Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Oftmals muß man sich als Bundestagsabgeordneter aus Gründen des Respekts vor anderen und der Tugenden der Höflichkeit eine Rede anhören, nach der man sich fragen muß: Was wollte er uns eigentlich sagen?
Herr Fischer, Sie haben eine alte Tradition fortgesetzt: Sie haben zu dem, was in Ihrem Programm steht, was Sie außen- und wirtschaftspolitisch wollen, nichts Konkretes gesagt. Deshalb hole ich das jetzt nach.
Als ich hier meine erste Rede als Bundesvorsitzender der F.D.P. hielt, hatten vorher gerade Sie gesprochen. Sie hatten die Jugoslawien-Politik der Bundesregierung heftig kritisiert und sich damals gegen den IFOR-Einsatz der Bundeswehr gewandt. Herr Scharping hatte das im übrigen ebenfalls heftig kritisiert. Ich durfte Ihnen damals vorlesen - und lese es jetzt noch einmal vor -, was Ihre Gruppe und die ganze sozialdemokratische Fraktion dazu hier im Deutschen Bundestag beschlossen hatte. Sie hatten beschlossen, daß der Deutsche Bundestag sich davon leiten lassen solle, „daß es allein den Völkern Jugoslawiens obliegt, über die Zukunft ihres Landes zu entscheiden". Sie hatten beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft dafür einzutreten, daß der innerjugoslawische Dialog über die Zukunft des Landes - einschließlich einer staatlichen Neugestaltung - friedlich und ohne Androhung von Gewalt zu einvernehmlichen Lösungen führt. Sie hatten dann die Bundesregierung beauftragt, sich dafür einzusetzen, daß die Friedenskonferenz über Jugoslawien, gegebenfalls nur mit den kooperationswilligen Konfliktparteien, weitergeführt wird. Es sollten alle Voraussetzungen geschaffen werden für die völkerrechtliche Anerkennung von Slowenien und Kroatien.
Sie traten hier auf, als hätten Sie mit all dem nichts zu tun. Sie kritisierten die Außenpolitik der Bundesregierung mit dem damaligen Außenminister, HansDietrich Genscher, und lehnten den IFOR-Einsatz in Bosnien ab. Und heute rufen Sie dazu auf, daß wir europäisch handlungsfähiger werden sollen. Wo waren Sie denn, als es darum ging, dies zu demonstrieren?
- Nein, nein, Herr Verheugen, der Auftritt von Herrn Fischer damals war insbesondere deshalb bemerkenswert,
weil er vier Wochen später seiner grünen Basis das mitteilte, was ich vorgetragen hatte: daß es nämlich notwendig sei, die Bundeswehr zusammen mit Soldaten anderer Demokratien dort hinzuschicken.
Dies alles, Herr Fischer, steht in einer unglaublichen Schleifspur Ihrer außenpolitischen Fehleinschätzungen in den Zeiten, in denen es darauf ankam.
Sie haben hier bei Bosnien-Entscheidungen zweimal gegen die Mehrheit des Hauses gestimmt. Sie haben gegen den Maastricht-Vertrag gestimmt und sprechen heute über den Euro, als sei er Ihre Erfindung. Als es darauf ankam, hätten Sie Ihre Hand heben sollen.
Sie sind auch kein Vertreter der Geldwertstabilität, der dem Bundesfinanzminister vorhalten könnte, ihm in punkto Geldwertstabilität überlegen zu sein. Ihre Gruppe hat doch die Demokratisierung der Europäischen Zentralbank beschlossen. Ihre Gruppe hat die Stabilitätskriterien nicht gewollt. Ihre Gruppe vertritt eine Landschaft des Euro - wie Sie im Magdeburger Programm geschrieben haben -, bei der jeder teilnehmen kann, der will. Das führt doch zu keiner Währungsstabilität; das ist eine Nullaussage zu einer stabilen europäischen Währung. Dies würde die Interessen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland schädigen.
Sie haben zum Somalia-Einsatz der Bundeswehr, der eine humanitäre Hilfsaktion war, um die Menschen dort vor dem Verhungern zu bewahren, nein gesagt. Sie haben sich beim Amsterdamer Vertrag donnernd enthalten und haben gesagt, der Vertrag öffne wegen der Anbindung an die Europäische Union die Tür zur Militarisierung Europas - und das in einer Zeit, in der sich manche ost- und mittelosteuropäischen Reformstaaten auf Grund ihrer Sicherheitsinteressen nichts sehnlicher wünschen, als der Stabilitätsgemeinschaft NATO anzugehören.
