Rede von
Manfred
Opel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege, ich greife Ihren medizinischen Vergleich sehr gerne auf. Sie können besorgt sein, wenn irgend jemand eine Krankheit hat, die nur einen Teil des Körpers befallen hat, aber seine Substanz insgesamt noch intakt ist. Wir denken, der Kern der Bundeswehr ist gesund. Aber wir dürfen Ihnen die Bundeswehr nicht überlassen; denn Sie verändern die Bundeswehr im Kern. Sie tun nichts. Sie sind eine „Tu-nichts-Regierung" .
Wir müssen die Bundeswehr aber modernisieren.
Wie Sie in der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage nachlesen können, gibt es - hören Sie zu; das haben Sie vorhin bestritten - Plafondkürzungen in erster Linie im investiven Bereich. Das heißt im Klartext nichts anderes, als daß die Bundeswehr auch nach Ihrer Meinung unterfinanziert ist.
Die Folgen sind dramatisch: Etwa die Hälfte der Beschaffungsmittel, die Ihnen noch bleiben - es sind sowieso zuwenig -, müssen Sie in Erhaltungsmaßnahmen von Uraltmaterial der Bundeswehr stecken. Offizielle Zahlen der Hardthöhe gehen sogar von 62 Prozent für das Heer aus. Wer Streitkräfte unterhält, um sicher leben zu können - das ist das, was wir tun -, muß sie aber auch modern ausrüsten und modern ausbilden.
Hierbei geht es ausschließlich um politische Verantwortung. Es geht um Verantwortung für einen stabilen und belastbaren Frieden. Vor allem geht es um Verantwortung für die Menschen, und zwar nicht nur für jene, die Sicherheit empfangen, sondern auch für die Menschen in der Bundeswehr und für die Menschen, die für die Bundeswehr arbeiten, zum Beispiel in der Wehrwirtschaft.
Unterdessen ist der Bundeswehrhaushalt längst zum finanziellen Steinbruch dieser Bundesregierung
verkommen. Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage weist aus, daß die mittelfristige Finanzplanung allein für die Jahre 1996 bis 1998 über 5 Milliarden DM weniger vorgesehen hat. Das heißt konkret: Allein in den letzten drei Jahren ist die Unterfinanzierung pro Jahr um fast 2 Milliarden DM gestiegen, und zwar zu Lasten der Investitionen. Wenn man es umrechnet, bedeutet das: Pro Arbeitstag erhält die Bundeswehr fast 10 Millionen DM weniger, als ihr noch vor drei Jahren durch den Finanzminister, durch die Bundesregierung, durch Sie hier im Finanzplan versprochen wurden.
Die chronische Unterfinanzierung ist natürlich - das wissen Sie - überall sichtbar und spürbar. Auch in diesem Jahr fehlen Ihnen zusätzlich - wie Sie vor zwei Tagen im Verteidigungsausschuß einräumen mußten - über 900 Millionen DM. Noch kurz zuvor hatten Sie eine entsprechende Meldung in den Medien, es würden 800 Millionen DM fehlen, dementieren lassen. Wer soll Ihnen vor diesem Hintergrund eigentlich noch vertrauen? Kann man Ihnen das, was Sie sagen, noch glauben?
Denken wir an das nächste Jahr, 1999. Der Verteidigungshaushalt muß eine ungeheuer hohe finanzielle Vorbelastung verkraften: über 2 Milliarden DM. Das ist weit jenseits des Verantwortbaren. Das können Sie nicht mehr mit dem berühmten Streichen, Strecken, Schieben schaffen.
Um wenigstens die wichtigsten Reparaturen und die notwendigsten Ersatzteilbeschaffungen bezahlen zu können, hat sich der Minister einen Trick einfallen lassen. Er geht durch die Lande und sagt: Meine Struktur hat 340 000 Soldaten. In Wirklichkeit hat er 325 000 Soldaten. Das heißt, er spart die Kosten für 15 000 Wehrpflichtige und Zeitsoldaten ein; das sind pro Jahr 500 Millionen DM. Das bedeutet, seine eigene Struktur gilt heute längst nicht mehr. Seine vier Strukturgrundsätze, die er gebetsmühlenhaft wiederholt, sind dadurch ausgehöhlt.
