Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die innere Sicherheit und ihre Verbesserung, der Kampf gegen Straftäter und Verbrechen ist eine der Hauptaufgaben der Innenpolitik in dieser Legislaturperiode für die Koalition gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben. Wir haben ein enormes gesetzgeberisches Pensum erledigt,
mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz, mit dem Gesetz gegen Korruption und Bestechlichkeit, mit der Verschärfung der Strafbarkeit von Sexualstraftaten, mit der Verschärfung des Ausländerrechts gegen schwerkriminelle Ausländer, mit Gesetzen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität - Geldwäschebekämpfung -, mit der endlich erfolgten Schaffung der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen
für das Abhören von Gangsterwohnungen und vieles mehr.
Wir haben aber mehr getan. Wir haben unsere vollziehenden Aufgaben genauso wahrgenommen. Wir haben die große BGS-Reform zustande gebracht, mit der unsere Grenzpolizei von der vormaligen Zonengrenze zu ihren neuen wichtigen Aufgaben an die Außengrenze gebracht worden ist. Wir haben die Gen-Datei nach vorangegangener Änderung der Strafprozeßordnung geschaffen, um für Wiederholungstäter das Risiko, besonders für jene besonders widerwärtige Gruppe von Gewalttaten oder Mord die sich gegen Frauen und Kinder richten, zu steigern. Wieder war bemerkenswert, wie viele linke Bedenkenträger durch die Republik gewandelt sind und meinten, aus Gründen des Datenschutzes gehe das alles gar nicht. Es geht! Wir haben diese Möglichkeit anschließend im Bundestag durch ein Zusatzgesetz noch erweitert - von wegen Bedenken.
Wir haben die Bundespolizei aufgestockt, und das in Zeiten finanzieller Engpässe bei allen öffentlichen Kassen. Es lohnt sich schon ein Blick darauf und eine Überlegung dazu, wie die Politik in Deutschland in Sicherheitsfragen weitergehen soll. Über 3 000 Stellen sind beim Bundesgrenzschutz dazugekommen, um unsere Grenzsicherheit gegen Kriminalität und illegalen Zuzug zu stärken. Diejenigen Länder, die von der CDU, der CSU oder einer Koalition von CDU und F.D.P. regiert werden - Sachsen, Bayern, BadenWürttemberg - haben gleichfalls über 3 000 neue Polizeistellen geschaffen. Die fünf sozialdemokratisch regierten Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Hessen und Saarland haben in den gleichen fünf Jahren 1 083 Polizeistellen gestrichen. Herr Schröder, der vor der Hamburger Bürgerschaftswahl, auch jetzt wieder und immer dann, wenn es ihm passend erscheint, die größten Sprüche in bezug auf innere Sicherheit klopft, hat seit 1992, in sechs Jahren, 642 Planstellen bei der Polizei gestrichen.
Mehr Sicherheit mit weniger Polizei - ein sonderbares Rezept.
Dem entsprechen allerdings - das wird uns auch in Zukunft begleiten - die Unterschiede bei den Sicherheitsdaten zwischen Nord- und Süddeutschland. Wie erklärt sich denn, daß in Bayern 64 Prozent und in Niedersachsen 48 Prozent aller Straftaten aufgeklärt werden? Wer kann denn erklären, warum in Bayern und Baden-Württemberg knapp 6 000 Straftaten auf 100 000 Einwohner kommen, in Niedersachsen 7 400 und in Schleswig-Holstein, das ja im Verhältnis zu anderen Ballungsgebieten von Urbanität nur so strotzt, 9 000 Straftaten -50 Prozent mehr als in Bayern. Das hat doch vor allem etwas mit dem Aspekt der Prävention zu tun. Nichts ist doch ein wirksameres Zeichen für gelungene Vorbeugung, als daß die Zahl der Straftaten auf einem einigermaßen niedrigen Level gehalten wird. Niedersachsen steht in bezug auf die sogenannte Polizeidichte, also bei der Anzahl der Polizeibeamten pro Kopf der Bevölke-
Bundesminister Manfred Kanther
rung, auf dem 16. Platz im Vergleich der Bundesländer, also auf dem allerletzten.
