Rede von
Günther Friedrich
Nolting
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte Ihnen zu Beginn für Ihre Große Anfrage danken. Ich möchte Ihnen auch meine Anerkennung aussprechen, daß Sie sich
Günther Friedrich Nolting
in so umfassender Weise um die Belange der Bundeswehr Gedanken gemacht haben. Dies kann man wohl von meinem Vorredner, von den Grünen insgesamt, nicht sagen.
Herr Kollege Nachtwei, ich wiederhole es hier gerne noch einmal: Wer die Bundeswehr letztendlich abschaffen will, wer die NATO ablösen will, wer sich am Bosnien-Einsatz nicht mehr beteiligen will, der ist international nicht handlungsfähig, der ist national nicht regierungsfähig, der ist national auch nicht wählbar.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie in diesem Bereich der Außen- oder Sicherheitspolitik jemals Verantwortung tragen sollten, so ginge über Jahrzehnte durch die liberalen Außenminister Scheel, Genscher und Kinkel aufgebautes Vertrauen, das Deutschland in der Welt genießt, verloren. Deutschland ginge wieder einmal einen Sonderweg ohne Verläßlichkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie sollten sich wahrlich überlegen - ich schließe an das an, was der Kollege Breuer gesagt hat -, wen Sie sich als Koalitionspartner suchen.
Aber dazu wird es ja auch nach der nächsten Wahl nicht kommen. Wir werden das zu verhindern wissen.
Ich komme zu Ihrer Anfrage zurück. Wir sagen dazu: Die innere Lage der Bundeswehr ist nicht schlecht, Herr Kollege Zumkley, auf jeden Fall nicht so schlecht, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag aufzeigen. Aber die innere Lage - auch das sage ich Ihnen als Fraktion - könnte noch besser sein, wenn die große Oppositionspartei nicht durch Forderungen nach Strukturkommission und Untersuchungsausschuß und die dadurch öffentlich geführten Diskussionen genau die Verunsicherung herbeiführen würde, die Sie in Ihrer Einleitung beklagen, und damit versuchte, dies der Bundesregierung und dieser Koalition in die Schuhe zu schieben.
Ich halte aber auch fest, Herr Kollege Zumkley und Herr Kollege Kolbow, daß wir offenkundig über unsere parlamentarische Arbeit ein unterschiedliches Selbstverständnis haben.
Es ist die Aufgabe der Politik, den politischen Auftrag für die Bundeswehr zu erarbeiten und letztendlich auch zu erteilen. Aus diesem politischen Auftrag leiten sich dann automatisch weitere strukturelle Details ab. Diese Aufgabe ist nach unserem Verständnis unsere ureigenste Aufgabe. Denn die Bundeswehr
ist eine Parlamentsarmee, und sie soll aus unserer Sicht auch weiterhin eine Parlamentsarmee bleiben.
Daher, liebe Kollegen von der SPD, können wir unsere Verantwortung für die Zukunft der Bundeswehr nicht auf eine Wehrstrukturkommission abwälzen, wie Sie es immer fordern. Herr Kollege Kolbow, Sie haben das ja unlängst, nämlich am 8. April, auch in der Tageszeitung „Die Welt" gefordert. Ich habe auch hier den Eindruck, daß Sie damit von den Problemen, die Sie verursachen, ablenken wollen.
Nein, wir, die Parlamentarier, haben zu entscheiden. Wir müssen zu unserer eigenen Entscheidung stehen. Wir müssen den Mut dazu haben und dürfen die Verantwortung eben nicht wegdrücken.
Herr Kollege Zumkley, Sie haben in Ihrer Anfrage ausgedrückt, daß sich die Reduzierung der Wehrdienstdauer negativ auf den Ausbildungsalltag ausgewirkt habe. Ich bin der Auffassung, daß gewisse vorhandene Friktionen darauf zurückzuführen sind, daß die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Zeit zwar erfolgte, gleichzeitig aber nicht die Ausbildungsanforderungen rechtzeitig zurückgeführt wurden. Ich halte aber fest, daß in den Hauptverteidigungskräften in zehn Monaten mit einem entschlackten Ausbildungsprogramm eine militärisch sinnvolle Ausbildung erzielt werden kann.
Für die Spezialverwendungen in den Hauptverteidigungskräften und für die Krisenreaktionskräfte haben wir den freiwillig länger dienenden Wehrpflichtigen geschaffen, übrigens, wenn ich das hier noch einmal sagen darf, auf Anregung der F.D.P. in der damals damit befaßten Koalitionsarbeitsgruppe.
Ich denke, dies ist ein Instrument, das nach allen Aussagen, die mir jedenfalls bekannt sind, von Vorgesetzten und Wehrpflichtigen hervorragend beurteilt wird. Ich sehe hier ein vorrangiges Ziel für das Verteidigungsministerium, aber auch für uns Parlamentarier, die Zahl dieser Stellen deutlich zu erhöhen und dieses Instrument noch besser zu nutzen. Herr Kollege Kolbow, ich bedanke mich für die Unterstützung. Wir werden darauf zurückkommen.
Meine Damen und Herren, personell, denke ich, steht die Bundeswehr insgesamt gut da. Wir haben allen Grund, auf unsere Zeit- und Berufssoldaten, auf die Grundwehrdienstleistenden und freiwillig länger dienenden Wehrdienstleistenden sowie auf die zivilen Mitarbeiter stolz zu sein.
