soldaten sowie der zivilen Mitarbeiter hohe Aner-
kennung. Für die friedenssichernden Aufgaben verfügen
die Streitkräfte über die entsprechende Ausrüstung, ein-
schließlich der Ausrüstung für den Schutz der Soldaten.
Daran haben auch Sie, werte Kollegen von der
CDU/CSU – wer wollte das bestreiten –, Ihren Anteil.
Die Bilanz fällt wegen der Versäumnisse in Ihrer Re-
gierungszeit allerdings sehr mäßig aus. Defizite gibt es
in viel zu vielen Bereichen. Daran haben Sie nun wieder
wesentlichen Anteil. Ihre augenblicklichen öffentlichen
Äußerungen lassen den Schluß zu, daß Sie mit dem
Gang in die Opposition auch an verteidigungspolitischer
Kompetenz verloren haben.
(Widerspruch des Abg.Paul Breuer
[CDU/CSU])
Das bedauere ich sehr.
An den Perspektiven der Bundeswehr – das ist doch
nichts Neues – wird derzeit gearbeitet, zum einen durch
die Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft
der Bundeswehr“, zum anderen durch die Erarbeitung
der Eckwerte für die Weiterentwicklung der Streitkräfte
durch den Generalinspekteur. Die Entscheidungen dar-
über erfolgen rechtzeitig vor Festlegung des Haushaltes
2001.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Und die SPD?
Nichts!)
Über diese Perspektiven, werter Kollege Breuer, sind
– neben vielen anderen wichtigen sicherheitspolitischen
Zusammenhängen – Ausführungen vom Generalin-
spekteur, danach vom Bundeskanzler und heute morgen
vom Bundesverteidigungsminister gemacht worden, die
allesamt keinerlei Unsicherheiten erzeugten. Vielmehr
ließen die Überlegungen und Standpunkte auf begrün-
dete Erfordernisse der Zukunft, wie zum Beispiel die Er-
fordernisse bezüglich verschiedener und angemessener
Fähigkeitsprofile der Streitkräfte im Bündnis, schließen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wieder
Lobhudelei!)
Wir werden dafür sorgen, daß eine reformierte Bun-
deswehr den von Deutschland erwarteten, angemessenen
und verläßlichen Beitrag im Bündnis wird leisten kön-
nen. Wir haben erfolgreich mit der Konsolidierung der
Staatsfinanzen begonnen. Gleiches werden Sie bei der
Bundeswehr erleben, die endlich planerische und soziale
Sicherheit, verbunden mit qualitativen Verbesserungen
ihrer Fähigkeiten, erhalten wird.
(Zuruf von der CDU/CSU: Da sind wir ge-
spannt!)
Wir laden Sie dazu ein, an diesem Prozeß mitzuwir-
ken; denn es ist nicht die Bundeswehr einer Partei oder
einer Fraktion, sondern es ist die Bundeswehr des gan-
zen Parlamentes. Die Bundeswehr ist und bleibt ein
Parlamentsheer.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die F.D.P.-
Fraktion spricht der Kollege Günther Nolting.
Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Zumkley,
offensichtlich sind die Kommandeure etwas anderer
Meinung.
(Peter Zumkley [SPD]: Sie waren doch gar
nicht da! Wo waren Sie denn?)
Sie konnten selbst verfolgen, daß es nur höflichen Bei-
fall für die Rede des Kanzlers gegeben hat.
(Peter Zumkley [SPD]: Wo waren Sie, Herr
Nolting?)
Wenn Sie mit Soldaten sprechen – wie Sie wissen, ma-
che ich wahrlich genug Truppenbesuche –, dann können
Sie erfahren, daß die Soldaten zutiefst verunsichert sind.
Die Aussagen des Bundeskanzlers vor der Komman-
deurstagung haben die schlimmsten Befürchtungen be-
stätigt.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU –
Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN )
Wir halten heute diese Aktuelle Stunde ab, weil sich
der Kanzler in der Öffentlichkeit zu dieser Frage nicht
mehr äußert. Ich sage Ihnen, daß hier ein verantwor-
tungsloses Spiel auf dem Rücken unserer Soldatinnen und
Soldaten und der zivilen Mitarbeiter ausgetragen wird.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU –
Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt hier offensichtlich einen Machtkampf zwi-
schen dem Bundeskanzler auf der einen Seite und dem
Verteidigungsminister auf der anderen Seite.
(Peter Zumkley [SPD]: Sie sind sehr phanta-
sievoll!)
Ich zitiere aus einer Ticker-Meldung:
Scharping betonte zwar, seine Aussagen seien sehr
eng mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
abgestimmt. Mit Blick auf die Ermunterung Cohens
an ihn, sich weiter für die nötigen Haushaltsmittel
für die Bundeswehr einzusetzen, fügte Scharping
aber hinzu, dabei sei ihm jede Unterstützung will-
kommen.
Hier zeigt sich doch offensichtlich, welch ein Zwiespalt
zwischen den Versprechungen des Bundeskanzlers auf
der einen Seite und den Forderungen des Verteidi-
gungsministers auf der anderen Seite besteht. Ich habe
Ihnen bereits in der letzten Woche gesagt: Der Kanzler
Peter Zumkley
6896 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
hat sein Wort in dieser Frage gebrochen, und daran müs-
sen Sie sich messen lassen.
(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne-
ten der CDU/CSU)
Der Bundeskanzler hat es in seiner Rede auf der
Kommandeurstagung auch abgelehnt, den Verteidi-
gungshaushalt von Deutschland mit den Verteidigungs-
haushalten anderer NATO-Länder zu vergleichen; der
Kollege Kossendey hat darauf hingewiesen. Dies könne
nicht einziger Maßstab für die Sicherheitsvorsorge eines
Landes sein.
(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das
ist doch wohl auch richtig, oder?)
Ich sage Ihnen: Diese Sicherheitsvorsorge ist aber ein
entscheidender Maßstab. Sie ist der Indikator, mit dem
wir zeigen, wozu wir noch bereit und in der Lage sind.
(Peter Zumkley [SPD]: Sagen Sie mal was
über die Defizite, die Sie uns hinterlassen ha-
ben!)
Es war Minister Scharping, der die Statistik der NA-
TO-Haushalte als erster in die Diskussion gebracht hat,
als er gesagt hat: Deutschland ist in Fragen der Sicher-
heitspolitik auf dem Wege, in die dritte Liga abzustei-
gen. Das sind doch nicht Aussagen der Opposition, son-
dern das sind Aussagen Ihres Verteidigungsministers.
Auch daran müssen Sie sich messen lassen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Der Verteidigungsminister stellt sich hier hin und
sagt: Der Haushalt für die nächsten Jahre steht in der
mittelfristigen Finanzplanung unter Vorbehalt. Der
Kanzler hat am Montag vor der Presse etwas ganz ande-
res gesagt, lieber Kollege Zumkley. Kanzler Schröder
hat gesagt: Die mittelfristige Finanzplanung bis zum
Jahr 2003 steht. Das können Sie in der „Berliner Zei-
tung“ von gestern nachlesen.
(Peter Zumkley [SPD]: Aber in seiner Rede nicht!)
Es ist doch verwunderlich, daß der Verteidigungsmi-
nister seine Forderung hinsichtlich der mittelfristigen
Finanzplanung heute nicht wiederholt hat. Offensicht-
lich ist der Verteidigungsminister – lassen Sie es mich
so sagen – in dieser Frage eingenordet, also wahrschein-
lich vom Kanzler zurückgepfiffen worden.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie haben nicht zugehört, was der Mi-
nister heute gesagt hat!)
Angesichts dieser unterschiedlichen Aussagen muß
bei den Betroffenen doch Unsicherheit aufkommen. Bei
dieser Regierung gibt es kein Konzept für die Zukunft
der Bundeswehr, weder beim Verteidigungsminister
noch gar beim Kanzler. Es gibt nur massive und vor al-
lem konzeptlose Kürzungen im Verteidigungshaushalt.
Ich habe wahrlich den Eindruck, Sie wollen sich hin-
ter den Ergebnissen der Zukunftskommission verstek-
ken, nach dem Motto: Hier haben wir Ergebnisse von
Externen, und die werden wir übernehmen.
(Peter Zumkley [SPD]: Warten Sie es ab!)
Aber Sie sind als Politiker gefragt, was Sie wollen,
(Susanne Kastner [SPD]: Das ärgert Sie!)
und Sie werden dafür zur Verantwortung gezogen. Egal,
welches Konzept Sie vorlegen: Es wird Geld kosten, und
dieses Geld werden Sie zur Verfügung stellen müssen.
(Peter Zumkley [SPD]: Wie teuer ist denn Ihr
Konzept?)
Die Bundeswehr ist kein Selbstzweck, wie es immer
wieder dargestellt wird. Sie erhält ihren Auftrag von der
Politik. Die Bundeswehr steht für die höchsten Werte,
nämlich für Frieden und Freiheit, und die müssen immer
wieder verteidigt werden.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Es nützt auch überhaupt nichts, wenn der Kanzler
sagt – wie er es wieder getan hat –, daß für die im Ein-
satz befindlichen Soldaten alles getan werde. Die Bun-
deswehr ist nicht nur in den Einsatzgebieten tätig. Sie
leistet dort hervorragende Arbeit, aber sie leistet auch
hier im Inland hervorragende Arbeit. Deshalb braucht
sie eine gute Ausrüstung und einen gut motivierten
Rückhalt in Deutschland. Sie braucht Reserven und eine
Grundorganisation.
Wir werden doch in der Öffentlichkeit, auch inner-
halb der NATO, an dem gemessen, Herr Kollege
Zumkley, was wir in der Zukunft für Krisenerkennung,
Konfliktverhinderung und -bewältigung tun wollen und
tun können. Ich frage Sie: Wie soll sich Deutschland in
internationalen Organisationen wie NATO, OSZE und
UNO noch sinnvoll engagieren, wenn dazu die Mittel
fehlen?
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Die geplanten
Einsparungen werden somit nicht nur zu radikalen
Strukturveränderungen in der Bundeswehr und zu Ar-
beitsplatzvernichtung in der wehrtechnischen Industrie,
sondern auch zu einem enormen internationalen Anse-
hensverlust führen.
(Susanne Kastner [SPD]: Sie hätten weiter
Schulden gemacht!)
Hier wird immer der Konsens angemahnt. Wir sind
gerne dazu bereit, auch auf der Grundlage unseres Posi-
tionspapieres, das wir im März vorgelegt haben. Nur,
dazu müssen Sie Ihre Politik ändern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich gebe das Wort
der Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.
Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr
Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese
Aktuelle Stunde ist überflüssig wie ein Kropf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Susanne Kastner [SPD]:
Zeit gestohlen!)
Günther Friedrich Nolting
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6897
(A) (C)
(B) (D)
Das mindeste wäre doch gewesen, Herr Kossendey und
Herr Nolting – die Sie, im Gegensatz zu anderen Kolle-
gen, gar nicht auf der Tagung waren –, daß Sie sich die
Reden besorgt, sie gelesen und ordentlich analysiert
hätten.
(Widerspruch bei der CDU/CSU – Günther
Friedrich Nolting [F.D.P.]: Eben! Darum habe
ich das ja beantragt!)
Ich will Ihnen auch sagen, warum: Sie machen hier ein
Schaulaufen. Sie haben Ihre Reden abgelesen, die Sie in
der letzten Woche in der Haushaltsdebatte zum Einzel-
plan 14 gehalten haben.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Waren Sie
heute morgen im Verteidigungsausschuß?)
– Ich war – im Gegensatz zu Ihnen – auf der Komman-
deurstagung. –
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Sie versuchen hier die Bundeswehr parteipolitisch zu
mißbrauchen, um zu verdecken, daß Sie in den letzten
16 Jahren kein Konzept hatten. Das ist bekannt und weiß
Gott keine Sternstunde dieses Parlaments.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das gilt späte-
stens jetzt!)
Herr Kollege Breuer, mit Verlaub: Ich habe wirklich
Zweifel an Ihren Bekundungen eines neu erwachten Re-
formwillens. Das einzige, was wir dazu gehört haben, ist
einem Interview in der „Welt“ von heute zu entnehmen,
das ansonsten jeder verteidigungs- und sicherheitspoliti-
schen Logik widerspricht und zudem mit vollkommen
absurden Unterstellungen arbeitet wie der, es gebe keine
mittelfristige Finanzplanung dieser Regierung.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Sie stellen den
Verteidigungshaushalt doch unter Vorbehalt,
wie der Minister sagt!)
Wir haben sehr wohl eine mittelfristige Finanzplanung.
Wir haben es darüber hinaus geschafft, die Defizite aus-
zugleichen, die entstanden sind, weil Sie keine Vorsorge
für den Bosnieneinsatz und dessen Kosten getroffen
haben. Wir haben mit 2 Milliarden DM über den Einzel-
plan 60 den aktuellen Einsatz im Kosovo sichergestellt.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das ist ja
der Haushalt 2000! – Weitere Zurufe von der
CDU/CSU)
– Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Wer hat denn die Bundeswehr in den letzten Jahren
als Steinbruch benutzt, ohne Reformanpassungen vorzu-
nehmen? Wer hat denn die sicherheitspolitischen Ver-
änderungen, die es – Gott sei Dank – nach dem Ende des
Ost-West-Konfliktes in Europa gibt, verschlafen und
weitergemacht wie bisher? Wie kommt es denn, daß wir
jetzt im Heer und in den anderen beiden Teilstreitkräften
Strukturen haben, die noch an der Ost-West-Ver-
teidigung ausgerichtet sind und mit denen man über-
haupt nicht in der Lage ist, internationale Friedensein-
sätze adäquat durchzuführen? Das hat doch Ihre Frak-
tion zu verantworten. Wer hat denn den Kürzungen im
finanziellen Rahmenplan für den Bereich der Bundes-
wehr unter Waigel und Rühe zugestimmt?
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein starkes
Stück!)
Das waren doch Ihre Mehrheiten! Jetzt stellen Sie sich
hierhin und beklagen sich über Sachen, die Sie nicht
verstehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)
– Entschuldigung, Herr Raidel, hier laut zu brüllen ist
noch kein Politikkonzept. Da müssen Sie sich ein biß-
chen mehr einfallen lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Der Bundeskanzler, verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen, hat in seiner Rede sehr konsequent auf die anste-
henden Probleme der Bundeswehr und der Strukturre-
form hingewiesen. Ich darf Ihnen ganz klar sagen: Erste
Anforderung an Planungssicherheit sind der offene Um-
gang miteinander und das Benennen von Problemen.
Sonst verfährt man weiter nach dem Prinzip: Decke drü-
ber, alles unter den Teppich. Wenn Sie jetzt unter Ihren
Teppich schauen, dann bekommen Sie überhaupt keine
Luft mehr vor lauter Staub.
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Die Rede von Bundeskanzler Schröder war viel mehr.
Sie war ein Beitrag zur zukünftigen Entwicklung der
Bundeswehr, ein Beitrag, der zeigt, daß diese Bundesre-
gierung die Probleme erkannt hat, daß wir gemeinsam
nach Wegen suchen müssen, um die Probleme zu lö-
sen – zusammen mit den Kommandeuren.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sagen Sie
etwas zum Verteidigungsminister!)
Der Bundeskanzler hat klargemacht, daß – dies ist bei
Ihnen offensichtlich noch nicht angekommen – Sicherheit
in Europa und in Deutschland heute nicht bedeutet, zu
schauen, wieviel Mark im Einzelplan 14 veranschlagt
sind, sondern daß Sicherheit und Stabilität zu tun haben
mit der Stärkung von Demokratien, mit der Verstärkung
der Konfliktprävention, um Situationen wie in Bosnien
und im Kosovo zukünftig zu verhindern, und mit einer
Modernisierung der Bundeswehr, die im multinationalen
Konsens im Rahmen der Vereinten Nationen, der OSZE,
aber auch der europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik der Zukunft ihre Verantwortung zu tragen
bereit ist.
Diese Diskussion – das haben Sie ja nun leider in
Hamburg nicht verfolgt – war eine positive Diskussion.
Wenn Sie mit den Kommandeuren gesprochen haben,
wissen Sie, daß sie gesagt haben: Endlich ist der Mief
weg, endlich sagt einer, wo es langgeht.
(Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)
Den Weg mitzugehen sind wir bereit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Angelika Beer
6898 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Das will ich hier unterstreichen, weil Sie immer so tun,
als wären Sie die ersten, die die Interessen der Bundes-
wehr verträten. Der Generalinspekteur von Kirchbach
hat sehr eindrucksvoll klargemacht – und davor ge-
warnt –, daß es das Falscheste wäre, jetzt im Rahmen
von Besitzstandsdenken der Teilstreitkräfte die notwen-
dige, akzeptierte gemeinsame Reform zu blockieren
oder zu verhindern. Das, meine verehrten Kollegen und
Kolleginnen von der Opposition, sollten Sie wirklich
beherzigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die PDS-
Fraktion spricht die Kollegin Heidi Lippmann.
Heidi Lippmann (PDS): Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Wir Deppen von der Opposition saßen heute vormittag
im Verteidigungsausschuß, während die anderen auf der
Kommandeurstagung waren. Sie sagten, die Komman-
deurstagung sei Ihnen wichtiger; daran wäre Ihr Antrag
zur Friedens- und Konfliktforschung heute morgen im
Ausschuß beinahe gescheitert.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das ist doch reiner Poppulismus! Die
„Friedenspartei“ PDS! Peinlich, peinlich!)
Zu guter Letzt wurde er dann noch doch angenommen.
Ich kann Ihnen aber gern erklären, weshalb ich heute
morgen nicht zugestimmt habe.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sagen Sie mal etwas zum Thema!)
Lesen Sie das Protokoll nach! Wenn Sie solche nichts-
sagenden Anträge in den Ausschuß einbringen, dann
müssen Sie auch schon mal hinterfragen, weshalb ihnen
nicht zugestimmt wird.
(Manfred Opel [SPD]: Sie haben doch mit der
CDU nicht zugestimmt! Kritisieren Sie hier
doch nicht!)
– Ich habe mich enthalten, Herr Opel, und ich habe das
heute morgen begründet.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Schön,
wenn die sich streiten!)
Wären die Regierungsfraktionen in größerer Zahl anwe-
send gewesen, dann wäre der Antrag möglicherweise
leichter durchgegangen.
Kommen wir zurück zu dem Thema des Tages: Der
Opposition von rechts wird vorgeworfen, die Komman-
deurstagung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Dem muß natürlich auch ich zustimmen. Aber in diesem
Haus instrumentalisiert mittlerweile jede Fraktion – bis
auf die unsere – die Bundeswehr für ihre Zwecke.
(Zuruf von der SPD: Abschaffen!)
– Genau, wir wollen sie abschaffen. Sie kennen unsere
Position, daher brauche ich dazu keine weiteren Ausfüh-
rungen zu machen.
Ich war nicht auf der Kommandeurstagung; das Da-
menprogramm, das dort angeboten wurde, hat mir nicht
so zugesagt. Auch das mag als Grund gelten. Ich habe
mich aber aus der Presse informiert, der man ja in Frie-
denszeiten Gott sei Dank wieder mehr Glauben schen-
ken kann als in Kriegszeiten. Auch habe ich die
14seitige Rede des Bundeskanzlers nachgelesen. Sie
können die Anmerkungen gern überprüfen. Da wird von
„maßvollem Auftreten“, „mehr Verantwortung über-
nehmen“, „Neugestaltung“ und „Aufbruch“ geredet. Der
Kanzler appelliert an die „Loyalität der Soldaten“. Er
bezeichnet den Vergleich des Verteidigungsetats als un-
zureichend, und er weist am Ende seiner Rede – auf der
letzten Seite – darauf hin, daß die aktuelle Situation der
Bundeswehr heute vergleichbar sei mit der der 50er Jah-
re, als Deutschland verteidigungsfähig gemacht werden
mußte. Und dementsprechend muß heute genau überlegt
werden, wo es langgehen soll. Doch im Gegensatz zu
dem, was Sie uns jetzt hier vorgetragen haben, habe ich
in dem Papier keine konkreten Aussagen lesen können,
wo es langgehen soll. Ich denke, genau das ist der
Grund, weshalb die CDU hier die Aktuelle Stunde be-
antragt hat.
Der ständige Widerspruch, den wir jetzt seit gut ei-
nem Jahr erleben, zwischen den außenpolitischen Ge-
staltungsansprüchen – der gestrige Besuch des Kanzlers
in Paris war wieder ein glorreicher Beweis dafür, welche
langfristigen Verpflichtungen man auf internationaler
Ebene eingehen will, daß zum Beispiel die Krisenreakti-
onskräfte auf 50 000 bis 60 000 Mann ausgebaut werden
sollen, daß zum Beispiel neue Satellitenprogramme ge-
schaffen werden sollen usw.; das alles kennen wir ja aus
den bisherigen Debatten – und der tatsächlichen Ausge-
staltung der Bundeswehr ist nach wie vor genauso ne-
bulös, wie ihn Offiziere – laut „dpa“, sage ich dazu –
bezeichnet haben sollen. Die Rede des Bundeskanzlers
wurde laut „dpa“ gerade mal mit elf Sekunden Beifall
bewertet.
