Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Da wir uns diese Nachmittagssitzung nicht ersparen, obwohl ich der Meinung bin, daß hier wahrscheinlich all das, was wir früher schon gesagt haben, wiederholt wird, sollten wir die Gelegenheit nutzen, noch einmal die Positionen gegenüberzustellen.
Otto Schily
Gestatten Sie mir aber vorweg eine persönliche Bemerkung. Seit der Kollege Geißler Herrn Dr. Kohl einen Blackout attestiert hat, erfreue ich mich der besonderen Aufmerksamkeit des Bundeskanzlers. Dieser meinte heute wiederum, in einer Schlußdebatte meinen Namen anführen zu müssen wegen eines Vorganges, den ich bedauere und für den ich mich vor diesem Hause entschuldigt habe. Ich habe damals angesichts eines enttäuschenden Wahlergebnisses eine Südfrucht vorgezeigt. Gut, das war daneben; das sage ich ganz freimütig. Aber ich habe mich dafür entschuldigt, und irgendwann muß einmal ein Schlußpunkt gesetzt werden.
Wenn wir aber schon eine Vergangenheitsbewältigung versuchen, frage ich: Was ist mein Verhalten im Vergleich dazu, daß der amtierende Bundeskanzler in jenem Jahr das gesamte deutsche Volk belogen hat? Ich spreche von der Steuerlüge. Ich habe bis heute nicht gehört, daß sich der Bundeskanzler vor diesem Haus dafür entschuldigt hat. Das wäre doch einmal eine Möglichkeit zur Selbstkritik.
Soviel zu dieser persönlichen Angelegenheit.
Wenn wir heute über die innere Sicherheit sprechen, möchte ich einen Dank an die Kriminalbeamten in der gesamten Welt an den Anfang stellen, einen Dank auch an die Kollegen des Bundeskriminalamtes. Sie werden sich erinnern: Angesichts der abscheulichen Vorgänge um Kinderpornographie, die in Holland seinerzeit aufgedeckt wurden, habe ich die Forderung aufgestellt, eine internationale Task Force einzurichten. So etwas hat sich gebildet. Die Kriminalpolizeien haben international sehr gut zusammengearbeitet und einen Kinderpornoring schlimmsten Ausmaßes aufgedeckt. Ich glaube, wir haben Anlaß, an dieser Stelle diesen Kollegen für die großartige Leistung zu danken, die sie erbracht haben.
Wenn es um die innere Sicherheit zu tun ist, dann geht es zuallererst auch um die Verteidigung der Würde des Menschen. Wenn wir gegen Kriminalität kämpfen, geht es um die Verteidigung der Würde des Menschen. Deshalb habe ich vor kurzem hier in Bonn durchaus bewußt von einem Grundrecht auf Sicherheit gesprochen.
Wer meint, ein Grundrecht auf Sicherheit sei die Erfindung konservativer Professoren, der irrt sich und beweist damit nur seine Unkenntnis der deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte. Schon in der Virginia Bill of Rights war das Grundrecht auf Sicherheit enthalten. Es setzt sich über die verschiedenen Verfassungsdokumente bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention fort, in der in Art. 5 das Grundrecht auf Freiheit und Sicherheit verankert ist. In der Politik für die innere Sicherheit kommt es darauf an, daß wir Freiheit und Sicherheit gewährleisten und sie
nicht in einen Gegensatz zu bringen versuchen. Das halte ich für die richtige Konzeption.
Herr Kanther, Sie haben sich heute redlich bemüht, polemisch zu werden. Das gelingt Ihnen eigentlich recht schlecht. Das spricht für Sie. Ich finde, wir sollten auch in der heißen Wahlkampfphase nicht vergessen, daß wir uns in dieser Legislaturperiode in vielen Fragen geeinigt haben. Das ist kein Schaden für dieses Land, im Gegenteil. Das war nicht eine große Koalition, sondern eine ganz große Koalition. Ich will anerkennend gerade an die Adresse der F.D.P. sagen, daß wir in dieser Frage sicherlich um die richtige Lösung gerungen haben, aber auch zu vernünftigen Ergebnissen gekommen sind. Das sollte hier nicht außer Betracht bleiben.
