Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dreßler hat vom Einnahmeproblem der Rentenversicherung gesprochen. Wissen Sie, was das größte Einnahmeproblem ist?
Die SPD!
Ich will das erklären. Sie wollen die Reformen zurücknehmen und die Beiträge senken. Das ist das größte Einnahmeproblem, das ich überhaupt kenne.
Sie wollen die Reformen zurücknehmen - das bedeutet eine Mehrbelastung bis 2030 von 500 Milliarden DM, dynamisiert 1 Billion DM. Gleichzeitig wollen Sie die Beiträge senken. Wissen Sie, was das ist?
Das ist Wählerverdummung. Das ist Wählertäuschung. Das ist eine Beleidigung der Wähler, weil Sie sie für so dumm halten, Ihnen zu glauben, man könne mehr Ausgaben mit weniger Einnahmen bezahlen. Das ist nun wirklich der Höhepunkt.
Nummer zwei. Ich halte fest: Die Nullrunde bei der Rente im nächsten Jahr ist eine Ente, gefüllt mit SPD-Wahlkampfmüll. In Übereinstimmung mit den Rentenversicherungsträgern gehen wir von einer positiven Rentenanpassung im nächsten Jahr aus. Die genaue Zahl wird wie immer im März nach der Lohnentwicklung dieses Jahres festgelegt.
Weiter zur Rentenpolitik: Herr Kollege Dreßler, können Sie mir einmal erklären, welches SPD-Rentenmodell - ich kenne nämlich mindestens fünf, wie in einem Versandhaus: für jeden Kunden etwas - nun gilt?
Herr Schröder sagt: Bei den Rentnern verändern wir gar nichts, und die Beiträge senken wir. Bei den Rentnern verändern wir gar nichts, aber dafür werden die heute aus der Schule Entlassenen in 40 Jahren eine Basissicherung bekommen. Das ist aus meiner Sicht, um es kurz zu machen, Betrug an den Jungen. Dies hieße ja, daß sie zunächst einmal die Beiträge für die Rentner unverändert weiterbezahlen
- Rentensteigerung -, und dafür bekommen sie, wenn sie selber in Rente gehen, nur eine Basissicherung.
Aber es wird noch schöner. Herr Lafontaine spricht von einer demographischen Formel, die Sie, Herr Dreßler, abgelehnt haben.
- Das war aber streng vertraulich. Ich habe das nicht gehört. Sie haben doch in Ihrer eigenen Vorlage gesagt - habe ich das richtig in Erinnerung? -, daß auf die Demographie erst nach 2015 geantwortet werden müßte.
- Soll ich die Papiere holen? Hat jemand die Papiere da? Dann lese ich die Dreßler-Papiere vor. 2015 - so als würde sich die Lebenserwartungsverlängerung nach den Beschlüssen der SPD richten. Bleiben wir erst einmal dabei: Lafontaine sagt, eine Demographieformel muß eingebaut werden, aber ohne Folgen für das Niveau. Das ist wieder so ein Kunststück: Demographieformel ohne Folgen.
Dann kommt Herr Kollege Dreßler: Es soll ein Vorsorgefonds gebildet werden,
mit 1 Prozent Beitrag der Rentner. Ist das eine Minderung der Rente, oder ist das nicht eine Minderung der Rente? Die jährliche Anpassung nach der Demographieformel beträgt übrigens 0,4 bis 0,5 Prozent.
Wir sind aber noch gar nicht fertig. Dann kommt Herr Riester. Er kann soviel reden, wie er will. Er hat Sympathie für das dänische Modell gezeigt, und das dänische Modell ist relativ eindeutig definiert: 1000 DM, steuerfinanziert, für alle, ob Millionär oder nicht Millionär - das Geld wird aus dem Fenster geworfen -, dann noch 500 DM bedürfnisabhängig.
