Rede von
Hartmut
Koschyk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von Karl Valentin stammt der Satz: Es ist alles gesagt, nur noch nicht von allen. In diesem Sinne möchte ich mich bemühen - und das, ohne daß ich das, was vorhin schon gesagt wurde, an dieser Stelle noch einmal aufzugreifen -, in gewisser Weise noch einmal unsere Kommissionsarbeit der letzten vier Jahre zusammenzufassen. Es ist sicher gut, wenn wir am Ende der Arbeit dieser Enquete-Kommission des Bundestages feststellen, daß wir uns in den demokratischen Fraktionen des Bundestages in weiten Teilen hinsichtlich der Bewertung der SED-Diktatur, aber auch hinsichtlich des Prozesses hin zur deutschen Vereinigung einig gewesen sind.
Verschiedene Redner haben schon ausgeführt, was sie dazu bewogen hat, in dieser Enquete-Kommission mitzuarbeiten. Mich hat folgendes bewogen: Man hat einer ganzen Generation in Deutschland den Vorwurf gemacht, den demokratischen Neuanfang nach 1945 nicht zu einer radikalen, tiefgehenden und weitreichenden Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte in den Jahren 1933 bis 1945 genutzt zu haben. Als jemand, der 1959 in Westdeutschland geboren ist, habe ich als Abgeordneter dieses Parlamentes bei der Mitarbeit in dieser Enquete-Kommission meine Rolle darin gesehen, einer jungen Generation, die die SED-Diktatur und den Prozeß der deutschen Einheit aus der Rückschau betrachten wird, deutlich zu machen, daß es über zwei Legislaturperioden eine Kommission im Bundestag gegeben hat, die sich in großer Verantwortung und mit viel Mühe und Arbeit diesem Aufarbeitungsprozeß gestellt hat.
Selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir als Bundestag nicht ein Monopol für diese Aufarbeitung für uns in Anspruch nehmen. Selbstverständlich kann die Aufarbeitung nicht mit der Übergabe dieses Abschlußberichtes abgeschlossen sein. Wir sind uns einig gewesen, daß dieser Aufarbeitungsprozeß fortgesetzt werden muß. Das reicht von den Formulierungen zur Gedenkstättenkonzeption - ich möchte mich bei Ihnen, Herr Vergin, bedanken, daß wir das einvernehmlich beschließen konnten - bis hin zu dem Einvernehmen, daß die Aufarbeitung in einer Stiftung fortgesetzt werden muß. Mit der Zustimmung aller demokratischen Fraktionen dieses Hauses haben wir deshalb ein entsprechendes Stiftungsgesetz verabschiedet.
Ich möchte mich beim Kollegen Häfner bedanken, dem es gelungen ist, in der schwierigen Frage eines Teilsitzes dieser Stiftung im Haus der Demokratie in Berlin einen Konsens mit allen notwendigen Organisationen zu erreichen.
Aber es ist auch gut und richtig, daß dieser Bericht deutlich macht, wo wir uns gestritten haben, wo wir nicht einig sind. Deshalb möchte ich namens meiner Fraktion das Sondervotum der SPD zum Prozeß der wirtschaftlichen und sozialen Transformation zurückweisen. Liebe Kollegen von der SPD, Sie tun dort so - Gerd Poppe hat dies vorhin auf den Punkt gebracht -, als lägen die Verantwortlichkeiten für das, was bis heute im Prozeß der wirtschaftlichen und sozialen Aufarbeitung noch nicht erreicht worden ist, eher bei dieser Bundesregierung als bei denjenigen, die diese Erblast verschuldet haben. Das ist nicht gut. Es ist auch deshalb nicht gut, weil Sie den Blick dafür verstellen, was alles erreicht worden ist.
In einer beeindruckenden Solidarleistung der Deutschen sind die Veränderungen, die auf die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern zugekommen sind, in Gang gebracht worden.