Wenn Sie in diesem Zusammenhang sagen, es hätte an uns gelegen, daß manche Ergebnisse nicht früher erzielt werden konnten, dann möchte ich doch daran erinnern, daß die Verhandlungen über ein Konzept zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität inklusive der akustischen Wohnraumüberwachung erst dann in Gang kommen konnten, als die F.D.P. ihren Mitgliederentscheid über die Bühne gebracht hatte. Also hat es nicht etwa an der SPD gelegen, daß sich die Dinge etwas verzögert haben.
Sie haben heute wieder den Versuch unternommen, die Länder zu vergleichen. Herr Kanther, ich rate Ihnen, in Zukunft damit etwas vorsichtiger umzugehen. Auch ich könnte jetzt einige Vergleiche anstellen. Ich könnte zum Beispiel die Kriminalitätssteigerung von 1996 auf 1997 vortragen. Da haben wir in Baden-Württemberg eine Steigerung von 1,4 Prozent, in Bayern von 1,2 Prozent, in Niedersachsen eine Abnahme von 0,7 Prozent und in Nordrhein-Westfalen von 0,9 Prozent.
Wir können die Regierungszeit von Herrn Stoiber mit der Regierungszeit von Gerhard Schröder vergleichen. Dann werden Sie feststellen, daß in der Regierungszeit von Herrn Stoiber die Kriminalitätsrate um das Vierfache gegenüber dem Wert der Steigerung der Kriminalitätsrate in Niedersachsen gestiegen ist.
Ich halte von solchen Vergleichen überhaupt nichts, weil wir, wie ich finde, mit Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik vorsichtig umgehen sollten. Ich glaube, das, was Sie da machen, ist falsch. Im übrigen - Sie selber machen das wohl nicht; das ist auch in Ordnung -: In manchen Papieren der CDU/ CSU steht dann, Niedersachsen sei ein Eldorado für Verbrecher. Das ist eine Beleidigung der niedersächsischen Polizei, die dort ebenso gute Arbeit leistet wie die Polizei in anderen Ländern.
Wenn man schon vergleicht, dann sollten Sie daran erinnert werden, daß gute Sicherheitspolitik darin ihren Ausdruck findet, wie man seine Polizisten be-
Otto Schily
zahlt. Wissen Sie, in welchen Ländern die Polizei am schlechtesten bezahlt wird? - In Baden-Württemberg und in Bayern, während die anderen Länder, gerade auch das rotgrün regierte Hessen, mit der zweigeteilten Laufbahn vorangekommen sind. Damit finden wir Beifall bei der Gewerkschaft der Polizei, darauf will ich nur hinweisen. Rudolf Scharping weist darauf hin, daß auch in Rheinland-Pfalz einiges in Gang gekommen ist.
- Und in Niedersachsen. - Wir sehen, daß gerade in diesen Ländern die Bezahlung der Polizei besser ist.
Wir könnten uns da über einiges untereinander verständigen. Um Ihnen zu erklären, daß man mit der Kriminalstatistik etwas vorsichtiger umgehen kann, will ich Ihnen ein Beispiel berichten. Ich habe es mir nicht selber erarbeitet, sondern es stammt aus einem Werkstattgespräch, das wir vor einiger Zeit mit zahlreichen Polizeipräsidenten aus dem gesamten Bundesgebiet und einigen Generalstaatsanwälten geführt haben. In diesem Werkstattgespräch hat mir der Polizeipräsident einer westdeutschen Großstadt erzählt, er habe seine Polizei damit beauftragt, mit Frauengruppen intensiver zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis dieser sehr erfolgreichen Zusammenarbeit war, daß die Frauen mehr Selbstvertrauen und mehr Vertrauen zur Polizei gewonnen haben. Sie wissen, daß Frauen in unserem Land heute immer noch durch Gewaltverbrechen sehr gefährdet sind. Die Folge davon war, daß sich das Anzeigeverhalten der Frauen signifikant verändert hat und Gewaltverbrechen, die an Frauen begangen wurden, in sehr viel größerem Umfange angezeigt wurden. Natürlich kamen dann in der Kriminalstatistik mehr Gewaltverbrechen vor, so daß ein naiver Betrachter hätte denken können, der Polizeipräsident habe schlecht gearbeitet. Aber der Polizeipräsident und seine Polizei haben gut gearbeitet, weil Verbrechen aufgedeckt und verfolgt wurden.
