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    Plenarprotokoll 13/246 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Doris Odenthal, Siegfried Hornung, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Manfred Opel, Ernst Kastning, Richard Schuhmann (Delitzsch) und Volkmar Schultz (Köln) 22897 A Erweiterung der Tagesordnung 22897 B Zur Geschäftsordnung Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22897 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 22898 C Achim Großmann SPD 22899 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 22900B Klaus-Jürgen Warnick PDS 22901 A Begrüßung der Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Frau Dr. von Wedel . . 22991 D Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 13/11100) 22902 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1998 bis 2002 (Drucksache 13/11101) 22902 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1995 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1995) - - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1996 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1996) - - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1997 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1995 und 1996) (Drucksachen 13/5141, 13/7352, 13/8550, 13/10904) 22902 C d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland - Zehnter Kinder- und Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 13/11368) 22902 D Jürgen Koppeln F.D.P. (zur GO) . . . 22902 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 22903 B Karl Diller SPD 22907 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 22912 D Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . 22916C, 22926 D Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 22921 A Siegmar Mosdorf SPD . . . . 22926B, 22927 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 22927 C Rolf Schwanitz SPD 22929B, 23002 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22929 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 22933 A Dr. Christa Luft PDS 22937 C, 22945 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 22940B, 22947 A Hans Georg Wagner SPD 22945 D Helmut Rauber CDU/CSU 22946 C Karl Diller SPD 22947 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 22949 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 22951 C Ernst Schwanhold SPD 22952 C Dr. Barbara Höll PDS 22953 C Paul K. Friedhoff F.D.P 22955 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 22957 B Rudolf Dreßler SPD 22959 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 22963 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22967 B Dr. Gisela Babel F.D.P 22969 D Petra Bläss PDS 22971 C Ottmar Schreiner SPD 22973 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 22976 B, 22979 C Ottmar Schreiner SPD 22973 B Dr. Edith Niehuis SPD 22977 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 22981 D Dr. Christine Bergmann, Senatorin (Berlin) 22982 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 22984 A Dr. Barbara Höll PDS 22980 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22986 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 22987 D Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 22988 D Edelgard Bulmahn SPD 22992 A Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . 22996 C Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 22997 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23000 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 23001 A Anke Fuchs (Köln) SPD 23001 C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 23004 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 23007 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23009 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 23010 C Dr. Wolfgang Weng (Gerligen) F.D.P. . 23013 A Vizepräsidentin Michaela Geiger . . . 22967 A Tagesordnungspunkt 2: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auf Staatsangehörige von Drittländern (Drucksachen 13/9819 Nr. 2.29, 13/10598) . . 23015 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Aktionsplan zur Förderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Drucksachen 13/9668 Nr. 2.44, 13/10599) . . . 23015 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Tilo Braune, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Forschung 1996 (Drucksachen 13/4554, 13/7128, 13/ 9744, 13/9746, 13/11096) 23015 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Rixe, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Jugend braucht Zukunft - Ausbildungsoffensive jetzt verwirklichen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1998 (Drucksachen 13/10665, 13/10651, 13/ 11097) 23015D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD Sicherung der Arbeitsplätze bei der Hoechst Marion Roussel Deutschland GmbH (Drucksachen 13/10028, 13/ 11110) 23016B f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg), Marion Caspers-Merk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Klimaschutz durch Minderung von Stand-by-Verlusten bei Elektrogeräten (Drucksachen 13/9254, 13/11121) . . 23016 B g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr - zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm (Drucksachen 13/6346, 13/7498, 13/ 11140) 23016 C h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor Verkehrslärm an Straßen und Schienen (Drucksachen 13/6958, 13/8925) . 23017 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Iwersen, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vorlage eines Vierten Berichtes über Schäden an Gebäuden (Drucksachen 13/10449, 13/11145) 23017 A j) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union (Drucksachen 13/ 10588 Nr. 2.21, 13/11160) 23017 B k) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 375 zu Petitionen (Drucksache 13/11193 [neu]) . . . . 23017 C 1) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 377 zu Petitionen (Gesetzliche Nichtigkeitserklärung aller NS-Unrechtsgesetze und -urteile) (Drucksache 13/11195) 23017 C m) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 381 zu Petitionen (Überführung der Ansprüche der Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Reichsbahn in die gesetzliche Rentenversicherung) (Drucksache 13/11330) . 23017 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Drucksachen 13/11118, 13/ 11381) 23018A Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Bürgerkrieg und humanitäre Situation im Süd-Sudan (Drucksache 13/11387) 23018 B Tagesordnungspunkt 3: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 1998 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 29 - Bundesanstalt Technisches Hilfswerk - Titel 532 03 - Hilfsmaßnahmen außerhalb des Bundesgebietes - bis zur Höhe von 12 340 TDM (Drucksachen 13/10929, 13/11122, lfd. Nr. 1.3, 13/11389) 23018 C Nächste Sitzung 23018 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 23019* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Rolf Kutzmutz PDS 23019* B Anke Fuchs (Köln) SPD 23021* C Dr. Barbara 11611 PDS 23022* C 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Becker-Inglau, Ingrid SPD 2. 9. 98 Behrendt, Wolfgang SPD 2. 9. 98 * Blunck, Lilo SPD 2. 9. 98 * Brunnhuber, Georg CDU/CSU 2. 9. 98 Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 2. 9. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 9. 98 * Gysi, Andrea PDS 2. 9. 98 Irber, Brunhilde SPD 2. 9. 98 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 2. 9. 98 Lattmann, Herbert CDU/CSU 2. 9. 98 Müller (Berlin), PDS 2. 9. 98 Manfred Walter Nelle, Engelbert CDU/CSU 2. 9. 98 Peters, Lisa F.D.P. 2. 9. 98 Reichard (Dresden), CDU/CSU 2. 9. 98 Christa Rupprecht, Marlene SPD 2. 9. 98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 2. 9. 98 Scheel, Christine BÜNDNIS 2. 9. 98 90/DIE GRÜNEN Schulte (Hameln), Brigitte SPD 2. 9. 98 Stiegler, Ludwig SPD 2. 9. 98 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 2. 9. 