(Susanne Kastner [SPD]: Ihre kriegt nicht
einmal elf Sekunden! – Manfred Opel [SPD]:
Wo bleibt denn der Beifall für Sie?)
Ich habe das nicht gestoppt, aber „dpa“ hat das anschei-
nend getan.
Ich denke, den Offizieren sind die Widersprüche zwi-
schen den außenpolitischen Ansprüchen, zwischen dem,
was sie in Zukunft alles leisten sollen, und dem tatsäch-
lichen Istzustand deutlich geworden. Diese Widersprü-
che haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Ich denke,
Sie kommen aus diesem Widerspruch nur heraus, indem
Sie sich tatsächlich an das erinnern, was Sie einmal in
Ihrer Koalitionsvereinbarung verabredet haben. Darin
stand unter anderem: Die Bundesregierung wird sich
von der Verpflichtung zur weiteren Zivilisierung, zur
Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, zu einem ökono-
mischen, ökologischen und sozial gerechten Interessen-
ausgleich leiten lassen.
(Susanne Kastner [SPD]: Eine ausgezeichnete
Aussage!)
Wir fordern Sie auf: Lassen Sie sich bei Ihrer künftigen
Politik, gerade auch gegenüber der Bundeswehr und ge-
Angelika Beer
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6899
(A) (C)
(B) (D)
genüber den Wählern und Wählerinnen, von den in die-
ser Koalitionsvereinbarung – zumindest partiell – richtig
formulierten Ansprüchen leiten und instrumentalisieren
Sie nicht länger die Soldaten für Ihre eigenen Zwecke!
Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite, zum
Schluß sei mir noch ein Wort an Sie gestattet: Zur Kon-
solidierung des Haushalts hätte es in den vergangenen
Jahren auch andere Möglichkeiten gegeben. Wie wir
jetzt erfahren haben, sind viele Millionen in die Unter-
stützung der eigenen Partei geflossen.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wo ist
denn das SED-Vermögen geblieben?)
Vielleicht hätten Sie auch einmal überlegen können, ob
die Gewinne, die aus dem Panzerdeal mit Saudi-Arabien
herausgekommen sind, bei der Bundeswehr nicht besser
aufgehoben gewesen wären.
Danke.
(Beifall bei der PDS)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Das Wort für die
SPD-Fraktion hat die Kollegin Verena Wohlleben.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Jetzt hö-
ren wir etwas zum Widerspruch zwischen
Kanzler und Verteidigungsminister!)
Verena Wohlleben (SPD): Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es war ein-
mal ein Kanzler, der versprach: „Die Bundeswehr be-
kommt, was sie verdient.“ In der Tat kannte sich Herr
Kohl mit Verdiensten aus; mit schwarzen Konten kannte
er sich wohl gut aus.
(Unruhe bei der CDU/CSU)
Aber nicht so ein ehemaliger Generalsekretär: Herr
Rühe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günther
Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sagen Sie einmal
etwas zu den Versprechungen des Kanzlers
Schröder! – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt
avanciert sie gleich zur Staatssekretärin!)
Ihn kommandierte der Kanzler ab auf die Hardthöhe.
Der Generalsekretär wußte von nichts, und dieses Un-
wissen setzte er auf der Hardthöhe wohl fort.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Zuruf von der F.D.P.: Das ist
ja ein rhetorisches Feuerwerk!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gut,
daß unser Bundeskanzler Gerhard Schröder nun auf die
Soldaten zugeht und ihnen sagt, wohin die Reise geht.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Alles
versprechen, nichts halten!)
Das ist der Unterschied zu den Mauscheleien der Union.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU:
Das müssen Sie gerade sagen!)
Der griechische Philosoph Epiktet wußte schon: Men-
schen werden nicht durch die Dinge, die passieren, be-
unruhigt, sondern durch die Gedanken darüber. So ist es,
meine sehr verehrten Herren und Damen von der Oppo-
sition, auch mit Ihren Gedanken über die Rede unseres
Bundeskanzlers Gerhard Schröder vor der Komman-
deurstagung. Unsicher, ja verunsichert war die Bundes-
wehr insbesondere durch einen Minister,
(Zuruf von der CDU/CSU: Verteidigungsmi-
nister Scharping!)
den Sie in Ihrer Regierungszeit gestellt haben: durch
Herrn Rühe. Er hat den Soldatinnen und Soldaten näm-
lich untersagt, über die Zukunft der Bundeswehr nach-
zudenken
(Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)
und Vorschläge zu Verbesserungen und Veränderungen
zu machen.
(Zuruf von der SPD: Der hat einen Maulkorb
verpaßt! – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]:
Das ist ja nicht zu fassen!)
Herr Rühe hat ganz einfach bestimmt, wie umstruktu-
riert wird, wann umstrukturiert wird und wie das Sparen
gestaltet werden soll.
(Zuruf von der SPD: Und vor allem, wann
nicht!)
Mitdenken war verboten.
(Lachen bei Abgeordneten der F.D.P.)
Bitte nur nicht den Maulkorb ablegen, den ich bei mei-
nem Amtsantritt den Soldatinnen und Soldaten ausge-
händigt habe – das war doch die Devise Ihres Ministers.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Zum ersten
ist das falsch! Zum zweiten geht es um die
Schröder-Rede! – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Es gilt das gebrochene Wort!)
Ich darf Sie noch einmal daran erinnern: Seit die
Bundeswehr besteht, haben die SPD und ihre Repräsen-
tanten in den verschiedenen Aufbauphasen und in den
unterschiedlichsten Funktionen einen wesentlichen An-
teil an der positiven Entwicklung unserer Streitkräfte.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ab 1969 haben drei Verteidigungsminister der SPD
– Helmut Schmidt, Georg Leber und Hans Apel – ihren
maßgeblichen Anteil daran gehabt,
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sagen Sie
einmal etwas zum Widerspruch! – Gegenruf
von der SPD: Da hat sie aber recht, Herr Nol-
ting! Da können Sie nichts sagen!)
daß den Streitkräften in Struktur, Ausbildung und inne-
rem Gefüge ein modernes und gesellschaftlich angemes-
senes Gewicht gegeben wurde.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sagen Sie
einmal etwas zum Widerspruch!)
Heidi Lippmann
6900 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
– Ich komme noch dazu. – Unter Führung sozialdemo-
kratischer Bundeskanzler wurde die gesellschaftliche
Integration der Bundeswehr vollzogen. Viele Reformen
sind umgesetzt worden, zum Beispiel bei den Universi-
täten. Auch bei der Modernisierung der Ausrüstung der
Bundeswehr wurden in dieser Zeit die Weichen gestellt:
Leopard-Panzer, Tornados und Fregatten
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Thema
verfehlt!)
sind unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern
entwickelt und beschafft worden.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen das
aufgeschrieben?)
– Ich kann selber schreiben, Herr Breuer. Das wissen Sie.
– Das heutige materielle Rückgrat der Bundeswehr –
(Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)
wenn Sie zuhören würden, bräuchte ich nicht so laut zu
sein – geht also auf SPD-Minister zurück.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Damals gab
es die Frau Matthäus-Maier aber auch schon!)
Haben Sie das etwa vergessen? Ich glaube, daß ich nicht
übertreibe, wenn ich die sozialdemokratische Regie-
rungsleistung jener Zeit als strukturprägenden und tradi-
tionsbildenden Abschnitt in der Entwicklung der Bun-
deswehr bezeichne.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Was haben wir nach Ihrer 16jährigen Regierungszeit
vorgefunden? Was haben Ihre Minister hinterlassen?
Skandale, Probleme und einen finanziellen Scherben-
haufen. Darüber will ich mich nicht weiter auslassen.
Ich bleibe dabei: Die einzigen Minister, die die Bundes-
wehr auch zum Mitdenken aufforderten, waren sozial-
demokratische Minister.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der
CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Sie
haben bei Grimms Märchen angefangen, und
da enden Sie auch!)
An diese Tradition knüpft auch der jetzige Minister, Ru-
dolf Scharping, an.
Meine sehr verehrten Herren und Damen von der
CDU/CSU, mit dieser Aktuellen Stunde in diesem Ho-
hen Hause erreichen Sie Verunsicherung bei der Bun-
deswehr – ausgelöst von Ihnen. Sie betreiben eine unan-
gemessene Aufwiegelung und Scharfmacherei. War das
Ihre Absicht? Ich hoffe, nicht. Ihre Absicht ist es, ein
Ablenkungsmanöver zu inszenieren, damit die Öffent-
lichkeit und auch die Bundeswehr über Ihre delikaten
Parteispenden getäuscht werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf
von der CDU/CSU: Was ist denn mit Herrn
Glogowski und Herrn Klimmt? – Weitere Zu-
rufe von der CDU/CSU)
Ich empfehle Ihnen: Kehren Sie zum gepflegten Stil
in unserem Haus zurück! Bekennen Sie sich zu Ihren
Fehltritten, damit die Glaubwürdigkeit der Politik und
vor allen Dingen die Ehre der Politik wiederhergestellt
werden! Ich bitte Sie im Interesse unserer Bundeswehr
und auch unserer Bürgerinnen und Bürger: Kehren Sie
zur Sachlichkeit zurück!
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Kein Wort zum Thema!)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Paul Breuer.
Paul Breuer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Nach den Reden der Kolleginnen
und Kollegen der SPD und auch der Grünen, frage ich
mich: Wofür soll Herr Scharping Verantwortung tragen?
Für die Vergangenheit, sagen Sie, sei Volker Rühe zu-
ständig, für die Gegenwart wohl auch, und für die Zu-
kunft soll es die Wehrstrukturkommission richten. Zu
der Substanz dessen, was Sie wollen, haben Sie hier
überhaupt nichts gesagt. Null Verantwortung!
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Susanne Kastner [SPD]: Sie haben nichts ver-
standen!)
Ich habe mir am Montag im Rahmen der Komman-
deurstagung Zeit genommen und einige Gespräche mit
den Kommandeuren geführt. Dabei habe ich eines fest-
gestellt: Das, was der Generalinspekteur in seiner Rede
zum Ausdruck gebracht hat, nämlich daß das vergange-
ne Jahr ein verlorenes Jahr war und daß es für die Sol-
daten der Bundeswehr, aber auch für diejenigen, die die
politische Führung innehaben, schwer wird, auf die Ent-
scheidungen in drängender Lage – so seine Formulie-
rung – zu warten, gibt die Stimmung in der Bundeswehr
wieder. Von Ihnen höre ich, was die Zukunft angeht,
überhaupt nichts. Alles soll die Wehrstrukturkommissi-
on richten. Das ist schwach!
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Nur Ver-
unsicherung!)
Frau Beer, Sie haben gesagt, die damalige Bundesre-
gierung aus CDU/CSU und F.D.P. habe nicht genügend
Vorsorge für internationale Einsätze geleistet. Damit
versuchen Sie, die Geschichte auf den Kopf zu stellen.
Sie waren doch immer gegen diese Einsätze, Sie haben
die Leute aufgewiegelt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Die SPD ist vor das Verfassungsgericht gezogen. Vorbe-
reitung auf internationale Einsätze? Sie haben von Blau-
helmen gefaselt und versucht, den Eindruck zu erzeu-
gen, man könne mit dem Röschen im Gewehrlauf in die
Einsätze gehen. Die Vorbereitung mußte doch zuerst
einmal in Ihrem Kopf stattfinden! Und ich stelle fest: Sie
sind bis zum heutigen Tag nicht angekommen, Frau
Kollegin Beer.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wo ist denn Ihr Konzept, Herr Breuer?)
Verena Wohlleben
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6901
(A) (C)
(B) (D)
Meine Damen und Herren, die sicherheitspolitische
Lage hat sich verändert.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das sagen Sie? Bravo!)
Daß wir darauf vorbereitet sind – und die Bundeswehr,
auch mental –, Frau Kollegin Beer, verdanken Sie insbe-
sondere der Standhaftigkeit der CDU/CSU; denn sie hat
klar gesagt, daß das Grundgesetz auch eine Verteidigung
außerhalb des NATO-Territoriums zuläßt. Das ist nicht
Ihr Verdienst, sondern eindeutig das Verdienst der da-
maligen Bundesregierung von CDU/CSU und F.D.P.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Wenn Sie Volker Rühe dieses Verdienst absprechen
wollen, dann ist das absurd. Er ist der deutsche Verteidi-
gungsminister, dem zwei Verdienste zuzurechnen sind:
erstens die Änderung der NATO-Strategie und zweitens
die Öffnung der NATO nach Osten. Das weiß jeder
seriöse deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker.
(Beifall des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])
Meine Damen und Herren, mir ist aufgefallen, daß
der Bundeskanzler in seiner Rede, deren Genuß ich
allerdings ausgelassen habe
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Da haben Sie etwas versäumt!)
– ich habe die Rede gelesen, habe mich also von den
Showeffekten nicht beeindrucken lassen; allerdings ha-
ben sich auch die Kommandeure davon nicht beeindruk-
ken lassen –, den Verteidigungsminister abgewatscht
hat. Ich zitiere daraus: Gelegentlich höre ich, der Vertei-
digungshaushalt müsse deshalb erhöht werden, weil
viele unserer NATO-Partner deutlich mehr Geld für ihre
Sicherheitsvorsorge ausgeben und Deutschland im Ver-
gleich zu den Verteidigungshaushalten der NATO-
Partner an hinterer Stelle liegt.
(Peter Zumkley [SPD]: Das hört man wirk-
lich!)
– Ja, das hört man wirklich, aber vor allen Dingen vom
Verteidigungsminister, von Herrn Scharping.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Er hat ja auch recht. Wenn Herr Scharping ertragen
muß, daß ihm dies bei NATO-Tagungen vorgehalten
wird, ob vom amerikanischen Verteidigungsminister
Cohen, ob von Herrn Robertson oder wem auch immer,
dann muß ich sagen: Ich halte diese Veranstaltung im
Hinblick auf die deutsche Verantwortung für unwürdig.
Wir Deutsche – das ist jetzt einmal die Verantwortung
der SPD und der Grünen – müssen entscheiden, wieviel
Beitrag wir leisten wollen. Haushalt ist Politik in Zah-
len. Sie sind dabei, in einer schleichenden Art und
Weise die Prioritäten der deutschen Politik bei Ver-
nachlässigung der Außen- und Sicherheitspolitik zu ver-
ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Susanne Kastner [SPD]: Er will weiter Schul-
den machen! – Weiterer Zuruf von der SPD:
Abwarten!)
– Ich will nicht weiter Schulden machen. Es geht be-
züglich des Verteidigungshaushaltes um eine Nettokon-
solidierung im Haushalt von 1 Prozent.
Ich möchte, daß Deutschland in Zukunft seinen ver-
antwortlichen Beitrag leisten kann. Es kann nicht ange-
hen, daß Deutschland und die Bundeswehr immer grö-
ßere Verpflichtungen eingehen – dafür bin ich –, aber
eine Haushaltsdeckung dafür nicht vorhanden ist. Wenn
Sie in der Lage sind, in den zweiten Arbeitsmarkt, in die
Bundesanstalt für Arbeit Milliarden über Milliarden hin-
einzupumpen, dann ist es eine Pflichtvergessenheit ge-
genüber der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik,
insbesondere im Verteidigungshaushalt zu sparen. Dar-
um geht es!
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Nunmehr gebe ich
der Kollegin Angelika Beer vom BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN das Wort.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist ja eine
Wiederholungstäterin!)
Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr
Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man
könnte jetzt eigentlich Schluß machen
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
und sagen: Es „breuert“ wieder in deutschen Landen.
Herr Kollege Breuer, ich bin absolut enttäuscht, weil Sie
schlichtweg nicht in der Lage sind, an politische Kurs-
veränderungen, an sicherheitspolitische Rahmenbedin-
gungen und an das Recht der Bundeswehr auf Planungs-
sicherheit, die Sie verweigert haben, auch nur zu den-
ken. Sie brauchen hier keine Antworten zu geben. Das
machen wir. Die Verantwortung haben wir als Bundes-
regierung übernommen. Aber Sie sollten wenigstens
versuchen, in neuen Strukturen mitzudenken.
Wenn Sie sagen, Sie wollten endlich wissen, wohin
es geht: Lassen Sie uns die Debatte doch sachlich füh-
ren! Hören Sie auf, die Bundeswehr parteipolitisch zu
instrumentalisieren, manchmal mit Unterstützung des
Bundeswehr-Verbandes. Das, was Sie hier geleistet ha-
ben, ist wirklich „einmalig“.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Sagen Sie etwas
zur Sache!)
Der Kanzler hat sehr deutlich gesagt, wo die Anfor-
derungen liegen. Der Kanzler hat sich nicht in Wider-
spruch zum Verteidigungsminister gesetzt. Der Bundes-
kanzler hat nur das, was ich von Ihnen erhofft habe, auf-
gezeigt. Er hat die Veränderungen im europäischen
Bündnis und die Konsequenzen aufzeigt, die aus dem
Entstehen des Krieges im Kosovo, aus dem Krieg selber
und dem, was danach folgte, gezogen werden müssen.
Ich sage Ihnen hier noch einmal, auch wenn ich es in der
letzten Woche schon unterstrichen habe: Was Deutsch-
land im Rahmen des Stabilitätspaktes leistet – was Sie
nicht zum Einzelplan 14 zählen können –, was wir an
Stabilisierung für einen friedlichen Balkan der Zukunft
leisten, was wir im Bereich der Aufnahme von Flücht-
Paul Breuer
6902 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
lingen leisten, gehört zu einer präventiven Außen- und
Sicherheitspolitik, die neue Wege geht, was unter Ihnen
16 Jahre lang nicht geschehen ist.
Wir haben sehr sachlich diskutiert und dabei – so-
wohl Herr Schröder als auch der Verteidigungsminister
haben das eingeräumt – Defizite erkennen müssen, zum
Beispiel im Bereich der europäischen Möglichkeiten der
strategischen Aufklärung, im Lufttransport. Wir wollen
mit den Europäern zusammen – nicht in Konkurrenz zu
den Amerikanern – versuchen, diese Defizite gemein-
sam zu beseitigen, damit wir in Europa selber Verant-
wortung übernehmen können, um Kriege zukünftig zu
verhindern. Da ist bei Ihnen ein Blackout, das verstehen
Sie nicht. Was wir gemeinsam machen, heißt nicht
„Alles, was schon vorhanden ist, plus die Milliarden, die
Sie einfordern“, sondern heißt, die europäische Sicher-
heitsarchitektur neu und gemeinsam aufzubauen. Daran
werden sich alle Nationen beteiligen. Deswegen muß
nicht nur Deutschland die Struktur der Bundeswehr än-
dern, sondern auch die europäischen Partner müssen die
Struktur ihrer Armeen ändern; sie haben es schon früh-
zeitig getan. Das ist unser Vorwurf an Sie: Sie haben es
versäumt. Sie haben gesagt: Augen zu und durch, immer
weiter, nur mehr Geld. Es ist wichtig, daß auch der
Kanzler unterstrichen hat, wie gut es ist, daß sich
Deutschland in Zukunft an Maßnahmen der Vereinten
Nationen durch das Stand-by-Agreement beteiligen wird.
Er hat auch gesagt, er verschließt nicht die Augen da-
vor, daß diese Umstrukturierung Geld kosten wird. Aber
er fordert das politische Konzept ein. Da habe ich völlig
andere Eindrücke gewonnen als Sie. Die Kommandeure
wissen um die Enge bei den Staatsfinanzen. Mit Ver-
laub, das ist doch genau das, was wir Ihnen vorhalten
müssen. Wir müssen diese 30 Milliarden DM einsparen,
weil es ohne eine Konsolidierung der Staatsfinanzen
auch keine zuverlässige Sicherheitspolitik geben wird.
So einfach ist das, Kollege Breuer.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das müssen
Sie Herrn Lafontaine sagen!)
Beides gehört zusammen, und deswegen werden wir
nicht Verschiebebahnhof spielen.
Ich habe mich gefreut, daß wichtige Mitglieder der
Wehrstrukturreform-Kommission anwesend waren und
signalisiert haben, daß sie den Reformdruck erkannt ha-
ben. Daher werden sie nicht, wie wir ursprünglich ver-
einbart hatten, ihr Konzept und ihre Vorstellungen im
Herbst vorlegen, sondern wir werden im Frühjahr ge-
meinsam über die Bundeswehr der Zukunft diskutieren
und entscheiden, und zwar in allen Facetten. Dazu gehö-
ren auch die Frage der Wehrform, die Frage von Frauen
in der Bundeswehr und die Frage der Umstrukturierung.
