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    Plenarprotokoll 13/246 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Doris Odenthal, Siegfried Hornung, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Manfred Opel, Ernst Kastning, Richard Schuhmann (Delitzsch) und Volkmar Schultz (Köln) 22897 A Erweiterung der Tagesordnung 22897 B Zur Geschäftsordnung Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22897 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 22898 C Achim Großmann SPD 22899 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 22900B Klaus-Jürgen Warnick PDS 22901 A Begrüßung der Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Frau Dr. von Wedel . . 22991 D Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 13/11100) 22902 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1998 bis 2002 (Drucksache 13/11101) 22902 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1995 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1995) - - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1996 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1996) - - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1997 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1995 und 1996) (Drucksachen 13/5141, 13/7352, 13/8550, 13/10904) 22902 C d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland - Zehnter Kinder- und Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 13/11368) 22902 D Jürgen Koppeln F.D.P. (zur GO) . . . 22902 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 22903 B Karl Diller SPD 22907 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 22912 D Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . 22916C, 22926 D Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 22921 A Siegmar Mosdorf SPD . . . . 22926B, 22927 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 22927 C Rolf Schwanitz SPD 22929B, 23002 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22929 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 22933 A Dr. Christa Luft PDS 22937 C, 22945 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 22940B, 22947 A Hans Georg Wagner SPD 22945 D Helmut Rauber CDU/CSU 22946 C Karl Diller SPD 22947 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 22949 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 22951 C Ernst Schwanhold SPD 22952 C Dr. Barbara Höll PDS 22953 C Paul K. Friedhoff F.D.P 22955 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 22957 B Rudolf Dreßler SPD 22959 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 22963 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22967 B Dr. Gisela Babel F.D.P 22969 D Petra Bläss PDS 22971 C Ottmar Schreiner SPD 22973 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 22976 B, 22979 C Ottmar Schreiner SPD 22973 B Dr. Edith Niehuis SPD 22977 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 22981 D Dr. Christine Bergmann, Senatorin (Berlin) 22982 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 22984 A Dr. Barbara Höll PDS 22980 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22986 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 22987 D Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 22988 D Edelgard Bulmahn SPD 22992 A Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . 22996 C Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 22997 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23000 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 23001 A Anke Fuchs (Köln) SPD 23001 C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 23004 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 23007 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23009 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 23010 C Dr. Wolfgang Weng (Gerligen) F.D.P. . 23013 A Vizepräsidentin Michaela Geiger . . . 22967 A Tagesordnungspunkt 2: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auf Staatsangehörige von Drittländern (Drucksachen 13/9819 Nr. 2.29, 13/10598) . . 23015 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Aktionsplan zur Förderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Drucksachen 13/9668 Nr. 2.44, 13/10599) . . . 23015 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Tilo Braune, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Forschung 1996 (Drucksachen 13/4554, 13/7128, 13/ 9744, 13/9746, 13/11096) 23015 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Rixe, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Jugend braucht Zukunft - Ausbildungsoffensive jetzt verwirklichen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1998 (Drucksachen 13/10665, 13/10651, 13/ 11097) 23015D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD Sicherung der Arbeitsplätze bei der Hoechst Marion Roussel Deutschland GmbH (Drucksachen 13/10028, 13/ 11110) 23016B f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg), Marion Caspers-Merk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Klimaschutz durch Minderung von Stand-by-Verlusten bei Elektrogeräten (Drucksachen 13/9254, 13/11121) . . 23016 B g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr - zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm (Drucksachen 13/6346, 13/7498, 13/ 11140) 23016 C h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor Verkehrslärm an Straßen und Schienen (Drucksachen 13/6958, 13/8925) . 23017 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Iwersen, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vorlage eines Vierten Berichtes über Schäden an Gebäuden (Drucksachen 13/10449, 13/11145) 23017 A j) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union (Drucksachen 13/ 10588 Nr. 2.21, 13/11160) 23017 B k) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 375 zu Petitionen (Drucksache 13/11193 [neu]) . . . . 23017 C 1) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 377 zu Petitionen (Gesetzliche Nichtigkeitserklärung aller NS-Unrechtsgesetze und -urteile) (Drucksache 13/11195) 23017 C m) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 381 zu Petitionen (Überführung der Ansprüche der Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Reichsbahn in die gesetzliche Rentenversicherung) (Drucksache 13/11330) . 23017 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Drucksachen 13/11118, 13/ 11381) 23018A Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Bürgerkrieg und humanitäre Situation im Süd-Sudan (Drucksache 13/11387) 23018 B Tagesordnungspunkt 3: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 1998 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 29 - Bundesanstalt Technisches Hilfswerk - Titel 532 03 - Hilfsmaßnahmen außerhalb des Bundesgebietes - bis zur Höhe von 12 340 TDM (Drucksachen 13/10929, 13/11122, lfd. Nr. 1.3, 13/11389) 23018 C Nächste Sitzung 23018 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 23019* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Rolf Kutzmutz PDS 23019* B Anke Fuchs (Köln) SPD 23021* C Dr. Barbara 11611 PDS 23022* C 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Becker-Inglau, Ingrid SPD 2. 9. 98 Behrendt, Wolfgang SPD 2. 9. 98 * Blunck, Lilo SPD 2. 9. 98 * Brunnhuber, Georg CDU/CSU 2. 9. 98 Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 2. 9. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 9. 98 * Gysi, Andrea PDS 2. 9. 98 Irber, Brunhilde SPD 2. 9. 98 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 2. 9. 98 Lattmann, Herbert CDU/CSU 2. 9. 98 Müller (Berlin), PDS 2. 9. 98 Manfred Walter Nelle, Engelbert CDU/CSU 2. 9. 98 Peters, Lisa F.D.P. 2. 9. 98 Reichard (Dresden), CDU/CSU 2. 9. 98 Christa Rupprecht, Marlene SPD 2. 9. 98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 2. 9. 98 Scheel, Christine BÜNDNIS 2. 9. 98 90/DIE GRÜNEN Schulte (Hameln), Brigitte SPD 2. 9. 98 Stiegler, Ludwig SPD 2. 9. 98 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 2. 9. 