Ein Wort zur PDS: Wir haben jemanden wie Herrn Schürer in diese Enquete-Kommission eingeladen und gehört. Er hat uns eindrucksvoll belegt, daß die Außenverschuldung der DDR 1989 eine nicht mehr beherrschbare Höhe angenommen hatte und schon deren bloßes Anhalten zu einer Verringerung des Lebensstandards um 30 Prozent geführt hätte. Es war Herr Schürer, der ehemalige Vorsitzende der Plankommission der DDR, der in dieser Enquete-Kommission gesagt hat: Die Marktwirtschaft hat sich geschichtlich in ihrer Innovationskraft der von uns praktizierten Art der zentralen Planwirtschaft als überlegen erwiesen.
Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen zu dem Disput, wie wir mit der PDS umgehen. Ich habe in vielen Diskussionen in der CDU/CSU-Fraktion den schmerzlichen Prozeß des Umgangs mit der Geschichte bei denjenigen erlebt, die in der ehemaligen DDR als Teil der Blockparteien Mitglied der CDU waren oder gar Verantwortung getragen haben. Das ist ein schmerzhafter Prozeß, dem sich die Union gestellt hat. Sie müssen nur einmal nachlesen, was Leute wie Arnold Vaatz und andere in dem Prozeß des Umgangs mit dieser Vergangenheit bewirkt haben.
Hartmut Koschyk
Das muß ich Ihnen jetzt einmal sagen: Sie müssen schon auseinanderhalten können - und auch aushalten können -, daß es ein Unterschied ist, ob jemand in einer Partei, die zu den Blockparteien gehört hat, nur Mitglied gewesen ist oder aber auch Verantwortung getragen hat. Bei einem demokratischen Neuanfang - die Wiedervereinigung war sicherlich ein solcher; auch Ihre Partei ist da nicht frei von beeindruckenden Beispielen - müssen Sie jedem das Recht auf einen demokratischen Neuanfang zubilligen. Es gibt das Recht auf politischen Irrtum. Dem, der keine individuelle Schuld auf sich geladen hat und sagt „Das System war falsch", müssen Sie dieses Recht zugestehen.
Ich finde es etwas traurig, daß Sie hier so tun, als gäbe es diese Diskussion in Ihrer Partei nicht. Viele von Ihnen haben die PDS in ihren heutigen Debattenbeiträgen richtig als das charakterisiert, was sie ist: Sie ist die Fortsetzungspartei der SED, mit all ihren Tricksereien und Schiebereien, die der 2. Untersuchungsausschuß in seinem Abschlußbericht über die Verschiebung von Vermögenswerten festgestellt hat. Sie ist die Partei der Trickser, Täuscher und Lügner.
Es ist wirklich. ein Unterschied, ob ein Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Bauernpartei in der ehemaligen DDR angehört hat oder ob Sie in Magdeburg mit einer Partei, die keinen Anspruch darauf hat, in den demokratischen Verfassungsbogen einbezogen zu werden, eine stille Koalition eingehen.
Sie sind übrigens auch den Mitgliedern Ihrer Partei, die das nicht mittragen, eine Auseinandersetzung darüber schuldig. Lieber Herr von Larcher, der Historiker Heinrich August Winkler, Mitglied Ihrer Partei, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, hat dazu Bemerkenswertes geschrieben. Tun Sie nicht so, als sei das nur eine Wahlkampfauseinandersetzung. Hochangesehene Mitglieder Ihrer Partei setzen sich mit Magdeburg auseinander.
Der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Herr Kissel, hat Ihre Partei nach 42 Jahren Mitgliedschaft wegen Magdeburg verlassen. Sie sollten daher nicht so tun, als gehörte dies nicht in eine Debatte über einen Abschlußbericht einer Enquete-Kommission, in der wir uns um des antitotalitären Konsenses in Deutschland willen einig werden und in der wir darüber streiten müssen, wie wir in Deutschland, in der Demokratie, mit einer Partei umgehen, die sich nicht selbstkritisch von der Staatspartei getrennt hat, die - das haben wir einvernehmlich formuliert - für die Diktatur, für dieses große Unrecht und das Leiden der Menschen in der ehemaligen DDR verantwortlich war.
Der Versuch, die zu verabscheuende Partei DVU in Magdeburg mit Hilfe der PDS zu bekämpfen, heißt, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. Das kann nie gelingen.