Ich sage Ihnen nochmals: Die Soldaten haben deut-
lich sowohl auf die heutige Rede des Verteidigungsmi-
nisters, die Sie auch nicht gehört haben,
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wir haben
gearbeitet! – Paul Breuer [CDU/CSU]: Daß
man Vorwürfe gemacht bekommt, wenn man
im Parlament war, das hat es noch nie gege-
ben!)
als auch auf die des Bundeskanzlers signalisiert, daß sie
diesen Reformwillen mitbringen und die Sicherheit ha-
ben, daß wir zukünftig ein verläßlicher Bündnispartner
in Europa, innerhalb der NATO, und zwar nicht nur im
militärischen, sondern auch im präventiven Bereich, sein
werden. Das ist neu, und das ist gut so.
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Helmut Rauber.
Helmut Rauber (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Beer,
ich kenne keine verteidigungspolitische Position, die Sie
in den letzten eineinhalb Jahren nicht vertreten haben.
(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und
der F.D.P.)
Sie reden einmal so und einmal so, gerade wie es die
Schlagzeile hergibt. Das macht Sie wenig glaubwürdig.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wende-
hals!)
Bundeskanzler Schröder hat auf der Kommandeurs-
tagung in Hamburg erklärt, daß der Verteidigungshaus-
halt kein Steinbruch werden darf. Genau das geschieht
aber, da die Bundeswehr bis zum Jahre 2003 18,6 Mil-
liarden DM sparen muß. Dies kritisieren wir.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Weil Sie nicht einmal in der Lage sind,
eine Drucksache zu lesen, in der die Tatsachen
drinstehen!)
Wir kritisieren auch, daß der Bundeskanzler zum Thema
Wehrpflicht nicht einen einzigen Satz gesagt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Sie von der SPD und den Grünen beklagen sich heute
über das, was Sie früher selbst eingefordert haben. Sie
waren selbst nicht für mehr, sondern für weniger Geld
für die Bundeswehr. Sie haben in der Zeit von 1990 bis
1996 im Rahmen der Haushaltsberatungen Anträge ein-
gebracht, die vorsahen, bei der Bundeswehr insgesamt
13,8 Milliarden DM zu kürzen. Ihnen selbst war nicht
genug, was Bundeskanzler Helmut Kohl unter dem
Motto „Frieden schaffen mit weniger Waffen“ erreicht
hat. Diese Politik, eingebettet in weltpolitische Verände-
rungen, hat es möglich gemacht, daß die Bundeswehr
einschließlich NVA von 380 000 auf 340 000 Mann re-
duziert wurde. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Wir be-
grüßen auch ausdrücklich, daß im Bereich des Verteidi-
gungshaushalts eine jährliche Friedensdividende von
45 Milliarden DM möglich ist. Zu dieser Politik stehen
wir. Diese Politik halten wir nach wie vor für gut.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt kein Ressort, das auch nur annähernd einen
solchen Sparbeitrag geleistet hat wie der Verteidigungs-
haushalt. Wenn Sie sich heute darüber beklagen, daß im
Verteidigungshaushalt zu unserer Zeit zu wenig Mittel
eingestellt wurden, dann muß ich sagen: Dies ist schon
ein Oscar-reifes Stück an Dreistigkeit,
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Angelika Beer
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6903
(A) (C)
(B) (D)
wobei ich mit „Oscar“ nicht den meine, den Sie selbst
nicht mehr kennen wollen.
Die Regierung Kohl hatte rechtzeitig verstanden. Wir
hatten beschlossen, den Verteidigungshaushalt von
47 Milliarden DM in diesem Jahr auf 50 Milliarden DM
im Jahre 2000 zu erhöhen. Genau diese 50 Milliar-
den DM fordern wir ein.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie haben jede Reform abgelehnt!
Auch die Strukturkommission haben Sie ab-
gelehnt! Sie wollten nicht einmal nachden-
ken!)
Wir fordern sie nicht ein, weil wir meinen, Geldausge-
ben sei ein Maßstab erfolgreicher Politik, sondern wir
verlangen die 50 Milliarden DM deshalb, weil das der
Mindestbetrag ist, den die Bundeswehr selbst benötigt,
eine Bundeswehr, von der auch Sie in Sonntagsreden
sprechen.
Es ist absolut unstrittig, daß es in der Bundeswehr
– das sagen Sie ja selbst – Defizite im Bereich der stra-
tegischen, der operativen Aufklärung gibt, im Bereich
der Mobilität, der Interoperabilität, der Verstärkungs-
und Verlegungsfähigkeit, bei der Fähigkeit, zu überle-
ben und durchzuhalten, und bei der teilstreitkräfteüber-
greifenden Zusammenarbeit. Das alles hat auch der
Verteidigungsminister zugestanden.
Wenn wir noch zusätzlich das realisieren wollen, was
zum Beispiel die Bundesakademie für Sicherheitspolitik
im September dieses Jahres unter dem Titel „Revolution
in Military Affairs“ diskutiert hat, dann wird erst recht
klar, daß die Bundeswehr nicht weniger, sondern deut-
lich mehr braucht. Diese Revolution militärischer An-
gelegenheiten können Kriege oder Konflikte sicherlich
nicht menschlich machen, aber weniger grausam. Darauf
sollten wir hinarbeiten.
Es geht darum, durch Hochtechnologie Überlegenheit
und damit Abschreckungswirkung zu erreichen. Konkret
liegen die Ziele darin, eigene Verluste zu vermeiden
bzw. zu minimieren, Kollateralschäden zu begrenzen,
das Gefecht aus sicheren Abständen mit Präzisionswaf-
fen zu führen und durch einen massiven Einsatz von
Sensoren und Computern bei den Aufklärungs-, Infor-
mations- und Kommunikationssystemen die gewünschte
Überlegenheit herzustellen. Auch an diesem Punkt stellt
sich die Frage, in welcher Liga wir spielen wollen: Es
paßt nicht zusammen, in der Champions League spielen
zu wollen, wenn der Finanzminister nur bereit ist, für ei-
ne Kreisklassemannschaft zu zahlen.
Die Bundeswehr steht sicherlich vor großen Wei-
chenstellungen. Wir sind dann zu einer Zusammenarbeit
bereit, wenn sie sinnvoll ist. Im Augenblick allerdings
sehen wir die Grundlage dazu nicht gegeben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die SPD-
Fraktion spricht der Kollege Volker Kröning.
Volker Kröning (SPD): Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wenn ich Sie so höre,
Herr Breuer, dann fällt mir eigentlich nur ein: Ideen
können nicht durch Lautstärke ersetzt werden.
(Beifall bei der SPD – Heidi Lippmann [PDS]:
Das hat er bei der Bundeswehr gelernt!)
Bei Ihrer Rede und der des Kollegen Rauber fiel mir auf,
wie sehr Ihre Argumentation vergangenheitsgewandt
– man könnte schon fast sagen: nostalgisch – ist.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Jetzt
kommen die Visionen! – Zuruf von der
CDU/CSU: Da haben Sie nicht zugehört!)
Ich sage Ihnen: Seit dem gestrigen Tage, seit dem
30. November 1999, sieht für Sie die Welt anders aus.
Sie müssen sich mit Ihrer Zukunft beschäftigen.
(Susanne Kastner [SPD]: Mit Ihrer Vergan-
genheit auch!)
Das gilt nicht nur für Altbundeskanzler Kohl, der nicht
mehr zurücktreten kann, weil er zum Glück schon ab-
gewählt ist, sondern wird wahrscheinlich auch noch für
Ihren Spitzenkandidaten in Schleswig-Holstein, Rühe,
gelten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Günther
Friedrich Nolting [F.D.P.]: Kommen Sie doch
mal zum Thema!)
Ihre Argumentation in der Haushaltsdebatte des
Deutschen Bundestages und in der heutigen Aktuellen
Stunde steht unter der Überschrift, daß die Zukunft der
Bundeswehr unsicher sei.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Das ist so! – Gün-
ther Friedrich Nolting [F.D.P.]: So ist es!)
Das ist Unsinn. Das habe ich schon neulich gesagt, und
das will ich erneut belegen.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Was Sie hier vor-
tragen, ist Autismus, Ignoranz gegenüber dem,
was diskutiert wird!)
Herr Rauber, man kann nur dann von Einsparungen in
Höhe von 18 Milliarden DM sprechen, wenn man die
jetzige Finanzplanung mit der Finanzplanung der Regie-
rung Kohl/Waigel/Rühe vergleicht und diese ernst ge-
nommen hat – was die Mehrheit der Wähler offenbar
nicht getan hat. Nur wer diese Finanzplanung ernst ge-
nommen hat, kann davon überrascht sein, was jetzt nicht
nur im Verteidigungsressort, sondern in allen anderen
Ressorts zu geschehen hat. Jede Regierung mußte –
nicht zuletzt unter dem Maastricht-Regime – die Sanie-
rung der Staatsfinanzen einleiten. Diese Anstrengung –
das sage ich für meinen Part – muß durchgehalten wer-
den.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Schar-
ping will doch mehr Geld! Ihr wollt doch kür-
zen!)
Was der Bundeskanzler dazu in Hamburg gesagt hat,
verdient über diesen Kreis hinaus – der es sowieso weiß
– wiedergegeben zu werden. Ich zitiere:
Helmut Rauber
6904 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Angesichts von 82 Milliarden DM Zinszahlungen
jedes Jahr – das sind 150 000 DM in jeder Minute –,
wohlgemerkt ohne Tilgung, muß es Ziel jedes poli-
tisch Verantwortlichen in diesem Lande sein, diese
Schuldenlast nachhaltig zu senken, bis hin zu einem
ausgeglichenen Haushalt.
(Beifall bei der SPD)
Unsere Konsolidierungspolitik
– das ist auch über die Fernsehnachrichten gelaufen –,
für deren Unterstützung ich auch bei Ihnen werbe,
– bei den Soldaten werbe –,
ist nicht Selbstzweck, sondern unabdingbare Vor-
aussetzung für die Wiedererlangung der staatlichen
Handlungsfähigkeit und damit der Zukunftsfähig-
keit von Staat und Gesellschaft.
Die SPD-Fraktion steht ungeteilt hinter diesen Ausfüh-
rungen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ich füge an, und das sei noch einmal zu Ihrem Antrag
auf Erhöhung des Verteidigungshaushaltes um 1,7 Mil-
liarden DM in den Haushaltsberatungen gesagt: Solange
Sie bei Ihren Anträgen auf Mehrausgaben nicht sagen,
wie Sie sie finanzieren wollen,
(Susanne Kastner [SPD]: Da fällt Ihnen nichts
mehr ein!)
also – im Klartext – ob Sie an anderer Stelle Minderaus-
gaben akzeptieren oder erneut in die Neuverschuldung
gehen wollen, sind Ihre Vorschläge nicht zu diskutieren.
Ihre Vorschläge sind, ohne daß Sie einen Finanzie-
rungsvorschlag machen, nicht anzunehmen. Wenn Sie
an Ihre alte Finanzplanung anschließen wollen, müssen
Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, den Staat in den
Ruin zu treiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hel-
mut Rauber [CDU/CSU]: Das hat Lafontaine
schon versucht!)
Nun zu der Kommandeurstagung: Niemand außer-
halb und innerhalb des Saales wird erwartet haben,
(Verena Wohlleben [SPD]: Breuer hört nicht
zu! Allerhand!)
daß der Kanzler vor den Offizieren eine andere Haltung
einnimmt als vor den Bauern, den Wirtschaftsverbänden
oder den Gewerkschaften, zum Beispiel der IG Metall.
Auch die Soldaten, abgesehen von einigen, die ich als
Nur-Soldaten bezeichne – das ist zum Glück in der Bun-
deswehr, die wir Sozialdemokraten maßgeblich mit ge-
prägt haben, die Ausnahme und nicht die Regel –,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wissen, daß die Sanierung der Staatsfinanzen von über-
ragendem Interesse ist, das nicht nur wir Deutsche ha-
ben; denn wir sind nicht allein auf der Welt. Dieses In-
teresse muß auch das Ausland haben.
Ich bedaure, daß sich auch der amerikanische Vertei-
digungsminister, den ich keineswegs als Fachidioten be-
zeichnen würde, dieses sagen lassen muß. Er scheint
nicht zu wissen, welche Lasten Deutschland für die
Überwindung seiner Teilung zu tragen hatte und noch zu
tragen hat
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Weltmacht SPD!
Das ist das, was euch der Schmidt schon ein-
mal gesagt hat! – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Hochmut kommt vor dem Fall!)
und welche Beiträge Deutschland auch zur Überwin-
dung der Teilung Europas mitzutragen hat. Das ist nicht
nur ein militärischer, sondern auch ein nichtmilitärischer
Beitrag. Ich wiederhole die Zahlen: 59 Milliarden DM
plus 55 Milliarden DM Verteidigungsausgaben plus
– im engsten Sinne der Definition – erweiterte Sicher-
heitsvorsorge in Europa. Das ist die Relation im Haus-
halt 2000. Dazu können wir als aufgeklärte und zu-
kunftsgewandte Sicherheitspolitiker sehr gut stehen.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sagen Sie
doch einmal etwas zu den Forderungen von
Scharping!)
Ich habe den Eindruck, bei Ihnen werden Zwischen-
töne laut, die leider heute hier am Pult nicht zur Geltung
kommen. Der Kollege Kossendey hat zu Recht die Frage
aufgeworfen, ob man nicht –
Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Krö-
ning, Sie müssen leider zum Schluß kommen.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Warum
leider?)
Volker Kröning (SPD): – zu einer Verstetigung der
Verteidigungsausgaben kommen sollte. Er hat auch er-
wogen, ob man nicht zu einer Definition des Anteils am
Gesamtbudget kommen sollte. Ich sage: Gut, Kompli-
ment und weiter so.
Warum spricht die CSU heute gar nicht in der De-
batte? Ist das, was in der Zeitung steht, richtig?
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Ganz ruhig!
– Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wir
kommen doch noch!)
Herr Raidel, jetzt sagen Sie einmal, welche Vorstellun-
gen Sie haben und ob Sie bereit sind, die Diskussion zu
eröffnen und endlich Vorschläge auf den Tisch zu legen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN – Günther Friedrich
Nolting [F.D.P.]: Er hat wieder nichts zu den
Forderungen von Scharping gesagt!)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Hans Raidel.
Volker Kröning
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6905
(A) (C)
(B) (D)
Hans Raidel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege
Kröning, Sie sind eigentlich ein ganz vernünftiger
Mensch, wenn man privat mit Ihnen spricht.
(Susanne Kastner [SPD]: Im Gegensatz zu Ih-
nen, Herr Raidel! – Manfred Opel [SPD]: Da
kommt der Lehrer durch!)
Aber mit Buchhaltermentalität, die Sie gerade an den
Tag gelegt haben, kommt man im Bereich der Verteidi-
gung und Sicherheit nicht allzu weit.
Wenn Sie hier dann auch noch den amerikanischen
Verteidigungsminister Cohen völlig deplaziert apostro-
phieren,
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: So ist es!
Das ist beleidigend!)
dann paßt das überhaupt nicht zu dem Verhältnis der
NATO zu Amerika, Deutschlands zu Europa, zur Ver-
teidigungsphilosophie insgesamt. Ich glaube, Sie sollten
immer auch ein klein wenig daran denken, was wir in
diesem ganzen Bereich den Amerikanern zu verdanken
hatten und auch heute noch zu verdanken haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Cohen und Scharping sind dieser Tage in Garmisch.
Vielleicht nehmen sie die Gelegenheit wahr, das, was
Sie hier vom Stapel gelassen haben, wieder in Ordnung
zu bringen.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: So ist
es!)
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, Zah-
len sind wichtig, Geld ist notwendig.
(Susanne Kastner [SPD]: Habt Ihr das schon
kapiert?)
Sie müssen sich schon daran messen lassen, was die
mittelfristige Finanzplanung aussagt, weil sie ja irgend-
wo auch durchaus verbindlichen Charakter in bezug auf
den jeweiligen Haushalt hat. Sie haben angeführt, unsere
damalige Planung belief sich für das Jahr 2000 auf
48,3 Milliarden DM, stetiger Aufwuchs bis 2003 auf
49,5 Milliarden DM. Sie haben den Sturzflug der Bun-
deswehr eingeleitet, indem Sie den Etat auf 43,7 Milliar-
den DM herunterfahren.
(Susanne Kastner [SPD]: Nein, Sie, indem Sie
den Haushalt überschuldet haben!)
Wenn Sie es noch genauer haben wollen: Es geht ja
nicht nur um Einsparungen in den verschiedenen Titeln,
sondern es geht ja gleichzeitig auch um die globale
Minderausgabe, die rasenmähermäßig nun über diesen
Ansatz hinweggeht, und es werden keine Begründungen
gegeben.
(Volker Kröning [SPD]: Das Gegenteil ist
richtig! Sie hören nicht zu!)
So ist es in dem Titel des Haushaltsplans ausgewiesen.
Also ist nicht das Gegenteil richtig, sondern das, was
hier gesetzlich verbrieft ist.
(Susanne Kastner [SPD]: Was hätten Sie denn
gemacht? Nur Schulden!)
Wir haben in den letzten Monaten folgendes positiv
bewirkt: Wir haben die NATO in Washington neu ge-
staltet; wir haben die Kölner Erklärung zur EU; wir
werden demnächst in Helsinki Positives bewirken. Wir
haben die OSZE jetzt in Istanbul neu gestaltet. Wir ha-
ben – das bemängeln wir auch heute – zur Finanzierung
all dieser neuen Leistungen keine einzige Aussage ge-
hört. Jeder hier weiß, daß mit den Mitteln, die jetzt zur
Verfügung gestellt werden, diese neuen Aufgaben in
keinster Weise erledigt werden können. Das ist eine
Bringschuld von Ihnen. Diese Aussage muß die Opposi-
tion nicht von Ihnen einholen, sondern Sie müssen
nachweisen, wie diese Struktur finanziell gestaltet wer-
den kann.
(Manfred Opel [SPD]: Das kommt! – Volker
Kröning [SPD]: Wie finanzieren Sie Ihre Vor-
schläge?)
Ich sage Ihnen eines: Ständige Abstriche an der
Finanzausstattung der Bundeswehr machen die langfri-
stige Planung eben leider zu einem Glücksspiel mit im-
mer kürzerer Verfallszeit der Ergebnisse. Abrupte Kür-
zungen im Verteidigungshaushalt, wie Sie das nun auch
als zuständiger Berichterstatter zum Einzelplan 14 im
Haushaltsausschuß tatsächlich vertreten haben, ermögli-
chen ja nicht eine vernünftige Struktur, die wir alle be-
jahen, und die erforderlichen Umstrukturierungen, son-
dern sie behindern sie geradezu. Das ist doch in Wirk-
lichkeit das Ergebnis Ihrer Politik.
Sind wir denn wirklich auf einer völlig anderen Ver-
anstaltung? Wer streitet denn gegen den eigenen Kanz-
ler? Wer streitet denn gegen die eigene Fraktion? Wer
streitet denn gegen die Regierungskoalition? – Bundes-
minister Scharping liegt im Clinch mit Ihnen,
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: So ist
es!)
doch nicht mit uns. Wir sind die zuverlässigen Truppen,
die ihn stützen, damit er gegen Sie überhaupt eine eini-
germaßen feste Position hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Das wird auch weiterhin so bleiben.
(Volker Kröning [SPD]: Sagen Sie doch mal
was zu Ihrem Vorschlag! – Verena Wohlleben
[SPD]: Sagen Sie doch mal was zu Ihrem Pa-
pier, das Sie uns geschickt haben!)
Wir werden diese Vorschläge auf den Tisch legen.
Wir sind dafür, daß die Bundeswehr ihre Aufgaben
künftig vernünftig bewältigen kann. Dazu ist eine
Strukturreform notwendig – was nicht bestritten wird –,
aber es wird folgendes gelten müssen: Wir brauchen da-
für mehr und nicht weniger Geld.
(Verena Wohlleben [SPD]: Was ist mit Ihrem
Papier, Herr Raidel? Haben Sie Ihr Papier
nicht gelesen?)
Für mehr Geld kämpfen wir gemeinsam. Ich lade Sie
ein, mitzumachen. Sie sollten mit Ihren Verbalattacken
nicht vertuschen oder verheimlichen, daß Sie keine Ar-
6906 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
gumente für eine vernünftig strukturierte Bundeswehr
haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Volker Kröning [SPD]: Auch die CSU ist für
eine kleinere Armee! Die Wehrpflicht soll auf
sechs bis acht Monate verkürzt werden! „Süd-
deutsche Zeitung“ vom 27. August! – Günther
Friedrich Nolting [F.D.P.]: Die SPD hat doch
überhaupt kein Konzept! Was liegt denn von
der Fraktion vor?)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich gebe das Wort
dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesvertei-
digungsministerium, Walter Kolbow.