Halten wir also fest: Dreßler gegen Demographie, Lafontaine für Demographie, Schröder: Bei den Alten passiert nichts, bei den Jungen Basissicherung, und Riester für das dänische Modell.
Jetzt komme ich zum fünften Modell. Das steht im Wahlprogramm der SPD. Kleine Renten werden bedürfnisabhängig aufgestockt. Gut. Da ja nicht alle kleinen Renten Renten von armen Leuten sind, sondern in vielen Fällen ein zweites oder sogar ein drittes Alterseinkommen vorhanden ist - die Zahlen ken-
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
nen Sie -, müssen Sie also 10 Millionen Rentner einer Bedürfnisprüfung unterziehen. 10 Millionen! Die Rentenversicherung hat übrigens dafür überhaupt keine Unterlagen. Sie müßte ein richtiges Bedürfnisprüfungsinstitut einrichten. Gut, das kann sie ja machen.
Jetzt wird es aber noch spannender. Das Ganze soll aufgestockt werden auf eine Mindestrente, die, wie auch Riester sagt, etwas über der Sozialhilfe liegen soll. Jetzt wird es konfus. Das heißt, eine alleinstehende Mutter mit einem Kind bekommt möglicherweise ihr ganzes Leben lang Sozialhilfe. In dem Moment, wo sie 65 Jahre wird, bekommt sie eine Mindestrente oberhalb der Sozialhilfe. Ein Behinderter, der nie Beiträge zahlen kann, bleibt auf Sozialhilfe pur, einer, der ein paar Jahre Beitrag gezahlt hat und - aus welchen Gründen auch immer - dann nicht mehr weiterzahlt, wird möglicherweise auf „Sozialhilfe plus" aufgestockt.
Wir können die Konfusion noch weitertreiben. Anschließend muß sich ja der beitragsbezogene Anteil der Rente durch Anpassung jährlich so entwickeln wie die Löhne. Wie denn sonst; der Beitrag ist doch vom Lohn bezahlt. Der bedürfnisabhängige Teil kann aber nicht an die Lohnentwicklung gekoppelt werden; denn die Lohnentwicklung sagt ja nichts über die Bedürfnisse. Er müßte dann preisabhängig sein. Ich sage Ihnen voraus: Zehn Jahre danach ist das Rentenchaos eingetreten.
Deshalb: Wir bleiben bei der beitragsbezogenen Rente, und zwar aus Gründen der Generationengerechtigkeit. Selbst wenn die Kasse prall gefüllt wäre, wäre es ein Gebot der Gerechtigkeit. Wenn die Renten länger bezogen werden, als es früher der Fall war, dann müssen sich an der Finanzierung der längeren Rentenlaufzeit auch diejenigen beteiligen, die die Leistungen Gott sei Dank in Anspruch nehmen können - also auch die Älteren, nicht nur die Jüngeren.
Für uns besteht Rentenversicherung aus der Generationensolidarität von Jung und Alt. Die Alten haben nach einem erfüllten Arbeitsleben einen Anspruch auf eine anständige Rente und auf keine Bedürfnisprüfung.
Wenn einer ein Leben lang gearbeitet und Beitrag gezahlt hat, kriegt er eine anständige Rente. Wenn ich eine Feuerversicherung abschließe und das Haus brennt ab, fragt mich auch niemand: Hast du noch ein zweites Haus? Da wird gefragt: Hast du bezahlt? Ich möchte keinen Staat, der ständig Bedürfnisprüfungen durchführt.
Die Rentenversicherung hat etwas mit einem Leistungsanspruch zu tun.
Freilich, Existenz muß gesichert werden. Das ist ein anderes Instrument. Man kann Sozialhilfe und Rentenversicherung besser miteinander verzahnen. Man muß die Leute nicht von Schalter zu Schalter schicken, aber es sind zwei unterschiedliche Finanzierungssysteme. An dem Kampf gegen die Armut müssen sich nicht nur die Beitragszahler beteiligen, sondern alle Steuerzahler. Rente hat nach meinem Verständnis nichts mit Existenzsicherung zu tun, sondern mit der Leistungsgerechtigkeit derjenigen, die gearbeitet und Beitrag gezahlt haben.