Ich sage das, weil Sie, wenn Sie ein Wettbewerber für die Regierungsverantwortung sind, die verdammte Pflicht haben, der deutschen Öffentlichkeit zu sagen, was Sie wollen, und dies nicht dauernd zu verschweigen.
Ihre Politik ist nicht von dem zu trennen, was andere Mitglieder Ihrer Fraktion oder auch Ihrer Partei sagen. Ein Mitglied Ihrer Fraktion hat zu dem wichtigen Sicherheitsaspekt der Bundeswehr anläßlich eines öffentlichen Gelöbnisses, also zu Soldaten, die unsere Freiheit verteidigt haben, gesagt:
Gelöbnisse sind aggressive militärische Demonstrationen,
für die öffentlicher Raum beschlagnahmt wird.
Dr. Wolfgang Gerhardt
Das sagt Frau Beer. Sie unterstützt lautstarke und phantasievolle Störungen von öffentlichen Gelöbnissen der Bundeswehr.
Herr Trittin ergänzt das durch eine ganz bemerkenswert andere Sicht. Er sagt:
Der, der am Jahrestag von Lidice ein Gelöbnis veranstaltet und sich dabei auf Traditionen beruft, stellt die Bundeswehr in die Tradition der Wehrmacht.
Das waren bemerkenswerte Aussagen; und diese sind nicht die einzigen. Sie sind auch von Ihnen kritisiert worden. Ihre Kollegin Röstel hat den Rücktritt von Herrn Trittin abgelehnt, aber gesagt, daß die Äußerungen bedenklich seien. Andere haben gesagt: Das bringt uns unter die 5-Prozent-Hürde. Der Landesvorstand der Grünen in Berlin hat sich mit Herrn Trittin solidarisiert. Bayerns Grünen-Chefin hat das für äußerst dumm erklärt. - Es geht mir jetzt nicht darum, welche innerparteiliche Diskussion bei Ihnen geführt wird. Es geht mir darum, welch Geistes Kind einige Ihrer Vertreter in dieser Diskussion sind.
Wenn Sie für Rotgrün werben und Außenpolitik gestalten wollen, muß die deutsche Öffentlichkeit wissen, wie Ihre Außenpolitik aussehen soll.
Sie sieht jedenfalls nicht so aus, daß Sie für Bündnispartner verläßlich sind. Sie beschädigt die deutschen Interessen, die als Staatsräson in der Bündnisfähigkeit unseres Landes liegen. Sie vernachlässigt eklatant unsere Sicherheitsinteressen und beschädigt den Beruf des Soldaten in der Bundeswehr und das Bild des Wehrdienstpflichtigen. Sie erschüttert damit einen Punkt der Grundfestigkeit unseres Staates.
Mir reicht der Rückblick auf Bosnien, Jugoslawien, die europäische Handlungsfähigkeit nicht. Ihre außenpolitische Begrenztheit in der Aussagefähigkeit verstehe ich in diesem Punkt. Einen Teil des Debattenbeitrags über Asien haben Sie hier nicht abgegeben - dafür kennen wir Sie zu genau -, um die erstaunten Mitglieder des Bundestages über die asiatische Lage aufzuklären. Sie haben dies vorgetragen, um davon abzulenken, über die tatsächlichen Grundrichtungen Ihrer Außenpolitik sprechen zu müssen. Das war ein reiner Nebelwerfer.
Deshalb will ich die außenpolitische Konzeptionslosigkeit der Grünen zu einem Punkt meiner Betrachtung führen, der unser Land betrifft: Herr Fischer, wissen Sie noch, wann die Mauer gefallen ist? Am 12. Oktober 1989 gab es von Ihnen eine Äußerung im Hessischen Landtag, die ich mir wörtlich herausgesucht habe. Sie lautet:
Ich glaube in der Tat, daß wir Deutschen gut beraten wären, die Wiedervereinigung auf lange, lange Zeit zu vergessen.
