Rede von
Hans-Joachim
Hacker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
(C)
(D)
Frau Kenzler, dies ist aber nur eine kleine Spitze. Sie
kritisieren die Situation, die wir vorfinden; dem schließe
ich mich an. Sie sollten aber die Ursachenforschung
nicht vergessen, die Frage, warum es in der Zeit der
deutschen Teilung zu diesen schweren Eigentumsver-
werfungen gekommen ist.
Eine befriedigende Lösung der Nutzerschutzpro-
blematik, die die gewachsenen und von den Nutzern
nicht beeinflußbaren Lebensrealitäten während der
DDR-Zeit berücksichtigt hätte, hat die alte Bundesregie-
rung leider nicht zu Wege gebracht. Vielmehr hat sich
im Zuge der Anwendung der Bestimmungen des Schuld-
rechtsanpassungsgesetzes gezeigt, daß wegen gesetz-
licher Defizite und praktischer Fragen der Gesetzesan-
wendung dringender Novellierungsbedarf besteht.
Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Legis-
laturperiode parlamentarische Initiativen und Bundes-
ratsvorlagen beraten, ohne daß es zu einer abschließen-
den Entscheidung gekommen ist. Dies lag im wesent-
lichen darin begründet, daß es der damaligen Bundes-
regierung nicht gelungen war, rechtzeitig vor Ende der
Legislaturperiode mit den Ländern eine abschließende
Klärung bezüglich der Immobilienrechtsfragen herbei-
zuführen. Das gehört zu dem Gesamtpaket, das der
Deutsche Bundestag in dieser Legislaturperiode schnü-
ren muß.
Wir müssen uns dem Thema „Nutzerschutz in den
neuen Ländern“ zu Beginn dieser Legislaturperiode
stellen. Dabei muß uns allen klar sein: Es ist voraus-
sichtlich die letzte Novellierung. Daher muß die Gesetz-
gebung mit Sorgfalt betrieben werden; es darf keine
weitere Reparaturgesetzgebung geben.
Es geht jetzt also darum, einen Ausgleich zwischen
den offensichtlich unterschiedlichen Interessen von
Grundstückseigentümern und -nutzern zu erreichen. Wir
wollen im weitesten Sinne Gerechtigkeit für beide Sei-
ten schaffen.
Dabei sind für uns zwei Kriterien ganz entscheidend: er-
stens die Anerkennung von Verfügungs- und Nutzungs-
realitäten auf redlicher Grundlage, wie sie sich in den
Jahren der Teilung herausgebildet haben und mit denen
eine große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern in den
neuen Ländern Lebensleistungen verbindet, und zwei-
tens der Schutz von Eigentumsrechten, den auch und ge-
rade der Deutsche Bundestag gewährleisten muß. Wir
dürfen Eigentümer nicht auf das Bundesverfassungs-
gericht verweisen, wenn sie zu ihrem Recht kommen
wollen.
Wir würden allen Beteiligten Steine statt Brot geben,
wenn wir in diesem Hause Regelungen erlassen würden,
die nicht verfassungskonform sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau dies
ist das Spannungsfeld, in dem sich der Gesetzentwurf
und der Antrag der PDS bewegen. An dieser Stelle kann
ich nur auf einige Aspekte eingehen, die sich aus den
vorliegenden Entwürfen ergeben.
Erstens. Auch die SPD-Bundestagsfraktion sieht
Handlungsbedarf für eine Entschädigungsregelung,
wenn der Nutzer wegen der vorgenommenen Nutzungs-
entgelterhöhungen das Vertragsverhältnis aufgeben
muß.
Zweitens. Ebenso ist eine Regelung zur Entlastung
des Nutzers von den hälftigen Abbruchkosten bei Be-
endigung des Vertragsverhältnisses wegen Nutzungs-
entgelterhöhung zu prüfen.
Drittens. Es muß auch eine Regelung erfolgen, daß
Grundstückswertverbesserungen, die der Nutzer vorge-
nommen hat, bei der Nutzungsentgeltermittlung nicht
gegen ihn geltend gemacht werden können.
Viertens. Den Vorschlag der PDS-Fraktion – das ge-
hört zu dem Gesamtbild –, den Kündigungsschutz für
Garagengrundstücke der Fristenregelung für Erholungs-
grundstücke anzupassen, halte ich nicht für sachgerecht.
Denn hier bestehen erhebliche Unterschiede in der
Wertung des Rechtsschutzbedürfnisses. Das müssen wir
– darum bitte ich auch Sie – in der Gesetzgebung be-
achten. Wir haben diese Problematik in der Vergangen-
heit diskutiert und immer die Auffassung vertreten: Die
Wohnung hat einen höheren Stellenwert als ein Erho-
lungsgrundstück, und das Garagengrundstück hat einen
geringeren Stellenwert als ein Erholungsgrundstück. Ich
bitte Sie alle, in dieser Frage offen zu sein. Ansonsten
geben wir den Leuten wieder Steine statt Brot.
Die Nutzungsentgeltverordnung hat in den zurücklie-
genden Jahren teilweise zu erheblichem Streit geführt.
Auffällig ist, daß sich die Streitfälle nicht über das ge-
samte Gebiet der neuen Länder verteilen, sondern insbe-
sondere im Bereich mit hohen Grundstücksverkehrs-
werten auftreten. Nach meiner Einschätzung werden die
geltenden Regelungen, die eine Beschränkung der Erhö-
hung der Nutzungsentgelte auf das ortsübliche Maß vor-
sehen, von den Kommunalverwaltungen nicht immer
ausreichend berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der An-
wendung der Nutzungsentgeltverordnung sowie unter
Hans-Joachim Hacker
638 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998
(C)
Beachtung der Prämisse, daß die Nutzungsentgeltver-
ordnung nicht als finanzieller Hebel zur Beendigung der
Nutzungsverhältnisse erlassen wurde, ist die Bundesre-
gierung aufgerufen, die Wirkungen der bislang gelten-
den Regelung einer Prüfung zu unterziehen. Die Rich-
tung dieser Überprüfung ist durch unseren Antrag vom
1. April 1998 – Bundestagsdrucksache 13/10329 – vor-
gegeben.
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Nach der
heutigen Verweisung der vorliegenden Unterlagen in die
Ausschüsse besteht für das Parlament die Möglichkeit
und die Pflicht, eine abschließende Regelung des
Nutzerschutzes zu treffen. Die SPD-Bundestagsfraktion
wird sich dieser Diskussion stellen. Wir bitten die Bun-
desregierung, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Po-
tential Hilfe für eine befriedigende Lösung dieses Pro-
blems zu geben, damit wir am Beginn dieser Legislatur-
periode den betroffenen Grundstücksnutzern und
-eigentümern eine Perspektive, die Rechtsbestand hat,
geben können.
Ich danke Ihnen.