Ich komme noch einmal zu Ihrem Rentenkürzungsbeispiel. Es wird ja ständig wiederholt. Ich gestehe mit Schrecken, es hat sogar Wirkung. Nur entspricht es nicht den Tatsachen.
- Das wollen Sie auch so. Unter Kürzung verstehen die Rentner, ihre Rente wird reduziert.
Richtig ist, daß der Anstieg sachter verläuft.
- Hören Sie doch zu! Wenn ich aufklären will, brauchen Sie mir doch bei dieser Aufklärung nicht ins Wort zu fallen.
Aus 1500 DM Rente wird nach 30 Jahren ohne Reform eine von 3431 DM, mit Reform eine von 3 242 DM.
Wenn Sie mich fragen: Der größte Gewinn für die Rentner in dieser Zeit ist Stabilität: keine Preissteigerung.
Was hatte ein Rentner von 7 Prozent Preissteigerung zu Schmidts Glanzzeiten? Was hatten die Menschen davon? Der Wert ihrer Kaufkraft ist gemindert worden.
Meine Damen und Herren, beim Rentenniveau können Sie mit brutto und netto noch soviel mit Nebelkerzen werfen. Machen Sie nicht soviel Watte darum herum. Unter Brandt, den ich gegen Ihre Vorwürfe in Schutz nehme - eine andere Politik wäre Rentnerverelendung gewesen -, lag das Rentenniveau unter 64 Prozent. Das werden wir erst im Jahre 2030 erreichen. Machen Sie nicht so viele Worte mit „brutto" und „netto"! Das verwirrt. Es bleibt dabei: Damals war das Rentenniveau unter dem für 2030 angesteuerten.
- Sie haben gar nichts erhöht.
- Wie auch immer. Es bleibt dabei: Generationensolidarität bedeutet, die Lasten gerecht auf Jung und Alt zu verteilen.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Morgen werden wir wieder etwas von Herrn Schröder hören. Ich sage es Ihnen voraus, was er sagen wird: Er sagt den Alten, was sie hören wollen, den Jungen, was sie hören wollen, den Gewerkschaftern, was sie hören wollen, und den Arbeitgebern, was sie hören wollen. Aber ich kann ihn nicht mehr hören, weil er jedem nach dem Munde redet. Durch diese Art von Rentenpolitik werden die Leute auf den Arm genommen, und dagegen habe ich etwas.
Von mir aus können Sie das überall so machen, aber in der Rentenpolitik bleiben wir in der Spur. Da werden Sie diesen Zickzackkurs nicht fahren. Schröder fährt doch Slalom und stößt nur deshalb nicht an, weil er sich die Fähnchen auf den Buckel gebunden hat. Diese Art von Politik lassen wir in der Rentenpolitik nicht durchgehen.
In der Debatte über die Rentenpolitik wurde eines fast völlig vergessen, und dazu will ich etwas sagen: Trotz harter Sparnotwendigkeiten haben wir die Kindererziehungszeiten in diesem Jahr erhöht und werden sie in drei Schritten auf 100 Prozent erhöhen.
- Frau Mascher, damit wir auch das mit Zahlen belegen können: Für eine Mutter, deren drei Kinder nach 1992 geboren wurden, bedeutet die jetzt beschlossene Verbesserung eine jährliche Rentenerhöhung
- schreien Sie nicht dazwischen; das soll jeder hören!
- von 1296 DM. Das übertrifft alle Niveauabsenkungen. Das ist unsere Politik. Die heutige Rentenversicherung muß berücksichtigen, daß Kindererziehung auch eine Leistung für die Rentenversicherung ist. Denn ohne Kinder gibt es morgen keine Beitragszahler.
Darüber haben Sie ja 13 Jahre lang geredet.