98 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Anke Fuchs (Köln) (SPD): Wirtschaftspolitische Kompetenz ist gefragt, wenn es in diesem Land wieder aufwärts gehen soll. Das wird niemand bestreiten. Diese Erkenntnis ist aber gleichzeitig Aufforderung zur Abwahl dieser Bundesregierung. Wer wirtschaftspolitische Kompetenz auf der Regierungsbank will, muß dafür sorgen, daß Gerhard Schröder Bundeskanzler wird. Nur so können wir einen Aufbruch nach vorne schaffen. Heribert Prantl schreibt in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29./30. August 1998 zu Recht: In letzter Not hat Kohl seinen alten Gegner Lothar Späth als Helfer engagiert. Er hätte das vor vier Jahren machen müssen. Damals wäre die Zeit gewesen, eine spektakuläre neue Mannschaft zu präsentieren. Neuerdings stellt der Kanzler auch mißbilligend fest, daß die Wirtschaft den Standort Deutschland schlechtredet. Das fällt ihm zu spät auf. Vor zwei Jahren hat Kohl sich das törichte Agitieren der Wirtschaftsfunktionäre zu eigen gemacht und das Bündnis für Arbeit platzen lassen - es war sein kapitalster Fehler. Auf diese Weise gerieten die Reformen seiner Amtszeit in die Konfrontation, standen die Kirchen gegen die Sozialpolitik der Regierung auf - und damit gewannen die Gewerkschaften neue Legitimation. Die Regierung Kohl hat den Konsens geopfert, weil sie sich von der vulgärliberalen Arroganz der Industrieführer vom Schlage Henkel & Co. anstecken ließ. So etwas kann sich allenfalls eine Klientelpartei wie die F.D.P. leisten, nicht aber eine Volkspartei. Die CDU ist durch die konfrontative Sozialpolitik geschwächt worden, und dann leidet sie und ihr Wahlkampf. Die Partei ist also doppelt geschwächt: Durch nachwirkende Fehler und durch die Unklarheiten an der Spitze. Für den Stillstand ist an erster Stelle der Bundeskanzler selbst verantwortlich. Er hat das von den Gewerkschaften angebotene Bündnis für Arbeit ausgeschlagen. Das hat viele Arbeitsplätze gekostet. Das war ein immenser Zeitverlust für die notwendige Modernisierung unseres Landes. Der Kanzler hätte es besser wissen müssen. Denn sozialer Konsens und gesellschaftlicher Zusammenhalt waren in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik eine wichtige Produktivkraft. Und wenn die Herren an der Spitze der Unternehmensverbände auch meinen, Wahlkampf für diese Regierung machen zu müssen, so sage ich Ihnen: An ihrer eigenen Basis sieht es anders aus. Dort ist Dialogbereitschaft statt Drohgebärde. Darauf setzen wir, und spätestens nach der Bundestagswahl müssen auch die Herren an der Spitze aus dem Abseits heraus. Wir Sozialdemokraten werden ein Bündnis für Arbeit verwirklichen. Wir vertrauen auf die Konsensbereitschaft im eigenen Lande. Damit knüpfen wir aber auch an die Erfahrungen an, die europäische Nachbarstaaten - wie zum Beispiel die Niederlande und Dänemark - gesammelt haben. Die Arbeitslosigkeit konnte in den Niederlanden gesenkt werden, weil sich Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch gesetzt und gemeinsam nach Lösungen gesucht haben. Dänemark ist auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, weil neben mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt der Staat aktiver mit Beschäftigungsmaßnahmen neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Das ist der richtige Ansatz: Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit finanzieren. Die Wachstumsschwäche in unserem Land und die hohen Arbeitslosenzahlen sind auch Folge der verfehlten Finanzpolitik. Es ist eine Binsenweisheit: Prozyklische Finanzpolitik in Abschwungphasen kann nicht auf Wachstumskurs führen. Das ist lange bekannt. Wer die Binnennachfrage abwürgt, kann noch so viel Angebotspolitik betreiben: Ohne Absatzchancen bleiben Erweiterungsinvestitionen aus, ohne Erweiterungsinvestitionen entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Wir Sozialdemokraten setzen auf Verläßlichkeit und Stetigkeit in der Finanzpolitik. Das ist im übrigen eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit Unternehmen und Investoren verläßliche Rahmenbedingungen vorfinden. Bei dieser Bundesregierung konnte man sich nur darauf verlassen, daß das nächste Haushaltsloch größer wird als das vorherige. Damit komme ich zu Ihnen, Herr Rexrodt. Sie haben in den vergangenen Jahren im Blindflug den Kurs der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Seit Ihrem Amtsantritt haben Sie den automatischen Piloten angestellt und gehofft, daß er den Weg alleine finden wird. Aber das Steuerungsprogramm war falsch. Statt im Azorenhoch sind Sie im Islandtief gelandet. Jetzt wollen Sie uns weismachen, wir hätten die warmen Gefilde einer Trendwende am Arbeitsmarkt erreicht, weil es in Island auch schon mal kälter gewesen ist. Das ist die Lage. Erst treibt die Bundesregierung die Arbeitslosigkeit mit Attentismus und falschen Strategien auf 4,8 Millionen hoch. Dann redet sie bei mehr als 4 Millionen Arbeitslosen von einer Trendwende. Das ist keine Trendwende, das ist der Offenbarungseid der Bundesregierung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Herr Rexrodt, jahrelang haben sie den Standort Deutschland schlecht geredet und den Menschen die Globalisierung als Schreckgespenst an die Wand gemalt. Lohnzurückhaltung und Sozialabbau waren Ihr Credo. Sie haben die Arbeitnehmer zum Kostenfaktor degradiert. Damit muß endlich Schluß sein. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nämlich gut, weil wir eine gute Infrastruktur haben, weil wir qualifizierte Arbeitnehmer haben und weil die Menschen leistungsbereit sind und nach vorne schauen wollen. Die SPD wird nach der Bundestagswahl die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konsequent in den Vordergrund stellen. Für die Wirtschaftspolitik heißt das: Stärkung der Wachstumskräfte für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung, die Arbeitsplätze schafft. Dafür brauchen wir kurzfristig Maßnahmen für eine schnellstmögliche Entlastung am Arbeitsmarkt. Darüber hinaus müssen wir mittel- und langfristig mit einem Strukturwandel durch Innovation Wirtschaft, Staat und Gesellschaft modernisieren. Der Export boomt noch. Das zeigt: Die deutsche Wirtschaft ist wettbewerbsfähig. Ursache der Wachstumsschwäche ist die fehlende Binnennachfrage. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform, die Arbeitnehmer und Familien entlastet und damit die Binnennachfrage stärkt. Außerdem brauchen wir eine Senkung der Unternehmenssteuern und eine Senkung der Lohnnebenkosten, um Investitionsanreize zu schaffen. Wir machen aber keine haltlosen Versprechen. 30 Milliarden Mark Nettoentlastung sind nicht finanzierbar. Das unterscheidet uns von dieser Bundesregierung. Für uns steht nicht die Entlastung der Spitzenverdiener im Vordergrund. Denn wir wissen: Die Steuerlast ist in unserem Lande ungerecht verteilt. Die Belastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben ist ständig gestiegen, die Steuererträge aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind gesunken. In der Arbeitsmarktpolitik kommt es darauf an, Arbeitsplätze zu schaffen statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Vordringlich geht es darum, den Jugendlichen wieder eine Perspektive zu geben. Wir werden sofort nach der Bundestagswahl 100 000 neue Stellen für Jugendliche schaffen. Das geht, wie das Beispiel Dänemark zeigt. Schauen Sie sich die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit dort an. Sie ist drastisch gesunken, und das ist nicht als Geschenk vom Himmel gefallen. Dort ist die Wirtschaftspolitik ihrer Gestaltungsaufgabe nachgekommen, statt Parolen von der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik zu dreschen. Mittel- und langfristig brauchen wir Innovationen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Bundesregierung hat die Modernisierung unseres Landes verschlafen. Sie haben die vergangenen Jahre doch nur von Kostensenkung gesprochen. Aber unser Land ist mit Gütern und Dienstleistungen der Spitzentechnologie stark geworden. Die SPD setzt deshalb auf die Zukunftstechnologien. Wir werden zum Beispiel mit einem Hunderttausend-Dächer-Programm die Solartechnik zur Marktreife bringen. Das schafft neue Arbeitsplätze und trägt zu einer umweltschonenden Energieversorgung bei. In diesem Zusammenhang steht auch unser Konzept für eine ökologische Steuerreform. Wir wollen damit die Lohnnebenkosten senken, den umweltschädlichen Energieverbrauch belasten und Anreize für technologische Innovationen zur Energieeinsparung setzen. Das ist moderne Wirtschaftspolitik: Innovationsanreize schaffen, um in der Verkehrstechnologie an der Spitze des Fortschritts zu stehen und die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft zu stärken. Den Energieverbrauch senken, weil Wirtschaftswachstum nicht gleichbedeutend sein muß mit höherem Energieverbrauch. Die Umwelt schonen, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und keinen Raubbau an der Zukunft zu betreiben. Dafür werden wir die marktwirtschatlichen Anreize setzen. Wir werden schrittweise und berechenbar vorgehen, damit sich Bürger und Unternehmen darauf einstellen können. Wirtschaftspolitik für mehr Arbeitsplätze hat als zentrale Aufgabe die Förderung des Mittelstandes. Kleine und mittlere Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, und sie tragen die Hauptlast der beruflichen Bildung. Da reicht es nicht, nur von der Mittelstandsförderung zu reden. Die Bilanz der Bundesregierung ist erschreckend: Die Zahl der Unternehmenskonkurse steigt. 1997 hatten wir wieder einen neuen traurigen Pleitenrekord. Die Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen sinkt beständig. Der Anteil des Selbständigen ist im internationalen Vergleich zu gering. Die SPD wird die Mittelstandspolitik nach der Bundestagswahl in den Vordergrund stellen. Gerhard Schröder hat sein Mittelstandsprogramm vorgelegt. Es ist auf der Basis zahlreicher Diskussionen und Foren erarbeitet worden, die wir in allen Teilen des Landes mit Handwerkern und Managern, mit Verbänden und Kammern, mit Wissenschaftlern und Unternehmensberatern geführt haben. Dabei hat sich gezeigt: Der Mittelstand fühlt sich durch diese Bundesregierung nicht mehr vertreten. Unser Angebot zum Dialog ist auf breite Resonanz gestoßen, und wir werden diesen Dialog mit dem Mittelstand fortsetzen, um unsere Politik an den Bedürfnissen der Praxis messen zu lassen. Wir werden die Mittelstandsförderung bündeln und damit eine Schneise in den Dschungel der unübersichtlichen Vielzahl von Förderprogrammen schlagen. Wir werden für einen besseren Zugang des Mittelstandes zu öffentlichen Aufträgen sorgen. Wir werden die Außenwirtschaftspolitik stärker auf den Mittelstand ausrichten. Die Förderung von Existenzgründungen steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Jede Existenzgründung schafft im Schnitt 2 bis 6 Arbeitsplätze. Für den Start in die Selbständigkeit fehlt es in der Regel nicht an den Ideen, sondern am Startkapital. Dabei ist genügend Anlagekapital vorhanden. Wir Sozialdemokraten sagen deshalb: Besser in neue Ideen und Unternehmen investieren als in Beton und Boden. Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital müssen deshalb verbessert werden. Es ist höchste Zeit, sich der Gestaltungsaufgabe in der Wirtschaftspolitik zu stellen. Die SPD-geführte Bundesregierung wird dies nach der Bundestagswahl tun. Politik im nationalen Rahmen reicht dafür nicht aus. Heute werden etwa 70 Prozent aller wirtschaftsrelevanten Vorschriften in Brüssel erlassen. Deshalb möchte ich noch mal bekräftigen, was Oskar Lafontaine gesagt hat: Wir brauchen eine stärkere Kooperation auf internationaler Ebene. Diese Erkenntnis setzt sich durch, viele reden davon, Regelwerke müßten her, neue Spielregeln, Kooperation. Das ist wichtig für Europa und seine Chancen, einen Beitrag zu fairem Welthandel zu leisten. Die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf europäischer Ebene muß verbessert werden. Wir werden die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt der Europapolitik stellen. Wer wie Herr Rexrodt einer nationalen Beschäftigungspolitik das Wort redet, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Rolf Kutzmutz (PDS): Wir haben vorhin einen mehr oder weniger überzeugenden Wahlkampf auftritt vernommen. Aber, Herr Minister Rexrodt, liegt es wirklich nur am mangelnden Verständnis vieler Menschen für ihre Politik oder sind es deren Ergebnisse, die nach einem Politikwechsel verlangen lassen? Ich erinnere Sie an das Sprichwort: Der Ruhm vieler Propheten beruht auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer. Das gilt für den Bundeswirtschaftsminister und seinen Kabinettskollegen, deren Wachstumsprognosen - und damit deren Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Steuern und Staatsausgaben - sich bekanntlich seit Jahr und Tag in ihrer Wahrscheinlichkeit mit denen der DDR-Plankommission messen können. Die tatsächlichen Ergebnisse der praktischen Politik beider Gremien will ich gar nicht erst vergleichen. Das gilt allerdings auch für die Sozialdemokraten. Vor genau elf Monaten war ein von mir ansonsten sehr geschätzter Kollege von seiner Fraktionsspitze verdonnert worden, hier einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Antrag der PDS rhetorisch zu demontieren. So geißelte er unsere Zweifel an der allgemeinen Euphorie über die Globalisierung und beschwor für die SPD - unter dem Beifall der F.D.P. - deren Willen zur Internationalisierung der Waren- und Kapitalströme, weil - ich zitiere aus dem Plenarprotokoll - „wir der festen Überzeugung sind, daß die komparativen Kostenvorteile und die komparativen Vorteile unterschiedlicher Standorte genutzt und umgesetzt werden müssen". Ob er diesen Schwur - zumindest auf die Kapitalströme bezogen - heute wiederholen würde, wage ich zu bezweifeln. Schließlich ist die momentane Entwicklung an den Börsen schon mehr als eine Korrektur; das ist in der Nähe eines Crashs, meint zumindest der in diesen Dingen gewiß kompetente Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Dem vorhin zitierten verehrten Kollegen Hiksch gestehe ich in diesem Zusammenhang ja gern zu, daß er in der erwähnten Debatte sich für die Idee einer Tobin-Steuer stark machte, sie als fortschrittliche, also sozialdemokratische, Wirtschaftspolitik bezeichnete. Nur scheint der SPD jener Fortschritt in den letzten elf Monaten abhanden gekommen zu sein. Das Projekt Tobin Tax findet sich in keinem der zahlreichen sozialdemokratischen Programme seit letztem Oktober. Ja, selbst die SPD bügelte eine solche Initiative der PDS - die Bündnisgrünen zogen dann bekanntlich auch noch nach - im Bundestag sogar noch ab. Wenn ein Kanzler Schröder aber mit den morschen Krücken eines Kanzlers Kohl auf das bebende weltwirtschaftliche Parkett will, dann kann ich nur sagen: Hals- und Beinbruch! Wenn wir demokratische Sozialistinnen und Sozialisten im Vorjahr wie auch heute wieder anmahnen, Regionalisierung des Wirtschaftens in den Mittelpunkt der Politik - von den Steuern bis zur Fördermittelvergabe - zu stellen, dann fühlen wir uns natürlich durch die Börsen bestätigt. Viel wichtiger ist aber, daß nur so dauerhafte neue Arbeitsplätze tatsächlich entstehen, daß nur so die Binnennachfrage als wichtigstes Lebenselexier jeder Volkswirtschaft angekurbelt und daß nur so der mit Rücksicht auf die künftigen Generationen überlebenswichtige ökologische Umbau endlich ernsthaft begonnen wird. Mit Aufmerksamkeit habe ich registriert, daß die Sozialdemokraten für ihre Version des heute anberatenen Bundeshaushaltes ein 100 000-SonnendächerProgramm versprechen. Ich erinnere mich noch allzu gut daran, daß in den vergangenen Haushaltsberatungen solche Vorschläge, die Arbeit bringen und Umwelt schonen, keineswegs zum Repertoire sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik, wohl aber dem der PDS gehörten. Im Gegenteil: Noch für den Haushalt 1998 vereinten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei der von uns vorgeschlagenen drastischen Aufstockung der Fördermittel zur Nutzung erneuerbarer Energien trotz gesicherter Gegenfinanzierung in ihrer Ablehnung zur übergroßen Koalition mit CDU/CSU und F.D.P. Damit Sie nach dem 27. September nicht an programmatischem Gedächtnisschwund leiden, werden wir von der PDS Ihnen dann aber gern auf die Sprünge helfen. Und den Bündnisgrünen sicher auch - falls sie dann, anders als im Vorjahr, im Ausschuß mal da sein sollten. Diese Hilfestellung durch uns scheint mir auch bei einem weiteren unverzichtbaren Projekt der beiden selbsternannten Garanten für einen Wechsel vonnöten: dem Ausstieg aus der Atomenergie. Herr Schröder will zwar nur im Konsens, Herr Fischer und die Seinen zwar erst mal nur über Länderhoheit beim Atomgesetz - aber immerhin versprechen beide, damit zu starten. Wenn es ihnen ernst ist - und zumindest für die Bündnisgrünen dürfte es ja eine Existenzfrage sein -, dann starten sie nicht nur, sondern landen sie gleich: beim sofortigen Ausstieg. Nimmt man alle AKW vom Netz, so geht in Deutschland wegen der vorhandenen Überkapazitäten dennoch keine Lampe aus. Andererseits müßte mittlerweile jeder begriffen haben, daß beispielsweise Transrapid und Expo 2000 wirtschaftlich folgen-, aber finanziell bodenlose Prestigeprojekte sind. Statt solche weiter zu päppeln, nehmen Sie 7 bis 11 Milliarden Mark, und finden Sie damit die Stromgiganten ab! Mehr können diese nach seriösen Untersuchungen, zum Beispiel des DIW, auch im schlimmsten Falle nicht als Entschädigung verlangen. Mit diesen maximal 11 Milliarden Mark öffentlicher Gelder würden schließlich zugleich rund 100 Milliarden privaten Kapitals mobilisiert - zum Abbau und konventionellen Ersatz für die dann 26 Atomruinen in Deutschland. So hätten nicht nur die gigantischen, bisher steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne endlich ihren Sinn gefunden. Das wäre vor allem ein weiteres echtes Zukunftsinvestitionsprogramm, in Arbeitsplätze und Umwelt gleichermaßen. Darüber hinaus mit einer Effizienz von Steuergeldern, die - gemessen an Ostseewerften Lenna oder Dow Chemical - geradezu traumhaft günstig ist. Schlagen Sie bei dieser Aufgabe also nicht nur Schaum - machen Sie Nägel mit Köpfen! Allerdings habe ich sowohl nach dem wohlfeilen Verlautbarungswahlkampf der letzten Wochen als auch nach dem heutigen Tag allerdings meine Zweifel. Es nützt weder das „Weiter so" der Koalition noch ein „Vieles wird neu - aber nichts wird anders" der SPD. Arbeit und soziale Gerechtigkeit sind ohne Umverteilung auch des Reichtums nicht zu machen. Dr. Barbara Höll (PDS): Die heutige Debatte wird ihrem Anspruch gerecht: Wir diskutieren den letzten Kohl/Waigel-Haushalt, sprich kw-Haushalt. Das bedeutet in der Kürzelsprache des Haushalts „kann wegfallen" . Die Debatte hat eindeutig belegt, daß die Vertreter der CDU/CSU und F.D.P. nur verbal die Grundprobleme der bundesdeutschen Gesellschaft zur Kenntnis nehmen. Sie habe heute nicht eine neue Idee zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, der Beseitigung der Lehrstellenmisere und der zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit vorgestellt. Ihre alten Konzepte, an denen sie krampfhaft festhalten, können Sie noch so schön-färberisch versuchen darzustellen, es wird immer deutlicher, Ihre Politik bedient die wirklich Vermögenden und spaltet die Gesellschaft immer stärker in oben und unten, in arm und reich. Da wir als demokratische Sozialistinnen und Sozialisten in den letzten Jahren bereits vielfältige Vorschläge zu den angesprochenen Hauptproblemen in den Bundestag eingebracht haben und diese auch über die Konzepte von SPD und Bündnisgrünen hinausgehen, möchte ich mich jetzt auf unser Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit konzentrieren. Die PDS fordert zum einen die substantielle Verkürzung der Arbeitszeit. Heute und in Zukunft wächst die Produktivität dank moderner Technologien