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Verteidigung: Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen!
(Susanne Kastner [SPD]: Jetzt aber Ruhe! Mal
zuhören!)
Ich denke, daß es nicht angemessen ist, mit Spekula-
tionen, freien Phantasien und parteipolitischer Eigennüt-
zigkeit an die Kommandeurstagung heranzugehen.
(Beifall bei der SPD – Paul Breuer [CDU/
CSU]: Meinen Sie den Bundeskanzler?)
Diese Tagung verdient angemessene Berücksichtigung,
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Meinen Sie Herrn
Schröder?)
und ein Teil dieser angemessenen Berücksichtigung hat
auch der Bundeskanzler selbst von Ihnen verdient; denn
Sie sollten sich an den Fakten orientieren
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das geht
jetzt gegen den Bundeskanzler! Vorsichtig!)
und nicht an Ihren, wie schon dargelegt, eigennützigen
Interessen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Das haben weder unsere Soldatinnen und Soldaten noch
die zivilen Beschäftigten verdient.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das geht
jetzt alles gegen Schröder!)
Weil Sie vielleicht der Auffassung sind, daß es zu sehr
parteipolitisch gefärbt ist,
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Vorsicht!)
wenn ich aus der Rede von Herrn Scharping oder aus
der Rede unseres Bundeskanzlers zitiere, möchte ich
Ihnen kurz etwas aus der Rede des Generalinspekteurs
vortragen, den Sie – das wundert mich – in Ihren Reden
und Darstellungen eigentlich überhaupt nicht berück-
sichtigt haben, was ein erheblicher politischer und son-
stiger Mangel ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Paul Breuer [CDU/CSU]:
Den haben wir doch zitiert!)
– Ja, aber falsch, lieber Kollege Breuer. Jetzt zitiere ich
einmal richtig:
Angesichts der Lage der Staatsfinanzen insgesamt
und der Umstände, denen sich die Bundesregierung
gegenübersieht, verstehen und akzeptieren wir, daß
unser Staat finanzpolitisch handlungsfähig sein und
Spielraum gewinnen muß, um seiner Rolle in Euro-
pa und in der Welt gerecht zu werden. Aber er muß
und will auch sicherheits- und bündnispolitisch
handlungsfähig bleiben. Beides muß in eine ver-
nünftige Balance gebracht werden.
(Peter Zumkley [SPD]: Das ist doch sehr ver-
nünftig!)
Genau das tun wir im Augenblick.
(Beifall bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN – Paul Breuer [CDU/
CSU]: Der Mann hat recht!)
Das ist genau der Weg, den wir im Augenblick gehen.
Herr Kollege Raidel, Sie waren in Ihrem Diskussi-
onsbeitrag gerade intellektuell unredlich;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
denn hier, in der Zeitung, steht: Auch CSU für eine klei-
nere Armee. Das heißt, Sie wollen schon jetzt über das
Einsparen von Personalkosten eine Umorientierung er-
reichen.
(Peter Zumkley [SPD]: Das hat mich sehr ge-
wundert! Vier Monate Wehrpflicht! Da faßt
man sich doch an den Kopf! – Kurt J. Ross-
manith [CDU/CSU]: Wo steht das?)
Wer sich so verhält, der darf uns nicht vorhalten, daß
wir jetzt etwas falsch machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Im übrigen hat der Bundeskanzler vor den Komman-
deuren der Bundeswehr in Hamburg – dies in völliger
Übereinstimmung mit dem Bundesminister der Vertei-
digung – klar und unmißverständlich herausgestellt, daß
die Bundesregierung auch weiterhin alles daransetzen
wird, daß unsere Soldaten im Einsatz die Ausrüstung
und das Gerät bekommen, das sie benötigen. Zugleich
hat er hervorgehoben, daß Schritte zu einer längst über-
fälligen Anpassung der Bundeswehr an die geänderten
Rahmenbedingungen dringend notwendig sind. Es paßt
keine Briefmarke zwischen die Aussagen des Bundes-
kanzlers und die Rede des Verteidigungsministers.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Klar ist auch – das wissen Sie so gut wie ich; sonst
würde die CSU solche Vorschläge nicht machen –,
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Die CSU
macht keine solchen Vorschläge!)
daß das Verteidigungsministerium – wie alle anderen
Ressorts – einen Beitrag zu der von der Vorgängerregie-
rung versäumten Sanierung der Staatsfinanzen leistet.
Hans Raidel
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6907
(A) (C)
(B) (D)
Dies ist im Rahmen des Haushalts 2000 – der Kollege
Kröning hat darauf hingewiesen – im für dieses Jahr
vorgesehenen Umfang erfolgt.
Im übrigen muß ich darauf hinweisen – ich kann es
mir nicht verkneifen; ein bißchen rhetorischen Spaß muß
man auch bei einer solchen Auseinandersetzung haben –,
daß globale Minderausgaben, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, in den Jahren Ihrer Regie-
rung zum täglichen Haushaltsbrot der Bundeswehr ge-
hört haben. Auch wenn es schon einmal angeführt wor-
den ist, muß ich Ihnen noch einmal die Aussage von
Herrn Rühe vorhalten, die Gestaltung des Sparens habe
lediglich die karge Wirklichkeit der Bundeswehr zu ver-
schleiern,
(Verena Wohlleben [SPD]: Genauso ist das!
Der hat ein kurzes Gedächtnis!)
die Sie der Bundeswehr oktroyiert hätten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: So ist
das! Das war Schwarzbrot! – Günther Fried-
rich Nolting [F.D.P.]: Ihr gestaltet doch gar
nicht mehr! Ihr wißt doch gar nicht, was das
ist!)
Der Bundeskanzler und auch der Verteidigungsmi-
nister haben auf der Kommandeurstagung der Bundes-
wehr klar herausgestellt, daß diese Neuausrichtung Geld
kosten wird. Beide haben dabei unter anderem darauf
hingewiesen, daß innerhalb der Streitkräfte erheblicher
Nachholbedarf im investiven Bereich besteht und daß
unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit untrennbar
mit leistungsfähigen, zukunftsorientierten Streitkräften
verbunden ist.
Das Ziel, zukunftsfähige Streitkräfte zu schaffen, er-
fordert eben ein klares, von uns aufgezeigtes konzeptio-
nelles Vorgehen. Die Bundesregierung hat dazu die
Voraussetzungen geschaffen, und gemeinsam mit der
militärischen Führung werden wir die Konturen für die-
se neue Bundeswehr festlegen. Die dafür notwendige
Grundlagenarbeit wird im Frühjahr des kommenden Jah-
res weitgehend abgeschlossen sein. Zu diesem Zeitpunkt
werden uns die Empfeh lungen der Kommission vorlie-
gen, die eine wichtige Grundlage für die im kommenden
Jahr anstehenden konzeptionellen und haushälterischen
Entscheidungen bilden werden.
Lassen Sie mich – auch aus Freude über die Ausein-
andersetzung mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von CDU/CSU und F.D.P. – ein Zitat vortragen:
Die Bundeswehr ist auch ein Vorbild in Sachen
Flexibilität und Mobilität. Ich wünsche mir diese
Beweglichkeit im Denken und Handeln stärker
auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft an-
gesichts der jetzt notwendigen Veränderungen.
Wären wir in einer Debatte, würde ich Sie, Herr Kollege
Breuer, bitten, mich zu fragen, wer dieses Zitat ausge-
sprochen hat.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Ich kenne solche
Effekte!)
Dies hat nicht Bundeskanzler Schröder, sondern Bun-
deskanzler Kohl auf der 36. Kommandeurstagung im
Jahr 1997 gesagt.
(Hans Raidel [CDU/CSU]: Das ist richtig! –
Verena Wohlleben [SPD]: Er hat die Partei-
soldaten gemeint!)
Weiß Gott, Sie haben unsere Soldatinnen und Soldaten
sowie die Zivilbeschäftigten nicht nur gefordert, sondern
– ich denke an das Problem: B 12 zu B 10 – auch nicht
selten überfordert. Lassen Sie also Ihre unhaltbaren
Vorwürfe, die heute wieder über das Instrument der
Aktuellen Stunde eingebracht worden sind!
Es geht nun darum – ich möchte ausdrücklich auf das,
was der Kollege Kossendey angesprochen hat, Bezug
nehmen –, gemeinsam den eingeschlagenen Kurs zu
halten, damit die seit langem überfälligen Reformen un-
serer Streitkräfte auf den Weg gebracht werden können.
Der Bundeskanzler und der Verteidigungsminister haben
auf der Kommandeurstagung – ich unterstreiche es –
gemeinsam mit dem Generalinspekteur, also dem Reprä-
sentanten unserer Streitkräfte und der militärischen Füh-
rung, die Gelegenheit ergriffen und hierzu klare und
ineinandergreifende Impulse gesetzt. Die Bundesregie-
rung wird jedenfalls auch weiterhin – da können Sie
noch so viele Aktuelle Stunden beantragen und Debatten
führen; ich lade Sie ausdrücklich dazu ein, weil wir vor-
bereitet sind – daran arbeiten. Ich rate Ihnen: Schärfen
(Zuruf von der CDU/CSU: Dann können wir
doch gar nicht mehr anders!)
Sie Ihr Profil, das leider in diesem Zusammenhang völ-
lig blaß und ungenau ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wir werden jedenfalls unbeirrt an unserem Kurs festhal-
ten, um mit den notwendigen Umgestaltungen der Bun-
deswehr, die keinen weiteren Aufschub dulden, zu begin-
nen. Wir werden – ich lade Sie auch im Namen des Bun-
deskanzlers und des Verteidigungsministers dazu ein –
(Zuruf von der CDU/CSU: Schon wieder eine
Einladung!)
zukunftsfähige Streitkräfte in einem zunehmend zu-
sammenwachsenden Europa schaffen. Genau dies brau-
chen wir, wenn Deutschland zu einer angemessenen
Wahrnehmung seiner Verantwortung für den Frieden in
Europa und in der Welt befähigt sein will, aber nicht Ihr
Lamentieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Wie ist das mit dem Widerspruch
zwischen Schröder und Scharping?)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Kurt Rossmanith.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn alle
zwei Jahre annähernd 500 Kommandeure zu ihrer
Parl. Staatssekretär Walter Kolbow
6908 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Tagung zusammenkommen, dann erwarten sie mit
Recht, daß nicht nur der Bundeskanzler dieser Republik
zu ihnen spricht, sondern daß er auch – wenn schon der
Titel der Tagung „Bilanz und Perspektiven“ lautet –
einiges zu den Perspektiven sagt
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Genau das hat er getan!)
und daß er sich nicht nur – so war es schon vor der Wahl
üblich – in Allgemeinplätzen verliert. Aber nicht anders
war seine Rede auf der Tagung der Kommandeure in
Hamburg. Das einzige, was er getan hat, war – das hat
mich gewundert; aber es ist bisher nicht angesprochen
worden –, daß er mit dem Märchen der Schuldenmacher
und der Schuldenhinterlasser
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Märchen? Märchen?)
aufgeräumt hat. Dafür bin ich ihm dankbar.
Lieber Kollege Volker Kröning, wenn Sie schon
zitieren, dann bitte schön vollständig; denn Kanzler
Schröder – jetzt zitiere ich dort weiter, wo Sie aufgehört
haben – hat gesagt:
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Aha!)
Das sind Daten, die wir zur Kenntnis zu nehmen
haben und die wir übrigens nicht parteipolitisch
einseitig abladen können. Alle haben daran mitge-
wirkt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Volker Kröning [SPD]: Aber sie stimmen!)
Dies hat er gesagt. Wenn man schon zitiert, dann sollte
man, bitte schön, auch vollständig zitieren.
(Volker Kröning [SPD]: Und wer muß das
abtragen?)
Mich verwundert, daß wir plötzlich von den Grünen
angegangen werden, wir hätten zuwenig für die Vertei-
digungslasten ausgegeben.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ich habe gesagt: Sie haben die Struk-
turreform verschlafen! Das ist viel schlim-
mer!)
Ich stimme Ihnen, Frau Beer, zu. Wir hätten gerne mehr
ausgegeben. Kanzler Kohl hatte 1997 natürlich recht, als
er vor den Kommandeuren gesagt hat: Wir haben dies
nicht gern getan, aber wir mußten auf Grund der Lasten,
die uns durch die Überwindung der Teilung und durch
die Hinterlassenschaft der Kommunisten und Sozialisten
in der ehemaligen DDR aufgebürdet worden sind, spa-
ren. Nur, damals wollten wir über 50 Milliarden DM
hinauskommen und unseren Soldaten eine Perspektive
aufzeigen. Dies ist jetzt nicht der Fall.
Sie behaupten – die Diskussion im Parlament liegt
doch noch gar nicht so lange zurück; selbst Sie müßten
sich an sie erinnern –, wir hätten zuwenig Gerät ange-
schafft. Wie sah denn die Diskussion über den Euro-
fighter aus? Es waren die SPD und die Grünen, die uns
vorgerechnet haben, wie viele Kindergärten man an
Stelle eines Eurofighters bauen könne.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
An diese Tatsache sollten Sie sich auch erinnern.
(Manfred Opel [SPD]: Was sollen denn Euro-
fighter ohne Bewaffnung?)
Wie einsam inzwischen die Hardthöhe, sprich Mi-
nister Scharping und sein Stellvertreter Walter Kolbow,
dastehen, ist doch daran zu erkennen, daß die Regie-
rungsbank leer ist.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Zuruf
von der SPD: Bei dieser überflüssigen Aktu-
ellen Stunde wäre das Verschwendung!)
Außer dem Staatssekretär für Verteidigung ist kein Re-
gierungsmitglied mehr auf der Regierungsbank. Das
heißt, das interessiert sie gar nicht mehr. Diese Tatsache
müssen wir leider Gottes mit Bedauern – das meine ich
wirklich so – zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Susanne Kastner [SPD]: Herr Rossmanith, Sie
nehmen sich zu wichtig!)
Ich sage es noch einmal: Gerade bei Fragen der Si-
cherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik haben wir
schon damals in der Opposition – ich habe schon 1980
als Oppositionspolitiker begonnen – und während unse-
rer Regierungszeit von 1982 bis 1998 immer darauf ge-
achtet,
(Verena Wohlleben [SPD]: Ein bißchen Lä-
cheln! – Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ein bißchen mehr Charme!)
daß zumindest in den Grundsätzen ein Konsens herbei-
geführt wurde. Diesen Konsens haben Sie in der Zwi-
schenzeit – das ist sehr bedauerlich – verlassen.
(Susanne Kastner [SPD]: Oder Sie! – Zuruf
von der SPD: Wir nicht!)
Ich kann Sie nur auffordern, wieder zu diesem Konsens
zurückzukehren.
(Manfred Opel [SPD]: Warum lehnen Sie
dann den Haushalt ab? – Volker Kröning
[SPD]: Mit Ihrem Opportunismus ist das nicht
zu machen!)
Der Kollege Staatssekretär Walter Kolbow sprach
davon, auch die CSU sei für Kürzungen und ähnliches
mehr. Das stimmt so nicht. Jeder darf bei uns Denkan-
stöße geben, wir sind ja eine demokratische Partei. Der
Vorschlag, den der sehr geschätzte Kollege Raidel, der
sehr viele gute Ideen hat,
(Volker Kröning [SPD]: Das wird auch höch-
ste Zeit!)
unterbreitet hat, ist nicht automatisch ein Vorschlag der
CSU,
(Peter Zumkley [SPD]: Danke für die Klar-
stellung!)
sondern einer des CSU-Abgeordneten Raidel, über den
wir diskutieren werden.
(Zuruf von der SPD: Der Kollege Schmidt
unterstützt das auch!)
Kurt J. Rossmanith
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6909
(A) (C)
(B) (D)
Sie tun das ja nicht, sondern verweigern die Diskussion.
(Verena Wohlleben [SPD]: Quatsch!)
Wie das Kaninchen vor der Schlange verweisen Sie
auf die Kommission wiederum, auf die Kommission und
noch einmal auf die Kommission. Da frage ich mich,
wer in diesem Lande die Politik macht.
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wir!)
Macht die Bundesregierung nicht die Politik? Bestimmt
nicht der Bundeskanzler die Leitlinien der Politik? Sollte
nicht Politik hier in diesem Parlament von der Oppositi-
on und von der Regierungskoalition gestaltet werden?
Sie, meine Damen und Herren, müssen wieder dahin zu-
rückkehren. Diesen Ratschlag sollten Sie auch für die
Zukunft beherzigen im Interesse unserer Sicherheit, in
Verantwortung für unsere Soldaten, die die Aufgaben,
die wir ihnen gegeben haben, auszuführen haben, aber
auch aus Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger
in diesem Land, im Nordatlantischen Bündnis und in
Europa.
Ich fordere Sie deshalb auf, wieder zu einem Konsens
zurückzufinden. Sagen Sie auch Ihrem Bundeskanzler,
daß er sich wieder gemäß diesem Konsens verhalten
soll.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
Heidi Lippmann [PDS]: Applaus von Herrn
Zumkley! Für das Protokoll!)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die SPD-
Fraktion spricht der Kollege Manfred Opel.
Manfred Opel (SPD): Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Über welche Bun-
deswehr haben Sie eigentlich gesprochen? Die neu der
NATO beigetretenen Länder kommen auf uns zu und
wollen unsere erfolgreichen Konzepte wie innere Füh-
rung, wie Führungsverfahren und die organisatorischen
Möglichkeiten der Bundeswehr übernehmen. Sie studie-
ren sie und kommen zur Führungsakademie der Bun-
deswehr.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ist es doch nicht so
schlecht bei euch?)
Sie aber sagen, die Bundeswehr würde nichts taugen.
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Unver-
schämtheit! – Widerspruch bei der CDU/
CSU)
– Herr Nolting, Sie haben gesagt, auf dem Rücken der
Soldaten werde ein verantwortungsloses Spiel ausgetra-
gen. Das haben Sie vorhin gerade gesagt.
(Peter Zumkley [SPD]: Richtig! Das hat er ge-
sagt!)
Dieses steht schlicht und einfach nicht in Übereinstim-
mung mit der Wirklichkeit.
(Beifall bei der SPD)
Sie, Herr Rauber, sind ja nicht nur einfacher Abge-
ordneter, sondern tragen auch große Verantwortung für
viele ehemalige Soldaten, für die Reservisten. In Ihren
letzten Worten haben Sie hier angedroht, den Konsens
aufzukündigen.
(Helmut Rauber [CDU/CSU]: Genau das Ge-
genteil habe ich gesagt!)
– Sie haben angekündigt, den Konsens aufzukündigen.
Ich warne Sie eindringlich davor, dieses durchzuführen.
Ich bin dankbar, daß der Kollege Rossmanith und der
Kollege Kossendey sich wirklich von dem Gedanken
haben leiten lassen, daß wir hier den Konsens im Inter-
esse der Bundeswehr suchen.
Die Bundeswehr würde es nicht verstehen – auch die
Gesellschaft nicht –, wenn wir hier nicht das Beste für
die Bundeswehr suchten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Paul Breuer [CDU/CSU]:
Sie haben schlecht zugehört! – Günther Fried-
rich Nolting [F.D.P.]: Was treiben Sie denn
da?)
Wenn Sie hier eine Aktuelle Stunde über die Rede
des Bundeskanzlers abhalten, dann wäre es ganz gut,
wenn Sie seine Rede hier auch zitierten. Die einzigen,
die diese Rede ausführlich zitiert haben, waren Herr
Staatssekretär Kolbow
(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Er hat
auch mehr Redezeit gehabt!)
und Herr Kollege Volker Kröning. Sie aber haben nur
Teile daraus zitiert.
Worüber reden wir hier eigentlich? Sie haben be-
hauptet, der Bundeskanzler habe der Bundeswehr etwas
entzogen. Genau das Gegenteil ist richtig: Der Bundes-
kanzler hat der Bundeswehr eine Perspektive gegeben.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wo, Herr
Kollege Opel? – Paul Breuer [CDU/CSU]: Sa-
gen Sie mal, welche! – Günther Nolting
(F.D.P.): Eine Garantie hat er gegeben!)
Seine Rede war ehrlich. Seine Rede war aufrichtig. Sei-
ne Rede war darüber hinaus zukunftsweisend. – Ver-
ehrter Herr Breuer, Sie sind doch von Ihrem Fraktions-
vorsitzenden zitiert worden, weil Sie überhaupt kein
Konzept haben. Er hat Ihnen gesagt, Sie sollten doch
bitte ein Konzept vorlegen. Das haben Sie aber bis heute
nicht getan.
(Paul Breuer [CDU/CSU]: Dummes Zeug! So
ein Quatsch! – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Haben Sie denn ein Konzept? Wel-
ches Konzept haben Sie denn? Bei der SPD ist
doch nichts!)
