Rede von
Gunnar
Uldall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die heute anstehende Reform des Energiewirtschaftsrechts ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Umsetzung des Programms für mehr Beschäftigung und mehr Wachstum, damit wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken können.
In den nächsten Monaten wird auch in der Öffentlichkeit klarer und klarer werden, welche tiefgreifenden Veränderungen die Bundesregierung und der Bundestag in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben. Ich habe gestern in der Haushaltsdebatte einige Punkte genannt, wie zum Beispiel die Liberalisierung der Post, die Liberalisierung der Telekom, die Privatisierung der Bahn. In diese Reihe von großen Reformmaßnahmen gehört auch die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte. Die Koalition zeigt damit Handlungsfähigkeit auch auf dem Energiesektor.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bedarf jetzt nicht mehr der Zustimmung des Bundesrates. Damit können wir dieses Gesetz aus eigener Kraft durchsetzen.
Es ist interessant, einmal einen Blick zurückzuwerfen, wie häufig in den letzten 45 Jahren versucht worden ist, das Energiewirtschaftsrecht in Deutschland zu modernisieren.
Bereits in der Weimarer Republik wurde das jetzt vorliegende Gesetz konzipiert. Es wurde 1935 in der Nazizeit verabschiedet, und insofern zeigte sich sehr bald die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu ändern. Die ersten Versuche einer Änderung gingen auf den
Gunnar Uldall
Anfang der 50er Jahre zurück, aber es ist nie gelungen, gegen den geballten Widerstand der unterschiedlichsten Interessengruppen in Deutschland dieses Gesetz durchzusetzen.
Heute ist der Tag da, an dem wir die Mehrheit hier im Hause für dieses Gesetz schaffen werden. Dies ist ein wirkliches Ereignis, meine Damen und Herren.
Bereits 1950 legten die Versorgungswirtschaft und der Deutsche Städtetag einen sogenannten „Blauen Entwurf " vor, um dieses Gesetz zu ändern. Ein Jahr später folgte auf Initiative des deutschen Kohlebergbaus der sogenannte „Rote Entwurf". Kurze Zeit später folgte durch die Industrieverbände ein „Grauer Entwurf ".
Alle Entwürfe ließen sich nicht durchsetzen; sie sind an der festgefahrenen Situation gescheitert.
Wer sich jetzt hinstellt und behauptet, unsere Regierung sei nicht durchsetzungsfähig, nicht reformfähig, der sollte einmal zum Maßstab solcher Äußerungen nehmen, daß sich das, was seit 40 Jahren vergeblich versucht worden ist, heute realisieren läßt.
Meine Damen und Herren, anläßlich der Verabschiedung der Kartellgesetze faßte der Deutsche Bundestag eine eindeutige Entschließung. In dieser Entschließung heißt es:
Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, den Entwurf eines neuen Energiewirtschaftsgesetzes mit größtmöglicher Beschleunigung vorzulegen.
Wissen Sie, wann das gewesen ist? - Im Jahr 1957, vor über 40 Jahren hat sich der Bundestag bereits in dieser Frage geäußert,
und es ist seitdem nie gelungen, diesbezüglich zu einem Ergebnis zu kommen.
Im März 1969 hatte die CDU/CSU-Fraktion eine Große Anfrage zur Stromversorgung gestellt. Im Jahre 1973 führte das zu einem Referentenentwurf des BMWi. Die damalige SPD/FDP-Koalition hatte aber nicht den Mut, dieses Vorhaben umzusetzen.
Nach 40 Jahren und zahlreichen gescheiterten Versuchen liegt dieser Gesetzentwurf heute dem Bundestag zur Abstimmung vor. Ich meine, dies ist schon ein kleiner historischer Tag.
Nach unzähligen Gesprächen und Verhandlungen - denn die Widerstände sind ja in diesen Monaten nicht geringer gewesen als in den vergangenen Jahrzehnten, es gab bis heute genügend Initiativen, dieses Gesetz zu verhindern - haben wir nun ein Gesetz vorlegen können, das von den Wirtschafts-, Kommunal- und Umweltpolitikern gemeinsam getragen wird, meine Damen und Herren. Es handelt sich um einen Kompromiß, bei dem alle Beteiligten das eigentliche Ziel, nämlich die Schaffung von Wettbewerb auf allen Ebenen der Energieversorgung, nicht aus den Augen verloren haben.
Ich möchte noch einmal die wichtigsten Punkte des Gesetzes vortragen.
