Rede von: Unbekanntinfo_outline
Noch einmal, Herr Schäuble: Wir haben - da hatten wir Einvernehmen - im Dezember vergangenen Jahres - das war die Geschäftsgrundlage - über eine aufkommensneutrale Steuerreform verhandelt. Was in fernerer Zukunft, wenn denn die wirtschaftliche Lage es zuläßt, möglich wäre, ist ein anderes Thema. Wenn Sie dann diese schönen Wunschvorstellungen beschreiben, wie gerne wir alle die Steuern noch weiter senken wollten - da können wir in jeden Wettbewerb mit Ihnen eintreten.
Die Frage ist, was Sie in der jeweiligen Situation konkret verantworten können. Auch Sie vertraten im Dezember vergangenen Jahres die Position, man müsse aufkommensneutral vorgehen. Mehr konnte zu dieser Zeit nicht beschlossen werden. Bei Ihnen war gleichzeitig noch ein Punkt Mehrwertsteuererhöhung enthalten, die wir in der Tat nicht gewollt haben; denn eine Mehrwertsteuererhöhung um zwei Punkte haben wir für ganz unerträglich für die Binnenkonjunktur in diesem Lande gehalten.
Ich will aber noch ein paar Sätze zu Ihrer Bilanz sagen, Herr Bundesminister Waigel. Sie verschweigen, in welcher Situation sich die öffentlichen Haushalte inzwischen befinden. Das ist doch der Grund, warum bisher auch kein Ministerpräsident Ihrer Couleur einer solchen Steuerreform zustimmen würde. Sie verschanzen sich doch bloß hinter der Mehrheit im Bundesrat und hoffen, daß sie nicht selber die Hand für ihre Interessen heben müssen. Das ist die Wirklichkeit.
Wenn Sie mit Herrn Stoiber reden, was sagt er dann denn selbst über die Bildungspolitik und über die Polizei und dazu, daß er für all das nicht mehr genug Geld hat? Warum strengt er als erster die Klage zum Länderfinanzausgleich an? - Weil er das Geld nicht mehr hat. Auch das ist wahr. Deswegen müssen wir Ordnung in die Staatsfinanzen bringen. Deswegen ist Ihre Bilanz höchst unvollständig ausgefallen.
Der Grund, warum ich hier reden wollte, ist aber ein anderes Thema: Ich bin als hessischer Ministerpräsident nicht mehr länger bereit, hinzunehmen, daß Sie immer so tun, als sei die Welt in Baden-Württemberg und Bayern in Ordnung, aber an rotgrün regierten Ländern gingen Unternehmer, Investoren usw. vorbei. Wenn Sie Hessen nicht hätten, das mit großem Abstand die größte Wirtschaftskraft aller Flächenländer in Deutschland hat, mit großem Abstand die höchsten Wirtschaftswachstumsraten hat, die höchsten Produktivitätszuwachsraten hat, dann sähe es mit Ihrer Finanzpolitik noch ganz anders aus.
Das will ich Ihnen ein bißchen belegen; so geht das nämlich nicht. Ich reise mit Geschäftsführern hessischer Töchter amerikanischer Konzerne nach Amerika, um dort den Zerrbildern entgegenzuwirken, die Sie und vor allen Dingen unverantwortliche Verbandsfunktionäre in Amerika über die deutsche Wirtschaft malen. Die Geschäftsführer sagen mir: Unsere Zahlen sind zwar prima, aber in Amerika glaubt uns das keiner, weil gerade wieder Leute dagewesen sind, die ein schlimmes Bild von Deutschland gemalt haben. Die deutsche Botschaft sagt: Wir können gar nicht soviel nacharbeiten, um wieder aus der Welt zu schaffen, was einige in Washington angerichtet haben. Das ist die Rolle einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung - auch einer rotgrünen Landesregierung -, wenn es darum geht, für Arbeitsplätze und Innovation im Lande zu sorgen. So können Sie das doch mit uns nicht machen.
Es kommt doch nicht von ungefähr, daß Standard & Poor's Hessen ein Triple A in der Finanzpolitik zuordnet; eine höhere Bewertung gibt es, wie Sie wissen, nicht. Ich bitte Sie, das jetzt definitiv und ein für allemal zur Kenntnis zu nehmen. Ich nehme es nicht mehr hin, daß die einen immer nur laut reden, aber beim Zahlen ganz klein sind - wir Hessen sind solidarisch seit fast 50 Jahren -, und gleichzeitig so tun, als ob sie die Nummer eins wären. Das sind sie mitnichten. Wenn die Bayern einmal soweit sind wie wir Hessen seit Jahrzehnten und der Abstand nicht ständig größer würde, dann könnten wir darüber reden.
Ministerpräsident Hans Eichel
Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und künftig solche Reden zu unterlassen, weil ich als hessischer Ministerpräsident für mein Land solche Reden nicht mehr hinnehme.