Ich will damit nur sagen, daß man mit Kriminalstatistiken vorsichtig sein muß.
Wenn in einem bestimmten Land bestimmte Kriminalzahlen relativ niedrig sind, muß man immer damit rechnen, daß es ein großes Dunkelfeld gibt. Dann können die günstigen Zahlen möglicherweise sogar eher auf einen Mißerfolg hindeuten. Ich rate also zur Vorsicht mit derlei Zahlen; da kommen wir in ein schwieriges Gelände.
Herr Kanther, Sie haben darauf hingewiesen, im Bund sei alles zum Besten bestellt. Leider kann ich Ihnen das nicht bestätigen. Ich höre durchaus Klagen aus Wiesbaden über die dortige personelle Ausstattung. Ich höre Klagen darüber, daß dort gut ausgebildete Polizeibeamte, die nun wahrlich etwas Besseres zu tun hätten, für Kanzleiarbeiten herangezogen werden. Ich höre, daß es mit der technischen Ausstattung des Bundeskriminalamtes auch nicht zum allerbesten steht. Wenn dort 90 Prozent der Akten in digitalisierter Form ankommen und dann in Papierform abgelegt werden, ist das nicht gerade Ausweis eines modernen Standards in einer solchen Behörde. Ich könnte Ihnen dazu noch einiges anführen; aber ich will es nicht weiter ausbreiten, um nicht meine Rede zu sehr zu verlängern.
Sie haben ferner zu Recht angesprochen, daß heute die Fragen der Kriminalpolitik weitgehend auch auf europäischer Ebene anzugehen sind. Wir haben mit Ihnen gemeinsam dafür gestimmt, daß wir Europol bekommen. Die Einrichtung von Europol war schon immer eine Forderung der SPD; Günter Graf hat sich besonders mit der Forderung hervorgetan, daß diese wichtige europäische Polizeibehörde eingerichtet wird. Wir haben das hier gemeinsam beschlossen. Es gibt zwar einige Probleme mit dem Immunitätenprotokoll. Aber ich will das jetzt nicht noch einmal aufrühren; es ist eine Spezialfrage. Jedenfalls ist völlig richtig, daß wir für eine solche europäische Linie sind. Man muß aber auch daran arbeiten, dies auszubauen.
Man muß auch darauf achten, wo sich im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit neue Angriffsflächen für die organisierte Kriminalität bieten. Hier muß ich Ihnen einen Vorwurf machen. Ich bin sehr für die neue europäische Währung, die uns viele Vorteile bietet. Aber leider bietet sie auch neue Angriffsflächen für die organisierte Kriminalität, was Geldfälschung angeht. Sie haben es bis heute nicht geschafft, zumindest die Zuständigkeit zu regeln. Wer ist denn in Zukunft für Fälle der Fälschung europäischer Banknoten zuständig? Ist es UCLAF oder Europol? Das ist bis heute nicht geklärt. Da hätten Sie nun wirklich etwas eiliger vorangehen können, wenn Sie hier schon über Europa reden.
Natürlich tun sich da schwierige Fragen auf. Niemand, der seriös ist, kann an dieser Stelle versprechen, daß wir das im Handumdrehen lösen können. Das muß man ehrlicherweise so formulieren.
Es wird auch für uns eine wichtige Aufgabe sein, gerade die Harmonisierung des Strafverfahrens und des materiellen Strafrechts auf europäischer Ebene voranzutreiben.
