Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Zumkley, die ja ausdrückte, daß hier die grundsätzlich intakte Lage der Bundeswehr beraten werde und man an der Abstellung von Mängeln arbeiten müsse, stimmt nicht so ganz überein mit dem, was die SPD in ihrem Entschließungsantrag zum Ausdruck bringt.
Dort heißt es, der Zustand der Bundeswehr, die tatsächliche Lage der Bundeswehr, werde in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage verharmlost und sei in einem besorgniserregenden Zustand. Wenn man von einer grundsätzlich intakten Lage spricht - da stimme ich zu -, dann steht das im Widerspruch zu dem, was im Antrag der SPD ausgedrückt wird. Aber das ist für mich nichts Neues. Die Widersprüche in Ihrer Partei müssen auch ansonsten, gerade was die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angeht, immer wieder zur Kenntnis genommen werden - und das will ich auch hier zum Ausdruck bringen.
Meine Damen und Herren, in den Anträgen und Äußerungen der SPD wird eines überhaupt nicht deutlich: daß gerade die Streitkräfte in den letzten Jahren sehr stark damit beschäftigt waren, sich einer grundsätzlich neuen Lage im wiedervereinigten Deutschland zu stellen, und ebenso durch die neue sicherheitspolitische Lage und Rolle der Bundesrepublik Deutschland besonders gefordert waren. Daß milliardenschwere Investitionen durch die Bundeswehr gerade in den neuen Bundesländern - über das eigentlich funktional Notwendige hinaus - vom Ideellen her notwendig waren, beispielsweise der Aufbau einer Offiziersschule des Heeres in Dresden, obwohl wir eine intakte Offiziersschule haben, wird in Ihrer Antragslage völlig verkannt. Ich muß Ihnen negativ anrechnen, daß Sie die großen Leistungen der Bundeswehr beim Aufbau in den neuen Bundesländern nicht ausreichend würdigen.
In der Rede des Kollegen Zumkley wurde auffällig oft gedankt. Meine Damen und Herren, wer auffällig oft dankt, der verbirgt etwas. Er verbirgt insbesondere, daß Sie sich in den letzten Monaten - November, Dezember, Januar, Februar - darum bemüht haben, die Bundeswehr niederzureden dadurch, daß Sie auf dem Sozius der Grünen, zusammen mit ihnen, den Untersuchungsausschuß eingerichtet haben in dem Glauben, daß wegen eines Generalverdachts jeder Winkel der Bundeswehr gefilzt werden müsse. Das muß hier deutlich gesagt werden.
Den Dank an die Bundeswehr teilen wir alle, da haben wir völligen Konsens. Aber die Bundeswehr ansonsten zu verdächtigen und in die Pfanne zu hauen, sich dann aber hier hinzustellen und Dank zu sagen, das ist höchst verdächtig, meine Damen und Herren.
Die Wertschätzung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit ist weiter gestiegen. Das belegen hervorragende Umfrageergebnisse. Sie haben es nicht geschafft, daran etwas zu ändern, und werden es nicht schaffen. Im übrigen: Die SPD ist ja im Rückwärtsgang; sie rudert zurück, legt an unser Boot an und will in unser Boot einsteigen.
Sie sagt jetzt, sie habe den Untersuchungsausschuß gemacht, um den guten Ruf der Bundeswehr wiederherzustellen. Ein sehr seltsames Verfahren!
Meine Damen und Herren, sieht eine Organisation, die grundsätzlich intakt ist, so besorgniserregend aus, wie die Anträge der SPD dies darstellen wollen?
Paul Breuer
Das kann ja wohl nicht der Fall sein. Die Bundeswehr ist für unsere jungen Menschen attraktiv. Sie ist im In- und Ausland hochgeachtet. Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Horrormeldungen über die Bundeswehr Ihnen niemand ernsthaft abnimmt.
Ihre gezielt verbreiteten Luftblasen von der angeblich so dramatischen Unterfinanzierung und der Erosion des inneren Zustandes
- diese Begriffe zitiere ich ja nur; es wäre ganz interessant, sie einmal einzelnen zuzuordnen - lösen sich bei näherer Betrachtung in Luft auf.
Meine Damen und Herren, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuß hat doch völlig klar bewiesen, daß das, was beispielsweise der Kollege Dieter Heistermann in einem „Stern"-Artikel Ende letzten Jahres äußerte, daß nämlich die Gefahr bestehe, daß sich eine „braune Subkultur" in der Bundeswehr ausbreite, absoluter Nonsens war.
Wir haben doch über 130 Stunden lang zusammengesessen.
Die Bundeswehr und ihre politische wie militärische Führung haben - das wissen wir - genügend effiziente Mittel, sich auch vor Rechtsradikalen zu schützen; diese haben in der Bundeswehr keine Chance.
Was soll, Herr Kollege Kolbow, eine Wehrstrukturkommission erreichen, die Sie in Ihrem Antrag verlangen? Ich möchte mich einmal mit den Vorstellungen beschäftigen, die in Ihrer Partei hinsichtlich der Zukunft und der Struktur der Bundeswehr vorhanden sind. Direkt gegenüber sitzt Kollege Opel, der eine Berufsarmee oder Freiwilligenarmee möchte; ich vermag den Unterschied nicht zu erkennen.
- Es steht mir gar nicht zu, Ihnen ein Denkverbot zu erteilen, auch wenn ich weiß, daß es in Ihrer Partei manche gibt, die das gelegentlich möchten.
Ich nehme zur Kenntnis, daß diese Vorstellung des Kollegen Opel in der SPD existiert. Ich nehme des weiteren zur Kenntnis, daß es in der SPD Vorstellungen gibt, eine Milizarmee mit sehr kurzen Grundwehrdienstzeiten einzurichten.
