Rede von
Prof.
Gisela
Frick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich glaube, gerade an dieser Stelle ist es
notwendig, noch einmal darauf hinzuweisen, was ei-
gentlich heute auf der Tagesordnung des Plenums steht.
Wir haben eine Aktuelle Stunde beantragt, und der
Anlaß für die Aktuelle Stunde – das hat der Kollege
Thiele zur Begründung schon bei der Einleitung ge-
sagt – waren die Äußerungen von Mitgliedern der Re-
gierungskoalition insbesondere am Wochenende, wobei
eine Erhöhung der Mineralölsteuer, eine Flugbenzinbe-
steuerung und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorge-
schlagen wurde. Das waren auch nicht irgendwelche
Hinterbänkler der Koalitionsfraktionen, sondern es wa-
ren doch recht prominente Mitglieder. Insofern ist es,
glaube ich, mehr als berechtigt, daß wir die Regierung
nun fragen, wie sie eigentlich dazu steht.
Das ist das Thema dieser heutigen Stunde.
Und dazu hat die Staatssekretärin nicht abschließend
und befriedigend Stellung genommen.
Im Wahlkampf ist insbesondere die SPD, sind aber
auch die Grünen als Alternative angeboten worden, nach
dem Motto: „Wir sind bereit.“ Der Kollege Seiffert hat
das eben schon erwähnt. Interessanterweise wurde nicht
gesagt, wozu Sie bereit sind.
Das war insofern ganz gut, als Sie dadurch keine fal-
schen Versprechungen gemacht haben. Nach der Wahl
müssen wir natürlich fragen: Wozu waren Sie denn be-
reit? Insbesondere war Herr Schröder bereit, Kanzler zu
werden, und dann hörte seine Bereitschaft schon auf.
Dazu paßt natürlich auch die nette Anekdote: „Ich
will da rein!“ Das war sein Ziel, und er ist auch herein-
gekommen. Nun ist er hochzufrieden. Aber man hört
und sieht von ihm nichts mehr in der ganzen Diskussion.
Das ist das Erstaunliche. Herr Schröder hat einmal ge-
sagt: Wenn ich Kanzler bin, dann werde ich die Richtli-
nienkompetenz wahrnehmen, die mir nach der Verfas-
sung zusteht. – In diesem Zusammenhang aber hören
wir nichts von ihm. Er taucht ab. Er geht allenfalls mit
Clement essen, wie wir gehört haben. Ich nenne das jetzt
– ich möchte mich auf die jeweilige Küche nicht festle-
gen; ob es nun der Italiener war oder ein anderer – die
neue Dinner-Connection, egal in welchem Restaurant sie
sich trifft.
– Ich habe überhaupt nichts gegen gutes Essen. Aber ich
habe sehr viel übrig für gute Politik.
Das sind zwei verschiedene Sachen. Deshalb sollte man
die Politik nicht vor der Öffentlichkeit geheimhalten und
nicht über sie bei solchen geheimen Treffs zum Essen
mauscheln; vielmehr sollte man klare Stellung dazu be-
ziehen, was Sache ist.
Zum Inhaltlichen braucht man gar nicht so viel zu sa-
gen. Dazu ist von den Vorrednern schon sehr viel gesagt
worden. Zum ersten Punkt. Die Erhöhung der Mineral-
ölsteuer. – Frau Müller kommt passend „just in time“
herein.
Die Erhöhung ist ein Punkt, über den wir schon häu-
fig gesprochen haben. Zunächst stellt sich die Frage, wie
sinnvoll es ökologisch ist, wenn es im nationalen Al-
leingang gemacht wird. – Es ist überhaupt nicht sinn-
voll. Wie wirkt es ökonomisch? – Es wird Arbeitsplätze
vernichten. Das ist die ganz überwiegende Meinung der
Vertreter der betroffenen Wirtschaftszweige und auch
der Sachverständigen.
Wir haben gesagt: Wir wollen Steuern senken; wir
wollen sie transparenter, einfacher und gerechter ma-
chen. Allen drei Zielen dient eine Mineralölsteuererhö-
hung gerade nicht. Steuern werden damit erhöht – mög-
lichst noch höher, als es in der Koalitionsvereinbarung
vereinbart wurde –; sie werden noch komplizierter und
undurchsichtiger, und sie werden dadurch noch viel un-
gerechter – darauf haben wir schon öfter hingewiesen –,
weil eine Erhöhung der Mineralölsteuer natürlich auch
die Leute trifft, die von einer Senkung der Lohnneben-
kosten überhaupt nichts haben, nämlich die Rentner, die
Sozialhilfeempfänger, unter denen sich bekanntermaßen
sehr viele Alleinerziehende und Frauen befinden, sowie
Studenten und andere, die keine Sozialabgaben leisten.
Sie sind von einer Senkung der Lohnnebenkosten über-
haupt nicht betroffen. Das bedeutet, daß die Reform so-
zial ungerecht ist.
Die Entscheidung, ob die von Ihnen geplante Ener-
giesteuer überhaupt verfassungsgemäß ist, steht durch
die Ausnahme der energieintensiven Betriebe zwischen
denen die Grenze sehr willkürlich festgelegt wird, seit
längerem in Frage. Verfassungsrechtlich sind wir mehr
als skeptisch.
Bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer gilt das glei-
che. Hier verschanzt man sich hinter irgendwelchen Eu-
ropaargumenten. Es ist doch allgemein bekannt, daß das
nicht zieht: In Europa gibt es einen Korridor zwischen
15 und 25 Prozent. Es liegt in der Kompetenz jedes Na-
tionalstaates, für sein Gebiet die Mehrwertsteuer im
Rahmen dieses Korridors entsprechend festzusetzen.
Das ist bei uns mit 16 Prozent geschehen. Natürlich be-
finden wir uns damit noch weit unter der höchstmög-
658 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998
(C)
lichen Marke von 25 Prozent. Aber das ist letztendlich
nicht das Europaargument.
Ich muß zum Schluß kommen. Ich möchte Ihnen
noch eines sagen –
– ich finde es auch bedauerlich; ich hätte noch viel zu
sagen –: Wir von der F.D.P. haben Ihr „Wir sind bereit“
etwas ironisch aufgenommen und zum Motto für unsere
Oppositionsrolle gemacht. Wir sind für die Oppositions-
rolle bereit. Wir bitten Sie an diesem Tag ganz herzlich:
Lassen Sie uns bitte die Oppositionsrolle, und überneh-
men Sie sie nicht selber;
denn wir möchten Opposition machen. Im Moment
stellen wir fest, daß Sie sich offensichtlich von der Op-
positionsrolle noch nicht so weit entfernt haben. Sie ma-
chen Opposition in den eigenen Reihen. Ich kann nicht
sagen, daß Sie sie gut machen. Jedenfalls möchten wir
sie alleine machen. Deshalb lassen Sie uns bitte auch
unsere Rolle.
Danke schön.