so schnell, daß immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte und bezahlte Dienstleistungen herstellen können. Diese Entwicklung kann niemand aufhalten. Sie ist sogar eine große Chance. Aber wir ziehen daraus die Folgerung: Wenn dem so ist, dann sollen alle mehr Freizeit haben - nicht die einen steigenden Leistungsdruck, massenhaft Überstunden und die anderen Arbeitslosigkeit oder unsichere und nicht sozialversicherte stundenweise Jobs. Die moderne Entwicklung verlangt geradezu nach einer gerechteren Verteilung der Arbeit. Das geht nur über Arbeitszeitverkürzung. Die PDS hält es zum anderen in absehbarer Zeit selbst bei Arbeitszeitverkürzung für unmöglich, daß die Privatwirtschaft und der öffentliche Dienst in der Lage sind, fünf bis sieben Millionen Arbeitsplätze - so viele fehlen in Deutschland - zusätzlich zu schaffen. Daraus ziehen wir die Folgerung: Neben Privatwirtschaft und Staatsdienst wird in der Wirtschaft ein dritter Sektor gebraucht, nicht mit ABM, sondern mit normalen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist ein Wirtschaftssektor, in dem nicht der Profit das eigentliche Ziel ist - die Amerikaner nennen so etwas Nonprofit-sector -, sondern in dem viele der humanitären, ökologischen, kulturellen, sozialen Aufgaben bewältigt werden, die heute zum großen Teil unerledigt bleiben. Die Unternehmen dieses Sektors müßten 25 bis 30 Prozent Zuschuß zu dem erhalten, was sie selbst erwirtschaften. Aber damit wäre das Geld weit sinnvoller angelegt als gegenwärtig zur Finanzierung von Arbeitslosigkeit, die jährlich 180 Milliarden DM verschlingt. Die PDS drängt zum dritten darauf, die sogenannten Lohnnebenkosten durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen. Gegenwärtig ist es so, daß die Unternehmen die Lohnnebenkosten nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe der Bruttolöhne zu zahlen haben. Je weniger Mitarbeiter und je geringere Bruttolöhne, desto weniger werden sie zur Kasse gebeten. Anders gesagt: Entlassungen und Lohnminderungen werden belohnt. Wir wollen, daß die Unternehmen nach der Höhe des Betriebsergebnisses, des Gewinns und der Wertschöpfung ihren Beitrag leisten sollen, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten und der Bruttolöhne. Betriebe mit hoher Wertschöpfung und wenig Beschäftigten - Banken, Versicherungen, hochautomatisierte Fabriken - müßten dann mehr zahlen als bisher, Klein- und Mittelbetriebe mit relativ geringer Wertschöpfung und vielen Mitarbeitern dagegen weniger. Das wäre gerechter als die bisherige Lösung und würde vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht ihre Vernichtung belohnen. Beispielsweise könnte der Kleinhändler an der Ecke leichter eine Verkäuferin einstellen, ohne befürchten zu müssen, daß ihn die Lohnnebenkosten überfordern. Das sind nur drei wichtige Aspekte des PDS-Konzepts zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Es geht dabei natürlich auch um die gerechte Verteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen, um Ökologie, um die Wende zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaft, kurz: um das Anpacken der wichtigsten Probleme, die von der modernen Entwicklung der Produktivkräfte aufgeworfen werden. Die PDS steht für soziale Gerechtigkeit ohne Wenn und Aber. Wir wollen Armut bekämpfen, indem wir Reichtum begrenzen, nicht Arme ausgrenzen. Dazu bedarf es natürlich des politischen Willens zu einer gerechten Umgestaltung des Steuer- und Abgabensystems, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir haben diesen Willen und sind deshalb auch nicht wie die anderen Parteien pessimistisch, die wegen angeblicher Sachzwänge den gegenwärtigen Zustand für alternativlos halten. Wir sehen klare Alternativen. Das betrifft nicht nur die Überzeugung, daß Massenarbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit überwunden, eine sozial-ökologische Wende zur Nachhaltigkeit eingeleitet werden können. Das drückt sich auch direkt in den Forderungen für die Jugend aus, genauer gesagt, in den Forderungen der Jugend, die sich die PDS insgesamt zu eigen gemacht hat. Wir vertreten konkrete Vorschläge für die Überwindung von Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit, für das verfassungsmäßige Recht auf berufliche Erstausbildung, für die Modernisierung der Berufsausbildung, für gleiche Bildungschancen aller Kinder und Jugendlichen, egal welcher Herkunft, aus welchen sozialen Verhältnissen. Wir wollen eine demokratisch reformierte Hochschule ohne Studiengebühren und Zwangsexmatrikulationen. Wir fordern Räume und Freiräume für die Jugendlichen, zum Beispiel ganz konkret für jeweils 1000 Jugendliche einen Jugendclub, den sie selbst gestalten können. Vor allem aber: Junge Menschen sollen selbst Politik machen, ihre Sichtweisen einbringen, ihre Interessen wahrnehmen. Deswegen unterstützt die PDS Kinder- und Jugendparlamente mit realen Mitwirkungsrechten, Jugendinitiativen und alternative Jugendprojekte. Die PDS ist die einzige Partei, die konsequent und umfassend ostdeutsche Interessen und ostdeutsches Selbstbewußtsein vertritt. Wir jammern nicht, und wir fordern nicht, daß Ostdeutschland noch mehr Geld bekommen müßte. Wir fordern, daß die Ostdeutschen endlich mehr geben können: durch mehr Arbeitsmöglichkeiten, dadurch, daß der große Wert ihrer anderen Lebensläufe und anderen Erfahrungen für die ganze Republik genutzt wird, durch Gleichberechtigung und durch reale Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des Gemeinwesens. Wir wollen nicht, daß die neuen Bundesländer zur Peripherie Deutschlands werden, zu einer Art Süditalien, mit Massenarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit für Frauen und junge Leute, vermindertem Eigentumsschutz, diskriminierenden Rentenregelungen und Einstellungsbarrieren. Wir wollen, daß der Osten endlich als Chance begriffen wird. Dabei geht es uns nicht nur um die Region, sondern um dauerhaften Nutzen für das ganze Land. Denn wenn der Osten nicht auf eigene Füße kommt, wird der Westen schnell in Atemnot geraten. Es zeigt sich doch immer deutlicher: Die Schwierigkeiten des Ostens sind nur die zugespitzten Probleme des Westens. Bisher war der Osten das Experimentierfeld für Sozialabbau, Einschränkung demokratischer Rechte, Knebelung der kommunalen Selbstverwaltung. Wir sagen: Wenn schon Experimentierfeld, warum dann nicht für den Einstieg in eine neue, sozial gerechte und ökologisch verantwortliche Politik, ohne die es ohnehin für ganz Deutschland keine lebenswerte Perspektive gibt! Deshalb schlägt die PDS für die neuen Bundesländer mit dem „Rostocker Manifest" ein Pilotprojekt Ost „Gerechtigkeit und Entwicklung" vor. Es ist das einzige wirklich alternative, umfassende Programm, das von der Wirtschaft über die Eigentumsfragen bis zu modernen Demokratievorstellungen und zur Wissenschaft und Kultur den gesamten gesellschaftspolitischen Bereich erfaßt, dem Nutzen der ganzen Republik dient und die Chance bietet, die neuen Bundesländer zu einer europäischen Zukunftsregion zu entwickeln. All das hat nichts mit Ostalgie zu tun. Unser Verhältnis zur Vergangenheit, zur DDR ist klar: Wir werden nicht zulassen, daß die Leistungen der Menschen in der DDR gering geschätzt, ihre Biographien verachtet werden. Wir werden aber auch jeder Verklärung der DDR entgegentreten; denn schließlich ist sie wegen ihrer großen Defizite an Demokratie und Emanzipation gescheitert, und niemand will dorthin zurück. Die SED hat früher alles in der DDR hochgejubelt. Die Bundesregierung versucht heute, alles in den Dreck zu treten. Wir bleiben bei einer differenzierten Bewertung und werden uns weiter darum bemühen. Die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erwiesen sich als die konsequenteste Opposition der Regierung Kohl. Die konsequent kritische Haltung werden wir beibehalten. Egal, ob rotgrüne oder große Koalition, kritischer Druck von links ist auch im 14. Deutschen Bundestag bitter nötig. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen.
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    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Merkel - Sie haben als Abgeordnete gesprochen -, mir ist bei Ihrer Rede spontan ein alter DDR-Witz eingefallen: Wenn eine Regierung dem Ende entgegengeht, wenn sie sich noch einmal bemüht und auf dem Regierungsdampfer Volldampf gibt, dann gehen mindestens 60 Prozent zum Tuten und 40 Prozent zur Vernebelung drauf. Wenn Sie davon reden, daß in Mecklenburg-Vorpommern die Bundeswehr der größte Arbeitgeber ist, dann kann es mit dem wirtschaftlichen Aufbau in Ihrem Bundesland wohl nicht allzuweit her sein. Das würde mich eher sehr skeptisch stimmen. Es hätte uns auch früher nicht beglückt, wenn die NVA oder die Rote Armee dort der größte Arbeitgeber gewesen wäre.
    Wir haben heute lange genug über diesen Haushalt diskutiert. Ich will diese Diskussion nicht strapazieren. Der Bundesfinanzminister hat einen Wahlkampfhaushalt eingebracht, an den keiner in diesem Haus glaubt und der so ungewiß ist wie der Standort des lang verschollenen Bernsteinzimmers. Jedenfalls führen wir hier im Moment eher Wahlkampfauseinandersetzungen. Es ist natürlich kein Geheimnis, daß in Wahljahren die Erfolge der Bundesregierung immer groß sind, alles gut ist und alles glänzen muß.

