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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/48 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 48. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Gerhard Neumann (Gotha) und Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker ........................ 4085 A Tagesordnungspunkt 17: Debatte zur Errichtung eines Holo- caust-Mahnmals Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien – zu dem Antrag der Abgeordneten Re- nate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter der Frak- tion SPD, der Abgeordneten Nor- bert Barthle, Dr. Sabine Bergmann- Pohl, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Heinrich und Dr. Edzard Schmidt- Jortzig Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeordneter der Fraktion SPD, der Abgeordne- ten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter der Fraktion der F.D.P. sowie der Abge- ordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeord- neter der Fraktion PDS Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas – zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion SPD, der Abgeordneten Dr. Rita Süss- muth, der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Gila Altmann (Aurich), Marie- luise Beck (Bremen), weiterer Abge- ordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abgeordne- ten Sabine Leutheusser-Schnarrenber- ger Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas – zu dem Antrag der Abgeordneten Mi- chael Roth (Heringen), Karin Kort- mann, Nina Hauer, weiterer Abgeord- neter der Fraktion SPD sowie der Ab- geordneten Dr. Antje Vollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Ab- geordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas und eines „Hauses der Erinnerung“ – zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen und weite- rer Abgeordneter der Fraktion CDU/ CSU Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlich- keit – zu dem Antrag der Abgeordneten Wil- helm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wil- helm (Mainz), Dr. Gerd Müller und II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/CSU Errichtung eines zentralen Mahn- mals (Drucksachen 14/941, 14/942, 14/943, 14/944, 14/965, 14/981, 14/1238) .............. 4085 A Wolfgang Thierse SPD .................................... 4086 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU..................... 4088 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4090 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4091 B Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 4092 D Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK....... 4094 A Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermei- ster (Berlin)...................................................... 4095 B Michael Roth (Heringen) SPD......................... 4097 C Wilhelm-Josef Sebastian CDU/CSU ............... 4099 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 4100 B Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P.............. 4102 D Petra Pau PDS.................................................. 4104 A Dr. Annette Fugmann-Heesing, Senatorin (Berlin)............................................................. 4104 D Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU.......................... 4106 A Christian Simmert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4107 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ............. 4108 B Dr. Heinrich Fink PDS..................................... 4109 A Dr. Elke Leonhard SPD ................................... 4109 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ............... 4110 D Dr. Edzard Schmidt Jortzig F.D.P. .................. 4111 C Renate Jäger SPD............................................. 4112 B Hartmut Koschyk CDU/CSU........................... 4113 B Gisela Schröter SPD ........................................ 4114 B Arnold Vaatz CDU/CSU.................................. 4115 A Wolfgang Schulhoff CDU/CSU ...................... 4115 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD ........................ 4116 C Dr. Gerd Müller CDU/CSU ............................. 4117 D Sylvia Bonitz CDU/CSU ................................. 4118 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD................. 4119 C Günter Nooke CDU/CSU ................................ 4120 D Martin Hohmann CDU/CSU............................ 4121 D Eckart von Klaeden CDU/CSU ....................... 4122 C Namentliche Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wilhelm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wilhelm und Dr. Gerd Müller (Drucksache 14/1255).......................... 4123 D Namentliche Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Annette Wid- mann-Mauz, Ursula Heinen, Dr. Martina Krogmann, Sylvia Bonitz und weiterer Abge- ordneter (Drucksache 14/1267) ....................... 4126 D Namentliche Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Ed- zard Schmidt-Jortzig, Jörg van Essen und weiterer Abgeordneter (Drucksache 14/1269). 4130 A Namentliche Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Rita Süssmuth, Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Gregor Gysi und weiterer Abgeordneter (Drucksache 14/1261). 4132 D Namentliche Abstimmung über die Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) ................. 4135 D Nächste Sitzung ............................................... 4138 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 4139 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- mung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) – zu dem Antrag der Abgeordneten Re- nate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter der Frak- tion SPD, der Abgeordneten Norbert Barthle, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Ab- geordneter der Fraktion CDU/CSU so- wie der Abgeordneten Ulrich Heinrich und Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas (Druck- sache 14/941) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeord- neter der Fraktion SPD, der Abgeord- neten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 III Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeord- neter der Fraktion PDS Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas (Druck- sache 14/942) – zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion SPD, der Abgeordneten Dr. Rita Süss- muth, der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Gila Altmann (Aurich), Marie- luise Beck (Bremen), weiterer Abge- ordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeord- neten Sabine Leutheusser-Schnarren- berger Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas (Druck- sache 14/943) – zu dem Antrag der Abgeordneten Mi- chael Roth (Heringen), Karin Kort- mann, Nina Hauer, weiterer Abgeord- neter der Fraktion SPD sowie der Ab- geordneten Dr. Antje Vollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Ab- geordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas und eines „Hauses der Erinnerung“ (Drucksa- che 14/944) – zu dem Antrag der Abgeordneten An- nette Widmann-Mauz, Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen und weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/CSU Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlich- keit (Drucksache 14/965) – zu dem Antrag der Abgeordneten Wil- helm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wil- helm (Mainz), Dr. Gerd Müller und weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/CSU Errichtung eines zentralen Mahn- mals (Drucksache 14/981) Beatrix Philipp CDU/CSU............................... 4140 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU ................. 4141 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU ........................... 4141 C Rainer Fornahl SPD ........................................ 4142 A Dr. Eberhard Brecht SPD ............................... 4142 C Thomas Dörflinger CDU/CSU ........................ 4142 D Gudrun Roos SPD ........................................... 4143 A Gustav Herzog und Birgit Roth (Speyer) SPD 4143 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU .. 4143 C Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU..................... 4144 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU..................... 4144 D Ruprecht Polenz und Eckhart von Klaeden CDU/CSU ........................................................ 4146 B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen..................................... 4146 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4085 (A) (C) (B) (D) 48. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4139 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Balt, Monika PDS 25.6.99 Behrendt, Wolfgang SPD 25.6.99 * Bindig, Rudolf SPD 25.6.99 * Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 25.6.99 Brüderle, Rainer F.D.P. 25.6.99 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 25.6.