98 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Anke Fuchs (Köln) (SPD): Wirtschaftspolitische Kompetenz ist gefragt, wenn es in diesem Land wieder aufwärts gehen soll. Das wird niemand bestreiten. Diese Erkenntnis ist aber gleichzeitig Aufforderung zur Abwahl dieser Bundesregierung. Wer wirtschaftspolitische Kompetenz auf der Regierungsbank will, muß dafür sorgen, daß Gerhard Schröder Bundeskanzler wird. Nur so können wir einen Aufbruch nach vorne schaffen. Heribert Prantl schreibt in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29./30. August 1998 zu Recht: In letzter Not hat Kohl seinen alten Gegner Lothar Späth als Helfer engagiert. Er hätte das vor vier Jahren machen müssen. Damals wäre die Zeit gewesen, eine spektakuläre neue Mannschaft zu präsentieren. Neuerdings stellt der Kanzler auch mißbilligend fest, daß die Wirtschaft den Standort Deutschland schlechtredet. Das fällt ihm zu spät auf. Vor zwei Jahren hat Kohl sich das törichte Agitieren der Wirtschaftsfunktionäre zu eigen gemacht und das Bündnis für Arbeit platzen lassen - es war sein kapitalster Fehler. Auf diese Weise gerieten die Reformen seiner Amtszeit in die Konfrontation, standen die Kirchen gegen die Sozialpolitik der Regierung auf - und damit gewannen die Gewerkschaften neue Legitimation. Die Regierung Kohl hat den Konsens geopfert, weil sie sich von der vulgärliberalen Arroganz der Industrieführer vom Schlage Henkel & Co. anstecken ließ. So etwas kann sich allenfalls eine Klientelpartei wie die F.D.P. leisten, nicht aber eine Volkspartei. Die CDU ist durch die konfrontative Sozialpolitik geschwächt worden, und dann leidet sie und ihr Wahlkampf. Die Partei ist also doppelt geschwächt: Durch nachwirkende Fehler und durch die Unklarheiten an der Spitze. Für den Stillstand ist an erster Stelle der Bundeskanzler selbst verantwortlich. Er hat das von den Gewerkschaften angebotene Bündnis für Arbeit ausgeschlagen. Das hat viele Arbeitsplätze gekostet. Das war ein immenser Zeitverlust für die notwendige Modernisierung unseres Landes. Der Kanzler hätte es besser wissen müssen. Denn sozialer Konsens und gesellschaftlicher Zusammenhalt waren in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik eine wichtige Produktivkraft. Und wenn die Herren an der Spitze der Unternehmensverbände auch meinen, Wahlkampf für diese Regierung machen zu müssen, so sage ich Ihnen: An ihrer eigenen Basis sieht es anders aus. Dort ist Dialogbereitschaft statt Drohgebärde. Darauf setzen wir, und spätestens nach der Bundestagswahl müssen auch die Herren an der Spitze aus dem Abseits heraus. Wir Sozialdemokraten werden ein Bündnis für Arbeit verwirklichen. Wir vertrauen auf die Konsensbereitschaft im eigenen Lande. Damit knüpfen wir aber auch an die Erfahrungen an, die europäische Nachbarstaaten - wie zum Beispiel die Niederlande und Dänemark - gesammelt haben. Die Arbeitslosigkeit konnte in den Niederlanden gesenkt werden, weil sich Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch gesetzt und gemeinsam nach Lösungen gesucht haben. Dänemark ist auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, weil neben mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt der Staat aktiver mit Beschäftigungsmaßnahmen neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Das ist der richtige Ansatz: Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit finanzieren. Die Wachstumsschwäche in unserem Land und die hohen Arbeitslosenzahlen sind auch Folge der verfehlten Finanzpolitik. Es ist eine Binsenweisheit: Prozyklische Finanzpolitik in Abschwungphasen kann nicht auf Wachstumskurs führen. Das ist lange bekannt. Wer die Binnennachfrage abwürgt, kann noch so viel Angebotspolitik betreiben: Ohne Absatzchancen bleiben Erweiterungsinvestitionen aus, ohne Erweiterungsinvestitionen entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Wir Sozialdemokraten setzen auf Verläßlichkeit und Stetigkeit in der Finanzpolitik. Das ist im übrigen eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit Unternehmen und Investoren verläßliche Rahmenbedingungen vorfinden. Bei dieser Bundesregierung konnte man sich nur darauf verlassen, daß das nächste Haushaltsloch größer wird als das vorherige. Damit komme ich zu Ihnen, Herr Rexrodt. Sie haben in den vergangenen Jahren im Blindflug den Kurs der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Seit Ihrem Amtsantritt haben Sie den automatischen Piloten angestellt und gehofft, daß er den Weg alleine finden wird. Aber das Steuerungsprogramm war falsch. Statt im Azorenhoch sind Sie im Islandtief gelandet. Jetzt wollen Sie uns weismachen, wir hätten die warmen Gefilde einer Trendwende am Arbeitsmarkt erreicht, weil es in Island auch schon mal kälter gewesen ist. Das ist die Lage. Erst treibt die Bundesregierung die Arbeitslosigkeit mit Attentismus und falschen Strategien auf 4,8 Millionen hoch. Dann redet sie bei mehr als 4 Millionen Arbeitslosen von einer Trendwende. Das ist keine Trendwende, das ist der Offenbarungseid der Bundesregierung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Herr Rexrodt, jahrelang haben sie den Standort Deutschland schlecht geredet und den Menschen die Globalisierung als Schreckgespenst an die Wand gemalt. Lohnzurückhaltung und Sozialabbau waren Ihr Credo. Sie haben die Arbeitnehmer zum Kostenfaktor degradiert. Damit muß endlich Schluß sein. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nämlich gut, weil wir eine gute Infrastruktur haben, weil wir qualifizierte Arbeitnehmer haben und weil die Menschen leistungsbereit sind und nach vorne schauen wollen. Die SPD wird nach der Bundestagswahl die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konsequent in den Vordergrund stellen. Für die Wirtschaftspolitik heißt das: Stärkung der Wachstumskräfte für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung, die Arbeitsplätze schafft. Dafür brauchen wir kurzfristig Maßnahmen für eine schnellstmögliche Entlastung am Arbeitsmarkt. Darüber hinaus müssen wir mittel- und langfristig mit einem Strukturwandel durch Innovation Wirtschaft, Staat und Gesellschaft modernisieren. Der Export boomt noch. Das zeigt: Die deutsche Wirtschaft ist wettbewerbsfähig. Ursache der Wachstumsschwäche ist die fehlende Binnennachfrage. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform, die Arbeitnehmer und Familien entlastet und damit die Binnennachfrage stärkt. Außerdem brauchen wir eine Senkung der Unternehmenssteuern und eine Senkung der Lohnnebenkosten, um Investitionsanreize zu schaffen. Wir machen aber keine haltlosen Versprechen. 30 Milliarden Mark Nettoentlastung sind nicht finanzierbar. Das unterscheidet uns von dieser Bundesregierung. Für uns steht nicht die Entlastung der Spitzenverdiener im Vordergrund. Denn wir wissen: Die Steuerlast ist in unserem Lande ungerecht verteilt. Die Belastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben ist ständig gestiegen, die Steuererträge aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind gesunken. In der Arbeitsmarktpolitik kommt es darauf an, Arbeitsplätze zu schaffen statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Vordringlich geht es darum, den Jugendlichen wieder eine Perspektive zu geben. Wir werden sofort nach der Bundestagswahl 100 000 neue Stellen für Jugendliche schaffen. Das geht, wie das Beispiel Dänemark zeigt. Schauen Sie sich die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit dort an. Sie ist drastisch gesunken, und das ist nicht als Geschenk vom Himmel gefallen. Dort ist die Wirtschaftspolitik ihrer Gestaltungsaufgabe nachgekommen, statt Parolen von der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik zu dreschen. Mittel- und langfristig brauchen wir Innovationen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Bundesregierung hat die Modernisierung unseres Landes verschlafen. Sie haben die vergangenen Jahre doch nur von Kostensenkung gesprochen. Aber unser Land ist mit Gütern und Dienstleistungen der Spitzentechnologie stark geworden. Die SPD setzt deshalb auf die Zukunftstechnologien. Wir werden zum Beispiel mit einem Hunderttausend-Dächer-Programm die Solartechnik zur Marktreife bringen. Das schafft neue Arbeitsplätze und trägt zu einer umweltschonenden Energieversorgung bei. In diesem Zusammenhang steht auch unser Konzept für eine ökologische Steuerreform. Wir wollen damit die Lohnnebenkosten senken, den umweltschädlichen Energieverbrauch belasten und Anreize für technologische Innovationen zur Energieeinsparung setzen. Das ist moderne Wirtschaftspolitik: Innovationsanreize schaffen, um in der Verkehrstechnologie an der Spitze des Fortschritts zu stehen und die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft zu stärken. Den Energieverbrauch senken, weil Wirtschaftswachstum nicht gleichbedeutend sein muß mit höherem Energieverbrauch. Die Umwelt schonen, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und keinen Raubbau an der Zukunft zu betreiben. Dafür werden wir die marktwirtschatlichen Anreize setzen. Wir werden schrittweise und berechenbar vorgehen, damit sich Bürger und Unternehmen darauf einstellen können. Wirtschaftspolitik für mehr Arbeitsplätze hat als zentrale Aufgabe die Förderung des Mittelstandes. Kleine und mittlere Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, und sie tragen die Hauptlast der beruflichen Bildung. Da reicht es nicht, nur von der Mittelstandsförderung zu reden. Die Bilanz der Bundesregierung ist erschreckend: Die Zahl der Unternehmenskonkurse steigt. 