    (Beifall des Abg. Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU])

    - Ich verstehe das, Herr Repnik. Es ist logisch, daß dann auch der Aufbau Ost glänzen muß. Wolfgang Schäuble sagt, das sei die größte Erfolgsgeschichte in diesem Jahrhundert. Nun sind wir in diesem Jahrhundert nicht gerade mit Erfolgen und mit ruhmreicher Geschichte verwöhnt worden. Ich will diese Erfolge überhaupt nicht bestreiten; es gibt sie ja.
    Bei der Lebensqualität und bei der Infrastruktur sind wir sehr gut vorangekommen, und zwar schneller als bei der Industrie, dem Gewerbe, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und beim Export; das müssen wir sagen. Der Aufschwung ist da. Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Aber - das ist die tragische Situation - der Osten kann nicht jeden gebrauchen. Das erfahren die Leute dort. Im Grunde genommen bietet sich eine Perspektive, die nicht für jeden Erfolgsmöglichkeiten bietet. Es ist ja nicht so, daß Ihnen jeder im Osten zujubelt und sagt, ich teile diese Ansicht, habe diese Aufbruchstimmung und diese positive Perspektive. Meiner Meinung nach könnten wir schon viel weiter sein.
    Ich habe heute Professor Biedenkopf wirklich aufmerksam zugehört. Er hat an vielen Stellen recht. Aber die Diskussion sollten wir dann wirklich ernsthaft und vom Ursprung her führen. Wieso haben wir die Diskussion über die große Steuerreform - Sie, Herr Repnik, sind ja einer der Protagonisten - erst 1996/97 ernsthaft geführt, warum denn nicht schon 1990, als absehbar war, daß wir dieses verkorkste Steuersystem nicht auf den Osten übertragen können?