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 25.6.99 * Bulmahn, Edelgard SPD 25.6.99 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Ernstberger, Petra SPD 25.6.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Formanski, Norbert SPD 25.6.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 25.6.99 Gebhardt, Fred PDS 25.6.99 Göring-Eckhardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Graf (Friesoythe), Günter SPD 25.6.99 Großmann, Achim SPD 25.6.99 Hempel, Frank SPD 25.6.99 Hintze, Peter CDU/CSU 25.6.99 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 25.6.99 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 25.6.99 * Ibrügger, Lothar SPD 25.6.99 Kanther, Manfred CDU/CSU 25.6.99 Kolbow, Walter SPD 25.6.99 Dr. Küster, Uwe SPD 25.6.99 Lensing, Werner CDU/CSU 25.6.99 Lörcher, Christa SPD 25.6.99 * Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 25.6.99 * Marquardt, Angela PDS 25.6.99 Metzger, Oswald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 25.6.99 Müller (Berlin), Manfred PDS 25.6.99 * Müntefering, Franz SPD 25.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Neumann (Gotha), Gerhard SPD 25.6.99 * Opel, Manfred SPD 25.6.99 Dr. Pick, Eckhart SPD 25.6.99 Raidel, Hans CDU/CSU 25.6.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 25.6.99 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 25.6.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 25.6.99 Schloten, Dieter SPD 25.6.99 * von Schmude, Michael CDU/CSU 25.6.99 * Schönfeld, Karsten SPD 25.6.99 Schreiner, Ottmar SPD 25.6.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 25.6.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25.6.99 Dr. Thalheim, Gerald SPD 25.6.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.6.99 Weisheit, Matthias SPD 25.6.99 Weißgerber, Gunter SPD 25.6.99 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 25.6.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 25.6.99 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 25.6.99 * Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 25.6.99 Zierer, Benno CDU/CSU 25.6.99 * Dr. Zöpel, Christoph SPD 25.6.99 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abge- ordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Norbert Barthle, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU, sowie der Abgeordne- ten Ulrich Heinrich und Dr. Edzard Schmidt- Jortzig Errichtung eines Mahnmals für die ermorde- ten Juden Europas (Drucksache 14/941) 4140 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Elke Leon- hard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Ab- geordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter der Fraktion der F.D.P., sowie der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter der Fraktion der PDS Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas (Drucksache 14/942) – zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskir- chen (Wiesloch), Eckhardt Barthel (Berlin), Hans- Werner Bertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Dr. Rita Süssmuth der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Gila Altmann (Aurich), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas (Drucksache 14/943) – zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Karin Kortmann, Nina Hauer, weite- rer Abgeordneter der SPD sowie der Abgeordne- ten Dr. Antje Vollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas und eines „Hauses der Erinne- rung“ (Drucksache 14/944) – zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Wid- mann-Mauz, Dr. Martina Korgmann, Usula Hei- nen und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Drucksache 14/965) – zu dem Antrag der Abgeordeten Wilhelm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wilhelm (Mainz), Dr. Gerd Müller und weiterer Abgeordeter der Fraktion der CDU/CSU Errichtung eines zentralen Mahnmals (Druck- sache 14/981) Beatrix Philipp (CDU/CSU): Wenn Denkmäler und Mahnmale in unserer Zeit überhaupt eine Berechtigung haben, dann, so meine ich, müssen sie etwas bewirken, für sich selbst sprechen. Sie müssen für das Inhaltliche, an das erinnert oder/und gemahnt werden soll, sensibili- sieren. Das ist der mindeste Anspruch, den ich stelle. Und „Eisenman“, mit und ohne Ergänzung, die im übri- gen selbst von Befürwortern für unabdingbar gehalten wird, wird diesem Anspruch nicht gerecht. Wir können noch zehn Jahre länger darüber akademisch diskutieren – uns muß interessieren, was der Mensch auf der Straße, der, der Berlin besucht, möglicherweise aus dem Aus- land kommend, empfindet! Uns muß interessieren, was Menschen nach vielen Jahren der Existenz eines solchen Mahnmals denken und empfinden. „Eisenman“ wird das Gegenteil von dem erreichen, was allen gemeinsames Anliegen ist. Das Monumentale, das von ihm gewollt ist, wird das genaue Gegenteil be- wirken: Es wird den Menschen „erdrücken“, nicht sen- sibilisieren, wenn er sich denn überhaupt der „Begeg- nung“ aussetzt und sie nicht bewußt meidet. Den wir vielleicht in erster Linie erreichen wollen, den jungen Menschen, der wird sich der Konfrontation möglicher- weise entziehen; Tendenzen dazu gibt es heute schon, leider! Damit wird aber auch das grundsätzliche Ziel, der von mir erwähnte Mindestanspruch, nicht erreicht, näm- lich im Betrachter, im Besucher etwas zu bewegen und ihn zu sensibilisieren. Im Gegenteil, wer ein wenig von Psychologie weiß, wird nicht bestreiten, daß das Mahn- mal „à la Eisenman“ aggressiv macht bzw. machen wird. Gegen wen sich diese Aggression dann richten wird, kann ich nur vermuten. Aber der Gedanke daran, beunruhigt mich sehr; er macht mir fast angst. Wenn die Zielgruppe, an die sich das Mahnmal in er- ster Linie richtet, die Jugend ist, dann – so meine ich – muß es etwas geben, das die junge Generation – und zwar viele junge zukünftige Generationen – ermutigt, sie „mitnimmt“, sie anspricht, das ihr aber auch das Gefühl gibt, durch das Erfahrene, etwa durch „Mittun“ etwas bewirken, verändern oder auch verhindern zu können. Wir spüren alle – so hoffe ich – die Verpflichtung, unse- re Jugendlichen vom zunehmenden bloßen Konsumieren weg zum Handeln, das heißt, zum Mittun, anzuregen. Nutzt es ihnen oder auch uns, nur zu erinnern? Ich mei- ne; erinnern reicht nicht aus! Es muß mit und in den Menschen etwas bewegt werden, etwas „emotionali- siert“ werden, im besten Sinne des Wortes, etwa im Sin- ne von erschrecken, aufwühlen, erschüttern, schaudern. Dieses geschieht am besten – und das wird niemand be- streiten können – an authentischen Orten. Und daß das in hervorragender Weise an und in den mehr als 40 Ber- liner Gedenkstätten in besonders bemerkenswerter Wei- se geschieht, bestreitet eigentlich niemand. Bei den vielen Besuchen Berlins – vor und nach dem Bau und auch dem Fall der Mauer – gab es für mich, aber auch für viele, mit denen ich gemeinsam in Berlin war, etwas, das weit über Berlins und Deutschlands Grenzen hinaus wegweisend und beispielhaft war und ist, nämlich die Konzeption, die den Berliner Gedenk- stätten zugrunde liegt. Sie zeichnet sich aus durch Viel- falt, Authentizität, durch Sensibilität auch in der Aus- wahl der Mittel und dadurch, daß sie bei den Menschen tatsächlich etwas bewirkt. Ich glaube, daß beim Besucher entstehende Fragen an diesen Gedenkstätten sich recht einfach beantworten las- sen. Sie geben individuelle Antworten zum Beispiel auf die Soziologenfrage: Was macht das mit mir? Nämlich das Gefühl des „Nie wieder“ entstehen zu lassen, das durch Erschüttern bewußt gemachte Erkennen des Un- glaublichen, durch Gedenken und Erinnern hervorgeru- fene Aufmerksamkeit und auch das Entstehen von Ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4141 (A) (C) (B) (D) antwortungsbewußtsein. Schließlich bewirken sie ein Gefühl der Demut und Scham und ein „Nach-Denken“, auch die Bereitschaft, „Anfängen zu wehren“. Mit die- sen Gefühlen und Empfindungen sollte man die Men- schen – und gerade die jungen – nicht alleinlassen. Wenn überhaupt: Am nächsten käme dem von mir eingangs erwähnten Anspruch der „Schröder-Entwurf“, der aber meines Erachtens keine Chance hat, eine Mehr- heit in diesem Hause zu bekommen. Nachdem ich diversen Pressemitteilungen entnehmen konnte, daß der Zentralrat der Sinti und Roma die Zusa- ge der Bundesregierung auf ein „eigenes“ Mahnmal vor dem Südeingang des Reichstages einfordert – und das zeitgleich –, zeichnet sich für mich eine unerträgliche Entwicklung ab. Ich bin deshalb gegen jedes Mahnmal. Vielmehr setze ich mich für eine Ausstattung der vor- handenen Gedenkstätten mit ausreichenden Mitteln ein. Ich meine, es muß etwas geben, das in die Zukunft ge- richtet ist und zum aktiven Mitmachen einlädt. Wer die Anfänge des deutsch-französischen Jugendwerkes kennt, wer heute sieht, was daraus hat werden können, wer die Anfänge des deutsch-polnischen Jugendwerkes kennt und zur Kenntnis nimmt, daß wir uns damit wirklich auf einem guten Weg befinden, der, so meine ich, würde ein wirkliches Zeichen setzen, wenn er auf ein monumenta- les, „erschlagendes“, aggressiv machendes Mahnmal mit unbekannten Baukosten und auch noch unbekannten Folgekosten verzichtet und das Geld in ein gut ausge- stattetes Jugendwerk investierte. Und noch eins: Ein so monumentales Bauwerk, wie das geplante, ist in höchstem Maße auf Akzeptanz an- gewiesen. Daß schon im Vorfeld, nicht nur durch die Dauer der Diskussion – diese hielt und halte ich für gut –, sondern auch durch Verfahrensfragen, durch unter- schiedliche Interpretationen, durch „Ein- und Ausstieg“ von Beteiligten usw. deutlich wurde, daß das, was man ursprünglich beabsichtigte, künstlerisch und ästhetisch nicht zu verwirklichen ist, sollte uns zum Umdenken veranlassen. Es gibt einen wahren Satz: „Wer A sagt, muß nicht B sagen, wenn er erkennt, daß A falsch war.