Lassen Sie uns ein Thema endgültig erledigen, über das Sie immer viel reden: die sogenannten Fremdleistungen. Im nächsten Jahr gibt es einen Bundeszuschuß von 104 Milliarden DM; dazu kommen 13 Milliarden DM an Erstattung. Ich hoffe, das Thema ist jetzt endgültig vom Tisch, zumal ich den Begriff Fremdleistung gar nicht schätze. Was ist denn Fremdleistung? Das ist doch eine Definitionsfrage. Eine Sozialversicherung hat immer einen Solidarausgleich. Wenn Sie alles, was beitragsfrei ist, zu Fremdleistungen erklären, dann können Sie das Geschäft auch gleich von der Allianz machen lassen. Es gibt in der Rentenversicherung einen regionalen Solidarausgleich - nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd -, und es gibt den Ausgleich zwischen Arbeitern und Angestellten. Das ist Gott sei Dank das Wesen einer Solidarversicherung.
Sicherlich ist die ergänzende Funktion der privaten Vorsorge wichtig; sie wird in Zukunft noch wichtiger. Deswegen haben wir noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz eingebracht und verabschiedet, das die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand regelt. Denn wenn es das Programm „Ergänzung durch private Vorsorge" gibt, dann muß jeder - auch diejenigen mit geringerem Einkommen - daran teilnehmen können. Deshalb führen diese 20 Prozent, mit denen wir die Vermögensbildung durch staatliche Zulage unterstützen, dazu, daß die Rente, wenn fünf Verträge nacheinander abgeschlossen worden sind, zusätzlich um 400 DM - oder in einer Variante für zwölf Jahre um 800 DM - erhöht wird. Wir reden nicht nur darüber, wir machen es auch.
Heute wurde viel über Arbeitnehmerrechte gesprochen. Aus gegebenem Anlaß: Heute habe ich über den Ticker erfahren, daß der DGB die Verletzung von Arbeitnehmerrechten beklagt. Es gibt ein Schwarzbuch „Faire Arbeitsbedingungen - fairer Wettbewerb". Darin sind 48 Beispiele genannt, aber das 49. wurde vergessen. Das ist das Beispiel Stollmann. Wenn der DGB schon die Verletzung von Arbeitnehmerrechten und die Tatsache beklagt, daß keine Betriebsräte gebildet werden, warum wird dann nicht der Betrieb des Schattenwirtschaftsministers von Herrn Schröder genannt? Warum schweigt der DGB dazu?
- Doch, das kann ich Ihnen sagen. Frau Engelen-Kefer hat gesagt, Herr Stollmann habe dem DGB schriftlich ein Gespräch zugesagt. Das stelle man sich einmal vor! Man stelle sich vor, ein Rexrodt oder Blüm hätte gesagt, Betriebsräte seien nicht nötig, und dann hätte Frau Engelen-Kefer gesagt: Nicht auf Blüm schimpfen, er hat uns schriftlich ein Gespräch zugesagt. Können Sie sich vorstellen, was da los wäre?
Ich entnehme einer kleinen Notiz in der Zeitung „IG-Metall", daß bei Stollmann - das ist doch euer „Spitzenschattenmann" für die Wirtschaft in diesem Musterbetrieb - die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu 40 Prozent durch eine Beteiligung am Betrieb in Form von Darlehen erfolgen soll. Wenn man den Betrieb wechselt, kann man das Darlehen nicht mitnehmen. Damit hat er vor mehreren Arbeitsgerichten verloren - zu Recht!
Deshalb meine Frage: Wo seid ihr Gewerkschafter in der SPD? Ein Mann wie Stollmann hat sich damit gebrüstet - nicht entschuldigt, sondern gebrüstet -, keinen Betriebsrat zu haben, weil, wie er gesagt hat, ein moderner Unternehmer weiß, was seine Arbeitnehmer wollen - und wo ist die SPD? Das ist so ähnlich wie bei Kaiser Wilhelm, der gesagt hat: Ich brauche keine Parteien, ich weiß, was das Volk will.
