Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, es ist schon interessant, Ihren Einlassungen zuzuhören, wenn man im Hinterkopf hat, daß der Kanzlerkandidat der SPD Morsleben für nutzbar hält und wenn man zur Kenntnis nimmt, daß sich auch die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt aus dem Streit, den Frau Heidecke inszeniert hat, eher heraushalten.
Ich weise den Vorwurf der Nutzung des DDR-Rechts bzw. der Verbiegung des Einigungsvertrages, wie Frau Lemke ihn hier erhoben hat, schon deswegen zurück, weil die Juristen von Frau Heidecke in bezug auf Hettstedt bzw. Teich 10 und die Probleme, die in diesem Zusammenhang aufgetaucht sind, in der juristischen Variante der Politik genau das tun, was Sie der Bundesregierung hier vorwerfen. Ich wäre an Ihrer Stelle mit dem Vorwurf bezüglich Einigungsvertrag und DDR-Recht sehr vorsichtig, da die Juristen von Frau Heidecke im Namen der SPD-geführten Landesregierung in Sachsen-Anhalt am Teich 10 just dieses Recht anwenden. Sie brauchen das nicht zu bestreiten; ich kann Ihnen die Richtigkeit meiner Aussage nachweisen. Die Unterlagen dafür sind vorhanden. Sie sollten sich an die Fakten halten.
Es ist eigentlich vollkommen uninteressant, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Ihr Antrag, Frau Lemke, einer sachlichen Prüfung standhält. Er tut es nicht, weil er gegenüber der Außenwelt im Grunde genommen den Eindruck erweckt, daß mit den Grünen ein Ausstieg aus der Kernenergie und aus der nuklearen Entsorgung möglich wäre. Freundlicherweise übersehen Sie, daß Sie die Antwort darauf, was Sie an Stelle der Politik der gegenwärtigen Bundesregierung machen würden, schuldig bleiben. Daß Sie in Ihren eigenen Reihen mittlerweile an dem, was Sie eigentlich machen können, erhebliche Zweifel haben, wird durch zwei Dinge deutlich:
Erstens. Ihre Kollegin Frau Schönberger hat in einer Presseerklärung Anfang dieses Jahres selber darauf hingewiesen, daß sich die Programmatik der Grünen derjenigen der SPD annähert: Ausstieg „light" - also das Ziel eines Ausstieges innerhalb von 25 oder 30 Jahren, wie Gerhard Schröder es formuliert hat.
Zweitens. Das, worauf ich hinweisen möchte, läßt sich an dem Papier festmachen, das der grüne Staatssekretär aus Hessen, Herr Baake, jetzt vorgelegt hat. Herr Baake selbst spricht im Zusammenhang mit den Ausstiegsvorstellungen der Grünen davon, daß Sie Hunderttausende von Arbeitslosen produzieren, daß Sie soziale Brüche produzieren, daß Sie im Grunde genommen die bestehenden Anlagen nutzen müssen und daß einer der Kernpunkte Ihrer Argumentation, das Verbot der Wiederaufbereitung in Frankreich oder England - ich habe Ihnen dies gegen Ihre Einwände hier immer wieder vorgehalten -, dazu führen würde, daß man in Deutschland mehr Transporte bewältigen muß. Herr Baake macht in seinem Papier und in seinem Vortrag - wie das in der „HAZ" vom 21. April 1998 beschrieben ist - deutlich, daß die Gril-
Kurt-Dieter Grill
nen erhebliche Argumentationsschwierigkeiten bekommen.
Mein Fazit ist, daß Ihre Anträge in der Sache keine neuen Argumente enthalten, daß sie noch nicht einmal ansatzweise eine Alternative zur gegenwärtigen Regierungspolitik darstellen, sondern Sie setzen darauf, daß Ihr Nein statt einer verantwortungsvollen Politik ausreichen würde. Genau das ist nicht der Fall. Das heißt, daß es sich eigentlich nicht lohnt, mit Ihnen in der Sache zu streiten, weil dies der Außenwelt die politische Botschaft vermitteln würde: Wir steigen aus, und mit uns gibt es keine der bestehenden Anlagen.