Wir haben die Zukunftskommission eingesetzt, die
wir lange gefordert und die Sie abgelehnt haben.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wir machen
die Politik und sind politisch verantwortlich,
nicht eine Kommission!)
Kurt J. Rossmanith
6910 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(B)
(A) (C)
(D)
Wir warten ab, bis die Zukunftskommission gesprochen
haben wird, und werden nichts tun, was dazu führte, die
Zukunftskommission zu präjudizieren.
Der Bundeskanzler hat erklärt, es werde eine neue
Bundeswehr werden. Außerdem hat er gesagt, daß die
Umstrukturierung Geld koste. Dies bedeutet natürlich
zusätzliches Geld. Wir haben das bisher auch finanziert.
Wenn Sie einmal ein bißchen nachdenken,
(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das können sie aber nicht!)
werden Sie feststellen, daß Ihre Kritik an dem Gang nach
Karlsruhe sehr oberflächlich war. Wir wollten feststellen
lassen, daß die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist,
(Helmut Rauber [CDU/CSU]: Stimmt doch
nicht!)
über die hier im Hause entschieden wird
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Aber doch
nicht die Kommission!)
und mit der die Regierung nicht machen kann, was sie
will. Genau deswegen war der Gang nach Karlsruhe
richtig.
(Beifall bei der SPD)
Die Kommission hat einen klaren Auftrag. Sie wer-
den ja wohl noch bis Mai nächsten Jahres warten kön-
nen. Zur gleichen Zeit werden wir über den Haushalt
2001 entscheiden. Sie erinnern sich bitte daran, wie es
mit den Auslandseinsätzen unter Minister Rühe war.
Herr Minister Rühe hat ein einziges Mal Geld für diese
Einsätze außerhalb des Einzelplans 14 bekommen, und
hinterher ist es kassiert worden.
(Verena Wohlleben [SPD]: Genau so ist es! –
Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wie war
es denn da mit dem Konsens?)
Ich helfe Ihrem Gedächtnis gerne auf die Sprünge:
Als wir Ihnen 1982 die Bundeswehr übergeben haben,
machte der Verteidigungshaushalt 18,2 Prozent am
Bundeshaushalt aus. Als wir von Herrn Rühe die Bun-
deswehr übernommen haben, waren es weniger als
10 Prozent. Aber damit nicht genug; es war viel
schlimmer. Als wir Ihnen die Bundeswehr übergeben
haben, waren 30 Prozent des Einzelplans 14 für Investi-
tionen vorgesehen.
(Helmut Raubert [CDU/CSU]: Eine ganz an-
dere Situation!)
Als Sie uns die Bundeswehr übergeben haben, waren es
weit unter 20 Prozent.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der
CDU/CSU)
Sie haben hier ständig so getan, als sei die SPD die
Partei, die die erforderlichen finanziellen Mittel für die
Bundeswehr nicht zur Verfügung gestellt hätte. Das
Problem ist aber, daß Sie dabei immer nur Soll-Zahlen,
jedoch nie die Ist-Zahlen genannt haben. Die Ist-Zahlen
besagen nämlich, daß Sie von 1992 bis 1997 über
3 Milliarden DM, die im Etat standen, für die Bundes-
wehr nicht ausgegeben haben. Das müssen Sie einmal
den Soldaten erklären.
(Beifall bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN – Angelika Beer
[BÜNDNIS 90/DIE Grünen: Wo sind denn die
Milliarden geblieben?)
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß
Sie den Haushalt gelesen haben. Nun will ich auch ein-
mal ein Dankeschön an unsere Haushälter sagen. Wir
haben gegenüber dem Ansatz über 7 Milliarden DM
mehr an Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt.
Das müssen Sie hier einmal erzählen. Wir haben fast
7 Milliarden DM mehr als Teil 2, als Austauschvorha-
ben. Dies ist gut für die Bundeswehr.
Die Bundeswehr ist bei Rotgrün, bei diesem Vertei-
digungsminister und vor allem bei diesem Bundeskanz-
ler sehr gut aufgehoben.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Günther Friedrich Nolting
[F.D.P.]: Das Chaos hat einen Namen!)
Vizepräsident Rudolf Seiters: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluß der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 2. Dezember
1999, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluß: 17:05 Uhr)
Manfred Opel
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6911
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Adam, Ulrich CDU/CSU 1.12.99 *
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
1.12.99
Beer, Angelika BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
1.12.99
Behrendt, Wolfgang SPD 1.12.99 *
Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 1.12.99 *
Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 1.12.99 *
Dreßler, Rudolf SPD 1.12.99
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 1.12.99
Friedrich (Altenburg),
Peter
SPD 1.12.99
Fritz, Erich G. CDU/CSU 1.12.99
Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 1.12.99
Gebhardt, Fred PDS 1.12.99
Graf (Friesoythe),
Günter
SPD 1.12.99
Gröhe, Hermann CDU/CSU 1.12.99
Frhr. von Hammerstein,
Carl-Detlev
CDU/CSU 1.12.99
Hirche, Walter F.D.P. 1.12.99
Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 1.12.99 *
Hornung, Siegfried CDU/CSU 1.12.99 *
Jäger, Renate SPD 1.12.99 *
Dr. Jens, Uwe SPD 1.12.99
Jung (Düsseldorf), Volker SPD 1.12.99
Kemper, Hans-Peter SPD 1.12.99
Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 1.12.99
Dr. Lamers (Heidelberg),
Karl A.
CDU/CSU 1.12.99
Lengsfeld, Vera CDU/CSU 1.12.99
Leutheusser-Schnarren-
berger, Sabine
F.D.P. 1.12.99
Lörcher, Christa SPD 1.12.99 *
Lotz, Erika SPD 1.12.99 *
Dr. Lucyga, Christine SPD 1.12.99 *
Maaß (Wilhelmshaven),
Erich
CDU/CSU 1.12.99 *
Neumann (Gotha),
Gerhard
SPD 1.12.99 *
Ohl, Eckhard SPD 1.12.99
Pau, Petra PDS 1.12.99
Ronsöhr, Heinrich-
Wilhelm
CDU/CSU 1.12.99
Rühe, Volker CDU/CSU 1.12.99
Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 1.12.99
Scharping, Rudolf SPD 1.12.99
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Scheffler, Siegfried SPD 1.12.99
Schloten, Dieter SPD 1.12.99 *
Schmitz (Baesweiler),
Hans Peter
CDU/CSU 1.12.99 *
von Schmude, Michael CDU/CSU 1.12.99 *
Schulz (Leipzig), Werner BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
1.12.99
Siebert, Bernd CDU/CSU 1.12.99 *
Simm, Erika SPD 1.12.99
Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 1.12.99
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 1.12.99
Wieczorek (Böhlen),
Jürgen
SPD 1.12.99
Wieczorek (Duisburg),
Helmut
SPD 1.12.99
Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 1.12.99 *
Wolf (Frankfurt),
Margareta
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNE
1.12.99
Zierer, Benno CDU/CSU 1.12.99 *
—————
* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Zahlen aus der
amtlichen Sozialhilfestatistik
(Zur Frage 18 des Abgeordneten Dr. Hans-
Peter Uhl, Seite 6888)
Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe im Jahr:
1994 49,7 Mrd. DM
1995 52,2 Mrd. DM
1996 49,8 Mrd. DM
1997 44,5 Mrd. DM
1998 45,0 Mrd. DM
Davon Ausgaben im Bereich der laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt im Jahr:
1994 16,9 Mrd. DM
1995 18,7 Mrd. DM
1996 19,4 Mrd. DM
1997 20,1 Mrd. DM
1998 20,8 Mrd. DM
Anteil der nichtdeutschen Empfängerinnen/Empfänger
von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt am Jahresende:
1994 19,6 Prozent
1995 20,5 Prozent
1996 23,5 Prozent
1997 22,8 Prozent
1998*)
—————
*)Empfängerzahlen aus der amtlichen Statistik liegen noch
nicht vor.
6912 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im
Jahr:
1994 5,6 Mrd. DM
1995 5,5 Mrd. DM
1996 5,6 Mrd. DM
1997 5,2 Mrd. DM
1998 4,4 Mrd. DM
Anlage 3
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher auf die Fragen
des Abgeordneten Dirk Niebel (F.D.P.) (Drucksache
14/2222 Fragen 11 und 12):
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob essich bei den Angaben des Bundesministeriums für Arbeit undSozialordnung, wonach 199 000 Förderfälle nach dem Langzeit-programm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Jugendar-beitslosigkeit gezählt werden konnten, um 199 000 gefördertePersonen oder 199 000 Maßnahmeeintritte handelt und es imletzten Fall auch vorgekommen sein kann, daß ein und dieselbePerson mehrfach in unterschiedliche Maßnahmen des Program-mes eingetreten ist?
Ist es richtig, daß Jugendliche, die in G+F-Lehrgängen(Grundausbildungs- und Förderungslehrgängen) durch die Bun-desanstalt für Arbeit gefördert werden, als versorgte Bewerbergelten und somit nicht in den „Genuß“ der erleichterten Förde-rung nach dem Sofortprogramm der Bundesregierung kommenkönnen?
Zu Frage 11:
Bis Ende Oktober 1999 sind rd. 199 000 Jugendliche
in das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslo-
sigkeit eingetreten. Da bis zu diesem Stichtag rd. 92 000
Jugendliche aus Maßnahmen des Programmes ausge-
schieden sind, betrug der Teilnehmerbestand des Sofort-
programms Ende Oktober 1999 rd. 107 000.
Jugendliche, die in mehr als eine Maßnahme des
Sofortprogramms eingetreten sind, wurden bei jedem
Eintritt gezählt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Be-
rufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) hat im
Rahmen seiner Begleitforschung festgestellt, daß bis
Ende Oktober 1999 insgesamt 163 000 unterschiedliche
Jugendliche in das Sofortprogramm eingetreten sind.
Daß ein Teil der Jugendlichen an mehr als einer
Maßnahme des Sofortprogramms teilnimmt, entspricht
dem Konzept des Sofortprogramms. So dienen die Trai-
ningsmaßnahmen sowohl der Vorbereitung auf eine be-
triebliche Ausbildung oder der Aufnahme einer Arbeit
als auch der Vorbereitung auf eine außerbetriebliche
Ausbildung im Rahmen des Sofortprogramms. Daher
kann es durchaus vorkommen, daß ein Jugendlicher
auch in zwei Maßnahmen eintritt.
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Ein
Jugendlicher, der vielleicht „abgetaucht“ war, und
drohte, ins Drogenmilieu abzugleiten, wird von Mitar-
beitern eines Bildungsträgers motiviert, an einer Maß-
nahme im Rahmen des Artikels 11 teilzunehmen
(= 1. Eintritt). Anschließend folgt eine Trainingsmaß-
nahme, um eine paßgenaue Vermittlung auf einen Ar-
beitsplatz zu ermöglichen (= 2. Eintritt).
Um es noch einmal zu wiederholen: Gezählt wurden
bis Ende Oktober 199 000 Eintritte in Maßnahmen, er-
reicht wurden damit 163 000 verschiedene Jugendliche.
Angesichts der anvisierten Größenordnung von 100 000
Teilnehmern ist das ein großer Erfolg.
Zu Frage 12:
Die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach
§ 61 SGB III sind von der Bundesanstalt für Arbeit kon-
zeptionell auf Jugendliche ausgerichtet, die einer sol-
chen Förderung aus den unterschiedlichsten Gründen
bedürfen.
Förderlehrgänge (F-Lehrgänge) sind auf die besonde-
ren Belange von Behinderten abgestellt. Sie bedürfen
regelmäßig einer besonderen Berufsvorbereitung, in der
vielfach Hilfestellungen gegeben werden, die über das
hinausgehen, was in den anderen Lehrgangstypen an
Förderung möglich ist. Nicht alle F-Lehrgangsteilneh-
mer sind in der Lage, eine Berufsausbildung zu absol-
vieren. Gleichwohl bedürfen sie einer gezielten Vorbe-
reitung zur Integration in den Arbeitsmarkt, die bis zu
drei Jahren dauern kann. Das Sofortprogramm sieht kei-
ne vergleichbaren berufsvorbereitenden Bildungsmaß-
nahmen für den Personenkreis der Behinderten vor. So-
weit sie einer anderen oder ergänzenden gezielten För-
derung bedürfen, können sie in die Maßnahmen des So-
fortprogramms aufgenommen werden. Bis Ende Okto-
ber 1999 sind rund 6 100 Behinderte eingemündet, da-
von rund 57 % (3 500) in die ausbildungsfördernden
Maßnahmen nach den Artikeln 3, 4, 5 und 6.
Grundausbildungslehrgänge (G-Lehrgänge) werden
für junge Menschen eingerichtet, die grundsätzlich als
ausbildungsgeeignet angesehen werden, jedoch entwe-
der aufgrund der Ausbildungsmarktsituation noch keine
Ausbildungsstelle gefunden oder aber ihre Berufswahl-
entscheidung noch nicht getroffen haben. Zur Zielgrup-
pe zählen daneben auch Ausbildungsabbrecher. Soweit
sie in die üblicherweise im Herbst beginnenden G-Lehr-
gänge eingemündet sind, gelten sie rein statistisch als
versorgte Bewerber, so daß sie aktuell nicht in die Maß-
nahmen des Sofortprogramms aufgenommen werden
können. Dies erscheint vor dem Hintergrund gerechtfer-
tigt, daß, wie erwähnt, ein Teil der Teilnehmer noch
keine klaren Berufsziele gefaßt hat und ihm die Mög-
lichkeit gegeben werden soll, während der Teilnahme an
einem G-Lehrgang die Berufswahlentscheidung noch-
mals zu überprüfen bzw. zu treffen. Andere erfahren ei-
ne Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihre Mo-
tivation zur Aufnahme einer Ausbildung wird gefestigt.
Eine dem G-Lehrgang vergleichbare Maßnahme sieht
das Sofortprogramm nicht vor.
Die gezielte Hilfestellung in einem G-Lehrgang ein-
schließlich der üblicherweise integrierten betrieblichen
Praktika versetzt die Teilnehmer in eine bessere Aus-
gangsposition zur Aufnahme einer Berufsausbildung. So
konnten über 50 % (13 800) der im Jahre 1998 aus der
Maßnahme ausgetretenen Jugendlichen eine Ausbildung
und 6,4 % (1 700) eine Arbeitsstelle antreten. Nach der
Statistik der BA wurden lediglich 8,3 % (2 300) als
„noch nicht untergebracht“ registriert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6913
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 4
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher auf die Fragen
des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) (Drucksa-
che 14/2222 Fragen 13 und 14):
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Abzugvon Sozialbeiträgen vom Weihnachts- und Urlaubsgeld verfas-sungswidrig ist, und bei welcher (Dienst)Stelle kann der Bürgerggf. Widerspruch gegen diesen Abzug einlegen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß in der derzei-tigen Diskussion um eine (zusätzliche) private Altersvorsorgevielfach übersehen oder nicht deutlich genug festgestellt wird,daß das angesparte Vorsorgekapital wertlos sein wird, wennnicht auch künftig junge und jüngere Menschen in Deutschlandin ausreichender Zahl vorhanden sind, um die Wirtschaftslei-stung (Güter, Dienstleistungen) zu erarbeiten, die das Geld erstzu einem tatsächlichen Wert macht?
Zu Frage 13:
Nach einer Erklärung des Bundesverfassungsgerichts
wird die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der
Regelung der Beitragserhebung auf Einmalzahlungen
voraussichtlich im Jahre 2000 getroffen.
Die von Ihnen angesprochene Regelung wurde von
der früheren Regierungskoalition aus CDU/CSU und
F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN beschlossen.
Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine verbind-
liche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit dieser
Regelung treffen. Die Spitzenorganisationen der zustän-
digen Versicherungsträger haben erneut den Betroffenen
mitgeteilt, daß kein Bürger um die Rückzahlung seiner
Beiträge bangen muß, wenn das Bundesverfassungsge-
richt entscheiden sollte, daß die Regelung nicht den An-
forderungen der Verfassung entspricht. Die Einlegung ei-
nes Widerspruchs ist deshalb nicht erforderlich; auch das
haben die Träger wiederholt versichert. Eine solche Ver-
öffentlichung der Spitzenorganisationen der Versiche-
rungsträger stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Zu Frage 14:
Die Entwicklung in der Vergangenheit hat gezeigt,
daß es möglich war, die Produktion von Gütern und
vielen Dienstleistungen mit immer mehr Kapital und
immer weniger Arbeit durchzuführen. Diese Entwick-
lung wird auch in Zukunft weitergehen. Die Bundesre-
gierung geht davon aus, daß es in den Jahren nach 2015,
wenn die deutsche Erwerbsbevölkerung schrumpfen
wird, möglich sein wird, die Kapitalintensität noch er-
heblich zu steigern. Wird die Anzahl der jüngeren ar-
beitenden Menschen jedoch immer geringer, kann dies
tendenziell zur Folge haben, daß zusätzliches Kapital
keinen so großen Wert mehr hat und keine so hohe Ren-
dite mehr abwirft, wie dies unter heutigen Verhältnissen
der Fall ist.
Im übrigen wird in Zukunft noch mehr als heute von
der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Kapital im
Ausland anzulegen. Das Kapital aus Ländern mit beson-
ders wenigen jüngeren Arbeitskräften kann in anderen
Ländern sinnvoll investiert werden und dort eine günsti-
gere Rendite erzielen. In welchem Ausmaß dies mit
vertretbaren Risiken möglich ist, wird vom Funktionie-
ren der Weltwirtschaftsordnung der Zukunft abhängen.
Gegenüber Umlagesystemen ist in kapitalgedeckten
Systemen die Abhängigkeit von der demographischen
Entwicklung reduziert, jedoch nicht aufgehoben. Dies
wird sicherlich von manchen Befürwortern einer voll-
ständig kapitalgedeckten Altersvorsorge nicht hinrei-
chend deutlich gemacht.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Werner Hoyer (F.D.P.) (Druck-
sache 14/2222 Fragen 24 und 25):
Trifft es zu, daß in den Bundeswehrkrankenhäusern aufgrundfreier Kapazitäten die bisherige Nutzungsrate der nahezu 2 300Betten durch Zivilpatienten, die nicht der Bundeswehr angehö-ren, von rund 30 % auf annähernd 40 % gesteigert werden soll,und wie verhält sich diese mögliche Absicht mit der Tat-sache, daß als Folge der Abstellung von Bundeswehrärzten imRahmen der Einsätze auf dem Balkan und in Ost-Timor erheb-liche Einschränkungen in der truppenärztlichen Versorgung zubeklagen sind?
Trifft es zu, daß das Bundesministerium der Verteidigung dieAbsicht verfolgt, die Behandlung von Zivilpatienten in Bundes-wehrkrankenhäusern in der Größenordnung von 840 Bettendurch gesetzliche Regelungen dauerhaft zu garantieren, und wieverhält sich diese mögliche Absicht mit dem derzeit stattfinden-den drastischen Krankenhausbettenabbau im zivilen Bereich?
Zu Frage 24:
Die Anforderungen an einen einsatzfähigen Sanitäts-
dienst erfordern auf Grund des begrenzten Alters- und
Krankheitenspektrums bei Soldaten eine ausreichende
Zahl mitzuversorgender Zivilpatienten in Bundeswehr-
krankenhäusern. Nur so steht ein hinsichtlich Alter und
Geschlecht uneingeschränktes Patienten-, Krankheiten-
oder Verletzungsspektrum zur Aus-, Fort- und Weiter-
bildung zur Verfügung. Die hierfür erforderliche Betten-
zahl wurde bereits vor dem Rechnungsprüfungsausschuß
der 13. Wahlperiode mit 842 beziffert. Eine Erhöhung
dieses Bettenanteils ist derzeit nicht beabsichtigt.
Die Behandlung von Zivilpatienten in Bundeswehr-
krankenhäusern hat keinen Einfluß auf die Lage im
Truppensanitätsdienst, da der Truppensanitätsdienst aus-
schließlich die ambulante allgemeinmedizinische Ver-
sorgung einschließlich der zugehörigen stationären Be-
handlung in Standortsanitätszentren sicherstellt. Die
Bundeswehrkrankenhäuser sind hingegen ausschließlich
für die ambulante und stationäre fachärztliche Versor-
gung der Soldaten zuständig. Beide Bereiche stellen in
ihrem Aufgabenbereich Personal für die sanitätsdienst-
liche Unterstützung der Einsätze auf dem Balkan sowie
in Osttimor, wodurch auch in beiden Bereichen Ein-
schränkungen in der Aufgabenwahrnehmung im Inland
resultieren. Diese müssen durch geeignete Maßnahmen,
zum Beispiel dem Einsatz von Reservisten oder Ver-
tragsärzten, kompensiert werden.
Zu Frage 25:
Das militärische medizinische Fachpersonal in Bun-
deswehrkrankenhäusern hat die sanitätsdienstliche Ver-
6914 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
sorgung der Streitkräfte bei allen Einsätzen im gesamten
Aufgabenspektrum sicherzustellen.
