Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Präsident, ich möchte mich zu Beginn meiner Rede für mein unbotmäßiges Verhalten entschuldigen, das darin bestand, daß ich an einer bestimmten Stelle der Rede des Kollegen Berninger spontan applaudiert habe. Das hätte ich von der Regierungsbank nicht machen dürfen. Wissen Sie, Herr Präsident, ich war nur so dankbar sowohl für die Rede des Kollegen Laermann wie auch teilweise für die Rede des Kollegen Berninger, die sich hier wohltuend von der Rede eines furchtbaren Funktionärs aus der SPD abgehoben haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Thema, das wir heute morgen diskutieren, ist eines der wichtigen und zentralen Themen der Hochschulreform in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist der tiefe Grund dafür, warum ich bereits am 24. Mai 1996 - also weit vor der Zeit, als die Opposition angefangen hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen -, zusammen mit dem Bundesaußenminister ein Konzept zur Steigerung der Internationalität unserer deutschen Hochschulen vorgelegt habe. Das ist Teil der Hochschulreform, ein wichtiger Teil, der nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis der deutschen Hochschullandschaft zum Ausland und zu ausländischen Studenten hat, sondern gleichzeitig Maßstab, wenn Sie so wollen: Spiegel, aber auch Antriebsmotor für die notwendigen Veränderungen an unseren deutschen Hochschulen ist.
Im Zeitalter der Globalisierung ist es völlig unvorstellbar, eine Strategie, eine Politik weiterzuverfolgen, wie dies in einigen Bundesländern geschieht, die Hochschulen als Regionalhochschulen, als Teil einer örtlichen Wirtschaftsförderungskonzeption, als Teil eines Versuchs der Schaffung von Lehranstalten für den regionalen Bedarf zu verstehen.
Deutsche Universitäten werden - insofern war ich dankbar für den Hinweis des Kollegen Berninger -, die Rolle, die sie Anfang dieses Jahrhunderts gespielt haben und die durch den furchtbaren Brain-Drain auf Grund der Nazi-Barbarei verloren ist - und wir leiden heute noch immer darunter - erst dann zurückgewinnen können, wenn sie sich als Teil der internationalen Wissenschaftslandschaft verstehen und sich auch so verhalten. Es ist die Wahrheit, daß wir davon noch ein ganzes Stück entfernt sind.
Deshalb ging es nicht nur darum, das Thema im Mai 1996 anzugehen und eine schonungslose Analyse der Defizite aufzuzeigen, sondern gleichzeitig darum, an einer Vielzahl von Punkten konkrete Maßnahmen greifen zu lassen, die, losgelöst von den Rahmenbedingungen - wir wissen alle, daß dies im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ein schwieriges Feld ist, und, Herr Berninger, natürlich auch manchmal im Rahmen der eigenen Regierung -, die ersten Incentives setzen, um dafür zu sorgen, daß es solche Veränderungen gibt. Eine Vielzahl von positiven Schritten ist nicht nur eingeleitet, sondern auch umgesetzt worden.
Lassen Sie mich nur auf den für mich wichtigsten Punkt hinweisen. Das ist der Wettbewerb um internationale Studiengänge. Im vergangenen Jahr haben wir von seiten des Bundes zwölf dieser Studiengänge gefördert, dieses Jahr werden es weitere acht sein. Wir haben sie im Wege des Wettbewerbs ausgeschrieben; eine Vielzahl von deutschen Universitäten hat sich an diesem Wettbewerb beteiligt. Gleichsam entsteht in den Universitäten ein Nukleus, in dem bereits exakt das stattfinden kann, was wir uns eigentlich für die Universitäten in ihrer Gesamtheit wünschen. Die notwendigen Maßnahmen in bezug auf Bachelor und Master sind von Ihnen angesprochen worden. Teilweise kann auch in der Lingua franca, also im englischen Unterricht, gearbeitet werden. Es ist von Anfang an, daß wir hierbei eine Aufteilung
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
„50 Prozent ausländische und 50 Prozent inländische Studenten" wollen.
