Rede von
Armin
Laschet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Roman Herzog im November 1997 seine vielbeachtete Rede zum Aufbruch in der Bildungspolitik hielt, betonte er gleich zu Beginn, daß er sich damit als Bundespräsident auf vermintem Gelände bewege: Seit wann steht es einem Bundespräsidenten zu, sich auf ein klassisches Feld der Länder zu begeben?
Auch die Entstehungsgeschichte der Großen Anfrage, die wir heute diskutieren, ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Sie ist nicht in einer der Arbeitsgruppen unserer Fraktion entstanden, sondern in der jungen Gruppe, der 20 Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Ausschüssen des Deutschen Bundestages angehören.
- Ich weiß, Sie haben keine jungen Leute in Ihrer Fraktion.
Dennoch ist das kein Grund zur Aufregung in diesem Punkt.
Armin Laschet
Zum zweiten ist die Anfrage deshalb ungewöhnlich, weil sich der Deutsche Bundestag, die Bundesebene unseres föderalen Staates, mit einer Aufgabe befaßt, die Ländersache ist; und dies, bevor der Bundespräsident sie zu vermintem Gelände erklärt hatte.
Die Gründe für dieses Verfahren und auch für die heutige Debatte liegen in der bundespolitischen Bedeutung, die weit über die hochschulpolitischen Fragestellungen hinausreicht. Wenn immer weniger Studierende vor allem aus den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas in Deutschland studieren, dann ist das nicht nur eine Frage der Statistik, der Kultusministerkonferenz oder der Auslandsämter der Hochschulen. Vielmehr kann sich dies dann zum Standortproblem für die Bundesrepublik Deutschland entwickeln.
Wenn die Eliten der Welt, wenn künftige Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, wenn ausländische Studierende unser Land meiden, dann hat dies Konsequenzen, die sich mittel- und langfristig auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und damit auch auf Arbeitsplätze auswirken. Wenn die besten Köpfe der Welt zur Ausbildung nicht mehr nach Deutschland kommen, dann müßte uns das treffen wie einst der Sputnik-Schock die USA, so hat es der Bundespräsident formuliert.
- Ich freue mich, daß Sie von der SPD an dieser Stelle klatschen. Wenn ich Ihren Entschließungsantrag lese, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß Sie die Bedeutung dessen, um das es hier geht, nicht erkannt haben.
Die Grünen gestehen in ihrem Entschließungsantrag wenigstens zu, daß das Auswirkungen auf den Standort Deutschland haben kann. In Ihrem Antrag wird dies aber als Verengung auf die deutsche Exportindustrie diffamiert, und ausländische Studierende werden dort als „Türöffner für die Exportindustrie" bezeichnet. Ihre Formulierungen sind im Gegensatz zu dem, was die Grünen zumindest erkannt haben, nicht „neue Mitte", sondern alter, kalter Kaffee; deshalb werden wir diesen Antrag heute ablehnen.
Die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, können nicht im Gestrüpp von 16 Kultusministerialbürokratien hängenbleiben, sondern bedürfen einer koordinierten Offensive von Politik, Wirtschaft und Hochschulen. Dazu muß Bewußtsein verändert werden, vor allem bei Ihnen - bei Ihnen ist es damit nämlich noch nicht so weit her wie in anderen Fraktionen -, aber auch in unserer Öffentlichkeit.
Der Minister hat auf diese Aufgaben reagiert; er ist anwesend und hört zu. Er hat seine Hausaufgaben mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zum Hochschulrahmengesetz, den wir hier verabschiedet haben, im Hinblick auf die innenpolitische und die hochschulpolitische Situation in hervorragender Weise gemacht. Wir bedauern sehr, daß die rotgrüne Blockade im Bundesrat die endgültige Verabschiedung dieses Gesetzes verhindert, und wir begrüßen, daß der Minister in dieser Woche entschieden hat, das Ganze jetzt ohne Zustimmung des Bundesrats auf den Weg zu bringen. Es bleibt uns kein Spielraum, zu warten, bis auch Sie die Probleme der Zeit erkannt haben.
Die Anfrage ist nach mehreren Hearings im Deutschen Bundestag mit Vertretern der Wirtschaft, der Hochschulrektorenkonferenz, mit Studierenden und Praktikern, die ihre Erfahrungen berichtet haben, entstanden. Woran liegt es denn, daß trotz hoher Studiengebühren Studierende weiterhin - in verstärktem Maße - in die USA gehen und nicht in die Bundesrepublik Deutschland kommen?