1997 hatten wir wieder einen neuen traurigen Pleitenrekord. Die Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen sinkt beständig. Der Anteil des Selbständigen ist im internationalen Vergleich zu gering. Die SPD wird die Mittelstandspolitik nach der Bundestagswahl in den Vordergrund stellen. Gerhard Schröder hat sein Mittelstandsprogramm vorgelegt. Es ist auf der Basis zahlreicher Diskussionen und Foren erarbeitet worden, die wir in allen Teilen des Landes mit Handwerkern und Managern, mit Verbänden und Kammern, mit Wissenschaftlern und Unternehmensberatern geführt haben. Dabei hat sich gezeigt: Der Mittelstand fühlt sich durch diese Bundesregierung nicht mehr vertreten. Unser Angebot zum Dialog ist auf breite Resonanz gestoßen, und wir werden diesen Dialog mit dem Mittelstand fortsetzen, um unsere Politik an den Bedürfnissen der Praxis messen zu lassen. Wir werden die Mittelstandsförderung bündeln und damit eine Schneise in den Dschungel der unübersichtlichen Vielzahl von Förderprogrammen schlagen. Wir werden für einen besseren Zugang des Mittelstandes zu öffentlichen Aufträgen sorgen. Wir werden die Außenwirtschaftspolitik stärker auf den Mittelstand ausrichten. Die Förderung von Existenzgründungen steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Jede Existenzgründung schafft im Schnitt 2 bis 6 Arbeitsplätze. Für den Start in die Selbständigkeit fehlt es in der Regel nicht an den Ideen, sondern am Startkapital. Dabei ist genügend Anlagekapital vorhanden. Wir Sozialdemokraten sagen deshalb: Besser in neue Ideen und Unternehmen investieren als in Beton und Boden. Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital müssen deshalb verbessert werden. Es ist höchste Zeit, sich der Gestaltungsaufgabe in der Wirtschaftspolitik zu stellen. Die SPD-geführte Bundesregierung wird dies nach der Bundestagswahl tun. Politik im nationalen Rahmen reicht dafür nicht aus. Heute werden etwa 70 Prozent aller wirtschaftsrelevanten Vorschriften in Brüssel erlassen. Deshalb möchte ich noch mal bekräftigen, was Oskar Lafontaine gesagt hat: Wir brauchen eine stärkere Kooperation auf internationaler Ebene. Diese Erkenntnis setzt sich durch, viele reden davon, Regelwerke müßten her, neue Spielregeln, Kooperation. Das ist wichtig für Europa und seine Chancen, einen Beitrag zu fairem Welthandel zu leisten. Die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf europäischer Ebene muß verbessert werden. Wir werden die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt der Europapolitik stellen. Wer wie Herr Rexrodt einer nationalen Beschäftigungspolitik das Wort redet, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Rolf Kutzmutz (PDS): Wir haben vorhin einen mehr oder weniger überzeugenden Wahlkampf auftritt vernommen. Aber, Herr Minister Rexrodt, liegt es wirklich nur am mangelnden Verständnis vieler Menschen für ihre Politik oder sind es deren Ergebnisse, die nach einem Politikwechsel verlangen lassen? Ich erinnere Sie an das Sprichwort: Der Ruhm vieler Propheten beruht auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer. Das gilt für den Bundeswirtschaftsminister und seinen Kabinettskollegen, deren Wachstumsprognosen - und damit deren Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Steuern und Staatsausgaben - sich bekanntlich seit Jahr und Tag in ihrer Wahrscheinlichkeit mit denen der DDR-Plankommission messen können. Die tatsächlichen Ergebnisse der praktischen Politik beider Gremien will ich gar nicht erst vergleichen. Das gilt allerdings auch für die Sozialdemokraten. Vor genau elf Monaten war ein von mir ansonsten sehr geschätzter Kollege von seiner Fraktionsspitze verdonnert worden, hier einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Antrag der PDS rhetorisch zu demontieren. So geißelte er unsere Zweifel an der allgemeinen Euphorie über die Globalisierung und beschwor für die SPD - unter dem Beifall der F.D.P. - deren Willen zur Internationalisierung der Waren- und Kapitalströme, weil - ich zitiere aus dem Plenarprotokoll - „wir der festen Überzeugung sind, daß die komparativen Kostenvorteile und die komparativen Vorteile unterschiedlicher Standorte genutzt und umgesetzt werden müssen". Ob er diesen Schwur - zumindest auf die Kapitalströme bezogen - heute wiederholen würde, wage ich zu bezweifeln. Schließlich ist die momentane Entwicklung an den Börsen schon mehr als eine Korrektur; das ist in der Nähe eines Crashs, meint zumindest der in diesen Dingen gewiß kompetente Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Dem vorhin zitierten verehrten Kollegen Hiksch gestehe ich in diesem Zusammenhang ja gern zu, daß er in der erwähnten Debatte sich für die Idee einer Tobin-Steuer stark machte, sie als fortschrittliche, also sozialdemokratische, Wirtschaftspolitik bezeichnete. Nur scheint der SPD jener Fortschritt in den letzten elf Monaten abhanden gekommen zu sein. Das Projekt Tobin Tax findet sich in keinem der zahlreichen sozialdemokratischen Programme seit letztem Oktober. Ja, selbst die SPD bügelte eine solche Initiative der PDS - die Bündnisgrünen zogen dann bekanntlich auch noch nach - im Bundestag sogar noch ab. Wenn ein Kanzler Schröder aber mit den morschen Krücken eines Kanzlers Kohl auf das bebende weltwirtschaftliche Parkett will, dann kann ich nur sagen: Hals- und Beinbruch! Wenn wir demokratische Sozialistinnen und Sozialisten im Vorjahr wie auch heute wieder anmahnen, Regionalisierung des Wirtschaftens in den Mittelpunkt der Politik - von den Steuern bis zur Fördermittelvergabe - zu stellen, dann fühlen wir uns natürlich durch die Börsen bestätigt. Viel wichtiger ist aber, daß nur so dauerhafte neue Arbeitsplätze tatsächlich entstehen, daß nur so die Binnennachfrage als wichtigstes Lebenselexier jeder Volkswirtschaft angekurbelt und daß nur so der mit Rücksicht auf die künftigen Generationen überlebenswichtige ökologische Umbau endlich ernsthaft begonnen wird. Mit Aufmerksamkeit habe ich registriert, daß die Sozialdemokraten für ihre Version des heute anberatenen Bundeshaushaltes ein 100 000-SonnendächerProgramm versprechen. Ich erinnere mich noch allzu gut daran, daß in den vergangenen Haushaltsberatungen solche Vorschläge, die Arbeit bringen und Umwelt schonen, keineswegs zum Repertoire sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik, wohl aber dem der PDS gehörten. Im Gegenteil: Noch für den Haushalt 1998 vereinten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei der von uns vorgeschlagenen drastischen Aufstockung der Fördermittel zur Nutzung erneuerbarer Energien trotz gesicherter Gegenfinanzierung in ihrer Ablehnung zur übergroßen Koalition mit CDU/CSU und F.D.P. Damit Sie nach dem 27. September nicht an programmatischem Gedächtnisschwund leiden, werden wir von der PDS Ihnen dann aber gern auf die Sprünge helfen. Und den Bündnisgrünen sicher auch - falls sie dann, anders als im Vorjahr, im Ausschuß mal da sein sollten. Diese Hilfestellung durch uns scheint mir auch bei einem weiteren unverzichtbaren Projekt der beiden selbsternannten Garanten für einen Wechsel vonnöten: dem Ausstieg aus der Atomenergie. Herr Schröder will zwar nur im Konsens, Herr Fischer und die Seinen zwar erst mal nur über Länderhoheit beim Atomgesetz - aber immerhin versprechen beide, damit zu starten. Wenn es ihnen ernst ist - und zumindest für die Bündnisgrünen dürfte es ja eine Existenzfrage sein -, dann starten sie nicht nur, sondern landen sie gleich: beim sofortigen Ausstieg. Nimmt man alle AKW vom Netz, so geht in Deutschland wegen der vorhandenen Überkapazitäten dennoch keine Lampe aus. Andererseits müßte mittlerweile jeder begriffen haben, daß beispielsweise Transrapid und Expo 2000 wirtschaftlich folgen-, aber finanziell bodenlose Prestigeprojekte sind. Statt solche weiter zu päppeln, nehmen Sie 7 bis 11 Milliarden Mark, und finden Sie damit die Stromgiganten ab! Mehr können diese nach seriösen Untersuchungen, zum Beispiel des DIW, auch im schlimmsten Falle nicht als Entschädigung verlangen. Mit diesen maximal 11 Milliarden Mark öffentlicher Gelder würden schließlich zugleich rund 100 Milliarden privaten Kapitals mobilisiert - zum Abbau und konventionellen Ersatz für die dann 26 Atomruinen in Deutschland. So hätten nicht nur die gigantischen, bisher steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne endlich ihren Sinn gefunden. Das wäre vor allem ein weiteres echtes Zukunftsinvestitionsprogramm, in Arbeitsplätze und Umwelt gleichermaßen. Darüber hinaus mit einer Effizienz von Steuergeldern, die - gemessen an Ostseewerften Lenna oder Dow Chemical - geradezu traumhaft günstig ist. Schlagen Sie bei dieser Aufgabe also nicht nur Schaum - machen Sie Nägel mit Köpfen! Allerdings habe ich sowohl nach dem wohlfeilen Verlautbarungswahlkampf der letzten Wochen als auch nach dem heutigen Tag allerdings meine Zweifel. Es nützt weder das „Weiter so" der Koalition noch ein „Vieles wird neu - aber nichts wird anders" der SPD. Arbeit und soziale Gerechtigkeit sind ohne Umverteilung auch des Reichtums nicht zu machen. Dr. Barbara Höll (PDS): Die heutige Debatte wird ihrem Anspruch gerecht: Wir diskutieren den letzten Kohl/Waigel-Haushalt, sprich kw-Haushalt. Das bedeutet in der Kürzelsprache des Haushalts „kann wegfallen" . Die Debatte hat eindeutig belegt, daß die Vertreter der CDU/CSU und F.D.P. nur verbal die Grundprobleme der bundesdeutschen Gesellschaft zur Kenntnis nehmen. Sie habe heute nicht eine neue Idee zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, der Beseitigung der Lehrstellenmisere und der zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit vorgestellt. Ihre alten Konzepte, an denen sie krampfhaft festhalten, können Sie noch so schön-färberisch versuchen darzustellen, es wird immer deutlicher, Ihre Politik bedient die wirklich Vermögenden und spaltet die Gesellschaft immer stärker in oben und unten, in arm und reich. Da wir als demokratische Sozialistinnen und Sozialisten in den letzten Jahren bereits vielfältige Vorschläge zu den angesprochenen Hauptproblemen in den Bundestag eingebracht haben und diese auch über die Konzepte von SPD und Bündnisgrünen hinausgehen, möchte ich mich jetzt auf unser Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit konzentrieren. Die PDS fordert zum einen die substantielle Verkürzung der Arbeitszeit. Heute und in Zukunft wächst die Produktivität dank moderner Technologien so schnell, daß immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte und bezahlte Dienstleistungen herstellen können. Diese Entwicklung kann niemand aufhalten. Sie ist sogar eine große Chance. Aber wir ziehen daraus die Folgerung: Wenn dem so ist, dann sollen alle mehr Freizeit haben - nicht die einen steigenden Leistungsdruck, massenhaft Überstunden und die anderen Arbeitslosigkeit oder unsichere und nicht sozialversicherte stundenweise Jobs. Die moderne Entwicklung verlangt geradezu nach einer gerechteren Verteilung der Arbeit. Das geht nur über Arbeitszeitverkürzung. Die PDS hält es zum anderen in absehbarer Zeit selbst bei Arbeitszeitverkürzung für unmöglich, daß die Privatwirtschaft und der öffentliche Dienst in der Lage sind, fünf bis sieben Millionen Arbeitsplätze - so viele fehlen in Deutschland - zusätzlich zu schaffen. Daraus ziehen wir die Folgerung: Neben Privatwirtschaft und Staatsdienst wird in der Wirtschaft ein dritter Sektor gebraucht, nicht mit ABM, sondern mit normalen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist ein Wirtschaftssektor, in dem nicht der Profit das eigentliche Ziel ist - die Amerikaner nennen so etwas Nonprofit-sector -, sondern in dem viele der humanitären, ökologischen, kulturellen, sozialen Aufgaben bewältigt werden, die heute zum großen Teil unerledigt bleiben. Die Unternehmen dieses Sektors müßten 25 bis 30 Prozent Zuschuß zu dem erhalten, was sie selbst erwirtschaften. Aber damit wäre das Geld weit sinnvoller angelegt als gegenwärtig zur Finanzierung von Arbeitslosigkeit, die jährlich 180 Milliarden DM verschlingt. Die PDS drängt zum dritten darauf, die sogenannten Lohnnebenkosten durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen. Gegenwärtig ist es so, daß die Unternehmen die Lohnnebenkosten nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe der Bruttolöhne zu zahlen haben. Je weniger Mitarbeiter und je geringere Bruttolöhne, desto weniger werden sie zur Kasse gebeten. Anders gesagt: Entlassungen und Lohnminderungen werden belohnt. Wir wollen, daß die Unternehmen nach der Höhe des Betriebsergebnisses, des Gewinns und der Wertschöpfung ihren Beitrag leisten sollen, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten und der Bruttolöhne. Betriebe mit hoher Wertschöpfung und wenig Beschäftigten - Banken, Versicherungen, hochautomatisierte Fabriken - müßten dann mehr zahlen als bisher, Klein- und Mittelbetriebe mit relativ geringer Wertschöpfung und vielen Mitarbeitern dagegen weniger. Das wäre gerechter als die bisherige Lösung und würde vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht ihre Vernichtung belohnen. Beispielsweise könnte der Kleinhändler an der Ecke leichter eine Verkäuferin einstellen, ohne befürchten zu müssen, daß ihn die Lohnnebenkosten überfordern. Das sind nur drei wichtige Aspekte des PDS-Konzepts zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Es geht dabei natürlich auch um die gerechte Verteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen, um Ökologie, um die Wende zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaft, kurz: um das Anpacken der wichtigsten Probleme, die von der modernen Entwicklung der Produktivkräfte aufgeworfen werden. Die PDS steht für soziale Gerechtigkeit ohne Wenn und Aber. Wir wollen Armut bekämpfen, indem wir Reichtum begrenzen, nicht Arme ausgrenzen. Dazu bedarf es natürlich des politischen Willens zu einer gerechten Umgestaltung des Steuer- und Abgabensystems, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir haben diesen Willen und sind deshalb auch nicht wie die anderen Parteien pessimistisch, die wegen angeblicher Sachzwänge den gegenwärtigen Zustand für alternativlos halten. Wir sehen klare Alternativen. Das betrifft nicht nur die Überzeugung, daß Massenarbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit überwunden, eine sozial-ökologische Wende zur Nachhaltigkeit eingeleitet werden können. Das drückt sich auch direkt in den Forderungen für die Jugend aus, genauer gesagt, in den Forderungen der Jugend, die sich die PDS insgesamt zu eigen gemacht hat. Wir vertreten konkrete Vorschläge für die Überwindung von Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit, für das verfassungsmäßige Recht auf berufliche Erstausbildung, für die Modernisierung der Berufsausbildung, für gleiche Bildungschancen aller Kinder und Jugendlichen, egal welcher Herkunft, aus welchen sozialen Verhältnissen. Wir wollen eine demokratisch reformierte Hochschule ohne Studiengebühren und Zwangsexmatrikulationen. Wir fordern Räume und Freiräume für die Jugendlichen, zum Beispiel ganz konkret für jeweils 1000 Jugendliche einen Jugendclub, den sie selbst gestalten können. Vor allem aber: Junge Menschen sollen selbst Politik machen, ihre Sichtweisen einbringen, ihre Interessen wahrnehmen. Deswegen unterstützt die PDS Kinder- und Jugendparlamente mit realen Mitwirkungsrechten, Jugendinitiativen und alternative Jugendprojekte. Die PDS ist die einzige Partei, die konsequent und umfassend ostdeutsche Interessen und ostdeutsches Selbstbewußtsein vertritt. Wir jammern nicht, und wir fordern nicht, daß Ostdeutschland noch mehr Geld bekommen müßte. Wir fordern, daß die Ostdeutschen endlich mehr geben können: durch mehr Arbeitsmöglichkeiten, dadurch, daß der große Wert ihrer anderen Lebensläufe und anderen Erfahrungen für die ganze Republik genutzt wird, durch Gleichberechtigung und durch reale Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des Gemeinwesens. Wir wollen nicht, daß die neuen Bundesländer zur Peripherie Deutschlands werden, zu einer Art Süditalien, mit Massenarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit für Frauen und junge Leute, vermindertem Eigentumsschutz, diskriminierenden Rentenregelungen und Einstellungsbarrieren. Wir wollen, daß der Osten endlich als Chance begriffen wird. Dabei geht es uns nicht nur um die Region, sondern um dauerhaften Nutzen für das ganze Land. Denn wenn der Osten nicht auf eigene Füße kommt, wird der Westen schnell in Atemnot geraten. Es zeigt sich doch immer deutlicher: Die Schwierigkeiten des Ostens sind nur die zugespitzten Probleme des Westens. Bisher war der Osten das Experimentierfeld für Sozialabbau, Einschränkung demokratischer Rechte, Knebelung der kommunalen Selbstverwaltung. Wir sagen: Wenn schon Experimentierfeld, warum dann nicht für den Einstieg in eine neue, sozial gerechte und ökologisch verantwortliche Politik, ohne die es ohnehin für ganz Deutschland keine lebenswerte Perspektive gibt! Deshalb schlägt die PDS für die neuen Bundesländer mit dem „Rostocker Manifest" ein Pilotprojekt Ost „Gerechtigkeit und Entwicklung" vor. Es ist das einzige wirklich alternative, umfassende Programm, das von der Wirtschaft über die Eigentumsfragen bis zu modernen Demokratievorstellungen und zur Wissenschaft und Kultur den gesamten gesellschaftspolitischen Bereich erfaßt, dem Nutzen der ganzen Republik dient und die Chance bietet, die neuen Bundesländer zu einer europäischen Zukunftsregion zu entwickeln. All das hat nichts mit Ostalgie zu tun. Unser Verhältnis zur Vergangenheit, zur DDR ist klar: Wir werden nicht zulassen, daß die Leistungen der Menschen in der DDR gering geschätzt, ihre Biographien verachtet werden. Wir werden aber auch jeder Verklärung der DDR entgegentreten; denn schließlich ist sie wegen ihrer großen Defizite an Demokratie und Emanzipation gescheitert, und niemand will dorthin zurück. Die SED hat früher alles in der DDR hochgejubelt. Die Bundesregierung versucht heute, alles in den Dreck zu treten. Wir bleiben bei einer differenzierten Bewertung und werden uns weiter darum bemühen. Die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erwiesen sich als die konsequenteste Opposition der Regierung Kohl. Die konsequent kritische Haltung werden wir beibehalten. Egal, ob rotgrüne oder große Koalition, kritischer Druck von links ist auch im 14. Deutschen Bundestag bitter nötig. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ist das ein Vorschlag oder ein Antrag?