Deshalb, lieber Herr Berninger, ist Ihre Bemerkung bezüglich des Geldes natürlich nicht richtig. Man müßte schon etwas weiter greifen.
- Ich komme gleich auf den Artikel zurück. - Die Wahrheit ist, daß wir gerade in diesem Bereich bewußt einen Schwerpunkt gesetzt und auch größere Investitionen vorgenommen haben.
Dazu gehört aber auch - es ist wichtig, daß Kollege Laschet dies angesprochen hat -, daß dies innerhalb der Bundesregierung koordiniert wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Aufbaustudiengänge im Bereich der Entwicklungshilfe. Da wird jetzt koordiniert, da wird an beides gedacht. Da arbeitet nicht der eine in die eine Richtung, und der andere tut auch etwas Gutes. Wir versuchen vielmehr, dies miteinander zu verbinden.
In diesem Zusammenhang ist mir allerdings noch etwas wichtig. Das hat wiederum etwas mit der mentalen Veränderung zu tun. Wie sollte es an Hochschulen, die total überlastet sind, in denen zwei Studierende auf einem Studienplatz sitzen, auch anders sein? Welches Interesse hat eigentlich die Hochschule oder der Hochschulprofessor, sich besonders um ausländische Studierende zu kümmern, vor allem dann, wenn dies kompliziert, schwierig und bürokratisch ist? Herr Laermann hat darauf hingewiesen.
Daß unsere Hochschullehrer im akademischen Mittelbau dies tun, ist zu loben. Sie haben es nicht einfach, aber sie tun es trotzdem, weil sie wissen, daß Wissenschaft immer international sein muß.
Aber das reicht nicht. „Hochschule international" ist eben mehr als Hochschulpartnerschaften, bei denen der Rektor irgendwo hinfährt und ein Abkommen unterschreibt. Es ist mehr als die Tatsache, daß irgendein Hochschulprofessor, weil er eine Liebe zu einem bestimmten Land und weil er Kontakte hat, etwas besonders pflegt. Dies muß vielmehr integraler Bestandteil der Arbeit sein.
Ich habe meine Erfahrungen gemacht, als ich versucht habe, zusammen mit den Hochschulen ein Marketingkonzept für die deutsche Hochschule im Ausland zu entwickeln. Es war gar nicht einfach, an einer deutschen Hochschule überhaupt jemanden zu finden, der sich bereit und zuständig erklärte, der in der Lage war, daran mitzuwirken, weil er ein Bild von der eigenen Hochschule hatte und weil er dies so aufbereiten konnte, daß es nach außen vermittelbar war. Wir haben versucht, eine CD-ROM zu produzieren, die etwa in den Goethe-Instituten und in den Botschaften für Interessenten zur Verfügung stehen sollte. Man konnte fast noch froh sein, daß sich irgend jemand in der Presseabteilung mit dieser Frage beschäftigte. Es war schon mehr als erstaunlich, daß die Frage, wer im vergangenen Jahrhundert einmal an dieser Universität studiert hat, für den einen oder
anderen wichtiger war als die Frage, welche modernen Angebote die Universität macht. Als ich in einem Zwischenstadium festgestellt habe, daß nur etwa 15 deutsche Hochschulen niedergelegt hatten, daß sie in Sachen Biotechnologie besondere Leistungen erbringen, ist mir der Kragen geplatzt; denn ich kannte alleine schon 20 Universitäten, die in diesem Bereich exzellent arbeiten.
Das zeigt mir, daß hinsichtlich der Frage, wie wir uns nach außen verkaufen, auch in den Hochschulen noch viel gelernt werden muß. Das ist eben keine Frage des Geldes, keine Frage des Hochschulrahmengesetzes, sondern die Frage, ob ich das will und wie ich das nach außen präsentiere, ob ich ein Bild von meiner Hochschule in der Welt habe.