“ Ich meine, wir sollten heute mutig genug sein, nein zu sagen. Wir wenden uns heute besser in dieser zentralen Frage der Zukunft zu, nehmen das Geld, das aus dem Grund- stücksverkauf, das für Bau- und Unterhaltungs- bzw. Folgekosten aufzubringen ist und gründen ein deutsch- israelisches Jugendwerk. Ich wünschte mir, daß das, was Bartoszewski einmal als Traum bezeichnete, bezogen auf das Verhältnis von Polen und Deutschen, auch von uns geträumt wird. Er träumte von einer Zeit, in der sie nur dies füreinander wären „ganz normale Menschen“. Dem würde ein groß- zügig ausgestattetes deutsch-israelisches Jugendwerk dienen, von den Menschen – und gerade den jungen – auch als Auftrag begriffen. Dieses würde überdies die Konzeption der authentischen über 1 000 Gedenkstätten in der Bundesrepublik sinnvoll ergänzen. Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): In Respekt vor dem Anliegen der Initiatoren und der bisher geleisteten Arbeit des Förderkreises des Landes Berlin und der Bundesregierung halte ich das gesamte Abstimmungs- verfahren im Deutschen Bundestag für nicht akzeptabel, da der Deutsche Bundestag erst zu einem Zeitpunkt zu einer Entscheidung aufgerufen wurde, als wesentliche Weichenstellungen bereits erfolgt waren. Ich hätte es hingenommen, wenn die bisherigen Auslober die Ver- antwortung bis zum Schluß behalten hätten. Eine nunmehr erbetene Mitwirkung an der Entschei- dung als Mitglied des Deutschen Bundestages wäre nach meiner Auffassung nur verantwortbar, wenn eine maß- gebliche Mitwirkung des Deutschen Bundestages bereits bei der Erstellung der Auslobungsunterlagen und später im Beurteilungsgremium erfolgt wäre. Allein zu diesem Zeitpunkt wäre eine echte Mitwirkung an grundsätzli- chen Weichenstellungen möglich gewesen. Dies läßt sich nach meiner Auffassung auch nicht durch die heuti- ge Abstimmungskette nachholen. Da aber weder ständige Stimmenthaltung noch stän- diges Nein-Stimmen meinem Anliegen gerecht würden und Nichtbeteiligung an den Abstimmungen nur Ver- zicht auf nachträgliche Einflußnahme bedeutet hätte, werde ich entsprechend dem Verlauf der Debatte und der Abstimmungen an den Abstimmungen teilnehmen. Wolfgang Dehnel (CDU/CSU): Ich lehne die vorlie- genden Entwürfe ab und fordere dagegen von der Bun- desregierung: Erstens. Die Bundesregierung wird aufge- fordert, sich für den Bau eines punktuellen Holocaust- Denkmals und somit gegen ein Flächendenkmal, wie es die bisherigen Entwürfe darstellen, einzusetzen. Der Bau eines solchen Holocaust-Denkmals bedarf einer neuen Ausschreibung. Zweitens. Es sollte alles dafür getan werden, die be- reits bestehenden Gedenkstätten zu erhalten. Dazu zäh- len auch das Jüdische Museum sowie das Dokumenta- tions- und Begegnungszentrum der Stiftung Topogra- phie des Terrors. Begegnungsaufenthalte von Schülern und Studenten sollten mit den Mitteln finanziert werden, die für den Bau und den Unterhalt eines kostenintensiven Flächen- denkmals vorgesehen sind. Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die Rea- lisierung der genannten Vorhaben angemessene Mittel aus dem Bundeshaushalt bereitzustellen. Begründung: Zu 1. Wie die Mehrheit der Bürger unseres Landes erachten wir die intensive Auseinandersetzung mit dem Holocaust als notwendig. Unsere Schamgefühle werden auch über die nächsten Generationen hinweg durch kein Denkmal aus der Welt zu schaffen sein, schon gar nicht durch monumentale Betonanhäufungen, wie sie die Entwürfe von Eisenman/Serra vorsehen. Vielmehr wir- ken diese künstlich, aufgesetzt und verkrampft. Ein Denkmal für die Holocaust-Opfer sollte die Überlebenden anrühren und somit den Seelen der Er- mordeten gerecht werden. Ebenso wenig geeignet für solch ein riesiges Flächendenkmal ist der Platz, der sich neben und damit in Konkurrenz zu dem Brandenburger Tor befindet, da in diesem Fall die Betrachter hinter den 4142 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) vorgesehenen Betonwänden isoliert würden. Deshalb sollte der Ort offen gestaltet werden, damit dieser auch für Veranstaltungen des Gedenkens und der Begegnung genutzt werden kann. Für das Denkmal und die Platzge- staltung sollten des weiteren nur Materialien verwendet werden, die an die Zeit des Holocaust erinnern. Das wä- ren zum Beispiel für das Denkmal Stacheldraht oder ge- brochener Granit sowie für den Platz graues oder bzw. und rotes Pflaster. Zu 2. Die bereits bestehenden Gedenkstätten und Mu- seen machen der jüngeren Generation, die nicht mehr unmittelbar von diesem furchtbaren Geschehen betrof- fen ist, das Grauen nachvollziehbarer. Durch intensive Forschung und Pflege dieser Mahnmale wird gleichsam ein aktives – und nicht nur plakatives – Erinnern ermög- licht. Rainer Fornahl (SPD): Seit über zehn Jahren wird in der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung eines zentralen Denkmals für die ermordeten Juden Eu- ropas diskutiert, ja gestritten. Das war und ist vor dem Hintergrund des Umgangs der Deutschen mit der Zeit des Nationalsozialismus auch notwendig. Als ein im Osten Deutschlands geborener und in der ehemaligen DDR aufgewachsener Deutscher habe ich sehr bewußt und schmerzlich die Erfahrung eines ge- spaltenen Umgangs der Deutschen mit ihrer Hauptver- antwortung für ungeheuerliche Verbrechen an den Völ- kern Europas und ganz besonders an den europäischen Juden miterlebt. Deshalb habe ich nach der Wiederver- einigung Deutschlands ausgesprochene Genugtuung darüber empfunden, daß sich das wieder zusammenge- fundene deutsche Volk auch auf einen gemeinsamen Weg der Verantwortung für die Verbrechen des natio- nalsozialistischen Deutschlands an den europäischen Ju- den, aber auch für ungezählte weitere Verbrechen an politischen, religiösen und behinderten Opfern, an sozial Verfemten, an sowjetischen Kriegsgefangenen und an ungezählten Angehörigen der slawischen Völker ge- macht hat. Das Deutschland von heute gedenkt und erinnert mit einem Mahnmal in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, in der Mitte von Berlin, der Opfer, der Taten und des unwiederbringlichen Verlustes von Mil- lionen Menschen. Daneben stehen aber mit großer Bedeutung für das dauerhafte Erinnern die authentischen Stätten des Grau- ens und der Entwicklung und Vorbereitung des Terrors. Der derzeitige Zustand dieser Mahn- und Gedenkstätten erfordert heute und zukünftig erhebliche Anstrengungen für die würdige Sicherung und Fortführung der Stätten des Erinnerns an die Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands. Dies muß als eine nationale Aufgabe ver- standen werden. Zum Dritten steht die Aufgabe der immerwährenden Auseinandersetzung und Aufklärung zu Ursachen, Vor- bedingungen und Strukturen, die zu Rassenhaß und Völkermord führen, insbesondere mit Blick auf die jet- zige junge und künftige Generationen. Millionenfacher Mord, ethnische Vertreibungen, schlimmste Menschenrechtsverletzungen in jüngster Vergangenheit und Gegenwart auf unserer Erde, aber auch Fremdenfeindlichkeit und Ansätze von Rassenhaß in unserer Gesellschaft führen mit aller Deutlichkeit vor Augen, daß der Kampf um „Nie wieder“, um Toleranz und Verständnis, Aufklärung und Bereitschaft zu Frie- den und Humanität allergrößte Bedeutung hat. Daran mitzutun sind Politiker und Bürgerschaft des ganzen Landes aufgerufen. Diesem, meiner tiefen inneren Über- zeugung entsprechenden Anliegen entspricht grundsätz- lich die heute zur Abstimmung vorliegende Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Me- dien (Drucksache 14/1238). Bezüglich der Ausgestaltung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas kann ich zu dem Entwurf von Eisenman weder emotional noch rational einen Zugang finden. Monstrosität der Taten und Monumentalität des Mahnmales begegnen sich in einer für mich nicht er- schließbaren Weise. Deshalb werde ich die Alternative 2, ein Mahnmal mit der Formulierung einer Mahnung in hebräischer Sprache, unterstützen. Hier wird ganz direkt und klar dem Grundanliegen entsprochen. Dr. Eberhard Brecht (SPD): Der Bundestag ist keine Jury. Er ist nicht das kompetente Gremium, das über die künstlerische Umsetzung eines politischen Auftrages zur Erinnerung und Mahnung an die ermordeten Juden Europas entscheiden sollte. Es gab leider keine Mehrheit im Deutschen Bundes- tag für einen Beschlußvorschlag, der sich auf die grund- sätzliche Entscheidung über die Errichtung eines Mahnmals beschränkte. In einer solchen Entscheidung hätten die Randbedingungen wie der genaue Ort, der Kostenrahmen, der Baubeginn, die Zusammensetzung der Jury und die Prozedur des Verfahrens festgelegt werden können. Nach der heftigen Diskussion über die Qualität der Modelle, die durch die erste Ausschreibung favorisiert wurden, wäre es ratsam gewesen, ein zweites Wettbe- werbsverfahren zu eröffnen. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Im 50. Jahr des Be- stehens der Bundesrepublik Deutschland findet die Ver- pflichtung von Staat und Gesellschaft, der während der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen insbesondere gegen das jüdische Volk im Sinne einer zukunftsweisenden Mahnung dauerhaft zu gedenken, meine uneingeschränkte Zustimmung. Diesem Auftrag werden wir durch den Bau eines Mahnmals nicht gerecht. Ich teile die Auffassung Mi- chael Wolfssohns, daß man an den vorhandenen histori- schen Stätten der Opfer gedenken sollte. Es gibt eine ganze Reihe von Facetten, die diesen Auftrag zusätzlich in der Weise mit Leben erfüllen können, daß er sich nicht nur in der punktuellen Betrachtung eines Bauwerks erschöpft, sondern zur nachhaltigen Auseinandersetzung mit dem Holocaust provoziert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4143 (A) (C) (B) (D) In diesem Zusammenhang wäre über eine im Lehr- plan erhaltene Verpflichtung zum Besuch eines Kon- zentrationslagers ebenso nachzudenken wie an die ver- stärkte Erforschung der lokalen Vergangenheit begleitet etwa durch Stipendienförderung seitens der Kommunen. Teile des nationalsozialistischen Gesellschaftssystems warten noch heute auf eine durchgreifende wissen- schaftliche Aufarbeitung. Dies gilt etwa für die Rolle der Justiz in der NS-Zeit. Geschichtswissenschaft, die ihren Auftrag richtiger- weise darin begreift, aus den Erkenntnissen über die Vergangenheit die notwendigen Schlüsse für die Ge- staltung der Zukunft zu ziehen, ist letztlich nie abge- schlossen. Ihr wohnt der systemimmanente Auftrag in- ne, nachhaltig über Themen zu arbeiten. Der Auftrag der Geschichte heißt Wissen, Forschen und Lernen. Diesem Auftrag wird der Bau eines Mahnmals nicht gerecht. Aus den genannten Gründen kann ich dem Bau eines Holocaust-Mahnmals in Berlin meine Zustimmung nicht geben. Gudrun Roos (SPD): An die während der Naziherr- schaft verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Völkermord muß immer wieder erinnert wer- den. Wir müssen auch meines Erachtens der nachfol- genden Generation Gelegenheit geben, sich mit diesem Teil unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Die bestehenden Gedenkstätten können dies leisten bzw. anstoßen. Wegen fehlender finanzieller Mittel sind jedoch viele dieser Gedenkstätten kaum in der Lage, die Gebäude, Einrichtungen etc. zu pflegen, zu renovieren und damit zu erhalten. Solange dies so ist, sehe ich mich außerstande, der Bereitstellung von Mitteln für ein neues Denkmal zuzu- stimmen. Gustav Herzog und Birgit Roth (Speyer) (SPD): Anläßlich der Abstimmung des Deutschen Bundestages über die Errichtung eines Holocaust-Mahnmales Ich erkläre, daß ich dem Antrag der Gruppe von Ab- geordneten zustimmen werde, die auf die Errichtung ei- nes weiteren Holocaust-Mahnmales in Berlin verzichten wollen. Ich bin davon überzeugt, daß es keine eindrucksvolle- re Erfahrung und Begegnung mit dem Grauen der Ver- nichtung der Juden geben kann als einen Besuch der tat- sächlichen Stätten des Schreckens während der national- sozialistischen Herrschaft. Bei all meinen Besuchen in ehemaligen Konzentrationslagern war es das Wissen darum, an einem Ort zu sein, dem von der Geschichte ein derart furchtbarer Platz zugewiesen wurde, der mich tief beeindruckt hat. Ich meine, daß kein wie auch im- mer gestaltetes, neu zu errichtendes Mahnmal eine ähn- liche Wirkung haben könnte. Kein künstlich geschaffe- nes Werk – auch kein Kunstwerk – kann dem unsagba- ren Leid der Vielen eine Gestalt geben. Die in Berlin und an anderen authentischen Orten der Verbrechen errichteten Gedenkstätten sind geeignete In- stitutionen der Erinnerungskultur und sollten mit – ihrer Bedeutung und Würde angemessen – finanziellen Mit- teln erhalten und bewahrt werden. Sie bedürfen keiner Einrichtung, die zu ihnen in Konkurrenz treten würde. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Es ist sicher nicht sinnvoll, darüber zu streiten, ob es in Deutschland unter eintausend oder weit über tausend Gedenkstätten, Mahnmale, Gedenktafeln u.ä. gibt, weil dies kein vergleichbares Thema ist. Zum Vergleich kön- nen höchstens in Betracht kommen die über 60 Stätten in Deutschland, die von hauptamtlichen Leitern betreut werden und damit geschichtlich geleitet sind. Sie bieten für Menschen neben dem Visuellen auch das geschrie- bene oder gesprochene Wort zur Erklärung, und ich halte das für wichtig. In Berlin haben wir u.a. vier herausragende Beispiele: die „Neue Wache“, die „Topographie des Terrors“, eine außergewöhnliche Gedenkstätte, die noch erweitert wird, das Jüdische Museum, das der „geistige“ Erbauer, Herr Daniel Libeskind, auch als Holocaust-Denkmal verstanden haben will, das noch mit Leben erfüllt wer- den muß und bei dem bereits über zwei Dutzend Beton- stelen stehen, und die Wannsee-Villa, eine ungewöhnli- che Dokumentation. Eine hübsche Villa von außen, in der vor fast 60 Jahren der Vernichtungsbefehl gefertigt wurde. Ich bin wegen der 60 Gedenkstätten und der vier Do- kumentationen in Berlin vom Grundsatz her der Mei- nung, daß wir dort kein weiteres Mahnmal benötigen, auch deswegen, weil die bisherigen Gedenkstätten, al- lein die 12 großen Konzentrations- und Vernichtungsla- ger in Europa jährlich von 3,3 Millionen Menschen besucht werden, unabhängig von Yad Vashem mit 1,5 Millionen Besuchern, dem Holocaust Memorial Museum in Washington mit 1 Million Besuchern, dem Anne Frank-Haus mit über einer halben Million Besu- chern und der „Neuen Wache“ mit fast 3 Millionen Be- suchern. Von Interesselosigkeit und Gleichgültigkeit kann bei einer solchen Besucherzahl keine Rede sein. Ich kann auch der Argumentation nicht folgen, in Deutschland seien das alles Gedenkstätten, wo nur ein Teil der schrecklichen Taten durchgeführt worden sei, deswegen benötige man ein zentrales Denkmal in Deutschland. Und dabei wurde u.a. das schreckliche Wort gebraucht, man brauche dieses Denkmal für „das Volk der Täter“. Damit könnte leicht versucht werden, die Deutschen pauschal zu Mördern zu stempeln, weil es einige zehntausend waren. Selbst wenn es einige hun- derttausend gewesen wären, wäre es immer noch weni- ger als 1% der deutschen Bevölkerung. Wer – und ich wiederhole: Millionen Menschen tun es jährlich – ein Konzentrationslager wie Dachau, Bu- chenwald, Sachsenhausen, Auschwitz oder jetzt auch die „Topographie des Terrors“ besucht hat oder besuchen wird, wird das Grauen und die Unmenschlichkeit, die geschehen ist, nie vergessen. Dies können 2 700 Beton- stelen nicht vermitteln und auch nicht ergänzen. Michel Friedman und Ignatz Bubis haben sinngemäß gesagt: „Juden brauchen dieses Denkmal nicht, die Deutschen brauchen es.“ Dr. Friedman fügte hinzu: 4144 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) „Wer stark ist, muß für das Denkmal sein.“ Ich habe ihm in einem Brief widersprochen und behaupte das Gegen- teil: „Wer stark ist, wendet sich gegen den Gigantismus, selbst wenn er dadurch in Gefahr gerät, in die Ecke des Antisemitismus gestellt zu werden.“ Es ist nicht nur meine persönliche tiefe Überzeugung, daß dieses Mahnmal spaltet und nicht versöhnt, sondern die Überzeugung sehr vieler. Ich will nur Sie, Herr Mi- nister Naumann, nennen, als Sie vor der Wahl laut WELT sogar Parallelen zogen zu den Bauten von Albert Speer und gesagt haben: „Soll das Super-Mahnmal im Zentrum der Hauptstadt Zweifel an der deutschen Iden- tität buchstäblich ins Monumentale steigern?“ Und dann haben Sie nach der Wahl mit einem Kurswechsel um 180 Grad dem noch eins draufgesetzt mit der hundert Meter langen, als Klagemauer stilisierten Bibliothek. Ich will auch nur eine von vielen jüdischen Stimmen, die gegen das Mahnmal sind, die des großen Geigers Isaak Stern, zitieren. Er hatte sich 1945 geschworen, nie wieder nach Deutschland zu kommen, und besuchte nun als 78jähriger Berlin. Er antwortete am 10. April 1999 im „Tagesspiegel“ Berlin auf die Frage: „Sie haben in Berlin das zukünftige jüdische Museum und die ‚Topo- graphie‘ des Terrors“ besichtigt. Wie haben Sie diese Orte empfunden?“ Stern: „Ich habe viele Holocaust- Gedenkstätten besichtigt und kann nur sagen, daß der Besuch der ‚Topographie des Terrors‘ eine der erschrek- kendsten Erfahrungen war, die ich gemacht habe: kein einziges Bild, kein Klangdokument, nur der Raum, kal- ter, grauer Granit, ohne Zentrum. Daß nur ein paar hun- dert Kilometer entfernt gerade Hunderttausende vertrie- ben werden, machte mich für die Sache besonders bitter. Und denken Sie an Sachsenhausen – nur eine halbe Stunde von Berlin entfernt –, das sind authentische Orte, an denen Erinnerung stattfinden sollte, weil hier die schrecklichen Dinge wirklich passiert sind. Deutschland zu zwingen, ein weiteres Mahnmal im Herzen Berlins zu bauen, ist – wie sag ich’s höflich? – geschmacklos. Ich bin nicht sicher, ob das nicht auf lange Sicht den ange- strebten Zweck zunichte machen würde.