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Ein Antrag! Das ist ein verfassungsändernder Antrag!)


Rede von Oskar Lafontaine
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Wir stimmen über den Antrag „Keine zeitliche Begrenzung" von Herrn Koppelin ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Der Antrag ist bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen und einzelnen Abgeordneten der SPD und der PDS abgelehnt.
Ich eröffne die Debatte. Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Deutschland steht mitten im Aufschwung!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Bei 3,8 Prozent Wachstum im ersten Quartal und zu erwartenden etwa 3 Prozent im ganzen Jahr wird es doch niemanden im Hause geben, der, wenn er den Anspruch erhebt, ein qualifizierter Parlamentarier zu sein, sagen kann: Das ist kein Aufschwung. - Natürlich stehen wir mitten im Aufschwung, und das ist gut so.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Trendwende am Arbeitsmarkt ist erreicht. Das ist das Ergebnis der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Koalition von CDU/CSU und F.D.P.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unternehmer, Arbeitnehmer und die Bundesregierung haben gehandelt. Zentrale Reformen und Anpassungen an ein verändertes weltwirtschaftliches Umfeld sind weit vorangekommen und entfalten jetzt ihre Wirkung.
    In der Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen wir jetzt klaren Kurs halten und die Politik für mehr Beschäftigung am Standort Deutschland entschlossen fortsetzen. Das bedeutet weniger Staat und Bürokratie, sondern mehr Markt und Eigenverantwortung, eine weitere Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und Rückführung der öffentlichen Defizite, eine schlanke, kostengünstige und bürgerfreundliche Verwaltung, von der weitere Teile privatisiert werden, weiter sinkende Lohnnebenkosten - Arbeit muß sich für jeden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, lohnen - und eine große Steuerreform. Innovationen, Investitionen, unternehmerisches Risiko, persönlicher Einsatz und harte Arbeit müssen belohnt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, eigentlich müßte uns der politische Gegner dankbar sein. Ich lese heute in der „Rheinischen Post", die SPD bekenne sich zu strikter Ausgabendisziplin und Schuldenabbau, und das Grundlagenpapier der SPD stehe in eklatantem Widerspruch zum SPD-Wahlprogramm. Es fänden überall Anleihen bei unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik statt. - Um so besser diese Debatte! Hier sieht man, die Koalition ist auf dem richtigen Kurs. Teile der SPD erkennen das, Teile wollen die Bevölkerung vor dem Wahltermin noch im unklaren lassen. Wir wollen, daß Klarheit herrscht. Wir brauchen keinen Kassensturz; ein Blick in diesen Haushalt genügt, um sich über die Finanzpolitik der Gegenwart und der Zukunft zu orientieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was brauchen wir nicht? Wir brauchen kein Startprogramm der SPD. Wirtschaftsverbände bezeichnen es zu Recht als Programm zur Beendigung des Aufschwungs.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wer auf der einen Seite etwa 50 Milliarden DM mehr fordert und auf der anderen Seite das rückgängig machen will, was wir in vier schweren Jahren an Anpassung und Reformen durchgesetzt haben, der würde Abschwung statt Aufschwung, mehr Arbeits-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    lose statt mehr Beschäftigung erreichen. Das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir brauchen keine alten Hüte in der Politik. Wenn ich mir überlege, was Karl Schiller schon vor mehr als 20 Jahren entdeckt und auch zum Teil durchgesetzt hat, stelle ich fest, daß die gegenwärtige Wirtschaftsphilosophie der SPD eigentlich weit hinter dies zurücksinkt.
    Der amerikanische Ökonomieprofessor Rudi Dornbusch vom renommierten Massachusetts Institute of Technology

