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    Plenarprotokoll 13/206 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Inhalt: Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18631 A Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksachen 13/8200, 13/8883) . . . 18631 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1997 (Nachtragshaushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/8199, 13/8803) 18631 A Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/9004, 13/9025) . . . 18631 B in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Ausweis der Mittel für den Bundesnachrichtendienst (Drucksachen 13/6531, 13/7299) . . 18631 B Rudolf Scharping SPD 18631 D Michael Glos CDU/CSU 18636 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18642 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 18648 A, C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 18649 B Dr. Gregor Gysi PDS 18654 B, 18685 B Dr. Christa Luft PDS 18657 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 18658 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saar- land) 18669 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . 18675 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 18677 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 18683 B Rudolf Scharping SPD 18684 A Namentliche Abstimmung 18686 D Ergebnis 18689 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/9005, 13/9025) . . 18687 B Günter Verheugen SPD 18687 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18692 A Otto Schily SPD 18694 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18694 C Ulrich Irmer F.D.P 18695 A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18695 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18696 D, 18704 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P 18697 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18699 A Steffen Tippach PDS 18699 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 18700 C, 18703 B Ulrich Irmer F.D.P 18702 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18703 A Eckart Kuhlwein SPD 18703 C Karl Lamers CDU/CSU 18706 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/9013, 13/9025) . . 18708 A Walter Kolbow SPD 18708 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 18712 A Erwin Horn SPD 18713 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18714 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . 18716B, 18720 B Uta Zapf SPD 18718 A Otto Schily SPD . 18718 D Ernst Kastning SPD 18719 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 18720 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 18721 C, 18723 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 18723 B Paul Breuer CDU/CSU 18724 B Manfred Opel SPD 18725 D Namentliche Abstimmungen 18726 D Ergebnisse 18727C, 18730 A Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/9019, 13/9025) . . . 18732 C Dr. Emil Schnell SPD 18732 C Michael von Schmude CDU/CSU 18735A, 18742 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18737 C Armin Laschet CDU/CSU 18737 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18738C, 18740C, 18743 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU 18740 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P 18740 D Dr. Willibald Jacob PDS 18743 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 18744 B Dr. R. Werner Schuster SPD 18746 A Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/9007, 13/9025) . . . . 18747 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/9017, 13/9025) . . . 18747 C Gunter Weißgerber SPD 18747 D Manfred Kolbe CDU/CSU 18749 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18751 A Otto Schily SPD 18752B, 18762 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 18753 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 18754 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18756 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . 18757 D, 18760 D Norbert Geis CDU/CSU 18758 C Norbert Geis CDU/CSU 18760 A Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 18761 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18761 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/9006, 13/9025) . . . 18763 C in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/9023, 13/9025) . . . 18763 C Uta Titze-Stecher SPD 18763 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 18766 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18768 B Dr. Max Stadler F D P. 18770 A Ulla Jelpke PDS 18771 B Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 18772 C Fritz Rudolf Körper SPD 18773 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 18774 C Nächste Sitzung 18775 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18777* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 18777* B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 18779* A Gabriele Fograscher SPD 18779* B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18779* D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU und Hans-Dirk Bierling CDU/CSU 18780* A Ernst Kastning SPD 18780* B Roland Kohn F.D.P. 18780* C Manfred Kolbe CDU/CSU 18780* C Heidemarie Lüth PDS 18780* D Dr. Martin Pfaff SPD 18781* B Jürgen Türk F.D.P 18781 * D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 33 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 18782* A 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 26. 11. 97 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dreßler, Rudolf SPD 26. 11. 97 Hartmann, Hanns-Peter PDS 26. 11. 97 Heubaum, Monika SPD 26. 11. 97 Homburger, Birgit F.D.P. 26. 11. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 26. 11.97 Kurzhals, Christine SPD 26. 11. 97 Lehn, Waltraud SPD 26. 11. 97 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 11. 97 Erich Marx, Dorle SPD 26. 11. 97 Reschke, Otto SPD 26. 11. 97 Scheel, Christine BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schenk, Christina PDS 26. 11. 97 Schlee, Dietmar CDU/CSU 26. 11. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Siebert, Bernd CDU/CSU 26. 11. 97 Stübgen, Michael CDU/CSU 26. 11. 97 Vosen, Josef SPD 26. 11. 97 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 26. 11. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingoldstadt) (SPD): 1. Meine Ausführungen über die Lage der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, wie ich sie bereits am 11. November 1993 in einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages formuliert habe, gilt im Grundsatz noch heute: CDU/CSU und F.D.P. sowie die von ihnen gebildete Regierung haben bis heute im Gegensatz zu den USA, Frankreich, England oder Japan auf eine eigenständige Industrie- und Technologiepolitik verzichtet. Die Investitionsentscheidungen der Regierung sind planlos und auch für die Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie kaum planbar. Zu lange wurde im Rahmen der europäischen Koordinierungsbemühungen zivile und militärische Kooperation im Bereich der Luft- und Raumfahrt getrennt verfolgt. Auch nach Abschluß der WTO-Abkommen, die eine staatliche Subventionie- rung ziviler Luft- und Raumfahrtprojekte auf Druck der USA nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zuläßt, haben die Bundesregierung aber auch der in Deutschland industriell führende Daimlerkonzern an dieser Trennung festgehalten und damit wesentlich zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie zu Technologieverlagerungen innerhalb der EU beigetragen. 2. Der Zusammenschluß von McDonnell Douglas und Boeing in den USA führt eindrucksvoll vor Augen, wie vordringlich die Schaffung einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie ist, die sowohl den zivilen als auch den militärischen Teil umfaßt. Denn nur so lassen sich Synergien in Forschung und Entwicklung sinnvoll zusammenfassen und ermöglichen eine annähernde Wettbewerbsgleichheit mit der US-amerikanischen Konkurrenz, bei der zivile Subvention über den militärischen Bereich auch unter den jetzt gültigen WTO-Regeln möglich bleibt. 