Sie machen ihren Dienst hervorragend, und die Motivation ist weitgehend gut. Aber ich sage auch dazu: In materieller Hinsicht ist es zutreffend, daß es Schwierigkeiten gab und in Teilbereichen auch heute noch gibt. Es hat bei der Instandsetzung und bei der Ersatzteilbeschaffung durchaus Engpässe gegeben. Dies ist zum Teil strukturell bedingt, teils ist es auf die schwierige Finanzsituation zurückzuführen.
Günther Friedrich Nolting
Ich sage dazu auch ganz offen: Es kann, solange die Gesamtsituation der öffentlichen Haushalte schwierig bleibt, auch hier keine endgültig befriedigenden Lösungen geben. Ich erlaube mir aber den Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, daß es zu keiner Zeit in der Bundeswehr eine materielle Einsatzbereitschaft von 100 Prozent gegeben hat. Auch die sozialdemokratischen Verteidigungsminister Schmidt, Leber und Apel haben das nicht geschafft, obwohl damals weitaus mehr Finanzmittel verfügbar waren als heute.
Dies müssen wir auch den Soldaten heute sagen, weil ich mancherorts die Tendenz zu der Haltung feststelle, daß früher eben alles besser war. Dies ist nicht so, und jeder sollte seine Erinnerung in dieser Hinsicht sorgfältig überprüfen. Herr Kollege Zumkley, Sie sind bis 1987 in verschiedenen Verwendungen in der Bundeswehr tätig gewesen. Ich denke, Sie können das aus der eigenen Erfahrung heraus bestätigen.
Ich will damit überhaupt nicht beschönigen, daß die Materiallage, die wir heute haben, verbessert werden muß. Jedoch gilt auch hier wie für viele andere Bereiche die Grundregel, wonach wir die ständige Verpflichtung zu Verbesserungen haben. Wir sind als F.D.P. allerdings der Auffassung, daß die anstehenden Aufgaben der Bundeswehr finanziell besser bewältigt werden könnten, wenn die eingeleiteten Maßnahmen zur Aufwandsbegrenzung und Rationalisierung konsequenter verfolgt und durch eine vorbehaltlose Prüfung von Privatisierungsmöglichkeiten ergänzt würden.
Meine Damen und Herren, die Grundwehrdienstleistenden sind in ihrer aktiven Dienstzeit in der Truppe und später als Reservisten in der Gesellschaft das Herz der Bundeswehr. Ihnen muß weiterhin ein besonderes Augenmerk gelten.
Ich denke aber auch, daß neben einer verbesserten finanziellen Situation, für die wir in dieser Legislaturperiode gesorgt haben, wir alle, nicht nur die Verteidigungspolitiker, gefordert sind, auch moralisch immer wieder eines deutlich zu machen: Der Deutsche Bundestag steht zu den Soldaten der Bundeswehr und zu den zivilen Mitarbeitern. Wir erkennen den Dienst hoch an und verwahren uns gegen jede Verunglimpfung der Bundeswehr und ihrer Angehörigen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf die gegenwärtige Einberufungspraxis eingehen. Ich denke, daß angesichts der Situation in Deutschland darüber nachgedacht werden muß, ob die bestehenden Wehrdienstausnahmen noch angemessen sind. Im Vergleich zu Ausnahmen, die aus den 60er und 70er Jahren stammen, könnte es beispielsweise heute sinnvoller sein, junge Existenzgründer, die nachweislich Arbeitsplätze schaffen, vom Wehrdienst freizustellen. Dies wäre aus meiner Sicht eine legitime staatliche Interessenabwägung.
Sorge macht mir ebenfalls die Praxis der Gewährung des Arbeitsplatzschutzes besonders in den neuen Bundesländern. Immer wieder hört man, daß befristete Arbeits- oder Ausbildungsverträge geschlossen werden und daß die jungen Männer, wenn sie von der Bundeswehr kommen, in die Arbeitslosigkeit gehen müssen. Hier müssen wir - ich denke, auch darin stimmen wir überein - gemeinsam mit der Regierung und mit Vertretungen von Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe zu Verbesserungen kommen.
Ein Thema will ich heute natürlich nicht auslassen. Als F.D.P. werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, daß die Bundeswehr in Zukunft mehr Möglichkeiten für Frauen bietet, die sich freiwillig verpflichten wollen.
Hier muß dringend eine Lösung gefunden werden. Überall dort, wo Frauen freiwillig in der Bundeswehr mitarbeiten wollen, müssen wir die Möglichkeit dazu schaffen.
Meine Damen und Herren, vorhin habe ich schon die Presse vom 8. April 1998 angesprochen. Ich habe einen Artikel mit der Überschrift „SPD erwägt längeren Wehrdienst" mitgebracht. Bei der Lektüre war ich doch sehr erstaunt. Ich habe mir vorgestellt, wie der Kollege Kolbow auf dem nächsten SPD-Bundesparteitag eine Verlängerung des Wehrdienstes vorschlägt. Herr Kollege Kolbow, ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Oder handelt es sich dabei vielleicht um einen verspäteten und damit wohl auch letzten Aprilscherz?