    (Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)

    Das war schon in der Volkskammer Inhalt unserer ersten Reden. Sie, Frau Merkel, haben das als Pressesprecherin vielleicht mitverfolgt. Wir haben damals schon darüber geredet; da war schon klar, daß sich das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik in den 50er Jahren bei diesem Steuerrecht mit Sicherheit nicht ereignet hätte. Hätte es damals schon die jetzige Regelungsdichte gegeben, würden Sie heute noch darauf warten. Das war damals schon überfällig.
    Oder lassen Sie uns ehrlich über den Länderfinanzausgleich reden: Wir hätten ihn schon 1990 gebraucht. Warum sind wir denn ausgewichen und haben erst den Fonds Deutsche Einheit geschaffen? Alle alten Länder wären Geberländer geworden, egal - darüber brauchen wir gar nicht reden -, ob sie CDU- oder SPD-regiert waren. Dem sind wir ausgewichen. Statt dessen haben wir die Einheit auf Pump finanziert und einen Fonds Deutsche Einheit eingerichtet. Im Rahmen aufwendiger Solidarpaktverhandlungen haben wir 1994 den Länderfinanzausgleich - übrigens mit Billigung aller Länder - eingerichtet. Ich habe nichts gegen Wettbewerb zwischen

    Werner Schulz (Berlin)

    den Ländern; der ist gesund und muß sein. Dabei sollten wir uns vielleicht auch einmal überlegen, ob wir im Rahmen der europäischen Einigung nicht vergleichbare Regionen brauchen, die die gleiche Wirtschaftskraft usw. haben. Ich will jetzt nicht über Ländergebietsreformen reden, aber darüber hätte man durchaus sinnvoll debattieren können. Warum haben wir das nicht gleich gemacht? Wieso führen wir jetzt eine Verfassungsdiskussion über einen Gegenstand, auf den man sich 1994 einvernehmlich im Rahmen des Solidarpaktes geeinigt hat?
    1990 haben wir auch gewußt, daß die sozialen Sicherungssysteme nicht tragfähig sein werden, wenn soundso viel Millionen Rentner und Arbeitslose im Osten dazukommen. Damals wußten wir schon, daß die demographische Entwicklung einen Reformbedarf der sozialen Sicherungssysteme mit sich bringt. Hier ist doch enorm viel verschleppt worden. Die Gestaltungs- und Modernisierungschance ist überhaupt nicht genutzt worden.
    Ein weiteres Beispiel ist die Treuhand: Warum haben wir denn erst einmal eine ganze Volkswirtschaft komplett abgeräumt und deindustrialisiert? Jetzt werben wir händeringend um Neuansiedlungen. 1991 haben wir ein Gesetz zur Sanierung von bestimmten Industriebereichen mit Hilfe von staatlichen Anschubfinanzierungen und Subventionen eingebracht. Das ist hier regelmäßig abgelehnt worden. Es gibt nur ein einziges Beispiel in Ostdeutschland, wo das gelungen ist. Dort ist kein Stein auf dem anderen geblieben, man hat alles umgekrempelt. Man hat Gebäude abgerissen, Flächen saniert, obwohl kein marktfähiges Produkt und keine Servicelinien und dergleichen mehr da waren.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das klingt nach Jena!)

    - Richtig. Das Unternehmen heißt Jenoptik AG. - Den Mann, der das gemacht hat, hat sich Helmut Kohl jetzt als Berater geholt. Ich finde das ja gut, aber es ist - nomen est omen - etwas spät. Etwas spät greift er auf Leute zurück, die im Grunde genommen eine völlig andere Politik verfolgt haben, als sie diese Bundesregierung für richtig hielt.

    (Peter Dreßen [SPD]: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

    - Das kann in dem Falle sein. Helmut Kohl greift auch sehr spät auf die These von Heiner Geißler zurück und entsinnt sich, daß man eventuell noch einen Koalitionspartner mehr braucht als den, der da allmählich abnippelt, daß man eine Perspektive braucht. Es gibt auch späte Einsichten - das ist hochinteressant.
    Ich meine, wir haben in Ostdeutschland noch ein ganz anderes Problem, und das haben wir gemeinsam: Es ist das Bewußtsein für diese Demokratie, das nicht sonderlich ausgeprägt ist. Man hört und liest davon, daß nur 30 Prozent der Ostdeutschen überhaupt noch an die Demokratie und daran glauben, daß sie in der Lage ist, etwas zu ändern.
    Ich glaube, es kommt sehr darauf an, den politischen Wechsel, die politische Veränderung zu erleben und zu realisieren, daß der Umzug nach Berlin auch mit einem politischen Neuanfang verbunden ist. Sonst bekommen die Kräfte Zulauf, die momentan mit plumpen Parolen, mit sehr einfachen Faustformeln hantieren und im Grunde genommen auf die Politikverdrossenheit aufbauen, die sich in 16 Jahren Ara Kohl gesammelt hat, die sich als Reformstau in der Wirtschaft und überall in der Gesellschaft zeigt und die sich in einer gewissen Weise auch auf den Osten übertragen hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Adolf Roth, CDU/CSU.