3. Bis zum Ende des kalten Krieges 1989 war der militärische Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie weitgehend von rein militärischen Vorgaben bestimmt. Ansätze einer besseren Verzahnung mit dem zivilen Bereich, was technologie- und strukturpolitisch sinnvoll gewesen wäre, sind weitgehend unterblieben und wurden zum Beispiel vom Daimlerkonzern gegen die Vorstellungen der Arbeitnehmervertretung in der Praxis auch nach dem Ende des kalten Krieges konterkariert. Dabei spielte die Regierungskoalition eine erbärmliche Rolle. Obwohl erhebliche staatliche Forschungsmittel und Aufträge dem Konzern zufließen, wurde weitgehend unterlassen, eigene struktur- und technologiepolitische Vorstellungen durchzusetzen. 4. Die Mitte der achtziger Jahre getroffene Entscheidung auf europäischer Ebene ein eigenes Jagdflugzeug, den Jäger 90, zu entwickeln und zu beschaffen, hatte neben den unter dem Gesichtspunkt des kalten Krieges militärischen Anforderungen auch das Ziel, eine eigenständige militärische Komponente einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie aufzubauen. Ob die damals formulierten militärischen Anforderungen sinnvoll oder zumindest geboten waren, kann heute dahingestellt bleiben. Daß man dabei so sehr auf die eigenständige militärische Komponente im Rahmen europäischer Kooperation setzte, anstatt bereits damals auf eine sinnvolle Verzahnung militärischer und ziviler Komponenten abzuzielen, ist im nachhinein nur damit zu erklären, daß strukturpolitische Entscheidungen angesichts der Erfahrungen des kalten Krieges in dem Glauben getroffen wurden, mit dem militärischen Konzept stünde man auf einer krisenunabhängigen sicheren Seite. Dies erweist sich nun speziell für Bayern nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als eine - damals nicht voraussehbare - Fehlentscheidung. 5. Inwieweit der Jäger 90 bzw. der Eurofighter bzw. das EFA 2000 heute militärisch als vordringlich betrachtet werden kann, muß zumindest hinterfragt werden. Sowohl die Veränderung der Bedrohungssituation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als auch die sich neu entwickelnden Aufgabenstellungen einer europäischen Verteidigungsorganisation, haben bereits 1993 den Schluß zugelassen, daß unter den neuen Gegebenheiten eine europäische Entscheidung für den Eurofighter in seiner damaligen Form nicht getroffen worden wäre. Bereits damals bestand unter den Fachleuten die mehrheitliche Meinung, daß angesichts der neuen militärischen Situation und Aufgabenstellung, sowie den gebotenen neuen Kooperationsformen zwischen ziviler und militärischer Luft- und Raumfahrtindustrie in Europa, das Projekt Future Large Aircraft (FLA) Priorität hätte erhalten müssen. Entsprechende Vorschläge hat die SPD-Bundestagsfraktion bereits damals nach Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat der DASA unterbreitet. Ein sinnvolles Umsteuern auf die neuen Gegebenheiten bei Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze sowie des technischen Know how an den Standorten wäre möglich gewesen. Entsprechende Initiativen auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung jedoch ebenso unterlassen wie auch der Daimlerkonzern nicht von seiner strikten Trennung von militärischer und ziviler Luft- und Raumfahrt Abstand genommen hat. 6. Die jetzt vorliegende Beschaffungsvorlage für den Eurofighter wird all diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie läßt weder erkennen, ob die Gesamtzahl der zu beschaffenden Jagdflugzeuge angesichts der gemeinsamen europäischen Verteidigungsaufgaben sinnvoll ist, noch zeigt sie Perspektiven auf, wie auf Grund der europäischen Haushaltszwänge die notwendige FLA-Projektierung vorangetrieben werden kann. Allerdings ist das Projekt Eurofighter derzeit das wichtigste Unternehmen europäischer Kooperation militärischer Luftfahrt und damit eine wichtige Ergänzung der Bemühungen zum Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie als Gegenpol zu dem sich übermächtig entwickelnden US-amerikanischen Konzern Douglas/ Boeing. Die trotz hoher nationaler staatlicher Forschungs- und Auftragsmittel wenig nationale Standortverantwortung zeigende Haltung des DASA-Daimlerkonzerns läßt zudem befürchten, daß jetzt ein Ausstieg aus dem Eurofighterprogramm in Deutschland zu einem erheblichen Verlust von Know-how und Arbeitsplätzen im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie führen würde, was bei einem früheren Tätigwerden der Bundesregierung hätte vermieden werden können. 