Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich finde die Vorführstunde, die die F.D.P.
sich eben geleistet hat, angesichts des ernsten Themas
ziemlich peinlich.
Denn in einem Punkt kann ich Frau Beck nur recht ge-
ben: Wir führen hier heute keine Einwanderungsdebatte.
Das besagt schon das Gesetz der F.D.P.; es heißt Zu-
wanderungsbegrenzungsgesetz. Schon auf der ersten
Seite dürfen wir lesen, daß es der F.D.P. auch gar nicht
um Einwanderung geht. Vielmehr will sie kein „zusätz-
liches Einwanderungsangebot“ machen. Wer dieses Ge-
setz gelesen hat, wird sehr schnell feststellen, daß es tat-
sächlich inhaltlich darum geht.
Seit vielen Jahren diskutieren wir in diesem Haus
über die Frage von Zuwanderung und Einwanderung.
Nun gibt es endlich eine Mehrheit in diesem Haus, und
die erste Initiative ist peinlicherweise eine Debatte über
ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz – meiner Meinung
nach eine bedrohende Bezeichnung, eine regressive Be-
zeichnung. Das paßt nicht zu den Umständen.
Wir von der PDS dagegen wollen, daß Zu- und Ein-
wanderung kulturell, sozial und wirtschaftlich endlich
als gesellschaftliche Bereicherung angesehen werden.
Die F.D.P. hat in ihrem Gesetzentwurf ein Sammelsu-
rium von Paragraphen zusammengestellt und Zu- und
Einwanderung mit teuren bürokratischen Quotensyste-
men zu steuern versucht. Alles und jede Gruppe wird in
Quoten sortiert. Wir haben es heute schon gehört: Viele
Gruppen kann man überhaupt nicht in Quoten einsortie-
ren.
Es gibt nur eine Gruppe, die hier bevorzugt wird. Das
ist die Gruppe der Arbeitsimmigrantinnen und -im-
migranten. Hier heißt es ganz deutlich: wenn es „im
wirtschaftlichen Interesse der Bundesrepublik Deutsch-
land“ ist. Dagegen sind beispielsweise diejenigen Men-
schen, die besonders schutzbedürftig sind, weil sie um
Leib und Leben fürchten müssen, aber trotzdem nicht
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998 613
(C)
(D)
unter das geltende Asylrecht fallen – also beispielsweise
nicht unter staatlicher Verfolgung leiden –, schwer be-
nachteiligt. Ich denke hier zum Beispiel an Frauen, die
geschlechtsspezifische Verfolgung erlitten haben. Leit-
sätze der Humanität und Menschenrechte sind jedenfalls
in diesem F.D.P.-Gesetzentwurf nicht vorzufinden.
Das gilt ebenso für die Asylberechtigten oder für die
Asylsuchenden. Sie wissen genausogut wie ich, daß
Asylsuchende in diesem Land ein Grundrecht haben.
Genau das, was Herr Marschewski heute hier vorgeführt
hat, habe ich befürchtet, nämlich: daß er diese Debatte
erneut anzettelt. Auch die F.D.P. ist mit ihrem Gesetz-
entwurf daran nicht ganz unschuldig.
Menschen, die Asyl beantragen oder das Asylrecht in
Anspruch nehmen, kann man nicht quotieren.
Der Gesetzentwurf der F.D.P. besagt, daß dann, wenn
die Quote für eine bestimmte Gruppe von Zuwanderern
höher ausfällt, als man sie sich vorgestellt hat, die Quote
für die anderen Zuwanderer verringert wird. – Sehr ein-
fach, meine Damen und Herren. Damit sind wir bei
einem ganz wichtigen Punkt angelangt, in dem ich mit
Herrn Marschewski – das ist selten der Fall – überein-
stimme: Familiennachzug darf nicht quotiert werden.
Familiennachzug ist ein Menschenrecht und ein Grund-
recht. Dagegen darf nicht verstoßen werden.
Wenn man sich Ihren Gesetzentwurf anschaut, Herr
Westerwelle, dann meine ich, daß er keinen großen Bei-
trag dazu leistet, eine Versachlichung in die Debatte,
wie Sie sie sich wünschen, hineinzubringen.