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)

    - man wird doch noch einen ausländischen Fachmann zitieren dürfen -

    (Zuruf von der SPD)

    - Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will, oder doch? - schreibt über den von der SPD als Finanzminister ins Auge gefaßten und sich auch selber dafür ins Gespräch bringenden saarländischen Ministerpräsidenten:
    Er steht für alles, was falsch ist in Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Rudi Dornbusch fährt fort:

    Wenn er Finanzminister im neuen Kabinett wäre, kann man das nur katastrophal nennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir sollten diese richtige Stimme aus dem Ausland ernst nehmen.
    Wie heißt es im Duden zu dem Begriff Galionsfigur, als welche der Schattenwirtschaftsminister vorgeführt wird?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vor der Rechtschreibreform oder danach?)

    Dort steht, das sei eine aus Holz geschnitzte Verzierung des Schiffsbugs, die die Blicke auf sich lenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Er wird durch das, was die Partei will, immer wieder von ihr selbst zurechtgerückt.
    Die SPD steht für Realitätsverlust und Verweigerung.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es lohnt sich, einmal kurz darüber nachzudenken: Wo stünden wir eigentlich, wenn Schröder und Lafontaine seit 1990 das Sagen gehabt hätten?

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Steht das im Haushalt?)

    Ob dann, nachdem beide gegen die Währungsunion gestimmt hatten, die Einheit überhaupt möglich gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn sie doch möglich gewesen wäre, dann wäre sie nicht weitgehend durch Einsparungen und Umschichtungen, sondern weitgehend durch Steuererhöhungen finanziert worden. Dies hätte der deutschen Wirtschaft mit Sicherheit entscheidend geschadet. Die deutsche Volkswirtschaft hätte nicht die Kraft aufgebracht, jedes Jahr 4 bis 5 Prozent des BIP für die größte Solidaraktion der deutschen Geschichte, nämlich die Einheit, aufzubringen. Das haben wir geleistet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Konjunktur läuft seit Ende letzten Jahres auf vollen Touren. Die deutsche Wirtschaft befindet sich deutlich im Aufwind.

    (Joachim Poß [SPD]: Das ist Realitätsverlust!)

    Im ersten Quartal 1998 erreichte das Wirtschaftswachstum mit 3,8 Prozent den höchsten Anstieg seit der Wiedervereinigung. Damit ist für 1998 ein reales Wachstum in einer Größenordnung von rund 3 Prozent erreichbar. Die deutschen Exporteure haben ihre führende Stellung auf den Weltmärkten gefestigt. Die Inlandsnachfrage wird immer mehr zum zweiten Standbein des Aufschwungs.
    Die gute Wirtschaftslage hat den Arbeitsmarkt erreicht. Die Trendwende ist nicht zu bestreiten. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Arbeitslosen auf breiter Front, und zwar um rund 700 000, zurückgegangen. Die Zahl der Kurzarbeiter ist seit Januar um rund 60 000 gesunken. Die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt. Seit Jahren gab es in Deutschland nicht mehr so viele gemeldete offene Stellen. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der offenen Stellen um rund 125 000 auf rund 355 000 Stellen. Nimmt man die Zahl der offenen Stellen, die nicht offiziell gemeldet sind, dazu, sind es wahrscheinlich mehr als 1 Million offene Stellen. Dies ist Gott sei Dank eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Darüber sind wir sehr glücklich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dabei sieht der Arbeitsmarkt - das ist richtig - in den einzelnen Bundesländern allerdings ganz unterschiedlich aus. Das gleiche gilt für die Ausbildung. Wenn man sich die entsprechende Statistik ansieht, stellt man fest: Die Länder, in denen CSU und CDU maßgebliche Regierungsverantwortung tragen - Baden-Württemberg, Bayern oder, als neues Bundesland, Sachsen -, liegen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an der Spitze, während Niedersachsen, das Saarland und andere sozialdemokratisch regierte Länder hierbei leider immer wieder am unteren Ende stehen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hessen!)