Herr Fischer, zu der Zeit, als Sie das noch nicht für möglich gehalten haben, waren die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Sie heute rühmen, sie hätten unsere Freiheit erkämpft, schon längst auf der Straße.
Da traf man sich schon an der Nikolaikirche in Leipzig. Ich weiß nicht, für was Sie vielleicht auf der Straße waren. Ich habe gehofft, daß diejenigen sich durchsetzen, die dort in Leipzig standen und das Schild „Wir sind ein Volk" hochhielten.
Gerhard Schröder hat keine bedeutsameren Erklärungen abgegeben als Sie. Gerhard Schröder ist in der „Bild" -Zeitung vom 12. Juni 1989 wie folgt nachzulesen:
Nach 40 Jahren Bundesrepublik sollte man eine Generation in Deutschland nicht über die Chancen einer Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht.
Als sie dann kam, wurde er nicht so recht damit fertig und stimmte gegen die Wirtschafts- und Währungsunion. Da muß ich doch sagen: Wer zu dieser Zeit mit der Einheit nicht fertig wurde, soll auch das vereinte Deutschland nicht regieren können. Darum geht es.
Zu der Außenpolitik, die dieses mögliche Bündnis betreibt, will ich nur noch eines ergänzen. Herr Ministerpräsident Schröder, Sie haben neulich den amerikanischen Präsidenten besucht und ihm Kontinuität in der Außenpolitik zugesagt. Ich habe mich schon gewundert, daß Jost Stollmann das Programm der SPD nicht gelesen hat. Sie haben anscheinend das Programm der Grünen nicht gelesen, sonst hätten Sie das nicht sagen können. Wir können Sie zum Einhalten Ihrer Versprechen bringen, weil wir ganz davon überzeugt sind, daß nicht Joschka Fischer Außenminister wird, sondern Klaus Kinkel Außenminister der Bundesrepublik Deutschland nach dem 27. September bleiben wird.
- Herr Verheugen, Sie müssen sich nicht nur mit der Programmlage der Sozialdemokratischen Partei beschäftigen; die macht mir auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht große Sorgen. In außenpolitischer Hinsicht habe ich keine großen Probleme. Sie müssen sich mit der Programmlage und den Intentionen jener beschäftigen, die Sie sich als Bündnispartner ausgewählt haben. Deshalb helfen die Zwischenrufe hier nicht weiter. Sie müssen hier erklären, ob Sie die Bundeswehr langsam auflösen wollen, ob Sie aus der NATO austreten oder sie in eine andere Sicherheits-
Dr. Wolfgang Gerhardt
architektur überführen wollen, wie Sie mit den Krisenreaktionskräften umgehen wollen,
die die Grünen im Magdeburger Programm nahezu sofort zur Disposition stellen. Dieses Land ist aus der größten Katastrophe seiner Geschichte herausgekommen, weil es bündnisfähig und verläßlicher Bündnispartner war.
Es steht nicht nur die Frage an, wie man am deutschen Arbeitsmarkt Bewegung erzeugt, welches bessere Programm man vorlegt, um Jugendarbeitslosigkeit zurückzudrängen. Nein, es steht im Kern die Entscheidung an, ob dieses Land seine Geschichte in diesem Jahrhundert kennt. Spinnereien können wir nicht vertragen. Deshalb muß klarer Kurs gehalten werden.
Die ganze Diskussion wird noch auf die Spitze getrieben. Ich las neulich, daß Gregor Gysi dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker schreibt, die PDS habe sich doch geändert, und den CDU-Politiker geradezu um öffentliche Fürsprache bittet. Zur gleichen Zeit würdigt sein Parteivorsitzender Gysi Walter Ulbricht in einem Atemzug mit Konrad Adenauer. Das schlägt der öffentlichen Fürbitte geradezu ins Gesicht. Es ist doch der Panzertrupp Walter Ulbrichts gewesen, der den Prager Frühling niedergetrampelt hat, und es war die Freiheitsidee mit Hans-Dietrich Genscher, die es ermöglicht hat, daß auf dem Prager Botschaftsgelände die Freiheit verkündet wurde. Das ist doch der Unterschied.