Mit der Neuregelung fallen die bisherigen Gebietsmonopole der Energieversorgungsunternehmen. Die letzten großen Monopole in Deutschland, nämlich die Monopole auf den Energiemärkten, werden jetzt endlich geknackt. Bisher mußte jeder Stromverbraucher, egal, ob es sich um ein großes Industrieunternehmen handelte oder um einen privaten Haushalt, den Strom einkaufen, der von seinem örtlichen Elektrizitätswerk angeboten wurde.
In Zukunft wird es möglich sein, den Strom dort zu kaufen, wo er am günstigsten angeboten wird. Das ist der Wettbewerb, den wir brauchen. Das ist der Wettbewerb, der bisher durch Gesetz ausgeschlossen war.
Wen wundert es, daß bei einer solchen Regelung die Strompreise in Deutschland 10 bis 20 Prozent höher sind als in unseren Nachbarländern? Diesen Nachteil wollen wir den deutschen Industrieunternehmen auf Dauer nicht zumuten, meine Damen und Herren, und diesen Nachteil wollen wir auch den deutschen privaten Haushaltungen nicht länger zumuten. Deswegen müssen diese Monopole weg.
In Zukunft gilt: Jeder Netzbetreiber muß Strom zu einem Verbraucher in seinem Gebiet durchleiten, wenn der bei einem anderen Elektrizitätswerk Strom eingekauft hat.
Bereits jetzt sinken die Strompreise, obwohl das Gesetz noch gar nicht verabschiedet ist. Aber bereits jetzt sinken die Strompreise in Deutschland im Vorgriff auf diese Regelung, weil eben der künftige Wettbewerb durch die Energieversorgungsunternehmen schon vorweggenommen wird.
Genau das ist es, was wir wollen, auch wenn Sie dagegen sind. Wir wollen, daß die deutschen Verbraucher niedrigere Strompreise zahlen müssen, meine Damen und Herren.
Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Verbänden über die Durchleitungsentgelte zu. Wir wollen, daß es hier zu einer freiwilligen Übereinkunft zwischen den Verbänden kommt.
Gunnar Uldall
Wir leben in einem Staat, in dem die Verbände so etwas allein regeln müssen. Diese Materie ist so unendlich kompliziert, daß ich nur sagen kann: Um Gottes willen, beschäftigen wir uns als Parlamentarier nicht mit einem Thema, das selbst für Fachleute kaum zu verstehen ist, sondern übertragen wir es auf die Verbände.
Wenn es aber keine Regelung über die Durchleitungsentgelte gibt, ist hiermit klargestellt, daß dann die Bundesregierung von einer im Gesetz vorgesehenen Rechtsverordnung Gebrauch machen muß.
Dies sei auch den Wirtschaftsunternehmen als Signal ganz klar mitgeteilt.
Meine Damen und Herren, die Abschaffung der geschlossenen Versorgungsgebiete und die Einführung des brancheninternen Wettbewerbs betrifft nicht nur den Strom, sondern auch das Gas. Die Verabschiedung der europäischen Gasrichtlinie steht kurz bevor. Anschließend wird die Umsetzung in deutsches Recht unter Beachtung der Besonderheiten des Gases gegenüber dem Strom erfolgen.
Wir haben sehr ausführliche und konstruktive Gespräche mit den verschiedensten Gruppen geführt. Besonders hervorheben möchte ich die Vertreter der Kommunalverbände. Ich bedanke mich ausdrücklich bei meinen Kollegen Blank, Götz und Willner, daß sie vermittelnd und sehr kooperativ die Wege mitgeebnet haben, um die Interessen der Kommunen in dieses Gesetz hineinzubringen. Ich glaube, es ist uns insgesamt eine gute Lösung gelungen. Herzlichen Dank dafür.
Um die Option auf das Alleinkäufermodell haben wir lange gerungen. Wir haben uns dann am Ende auf eine Lösung geeinigt, bei der die Interessen der Kommunen voll gewahrt werden, aber gleichzeitig sichergestellt ist, daß es zu einem Wettbewerb in den Kommunen kommt und auch dort niedrigere Strompreise eintreten werden.
Meine Damen und Herren, ein zweiter wichtiger Punkt war die Frage der Umweltpolitik im Rahmen dieses Gesetzes.
Hier ist ein großer Fortschritt erzielt worden,
der von den Umweltpolitikern auch nicht kleingeredet werden sollte. In diesem Gesetzentwurf ist die
Umweltverträglichkeit der Energieversorgung in
Zukunft mit dem gleichen Rang versehen wie die Sicherheit und Preisgünstigkeit der Versorgung. Wer gegen dieses Gesetz stimmt, stimmt auch gegen diese Formulierung im Gesetz. Es ist eine gute Regelung; Sie sollten sie nicht kaputtmachen.