Immer dann, wenn Sicherheitsfragen vor Wahlen, insbesondere bei demoskopischen Umfragen, eine Rolle spielen, tauchen Sozialdemokraten auf und rufen sie als ihr Anliegen aus.
Aber die vier Jahre dazwischen tun sie nichts dafür. Nun stellen wir uns vor, daß diese Grundhaltung in die Bundespolitik einginge.
- Nein, nicht Untergang des Abendlandes, Herr Fischer, sondern Verschlechterung der inneren Sicherheit durch grüne und rote Politik. Das wäre die Perspektive.
Diese Perspektive wollen wir nicht. Was will man denn mit einer SPD anfangen, die alle wichtigen Entscheidungen verzögert oder, wenn sie sich schließlich durchringt, mit der Hälfte der Truppe vollzieht? Bei dem wichtigen Änderungsgesetz zum Asylrecht, das Sie fünf Jahre lang verzögert haben - daraus resultierte ein Zuzug von über 1 Million Menschen, unter dem wir jetzt leiden -, hat die Hälfte plus sechs der Abgeordneten Ihrer Fraktion zugestimmt. In der Frage des Abhörens von Gangsterwohnungen haben Sie die Hälfte minus einen Abgeordneten aus Ihrer Fraktion bewegen können, mit uns zu stimmen und die notwendige Verfassungsänderung herbeizuführen.
Was machen Sie eigentlich in einer rotgrünen Regierung, die Sie dem deutschen Volk anbieten, wenn Sie immer nur die halbe Truppe in wichtigen Fragen hinter sich haben
und die Grünen in Sicherheitsfragen Allesverweigerer sind? Die Grünen haben gegen jedes dieser wichtigen Sicherheitsgesetze gestimmt. Ihr Programm ist eine einzige Absage an eine entschlossene Sicherheitspolitik.
Es enthält eine Absage an das neue Asylrecht, das Sie kippen wollen, an die Abschiebehaft und an die Rückführungsabkommen, das Verlangen nach Abschaffung der Höchststrafe für Mord und viele andere Beiträge.
Wenn Sie sich dann in einer Reihe von Fällen endlich durchgerungen haben, mit uns zu stimmen - auch das hat es ja gegeben -, dann haben Sie im Bundesrat das Gezappel weitergeführt. In der Regel haben sich dann die grün-rot regierten Länder der Stimme enthalten. Wie wollen Sie denn Deutschland regieren, wenn Sie sich in sicherheitspolitischen Fragen der Stimme enthalten oder gespalten antreten? Es gibt keinen Konsens in der SPD über die Sicherheitspolitik.
Auf der anderen Seite ist das Abstimmungsverhalten in der Unionsfraktion stets einmütig. Dieser Unterschied ist für die Sicherheit in unserem Land schon sehr wesentlich.
Die Aufgabe besteht ja darin, die Zahl der Straftaten weiter zu vermindern. Wir haben Erfolge erzielt. Die Zahl der Straftaten ist schon im zweiten Jahr hintereinander gesunken, und die Aufklärungsquote ist gestiegen.
Aber natürlich ist ein Level von 6,5 Millionen Straftaten bei weitem zu hoch. Damit kann man nicht zufrieden sein. Es wird auch zukünftig eine strikte Sicherheitspolitik erforderlich sein. Diese Politik werden wir sowohl im Bereich des Bundes als auch hinsichtlich der Notwendigkeit, die Länder - insbesondere die sozialdemokratisch regierten Länder - zu der gleichen Politik zu bewegen, in der nächsten Legislaturperiode fortführen. In den sozialdemokratisch regierten Ländern Norddeutschlands süddeutsche Sicherheitsergebnisse zu erreichen muß ein erstes wichtiges Ziel der Kriminalitätsbekämpfung sein.