Es ist gut, daß wir uns in manchen Fragen, die die repressive Seite der Kriminalitätsbekämpfung betreffen, geeinigt haben. Es ist allerdings schlecht, daß Sie in der Frage der Prävention versagt haben. Wenn Sie, Herr Kanther, über Prävention sprechen, dann sprechen Sie eigentlich auch nur immer über die gesetzlichen Instrumente, über die Polizei und über die Staatsanwaltschaft. Das ist mir schon aufgefallen. Es fällt Ihnen dazu nie etwas anderes ein. Das ist halt so; in dieser Beziehung kann man bei Ihnen offenbar nicht mehr viel ändern.
In der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage zur Jugendkriminalität finden sich folgende Formulierungen der Bundesregierung: Für eine vorbeugende Auseinandersetzung und Bekämpfung von Kinder- und Jugenddelinquenz müssen als Belastungsfaktoren neben Wertekonflikten, Orientie-
Otto Schily
rungsproblemen und Desorientierung soziale Problemlagen, Arbeitslosigkeit, soziale Randlagen, Armut und Ausgrenzung in Betracht gezogen werden, auch wenn ein unmittelbarer Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen den genannten Faktoren und der Kinder- und Jugenddelinquenz im einzelnen nicht nachweisbar ist. Daher sind sowohl erzieherische als auch soziale Maßnahmen und Konzepte zu berücksichtigen, und zwar von allen gesellschaftlichen Gruppen und verantwortlichen Instanzen.
Weiter heißt es: Für die Integration der nachwachsenden Generation in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor Ausbildung, Beruf und Arbeitsleben von grundlegender Bedeutung. Insofern kommt einer ausbildungs- und arbeitsplatzfördernden Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der unterschiedlichen Akteure besonderes Gewicht zu, um einem Anwachsen von Risiko- und Randgruppen entgegenzuwirken. Dazu sage ich: Wie wahr, aber genau hier haben Sie versagt. Sie haben eben nicht dafür gesorgt, daß alle Jugendlichen einen Arbeitsplatz und einen Ausbildungsplatz finden. Auch damit haben Sie der inneren Sicherheit schwer geschadet, Herr Kanther.
Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, frühzeitig mit Frau Nolte Kontakt aufzunehmen und sich zu erkundigen, wie es den Kindern in unserer Gesellschaft eigentlich geht. Wenn die Aussagen in dem Bericht, der jüngst vorgelegt worden ist, stimmen, nämlich daß heute eine hohe Zahl von Kindern in den neuen Bundesländern unter der Armutsgrenze lebt, daß auch im reichen Westen über 10 Prozent der Kinder in ähnlichen Verhältnissen leben und daß über eine 1 Million Kinder und Jugendliche in Haushalten leben müssen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, dann spiegelt sich darin auch ein Faktum, das dem Bereich der inneren Sicherheit zuzurechnen ist.
Wenn man diese Entwicklungen betrachtet, dann kann man nicht einfach sagen: Wir müssen eben mehr Gefängnisse bauen. 1m Bereich der inneren Sicherheit gilt ähnliches wie in der Umweltpolitik. Einige von Ihnen haben das mühsam lernen müssen. Auch bei der inneren Sicherheit gilt: Die Vorsorge ist allemal besser als die Nachsorge; sie ist sogar billiger.
Auf dem Gebiet haben Sie versagt.
Sie haben überhaupt, was die Integration angeht, versagt. Dieser Aspekt ist wesentlich, wenn man über die Zuwanderer redet. Herr Kanther, Sie gehören zu denen, die sich beharrlich weigern, die Wirklichkeit anzuerkennen.
Manchmal denke ich, daß Ihre Flucht vor der Wirklichkeit so weit geht, daß es Ihnen sogar ohne Computer gelingt, sich in virtuelle Welten zu begeben.