Ich habe ja schon viel erlebt - auch in Wahlkämpfen. Aber ich habe noch nicht erlebt, daß meine Gewerkschaft, die IG Metall, daß Klaus Zwickel, der
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
größte Rambo für alle Proteste und Demonstrationen, ein kraftvoller Redner, jetzt noch Schmiere steht, wenn die SPD einen Mann herausstellt, der Betriebsräte lächerlich macht. Nein, da stelle ich mich mit allen, die es mit der sozialen Partnerschaft gut meinen, vor 220 000 Betriebsräte, die von Schröders Wirtschaftsmann lächerlich gemacht werden. Wenn der DGB seine 8 Millionen DM sinnvoll ausgeben will, soll er Unterschriften gegen Stollmann sammeln, damit endlich Arbeitnehmerinteressen im DGB gewahrt werden.
- Da gibt es überhaupt nichts zu lachen. Klaus Zwikkel muß eine Suchmeldung aufgeben: Mann ohne Gesicht wird gesucht. Er hat sein Gesicht und seine Glaubwürdigkeit verloren, und das bedauere ich auch als Gewerkschafter, nicht nur als Arbeitsminister.
Aber das wichtigste Thema ist der Arbeitsmarkt. Der Aufschwung hat den Arbeitsmarkt erreicht.
- Der Aufschwung hat den Arbeitsmarkt erreicht. Warum lachen Sie darüber? Da muß ich den Schröder in Schutz nehmen, hat er doch gesagt: Der Aufschwung, den wir jetzt haben, ist mein Aufschwung.
Sie sagen, es gibt den Aufschwung gar nicht, von dem er sagt, es sei sein Aufschwung. Das ist ein Stück Überheblichkeit!
Wir haben im Westen im siebten Monat bessere Arbeitslosenzahlen als im Vorjahr, in den neuen Bundesländern im zweiten Monat, und ich sage Ihnen: Der August wird der dritte Monat sein. Suchen Sie nicht nach weiteren Ablenkungsmanövern. Fest steht: Das ist ein Erfolg, und darüber sollten wir uns freuen. Das hat auch nichts mit dem zweiten Arbeitsmarkt zu tun. Sie versuchen immer, Erfolge herunterzureden. Immerhin haben wir bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Fortbildung und Umschulung 32 000 Teilnehmer weniger als im letzten Jahr. Zugenommen haben die Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen. Dies sind zum größten Teil Lohnkostenzuschüsse, und die führen in den ersten Arbeitsmarkt, in den Betrieb und haben mit dem zweiten Arbeitsmarkt gar nichts zu tun.
Nun gehöre ich nicht zu denen, die sagen, der Staat - schon gar nicht eine einzelne Person - könne sich dieses Verdienst alleine zuschreiben. Der Staat hat an diesem Aufschwung mitgewirkt, aber auch viele Handwerker, Unternehmer und Arbeitnehmer. Allerdings gilt auch: Der Staat hat Mithaftung.
Und nun lese ich von Wolfgang Clement: Wir, die Länder, haben heute mehr Einfluß auf den Standort vor Ort als der Bund. - Wo er recht hat, hat er recht. Dann wollen wir uns doch mal die Länder ansehen.
Bayern 6,4 Prozent Arbeitslose, Baden-Württemberg 6,8 Prozent, Nordrhein-Westfalen 10,5 Prozent, Niedersachsen 10,8 Prozent, Saarland 11,3 Prozent.
- Gut, dann wollen wir uns einmal die letzten Monate ansehen, wie bei unterschiedlichen Ausgangspositionen und unterschiedlichen Niveaus, also bei Akzeptanz der unterschiedlichen Startpositionen, der Abbau der Arbeitslosigkeit aussah.