Sie predigen ständig das Hohelied der Reservisten; das haben Sie auch heute getan.
Aber schauen Sie doch mal, wie die Wirklichkeit ist. Die Wirklichkeit ist so: Wir haben heute den historischen Tiefstand an Wehrübungsplätzen; wir haben gerade noch 2 500 Wehrübungsplätze. Damit können Sie die Aufwuchsfähigkeit, die Sie ständig zum Kern Ihrer Planung machen, überhaupt nicht durchhalten, weil Sie auf Grund der geringen Zahl von Wehrübungsplätzen keine ausgebildeten Soldaten haben können.
Wir sehen heute eine Beschaffungseuphorie ohne Planung. Wir sehen, daß auf der Hardthöhe über 200 Milliarden DM in Verträge umgesetzt werden,
Manfred Opel
ohne daß es überhaupt eine gültige Planung gibt. Einige Dinge können Sie überhaupt nicht beschaffen, weil Ihnen wegen der Verdrängung durch die teuren Rüstungsvorhaben Geld für Wichtiges fehlt. Es gibt nämlich keine Priorisierung auf der Hardthöhe.
Einige Beispiele: Die Kosten für die Raumgestützte Aufklärung, die die Voraussetzung für den Einsatz von Streitkräften ist - darüber sind wir uns im Verteidigungsausschuß und im Parlament alle einig -, sind mit keinem einzigen Pfennig im Haushaltsentwurf des nächsten Jahres und sicherlich auch nicht in der Planung, die uns seit langem versprochen wird, berücksichtigt. Das taktische Transportflugzeug kann nicht rechtzeitig beschafft werden, obwohl die Einsatzbereitschaft der Transall, wie Sie in der Großen Anfrage nachlesen können, dramatisch gesunken ist. Das Heer erhält keinen neuen Schützenpanzer - verwechseln Sie das bitte nicht mit dem Transportpanzer. Die dringend erforderlichen Minenräumfahrzeuge, die sich in Bosnien so sehr bewährt haben, können nicht in der erforderlichen Anzahl beschafft werden. Der Bau der beiden Einsatzgruppenversorger wird von Jahr zu Jahr verschoben.
Der Wehrsold für die Wehrpflichtigen sollte nach vielen Jahren um 2 DM angepaßt werden. Dem haben Sie sich widersetzt. Wir bleiben dabei.
Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, daß sich der Haushaltsausschuß unserer Meinung angeschlossen hat, so daß wir hoffentlich am 1. Juli 1998 den Wehrpflichtigen das geben, was ihnen zusteht.
Die dringend erforderliche Feldwebellaufbahn können Sie nicht finanzieren, weil Sie kein Geld haben. Zwingend gebotene Beförderungen müssen unterbleiben. Händeringend geforderte Wohnungen im Osten können nicht gebaut werden. Die Kasernen in den neuen Bundesländern sind teilweise in einem beklagenswerten Zustand. In der Antwort auf die Große Anfrage sagen Sie, die Verbesserung der Infrastruktur würde über 2 Milliarden DM erfordern. Diese 2 Milliarden DM haben Sie nicht.
Für die meisten Gefechtsfeldfahrzeuge mußten Sie jährliche Laufleistungsbegrenzungen einführen, zu deutsch: Sie dürfen gar nicht mehr fahren. Die „Kannibalisierung", offiziell „gesteuerter Ausbau" genannt, ist in der Truppe weit verbreitet, um nach dem Motto „Aus zwei mach' eins" überhaupt die notwendigsten Ersatzteile zu gewinnen.
Anders als der derzeitige Verteidigungsminister werden wir eine Struktur des Vertrauens schaffen. Wir werden vorher mit allen Betroffenen beraten, welcher Weg der richtige ist. Wir wissen, daß unsere Bundeswehr die Sicherheitsverantwortung für uns alle übernommen hat. Dafür sagen wir ihr auch heute Dank.
Für uns stehen die Menschen im Zentrum unserer politischen Fürsorge. Die Bundeswehr kann sich - wie bisher - auf die Sozialdemokraten verlassen.
Unsere Soldaten haben eine bessere Führung verdient. Sie werden sie bekommen.
Ich danke Ihnen.