    Das weist die Statistik aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der Bundesratsbank)

    - Eigentlich sollten die Mitglieder des Bundesrates
    mit Zwischenrufen vorsichtig sein. Trotzdem habe
    ich bis jetzt von der linken Seite „jawohl, jawohl" ge-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    hört. Nun höre ich aber „o weh". Herr saarländischer Ministerpräsident, ich würde auch „o weh" sagen, wenn ich mit den Zahlen konfrontiert würde, die Sie im Saarland aufzubieten haben und die zeigen, daß Sie in mehr als zehn Jahren kaum etwas Positives bewegt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In Deutschland herrscht Preisstabilität. Im Juli betrug der Preisanstieg nur noch 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist der niedrigste Wert seit der Berechnung gesamtdeutscher Indizes im Jahre 1991. Diese sichtbaren Erfolge mußten hart erarbeitet werden. Wir haben die Grundlage für den Aufschwung gelegt, insbesondere durch das Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm 1994, durch das Aktionsprogramm für Investitionen und Arbeitsplätze und durch das Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung. Sie alle wissen, wie sehr diese Politik für Wachstum und Arbeitsplätze in vielen Fällen gegen den erbitterten Widerstand der Opposition durchgesetzt werden mußte.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

    Ich kann mich daran erinnern, wie ein bekannter Sportreporter einmal die quälende Frage aufwarf: Wo ist Behle? Ich frage mich manchmal: Wo war Schröder in den letzten vier Jahren, als es um die Entscheidungen hier und im Bundesrat ging? Ich habe ihn nicht gesehen. Aber jetzt den Aufschwung für sich reklamieren zu wollen ist schon ein starkes Stück. So viel Hybris ist mir nur selten untergekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Inzwischen liegt die Staatsquote mit 48 Prozent wieder deutlich unter der 50-Prozent-Marke. Damit fließen gegenüber dem Höchststand nach der Wiedervereinigung rund 100 Milliarden DM weniger durch die öffentlichen Kassen. Trotz der Steuerausfälle konnte die Defizitquote im Jahr 1997 auf 2,7 Prozent reduziert werden. Wir werden heuer mutmaßlich 2,5 Prozent erreichen. Das ist eine ausgezeichnete Quote. Niedrigere Defizite befördern ein günstiges Investitionsklima. Damit haben wir die für unsere wirtschaftliche Zukunft so bedeutsame Eintrittskarte für die Europäische Währungsunion gelöst. Deutschland erfüllt alle Voraussetzungen, die Vorteile der Eurozone zu nutzen. Unsere Finanzkennziffern, was Staatsdefizit und Staatsquote anbelangt, sind heute wesentlich besser als Ende 1982, obwohl wir wie keine andere Industrienation in der Welt mit Herausforderungen konfrontiert sind. Diese Zahlen können sich sehen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch Deutschlands Standortvorteile können sich sehen lassen: die zentrale Lage im Herzen Europas, eine hervorragende Infrastruktur, eine stabile Wirtschaftsordnung, ein hohes Ausbildungsniveau, hohe Kaufkraft, niedrige Preise und Zinsen und politische Stabilität. Diese Stärken müssen wir bewahren und ausbauen.
    Die Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land spüren diese Erfolge des strikten Konsolidierungskurses. Ein Prozent weniger Inflation bedeutet 18 Milliarden DM mehr Kaufkraft für die Menschen in unserem Land. Eine niedrige Inflation liefert einen größeren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit als eine schulden- oder steuertreibende Umverteilungspolitik.
    Die Zinsen bewegen sich auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten. Das hilft den Investoren und erleichtert dem Häuslebauer die Finanzierung seiner eigenen vier Wände. Bei Hypothekenzinsen von zur Zeit rund 5,5 Prozent kostet die Finanzierung eines Eigenheims heute nur noch die Hälfte dessen, was 1981 unter sozialdemokratischer Inflationsregie aufzubringen war.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Durch die Freistellung des Existenzminimums und durch den neuen Familienleistungsausgleich konnten wir vor allem die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen sowie die Familien um netto 19 Milliarden DM entlasten. Der Wegfall des Kohlepfennigs schlägt seit 1996 mit einem jährlichen Plus von 8 Milliarden DM zu Buche. Die Absenkung des Solidaritätszuschlags seit Januar 1998 bringt eine weitere Entlastung von 7 Milliarden DM pro Jahr.
    Damit der Wachstumspfad auf Dauer oberhalb des Produktivitätswachstums bleibt - das ist nämlich die entscheidende Voraussetzung für mehr Beschäftigung -, muß aber noch viel Arbeit geleistet werden. Wem der Reformwille fehlt, wer das, was wir durchgesetzt haben, rückgängig machen möchte, dem nützt auch keine Modernisierungsrhetorik.
    Arbeit und Investitionen gehen vor Konsum. Produktion geht vor Umverteilung. Wer die Reihenfolge, wie die SPD, umkehrt, wer Wohlstand ohne Anstrengung verspricht, der streut den Menschen Sand in die Augen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden unser Konzept für Wachstum und Beschäftigung, die symmetrische Finanzpolitik, nach der Wahl entschlossen weiterführen. Dreh- und Angelpunkt unseres Konzepts ist die Rückführung der Staatsquote. Bis zum Jahr 2000 erreichen wir wieder 46 Prozent. Das war der Stand vor der Einheit. Bis zum Jahr 2002 ist eine Staatsquote von 44 Prozent erreichbar. Jeder Prozentpunkt weniger Staatsquote läßt etwa 40 Milliarden DM mehr in den Taschen der Bürger, schafft Raum für die Senkung von Steuern und Sozialabgaben.
    Am Ende der nächsten Legislaturperiode werden wir mit einem Staatsdefizit von etwa einem halben Prozent sehr nahe an einem ausgeglichenen Staatshaushalt stehen und auch von dieser Seite für das 21. Jahrhundert gut gerüstet sein. Wir werden dann in etwa wieder die Finanzkennziffern haben, die wir 1989 nach einer systematischen, erfolgreichen Wachstumspolitik mit drei Millionen Arbeitsplätzen mehr und einem Staatsüberschuß hatten, bevor wir dann die große Aufgabe der Einheit meisterten.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Wenn wir dann etwa zehn Jahre später wieder über die gleichen international hervorragenden Ziffern verfügen, ist das eine großartige Leistung: 16 Jahre Politik Helmut Kohl, CDU/CSU und F.D.P.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    1992 gab es beim Bund - vereinigungsbedingt - einen Bestand von 381000 Stellen. Bis Ende 1998 wird er auf rund 310 000 Stellen abgebaut werden. Das bedeutet: konstante Personalausgaben seit 1993. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Konsolidierung und zur Schaffung von Steuersenkungsspielräumen.
    Im Rahmen der Privatisierungspolitik ist die Zahl der Unternehmensbeteiligungen zwischen 1982 und 1996 um gut die Hälfte auf noch 424 gesunken. Neben einer Vielzahl einzelner Privatisierungsmaßnahmen wurden innerhalb eines Jahres auf den Kapitalmärkten mit der Teilprivatisierung der Deutschen Telekom AG und der Restprivatisierung der Deutschen Lufthansa AG zwei Privatisierungsaktionen von internationaler Dimension erfolgreich abgeschlossen.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Das Haushaltsrecht wurde modernisiert. Mit der Einführung der Haushaltsflexibilisierung werden 1999 Effizienzgewinne von deutlich über 400 Millionen DM erreicht. Daneben werden mehr Kostentransparenz und eine effizientere Planung und Steuerung von Verwaltungsabläufen durch die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung gewährleistet. In den alten Ländern haben wir die Subventionen in den letzten acht Jahren bereits um ein Drittel, etwa 10 Milliarden DM, reduziert.
    Aber ich habe an dieser Stelle eine Frage an die SPD: Wie können Sie, Herr Lafontaine, auf den Bergbaudemonstrationen die Bergleute herzen, während der präsumtive Kandidat der SPD für das Amt des Wirtschaftsministers gleichzeitig den Kohlekompromiß aufkündigen will? Sie müssen den Menschen schon sagen, was die Wirklichkeit ist: Wollen Sie den Kohlekompromiß halten, oder wollen Sie Herrn Stollmann folgen, der durch die Lande zieht und verkündet, dies sei überflüssig und falsch? Beides zusammen geht jedenfalls nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deutschland ist ein hochentwickeltes Industrieland. Wir haben ein leistungsfähiges Sozialsystem. Daran wollen wir festhalten und es, wenn nötig, auch ausbauen, wie wir es mit der Pflegeversicherung unter Beweis gestellt haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Solidarität mit den Bedürftigen, der Schutz vor sozialen Risiken, kostet Geld. Kein Sozialsystem kann es sich aber leisten, die Volkswirtschaft, die Steuer- und die Beitragszahler zu überfordern. Wenn hohe Sozialversicherungsbeiträge als Lohnnebenkosten die Investitionen hemmen und die Leistungsbereitschaft schwächen, dann ist Gefahr im Verzug. Es kann nicht sein, daß eine vierköpfige Familie in einer niedrigen
    Lohngruppe mit harter Arbeit weniger Geld verdient, als sie als Sozialhilfe erhalten könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Hier werden wir mit Modellen wie dem Kombilohn ansetzen; weitere Reformen müssen folgen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war's!)

