Rede von
Jörg-Otto
Spiller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Anders als im Steuerre-
formgesetz der von den Bürgerinnen und Bürgern dieses
Landes abgewählten Regierung gibt es im rotgrünen
Steuerentlastungsgesetz keine Fußnoten, die eine Erhö-
hung der Mehrwertsteuer ankündigen.
Und anders als bei den unseriösen Steuerreformplänen
der alten Regierung
– der zu Recht abgewählten Regierung –
erwächst aus dem Steuerentlastungsgesetz der rotgrünen
Koalition auch keinerlei Notwendigkeit zur Erhöhung
der Mehrwertsteuer.
Die Steuerreformpläne der alten Regierung waren
eine Mogelpackung. 45 Milliarden DM Steuerminder-
einnahmen im Jahr waren da vorgesehen, und da gab es
eine Fußnote, in der ganz verschämt mitgeteilt wurde,
daß diese Lücke durch die Umschichtung von direkten
zu indirekten Steuern etwas vermindert werden solle.
Gemeint war die Mehrwertsteuer.
Dann hat die gute Frau Nolte dieses in einem Anflug
von Wahrhaftigkeit ausgesprochen, und da sind alle über
sie hergefallen. Selbst der damalige Bundeskanzler, der
sie sonst immer mit viel Sympathie begleitet hat, wollte
diese Wahrhaftigkeit nicht mehr akzeptieren.
Herr Rauen, Sie haben vorhin vom Sparen gespro-
chen.
Gestern haben Sie im Ausschuß einen bemerkenswerten
Satz gesagt. Sie haben nämlich gesagt: Sparsamer Um-
gang mit der Wahrheit ist noch keine Lüge. – Das ist die
Sparsamkeit, auf die Sie sich verstehen!
Ich nehme an, Herr Kollege Thiele, der Kollege Rau-
en hat auch an Sie gedacht, als er sagte, sparsamer Um-
gang mit der Wahrheit sei noch keine Lüge.
Denn das, was Sie uns heute erzählt haben, hat wenig
mit dem tatsächlichen Verhalten der F.D.P. in den zu-
rückliegenden 16 Jahren zu tun gehabt.
16 Jahre lang ist die F.D.P. unter der Maske der Steuer-
senkungspartei durch das Land gegangen.
In dieser Zeit hat sie ein volles Dutzend Steuererhöhun-
gen mitbeschlossen. Sie haben gesagt, Sie seien eine
Steuersenkungspartei, aber in Wirklichkeit haben Sie
den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schamlos in
die Tasche gegriffen.
Ich gebe allerdings zu, Herr Kollege Thiele: Sie hatten
eine kleine Klientel. Für die haben Sie gesorgt. Da gab
es auch schon einmal eine Entlastung.
Aber die Masse der Bürgerinnen und Bürger hat das
nachher nicht mehr schön gefunden. Deswegen ist diese
Koalition auch abgewählt worden.
Peter Rauen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998 661
(C)
(D)
Die Kluft zwischen Reden und Handeln war bei Ihnen
einfach zu groß.
Die SPD tut, was sie vor der Wahl gesagt hat.
Sie hält Wort. Wir haben vor der Bundestagswahl ver-
sprochen, daß die sozialdemokratisch geführte Bundes-
regierung schon zu Beginn des Jahres 1999 den Einstieg
in die Steuerreform vornehmen wird und daß sie insbe-
sondere die Familien schon 1999 spürbar entlasten wird.
– Das ist kein Märchen! Rund 1 200 DM wird eine
durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern
im kommenden Jahr mehr in der Tasche haben, also
100 DM mehr im Monat.
– Sie können ja sagen, das sei nicht viel, weil Sie nicht
mehr wissen, was es für eine durchschnittliche Familie
bedeutet, 100 DM mehr oder 100 DM weniger im Mo-
nat zur Verfügung zu haben.
Wir werden in den folgenden Stufen auch nahezu alle
anderen Bürger dieses Landes steuerlich entlasten. Al-
lerdings sagen wir auch: Dabei konzentrieren wir uns
auf die mittleren und unteren Einkommen, und es wird
auch ein paar Leute in Deutschland geben, die künftig
mehr Steuern zahlen müssen als bisher, nämlich diejeni-
gen, die alle Schlupflöcher haben ausnutzen können, die
Sie geschaffen haben.
Zur Mehrwertsteuer sage ich nur ganz kurz: Eine
Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, die tatsächlich
kommt, auch wenn sie sich in einem bescheidenen oder
überschaubaren Rahmen hält, ist mehr wert als noch so
schöne Versprechungen von Ihrer Seite, die Sie nicht
einhalten konnten.