Ich danke den Kollegen Grill, Ramsauer und Lippold, die in konstruktiver Weise mit dafür gesorgt haben, daß hier eine gute Lösung zwischen den Interessen der Umweltpolitik und den Interessen des Energieversorgungsmarktes gefunden wurde.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt nennen, bei dem es darauf ankam, Brücken zu schlagen, und bei dem es auf die Bereitschaft aller zu einem Kompromiß ankam.
Das ist die Behandlung der Verstromung der ostdeutschen Braunkohle. Hier wird es die Option geben, die Sonderregelung bis zum Jahre 2005 unter der Voraussetzung zu verlängern, daß es bis dahin zu einer Absenkung der Strompreise in Ostdeutschland gekommen ist, so wie es uns von den EVUs mitgeteilt wurde.
Dieses ist eine gute Lösung - ich will nicht sagen: Quadratur des Kreises -, die sowohl den berechtigten Interessen der Braunkohle wie auch den berechtigten Interessen der Stromkunden Rechnung trägt.
Das Stromeinspeisungsgesetz wird an den neuen Ordnungsrahmen des Energiewirtschaftsgesetzes angepaßt. Die Vergütung bei der Windkraft wird nicht geändert. Es bleibt bei der bestehenden Regelung.
Eine wesentliche Änderung betrifft die Härtefallregelung für die einseitige Belastung bestimmter Gebiete in Deutschland in dem Fall, daß dort zuviel alternative Energie nach dem Stromeinspeisungsgesetz eingespeist wird.
Auf Anregung des Landes Schleswig-Holstein - damals allein von der SPD regiert, inzwischen regiert von SPD und Grünen mit einem grünen Umweltminister - haben wir diese Härteklausel in das Stromeinspeisungsgesetz aufgenommen. Diese Härteklausel, die in den vergangenen Tagen bei unseren rotgrünen Kollegen für soviel Aufregung gesorgt hat, entspricht genau der Formulierung des Beschlusses des Bundesrates, dort von allen roten und grünen Umweltministern massiv vertreten. Ich muß schon sagen: Es ist unverständlich, wie jetzt plötzlich von Ihrer Seite das verteufelt wird, was Sie vorher als große
Gunnar Uldall
Forderung in den Raum gestellt haben. Das ist keine sachgerechte Politik.
In Schleswig-Holstein ist diese einseitige Belastung inzwischen eingetreten. Es ist richtig, die Belastung aus dem Stromeinspeisungsgesetz für einzelne Regionen auf fünf Prozent zu begrenzen
und die darüber hinausgehenden Kosten auf die nächste Spannungsstufe zu verlagern.
Relevant ist dieses Thema nur an der Küste, aber nicht im Binnenland.
Ich habe Ihnen einmal einige sehr interessante Formulierungen mitgebracht. Die rotgrüne Mehrheit im Bundesrat schreibt in der Begründung ihres Gesetzentwurfs:
Die vorgesehene Erstattungsregelung durch das vorgelagerte EVU ist sachgerechter als der bisher generell geltende Übergang der Abnahme- und Vergütungspflicht auf das vorgelagerte EVU, da auf diese Weise zusätzliche Leitungsbau- oder Durchleitungserfordernisse vermieden werden.
Meine Damen und Herren, diesem Antrag der rotgrünen Minister im Bundesrat folgen wir hiermit.
Wem das noch nicht reicht, dem nenne ich die Begründung, die der schleswig-holsteinische Minister Walter im Bundesrat gegeben hat, weswegen nur diese und keine andere Regelung in Frage kommt. Walter hat mehrere Regelungen untersucht und alle verworfen. Was Sie jetzt als große Lösung empfehlen, hat Walter ausdrücklich abgelehnt. Er hat gesagt, dieses gehe nicht, es sei zu teuer und unpraktikabel. Er hat sich nur für die Lösung, die wir jetzt vorschlagen, ausgesprochen. Er führte aus:
In diesen Anträgen wird nämlich deutlich, daß die Obergrenze nicht zu einer Begrenzung des Ausbaus regenerativer Energien führen darf, sondern nur dazu führen darf, daß der Bundesgesetzgeber im Eintrittsfall der Härte rechtzeitig Vorsorge durch geeignete Maßnahmen trifft.
Genau das machen wir jetzt mit diesem Gesetz. In diesem Gesetz wird genau diese Regelung für den Fall des Überlaufens des sogenannten zweiten Dekkels vorgesehen.
Ihre Polemik gegen das Gesetz ist entlarvend. Sie wollen nicht zu einem Ergebnis kommen; Sie wollen nicht den Erfolg der Bundesregierung in dieser Frage. Ihnen geht es nicht um die Sache.