Wie kann man eigentlich die Behauptung aufrechterhalten, es habe keine Zuwanderung stattgefunden, wenn knapp 7,5 Millionen Menschen ausländischer Herkunft unter uns leben? Was sind denn diese 7,5 Millionen Menschen? Was soll das denn sein? Findet diese Entwicklung irgendwo außerhalb unserer Grenzen, etwa in einem exterritorialen Gebiet, statt? - Nein, das ist Zuwanderung. Wenn Sie diesen Menschen, die gute Arbeit leisten, die einen hohen Beitrag zu den Sozialversicherungskassen leisten und die zum Teil auch als Unternehmer gute Arbeit leisten, die gleichen Rechte verweigern und sie damit zu Bürgern zweiter Klasse machen, dann begehen Sie eine schwere Unterlassungssünde, hemmen die Integration und gefährden auch die innere Sicherheit.
- Nein, das begreifen Sie offenbar immer noch nicht. Das ist Ihr Problem. Wenn wir es eine Legislaturperiode lang nicht geschafft haben, Sie davon zu überzeugen, werde ich es in den letzten Minuten dieser Legislaturperiode auch nicht schaffen. Das ist leider so. Herr Kollege, mein didaktisches Vermögen ist erschöpft.
Aber eines müssen Sie doch begreifen: Wenn man einem jungen Menschen, der hier geboren ist, der hier die deutsche Sprache quasi als seine Muttersprache lernt, sagt, daß er eigentlich doch nicht zu uns gehört, wird bei diesem der Eindruck entstehen, daß es besser ist, sich in seine Gruppe zurückzuziehen und sozusagen ein Fremdkörper in der Gesellschaft zu bleiben. Das sollten Sie begreifen.
Sie werden es aber nicht begreifen. Vielleicht lernen Sie es in der Opposition, Herr Kollege. Das wäre ganz gut. Deshalb ist es ein Erziehungsprogramm für Sie, daß Sie in die Opposition gehen.
Ich möchte zum Schluß, damit ich die Debatte nicht allzusehr. verlängere, nur noch über einen Gesichtspunkt sprechen, der mir am Herzen liegt und von dem ich glaube, daß er in diese Debatte hineingehört. Natürlich konnte ich nicht alle Gesichtspunkte ansprechen, die in dieser Debatte eigentlich hätten angesprochen werden müssen. Aber eines möchte ich sagen: Zur Prävention - soziale, organisatorische, technische Prävention - gehört auch etwas, von dem ich glaube, daß wir uns darauf besinnen sollten, nämlich eine kulturelle Prävention. Wir tragen alle gemeinsam eine Verantwortung, von der sich niemand ausschließen darf. Deshalb sagen wir auch: Die Ge-
Otto Schily
währleistung der inneren Sicherheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Wir sollten auch in solchen Wahlkampfzeiten einen Moment innehalten und prüfen, ob die geistige Verfassung in unserem Land dazu angetan ist, daß wir sagen können: Wir haben alles getan, um den Zusammenhalt, um das Wertebewußtsein in unserer Gesellschaft aufrechtzuerhalten.
Der bedeutende polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski hat gerade in den letzten Tagen die geistige Verfassung der Deutschen kritisiert. Er bemängelte, daß im deutschen Bewußtsein heute eine tiefere Reflexion über die Natur des Menschen und sein Schicksal fehle. Das Volk der Philosophen und Dichter rede ausschließlich über den Euro, die Zinssätze, Dividenden, Zolltarife und Investitionen. Seiner Ansicht nach sind ohne eine Verbesserung des Menschen alle Zukunftsvisionen wertlos.
Der Österreicher Robert Schneider schrieb:
Wer mit halbwegs wachen Augen durch dieses große, unfaßlich schöne Land reist, den kann diese Seelenmüdigkeit nicht unberührt lassen. Im Kampf eines jeden gegen jeden, im gotterbärmlichen Opportunismus und der schwitzenden Eilfertigkeit ... verkümmert das Herz.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es wichtig ist, daß wir über allem Streit nicht vergessen: Es geht auch um den sozialen und kulturellen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Es geht auch darum, daß wir den Art. 1 des Grundgesetzes mit Leben erfüllen. Nur wenn wir über innere Sicherheit im Lichte einer solchen Betrachtungsweise reden, kommen wir zu den richtigen Ergebnissen.
Vielen Dank.