Bereits mit den derzeitigen Gesamtumfängen ist in
einzelnen Fachgebieten keine Durchhaltefähigkeit gege-
ben. Dies erfordert ausreichende Kapazitäten zur Aus-,
Fort- und Weiterbildung und Erhaltung der Fähigkeiten.
Hier besteht ein erheblicher Nachsteuerungsbedarf. Eine
Bettenreduzierung würde diesem Ziel zuwider laufen.
Die Versorgung von Zivilpatienten ist für die Bun-
deswehr aus den genannten Gründen unabdingbar. Bis-
her waren Bestrebungen des Bundesministeriums der
Verteidigung, dieses öffentliche Interesse im Sozialge-
setzbuch, Band V, im § 110 zu verankern, leider nicht
erfolgreich.
Es wird jetzt darauf ankommen, den wünschenswert
erhöhten Anteil an Zivilpatienten in der stationären Ver-
sorgung an den Bundeswehrkrankenhäusern dadurch zu
erreichen, daß das fachliche Angebot der Bundeswehr-
krankenhäuser dem regionalen zivilen Leistungsbedarf
so angepaßt wird, daß die Krankenkassen für den Ab-
schluß der erforderlichen Versorgungsverträge mit der
Bundeswehr gewonnen werden können.
In Anbetracht der relativ geringfügigen Anzahl an
Zivilbetten in Bundeswehrkrankenhäusern kann ein Zu-
sammenhang mit der Diskussion um einen Abbau von
Krankenhausbetten im zivilen Bereich nicht gesehen
werden.
Anlage 6
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fra-
gen des Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg)
(F.D.P.) (Drucksache 14/2222, Fragen 28 und 29):
Hat es seit dem 10. November 1999 im Rahmen von INTERFEToder auf anderer Grundlage Flugeinsätze der in Darwin/Austra-lien stationierten Transall gegeben, und welcher Art waren dieseeventuellen Einsätze?
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die auf eine Än-derung des gegenwärtig geringen Transportaufkommens hin-deuten, oder wird ein baldiger Abzug der Bundeswehrsoldatenoder zumindest eines Teils von ihnen aus Australien in Erwä-gung gezogen?
Zu Frage 28:
Im Zeitraum 17. Oktober 1999 bis 29. November
1999 wurden insgesamt 13 MEDEVAC-Flüge für 80
Verwundete und Kranke durchgeführt. Auf den Zeit-
raum seit dem 10. November 1999 entfallen 7 MEDE-
VAC-Einsätze mit 43 Verwundeten und Kranken.
Zu Frage 29:
In Bezug auf die Auslastung der eingesetzten Luft-
fahrzeuge wird seitens INTERFET mit Fortschreiten der
Regenzeit mit einer Zunahme des Krankheitsaufkom-
mens sowie mit einem Anstieg von Verkehrs- und Ar-
beitsunfällen gerechnet. Medizinische Evakuierungsflü-
ge von Osttimor nach Darwin werden ausschließlich
vom deutschen Luftwaffen-Kontingent durchgeführt.
Die psychologische Wirkung auf die Moral der bei IN-
TERFET eingesetzten Soldaten durch die für medizini-
sche Evakuierungsflüge bereitstehenden Flugzeuge wird
vom Kommandeur der INTERFET-Truppen nach wie
vor als sehr hoch bewertet. Ein Abzug der Bundeswehr-
soldaten aus Australien ist spätestens mit Auslaufen des
Mandats INTERFET vorgesehen. Die Notwendigkeit
der Bereitstellung von MEDEVAC für INTERFET wird
kontinuierlich überprüft.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fra-
gen des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222 Fragen 30 und 31):
Beabsichtigt die Bundesregierung, ihren Bestand an Leo-pard-II-Panzern zu reduzieren, vor dem Hintergrund der Ansichtdes Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Helmut Wiec-zorek, (s. Bild am Sonntag vom 7. November 1999) die Bun-deswehr habe derzeit 1500 Kampfpanzer Leopard II zu viel?
Wie hoch sind die Kosten, die seit der Entscheidung, einenzweiten Dienstsitz des Bundesministeriums der Verteidigung inBerlin zu errichten, hierfür entstanden sind, und auf welcheSumme belaufen sich die Kosten, die bisher durch die notwen-dige Berlin-Präsenz von Mitarbeitern des Bundesministeriumsder Verteidigung mit Dienstsitz in Bonn entstanden sind?
Zu Frage 30:
Die verfügbaren Kampfpanzer Leopard 2 entsprechen
dem derzeitigen Strukturbedarf des Heeres.
Im Bundesministerium der Verteidigung gibt es daher
keine Pläne, die Anzahl der Kampfpanzer Leopard 2 zu
reduzieren.
Wie Sie wissen, führt die Kommission „Gemeinsame
Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ gegenwärtig
eine umfassende Untersuchung zur zukünftigen Ausge-
staltung der Bundeswehr durch. Erste Zwischenergeb-
nisse werden im Mai 2000 vorliegen. Nach Auswertung
der Empfehlungen der Kommission wird über den künf-
tigen Strukturbedarf zu entscheiden sein.
Zu Frage 31:
Für die Herrichtung des zweiten Dienstsitzes im
Bendlerblock sind 116,4 Millionen DM zuzüglich 11,6
Millionen DM für die Planung vorgesehen. Diese Mittel
sind im Wesentlichen bereits abgeflossen bzw. fest ge-
bunden.
Für die Informationstechnik wurden ca. 3,1 Millio-
nen DM ausgegeben.
Der Zwischenumzug in die Julius-Leber-Kaserne/
BEWAG-Gebäude hat Kosten in Höhe von 4,1 Millio-
nen DM verursacht.
Für Ausstattung (Möblierung), Umzüge, Geschäfts-
bedarf, Beschaffung und Unterhalt von Fernmeldemate-
rial, Trennungsgeld, Zeitschriften und Bücher etc. wur-
den ca. 5,3 Millionen DM verausgabt.
Die Erfassung sämtlicher weiterer Kosten für den
zweiten Dienstsitz des Bundesministeriums der Vertei-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6915
(A) (C)
(B) (D)
digung wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen
Aufwand zu erreichen. Diese Kosten sind daher nicht
gesondert erfaßt worden.
Das gilt auch für die Kosten, die durch die notwendi-
ge Berlin-Präsenz von Mitarbeitern des Bundesministe-
riums der Verteidigung mit Dienstsitz Bonn entstehen.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen
der Abgeordneten Erika Reinhardt (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222 Fragen 32 und 33):
Hat es vor der Kindersoldatenkonferenz in Berlin zwischendem Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, undder Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, ein Gespräch überdie Frage „Straight Eighteen“ gegeben?
Will die Bundesregierung die Möglichkeit der Rekrutierungvon 17jährigen auf freiwilliger Basis durch die Bundeswehrbeenden oder nicht?
Zu Frage 32:
Die Frage „Straight Eighteen“ ist vor der Europäi-
schen Konferenz über den Einsatz von Kindern als Sol-
daten auch zwischen dem Bundesministerium der Ver-
teidigung und dem Bundesministerium für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung besprochen wor-
den. Wegen des Ergebnisses verweise ich auf mein
Antwortschreiben vom 15. November 1999 (Antwort zu
Frage 1), mit dem Ihre Fragen vom 26. Oktober 1999
beantwortet worden sind.
Zu Frage 33:
Nein. Jugendliche im Alter von 17 Jahren sollen mit
Zustimmung der Erziehungsberechtigten Dienst in den
Streitkräften leisten können; ihre Beteiligung an
Kampfeinsätzen bleibt ausgeschlossen.
Anlage 9
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die
Fragen des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann
(F.D.P.) (Drucksache 14/2222 Fragen 34 und 35):
Wie bewertet die Bundesregierung die unterschiedlichenKumulationsgrenzen für Wohnungsbaufördermittel bei konven-tionell und industriell errichteten Gebäuden im Hinblick auf einemögliche Ungleichbehandlung von privaten Eigentümern ge-genüber großen Wohnungsunternehmen?
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Kumula-tionsgrenzen auch für konventionell errichtete Gebäude auf300,– DM/qm abzusenken, da viele der privaten Eigentümer ausfinanziellen Gründen nur Teilsanierungen durchführen können,und welche Haushaltsmehrbelastung/Kostenerhöhung ergäbesich aus einer Absenkung?
Zu Frage 34:
Es wird unterstellt, daß es sich bei den in der Frage
genannten Wohnungsbaufördermitteln um Darlehen der
KfW aus dem Wohnraum-Modernisierungsprogramm
handelt.
Das KfW-Wohnraum-Modernisierungsprogramm für
die neuen Länder sieht ein Kumulationsverbot für Maß-
nahmen vor, für die Fördermittel aus öffentlichen Haus-
halten in Anspruch genommen werden.
Das Kumulationsverbot gilt nicht für Maßnahmen an
industriell gefertigten Gebäuden.
Ausgenommen sind auch Förderungen des Denkmal-
schutzes und der Stadt- und Dorferneuerung, die sich
ausschließlich auf die Gebäudeumhüllung beziehen. Des
weiteren können für Maßnahmen an konventionell
errichteten Mietwohnungen Landesfördermittel neben
den KfW-Darlehen eingesetzt werden, wenn der gem.
§ 3 MHG umlagefähige Betrag 2,93 DM/qm Wohnflä-
che und Monat übersteigt.
Das Kumulationsverbot soll gewährleisten, daß die
begrenzten Mittel des Bundes und der Länder sparsam
eingesetzt und die Fördermittel breit gestreut werden.
Die Ausnahmen sind auf Wunsch der Länder eingeführt
worden, um für besonders wichtig gehaltene Investitio-
nen gezielt Anreize zu geben.
Zu Frage 35:
Die Richtlinien der KfW enthalten keine Kostengren-
zen bezüglich der Ausnahme vom Kumulationsverbot.
Das Land Sachsen-Anhalt hat in seinen „Richtlinien
zur Gewährung von Zuwendungen zur Modernisie-
rung und Instandsetzung von vermietetem/vermiet-
barem Wohnraum in Kombination mit dem KfW-
Wohnraum-Modernisierungsprogramm in Sachsen-An-
halt 1999“ geregelt, daß als Voraussetzung für eine
Inanspruchnahme von Landesmitteln die zuwendungs-
fähigen Kosten mindestens 300,00 DM/qm betragen
müssen, für konventionell errichtete Gebäude minde-
stens 750,00 DM/qm.
Das KfW-Wohnraum-Modernisierungsprogramm in
seiner jetzigen Form wird allerdings spätestens zum En-
de dieses Jahres erschöpft sein, so daß sich die Frage der
Kumulation hier künftig nicht mehr stellt.
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
(F.D.P.) (Drucksache 14/2222 Frage 36):
Was hält die Bundesregierung noch davon ab, der „ChinaAirlines“ Verkehrsrechte in Deutschland einzuräumen, nachdemdiese taiwanesische Fluggesellschaft inzwischen sogar dieVolksrepublik China anfliegen darf?
Die Bundesrepublik Deutschland unterhält keine
diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Aus diesem
Grunde finden auch keine Luftverkehrsverhandlungen
auf Regierungsebene mit Taiwan statt. Die Bundesregie-
rung bezieht im Rahmen der Ein-China-Politik bei der
Gestaltung der wirtschaftlichen und sonstigen Bezie-
6916 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
hungen zu Taiwan die VR China mit ein. Dies erstreckt
sich auch auf die Luftverkehrsbeziehungen. Das z.Zt.
besonders angespannte Verhältnis zwischen Taipeh und
Peking wirkt sich in diesem Zusammenhang belastend
aus.
Anlage 11
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
der Abgeordneten Ulrike Flach (F.D.P.) (Drucksache
14/2222 Frage 37):
Welche Ergebnisse haben die Verhandlungen zwischen derBundesregierung und dem Land Nordrhein-Westfalen über ein„Engpaß-Beseitigungsprogramm“ bei Autobahnprojekten erbracht,und zu welchen Veränderungen beim Investitionsprogramm1999 bis 2002 werden die Ergebnisse führen?
Beim Gespräch zum Investitionsprogramm 1999 bis
2002 hat das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsame
Überlegungen zu einem „Engpass-Beseitigungspro-
gramm“ bei Autobahnprojekten für den Zeitraum ab
2003 angeregt. Das Land wurde gebeten, diese zunächst
zu konkretisieren. Ergebnisse liegen daher bisher noch
nicht vor.
Anlage 12
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222 Frage 38):
Ist dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-wesen bekannt, daß die für den Baubeginn einer Autobahn er-forderliche Baureife dann vorliegt, wenn das Projekt planfestge-stellt ist und der damit verbundene Sofortvollzug nicht durch ge-richtshängige Klagen behindert wurde und von daher die seitdem 18. Juni 1999 planfestgestellte A 99 in das am 3. November1999 von der Bundesregierung verabschiedete Investitionspro-gramm 1999 bis 2002 hätte aufgenommen werden können?
A. Allgemeines
Dem Bundesverkehrsminister ist bekannt, daß auf-
grund des besonderen öffentlichen Interesses für Maß-
nahmen des Vordringlichen Bedarfs nach dem Fernstra-
ßenausbaugesetz ein Planfeststellungsbeschluß mit der
Zustellung an die Betroffenen sofort vollziehbar ist.
Als Rechtsmittel hiergegen steht den Betroffenen der
„Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wir-
kung“ bis zur gerichtlichen Entscheidung über den
Klagegegenstand zur Verfügung.
Der Sofortvollzug setzt voraus, daß der mit seiner
Anordnung verfolgte Zweck – der umgehende Bau des
jeweiligen Projektes – auch von seiten des Baulastträ-
gers durch eine entsprechende Finanzierung sicherge-
stellt wird.
Die Baureife insoweit ist bei Anwendung des Sofort-
vollzuges an die Sicherstellung der Finanzierung gebun-
den.
B. Westring München (A 99)
Für den angesprochenen, zum Vordringlichen Bedarf
gehörenden Westring München (A 99) datiert der Plan-
feststellungsbeschluß vom 18. Juni 1999, die Zustellung
(Veröffentlichung) erfolgte am 27. Juli 1999.
Gegen den Beschluß liegen 6 Klagen von Privatper-
sonen und eine der Gemeinde Gräfelfing vor. Ein Antrag
auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
wurde nicht gestellt.
C. Investitionsprogramm 1999 – 2002 und Westring
München
In dem Investitionsprogramm 1999 – 2002 der Bun-
desregierung sind für hochprioritäre Bundesfernstra-
ßenmaßnahmen – ausgehend von einem realistischen
Finanzrahmen von rd. 17,9 Milliarden DM und entspre-
chend den Zielen, den Aufbau Ost fortzusetzen und
hierbei die besonders bedeutsamen Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit (VDE) zügig fortzuführen und darüber
hinaus die in Bau befindlichen Projekte uneingeschränkt
fortzusetzen – außerhalb der VDE bundesweit Baube-
ginne nur in einem Umfang von rd. 270 Millionen DM
enthalten, davon rd. 30 Millionen DM für Bayern.
Innerhalb dieses Betrages ist auch ein außergewöhn-
lich dringliches Projekt wie der Westring München
(A 99) mit Kosten von rd. 300 Millionen DM nicht zu
finanzieren.
Dementsprechend ist die für die Anwendung des So-
fortvollzuges für den Westring München notwendige
Finanzierung nicht gegeben und insoweit das Projekt
nicht baureif.
Diese Aussage hat die Bundesregierung stets wieder-
holt, zuletzt Bundesminister Klimmt gegenüber Ober-
bürgermeister Ude bei dem Gespräch am 16. November
in Berlin.
Anlage 13
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Fragen
des Abgeordneten Gert Willner (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222 Fragen 39 und 40):
Welche Forderungen hat die schleswig-holsteinische Mini-sterpräsidentin, Heide Simonis, in Sachen A 20 gegenüber demBundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Rein-hard Klimmt, erhoben, und welche verbindlichen Zusagen sindder Ministerpräsidentin gemacht worden?
Welche Kriterien müssen im Jahre 2002 erfüllt sein, damitein Straßenbau-Projekt in den Investitionsplan aufgenommenwird, und erfüllt die A 20 dann die Voraussetzungen zur Auf-nahme, damit mit dem Bau begonnen werden kann?
Die Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-
Holstein, Frau Heide Simonis, hat die hohe Bedeutung
der A 20 für Schleswig-Holstein, insbesondere der Wei-
terführung nach Westen über die A 1 hinaus als Nord-
westumfahrung Hamburg, herausgestellt. Sie wünschte
einen geringen Anlaufbetrag für den östlichen Abschnitt
der Nordwestumfahrung von Geschendorf bis zur A 1
südlich Lübeck im Investitionsprogramm 1999 – 2002 ab
dem Jahr 2002 zu verankern.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6917
(A) (C)
(B) (D)
Das Ergebnis des Gespräches mit Frau Ministerpräsi-
dentin Heide Simonis hat der Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimt, in
seinem Schreiben vom 15. November 1999 an die Mi-
nisterpräsidentin dargelegt. Hierin hat Herr Minister
zum Ausdruck gebracht, daß er die Fortführung der
BAB A 20 wie auch die Elbquerung mit Blick auf die
Verkehrsentwicklung in Norddeutschland für ein Projekt
von hoher Priorität hält.
Weiter geht der Bundesminister für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen davon aus, daß die Landesregie-
rung die Planungen zügig weiter voran treibt, damit die
Finanzierung bei Bestätigung des Vorhabens als Vor-
dringlicher Bedarf im neuen Bundesverkehrswegeplan
geregelt werden kann.
Der A 20-Abschnitt von der A 1 bis Geschendorf wird
voraussichtlich erst Ende 2002 Baureife erlangen, so daß
dieses Projekt erst im Anschluß an das Investitionspro-
gramm 1999 – 2002 finanzwirksam wird. Eine Aufnah-
me in das derzeit laufende Investitionsprogramm war
daher aus sachlichen Gründen nicht angezeigt.
Zu Frage 40:
Für Straßenbauprojekte, deren Finanzierung nach
dem Jahr 2002 ansteht, muß der Bedarf im künftigen
Bedarfsplan nachgewiesen sein, das heißt das Projekt
muß durch Beschluß des Deutschen Bundestages im Be-
darfsplan für die Bundesfernstraßen ausgewiesen und
vordringlich eingestuft sein. Weiterhin müssen ausrei-
chende Finanzmittel vorhanden sein.
Eine Finanzierung der angesprochenen A 20-Ab-
schnitte schon im Jahr 2002 kommt – wie in der Ant-
wort zu Frage Nr. 39 dargestellt – nicht in Betracht.
Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen ein-
schließlich der notwendigen Baureife ist davon auszu-
gehen, daß mit dem Bau des Projektes im Jahr 2003 be-
gonnen werden kann.
Anlage 14
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Fra-
gen des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)
(CDU/CSU) (Drucksache 14/2222 Fragen 41 und 42):
Bedeutet die Zusage des Parlamentarischen Staatssekretärsbeim Bundesminister für Verkehr, Bau- und WohnungswesenLothar Ibrügger gegenüber einer Delegation des Regionalver-bandes Südlicher Oberrhein vom 22. November 1999, die Bun-desregierung werde die internationale Verpflichtung zum Aus-bau der Rheintalbahn fristgerecht einhalten, daß bis zum Jahr2012 das dritte und vierte Gleis der Rheintalbahn von Offenburgbis Basel fertiggestellt und betriebsbereit sein werden?
Hat sich die Bundesregierung in ihren gemeinsamen Gesprä-chen mit der Deutschen Bahn AG dahingehend abgestimmt, daßdie Deutsche Bahn AG alle notwendigen Planrechtsverfahren fürden durchgehenden Bau eines dritten und vierten Gleises derRheintalbahn von Offenburg bis Basel im Laufe des Jahres 2000einleiten wird?
Zu Frage 41:
In meinem Gespräch mit dem Regionalverband habe
ich bestätigt, daß die Bundesregierung das Abkommen
mit der Schweiz einhalten wird. Entsprechend dem darin
vorgesehenen Stufenkonzept, das sich an der Verkehrs-
entwicklung orientiert, wird wie folgt verfahren:
1. Stufe:
Erhöhung der Leistungsfähigkeit der vorhandenen
zweigleisigen Strecke durch Einbau moderner Betriebs-
Signaltechnik (CIR-ELKE); Inbetriebnahme ist im Mai
1999 erfolgt.
2. Stufe:
Erhöhung der Leistungsfähigkeit der vorhandenen
zweigleisigen Strecke durch abschnittsweisen viergleisi-
gen Ausbau zur Beseitigung kapazitiver Engpässe.
3. Stufe:
Durchgehender viergleisiger Ausbau zwischen Karls-
ruhe und Basel im Hinblick auf eine Vollauslastung der
NEAT.