    Die SPD will als Ausweg für mangelnden Reformwillen allein beim Steuerzahler abkassieren. Sagen Sie offen, bei wem und um wieviel! Im Startprogramm lesen wir:
    Wer auch morgen sicher leben will, darf keine Angst vor Veränderungen haben.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Na prima!)

    Ich stelle fest: Es gibt keine ernsthafte politische Kraft in Deutschland, die so viel Angst vor Veränderungen hat wie die SPD und mit der Angst der Menschen vor Veränderung bis zum 27. September systematisch Wahlkampf betreiben will.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit dem Haushaltsentwurf 1999 und dem Finanzplan bis 2002 legt die Bundesregierung die Basis für die Fortsetzung der erfolgreichen Finanzpolitik der zurückliegenden Jahre. Die Ausgaben im Entwurf des Bundeshaushalts 1999 steigen gegenüber dem Soll 1998 nur um 0,4 Prozent auf 465,3 Milliarden DM. Darin sind die höheren Zuschüsse an die Rentenversicherung bereits enthalten. Ohne diese höheren Zuschüsse ergäbe sich sogar ein nominaler Ausgabenrückgang von 1,6 Prozent.
    Die Nettokreditaufnahme sinkt zum viertenmal in Folge und liegt mit 56,2 Milliarden DM unter dem Soll 1998. Im Finanzplanungszeitraum ist ein weiterer deutlicher Rückgang bis auf gut 45 Milliarden DM vorgesehen. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt liegt 1999 unter 12 Prozent und unterschreitet damit den Wert des Jahres 1989 von 12,4 Prozent deutlich. Das muß man sich einmal klarmachen: Trotz eines erheblichen Nettotransfers für Investitionen und für soziale Maßnahmen in die neuen Bundesländer ist der Anteil der Bundesausgaben am BIP heute niedriger als 1989. Dies beweist den Erfolg der Konsolidierungspolitik im Bundeshaushalt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Investitionen bewegen sich trotz der Konsolidierung mit 57,5 Milliarden DM auf dem Niveau des Vorjahres. Im Finanzplanungszeitraum 1998 bis 2002 verzeichnen wir einen durchschnittlichen Ausgabenzuwachs von 1,1 Prozent. Damit unterschreitet der Bund die Ausgabenempfehlung des Finanzplanungsrates von 2 Prozent ganz deutlich.
    Die konsequente Ausgabenbegrenzung im Bundeshaushalt 1999 geschieht mit Augenmaß. Damit unterscheiden wir uns fundamental von Versprechungen des Kanzlerkandidaten der SPD, die durch Unseriosität und Unverbindlichkeit gekennzeichnet sind.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Sie sind unseriös, weil milliardenschwere Programme und Maßnahmen ohne Finanzierungskonzept in Aussicht gestellt werden. Das Gerede der SPD vom Kassensturz ist angesichts des von der Bundesregierung vorgelegten vollständigen Zahlenwerks nichts anderes als Wahlkampfgetöse.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin dem Kollegen Karl Diller außerordentlich dankbar.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)

    - Wenn er recht hat, hat er recht. - Er hat gesagt, wenn die SPD an die Regierung käme - was nicht stattfinden wird -, würde er seinen Vorderen raten, den gleichen Haushaltsentwurf wieder einzubringen. Lieber Herr Diller, ich möchte mich für dieses Testat ausdrücklich bei Ihnen bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch des Abg. Karl Diller [SPD])

    Sie werden zwar nicht die Möglichkeit dazu erhalten, aber Ihr Realitätssinn auch in schwieriger Zeit ehrt Sie.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Aussagen der SPD verdienen das Prädikat „unverbindlich", weil Schlagworte wie „Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft" aufgebracht werden - ohne konkrete Aussagen.
    Meine Damen und Herren, Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Die Bundesregierung hat im Haushaltsentwurf 1999 bei einer ausgewogenen Ausgabenstruktur in volkswirtschaftlich wichtigen Investitionsbereichen ganz deutliche Akzente gesetzt.
    Der Aufbau Ost hat für uns weiterhin eine herausragende Bedeutung. Die Ausgabentransfers werden in 1999 eine Größenordnung von rund 94 Milliarden DM erreichen. Weit über 40 Prozent der gesamten Investitionsausgaben des Bundes gehen in die neuen Länder. Fast jede zweite Mark der Verkehrsinvestitionen von rund 20 Milliarden DM ist für Projekte in Ostdeutschland vorgesehen.