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer dem: Wenn wir aus inneren und äußeren Zwängen aus einer Ver- wirklichung eines Mahnmals nicht mehr herauskommen, dann lassen Sie uns mit Würde Abschied nehmen von der Monumentalität. Pflegen wir die vorhandenen Mahn- und Denkmale, unterstützen wir die Museen und lassen Sie uns gemeinsam entweder die Schrö- der/Schneider-Variante anpacken, umrahmt von Hun- derten von europäischen Bäumen aus allen betroffenen europäischen Ländern, oder auch den Plantanenhain, mit der Sandplatte von Eberhard Fiebig. Auf diese Variante hat Ekkehart Krippendorf mit sehr guten Argumenten gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ hingewiesen. Bäume symbolisieren Hoffnung und Zukunft, sie sind lebendig und nicht tot und nüchtern und kalt wie 2 700 Betonstelen. Wir sollten bei unserer Entscheidung an die Zukunft denken. Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU): Nach der lang- jährigen intensiven Debatte um Sinn und Zweck des Mahnmals, um seine politische Botschaft und ihre beste Ausdrucksform wäre die Ablehnung eines Mahnmals durch den Bundestag ein falsches Signal in die deutsche und die internationale Öffentlichkeit. Eine solche Ent- scheidung würde als Verweigerung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus aufgenommen wer- den; das kann nicht unser politischer Wille sein. Es kann dabei nicht Sache des Bundestages sein, über die konkrete künstlerische Ausgestaltung eines solchen Mahnmals zu befinden. Das politische Votum des Bun- destags muß der Errichtung des Mahnmals als solchem gelten. Sich mit einzelnen Entwürfen zu beschäftigen, sie zu begutachten und positiv oder negativ zu bewerten, ist dagegen nicht die Aufgabe des Parlaments. Die Ver- antwortung für die Durchführung des Bundestagsbe- schlusses sollte bei der Bundesregierung liegen, nicht beim Gesetzgeber. Über ganz Deutschland verstreut liegen die Stätten des nationalsozialistischen Terrors; zahlreiche For- schungsstätten, Bibliotheken und Ausstellungen – eben- falls im ganzen Bundesgebiet – befassen sich in aufklä- render Absicht mit den Verbrechen des Nationalsozia- lismus. Was wir deshalb nicht benötigen, ist ein groß angelegtes „Haus des Erinnerns“ als Teil des Mahnmals. Es wäre mangels Beständen entweder halb leer – und deshalb eine Peinlichkeit –, oder es müßte sich Großteile der bestehenden Einrichtungen gleicher Art einverlei- ben; das stünde in krassem Widerspruch zum Fördera- lismus. Es darf kein hauptstädtisches Monopol in der Aufarbeitung der deutschen NS-Geschichte geben. Es geht bei der Errichtung eines zentralen Mahnmals nicht um Volkspädagogik, nicht um Information und Aufklä- rung. Es geht um das ,,Mahnen“, um das Erinnern und Gedenken in eins mit dem Bekenntnis zu den ethischen und politischen Konsequenzen, die wir aus diesem Erin- nern ziehen. Ein solches Mahnmal ist ein Symbol unse- res Bekenntnisses zur Verantwortung für Vergangenheit und Gegenwart. Es wird die kollektive Erinnerung der Deutschen an die Zeit des Nationalsozialismus symboli- sieren. Jede Ummantelung durch didaktische Verpak- kungen in einem „Haus des Erinnerns“ oder völlig un- klar definierten „Orten der Information“ relativiert sei- nen spezifischen Charakter als Denkmal. Entscheidet der Bundestag im Lauf der Debatte doch über die konkrete Gestalt des Mahnmals, stimme ich hilfsweise dem Antrag 14/941 zu, nach dem das Mord- verbot in den Mittelpunkt zu stellen ist. Dieser Vor- schlag nach einer Idee von Richard Schröder macht am besten den Sinn und Zweck des Mahnmals deutlich und faßt die politisch-moralische Botschaft zusammen. Das Mordverbot ist der entscheidende humane Kern, auf den es ankommt und ankommen muß. Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Zunächst möchte ich meinem Kollegen Norbert Lammert herzlich für sei- ne bewegende Rede, die beste in unserer heutigen De- batte, danken. Er hat eindrucksvolle Gedanken vorgetra- gen, denen ich mich anschließe. Erlauben Sie mir, einige wenige Gedanken vorzutra- gen, die mich in den letzten Jahren der Debatte um das Holocaust-Mahnmal bewegt haben: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4145 (A) (C) (B) (D) Wichtig für mich war eine Freundin in Hannover, Jüdin. Sie starb vor wenigen Tagen im Alter von 35 Jah- ren an einer tödlichen Krankheit. Einige Wochen zuvor haben meine Frau und ich sie das letzte Mal gesehen. Von der Krankheit bereits schwer gezeichnet hatte sie doch noch ihren wachen Verstand und ihr großes Herz. Sie beschwor mich wiederholt, mich im Deutschen Bundestag für das Mahnmal Eisenmans einzusetzen: „Wir brauchen ein Mahnmal mitten in der Stadt, denn mitten aus den Städten sind die Juden verschleppt wor- den.“ In der Tat, wir wollen die bestehenden Gedenkstätten, Museen und Denkmäler, die uns an das grauenhafte Ge- schehen der Shoah erinnern, ehren und weiter unterstüt- zen, aber wir brauchen außerdem – 50 Jahre nach Grün- dung der Bundesrepublik Deutschland, 10 Jahre nach dem Fall der Mauer und im Moment, wo der Deutsche Bundestag nach Berlin zurückkehrt – auch ein zentrales Denkmal mitten in unserer Hauptstadt, einen Ort würdi- gen Gedenkens an das Unvorstellbare. Normalerweise versuchen Völker, ihre Missetaten und Verfehlungen zu beschönigen, zu verschweigen oder zu verdrängen. Ich weiß von keinem einzigen Fall, wo ein Volk bisher bereit war, nach langjähriger quälen- der Diskussion aufgrund eines Beschlusses der Volks- vertretung den Verbrechen des eigenen Volkes ein Mahnmal zu setzen. Beschwert uns das nun? Laufen wir gebückt mit Asche auf dem Haupt durch die Welt, ohne Stolz, auf ewig mit einem Makel behaftet, den wir zu allem Überfluß noch selbst durch ein vermeintlich mo- numentales Mahnmal verstärken? Belasten wir kom- mende Generationen durch ein ewiges „mea culpa“, ob- wohl doch die Jungen gar nichts mehr damit zu tun ha- ben? Das Mahnmal zeigt im Gegenteil, daß wir heute ein demokratisches, selbstbewußtes Land sind, das die Kraft und die Reife hat, sich seiner Geschichte zu stellen. Das Mahnmal ist keine Last. Ich empfinde es als Befreiung und nicht zuletzt auch als eine Art Kompaß für den Weg in eine freiheitliche Zukunft, in der sich so etwas wie der Holocaust nicht mehr wiederholt. Der neue Reichstag mit der großartigen Kuppel, die bald zum Sinnbild unse- res Parlamentarismus werden wird, das Brandenburger Tor, die Neue Wache und nun das Holocaust-Denkmal – zusammen sind dies die Symbole, auf denen wir unsere neue Hauptstadt bauen, eine gute Verbindung aus Ge- schichte, Gegenwart und Blick in die Zukunft. Ich freue mich auf das neue Berlin. Reicht es denn nicht, so wird eingewandt, daß wir in der Neuen Wache unter den Linden der Opfer „von Krieg und Gewaltherrschaft“ gedenken? Richard Schrö- der hat in einer offenen Fraktionssitzung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion diesem Argument zu Recht entgeg- net, daß wir die Verfolgungsverbrechen nicht hinter den Kriegsopfern verstecken sollten. Es geht darum, die Opfer zu ehren, die Juden an er- ster Stelle, nicht nur, weil sie die stärkste Gruppe unter den Verfolgten darstellten, sondern weil hier ein ganzes Volk ausgerottet werden sollte – mit einer alles andere übertreffenden Radikalität. Und dennoch ist dem Histo- riker Christian Meier zuzustimmen, daß Terror und Ver- nichtung sich neben den Juden auch auf Roma und Sinti, auf Geisteskranke, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, die polnische Elite, Millionen russischer Kriegsgefangener, Sozialisten und Kommunisten und andere Gruppen be- zog. Deshalb werde ich für die Erweiterung der Wid- mung für die Einbeziehung anderer Opfergruppen stim- men. Sosehr Richard Schröder zuzustimmen ist, wenn er für ein Mahnmal wirbt, so sehr verfehlt sein eigener Vorschlag das selbstgesteckte Ziel. Was hat die Mah- nung „Du sollst nicht morden“ mit dem spezifischen Massenmord der Nationalsozialisten zu tun? Die Mah- nung gilt für jeden Mord. Aber wir wollen nicht z. B. Raubmördern gedenken, sondern eben des Holocaust. Meine Kollegen von Klaeden und Polenz haben zu Recht gezeigt, daß die Beschränkung auf das 5. Gebot dem Holocaust auch seine metaphysische Dimension nimmt, die gerade für die gläubigen Opfer und ihre An- gehörigen so wichtig war. Dem Vorschlag Richard Schröders fehlt auch jeder Bezug auf die deutsche Ge- schichte. Es geht nicht um die Massenmorde in Ruanda, es geht um die Shoah in Deutschland. Schwer erträglich waren in den letzten Monaten ver- schiedene Äußerungen der neuen Regierung. Gerhard Schröders „Da muß man gerne hingehen“ und Michael Naumanns Vergleich des Eisenman-Entwurfs mit der Architektur Speers sind schon erwähnt worden. Nach diesen Entgleisungen fällt es schwer, den Vorschlag Naumanns, der hier zur Abstimmung steht, ernst zu nehmen. Wenn Eisenmans Stelenfeld wirklich monu- mentale Speer-Architektur ist, wieso wird diese dann durch Hinzufügung eines „Kognitiven Zentrums“, wie immer das im einzelnen aussehen soll, erträglicher? Ich bin Mitglied des Vorstands des Vereins „Gegen Vergessen, für Demokratie“. Dessen Vorsitzender, Hans-Jochen Vogel, hat meines Erachtens völlig zutref- fend ausgeführt, daß die furchtbare Dimension des Ho- locaust es verbietet, das Mahnmal mit einem herkömm- lichen Denkmal zu verbinden und dadurch in seiner Aussagekraft zu relativieren. In diesem Vorschlag Naumanns sehe ich auch eine Zumutung gegenüber dem Künstler. Der hat in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ am 21. März 1999 seinem Ärger über die Einmischungen Naumanns Ausdruck verliehen: „Naumanns Initiativen waren nur das Deckmäntelchen für den Protest von Schröder oder sonstwem. Die wollten das Projekt nicht.