Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! US-Präsident George Bush formulierte im Jahre 1990: „We create a new world order" . Diese neue Weltordnung war natürlich umfassend gemeint - als eine Art Weltphilosophie. Diese Philosophie des Neuen und Besseren verbreitete die Bundesregierung damals, und sie verbreitet sie heute wieder mit diesem Haushalt. Wird also heute über die Außenpolitik im umfassenden Sinn debattiert, dann ist auch über diese Philosophie zu diskutieren.
Nun war die vorausgegangene bipolare Weltordnung zweifellos kein Glückszustand der Menschheit. Es gab kalten Krieg im Westen, und es gab mehrere Angriffskriege des Westens - zum Beispiel in Kuba, Nicaragua und Vietnam, aber auch einen solchen der Sowjetunion in Afghanistan.
Doch die neue Weltordnung von heute ist ähnlich abschreckend. Nicht zufällig sagte George Bush den zitierten Satz am Beginn des neuen Golfkrieges. Diese neue „world order" ist gekennzeichnet von Chaos, Krieg und Unfrieden. Dafür trägt diese Bundesregierung in erheblichem Maß Verantwortung, vor allem die Herren Kohl, Kinkel und Rühe. Ich möchte dies an drei Beispielen verdeutlichen.
Erster Fall: deutsch-polnische Beziehungen. In diesem Sommer wurden diese für unser Land wichtigen Beziehungen in eine extreme Belastungsprobe geschickt. Dieses Parlament verabschiedete im Mai - unter anderem gegen unsere Stimmen - eine Resolution. Danach soll mit der EU-Osterweiterung insbesondere das Recht der aus Polen Vertriebenen und vor allem von deren Nachkommen auf „Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit" in Polen gewährleistet werden. Dies wurde zumindest indirekt an die Frage geknüpft, ob Polen überhaupt in die EU kommt. Die Bundesberufsvertriebene, Frau Steinbach, goß noch weiteres Öl ins Feuer und forderte, Polen müsse die Vertriebenen international entschädigen.
Das alles ging dann selbst unserem Außenminister zu weit. Die Bundestagspräsidentin, Frau Dr. Süssmuth, flog eigens nach Polen, um auf absolut berechtigte, heftige Reaktionen des polnischen Parlaments zu reagieren. In der Sache allerdings halten Sie von der Regierung bis heute daran fest, es gebe noch offene Fragen im Osten, die polnische Westgrenze sei keineswegs eine Grenze wie andere, die absolut sicher sei; vor allem die Gebiete, in denen vor mehr als 50 Jahren auch Deutsche siedelten, könnten über den Hebel EU wieder deutsch besiedelt werden.
Das ist für uns eine Politik des Unfriedens. Damit werden von Ihnen bewußt die Vorgeschichte der Vertreibung und damit Angriffskrieg und Völkermord, Herr Lummer, unter den Tisch gekehrt oder relativiert. Die PDS sagt nein zu diesem neuen Revanchismus über den Umweg Europäische Union.
Beispiel 2: Rüstung und Krieg. Kanzler Kohl sagte in seiner Rede, noch nie habe es auf deutschem Boden weniger Soldaten und Waffen gegeben. Das ist Unfug, Herr Dr. Historiker. Natürlich war die Wehrmacht vor 1933/34 viel schwächer, und es gab in diesem damals größeren Deutschland weit weniger Waffen als heute.
Was aber weitaus wichtiger ist: Der Verteidigungsetat steigt mit dem Haushalt 1999 nicht nur zum zweitenmal an. Vor allem werden auch allerorten Waffen beschafft, die die Bundeswehr angriffsfähig machen sollen. Das ist der gemeinsame Nenner von Eurofighter - jetzt „Taifun" genannt -, neuem Hubschrauber und Großraumflugzeug „Future Large Aircraft" : Sie alle machen diese Armee zum Angriffskrieg fähig.
Wieder sattelt die CSU eins drauf: Pünktlich zur Wahl kommt der Spatenstich zum Bau des Forschungsreaktors München II. Damit wird, gegen alle internationalen Proteste in Ost und West, in einem deutschen Reaktor atombombenfähiges Uran gebrütet.
Herr Gerhardt fragte in seiner Rede eine andere Partei, wie sie es denn mit den Krisenreaktionskräften halte. Herr Fischer versuchte dabei, sich ins Aktenstudium zu vertiefen. Wir von der PDS antworten darauf, wie die Grünen und wie Sie, Herr Fischer, vor vier Jahren geantwortet haben: Weg damit!
Wir fordern, daß radikal abgerüstet wird, daß gerade die Sondereinheiten für Auslandseinsätze verschwinden und daß im Rüstungsbereich frei werdendes Geld zum Kampf gegen Arbeitslosigkeit und, Herr
Dr. Winfried Wolf
Fischer, zum ökologischen Umbau der Gesellschaft verwandt wird.
Beispiel 3: Weltwirtschaft und Rußlandkrise. Mit „ We create a new world order" war auch gemeint, dieser neue globale Kapitalismus bringe Wohlstand, Ordnung und Abbau von Erwerbslosigkeit. Auch das erwies sich - absehbar - als Schimäre. Seither mußten wir einen weiteren Anstieg der Erwerbslosenzahlen im Westen und der dritten Welt sowie einen Anstieg der Auslandsschulden der Länder der dritten Welt feststellen.
Seit Herbst 1997 haben wir die Asienkrise. Heute in der Debatte leugnet jeder auf den Regierungs-
und anderen Bänken, je nach Asien gewiesen zu haben. Tatsächlich haben Sie dies getan, mit leuchtenden Augen und glänzenden Bilanzen. Wiederum Herr Fischer von den Bündnisgrünen belehrt uns heute, diese Krise sei ausgebrochen, weil dort nicht genügend Freiheit geherrscht habe, weil es keine Gewährleistung der Menschenrechte und weil es zuviel Dirigismus gegeben habe.
Umgekehrt paßt der Schuh. Je freier die Märkte, desto größer das Chaos, desto brutaler das Gesetz des Dschungels. Denn diese Krise erfaßt nicht nur das diktatorisch regierte Indonesien - es gibt sie auch in Mexiko. Das Chaos regiert nicht nur im autokratisch regierten Malaysia -: es herrscht auch in Brasilien und vor allem auch in Japan.
Dieser Tage haben wir nun die Rußlandkrise: freier Fall des Rubels, freier Fall von Jelzin. Eine Mischung von Mafiaökonomie, Manchesterkapitalismus und Vetternwirtschaft tut sich auf. Wieder wird dies zum Fall für Clinton, zum Fall für Kohl. Der erste fliegt hin, der zweite telefoniert.
Bill Clinton hat sich gerade vor einem Gericht über eine sogenannte „unangemessene Beziehung" im Detail ausgelassen. Erfreulicherweise ist die Politik in diesem Land noch nicht auf das Niveau solcher oraler Konfessionen gesunken.
Dabei finde ich etwas ganz anderes als die bigotte US-amerikanische Medienöffentlichkeit obszön. Ich finde die Gemeinsamkeit, die Clinton, Jelzin und Kohl verbindet, obszön.