Ich will nicht versäumen, das zu wiederholen, weil man Wahres nicht oft genug sagen kann. Ich wende mich hier entschieden dagegen, daß wir der PDS in den neuen Ländern überhaupt die Chance geben, die Menschen hinters Licht zu führen. Nicht die Marktwirtschaft hat die Wirtschaft der DDR ruiniert, sondern die SED hatte die Menschen um den Ertrag ihrer Arbeit gebracht.
Es ist nachzulesen. Deshalb trage ich es hier noch einmal vor und bin bereit, die Unterlagen jedem Kollegen und jeder Kollegin zur Verfügung zu stellen. Es müßte zur Pflichtlektüre aller Deutschen gemacht werden.
Im Protokoll der SED über vier ZK-Sitzungen im Jahr 1989 kann man das genau nachlesen, was die Gruppe der PDS hier nicht wahrhaben will:
Die Feststellung, daß wir hier über ein funktionierendes System der Leitung und Planung verfügen, hält einer strengen Prüfung nicht stand.
Das können wir noch mit Lächeln zur Kenntnis nehmen; wahrscheinlich haben wir das auch überschätzt. Dann kommt aber:
Die Verschuldung im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ist seit 1971 auf eine Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt.
Weiter heißt es:
Die DDR hat ab 1989 eine Schuldendienstrate von 150 Prozent. Die Zahlungsbilanz wird sich 1990 weiter verschärfen. Zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der DDR in den folgenden Jahren müßten höhere Exportüberschüsse erreicht werden. Allein das Stoppen der Verschuldung würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen.
Das ist ja auch eingetreten. Aber daran waren nicht die Treuhand und die Marktwirtschaft schuld. Vielmehr bemühen sich die Menschen, mit Treuhand und Marktwirtschaft das wiederaufzubauen, was vorher zerschlagen worden ist.
Deshalb werden wir mit allen Kräften dafür kämpfen, daß nicht diejenigen auch nur die Chance einer Regierungsbeteiligung - unter welcher Konstruktion auch immer - bekommen, deren geistige Vorfahren dies verursacht haben und deren Nachkommen, die sie um ihre Lebensleistung betrogen haben, das alles jetzt wieder aufbauen müssen. Es gehört zu den gewaltigen Anstrengungen auch meiner Partei, die in den neuen Ländern nicht begünstigt ist, sondern dort schwer zu kämpfen hat,
mit dafür einzutreten, daß die PDS nicht noch einmal die Chance bekommt, den Fuß in die Tür zu setzen. Sie hätte es schon in Sachsen-Anhalt nicht tun dürfen. Sie darf es erst recht nicht in Mecklenburg-Vorpommern.
Lieber Herr Ministerpräsident Schröder, wenn Sie heute in der „FAZ" sagen, Sie hätten sich diesen Entwicklungen bei Ihren Genossen in Ostdeutschland beugen müssen und müßten die Entscheidungen dort respektieren, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie hätten vor Sachsen-Anhalt den Mund halten sollen, statt die Menschen hinsichtlich dessen zu betrügen, was sich hinterher dort wirklich vollzieht.
Es geht nicht nur um das, was die Kurt-Schumacher-Gesellschaft sagt. Sie und Herr Lafontaine lassen es doch zu, daß Ihr Bundesgeschäftsführer alle neuen Länder geradezu zu diesen Beteiligungen eingeladen hat. Sie sehen doch staunenden Auges, daß die PDS in Sachsen-Anhalt jetzt ankündigt, es werde nach dem 27. September eine andere qualitative Zusammenarbeit geben. Ihr Herr Ringstorff aus Mecklenburg-Vorpommern erklärt doch heute in der „FAZ", daß Gerhard Schröder endlich die wahren
Dr. Wolfgang Gerhardt
Verhältnisse im Osten zur Kenntnis nehmen müsse. Lieber Ministerpräsident Schröder, das hätten Sie vorher sehen müssen. Aber Ihr Betrug an den Wählerinnen und Wählern in Sachsen-Anhalt darf sich bei der Bundestagswahl nicht wiederholen. Deshalb müssen wir jetzt wissen, worum es geht.