“ – Eisenman gefällt der Anbau Naumanns nicht, aber zähneknir- schend deutet er an, daß die „Grundidee“ ja die eigene bleibe: „Im schlimmsten Fall muß ich halt noch irgend- einen Kiosk einbauen.“ Es ist traurig, daß hier heute die Gefahr besteht, daß der Naumann-Zusatz eine Mehrheit findet. Nach meiner festen Überzeugung ist das keine echte Mehrheit. Einige Kollegen der SPD stimmten nur deshalb zu, weil sie dem Staatsminister nach seinen ursprünglichen bomba- stischen Erweiterungsvorschlägen nun wenigstens einen etwas verkleinerten Zusatz, einen Ort der Information und des Gedenkens, zugestehen wollen. Es geht um Ge- 4146 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) sichtswahrung für Kanzler Schröders Kulturbeauftrag- ten. Das ist parteipolitisch nachvollziehbar. Aber darf das der Maßstab für unsere Entscheidung sein? Der Eisenman-Entwurf läßt für jeden alles offen, was er beim Betrachten dieses „Kunstwerks“ empfindet. Das Mahnmal kann damit die enorme Leistung vollbringen, sowohl der Opfer zu gedenken als auch auf die Täter zu verweisen. Der Pfeilerwald schreibt den Besuchern kei- nen Weg und keine Empfindungen vor (so Sprecher der Findungskommission, der amerikanische Judaist und Anglist James E. Young). Auch deshalb verbieten sich erklärende Zusätze und Belehrungen. Eisenman II fordert alle, die es sehen, immer aufs neue zur Erinnerung auf. Das „Nie wieder“ bleibt leben- dig. Daneben stehen auch Trauer, Betroffenheit, Mitge- fühl mit den Opfern und Verachtung für die Täter. Der Einwand, das Mahnmal provoziere neuen Antisemitis- mus, ja sogar Anschläge, kann nicht der Maßstab für die Entscheidung über das Mahnmal sein. Wollen wir wirk- lich unser Gedenken an den Holocaust von den ver- meintlichen Anschlägen derjenigen abhängig machen, die von neuem einen gewalttätigen Antisemitismus praktizieren? Würden wir nicht grade dann, wenn wir aus Angst vor Anschlägen rechtsradikaler Gruppen das Mahnmal nicht bauten – würden wir nicht dann den schrecklichen Fehler der Weimarer Republik wiederho- len und uns einmal mehr gegenüber der Gewalt ducken? Ruprecht Polenz und Eckart von Klaeden (CDU/CSU): In dieser Woche soll der Deutsche Bun- destag über die Errichtung eines zentralen Holocaust- Mahnmals in Berlin entscheiden und damit eine über zehn Jahre dauernde Diskussion zum Abschluß bringen. Der Zeitpunkt macht Sinn: 50 Jahre Grundgesetz, zehn Jahre Fall der Mauer, der Bundestag nimmt seinen Sitz im Reichstag in Berlin – die Nachkriegszeit ist zu Ende. Damit darf aber kein Schlußstrich oder der Ver- such eines geschichtsvergessenen Neuanfangs verbun- den sein. Die ganze deutsche Geschichte, auch die Jahre von 1933 bis 1945, gehören fortwirkend zur deutschen Identität. Deshalb brauchen wir Deutsche ein zentrales Holocaust-Denkmal in der Mitte unserer Hauptstadt – zum Gedenken, Erinnern, Mahnen. Das zentrale Holocaust-Denkmal soll und kann die zahlreichen Mahnmale und Gedenkstätten in Deutsch- land sowie die authentischen Stätten des Gedenkens und Erinnerns in den ehemaligen Konzentrationslagern nicht ersetzen. Dies gilt allerdings auch umgekehrt. Denn jetzt geht es darum, an einem zentralen Ort der deutschen Hauptstadt eine würdige Auseinandersetzung mit dem unfaßbaren Kapitel der deutschen Geschichte zu ermög- lichen und dafür ein Mahnmal zu setzen. Der Einzigartigkeit dieser Verbrechen wird jedoch ein Mahnmal nicht gerecht, das sich auf das allgemein gültige 5. Gebot „Du sollst nicht morden“ beschränkt, wie es Richard Schröder und Oscar Schneider vorge- schlagen haben. Holocaust war mehr als Mord, mehr als Massenmord. Die Beschränkung auf das 5. Gebot nimmt dem Holocaust seine metaphysische Dimension, die ge- rade für die gläubigen Opfer und ihre Angehörigen so entsetzlich war und ist. Außerdem fehlt dem Schrö- der/Schneider-Vorschlag der spezifische Bezug auf un- sere eigene Geschichte. Es geht bei diesem Mahnmal eben gerade nicht darum, auch an die Massenmorde in Ruanda oder Kambodscha zu erinnern. Das Stelenfeld von Peter Eisenman („Eisenman II“) ist zu Recht aus einem mehrstufigen und mit großer Sorgfalt durchgeführten Wettbewerb von einer interna- tionalen Fachjury als bester Vorschlag ausgewählt wor- den. Gerade in seiner Abstraktheit wird es der gestellten Aufgabe gerecht. „Symbole, die leicht zu verstehen sind, reduzieren das Mahnmal zu einem Konsumprodukt. Das Mahnmal soll keine Katharsis ermöglichen, es öffnet der Gegenwart das Bewußtsein über die Bedeutung des Holocaust in einer anderen Zeit. Es steht dem leicht Er- faßbaren gleichgültig gegenüber, und wenn es eine Bot- schaft gibt, dann die, daß Symbole nicht möglich sind.“ (Peter Eisenman) Deshalb wirken auch alle noch so gut gemeinten er- klärenden und ergänzenden Zusätze oder Zubauten, wie Staatsminister Naumann sie vorgeschlagen hat, eingren- zend und einschränkend, eben als „pädagogische Gelän- der“. Der Deutsche Bundestag ist daher gut beraten, das Wettbewerbsergebnis nicht zu verändern. Wir stimmen deshalb für „Eisenman II“. Falls dieser Entwurf nicht die Mehrheit des Deut- schen Bundestages findet, stimmen wir, nicht ohne Be- denken, für die Beschlußempfehlung des Kulturaus- schusses, das heißt damit auch für den ergänzenden Ort der Information. Die Bedenken dagegen bestehen auch in der zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht ausge- räumten Unklarheit darüber, in welcher räumlichen Ver- bindung dieser Ort mit dem Stelenfeld stehen wird, wie er sich auf die Größe und Gestaltung des Stelenfeldes letztlich auswirkt und mit welcher inhaltlichen Konzep- tion die Informationsarbeit in diesem Ort letztlich be- trieben werden soll. Eine Ablehnung dieses Konzepts wäre aber, trotz aller Bedenken dagegen, nicht zu vertre- ten, da sonst im Ergebnis kein Mahnmal realisiert würde. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit- geteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Abschlußbericht zur Hochwasserkatastrophe an derOder – Drucksachen 13/9571, 14/272 Nr. 159 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag über die Erfahrungen mit dem Vollzug desUmweltauditgesetzes (UAG) – Drucksachen 13/11127, 14/69 Nr. 1.2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1999 4147 (A) (C) (B) (D) Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/11409 Nr. 2.46Drucksache 13/11409 Nr. 2.53Drucksache 14/74 Nr. 1.21, 14/189 Nr. 2.1Drucksache 14/488 Nr. 2.55 Innenausschuß Drucksache 14/309 Nr. 1.1Drucksache 14/309 Nr. 2.40Drucksache 14/342 Nr. 2.50Drucksache 14/671 Nr. 2.30 Finanzausschuß Drucksache 12/272 Nr. 60Drucksache 14/272 Nr. 61Drucksache 14/272 Nr. 63Drucksache 14/272 Nr. 64Drucksache 14/272 Nr. 65 Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Drucksache 14/431 Nr. 1.19Drucksache 14/431 Nr. 2.26Drucksache 14/488 Nr. 2.54Drucksache 14/488 Nr. 2.57Drucksache 14/488 Nr. 2.59 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.1Drucksache 14/488 Nr. 2.2Drucksache 14/488 Nr. 2.26 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/309 Nr. 2.15Drucksache 14/309 Nr. 3.1Drucksache 14/342 Nr. 1.2Drucksache 14/342 Nr. 1.3Drucksache 14/342 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.48 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 14/272 Nr. 136Drucksache 14/342 Nr. 2.23 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/488 Nr. 2.29Drucksache 14/488 Nr. 2.50Drucksache 14/488 Nr. 2.66Drucksache 14/595 Nr. 2.2Drucksache 14/671 Nr. 1.2 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/272 Nr. 165Drucksache 14/272 Nr. 166Drucksache 14/272 Nr. 167Drucksache 14/309 Nr. 1.10Drucksache 14/488 Nr. 2.27Drucksache 14/671 Nr. 2.2 Ausschuß für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/671 Nr. 2.19Drucksache 14/671 Nr. 2.21
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Seit 11 Jahren findet die Dis-
    kussion über die Notwendigkeit oder Nichtnotwendig-
    keit dieses Mahnmals für die ermordeten Juden Europas
    statt. Das verdanken wir Frau Rosh, Herrn Jäckel und
    anderen. Ich glaube, es war eine wichtige Diskussion,
    und sie wird das auch bleiben.