Ich nehme zur Kenntnis, daß Herr Scharping, der ja
auch empfohlen hat, statt des Eurofighters ein Transportflugzeug anzuschaffen, von einer Truppenstärke von unter 300 000 redet. Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie zugleich eine Fünfjahresgaranntie für die Standorte abgeben.
Daß Sie eine Wehrstrukturkommission einrichten wollen, bei der Sie Kirchen, Gewerkschaften und was weiß ich wen beteiligen wollen, ist ein reines Ablenkungsmanöver. Es soll davon ablenken, daß Sie in der SPD nicht in der Lage sind, sich darauf zu einigen, wohin der Weg führen soll. Sollen denn, meine Damen und Herren, Bischof Lehmann oder Herr Schulte vom DGB demnächst sagen, wie es in der SPD im Hinblick auf Verteidigungs- und Sicherheitspolitik weitergehen soll? Sie haben keine Klarheit und meinen, eine Kommission würde Ihnen dabei helfen. Das ist kein Weg. Sagen Sie klar, was Sie wollen.
Ich rate Ihnen, zu allen Themen, zu denen Sie keine klaren Vorstellungen haben, Kommissionen einzusetzen. Setzen Sie eine Rentenreformkommission, eine Sozialreformkommission, eine Wirtschaftsreformkommission und was weiß ich ein. Aber vergessen Sie dann auch nicht die Kommission zur Koordinierung der Kommissionen. Der Beitrag, den die SPD hier zu bieten hat, ist jämmerlich.
Meine Damen und Herren, es wird der Tag kommen,
an dem Sie den Soldaten und ihren Familien sagen müssen, was Sie eigentlich wollen. Das haben Sie bisher unterlassen. Ihre Garantieerklärungen werden sich an diesem Tag in Luft auflösen.
Sie fordern in Ihrem Antrag Grundsätze und Ziele, denen die Struktur der Bundeswehr folgen soll, und die Ausrichtung von Struktur und Umfang der Bundeswehr unter sicherheitspolitischen und haushälterischen Gesichtspunkten. Aber all das, was Sie fordern, existiert doch längst. Wir haben auf der Basis einer fundierten sicherheitspolitischen Lageanalyse die verteidigungspolitischen Richtlinien, die konzeptionelle Leitlinie, das Ressortkonzept 1996, das Ressortkonzept Material, das Logistik- und Sanitätskonzept des Heeres, die künftige Organisation des Rüstungsbereiches und vieles mehr. Nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis und tun Sie nicht so, als sei das alles nicht vorhanden!
Dann vor allen Dingen folgendes, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD: Wenn Sie sich selbst nicht im klaren darüber sind, was Sie grundsätzlich wollen, und dann Regierungsverantwortung in der Koalition mit einem so chaotischen Partner wie die Grünen übernehmen wollen, die im Kern nicht nur wollen, daß Deutschland aus der NATO ausscheidet,
Paul Breuer
was einen Realitätsverlust ohnegleichen deutlich macht, sondern auch klarmachen, daß sie die sicherheitspolitische Situation, die Sicherheitsarchitektur in Europa zu keinem Zeitpunkt verstanden haben - sie wollen auch die Bundeswehr auflösen -, dann ist die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Deutschland nicht nur auf dem Prüfstand, sondern sie gerät in eine Schieflage, die nicht nur für Deutschland, sondern auch für diesen Kontinent gefährlich wird.
Die Koalition steht im Gegensatz zur Opposition in der Verantwortung. Diese - das wissen wir - nimmt uns keiner ab. Wenn man in der Verantwortung steht, sieht man auf den ersten Blick nicht immer attraktiv aus. Natürlich ist uns klar: Wenn man Investitionen, insbesondere im infrastrukturellen Bereich, prioritär in den neuen Bundesländern vornimmt und sagt, im Westen müssen wir einsparen, und dadurch Engpässe entstehen, so produziert man Erklärungsbedarf und ist nicht besonders attraktiv.
Entscheidend ist aber, daß wir die Priorität der Investitionen im Osten zum Aufbau der Bundeswehr fortsetzen. Natürlich ist es nicht besonders attraktiv, wenn man notwendige Investitionsvorhaben im Bereich der Ausrüstung der Bundeswehr zurückstellen muß, weil man prioritär gebunden ist und die Gesamthaushaltslage des Bundes auf Grund der wirtschaftlichen Situation der vergangenen Jahre nicht so gut ist, wie wir sie uns wünschten.
Aber wir stehen in der Verantwortung, und wir sind keine Himmelsstürmer. Setzen Sie sich doch nicht nur dafür ein, daß für den Verteidigungsetat mehr Geld vorgesehen wird - das haben Sie gerade in den letzten Jahren mehrfach getan -, setzen Sie sich doch auch dafür ein, daß der Verteidigungsetat innerhalb des Gesamtetats des Bundes erhöht wird.
Da haben Sie uns doch an Ihrer Seite. Aber das setzen Sie ja nicht einmal bei Ihrer eigenen Fraktionsführung durch. Es ist nicht glaubwürdig, was Sie tun.
Ich habe keinen Antrag von Frau Matthäus-Maier im Deutschen Bundestag gesehen, der darauf abzielte, den Verteidigungsetat zu erhöhen.
Ich habe erlebt, daß sie den Eurofighter oder vorher den Jäger 90 immer wieder für alles mögliche verwandt hat. Das zeigt die besondere Seriosität der SPD im Bereich der Finanzpolitik. Genauso jämmerlich ist ihr Zustand im Bereich der Verteidigungspolitik.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.