Nach derzeitigen Erkenntnissen ist nicht davon aus-
zugehen, daß schon mit dem ersten Jahr der Inbetrieb-
nahme des Gotthard-Basistunnels vsl. im Jahr 2012 nach
dem Lötschberg-Basistunnel im Jahr 2006 gleich die
Vollauslastung der NEAT erreicht wird und somit eine
durchgehende Viergleisigkeit auf der Rheintalbahn Of-
fenburg-Basel erforderlich ist. Die Kapazitäts- und Ver-
kehrsentwicklung wird regelmäßig durch einen durch
die Verkehrsminister Deutschlands und der Schweiz
eingerichteten Lenkungsausschuß aus Vertretern der
Ministerien und Bahnen beider Länder beobachtet.
Zu Frage 42:
Die Antragstellung auf Einleitung weiterer noch offe-
ner Planrechtsverfahren durch das Eisenbahn-Bundes-
amt obliegt der DB AG als Vorhabenträger für die Aus-
baumaßnahme. Die Bundesregierung verfügt hierzu über
keine verfahrensmäßigen Einwirkungsmöglichkeiten.
Sie geht davon aus und wird sich dafür auch bei der DB
AG einsetzen, daß die Planrechtsverfahren zeitgerecht
eingeleitet werden. Nach dem Abschnitt „Schliengen–
Eimeldingen (Katzenbergtunnel)“, für den das Verfah-
ren schon weit fortgeschritten ist, soll nach Aussagen
der DB AG für den Bereich Heitersheim die Einleitung
des Planfeststellungsverfahrens in Kürze beantragt wer-
den. Der Abschnitt Eimeldingen–Haltingen soll folgen.
Anlage 15
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Wolf-Michael Catenhusen auf
die Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich
(CDU/CSU) (Drucksache 14/2222 Frage 43):
Auf welche Weise will die Bundesregierung dem Transfervon Wissenschaft zur Wirtschaft neue Anstöße geben?
Beim Transfer von Wissenschaft zur Wirtschaft liegt
sicherlich vieles im argen. Daher haben wir uns im
Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht, die schnelle
Umsetzung von Forschungsergebnissen in kleine und
mittlere Unternehmen zu fördern und die Zusammenar-
beit mit den Hochschulen zu erleichtern.
6918 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
In diesem Sinne haben wir im ablaufenden Jahr eine
Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Transfers
von Wissenschaft zur Wirtschaft auf den Weg gebracht.
So wird insbesondere ein erheblicher Teil des Mittel-
aufwuchses für Bildung und Forschung dem Wissens-
und Technologietransfer direkt oder indirekt zugute
kommen.
Mit den zusätzlichen Mitteln haben wir insbesondere
die Projektförderung gestärkt. Im Rahmen der Projekt-
förderung werden Verbundprojekte zwischen Partnern
aus Wissenschaft und Wirtschaft eingereicht, die in der
Zusammenarbeit auf ideale Weise Wissen miteinander
austauschen. Vernetzung und Kooperation spielen als
Förderkriterium eine immer größere Rolle.
Mit den neuen Nebenbestimmungen für Zuwendun-
gen an die gewerbliche Wirtschaft (NKBF ’98) haben
wir einen Paradigmenwechsel in der Verwertung be-
schritten. Die Option zur ausschließlichen Verwertung
macht den Ergebnistransfer nun deutlich lukrativer. Mit
dem obligatorischen Verwertungsplan wird der Ver-
wertungsgedanke im Projekt von Anfang an verankert.
Die Philosophie der neuen NKBF ’98 wird auch für For-
schungsergebnisse gelten, die im Rahmen der institutio-
nellen Förderung erarbeitet werden. Für die FhG und die
HGF-Zentren sind hierzu bereits entsprechende Rege-
lungen in Kraft gesetzt worden. In diesem Zusammen-
hang ist hervorzuheben, daß im Rahmen der internatio-
nal angelegten Systemevaluation sowohl von DFG und
MPG als auch der FhG die Kooperation mit der Wirt-
schaft ein zentraler Punkt der Begutachtung war und im
Ergebnis dazu eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt
worden sind. Mit der Eingliederung der GMD in die
FhG ist z.B. die Empfehlung zur Stärkung der Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien in der FhG
umgesetzt worden. Andere Empfehlungen in dieser Hin-
sicht werden mit den Wissenschaftsorganisationen im
einzelnen noch zu prüfen sein.
In den neuen Ländern hakt der Transfer von der Wis-
senschaft zur Wirtschaft oftmals an unzureichend aus-
geprägten Netzwerkstrukturen. Mit der Initiative „Inno-
Regio“ fördern wir innovative Regionalverbünde in den
neuen Ländern. Unterstützt werden integrative Konzep-
te, deren Schwerpunkte auf Qualifikation, Forschung
und Entwicklung sowie Kompetenzausbau zielen.
Gerade der „Transfer über Köpfe“ findet in Deutsch-
land viel zu wenig statt. Eines der größten Hindernisse
ist das öffentliche Dienstrecht. Es kann nicht sein, daß
ein Wechsel in die Privatwirtschaft nicht stattfindet, weil
erworbene Rechtsansprüche dadurch gefährdet werden.
Daher haben wir im Sommer diesen Jahres eine Exper-
tenkommission berufen. Die Kommission wird bis
Frühjahr 2000 Vorschläge zu einer umfassenden Reform
des Dienstrechts erarbeiten.
„Transfer über Köpfe“ kann auch über Ausgründun-
gen stattfinden. Es gibt in Deutschland an Forschungs-
einrichtungen und im Umfeld von Hochschulen ein un-
geheures Potential, das es zu mobilisieren gilt. Die
Initiative EXIST hat in vielen Hochschulregionen
Deutschlands dazu beigetragen, das Interesse und die
Kenntnisse über die Möglichkeiten der Selbständigkeit
zu erhöhen. Für EXIST haben wir erhebliche Haus-
haltsmittel vorgesehen. Damit werden wir im Rahmen
von konkreten Projekten die Gründungsinfrastruktur an
Hochschulen verbessern.
Mit EXIST-Seed steht nun auch eine individuelle
Förderung in den EXIST-Regionen zur Verfügung.
Im Rahmen der Programme zur indirekten For-
schungsförderung legt die Bundesregierung einen be-
sonderen Schwerpunkt auf den Ausbau der Forschungs-
kooperation. Ziel ist es, den Austausch von Wissen und
Personal zwischen Unternehmen und FuE-Einrichtungen
anzuregen und die Erarbeitung von neuem, anwen-
dungsorientiertem Wissen in den Forschungsinstituten
zu unterstützen. In diesem Jahr haben wir in diesem
Sinne neue Akzente bei der Programmgestaltung ge-
setzt. Mit dem neuen Programm „Förderung der Inno-
vationskompetenz mittelständischer Unternehmen“ –
PRO INNO – werden nationale und transnationale FuE-
Kooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen mit
anderen Unternehmen oder Forschungsinstituten unter-
stützt. Dem Programm „Industrielle Gemeinschaftsfor-
schung“ – IGF – haben wir eine ergänzende Variante an
die Seite gestellt: Mit dem Initiativprogramm „Zu-
kunftstechnologien für kleine und mittlere Unterneh-
men“ – ZUTECH – möchten wir vor allem neue Er-
kenntnisse im Bereich der Nutzung moderner Technolo-
gien fördern. Sie soll den strukturellen Wandel im Be-
reich der KMU durch neue, höherwertige branchenüber-
greifende technologische Lösungen unterstützen.
Schließlich fördern wir mit dem Programm „Förderung
von innovativen Netzen“ – INNONET – die stärkere
Zusammenarbeit zwischen KMU und Forschungsein-
richtungen bereits in der frühen Phase der gemeinsamen
Forschung und Entwicklung.
Anlage 16
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Wolf-Michael Catenhusen auf
die Fragen des Abgeordneten Klaus Lennartz (SPD)
(Drucksache 14/2222 Fragen 44 und 45):
Wie hoch war beim Deutsch-Amerikanischen AkademischenKonzil (DAAK) der Verwaltungsaufwand im Vergleich zurProjektförderung durch das Bundesministerium für Bildung,Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), und welcheFaktoren trugen hauptsächlich zu dem vom Bundesrechnungshoffestgestellten unangemessen hohen Verwaltungs(kosten)anteilbei (Süddeutsche Zeitung vom 13. November 1999: „Rüttgersund das fidele Konzil“ und Stuttgarter Zeitung vom 13. Novem-ber 1999: „Reisekostenrecht mehrfach gebrochen?“)?
Treffen Berichte der Berliner Zeitung vom 13. November1999 zu, nach denen das DAAK von pensionierten Mitarbeiterndes BMBF verwaltet wurde, und trifft es zu, daß der damaligeBundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung undTechnologie, Dr. Jürgen Rüttgers, bereits Mitte 1998 vom Bun-desrechnungshof über die gesamten Vorfälle unterrichtet wordenist?
Zu Frage 44:
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in seiner Prü-
fungsmitteilung vom 30. Juli 1998 den Verwaltungsko-
stenanteil der Stiftung DAAK an der gesamten Zuwen-
dung (rd. 5 Millionen DM jährlich) mit 25–30 Prozent
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6919
(A) (C)
(B) (D)
festgestellt. Im Projektförderbereich des BMBF (rd.
3,8 Milliarden DM) beläuft sich nach einer groben
Schätzung der Verwaltungskostenanteil (Kosten der
Projektträger für Projektdurchführung und -begleitung
sowie anteilige Verwaltungskosten im Ministerium) auf
etwa 5 Prozent im Durchschnitt. Je nach Art und Um-
fang der einzelnen Förderprogramme können dabei Ab-
weichungen auftreten.
Der Verwaltungskostenanteil der Stiftung DAAK kann
aber nicht an diesem Durchschnittswert allein gemessen
werden. Die Stiftungsarbeit des DAAK ist im starken
Maß auf bilaterale wissenschaftliche Tagungen und
Workshops ausgelegt. Hier fallen in erheblichem Umfang
Reisekosten sowie Tagungskosten an, und eine personal-
intensive fachliche Vorbereitung ist erforderlich.
Dessen ungeachtet war in einer Reihe von Fällen der
Aufwand unangemessen hoch. Der in diesem Zusammen-
hang vom BMBF erhobene Rückforderungsanspruch in
Höhe von 108 000 DM wurde dadurch realisiert, daß die
Zuwendung im Wirtschaftsplan des DAAK für das Haus-
haltsjahr 2000 um diesen Betrag gekürzt wurde.
Zu Frage 45:
Bei dem Gründungsdirektor und den ersten beiden
Verwaltungsleitern handelte es sich um pensionierte Be-
amte des BMBF. Die betreffenden Personen erhielten
aus dem Wirtschaftsplan des DAAK lediglich die Diffe-
renz zu ihren früheren Aktiv-Gehältern. Dem damit für
das DAAK verbundenen Einspareffekt stand allerdings
der erhebliche Verwaltungsaufwand gegenüber.
Die Prüfungsmitteilungen des BRH vom 30. Juli
1998, übersandt mit Schreiben vom 31. Juli 1998, gin-
gen am 4. August 1998 im BMBF auf Arbeitsebene
ein. Entsprechend dem im Ministerium üblichen Verfah-
ren wurden die Prüfungsmitteilungen der Leitung vor-
gelegt. Ich gehe nach bisherigem Informationsstand
davon aus, daß zumindest die beiden Staatssekretäre
informiert waren.
Anlage 17
Antwort
des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Frage des
Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222 Frage 46):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage eines Rich-ters am tschechischen Verfassungsgericht, daß die Benesch-Dekrete „weiter gültig und Teil der tschechischen Rechtsord-nung“ seien sowie in Restitutionsstreitigkeiten weiter angewen-det würden (vgl. „Die Welt“ vom 10. November 1999) vor allemvor dem Hintergrund der von der Bundesregierung begrüßtenFeststellung des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Ze-man im Beisein des deutschen Bundeskanzlers am 8. März 1999in Bonn, „daß bei der Beibehaltung der Rechtskontinuität dertschechischen Rechtsordnung die Wirksamkeit einiger nach demJahre 1945 beschlossener Gesetze bereits erloschen ist“ (vgl.Antwort des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. LudgerVolmer, auf Frage 12 in der Fragestunde am 17. März 1999,Plenarprotokoll 14/26, S. 2097 D), und was unternimmt dieBundesregierung, um von der tschechischen Regierung eineverbindliche Auskunft über die Wirksamkeit der Benesch-Dekrete zu erhalten?
Bei der zitierten Stellungnahme handelt es sich um
eine private Äußerung eines tschechischen Staatsbür-
gers, zu der die Bundesregierung grundsätzlich nicht
Stellung nimmt.
Anlage 18
Antwort
des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Frage des
Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222 Frage 47):
Welches politische Rahmenprogramm absolvierte der Bun-desminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, vor und nach sei-ner Teilnahme am diesjährigen New-York-Marathon, und mitwelchen Institutionen bzw. politischen Repräsentanten ist er zudiesem Zeitpunkt in den USA zu Gesprächen zusammengetrof-fen?
Sehr geehrter Herr Kollege, haben Sie vielen Dank
für Ihr Interesse am kürzlichen USA-Besuch des Bun-
desaußenministers. Während seines Besuchs vom 3. bis
7. November auf Einladung der amerikanischen Außen-
ministerin hat BM Fischer Gespräche mit Außenministe-
rin Albright (zweimal), mit dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen, Herrn Kofi Annan, mit dem Natio-
nalen Sicherheitsberater des Präsidenten, Herrn Berger,
mit Senatoren unter der Leitung von Senator Gordon
Smith, mit Abgeordneten unter Leitung des Vorsitzen-
den des Auswärtigen Ausschusses des Repräsentenhau-
ses, Abg. Benjamin Gilman und mit dem Ständigen
Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen, Bot-
schafter Holbrooke, geführt.
Der Bundesminister hat außerdem u.a. an einer Dis-
kussionsveranstaltung des American Institute for Con-
temporary German Studies teilgenommen und einen
Vortrag vor dem Council on Foreign Relations in New
York gehalten, der großes Interesse gefunden hat.
Anlage 19
Antwort
des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Frage des
Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222 Frage 48):
Beabsichtigt die Bundesregierung nach dem Bekanntwerdenvon erheblichen Fehlern in der Wehrmachtsausstellung (vgl.FAZ vom 20. Oktober 1999) weiterhin, diese Ausstellung mit-telbar oder unmittelbar zu unterstützen, wie die Bundesregierunges in ihrer Antwort vom 14. September 1999 auf Frage 26 inDrucksache 14/1648 angedeutet hat?
Die Bundesregierung plant weiterhin nicht, den Orga-
nisatoren der Ausstellung „Vernichtungskrieg, Verbre-
chen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ direkte oder indi-
rekte finanzielle Unterstützung zu gewähren. Das Aus-
wärtige Amt hatte den Veranstaltern organisatorische
Hilfe bei der Präsentation der Ausstellung im Ausland
angeboten.
6920 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 20
Antwort
des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Frage des
Abgeordneten Josef Hollerith (CDU/CSU) (Drucksache
14/2222, Frage 49):
Wird das Auswärtige Amt zukünftig darauf hinwirken, daßDeutsche Auslandsvertretungen Visa tatsächlich nur dann anFernfahrer erteilen, wenn Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigun-gen des jeweiligen EU-Staates nachgewiesen werden?
Die deutschen Auslandsvertretungen erteilen auf-
grund der gesetzlichen Bestimmungen Visa. Nach § 12
Abs. 2 Nr. 2 Durchführungsverordnung zum Ausländer-
gesetz und § 9 Nr. 3 Arbeitsgenehmigungsverordnung
werden Visa an Fahrer „im grenzüberschreitenden Per-
sonen- und Güterverkehr“ erteilt, ohne daß es dazu der
Zustimmung der Ausländerbehörde oder einer Arbeits-
genehmigung des Arbeitsamtes bedarf. Die Auslands-
vertretungen prüfen vor Erteilung eines Visums sorgfäl-
tig, ob der Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr tä-
tig wird. So muß der Antragsteller unter anderem nach-
weisen, daß sein Arbeitgeber seinen Sitz in einem Dritt-
staat hat, daß das Fahrzeug am Sitz des Arbeitgebers zu-
gelassen ist und daß keine Fahrten innerhalb Deutsch-
lands geplant sind. Das Visum wird mit einer Höchst-
dauer von 90 Tagen pro Jahr erteilt. Nach diesen gelten-
den ausländerrechtlichen Bestimmungen ist im Rahmen
des Visumsverfahrens die Prüfung von Aufenthalts- und
Arbeitsgenehmigungen in EU-Staaten nicht erforderlich.
Anlage 21
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ludger Volmer auf die
Fragen des Abgeordneten Gerhard Schüßler (F.D.P.)
(Drucksache 14/2222, Fragen 50 und 51):
Für welche Zwecke wurden die vom Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und vomAuswärtigen Amt für Osttimor bereitgestellten Mittel gebunden,und in welchem Umfang sind sie bis zum heutigen Tage ausge-geben worden?
Nehmen Bundesministerien oder Dienststellen des Bundeskoordinierende Funktionen für die deutschen Nichtregierungsor-ganisationen wahr, die mit Bundesmitteln in Ost-Timor operie-ren, oder in welcher Form wird der Abfluß von Bundesmitteln inOsttimor koordiniert und kontrolliert?
Zu Frage 50:
Das Auswärtige Amt hat aus Mitteln der Humanitä-
ren Hilfe insgesamt 3,3 Millionen DM für Sofortmaß-
nahmen in Osttimor bewilligt, und zwar:
am 20. September:
– 500 000 DM an das IKRK für medizinische und ma-
terielle Nothilfe
– 265 000 DM an Ärzte in der Dritten Welt (mit der
auch der in Osttimor ermordete deutschstämmige Je-
suit Karl Albrecht zusammenarbeitete) für Lebens-
mittel, Medikamente, Reparaturmaterialien, Haus-
haltsutensilien, Decken und Kleidung
am 30. September:
– 70 000 DM an Terre des Hommes für Nahrungsmit-
tel, Hygieneartikel, Zelte, Decken, Medikamente
am 11. Oktober:
– 725 000 DM an die Deutsche Welthungerhilfe für
Familiensets, Plastikplanen, Bauholz, Kochöfen,
Wassertanks
– 213 000 DM an World Vision für Decken und Pla-
stikplanen und
– 300 000 DM an den UNHCR für Plastikplanen und
Küchensets.
Ein mehrere Bereiche abdeckender Antrag der GTZ
über einen Betrag von etwa 670 000 DM, der die Er-
gebnisse einer Sondersitzung des Koordinierungsaus-
schusses Humanitäre Hilfe (ASHH und NROen) vom
12. Oktober umsetzt, ist am 17. November bewilligt
worden.
Die International Organisation for Migration (IOM)
hat am 15. November einen Betrag in Höhe von 250 000
DM zur Beförderung von 7 500 Flüchtlingen per Fähre,
wegen der gefährlichen Lage in der Grenzregion von
West- nach Osttimor erhalten.
Der HCR hat am 17. November weitere 300 000 DM
erhalten.
Die Mittel sind an die Organisationen abgeflossen.
Die Maßnahmen befinden sich noch in der Durch-
führung und sollen mehrheitlich bis spätestens Ende
Februar 2000 abgeschlossen sein.
Zusätzlich zu den vorgenannten Beiträgen hat sich
Deutschland an der Mission UNAMET (United Nations
Mission in East Timor) mit 9,8% Pflichtbeiträgen am
Gesamthaushalt der Mission, der 87 Millionen US-$ be-
trug, beteiligt. Für die Wiederaufbau-Mission UNTAET
(United Nations Transitional Adminstration for East
Timor) werden sich nach ersten Schätzungen des VN-
Sekretariats die Kosten für das erste Jahr auf 100 Mil-
lionen US-$ belaufen. Hieran wären wir mit rund
98 Millionen US-$ als Pflichtanteil beteiligt. Darüber
hinaus leistet die EU einen freiwilligen Beitrag von bis-
her 8 Millionen Ecu, an dem wir mit einem Pflichtanteil
von 28% beteiligt sind.
Das BMZ hat bisher 4,42 Millionen DM bereitge-
stellt, davon sind 2 Millionen DM für die Versorgung
mit Nahrungsmitteln und 0,42 Millionen DM für Nothil-
femaßnahmen (Notunterkünfte, Medikamente) bereits
abgeflossen.
Zwei Millionen DM (voraussichtlich für Wasserver-
sorgung und Unterkunftsbau) stehen noch bereit, über
die Abwicklung wird noch mit UNTAET verhandelt.
Die Durchführung auf deutscher Seite liegt dabei bei der
Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
(GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Zu Frage 51:
Zuständig für die humanitäre Hilfe der Bundesregie-
rung ist das Auswärtige Amt (Arbeitsstab Humanitäre
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6921
(A) (C)
(B) (D)
Hilfe). Darüber hinaus leistet auch das BMZ humanitäre
Hilfe.