    (Zustimmung bei der PDS)

    Es gab und gibt rechte Gegner und linke Bedenken-

    träger. Auch ich hatte meine Bedenken. Käme ein sol-
    ches Mahnmal nicht vielleicht 50 Jahre zu spät, fragte
    ich mich. Immer wieder wurde gefragt: Wie kann man
    ein Mahnmal im Land der Täter, Schweigenden und Zu-
    sehenden gestalten? Schon diese Charakterisierung finde
    ich falsch; denn in diesem Land gab es auch Opfer, vie-
    le, zu viele. Auf die Frauen und Männer, die gegen Hit-
    ler Widerstand leisteten, sollten wir stolz sein und sie
    bei der Charakterisierung des Landes und seiner Ge-
    schichte nicht regelmäßig ausblenden.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Die jahrelangen Diskussionen, die zum Teil sehr hef-
    tig geführt wurden, und der verstärkt aufkommende
    Rechtsextremismus in einem Teil unserer Jugend haben
    mich überzeugt: Wir brauchen das Mahnmal für uns und
    für kommende Generationen. Ich kann mir eine günsti-
    gere Entscheidung des Bundestages im Zusammenhang
    mit dem Umzug von Bonn nach Berlin als die, die wir
    heute treffen, gar nicht vorstellen. Wenn es denn Sym-
    bolik gibt, dann macht genau diese Symbolik Sinn.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    Es ist völlig legitim, die Frage aufzuwerfen, ob man
    ein solches Mahnmal auf die ermordeten Juden be-
    schränken soll oder ob man nicht zugleich auch der an-
    deren Opfer des Naziterrors gedenken muß. Aber der
    Vorschlag, der hier unterbreitet worden ist, ist meines
    Erachtens nicht akzeptabel; denn er würde bedeuten, die
    anderen Opfer in ihrer Verschiedenheit praktisch unter
    der Rubrik „und andere“ zu erfassen. Das wird ihnen
    nicht gerecht. Ich bin für das, was in der Beschlußemp-
    fehlung steht, nämlich dafür, daß wir den anderen Op-
    fern eigene Stätten des Gedenkens widmen. Diese Ver-
    pflichtung aber müssen wir auch erfüllen.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dabei meine ich wirklich alle. Ich denke an die Ho-
    mosexuellen, ich denke an die Zeugen Jehovas, ich den-
    ke an die Sinti und Roma, ich denke an die Frauen und
    Männer des bürgerlichen Widerstands, ich denke an So-
    zialdemokratinnen und Sozialdemokraten, ich denke an
    Kommunistinnen und Kommunisten, ich denke an
    Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus allen Län-
    dern Europas, an Kriegsgefangene und all jene, die der
    Mordmaschine zum Opfer fielen. Ihnen allen steht eine
    würdige Form des Gedenkens zu. Sie gehören nicht in
    die Rubrik „und andere“.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Die viel kompliziertere Frage ist die der Gestaltung,
    und zwar schon allein deshalb, weil sie das Verhältnis
    von Politik und Kunst berührt. Sie wissen, daß ich aus
    einem Land komme, in dem sich Politik ständig in
    Kunst eingemischt hat. Das war übrigens nicht nur ver-
    heerend für die Kunst, sondern auch für die Politik.


    (Beifall des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.])


    Es handelte sich um eine Anmaßung, die die Kultur-
    geschichte in extremer Form negativ beeinflußt hat. Das
    ändert übrigens nichts daran, daß dennoch beachtens-
    werte Kunst und Kultur in der DDR entstanden ist.


    (Zustimmung bei der PDS)

    Durch dieses Verhältnis sind wir in besonderer Weise

    geprägt.
    Deshalb mahne ich zur Vorsicht, wenn Politik –

    durch welche Umstände auch immer – gezwungen ist,

    über Kunst zu entscheiden. Allein schon diese Vorsicht
    gebietet, das Ergebnis eines Wettbewerbs so, wie es
    vorliegt, zu akzeptieren und sich jetzt nicht von seiten
    der Politik selbst Ergänzungen und alles mögliche aus-
    zudenken. Wir haben uns in die Gestaltung eines archi-
    tektonischen Kunstwerks genausowenig einzumischen
    wie in die eines Bildes oder eines Musikstückes, und
    zwar auch nicht durch die Vornahme von Ergänzungen.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Deshalb bin ich froh, daß es die beiden Wettbewerbe
    gab und daß es ein Ergebnis gibt, auf das wir uns hier
    bei unserer Entscheidung stützen können. Wir sollten
    davon nicht abweichen.

    Gestatten Sie mir eine Bemerkung zu dem Vorschlag
    des Theologen Professor Dr. Schröder: Morde gab es
    vor der NS-Zeit, Morde gab und gibt es nach der NS-
    Zeit, Morde gab und gibt es in jeder Gesellschaft. Das,
    was gemäß diesem Vorschlag auf dem Mahnmal stehen
    soll, wird dem, um das es hier geht, nicht gerecht. Die
    systematische Ausrottung eines 2000 Jahre verfolgten
    Volkes durch ein Regime in ganz Europa, wo auch im-
    mer man der Jüdinnen und Juden habhaft werden konn-
    te, ist viel mehr als das, was man unter dem Begriff
    Mord versteht. Deshalb reicht das einfach nicht aus, um
    dem Rechnung zu tragen, worum es uns gehen sollte.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Gestatten Sie mir, Frau Dr. Vollmer, noch eine Be-
    merkung: Ich verstehe alles, was Sie zur Frage der In-
    formation und Dokumentation gesagt haben. Man darf
    aber doch das Mahnmal nicht gesondert sehen. Es liegt
    in einer Stadt mit vielen Gedenkstätten, mit vielen Do-
    kumentations- und Informationszentren. Sie gibt es in
    ganz Deutschland und soll es auch in ganz Deutschland
    geben. Wir dürfen nicht versuchen, aus diesem Mahn-
    mal ein Zentrum zu machen, wo wir all das wiederfin-
    den, was es auch sonstwo in diesem Lande gibt. Es tut
    mir leid, aber das ist mir eine Idee zu pädagogisch.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es ist ein bißchen zu sehr deutsch, zu sagen: Man

    kann nicht einfach etwas hinstellen, bei dem sich die
    Menschen etwas denken sollen, sondern man muß ihnen
    noch erklären, was sie sich denken sollen. Verzichten
    wir doch einfach einmal darauf!