Weil das so ist, müssen wir das Hochschulmarketing im Ausland noch trainieren. Dies muß gemeinsam gemacht werden.
Ich sage frank und frei:
Für mich ist die Frage, wieviel ausländische Studierende an einer Hochschule arbeiten, in Zukunft auch ein Kriterium für die leistungsabhängige Hochschulfinanzierung. Wir werden uns dazu durchringen müssen, diejenigen, die in diesem Bereich Besonderes leisten, finanziell besser auszustatten als diejenigen, die meinen, daß sie ihr Leben als Regionalhochschule fristen können. Ich zumindest bin dazu bereit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in dem Zusammenhang eine Bemerkung zu den Voraussetzungen machen. Eine Voraussetzung ist - da stimme ich dem zu, was hier gesagt worden ist -, daß wir die ausländischen Studierenden mit offenen Armen empfangen. Man kann nicht auf der einen Seite CD-ROMs und Hochglanzbroschüren produzieren und damit im Ausland werben, aber auf der anderen Seite, wenn ausländische Studierende wirklich kommen, sich anders verhalten.
Das muß man sich jetzt wieder einmal praktisch vorstellen. Hierbei bitte ich - ich komme gleich auf das Thema Verwaltungsvereinbarung; das ist ohne Zweifel ein wichtiger Punkt - zu beachten, daß es wie so oft in Deutschland nicht nur eine Frage des Regelwerks ist, sondern oft auch davon abhängt, ob diejenigen, die für ein Thema Verantwortung tragen, auch bereit sind, diese Verantwortung wahrzunehmen.
Was geschieht denn mit dem Studierenden, der irgendwann freitags morgens aus welchen Gründen auch immer in Frankfurt ankommt, in seine zukünftige Hochschulstadt fährt und dort freitags mittags um 14 Uhr ankommt? Er hat Pech. Wann kümmert sich nämlich der erste um ihn? In der Regel doch montags früh, wenn der Schalter wieder aufgemacht worden ist. Hier steht nicht die Frage der Dienstleistung und ein Empfang mit offenen Annen im Mittelpunkt, sondern die Frage der Dienststunden, die da
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
abgerissen werden müssen. Auch das ist Realität in der Bundesrepublik Deutschland.
Ich sage das, obwohl ich weiß, daß ich jetzt wieder eine Vielzahl von bösen Briefen bekommen werde. Ich finde aber, auch darüber muß geredet werden. Man kann nicht immer nur mit den Fingern auf andere zeigen. Jeder muß zuerst einmal an der Stelle die Verantwortung übernehmen, an der er steht.
Es war natürlich wichtig, um dieses Signal auszugeben, daß wir die Verwaltungsvorschriften geändert haben. Herr Braune, Sie wissen, daß ich nicht zu den Leuten gehöre, die irgend jemanden persönlich angreifen. Aber das, was Sie hier in Ihrer Rede geliefert haben, ist nun wirklich das Abständigste, was ich je gehört habe.
Das mindeste, was man machen sollte, wäre, sich vorher zu informieren. Wenn Sie schon nicht wissen, was eine Verwaltungsvereinbarung ist und wie so etwas im Verhältnis zwischen Bund und Ländern läuft, dann sollten Sie auch nicht davon reden.
Der Sachverhalt ist doch ganz einfach; ein klein wenig Information hilft da. Man muß in einem komplizierten Verfahren zwischen Bund und Ländern über solche Vereinbarungen reden; das ist wahr. Nachdem wir die entsprechenden Angebote an die Länder gemacht haben, haben die Länder jetzt die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Ich mache den Ländern überhaupt keinen Vorwurf, daß sie dafür eine gewisse Zeit brauchen. Daß wir jetzt im Bereich der Politik sind, ist doch auch eine völlig normale Sache. Daß es jetzt wieder Leute gibt, die in der Hoffnung draufzusatteln versuchen, daß sie dann vielleicht noch mit mir und Herrn Kanther eine Diskussion führen können, mag ja in der Politik auch alles noch gang und gäbe sein. Sie hätten aber wissen müssen, daß wir unabhängig von inhaltlichen Diskussionen, die wir von mir aus in den nächsten Monaten noch führen können, angeboten haben, die jetzt gefundene Lösung schon einmal in Kraft zu setzen, damit diejenigen, die jetzt kommen, davon profitieren.