Deutschland braucht jetzt, an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend, klare Orientierungen und klaren Kurs. Es braucht eine verläßliche Außenpolitik. Es braucht klare europäische Orientierung. Es braucht Bündnisfähigkeit. Es braucht Modernisierungsbereitschaft. Es braucht Beschäftigungsimpulse durch Steuersenkung. Angesichts dessen geht es einfach nicht, daß Sie, Herr Ministerpräsident Schröder, im Nadelstreifen bei Unternehmern für Steuersenkungen plädieren und abends mit Ballonmütze bei Ihren eigenen Genossen nicht mehr die Kraft haben, das zu wiederholen, was Sie noch vormittags beim Festvortrag gesagt haben.
Es geht doch nicht - ich will wiederholen, was der Kollege Glos gesagt hat -, daß der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei gestern in der politischen Auseinandersetzung hier auftritt und die Präsidenten des DIHT, des BDI und Herrn Hundt von der BDA ein „Trio Asozialer" nennt. Diese Herren haben - wie ich auch - andere Vorstellungen, wie man in Deutschland zu mehr Beschäftigung kommen kann. Aber ihre Vorstellungen sind mindestens genauso ernsthaft zu prüfen wie die des DGB. So mit ihnen umzugehen ist schäbig. Das sage ich in aller Deutlichkeit.
Die Grünen haben ein gewaltiges Beschäftigungsprogramm im Sinn. Herr Fischer hat das aber nicht vorgetragen. So muß ich erläutern, was die Grünen wirklich wollen, weil Herr Fischer es unterläßt.
Die Grünen wollen eine Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung, die den deutschen Steuerzahler 58 Milliarden DM kosten wird.
Die Grünen wollen die Wiedereinführung der Vermögensteuer, über die das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, daß man von einer hälftigen Teilung zwischen Staat und Privaten ausgehen müsse.
Die Grünen wollen den Benzinpreis schrittweise auf 5 DM pro Liter erhöhen. Zwar schlagen sie das im Kurzprogramm nicht mehr vor, haben aber beschlossen, daß die Magdeburger Beschlüsse gelten. Das ist ein einzigartiger Wählerbetrug, der größte, den ich je erlebt habe.
Sie fordern, anscheinend, um das Ozonloch zu schließen, den Ausstieg aus der Kernenergie; sie haben große Probleme mit der Gentechnologie; sie wollen den sofortigen Ausstieg aus der Chlorchemie; sie haben Vorschläge gemacht, den Bundesverkehrshaushalt um Milliarden zu kürzen. Damit kürzen sie die notwendigen Baumaßnahmen von Autobahnen, die West-Ost-Verbindungen in Deutschland schaffen sollen, die für die Infrastruktur in den neuen Ländern sehr wichtig sind. Sie wollen den Transrapid nicht, wollen aber eine nationale Energiesteuer. Sie wollen Arbeitszeitverkürzungen pro Woche, äußern sich aber nicht dazu, wie der Arbeitsmarkt damit in Einklang gebracht werden kann; denn Arbeitszeitverkürzung nutzt nichts, wenn die Beschäftigungsverhältnisse nicht denjenigen angeboten werden können, die die Qualifikation dazu haben.
Sie wollen die 620-DM-Jobs abschaffen. Herr Schröder ist differenzierter: Bei Zeitungsverlegern will er sie nicht abschaffen, bei der SPD jedoch schon. Jedem, der sie braucht, sagt er sie zu. Wenn er jedoch auf eine Gruppe trifft, die ihm nicht so nahe steht, dann lehnt er sie ab. Das wird eine Mixtur von Politik, die in Deutschland kein Beschäftigungswunder erzeugt, sondern wirtschaftlich destabilisierend wirkt.
Seien Sie sich bitte darüber im klaren, was nun gilt: Entweder gibt es einen Aufschwung, oder es gibt ihn nicht. Als Herr Kohl von Aufschwung gesprochen hat, sagte Schröder, wir hätten keinen. Dann behauptet er: Ich selbst bin der Aufschwung.
Wir hatten früher Könige, die immer dachten, sie seien das Land selbst. Neuerdings haben wir Kanzlerkandidaten, die glauben, sie seien der Aufschwung selbst. Wir müssen uns aber daran gewöhnen, daß ein Aufschwung nicht durch eine Kanzlerkandidatur zustande kommt, sondern durch politische Rahmenbedingungen, durch den Fleiß und die Leistungsbereitschaft vieler Menschen in Deutschland.