Im Rahmen dieser Politik haben wir noch ein anderes Feld bestellt. Wenn man das nicht tut, kann man in unserer Zeit keinen Erfolg mehr haben. Wir haben das Instrumentarium der internationalen Maßnahmen gestärkt, die über unsere Grenzen hinweg im Kampf gegen die internationale Kriminalität wirken: Schaffung und gesetzliche Verankerung von Europol, Schaffung des Schengener Außengrenzsystems, des wirksamsten Grenzsicherungssystems der Welt, Abschluß von Rückführungsabkommen, die die Rückführung von Ausländern ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer regeln, und Abschluß von Abkommen über• Zusammenarbeit insbesondere mit den mittelosteuropäischen Ländern.
Wir werden dafür sorgen, daß in der Zukunft im Zuge der Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union neben den wichtigen Säulen Verteidigung und Wirtschaft die Gewährleistung der inneren Sicherheit als dritte Säule eine entscheidende Rolle spielen wird. In diesem Bereich wird es ganz sicher keine diplomatischen Kompromisse unter Aspekten der Grenzöffnung und Freizügigkeit geben, solange nicht diese Sicherheitsfragen absolut befriedigend
Bundesminister Manfred Kanther
gelöst sind. Wir sind bereit, dafür sehr viel Hilfe zu leisten.
Auch auf einem anderen wichtigen Feld, in der Ausländerpolitik, haben wir erhebliche Erfolge erzielt. Wir haben vor sechs Jahren 438 000 Asylbewerber in diesem Land gehabt, nicht zuletzt deshalb, weil die Sozialdemokraten die notwendige Änderung der Gesetze verzögert haben.
Im letzten Jahr gab es noch etwas über 100 000 Asylbewerber. Das heißt: Der Umfang des Problems hat sich um drei Viertel reduziert; das Problem besteht aber durchaus fort. Da wir mit einer klugen, aber auch strikten Politik den Umfang des Problems um drei Viertel reduziert haben, nehmen wir mit Recht in Anspruch, auch den Rest des Problems schrittweise lösen zu können.
Jeder, der die Integration von Ausländern als eine Hauptaufgabe der deutschen Innenpolitik für viele Jahre, für Jahrzehnte, ansieht - das tun wir, und das tue insbesondere ich -, muß wissen, daß diese Integration nur gelingen kann, wenn nicht ständig durch weiteren Zuzug und auf Grund immer größerer Fremdheit aus immer ferneren Weltgegenden die Probleme überhandnehmen und die Integrationskräfte des eigenen Volkes überfordert werden. All die Maßnahmen, die den Zuzug begrenzen - dazu gehören Maßnahmen zur Grenzsicherung, schnelle Verfahren, Rückführung und Begrenzung des Leistungsrechts -, gehören zu einer verständigen Integrationspolitik als Angebot an diejenigen Ausländer, die dauerhaft und rechtmäßig in unserem Lande leben. An dieser Politik werden wir festhalten.
Das ist ein Aspekt, über den man nicht nur reden, sondern dessen Leitsätze man in die Praxis umsetzen muß. Deshalb fordere ich immer wieder - das ist ein wichtiger Aspekt des von mir vorgeschlagenen Sicherheitsnetzes -, daß wir Prävention auf allen Gebieten großschreiben und daß wir nicht nur ständig neue Gesetze schaffen, sondern sie auch durchführen. Wir müssen die Debatte zu einem Teil vom Kopf auf die Füße stellen: von der Gesetzgebung hin zur Durchführung vor Ort.
Das geht nicht mit weniger Polizei - wie das in den sozialdemokratisch regierten Ländern versucht wird -, sondern das kann man allenfalls mit dem gleichen Stand an Polizeikräften.
- Eine Lüge? 1998 gab es in Niedersachsen 642 und in Nordrhein-Westfalen 2242 Polizisten weniger als 1992.
Niedersachsen steht im Vergleich aller Bundesländer in bezug auf die Polizeidichte an 16. und damit letzter Stelle, Herr Graf. Da Sie aus Niedersachsen kommen, müßten Sie das eigentlich wissen.