Die Vereinbarungen werden im Mai in Kraft gesetzt, weil die Länder inzwischen zugestimmt haben. Vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts sollte man sich hier nicht aufplustern und eine solche Funktionärsrede halten, sondern sich informieren. Sie sollten sich wirklich dafür schämen, Ihre Rede so vorbereitet zu haben.
- Entschuldigen Sie einmal, Herr Tauss, und hören Sie auf mit Ihrer Blökerei. Ich habe es Ihnen schon mehrmals gesagt: Vorher das Gehirn einschalten, dann den Mund aufmachen. Diese Empfehlung sollte man Ihnen wirklich geben.
Jetzt noch zu Ihrer Frage, Herr Berninger, weil dieser Punkt natürlich wichtig ist. Wir haben mit Partnern zu tun, die exzellente Arbeit leisten. Dazu gehört ohne jeden Zweifel und ohne jede Einschränkung die Humboldt-Gesellschaft, dazu gehört auch der DAAD. Sie wissen, daß ich den Präsidenten des DAAD sehr schätze. Er macht im Bereich der Hochschulpolitik in Deutschland wirklich einen guten Job. Ich sage hier aber auch frank und frei, daß ich mich sehr über diesen Artikel geärgert habe, weil er in der Sache nicht stimmt, aber natürlich auf eine Quelle zurückgeht.
Ich glaube nicht, daß die Geschäftsführung des DAAD in diesen Fragen bereits das macht, was man von ihr erwarten muß und was auch von solchen Organisationen an Innovation zu erwarten ist. Darf ich bitte einmal die Frage stellen: Wo steht denn geschrieben, daß es davon abhängig ist, ob ein ausländischer Student nach Deutschland kommen kann, daß er von uns noch ein Stipendium bekommt, sprich, daß er Geld bekommt? Wo steht das denn bitte im Zeitalter der Globalisierung geschrieben?
Es gibt Menschen im Ausland, vor allen Dingen in Asien, die Studiengebühren, zusätzlich viele tausend Dollar und mehr dafür zahlen, in den USA studieren zu können. Bei uns aber gibt es Menschen, die glauben, sie könnten sich erst dann in Bewegung setzen, wenn der Staat vorher Geld für ein Stipendium zur Verfügung gestellt hat. Warum werden nicht Servicepakete angeboten, indem gesagt wird: Unsere Leistungen gegen Geld für diejenigen, die es sich leisten können, im Ausland zu studieren? Für diejenigen aber, die sich dies nicht leisten können - dafür bin ich allerdings sehr -, geben wir dann Stipendien, damit keine soziale Trennung, kein sozialer Selektionsmechanismus entsteht.
Weil das so ist
- Herr Berninger, ich sage dies noch; vielleicht erübrigt sich dann Ihre Frage -, wird nirgendwo - auch nicht bei diesem Programm und den sechs, wenn ich mich richtig erinnere, Nachwuchswissenschaftlern, die nicht nach Deutschland kommen können - etwas eingespart. Es geht vielmehr konkret darum, daß dies eine rein buchungstechnische Angelegenheit ist. Der DAAD wird wegen des Hochschulprogramms keine D-Mark weniger haben. Das Geld wird vielmehr zusätzlich zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um ein verwaltungsinternes Verfahren. Um es ganz ehrlich zu sagen: Ich habe es mir erklären lassen; ich habe es nicht verstanden. Es war sehr kompliziert. Nur das Ergebnis interessierte mich. Deshalb
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
wird das, was da in diesem Artikel initiiert worden ist, verpuffen.