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    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, nach einem langen, lebhaften Debattentag ist es nicht ganz unangebracht, in der Schlußphase dieser Haushaltsdebatte wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, nämlich auf die Vorlage des Bundeshaushalts für das Jahr 1999, die heute von Finanzminister Theo Waigel mit einer eindrucksvollen Rede eingebracht worden ist.
    Wenn Haushalt in Zahlen gegossene Politik ist, dann ist es der Koalition am heutigen Tag gelungen, diese Politik für Deutschland auch deutlich zu machen. Ihnen ist es nicht gelungen, den Bundesfinanzminister und die Bundesregierung so, wie Sie es sich vorgenommen hatten, politisch ins Wanken zu bringen. Sie haben keine vernünftige und glaubwürdige politische Alternative anzubieten. Das ist die erste Bilanz dieser Haushaltsdebatte.
    Der Bundesfinanzminister hat mit seiner Einbringungsrede auch deutlich gemacht, daß er - er ist ja der Finanzminister des deutschen Einigungsprozesses - nicht nur vor die größten Herausforderungen gestellt war, die je ein Bundesfinanzminister seit dem zweiten Weltkrieg zu bewältigen hatte, sondern daß er sie auch jeweils angepackt hat, daß er vor Schwierigkeiten und Rückschlägen nicht zurückgeschreckt ist und daß er mit seiner gestaltenden Politik die Dinge im Griff hat. Ich glaube, es ist die wichtigste Garantie für die Menschen in Deutschland für die nächsten Jahre, daß sie wissen: Diese Bundesregierung ist mit ihrer Reformpolitik auf dem richtigen Weg. Sie hat auch die richtige parlamentarische Unterstützung dabei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Rede des Finanzministers und dieses Zahlenwerk sind Ausdruck von Leistung und Kompetenz, aber auch Ausdruck einer beharrlichen Konsequenz in einer auf Wachstum und Stabilität ausgerichteten Finanz- und Haushaltspolitik. Das beginnt schon damit, daß diese Debatte heute stattfindet, daß der Bundeshaushalt vor der Bundestagswahl eingebracht worden ist - vollständig und bis ins letzte Detail durchbuchstabiert -, auch wenn der Wahltermin vor der Tür steht. Das haben wir 1994 in gleicher Weise gehandhabt. Dies stärkt uns nur in unserer Verpflichtung und in unserem

    Adolf Roth (Gießen)

    Auftrag, mit einer rechtzeitig vollständig vorgelegten Haushaltsvorlage den Menschen auch klar zu sagen, wo es nach der Wahl hingeht.
    Der Kanzlerkandidat der SPD regiert seit neun Jahren in Niedersachsen. Er hat es versäumt, in seinem Bundesland einen Haushaltsentwurf für 1999 vorzulegen, weil er es scheut, die Finanzlage seines Bundeslandes aufzudecken. Was hat denn der oberste Kassenstürzer in Deutschland zu verbergen, daß er seinen Bürgern in Niedersachsen die Offenlegung der Zahlen verweigert? Wenn ein Regierungschef, der neun Jahre Regierungsverantwortung als Ministerpräsident in einem Bundesland getragen hat, über die nationale Kassenlage nicht informiert ist und unentwegt nach einem Kassensturz und nach einer Überprüfung des Bundeshaushalts ruft, dann ist das ein politisches Armutszeugnis. Das ist die erste haushaltspolitische Niederlage dieses Kandidaten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Er müßte ja nur den Bundeshaushaltsplan lesen. Dieser ist acht Jahre nach der Vollendung der deutschen Einheit und ein Jahr vor dem Beginn der Europäischen Währungsunion ein in sich schlüssiges und umfassendes Zahlenwerk.
    Deutsche Währungsunion und Europäische Währungsunion sind zwei wichtige Stationen der Entwicklung in den letzten Jahren. Beide Ereignisse sind mit den Namen Helmut Kohl und Theo Waigel verbunden. Aber sie sind nicht mit den Namen Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder verbunden. Sie waren gegen den Einigungsvertrag und haben im Bundesrat gegen die Wirtschafts- und Währungsunion gestimmt. Sie haben den Aufbauprozeß mit Neinsagerei und mit Bremserei begleitet. Das ist die schlechteste Grundlage, um die Einigung in unserem Lande herbeizuführen.
    Ich muß einen Punkt mit aller Deutlichkeit ansprechen: Wenn Oskar Lafontaine jetzt unmittelbar vor dieser Haushaltsdebatte ein sogenanntes Grundlagenpapier des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden für eine wachstumsorientierte Finanzpolitik für den Zeitraum 1998 bis 2000, auf dünnen sieben Seiten zusammengefaßt, vorlegt, es aber darin nicht eine Erwähnung dessen und nicht eine Fußnote darüber gibt, daß die Vollendung der deutschen Einheit mit ihren Herausforderungen und Aufgaben in bezug auf den Aufbau, die Investitionen und die großen Transferleistungen die deutsche Finanzpolitik in den letzten Jahren am allermeisten geprägt und herausgefordert hat, dann ist dies ein Eingeständnis der Tatsache, daß man an dieser großen historischen Aufgabe keinen aktiven Anteil gehabt hat und daß man auch heute noch diesen Prozeß nur mit einer distanzierten und reservierten Haltung begleitet.
    In diesem Jahrzehnt zwischen der deutschen und der Europäischen Währungsunion hat die Finanzpolitik ihre größte Herausforderung erfolgreich gemeistert. Es ist der umfangreichste Umbau einer europäischen Volkswirtschaft geleistet worden. Wir haben diesen Prozeß aber ohne ökonomische Verwerfungen meistern können. Das Geld ist stabil wie nie zuvor. Wir haben die niedrigsten Zinsen, und wir haben den wirtschaftlichen Aufschwung. Vor allen Dingen aber hat nicht nur der Arbeitsmarkt neue Schubkraft bekommen, sondern auch das Netz der sozialen Sicherung in Deutschland hat in diesen Jahren absolut gehalten. Wo in der Welt war eine ähnlich erfolgreiche und positive Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu beobachten?

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nirgendwo!)

    Das ist die Leistung von Theo Waigel und Helmut Kohl.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Halleluja!)

    Wir können deshalb mit dieser haushaltspolitischen Bilanz getrost in die Wahlentscheidung am 27. September gehen. Wir haben nicht nur 600 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt in den Aufbau Ostdeutschlands investiert, und wir werden nicht nur im nächsten Jahr 95 Milliarden DM zusätzlich investieren, sondern wir haben dies auch geschafft, ohne daß ein Sozialabbau, wie es die Sozialdemokratie immer wieder behauptet, in diesem Lande stattgefunden hat. Diese Behauptung ist bösartig und demagogisch, denn im letzten Jahr hatten wir 1256 Milliarden DM im Sozialbudget. Das ist seit 1991 eine Steigerung von immerhin 42 Prozent, obwohl die gesamtwirtschaftliche Leistungssteigerung in diesen Jahren nur 28 Prozent betragen hat. Auch das ist ein Beweis dafür, daß wir die Menschen in dieser schwierigen Zeit der Umstellung und der eigenen Anstrengungen nicht hängenließen. Frau Ministerin Merkel hat den berechtigten Stolz der Menschen in Ostdeutschland eben sehr gut zum Ausdruck gebracht.
    In den zurückliegenden Jahren haben wir die Arbeitsmarktausgaben im Bundeshaushalt auf weit über 40 Milliarden DM verfünffacht. Wir haben die Rentenzuschüsse im Bundeshaushalt in sieben Jahren auf jetzt 110 Milliarden DM erhöht und damit mehr als verdoppelt. Wir haben damit auf die veränderte demographische Struktur in unserer Bevölkerung auf die höhere Lebenserwartung der Menschen reagiert. Wir haben damit einen Beitrag zur langfristigen Sicherung unseres Rentensystems geleistet. Die Menschen in Deutschland haben längst begriffen, daß wir uns anstrengen müssen und daß wir Reformbereitschaft zeigen müssen, wenn wir das Erreichte und das gemeinsam Aufgebaute auch in den nächsten Jahren verteidigen wollen.
    Was wir mit den Reformschritten der letzten Jahre ebenfalls erreicht haben, ist, daß wir die Leistungsträger in unserem Land, also die arbeitenden Menschen, die Steuer- und Beitragszahler, um 100 Milliarden DM entlastet haben. Wir haben sie entlastet, ohne daß dadurch die soziale Treffsicherheit für die wirklich Schutzbedürftigen in Deutschland verlorengegangen ist. Das ist die wesentliche Leistung in unserer sozialpolitischen Bilanz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn jetzt die SPD Rücknahme der Reformen, gesetzliche Zwangsregelungen, mehr Dezentralisie-

