Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie können, Herr
Kollege Bürsch, gleich gerne im Protokoll nachlesen,
was ich gesagt habe. Ich bleibe dabei: Die Erklärung
von Herrn Schily liegt auf einer Linie mit der Aussage,
daß das Boot voll ist. So haben das die Leute verstan-
den, und sie sollten es gerade auch so verstehen, weil sie
getäuscht werden sollten; in Wirklichkeit wird nämlich
etwas völlig anderes gemacht.
– Entschuldigen Sie, jetzt bin ich gerade dran. – Daß Ih-
nen das weh tut, ist mir völlig klar. Genau das zerreißt
Sie ja im Moment. Es handelt sich eben um keine konsi-
stente Politik, wenn etwa der SPD-Ministerpräsident
Höppner sagt, Deutschland könne noch eine Menge Zu-
zug verkraften, und gleichzeitig Frau Röstel von Ihrer
Koalitionspartei sagt, das seien Stammtischparolen. Ge-
nau dadurch wird die Sache zerrissen, aber damit müs-
sen Sie selber fertig werden.
Dr. Jürgen Rüttgers
618 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998
(C)
Unsere Politik in dieser Frage ist klar: Eine vernünf-
tige Ausländerpolitik kann nur in der Balance zwischen
Integration und Zuzugsbegrenzung gelingen. Das war
und ist unsere Position. Wir wollen alles Mögliche tun,
um die in Deutschland rechtmäßig lebenden Ausländer
in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das heißt aber,
man muß für eine enge Zuzugsbegrenzung sein, damit
unsere Gesellschaft bereit ist, diese Menschen zu inte-
grieren, und diese Menschen auch eine Chance haben,
sich in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Wir brauchen deshalb keine Erweiterung des Zuzugs.
Angesichts von 7,4 Millionen Ausländern und 4 Millio-
nen Arbeitslosen gibt es keinen Grund dafür, jetzt dar-
über zu debattieren, irgendeine Form von neuen Zu-
zugsmöglichkeiten zu schaffen. Es gibt keinen Zuwan-
derungsbedarf. Deshalb brauchen wir auch kein Ein-
wanderungsgesetz, zumindest solange nicht, solange
sich weite Bereiche der faktischen Regelung entziehen.
Nehmen Sie zum Beispiel das Asylrecht. Solange nicht
klar ist, daß diejenigen, die hier herkommen und nicht
rechtmäßig hierbleiben können, das Land wieder verlas-
sen müssen, lieber Herr Westerwelle, ist die gesamte
Quotenregelung letztlich unsinnig. Sie führt nicht zu ei-
ner konsistenten Regelung.
Deshalb lehnen wir das Zuwanderungsbegrenzungs-
gesetz ab. Herr Westerwelle, nicht die Semantik macht
es, sondern wichtig ist, was da drinsteht.
Ich hätte noch eine Bitte. Tun Sie uns doch den
Gefallen – wenn man sich schon auf den Gedanken ein-
läßt –, uns zu sagen, wie diese Quote aussehen soll.
Sagen Sie doch einmal eine Zahl, damit die Leute wis-
sen, was sich hinter Ihrem Gesetz verbirgt! Wieviel sol-
len denn hereinkommen? Oder wollen Sie ein Gesetz
machen und im Anschluß daran sagen: In den nächsten
zehn Jahren lautet die Quote Null? – Ein solches Gesetz
kann man nun wirklich nicht machen; denn man kann
kein Gesetz machen, das an dem Tag, an dem es
beschlossen wird, schon das Verfallsdatum trägt. Das
macht keinen Sinn und ist in der Sache nicht richtig.
Was wir in Wirklichkeit brauchen, ist eine konse-
quente Integrationspolitik,
eine Integrationspolitik, die sich mit den Menschen be-
schäftigt. Dazu, meine Damen und Herren, steht in Ihrer
Regierungserklärung kein einziges Wort.
Darin steht kein Wort zu der Frage: Wie machen wir das
in den Schulklassen, in denen wir mehr als 50 Prozent
Ausländer haben? Was tun wir dagegen, daß 17 Prozent
der jungen Leute, die hier leben, keine Lehrstelle haben,
bloß weil sie aus ausländischen Familien kommen?
Was tun wir zur Verhinderung von Ghettos in unseren
Großstädten?
Sie verlieren kein Wort zu diesen Fragen. Das zeigt,
daß es Ihnen letztlich nicht um Integration, sondern um
Ideologie geht. Das macht die Debatte hier so schwierig.