Rede von
Dr.
Max
Stadler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Jelpke hat sich mehrfach in ihrem Beitrag auf die Rede von Otto Schily bezogen, der momentan nicht im Plenarsaal ist.
Ich möchte daran anknüpfen und anregen, ob wir nicht nach dem Wahlkampf in aller Ruhe darüber diskutieren und uns einigen sollten, wie wir den von Herrn Schily gebrauchten Begriff des Grundrechts auf Sicherheit, den er aus der Menschenrechtskonvention zitiert hat, zutreffend und präzise gebrauchen. Der deutschen Grundrechtstradition entspricht es bekanntlich, daß die Grundrechte als Abwehrrechte gegen staatliche Maßnahmen konzipiert sind. Was Herr Schily gesagt hat, paßt also nicht so recht in diesen Rahmen hinein.
Grundrechte sind zudem dadurch gekennzeichnet, daß man gerichtlichen Beistand anrufen kann, um sie durchzusetzen. Es erscheint mir sehr fraglich, ob im sogenannten Status positivus tatsächlich gerichtlich einklagbare Ansprüche gegen den Staat bestehen können, etwa bestimmte Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zu treffen. Nach meinem Verständnis ist es deswegen der präzisere Sprachgebrauch, von einer Grundpflicht des Staates zu sprechen. Es herrscht herkömmlicherweise völlige Einigkeit darüber, daß es geradezu einer der Staatszwecke ist, Sicherheit, auch innere Sicherheit, -zu gewährleisten.
Dr. Max Stadler
Möglicherweise ist dies nur ein Streit um Worte. Wenn dieser Begriff nur in Wahlkampfzeiten gebraucht wird, um eine bestimmte politische Zielsetzung zu definieren, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Aber wenn man diesen Begriff juristisch präzise gebrauchen und ernst nehmen würde, dann würde sich als nächstes die Frage nach der Konkurrenz von Grundrechten stellen. In diesem Zusammenhang müßte man die Frage beantworten, wie ein solches Grundrecht auf Sicherheit in Konkurrenz zu anderen Grundrechten stünde, etwa beispielsweise zu dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. An diesem Beispiel erkennt man, daß diesem Begriff eine praktische politische Bedeutung zukommt. Daher habe ich mich zu Wort gemeldet.
Ist es nicht so, daß es ganz selbstverständlich die Aufgabe, die Pflicht und der Zweck des Staates ist, innere Sicherheit zu gewährleisten? Zu diesem Zweck gibt er etwa der Polizei und der Justiz bestimmte Eingriffsbefugnisse an die Hand. Diese Eingriffsbefugnisse finden wiederum ihre Grenze in den verschiedenen Grundrechten. Zum einen dürfen diese Grundrechte überhaupt nicht eingeschränkt werden, wie etwa die Menschenwürde oder aber das formelle Hauptgrundrecht auf Anrufung eines Gerichtes. Zum anderen besteht eine Konkurrenz zu Grundrechten, wie etwa' dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.