Beide Ministerien leisten ihre Hilfe in eigener Ver-
antwortung und unter gegenseitiger Abstimmung, wo-
bei sie vor allem mit deutschen humanitären Organi-
sationen, oder wenn die Lage es erfordert auch mit
internationalen Organisationen, wie IKRK, UNHCR
oder IOM (siehe Antwort zu Frage 44), zusammenar-
beiten.
Die vom AA geförderten Nichtregierungsorganisatio-
nen (NROen, NGOs) erhalten eine Voll- oder Teilfinan-
zierung ihrer Maßnahmen, nachdem diese vom Arbeits-
stab Humanitäre Hilfe (ASHH) im AA geprüft worden
sind. Die NROen sind gegenüber dem ASHH rechen-
schaftspflichtig.
BM Fischer hat am 17. September mit Vertretern von
deutschen humanitären und Menschenrechtsorganisatio-
nen über die Lage und die Hilfsmöglichkeiten in Ost-
timor gesprochen und enge Zusammenarbeit angeboten.
Ein Sondergesandter des AA (VLR I Dr. von der Hey-
den) hat sich Anfang Oktober vor Ort ein Bild über die
Lage und konkrete Hilfsmöglichkeiten gemacht. Zur
Umsetzung seiner dort gewonnenen Erkenntnisse hat am
12. Oktober unter Federführung des ASHH eine Sonder-
sitzung des Koordinierungsausschusses Humanitäre Hil-
fe (ASHH und NROen) stattgefunden, in dessen Folge
die GTZ einen umfassenden Antrag über einen Betrag
von 670 000 DM ausgearbeitet hat.
Anlage 22
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Frage des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/
CSU) (Drucksache 14/2222, Frage 57):
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, mitwelchen Leistungen für den Lebensunterhalt Asylbewerber inden Partnerstaaten der EU unterstützt werden, und welche ge-setzgeberischen Schritte plant die Bundesregierung, um demZiel einer europäischen Harmonisierung hier näher zu kom-men?
Es existiert eine Reihe von Übersichten, die einen
rechtsvergleichenden Überblick über Leistungen an
Asylbewerber erlauben. Eine umfassende Untersuchung
der Sozialleistungen an Asylbewerber wird derzeit von
der Kommission vorbereitet.
Art. 63 Nr. 1b des EG-Vertrags sieht die Schaffung
von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewer-
bern in den Mitgliedstaaten vor. Nach dem Aktionsplan
des Rates vom Dezember 1998 sollen innerhalb von
zwei Jahren Maßnahmen ergriffen werden. In seinen
Schlußfolgerungen hat der Europäische Rat von
Tampere im vergangenen Oktober die Kommission
aufgefordert, entsprechende Vorschläge zu unterbrei-
ten. Die Kommission hat bislang noch nicht angekün-
digt, wann sie eine Initiative in diesem Bereich vorle-
gen will.
Anlage 23
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Fragen des Abgeordneten Aribert Wolf (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222, Fragen 58 und 59):
Kann die Bundesregierung Auskunft geben, mit welchenLeistungen für Gesundheit Asylbewerber in den Partnerstaatender EU unterstützt werden?
Welche gesetzgeberischen Schritte plant die Bundesregie-rung, um dem Ziel einer europäischen Harmonisierung hier nä-her zu kommen?
Zu Frage 58:
Es existiert eine Reihe von Übersichten, die einen
rechtsvergleichenden Überblick über Leistungen an
Asylbewerber erlauben. Eine umfassende Untersuchung
der Sozialleistungen an Asylbewerber wird derzeit von
der Kommission vorbereitet.
Zu Frage 59:
Art. 63 Nr. 1 b des EG-Vertrags sieht die Schaffung
von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewer-
bern in den Mitgliedstaaten vor. Nach dem Aktionsplan
des Rates vom Dezember 1998 sollen innerhalb von
zwei Jahren Maßnahmen ergriffen werden. In seinen
Schlußfolgerungen hat der Europäische Rat von Tampe-
re im vergangenen Oktober die Kommission aufgefor-
dert, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Die
Kommission hat bislang noch nicht angekündigt, wann
sie eine Initiative in diesem Bereich vorlegen will.
Anlage 24
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Fragen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/
CSU) (Drucksache 14/2222, Fragen 60 und 61):
Gibt der Bundesminister des Innern, Otto Schily, mit seinerAussage, „es ist eine Illusion zu glauben, daß andere Staatenunser Asylrecht einfach übernehmen werden“, eine Einsicht wie-der, die sich die gesamte Bundesregierung zu eigen gemacht hat?
Kann die Bundesregierung Auskunft geben über die Vor-schriften des materiellen Asylrechts und des Asylverfahrens-rechts in den Partnerstaaten der EU und darüber, welche Ansätzefür eine europäische Harmonisierung sich daraus ergeben?
Zu Frage 60:
Damit hat sich die Bundesregierung noch nicht
befaßt. Sie wird sich zu gegebener Zeit äußern.
Zu Frage 61:
Die Bundesregierung verfügt über Informationen
sowohl über das materielle Asylrecht wie auch über das
Asylverfahrensrecht der EU-Mitgliedstaaten. Die Kom-
mission wird gem. Art. 63 Nr. 1 c und d. EGV i.V.m.
dem Aktionsplan des Rates vom Dezember 1998 Vor-
schläge für die Schaffung eines gemeinschaftlichen
Asylsystems vorlegen, welches der Europäische Rat in
Tampere im vergangenen Oktober eingefordert hat. Zu-
nächst ist in den nächsten Monaten eine Initiative zum
Asylverfahrensrecht zu erwarten.
6922 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 25
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des
Abgeordneten Ernst Burgbacher (F.D.P.) (Drucksache
14/2222, Frage 62):
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die EU-Kommissareund Generaldirektoren aufgrund eines Sitzstaatabkommens nachwie vor im „Economat“ steuer- und zollfrei einkaufen können,oder gelten für sie dieselben Regelungen wie für ihre Bedien-steten?
Die nach dem Protokoll über die Vorrechte und Be-
freiungen der Europäischen Gemeinschaft vom 8. April
1965 in Verbindung mit dem dazugehörigen Sitzstaat-
abkommen mit Belgien möglichen zoll- und steuerfreien
Einkäufe für Bedienstete der Kommission, zu denen
auch die Generaldirektoren gehören, hat die EU-
Kommission bereits Anfang 1998 abgeschafft.
In dem von der EU-Kommission in erster Linie für
ihre Mitarbeiter betriebenen Supermarkt „Economat“
werden seither ausschließlich verzollte und versteuerte
Waren verkauft.
Die EU-Kommissare, denen Belgien Diplomatensta-
tus zugesteht und die deshalb weitgehende Abgabenbe-
freiungen beim Einkauf von Verbrauchsgütern nach dem
Wiener Übereinkommen in Anspruch nehmen können,
haben Pressemitteilungen der EU-Kommission zufolge
in einem kürzlich verabschiedeten Reformpaket be-
schlossen, künftig auf dieses Vorrecht zu verzichten.
Anlage 26
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des
Abgeordneten Ulrich Heinrich (F.D.P.) (Drucksache
14/2222, Fragen 63 und 64):
Wie haben sich die im Bericht der Unabhängigen Kommis-sion zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massen-organisationen der DDR (Drucksache 13/11353) aufgelistetenFinanzmittel, die an die Bauernverbände der neuen Länder ge-flossen sind, auf die einzelnen Bundesländer bzw. Bauernver-bände aufgeteilt?
Was ist mit den 10,72 Mio. DM geschehen, die ausweislichder Ausführungen auf Seite 752 der Drucksache 13/11353von der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH(BVVG) erworben worden sind?
Zu Frage 63:
Die Frage betrifft das Vermögen der ehemaligen
DDR-Massenorganisation „Vereinigung der gegensei-
tigen Bauernhilfe“ (VdgB), das unter treuhänderischer
Verwaltung der BvS stand. Im VdgB waren die Genos-
senschaftsbauern und -gärtner der DDR organisiert.
Aus der VdgB gingen der Deutsche Bauernverband
e.V., dessen Mitgliedsverbände Sie in Ihrer Frage er-
wähnen, und der Raiffeisenverband der DDR e.V. her-
vor. Mit der Wiedervereinigung übernahm der Deut-
sche Raiffeisenverband e.V. die bundesweiten Ver-
bandsfunktionen auch für die Genossenschaften der
ehemaligen DDR.
Der Deutsche Bauernverband e.V. errichtete den
„Hilfsfonds Ost“ mit dem Ziel, den landwirtschaftlichen
Berufsstand in den neuen Bundesländern zu fördern. Der
Deutsche Raiffeisenverband e.V. errichtete den „Auf-
baufonds Neue Bundesländer“ mit dem Ziel, genossen-
schaftliche Einrichtungen in den neuen Bundesländern
zu sichern und zu fördern. Für diese Zwecke stellte die
Treuhandanstalt (heute BvS) den beiden Organisationen
je zur Hälfte das zentral verwaltete Vermögen der VdgB
zur Verfügung. Den beiden Hilfsfonds floß bisher auf-
grund von mit den genannten Verbänden abgeschlosse-
nen Vereinbarungen jeweils zur Hälfte ein Betrag von
insgesamt rund 14,2 Mio. DM zu. Mit den Vereinbarun-
gen wurde gleichzeitig die treuhänderische Verwaltung
nach § 20b des Parteiengesetzes der DDR beendet, so-
weit das Vermögen der einzelnen Bauernverbände und
Genossenschaften von der VdgB stammte.
Die Verteilung der Beträge auf die jeweiligen Mit-
gliedsverbände im Rahmen der Fonds war und ist aus-
schließlich Angelegenheit des Deutschen Bauernver-
bandes bzw. des Deutschen Raiffeisenverbandes. Der
Bundesregierung liegen hierüber keine Angaben vor,
weil die treuhänderische Verwaltung durch die Treu-
handanstalt bzw. BvS insoweit abgeschlossen ist.
Zu Frage 64:
Ihre Frage bezieht sich auf den Veräußerungserlös
von 946 Eigentumsgrundstücken der VdgB. Im Jahre
1998 wurden diese Grundstücke im Einvernehmen mit
der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des
Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der
DDR (UKPV) gegen Zahlung eines Betrages von 10,72
Mio. DM an die BVVG veräußert. Da es sich bei den
Grundstücken um nicht nach materiell-rechtsstaatlichen
Grundsätzen erworbenes Vermögen handelte, gehörten
sie zu dem nach Anlage II des Einigungsvertrages in
Verbindung mit § 20b des Parteiengesetzes der DDR für
gemeinnützige Zwecke in den neuen Bundesländern und
Berlin-Ost zu verwendenden Vermögen der Parteien und
Massenorganisationen der ehemaligen DDR.
Der Kaufpreis aus der Verwertung der Grundstücke
floß in diese zu verteilende Vermögensmasse ein und
wird nach den in einer Verwaltungsvereinbarung vom
Februar 1994 mit den neuen Ländern sowie einzelnen
gesetzlichen Regelungen (z. B. Altschuldenregelungsge-
setz, Gesetz über eine Stiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur) festgelegten gemeinnützigen Zwecken
verwendet.
Anlage 27
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des
Abgeordneten Josef Hollerith (CDU/CSU) (Drucksache
14/2222, Frage 65):
Ist die Anwendung der Neuregelung zur Besteuerung vonZinsen an Kapitallebensversicherungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6Einkommensteuergesetz ab dem 1. Januar 2000 auf den Ab-schluß des Vertrages zwischen Versicherungsagenten und Kun-den oder aber auf die Ausstellung der Police durch das Versiche-rungsunternehmen abzustellen?
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999 6923
(A) (C)
(B) (D)
Der Versicherungsvertrag kommt in dem Zeitpunkt
zustande, in dem der Versicherer den Antrag des Versi-
cherungsnehmers auf Abschluß eines Versicherungs-
vertrages annimmt. Die Annahme erfolgt durch Aus-
stellung des Versicherungsscheines (Policierung). Bei
der Frage, ob eine Kapitallebensversicherung vor dem
Stichtag 1. Januar 2000 abgeschlossen worden ist,
kommt es also auf das Datum der Ausstellung des Ver-
sicherungsscheines an.
Anlage 28
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222, Fragen 66 und 67):
Wann wird die Bundesregierung den vom Deutschen Bun-destag im Rahmen der Beratungen über das Einlagensicherungs-und Anlegerentschädigungsgesetz bis Ende dieses Jahres gefor-derten Bericht über die Aufsicht im Banken-, Wertpapier- undVersicherungsbereich vorlegen?
Ist es zutreffend, daß das nach § 41 Abs. 5 Außenwirtschafts-gesetz (AWG) halbjährlich vom Bundesminister der Finanzen zuunterrichtende Bundestagsgremium in dieser Legislaturperiodenoch keine Unterrichtung über die Durchführung der §§ 39bis 43 AWG (u.a. Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmel-degesetzes) erfahren hat?
Zu Frage 66:
Das Bundesministerium der Finanzen hat unmittelbar
nach der Anforderung des Finanzausschusses des Deut-
schen Bundestages vom Mai 1998 ein Gutachten in
Auftrag gegeben, um die Struktur der deutschen Auf-
sicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die
sich auf die Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen,
für den Wertpapierhandel und für das Versicherungswe-
sen verteilt, auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit
zu untersuchen. Dieses Gutachten liegt dem Bundesmi-
nisterium der Finanzen seit September 1999 vor. Bei der
Auswertung hat sich gezeigt, daß die Optimierung der
Aufsichtsstruktur komplexe Fragestellungen aufwirft,
die bisher auch weltweit noch nicht eindeutig beant-
wortet sind. Dabei stehen die Marktentwicklungen im
Vordergrund, die im Rahmen der Globalisierung zu
Konzentrationen im Banken-, Wertpapier- und Versi-
cherungsbereich führen und insbesondere bei der Beauf-
sichtigung von Finanzkonglomeraten, d.h. Konzernen,
die in mehreren der vorgenannten Geschäftsfelder aktiv
sind (z.B. Allianz-Konzern), zu neuen Herausforderun-
gen führen.
Entscheidungen zur künftigen Aufsichtsstruktur müs-
sen diese Entwicklungen berücksichtigen und zugleich
den Anforderungen gerecht werden, die aus dem Umzug
der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen und das
Versicherungswesen von Berlin nach Bonn im kom-
menden Jahr resultieren.
Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis,
daß der angeforderte Bericht der Bundesregierung erst
im Frühjahr 2000 vorgelegt werden kann.
Zu Frage 67:
Es trifft zu, daß eine Unterrichtung des Bundestags-
gremiums nach § 41 AWG in dieser Legislaturperiode
noch nicht erfolgt ist.
In der Vergangenheit erfolgte die erste Unterrichtung
des jeweils neuen Gremiums entweder anläßlich dessen
konstituierender Sitzung oder auf der ersten darauf fol-
genden Sitzung. Der Bericht wurde bisher nur auf An-
forderung und nach Terminierung durch das Gremium
erstattet. Die Mitglieder des neuen Gremiums wurden
im Sommer dieses Jahres vom Bundestag gewählt. Eine
Konstituierung ist bis heute nicht erfolgt, da noch kein
Vorsitzender benannt worden ist.
Die Bundesregierung ist jederzeit bereit, die Bericht-
erstattung vorzunehmen.
Anlage 29
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Christian Ruck (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2222, Fragen 68 und 69):
Wie steht die Bundesregierung zur Forderung nach einer„Koordinierung von Zins- und Energiebesteuerung in den EU-Mitgliedstaaten“?
Beabsichtigt die Bundesregierung, die im nationalen Allein-gang beschlossenen Stufen der „Ökosteuer“ auszusetzen, wenndie SPD auf ihrem Parteitag vom 7. bis 9. Dezember 1999 ent-sprechend dem Entwurf des Leitantrags des SPD-Partei-vorstandes für den Bundesparteitag 1999 eine europaweiteKoordinierung der Energiebesteuerung erneut ausdrücklich be-schließt?
Zu Frage 68:
Die Steuerflucht von Sparern durch die Verlagerung
von Geldanlagen in das Ausland ist für die große Mehr-
heit der EU-Mitgliedstaaten ein Problem, das einer zeit-
nahen Lösung bedarf. Dringlichkeit besteht nach Einfüh-
rung der Währungsunion um so mehr, als die Kapital-
anlagen innerhalb des „Eurolandes“ keinem Wechsel-
kursrisiko mehr unterliegen.
Die Bundesregierung engagiert sich deshalb für die
rasche Einführung EU-weiter Mindeststandards zur
Verbesserung der steuerlichen Erfassung von Kapital-
erträgen, die außerhalb des Staates erzielt werden, in
dem der Sparer seinen Wohnsitz hat.
Die Bundesregierung hat auch an einer EU-weiten
Harmonisierung der Energiebesteuerung ein großes In-
teresse und ist bemüht, Fortschritte im Hinblick auf
einen gemeinschaftlichen Rahmen für die Energiebe-
steuerung zu erzielen. Wegen der noch ablehnenden
Haltung weniger Mitgliedstaaten konnte trotz gewisser
Fortschritte ein Durchbruch bisher nicht erreicht werden.
Die Bundesregierung wird weiterhin – auch in bilatera-
len Verhandlungen – versuchen, die ablehnenden Staa-
ten von der Notwendigkeit einer Energiesteuerharmoni-
sierung zu überzeugen.
Außerdem führt die Bundesregierung vor diesem
Hintergrund Gespräche mit einzelnen Mitgliedstaaten
6924 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
über eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Festlegung
der nationalen Energiesteuern.
Zu Frage 69:
Das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuer-
reform sieht eine Erhöhung der Energiebesteuerung in
vier stetigen und maßvollen Schritten vor. Das zusätzli-
che Steueraufkommen wird zur weiteren Senkung der
gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge verwendet.
Darüber hinaus wird durch Sonderregelungen, wie z.B.
die ermäßigten Steuersätze und den Spitzenausgleich für
das produzierende Gewerbe, der internationalen Wett-
bewerbssituation der deutschen Wirtschaft und der noch
ausstehenden Energiesteuerharmonisierung hinreichend
Rechnung getragen. Das Gesetz zur Fortführung der
ökologischen Steuerreform kann daher wie vorgesehen
in Kraft treten.
Anlage 30
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des
Abgeordneten Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222, Fragen 70 und 71)
Warum will die Bundesregierung lt. Presseberichten bereitswieder eine Änderung des am 11. November 1999 im DeutschenBundestag beschlossenen Gesetzes zur Fortführung der ökologi-schen Steuerreform herbeiführen, und welchen Inhalt soll dieseÄnderung haben?
Soll es bei der im Gesetz zur Fortführung der ökologischenSteuerreform erfolgten Festlegung bleiben, daß Anlagen mitGasturbinen und nachgeschalteten Dampfturbinen (GuD-Anla-gen) bei einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent und mehr an-hand des elektrischen Wirkungsgrades von der Mineralölsteuerfreigestellt werden oder soll ein anderes Kriterium zur Feststel-lung des Wirkungsgrades von mindestens 57,5 Prozent herange-zogen werden? *)
––––––––––––
*) s. hierzu auch Frage 8
Zu Frage 70:
Ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf die steu-
erliche Begünstigung für hocheffiziente Gas- und
Dampfkraftwerke bezieht. Diese Begünstigung hat zum
Ziel, Investitionsentscheidungen für diese Kraftwerke in
einer Übergangsphase zu erleichtern. Die Förderung soll
daher nicht auf Dauer angelegt sein.
Es ist dementsprechend vorgesehen, die Begünsti-
gung nur für Anlagen mit Gasturbinen und nachge-
schalteten Dampfturbinen – sogenannte GuD-Anlagen –
ohne Wärmeauskopplung und mit einem elektrischen
Wirkungsgrad (netto) von mindestens 57,5 % zu gewäh-
ren, die zwischen dem 31. Dezember 1999 und dem
31. März 2003 errichtet werden und in Betrieb gehen.
Der Zeitpunkt des Auslaufens der Förderung soll im
Mineralölsteuergesetz festgeschrieben werden.
Zu Frage 71:
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die im Gesetz
verankerten Kriterien zur Feststellung des Wirkungsgra-
des von GuD-Anlagen zu ändern.
Anlage 31
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des
Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2222, Frage 72):
Hat die EU-Kommission schon eine Notifizierung zur zwei-ten Stufe der ökologischen Steuerreform durchgeführt?
Die Bundesregierung hat die beihilferechtlich rele-
vanten Tatbestände des Gesetzes zur Fortführung der
ökologischen Steuerreform bei der EU-Kommission
gemäß Artikel 88 Absatz 3 des EG-Vertrages notifiziert.
Die Bundesregierung ist zuversichtlich, daß die beihilfe-
rechtliche Genehmigung der EU-Kommission noch in
diesem Jahr erteilt wird.
Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
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