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Deshalb spreche ich mich – Sie haben das aus dem
    Änderungsantrag ersehen können – für das Ergebnis des
    Wettbewerbs aus, nämlich für Eisenman II pur. Es wäre
    eine sehr wichtige politische Entscheidung, wenn wir
    sagen, wir wollen das Mahnmal, und gleichzeitig sagen,
    wir mischen uns so wenig wie irgend möglich in Kunst
    ein, und deshalb die Zurückhaltung üben, die der Politik
    in einer solchen Frage gebührt. Wir bleiben in der Ver-
    pflichtung, aller Opfer des Holocaust zu gedenken. Ich
    habe leider noch viele vergessen; ich denke etwa an die

    Dr. Gregor Gysi






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Opfer der Euthanasie, die einer eigenen Würdigung be-
    dürften, und an viele andere mehr. Es fällt so schwer,
    alle zu nennen. Das NS-Regime hatte so viele Opfer,
    daß man gar nicht in der Lage ist, sie alle auf einmal
    aufzuzählen. Deshalb, glaube ich, bleiben wir hier in
    einer großen Verpflichtung.

    Lassen Sie uns den politischen Start in Berlin mit die-
    sem Mahnmal beginnen! Es ist ein Bekenntnis zur Ge-
    schichte und zugleich eine Auseinandersetzung mit der
    Geschichte. Lassen Sie uns dabei immer daran denken,
    daß wir in diesem Land alles hatten: Wir hatten Täter,
    wir hatten Zuschauende, wir hatten Wegsehende, aber
    wir hatten auch Opfer. Auch die gehören zu unserer Ge-
    schichte. Auch daran sollten wir mit diesem Mahnmal
    zumindest indirekt erinnern.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der PDS und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächster Redner hat der Staatsminister Dr. Michael
Naumann das Wort.

D
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kersten Naumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
    Jeder Mensch lebt kraft seiner Fähigkeit, sich zu erin-
    nern. Das Leben in reiner Gegenwart gibt es nicht. Eine
    Gesellschaft, die sich ihrer eigenen Geschichte verwei-
    gert, vergißt sich selbst. Sie schließt vor der Welt die
    Augen, sie wird blind. Vergangenheitslos blieben ihr als
    Trost nur die Heilsversprechungen einer strahlenden
    Zukunft. Aber solche haltlosen Entwürfe haben unser
    ideologisches Jahrhundert geprägt und blutig enttäuscht.

    Zukunftsmythen von der rassischen Reinheit des
    Volkes, Fiktionen von unbegrenzter Weltherrschaft im
    global gewordenen deutschen Lebensraum wurden mit
    polizeilicher und militärischer Gewalt gegen die deut-
    sche Demokratietradition durchgesetzt. Es war, als
    wollte Deutschland nach 1933 mit bislang unvorstellba-
    ren Mitteln von verstaatlichtem Mord aus der Zivilisati-
    onsgeschichte der Menschheit austreten.

    Das 20. Jahrhundert liegt hinter uns. Wir alle, auch
    die Mitglieder dieses Hohen Hauses, sind immer wieder
    der Versuchung ausgeliefert, uns zurückzuziehen ins
    Vergessen; denn das Vergangene – das wissen wir – ist
    nicht mehr zu ändern. Es ist selten eine Quelle von Zu-
    friedenheit. Ist nationale Geschichte gar, wie in unserem
    Falle, mit schwerster Schuld beladen, führt Erinnerung
    allemal in schmerzhafte Diskussionen um historische
    Verantwortung, um angemessene Strafe, um Gerechtig-
    keit.

    Nach anfänglichem, teilweise skandalösem Zögern in
    den 50er Jahren hat sich der Deutsche Bundestag wie
    auch das ganze Land der Wahrheit unserer Geschichte
    geöffnet. Von den Verjährungsdebatten in den 60er Jah-
    ren bis zur befreienden Ansprache Richard von Weiz-
    säckers vor dem Parlament 40 Jahre nach Kriegsende –

    Geschichtslosigkeit wird unserem Land niemand mehr
    vorwerfen können.

    Ein Staat kann historische Erinnerung aber nicht ver-
    ordnen. Sie ist geistige Voraussetzung seiner Verfas-
    sung. Mit der Niederschrift der Grundrechte haben die
    Verfassungsväter unser Land vor 50 Jahren in den Kreis
    der zivilisierten Nationen zurückgeführt. Sie stießen sich
    ab von der Barbarei, deren Mordgeruch vier Jahre nach
    Kriegsende noch immer über ganz Europa lag.

    Wenn wir heute über ein Mahnmal für die ermordeten
    Juden Europas debattieren, erneuern wir gleichzeitig
    einmal mehr die ethische Grundsatzdebatte, die unsere
    Staatsgründung begleitete und die seitdem niemals völ-
    lig abgerissen ist.

    Daß die schwarze Folie des Nationalsozialismus und
    des schier namenlosen Mordes an 6 Millionen Juden, an
    Sinti und Roma, an Slawen, an den oft vergessenen Mil-
    lionen russischen Kriegsgefangenen, an religiösen Min-
    derheiten und politischen Gegnern der Nazis mitbe-
    stimmend sein soll für das Selbstverständnis unseres
    Rechtsstaates, ist schwer zu ertragen. Wer will das be-
    streiten? Und doch ist es das Vermächtnis der Opfer und
    das Vermächtnis des deutschen Widerstandes.

    Der Staat selbst erinnert sich nicht. Doch mit reprä-
    sentativer, symbolischer Geste kann er den Prozeß des
    gesellschaftlichen Erinnerns akzentuieren. Wir diskutie-
    ren heute Form und Inhalt dieses Akzents.

    Meine ursprünglichen Einwände gegen den Mahn-
    mal-Entwurf des Architekten Peter Eisenman sind be-
    kannt. In der europäischen Geschichte der Denkmals-
    architektur gibt es keinen mir bekannten Gestus, der die
    Einmaligkeit des Verbrechens, von dem hier die Rede
    ist, angemessen repräsentiert. Und immer drohen im
    symbolischen Gedenken die Erinnerung an das einzelne
    Opfer wie aber auch die Erinnerung an den einzelnen
    Täter zu verschwinden. Weil das so ist, hatte ich zu-
    sammen mit Peter Eisenman eine neue Konzeption ent-
    wickelt, die Gegenstand einer ausführlichen Debatte
    wurde. Beide mußten wir unsere Vorstellungen revidie-
    ren.

    Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auf folgendes
    hinweisen. Es bleibt dabei: Ob es ein Mahnmal oder ein
    Ort des Erinnerns ist – wenn Menschen nicht gern dort
    hingehen wollen, dann gehen sie nicht hin. Das ist eine
    einfache Einsicht, so daß die semantischen Auslegungen
    dieses Satzes des Bundeskanzlers mir noch heute absolut
    unbegreiflich bleiben.


    (Zustimmung bei der SPD – Unruhe bei der CDU/CSU)


    Heute bitte ich Sie ausdrücklich, der Beschlußemp-
    fehlung des Ausschusses zuzustimmen, die den Bau des
    Stelenfeldes von Eisenman, ergänzt um einen Ort der In-
    formation, fordert. Die Umsetzung bleibt einer Bun-
    desstiftung überlassen, deren Entscheidungen die Bun-
    desregierung respektieren wird. Eine solche Ergänzung
    wird die Arbeit an den authentischen Gedenkstätten im
    Lande nicht behindern.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dr. Gregor Gysi






    (A) (C)



    (B) (D)


    Meine Damen und Herren, der Mord an den Juden
    Europas folgte einem Schema des Wahnsinns. In seinem
    Kern zielte er nicht nur auf die Realisierung eines bizar-
    ren rassistischen Weltbildes. Hinter dem genozidalen
    Morden verbarg sich vielmehr die Absicht, mit dem
    Volk der Bibel zugleich jene Religion auszurotten, die
    dem Menschenbild des Nationalsozialismus im Wege
    stand.

    Die Heiligkeit des Lebens vor einem Gott, also den
    monotheistischen Kern der jüdischen Überlieferung
    Europas zu beseitigen, das war das innerste Ziel des
    Völkermords. Deshalb übersteigt seine Ungeheuerlich-
    keit weiterhin unser Fassungsvermögen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ein wirklich angemessenes Symbol des Holocaust wird
    es darum niemals geben. Der Millionenmord wird für
    immer unbegreiflich bleiben, auch wenn wir seine histo-
    rischen Bedingungen, seine organisatorischen Perver-
    sionen erforscht, seine Täter alle beim Namen genannt
    haben.

    Die Erinnerung aber wohnt in Wort und Bild. Doch
    auch das Wort versagt, wenn die Seelen verschlossen
    bleiben. Die heutige Debatte ist ein Beleg dafür, daß un-
    sere Vergangenheit nicht vergessen, das Schicksal der
    Opfer nicht verdrängt worden ist. Das Mahnmal in der
    Mitte unserer Hauptstadt soll ein Zeichen unserer Trauer
    sein. Es ist auch ein Zeichen unserer Geschichte. Vor
    allem aber signalisiert es Erinnerung an die Toten, ge-
    nauer: an die Ermordung von Millionen Menschen. Vor
    ihnen verneigen wir uns heute im deutschen Parlament
    auch über die Grenzen der Parteien hinweg.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)