Ministerpräsident Schröder hat am 5. März 1998 in Mainz erklärt, bei einer Stimme Mehrheit von Rotgrün gebe es eine rotgrüne Koalition. Das ist eine der wenigen Aussagen von Gerhard Schröder, die ich ihm glaube.
Am 6. August 1998 hat er erklärt, er könne sich auch eine große Koalition mit Volker Rühe vorstellen. Das ist eine der vielen Aussagen, die ich ihm nicht glaube. Solche und ähnliche Äußerungen über große Koalitionen hat er auch schon vor der Wahl in Sachsen-Anhalt ventiliert. Daraus ist aber nichts geworden.
Herr Ministerpräsident Schröder, ich halte Ihr Gerede von großen Koalitionen für ein reines Täuschungsmanöver.
Dr. Wolfgang Gerhardt
Ich sage Ihnen auch, warum Sie das machen. Sie wollen mit diesem Gerede die neue Mitte, auf die Sie abzielen, täuschen, um die alte Linke zu installieren. Wir werden das unterbinden.
Die Koalition ist nicht bei allen Fragen schnell zu Entscheidungen gekommen. Eine Opposition hat nie eine Bundesregierung vor sich, die sich selbst nur in glänzendes Licht stellen kann. Aber zu den Grundfragen, die in den Jahren anstanden, in denen wir die Verantwortung getragen haben, haben wir gegen Ihren Widerstand die richtigen außen- und verteidigungspolitischen Entscheidungen getroffen.
Als uns nach der deutschen Einheit klar wurde, daß wir energisch Reformen anpacken müssen, haben wir sie angepackt. Man könnte sagen: Vielleicht spät, vielleicht auch zu langsam, wir hätten es couragierter tun sollen. Aber Sie haben uns doch eher daran gehindert. Sie können hier doch nicht auftreten, als hätten Sie das Rad erfunden, wo doch in Ihrem Regierungsprogramm steht, daß Sie alles das wieder zurückdrehen wollen, was wir begonnen haben. Sie machen das glatte Gegenteil nicht nur der Politik, die wir vertreten, sondern von der Politik nahezu aller sozialdemokratischen Parteien in den befreundeten Ländern Westeuropas. Sie können uns doch hier nicht erzählen, daß dieses deutsche Volk ausgerechnet auf die konservativste deutsche SPD hereinfallen sollte, wo doch Viktor Klima, Wim Kok, die Dänen und die Schweden die Systeme noch weitergehender als wir reformiert haben.
Deshalb ist der Wechsel zu Rotgrün kein beliebiger Regierungswechsel, der hier unter dem Motto „Auf zu neuen Ufern" so schön diskutiert werden könnte. Es wäre ein Risiko für Deutschland, weil durch die aufgezeigte Konzeption die zarten Pflänzchen des Wachstums zerstört werden würden.
Diese Alternative wäre keine modernisierungsbereite Regierung. Sie können noch nicht einmal dort in Deutschland, wo Sie Verantwortung tragen, die Schulzeit von 13 auf 12 Jahre verkürzen. Sie können noch nicht einmal ein Stück Flexibilität am Arbeitsmarkt vertreten. Sie hängen doch den alten Strukturen nach: flächendeckend, einheitlich, kollektiv. Wehe, es geht jemand einen Sonderweg!
Der größte Fehler, den Sie haben, ist Ihr mentaler Fehler, daß Sie Menschen, die leistungsbereit sind und sich wünschen, vom Ertrag ihrer Leistung etwas mehr zu behalten, eher diffamieren und daß Sie versuchen, die Menschen glauben zu machen: Wir helfen den Armen, wenn wir die Reichen ausmerzen. - Das ist kein Weg. Dieses Land muß auch leistungsbereite Menschen stützen.
Es muß den Neid zur Seite drängen. Es muß den einzelnen in der Breite der Gesellschaft in Verantwortung bringen.
Deshalb ist diese Koalition auf dem Weg ins nächste Jahrtausend
auf dem richtigen Weg. Wir sind reformbereit. Wir strengen uns an. Wir sagen den Menschen im Wahlkampf die Wahrheit, und wir wollen sie auffordern, in Deutschland nicht mehr rückwärts zu marschieren, sondern mit uns nach vorne zu blicken.
Herzlichen Dank.