In Westdeutschland insgesamt ist die Arbeitslosigkeit von Juli 1997 bis Juli 1998 um 5,7 Prozent zurückgegangen, aufgeschlüsselt auf einzelne Länder: in Nordrhein-Westfalen nur um 4,8 Prozent, in Niedersachsen um 5,2 Prozent, in Baden-Württemberg um 10,8 Prozent und in Bayern um 8,4 Prozent. Wenn Westdeutschland die Arbeitslosenquote von Bayern hätte, dann hätten wir 829 000 - fast 1 Million - weniger Arbeitslose. Wenn Westdeutschland soviel Arbeitslose wie Niedersachsen hätte, dann hätten wir 538 000 Arbeitslose mehr. Deshalb: Wo Clement recht hat, hat er recht. Für Standortbedingungen sind auch die Länder zuständig. Er hat sogar „mehr zuständig" gesagt. Ich stelle einen eklatanten Unterschied zwischen unionsgeführten Ländern und denjenigen, die unter rotgrüner Führung stehen, fest.
Auch ich glaube, das eigentlich große, spannende Thema der Zukunft - Herr Biedenkopf hat es heute morgen schon angesprochen - ist, daß der Aufschwung am Arbeitsmarkt nicht alle erreicht. Er erreicht zwar die Jungen, die Ausgebildeten, die „global players". Aber was machen wir mit den ungelernten und mit den älteren Arbeitnehmern, die bei aller Mobilität, die ich schätze, aussortiert werden? Das ist die eigentlich spannende Herausforderung. Eine Antwort darauf heißt: neue Beschäftigungsfelder. Nicht alle Ungelernten werden lernen, einen Computer zu bedienen. Ich denke an neue Beschäftigungsfelder auch bei den einfachen Dienstleistungen: Menschen zu bedienen und auch mit einem höheren Stellenwert auszustatten.
Nur, freilich befinden wir uns hier in einer Zwickmühle. Viele dieser Arbeitsplätze sind mit so geringen Löhnen verbunden, daß man mit ihnen eine Familie nicht ernähren kann. Andererseits kann man die Löhne nicht beliebig in die Höhe schrauben, weil Arbeitsplätze sonst gar nicht erst entstehen. Das ist die Zwickmühle. Ist nicht gerade deshalb ein Kombilohn sinnvoll? Wenn wir ihn nicht organisieren, dann schafft das Leben seinen eigenen Kombilohn, der aus Arbeitslosengeld und ein bißchen zusätzlichem Schwarzgeld besteht. Auch das ist ein Kombilohn, aber nicht derjenige, den wir meinen.
Auch die SPD muß sich darüber klarwerden, was sie eigentlich will. Herr Mosdorf hat gesagt: ja, Herr
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Riester hat gesagt: nein, und Herr Schröder hat gesagt, wir müßten das Problem angehen. Das ist so, als wenn man am Hauptbahnhof nach dem Weg gefragt wird und sagt: Weiß ich auch nicht, aber Hauptsache, wir haben mal drüber gesprochen. Das ist typisch für den Kanzlerkandidaten der SPD.
Ich finde, daß wir mutig neue Wege gehen und auch nie begangene Wege ausprobieren müssen. Eine Gesellschaft, die nur für einen Teil der Menschen einen Aufschwung schafft und die anderen mit Unterstützung abfindet, ist nicht unsere Gesellschaft. Wir wollen auch keine Gesellschaft, die die älteren Arbeitnehmer immer früher in den Ruhestand schickt - nicht nur der Rente wegen, sondern geradezu auch aus kulturellen Gründen. Das verträgt keine Gesellschaft: höhere Lebenserwartung und früheren Ruhestand. Nein, ich denke an eine Gesellschaft, die die Alten beteiligt und die Bildung nicht nur auf das erste Drittel des Lebens reduziert.
Sie sehen: Es gibt noch viele Gründe, warum diese Regierung weiter im Amt bleiben sollte.
Ich danke Ihnen.