Mit Formulierungen zu sozial- und umweltverträglichen Lösungen versuchen Sie, Alternativen aufzuzeigen, die einer sachlichen Prüfung nicht standhalten. Nicht ich, sondern Herr Baake weist Ihnen nach, daß genau dies für Ihre Politik, die Sie gegenüber der Außenwelt in Fragen der Kernenergie verkünden, zutrifft.
- Nein, ich habe überhaupt kein anderes Thema, ganz und gar nicht.
Das Entscheidende ist, daß der politische Gehalt des Antrages lautet: Mit uns steigt ihr aus Morsleben und Konrad aus. Ich könnte noch weitere Anträge, die wir hier gerade erst beraten haben, hinzufügen. Das würde dann besagen: Mit uns steigt ihr aus allen Anlagen aus, die in Deutschland für die nukleare Entsorgung entstanden sind.
Es ist doch hochinteressant, daß wenige Monate vor der Bundestagswahl ausgerechnet ein Staatssekretär aus Hessen den Grünen haargenau nachweist, daß ihre Ausstiegspolitik nicht geht und daß es sich in bezug auf den gleichzeitigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und der Kernenergie und in bezug auf viele andere Dinge mehr, die wir Ihnen ja vorgeworfen haben - auch im Zusammenhang mit einem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen -, genauso verhält, wie wir das behauptet haben.
Deswegen geht es heute gar nicht um Morsleben und Konrad, sondern es geht um die Frage, wie Ihre Entsorgungspolitik aussieht.
- Die Zwischenrufe von Ihnen machen es nicht besser.
Es ist ja ganz interessant, daß Herr Müller hier zum Beispiel gar nicht vorgetragen hat, daß er Konrad ablehnt. Zu Konrad haben Sie eigentlich so gut wie nichts vorgetragen. Sie, Herr Müller, wissen genauso gut wie ich, daß der niedersächsische Ministerpräsident Konrad für machbar und richtig hält.
Deswegen ist eine Diskussion über zwei Punkte wichtig. Das eine ist der Vorwurf, den ich zurückweise - das wissen auch Sie, daß Sie das nicht belegen können -, wir gingen mit der Sicherheit der Menschen leichtfertig um. Das ist eine der üblichen Parolen, die Sie ausgeben, die aber einer sachlichen Prüfung - Herr Hirche hat darauf hingewiesen - nicht standhalten. Vielmehr führen wir eine offene, fachlich qualifizierte Diskussion. Bei den Gutachtern, die Sie zitieren - bis hin zu Professor Herrmann -, handelt es sich um Gutachter, die diese Bundesregierung bestellt hat. Die haben doch nicht Sie bestellt. Ich könnte Herrn Köhne, der nach mir spricht, vorlesen, wie die DDR damals die Genehmigung für das Endlager begründet hat. Nachdem er das gehört hat, müßte er eigentlich sitzen bleiben.
Ich komme zum zweiten Punkt. Meine Damen und Herren, es geht in Ihrem Antrag konkret - deswegen rede ich auch gar nicht mehr über Sachverhalte, weil es sinnlos ist, mit Ihnen darüber zu streiten - um das Signal für den Ausstieg. Dieser Ausstieg - das hat Herr Baake Ihnen sowohl ausweislich der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" vom 21. April 1998 als auch in seinem konkreten Papier bewiesen -, so wie Sie ihn dem Publikum, den Wählerinnen und Wählern dieses Landes, auch denen in Sachsen-Anhalt, versprechen, geht nicht. Sie versprechen eine Politik, die Sie dann hinterher nicht machen können. Sie sollten vor dem 27. September in Deutschland schon klarmachen, wie eigentlich Ihre nukleare Entsorgungspolitik aussieht. Ich sage Ihnen voraus: Sie werden im Falle eines Sieges vieles von dem nutzen, was Sie bis dahin in diesem Hause abgelehnt haben.