Es gibt mehrere Konsequenzen, die man daraus ziehen sollte. Ich habe erwähnt, daß im Hochschulrahmengesetz die Differenzierung, die Deregulierung und die Vergabe internationaler Hochschulgrade geregelt ist. Ich habe auch schon erwähnt, daß wir durch die lange Diskussion hierüber wertvolle Zeit verloren haben. Ich denke, daß über diese hochschulpolitische Fragestellung hinaus weitere Minister an dieser Frage beteiligt sein müssen.
Die Anfrage läßt an Offenheit nichts zu wünschen übrig. Sie ist eine Bestandsanalyse, die Defizite aufzeigt und die Konsequenzen nach sich zieht. Gefordert ist beispielsweise der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der trotz der Spar- und Konsolidierungspolitik denjenigen Titel erhöht hat, der Wissenschaftskooperation und die Stipendienvergabe an ausländische Studierende vorsieht. Gefragt ist auch der Außenminister; denn die deutschen Botschaften und die Goethe-Institute, die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, müssen bei einer Offensive mitwirken, die jetzt erforderlich ist.
- Nein, die macht niemand kaputt.
- Sie sprechen hier über Dinge, von denen Sie nun wirklich nichts verstehen.
Armin Laschet
Das, was von den deutschen Botschaften und den Goethe-Instituten auf diesem Feld bereits geleistet wird,
verdient es nicht, durch solch dümmliche Zwischenrufe diskreditiert zu werden.
- Ich verstehe schon, daß Sie das Thema aufregt, weil Sie keine Antworten auf diese Fragen haben, die für unser Land wichtig sind. - Die Debatte über diese Anfrage hat aber erreicht, daß es eine Einigung zwischen Minister Rüttgers und Minister Kanther gibt.
- Es hat lange gedauert. Schließlich sind ja auch Ihre Innenminister in den Ländern daran beteiligt. Es ist ja nicht immer nur der Bundesinnenminister.
Ich wünsche mir, daß das, was Minister Rüttgers und Minister Kanther jetzt vereinbart haben und was ausländischen Studierenden gegenüber eine offenere und keine defensive Haltung zum Ausdruck bringen soll, auch von den Ländern und den Ausländerbehörden umgesetzt wird. Wir haben gehört, daß es inzwischen eine diesbezügliche Einigung mit den Ländern gibt. Ich wünsche mir, daß recht bald eine Botschaft an die Ausländerbehörden gerichtet wird, daß diese neuen Richtlinien, die auf diese Anfrage und auf das, was Minister Rüttgers mit Minister Kanther vereinbart hat, zurückgehen, auch umgesetzt werden.
- Der Bundesinnenminister hat es gemacht.
- Auch von Innenpolitik verstehen Sie nichts. Sie rufen eigentlich bei jedem Thema, das hier behandelt wird, sehr laut dazwischen. Der Innenminister hat die Dinge entschieden; die Länder müssen es jetzt umsetzen. Wie bei vielen anderen Dingen warten wir darauf, daß die Länder das jetzt endlich auch tun.
Wir brauchen eine koordinierte Offensive; wir brauchen eine entsprechende Einstellung in der Öffentlichkeit, so daß auch nach draußen getragen werden kann, daß wir ausländische Studierende bei uns brauchen, daß wir um sie werben, daß sie für uns eine Bereicherung sowohl unserer Hochschulen als auch einer Diskussion sind, die uns über die auswärtige Kulturpolitik hinaus als offenes Land, als Land, das die Eliten der Welt einlädt, zu uns zu kommen, darstellt und die zum Ausdruck bringt, daß wir Entwicklungsländer verstärkt berücksichtigen wollen.
Diese Debatte brauchen wir. Die Debatte am heutigen Morgen ist wichtig; aber sie wird fortgesetzt werden müssen.
- Das hat nichts mit 16 Jahren zu tun, Herr Kollege.
Vielmehr handelt es sich um eine Entwicklung der letzten Jahre. Das zeigt, daß die Hochschulen selbst hier ihren Teil beitragen müssen, daß die Länder, die für die Hochschulpolitik eigentlich zuständig sind, ebenfalls ihren Beitrag leisten müssen. Wir haben heute diese Aufgabe auf die Bundesebene geholt, weil die Kleinstaaterei der Länder hier nicht mehr ausreicht. Es ist jetzt eine Offensive auf der Bundesebene erforderlich.
Dem dienen unsere Anfrage und unser Entschließungsantrag, dem wir heute zustimmen werden.
Vielen Dank.