    Adolf Roth (Gießen)

    rung, mehr Staat, weniger Flexibilisierung propagiert, wenn der Rückwärtsgang in der Entwicklung als Startprogramm verkauft wird, dann kann ich nur sagen: Auf diese Art politischer Geschwindigkeitsbegrenzung können die Menschen in Deutschland mit gutem Recht verzichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei Ihrer Kritik an der Haushaltspolitik sind am heutigen Tag auch immer wieder die Verschuldung und die hohe Zinslast angesprochen worden. Natürlich ist es wahr, daß in den letzten Jahren der Aufwand für diese großen Reformen und Veränderungsprozesse gestiegen ist. Aber warum verschweigt die SPD bei ihrer anklagenden Kritik, daß zwei Drittel des Zinsanstiegs in diesem Jahrzehnt unmittelbare Folge der Übernahme kommunistischer Erblasten nach dem Zusammenbruch der DDR gewesen sind? Zwei Drittel der Zinsanstiege haben darin ihre Ursache.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Es ist nicht Theo Waigel, der diese Schulden gemacht hat,

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die PDS!)

    sondern es ist die Bundesregierung, es ist der Bund, der die Lasten des zusammengebrochenen Kommunismus tragen und finanzieren muß. Das ist die große Leistung, die hinter allem steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ihre Antwort darauf waren Gesetzgebungsblokkade und eine rücksichtslose Verhinderungspolitik. Das ist unsoziale Politik, weil sie sich gegen die Politik der wirtschaftlichen Dynamik und damit gegen neue Arbeitsplätze richtet.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Große Sprüche!)

    Herr Lafontaine hat auch heute wieder sein besonderes Programm zur Stärkung der Massenkaufkraft und zur Stärkung der Binnennachfrage vorgestellt. Diese Politik der Lohn- und Kosteninflation hat uns schon in den 70er Jahren ins Abseits gebracht. Sie haben aus den Fehlern der damaligen Zeit überhaupt nichts gelernt. Wir brauchen keine Lohn- und Kosteninflation. Wir brauchen keine laxe Geldpolitik. Wir brauchen eine Politik stabiler Rahmenbedingungen, und wir brauchen eine Politik, in der die wirtschaftliche Dynamik, die Angebotskräfte gestärkt werden.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Eine dynamische Regierung!)

    Sie haben damals in elf Jahren die Staatsquote von 39 auf 51 Prozent erhöht. Sie haben damals den Staatsapparat aufgebläht. Sie haben die Stellenzahl im öffentlichen Dienst explosionsartig erhöht.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So viele Staatssekretäre hatten wir nie!)

    Sie haben im Rücktrittsjahr von Willy Brandt Einkommenssteigerungen von sensationellen 14 Prozent gehabt.
    All dies war eine Politik, die angeblich für die Menschen organisiert war und die Massenkaufkraft steigern sollte. In Wahrheit aber hat sie zu Inflation und Arbeitslosigkeit geführt. Ich glaube, daß die Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung, die Politik der Stabilität auch in der Zukunft für uns Maßstab und Inhalt bleiben muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Schröder hat unsere Politik der Reduzierung der Staatsquote disqualifiziert. Er hat gesagt, es sei nicht möglich, die Verschuldung, die Staatsquote, abzubauen und gleichzeitig 150 Milliarden DM Transferleistungen nach Ostdeutschland zu finanzieren. Das übersteige die Kräfte. Wer dies verkünde, irre sich. Meine Damen und Herren, wir haben beides geleistet. Wir haben die Staatsquote gesenkt und die Transferleistungen finanziert. Geirrt hat sich Herr Schröder. Aber er hat sich nicht nur geirrt, sondern er vertritt gemeinsam mit Oskar Lafontaine eine Politik, die das gar nicht ändern soll, weil nämlich im Endergebnis diese Politik nicht zu einer wirklichen Reduzierung der Staatsaktivitäten führen soll, sondern, wie er in seinem Grundlagenpapier schwammig ausgedrückt hat, nur eine „tendenzielle Rückführung" in den nächsten Jahren ermöglichen soll.
    Wir bleiben bei unserem politischen Kurs. Wir werden nach der Bundestagswahl unsere Politik der Reformen fortsetzen. Wir werden auch dafür sorgen, daß wir mit der Steuerreformpolitik die Weichen richtig stellen, und zwar so, wie es die Reformkommission Soziale Marktwirtschaft der Bertelsmann-, der Nixdorf- und der Ludwig-Erhard-Stiftung formuliert hat, in der auch namhafte Sozialdemokraten wie Herr Mosdorf, Hermann Rappe und auch der „parteilose Sozialdemokrat" Jost Stollmann mitarbeiten. In diesen Empfehlungen heißt es:
    Nur ein großer Schritt mit kräftiger Senkung der Steuersätze schafft neue Wachstums- und Beschäftigungsdynamik. Politische Widerstände gegen eine deutliche Senkung der Spitzensteuersätze für nichtgewerbliche Einkünfte beruhen auf kurzsichtigem, nicht vertretbarem Sozialneid.
    Wenn man sich dies, von namhaften Sozialdemokraten unterstützt, vor Augen führt, dann frage ich die Sprecher der SPD: Wo sind die Konsequenzen aus dieser Politik in Ihrem Startprogramm für die nächsten Jahre? Ich sage: Wir werden die Politik der Blockaden überwinden und damit der reaktionären Absicht der SPD, den Reformprozeß in Deutschland wieder zurückzuführen, entgegentreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In diesem Sinne ist unser Wahlversprechen die Stabilität. Wir wollen die Kreditaufnahme des Staates zurückführen. Wir wollen die Staatsquote weiter zurückführen. Wir glauben, daß unsere Politik in der Konsequenz auch für Deutschland in einigen Jahren eine Politik des Haushaltsausgleichs ohne Neuver-

    Adolf Roth (Gießen)

    schuldungen möglich machen wird. Das ist Inhalt des Konzepts „Finanzpolitik 2010" von Theo Waigel. Dieses Konzept trägt nicht nur zur Reform der Finanzverfassung bei, sondern auch zu einer Änderung unserer politischen Entwicklung in Deutschland, hin zu einer Reduzierung der Staatsaufgaben auf ihren wirklichen Kernbereich, zur Verschlankung, zur Modernisierung. Es leistet somit einen Beitrag zum Fortschritt.
    Mit dieser Politik sind wir Partner unserer Bürger. Wir werben um das Vertrauen dieser Bürger bei der Wahl am 27. September. Ich bin sicher, dieses Konzept wird bei dieser für Deutschland wichtigen Richtungs- und Entscheidungswahl Erfolg haben.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)