7. Der Deutsche Bundestag steht auf Grund der konzeptionslosen Luft- und Raumfahrtpolitik der Bundesregierung deshalb vor einer schwierigen Entscheidung: Ein Ja zu der Vorlage bindet auf Jahre die beschränkten öffentlichen Mittel für ein Projekt, das sowohl was das Know-how als auch die Zahl der Jäger angeht, sicherheitspolitisch nicht die höchste Priorität besitzt. Ein Nein würde zwar langfristig die Chancen auf eine schlagkräftige, verzahnte europäische Luft- und Raumfahrtindustrie verbessern, mittelfristig aber Arbeitsplätze und Know-how in Deutschland gefährden und wahrscheinlich unwiderbringlich in andere europäische Länder verlagern. Vor diesem Hintergrund kann ich dem Einzelplan 14 und der darin enthaltenen Beschaffungsvorlage nicht zustimmen. Zwar halte ich eine grundsätzliche positive Entscheidung für die Beschaffung für richtig, nicht jedoch die in der Vorlage genannte Anzahl. Angesichts der Aufgaben, die die nationalen europäischen Streitkräfte im Rahmen der EU und der NATO und als Auftragnehmer von UNO-Aufgaben wahrnehmen können sollen, bezweifle ich, daß die in der Vorlage genannte Beschaffungszahl erforderlich ist. Insofern sehe ich mich auch durch die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes bestätigt. Statt dessen ist zu prüfen, die durch eine geringere Beschaffung frei werdenden Mittel unverzüglich in ein FLA-Projekt zu stecken, das sich zudem auch im zivilen Bereich nutzen läßt. Dabei haben auch die Herstellerkonsortien finanzielle Verantwortung mit zu übernehmen. Auf Grund dieser Position kann ich aber auch dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen. Der Antrag meiner eigenen Fraktion enthält zwar die meisten der von mir aufgeführten Positionen, er kommt jedoch zu einem anderen Schluß, weshalb ich mich dabei, nach sorgfältiger Gewissensprüfung, der Stimme enthalten werde. 8. Diese Entscheidung treffe ich auch mit Rücksicht auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Falsche politische Entscheidungen der CDU/CSU und der Bundesregierung sowie des Daimlerkonzerns dürfen nun nicht auf dem Rücken der betroffenen Werktätigen ausgetragen werden. Allerdings weise ich auch entschieden verdeckte Drohungen einiger Betriebsräte zurück, die an dem Abstimmungsverhalten zu dem Projekt ein Für oder Wider von Arbeitnehmerinteressen festmachen wollen. Die Verantwortung für den Verlust von Arbeitsplätzen in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie tragen ausschließlich die Parteien, die seit nunmehr 15 Jahren die Mehrheit im Parlament stellen. Sie haben sowohl beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie versagt, als auch beim Erstellen eines längerfristig tragbaren europäischen Sicherheitskonzepts. Sie haben zudem alles unterlassen, die Konzerne in die Arbeitsplatz- und Standortverantwortung mit einzubeziehen. Vor allem der Daimlerkonzern, die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung haben deshalb jetzt dafür zu sorgen, im Interesse der Sicherung der Standorte in Bayern und insbesondere in Manching, daß die technologischen Voraussetzungen des Standorts und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu genutzt werden, sowohl militärische als auch zivile Entwicklung und Flugerprobung in Manching zu konzentrieren. Nur so läßt sich dau- erhaft garantieren, daß hochwertige Arbeitsplätze in Bayern und am Standort Manching erhalten bleiben. Die Arbeitnehmervertretungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie sollten, wie ihre Vorgänger in der Vergangenheit, auf diesen Zusammenhang hinweisen und sich nicht zum Büttel einer arbeitnehmerfeindlichen Industrie- und Wirtschaftspolitik machen lassen. Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): 1. Der Eurofighter ist ein Relikt des kalten Krieges. Weder Freiheit noch Sicherheit Deutschlands hängen vom Eurofighter ab. Der Eurofighter hat keine nationale Priorität. Dem Eurofighter fehlt der militärische Gegner. Der Gegner ist offensichtlich weniger militärischer, sondern mehr industriepolitischer Art. Ich bin nicht bereit, ein Wettrennen zwischen europäischer und amerikanischer Rüstungsindustrie mit deutschen Steuergeldern zu subventionieren. 2. Unsere außenpolitische Leitidee ist zwar supranational, doch verteidigungspolitisch handeln wir immer noch national. Wir müssen unsere sicherheitspolitische Konzeption grundlegend überdenken. Die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, ist überfällig. Vor der Entscheidung für einen Jäger brauchen wir ein Konzept für eine wirklich gemeinsame Verteidigung in Europa und eine echte Aufgabenverteilung im Bündnis. Nicht jeder Staat muß alles haben: den besten Panzer, den besten Jäger, die beste Fregatte. 3. Die dem Parlament zugesagte Möglichkeit, getrennt über Entwicklung und Beschaffung des Eurofighters jeweils frei entscheiden zu können, ist faktisch nicht gegeben. Dabei zieht das Argument der Vertragstreue im Bündnis allerdings nicht: Es gibt bisher keinen Produktionsvertrag - somit auch keinen Vertrauensbruch. Abgesehen davon sind gerade die Briten aus mehreren Gemeinschaftsprojekten ausgestiegen, vom Kampfhubschrauber Tiger bis zur Panzerhaubitze. 4. Der Eurofighter schafft keine, sondern gefährdet Arbeitsplätze, zum Beispiel im Heeresausrüstungsbereich. Der Verdrängungseffekt im Verteidigungshaushalt ist groß. Auch der Verteidigungsminister kann jede vom Parlament bewilligte Mark nur einmal ausgeben. Die Eurofighter-Arbeitsplätze sind hoch subventioniert und keine Arbeitsplätze unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. 5. Angesichts der haushaltspolitischen Situation hat dieses 30 Milliarden teure, größte deutsche Rüstungsprojekt keine Priorität. Diese 30 Milliarden würden besser zur Entlastung des Haushalts und der Steuerzahler eingesetzt. Ich kann der Beschaffung des Eurofighters nicht zustimmen. Da ich den Einzelplan 14 ansonsten mittrage, wähle ich die mildeste Form der Ablehnung und enthalte mich. Gabriele Fograscher (SPD): Die Bundeswehr hat den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung. Dazu gehört auch in Zukunft die Fähigkeit der Luftverteidigung in einem Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Für die Luftverteidigung ist ein modernes Jagdflugzeug unverzichtbar. Die Phantom ist veraltet, es bedarf der Anschaffung eines modernen Jagdflugzeuges. Da eine derartige Investition aus diesen Gründen nötig ist, halte ich es für sinnvoll, daß ein neues Jagdflugzeug in Deutschland bzw. mit deutscher Beteiligung entwickelt und gebaut wird. Sicherlich ist dabei auch die Verläßlichkeit Deutschlands als Bündnispartner von Bedeutung. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung für den Eurofighter 2000 nicht alle Fragen beantwortet (technischer Entwicklungsstand, Hauptbewaffnung, Kostenvolumen), kann ich in der jetzigen Situation nur für die Beschaffung des Eurofighters 2000 stimmen. Die Beschaffung des Eurofighters 2000 sichert in den nächsten 15 Jahren etwa 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Luft- und Raumfahrtindustrie und auch in der Zulieferindustrie. Die meisten dieser Arbeitsplätze befinden sich in Bayern, zahlreiche im Regierungsbezirk Schwaben. Bis heute gibt es kein alternatives ziviles Projekt, das diese Arbeitsplätze sichern könnte. Als bayerische und vor allem als schwäbische Abgeordnete ist mir sehr an dem Erhalt dieser qualifizierten Arbeitsplätze gelegen. Mit der Zustimmung zu diesem Rüstungsprojekt ist mein persönlicher Gewissenskonflikt nicht gelöst. Es bleibt weiterhin mein Ziel, daß Arbeitsplätze im zivilen Bereich gesichert und geschaffen werden, Konversionsprogramme entwickelt und Abrüstungsbemühungen verstärkt werden. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Ich kann der Beschaffung des sogenannten Eurofighters nicht zustimmen. Nach dem insoweit unwidersprochenen Gutachten des Bundesrechnungshofes beträgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Preis für den Ankauf von 180 Flugzeugen über 30 Milliarden DM. Das ist angesichts der finanziellen Lage des Bundeshaushaltes und angesichts des mangelhaften Standes der Entwicklung und Erprobung schon wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Zweckbestimmung des Flugzeugs bleibt unklar, sein Export in Länder auch außerhalb der NATO wird nicht verhindert werden können. Ich bin der Überzeugung, daß die Bundesrepublik weit mehr Sicherheit erwerben könnte, wenn sie statt dessen auch nur einen Bruchteil dieses Betrages für soziale Aufgaben, für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für Bildung und Ausbildung im Inland, in Europa und in Ländern der Dritten Welt investieren würde. Ich begrüße es, daß durch die ausdrückliche Abstimmung im Plenum die individuelle Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten für seine Entscheidung in dieser Sache festgestellt wird. Ich stimme daher dem Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/9209 zu und werde mich bei dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/9145 der Stimme enthalten, weil ich die Begründung nicht teile. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU) und Hans-Dirk Bierling (CDU/CSU): Wenn wir heute der Produktion des Eurofighters im Zusammenwirken europäischer Staaten mit deutschem Anteil zustimmen, dann nicht in Erwartung einer kurzfristigen, unmittelbaren Bedrohung der Bundesrepublik oder allein geprägt durch einen positiven Erwartungseffekt für technische Innovation und Arbeitsplätze in Deutschland. Geprägt durch den tiefen Wunsch, daß gewaltsame Konflikte und Kriege - möglichst bereits im Ansatz - verhindert werden mögen, glauben wir jedoch nicht, daß ein waffenloses, zu wenig wehrfähiges oder gar ein neutrales Deutschland ungefährdet oder zur Friedenssicherung ausreichend in der Lage wäre. Nüchternes Denken und verantwortungsvolles Handeln kann sich nicht auf Utopien und Wunschdenken allein gründen, sondern muß auf realen Bedingungen fußen. Real ist leider in unserer Welt, daß durch Ignoranz und Begierde, gepaart mit Aggressivität, täglich neue größere oder kleinere Konflikte vom Zaune gebrochen werden, daß Wehrlosigkeit eher zu Aggression ermutigt. Wenn Verteidigungsfähigkeit gefragt ist, dann halten wir, auch im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten, ein ausreichend hohes technisches Niveau für erforderlich. Verfügbarkeit über Waffensysteme muß im Einklang mit Verantwortung für die Schöpfung einhergehen. Wir vertrauen auf die Mechanismen in unserer Demokratie, die dieser Verantwortung zu entsprechen haben und jedwede Aggression verhindern müssen und können. Wir hoffen und fordern, daß in Zukunft eine aktionsfähige Gemeinschaft, vor allem in Europa, entsteht, die sich rechtzeitig und wirksam dafür einsetzt, daß Kriege bereits im Ansatz verhindert werden. Dann muß auch die Zeit kommen, in der die steigenden Ausgaben für hochkomplizierte Waffensysteme zugunsten humanistischer Anliegen weiter reduziert werden. Ernst Kastning (SPD): Zur Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr, der Landes- und Bündnisverteidigung, gehört auch künftig die Fähigkeit zur Luftverteidigung in einem kombinierten Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Die Erhaltung der Luftverteidigungsfähigkeit erfordert die Beschaffung eines modernen Jagdflugzeuges, das die Phantom ablöst, deren Lebensdauer erschöpft und deren Technologie veraltet ist. Ausgehend von dieser Grundüberzeugung halte ich aus Gründen der Verteidigungssicherheit (mit industriepolitischem Nebeneffekt) und der Verläßlichkeit Deutschlands im Bündnis die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter 2000 für erforderlich. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung noch einige Fragen bezüglich des technischen Entwicklungsstandes des Flugzeugs und seiner Hauptbewaffnung sowie des gesamten Kostenvolumens aufwirft, kann ich in der jetzigen konkreten Entscheidungssituation nur mit ja stimmen. Da die Bejahung des Beschaffungsvorhabens Eurofighter nur über die Zustimmung zum Einzelplan 14 zum Ausdruck gebracht werden kann, werde ich dem Einzelplan 14 in der zweiten Lesung zustimmen. Daraus folgt konsequenterweise, daß ich zu allen Anträgen, die die Ablehnung dieses Beschaffungsvorhabens oder die Streichung des entsprechenden Haushaltsansatzes zum Ziel haben, mit nein stimmen werde. Roland Kohn (F.D.P.): Gemäß § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erkläre ich zu meinem Abstimmungsverhalten zum Eurofighter folgendes: Den vorliegenden Anträgen, die Beschaffung des Eurofighter generell abzulehnen, stimme ich nicht zu. Da der Eurofighter aber mit erheblichen technischen, finanzpolitischen, haushaltspolitischen und sicherheitspolitischen Problemen behaftet ist, trage ich den Beschaffungsvorschlag der Bundesregierung zum Eurofighter nicht mit. Richtig wäre es gewesen, dem Vorschlag des Bundesrechnungshofes zur Risikominderung zu folgen, und jetzt bis zu 100 Flugzeuge zu beschaffen; über die Beschaffung weiterer Flugzeuge jedoch erst nach Abschluß des Truppenversuchs und nach Vorlage der Einführungsgenehmigung für das vollständig ausgerüstete und bewaffnete Waffensystem, voraussichtlich im Jahre 2007, erneut zu beschließen. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Grundsätzlich stimme ich dem Bau und der Beschaffung des Eurofighters 2000 zu. Neben der militärischen Notwendigkeit halte ich es insbesondere auch für erforderlich, daß Europa und Deutschland im Flugzeugbau nicht den internationalen Anschluß verlieren. Gerade im Flugzeugbau steckt ein großes Innovationspotential, zum Beispiel in der Flugtechnik, der Computertechnik, der Elektronik und der Metallurgie. Flugzeugbau ist High-Tech, bedeutet Zukunft, und deshalb ist es grundsätzlich richtig, das Flugzeug in Europa zu bauen und nicht in den USA oder Rußland zu kaufen. Vor diesem industriepolitischen Hintergrund ist es aber nicht akzeptabel, daß die Industrie in den östlichen Bundesländern am deutschen Auftragsvolumen von über 23 Milliarden DM nach Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums nur mit 45 Millionen DM beteiligt ist, also mit nur 0,2 Prozent! Seit 1992 ist immer wieder auf die Notwendigkeit einer angemessenen Beteiligung von Unternehmen aus den östlichen Bundesländern an der Produktion hingewiesen worden, ohne daß in diesen fünf Jahren Ergebnisse erzielt worden sind. Die Bundesregierung wird auch unglaubwürdig, wenn sie einerseits von der Wirtschaft ein stärkeres Auftragsvolumen Ost einfordert, andererseits bei eigenen Auftragsvergaben es nicht durchsetzt. Aus diesem Grunde enthalte ich mich heute der Stimme. Heidemarie Lüth (PDS): Ich stimme dagegen, weil der Eurofighter eine militärpolitische Unsinnigkeit ersten Ranges darstellt. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters nur die Interessen der Rüstungsindustrie befriedigt und ihrer Profitmaximierung dient. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters mit Anschaffungskosten von über 100 Milliarden DM verbunden ist. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters gemeinsam mit 80 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik ab. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil ich damit auch dem Votum des Petitionsausschusses entspreche. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil gerade auch noch in den vergangenen Tagen und Wochen Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in Chemnitz und in Leipzig, Vereine wie Friedensweg e.V. und der Versöhnungsbund e.V. auf den Straßen Unterschriften gegen die Anschaffung gesammelt haben. Ich stimme gegen die Anschaffung des Eurofighters, weil die durch ihn ermöglichte Sicherung der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie einem Vielfachen in der zivilen Produktion und noch mehr Arbeitsplätzen im sozialen Bereich gegenüberstehen. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil mit seinem Bau die weltweite Aufrüstung weiter angeheizt wird. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil nicht die Aufrüstung auf der Tagesordnung steht, sondern Senkung der Militärausgaben und Erhöhung der Ausgaben für friedliche Konfliktbewältigung und Zivilen Friedensdienst. Dr. Martin Pfaff (SPD): Auch wenn ich den Haushaltsplan des Bundesministers für Verteidigung in seiner Gesamtheit ablehne, möchte ich mich hiermit für die Fortführung des Projektes Eurofighter aussprechen. Um die wesentlichen Begründungen nochmals klarzumachen, folgen die entscheidenden Punkte: Wie mir die Verteidigungsexperten der SPD-Bundestagsfraktion versichern, benötigt die Bundesrepublik Deutschland aus sicherheitspolitischer Sicht einen Nachfolger für die Phantom. Es wäre naiv davon auszugehen, jegliche Bedrohung von außen sei seit Ende des kalten Krieges ein für allemal vorbei: Ein Ende der Geschichte gibt es nicht. Und ohne Verteidigungsfähigkeit steht unsere Zukunft auf wackligen Füßen. Ich spreche mich für das Projekt aber auch aus, weil wir - als eine der führenden Industrienationen - nicht von der technologischen Entwicklung abgekoppelt werden dürfen. Das Projekt ist eine technologisch gewaltige Herausforderung. Wir sollten selber das produktionstechnische Know-how entwickeln und realisieren, um einen zukunftsfähigen Hochtechnologie- und Produktionsstandort Deutschland zu fördern. Stellt die Bundesrepublik den Nachfolger der Phantom nicht im Inland her, muß dieser im Ausland gekauft werden. Da ist mir das Hemd schon näher als der Rock. Und ich befürworte auch nicht zuletzt als örtlicher Abgeordneter den Bau - und ich sage dies ganz offen -, weil insgesamt 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze, davon 500 bis 600 allein in Augsburg, betroffen sind - mitsamt der schicksalhaften Bedeutung für die potentiell betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DASA und deren Familien. Eine - wie oftmals vorgeschlagene - Alternative, einen vergleichbaren Auftrag im zivilen Flugzeugbau aus öffentlichen Mitteln zu realisieren, wäre zwar auch aus meiner Sicht wünschenswert, ist jedoch in Anbetracht der desolaten Haushaltslage leider absolut realitätsfern. Auch wenn mit dem Projekt sofort begonnen würde, würden die Arbeitsplätze nicht rechtzeitig und im nötigen Umfang gesichert. Darüber hinaus möchte ich auch folgendes nochmals betonen: Ich halte die aktuelle und speziell die öffentliche Diskussion um die Produktion des Eurofighters für legitim, notwendig und demokratisch gut. Es darf aber nicht vergessen werden, daß die durchaus begründete und verständliche Heftigkeit der Diskussion, den Gutteil der Brisanz diejenigen zu vertreten haben, die in Bonn an den Schalthebeln der Macht sitzen. Schließlich ist es die Regierungskoalition, welche die Verantwortung für die gegenwärtige wirtschafts- und finanzpolitische Misere trägt. Hätten wir heute nicht ein solch dramatisches Ausmaß an Arbeitslosigkeit, könnten und würden öffentliche Steuermittel reichhaltiger fließen und die kostenbezogene Debatte müßte für niemanden so weit in den Vordergrund gerückt werden. Diese aktuelle Problematik des Eurofighter-Projektes ist nicht von der Opposition zu verantworten. Ich habe mich nachhaltig bemüht, bei den zuständigen Ministerien in Bonn und vor Ort den Vorschlägen der DASA-Betriebsräte in Richtung Konversion zur Realisierung zu verhelfen. Leider waren auch diese Bemühungen vergeblich. Auch deshalb fühle ich mich bestärkt in meiner Haltung für den Bau des Eurofighters. Aus den genannten Gründen stimme ich gegen den gesamten Verteidigungshaushalt, obwohl ich für das Projekt Eurofighter bin, und ich stimme auch deshalb gegen den Antrag der Grünen. Mit vielen Argumenten meiner eigenen Fraktion stimme ich überein, komme aber zu anderen Schlußfolgerungen. Deshalb werde ich mich bei diesem Antrag enthalten. Jürgen Türk (F.D.P.): Ich stimme gegen den oben genannten Änderungsantrag, weil er generell die Streichung der Kosten für die vorgesehene Beschaffung des Eurofighters 2000 vorsieht. Ich habe aber eine ablehnende Haltung gegenüber der mit dem Verteidigungshaushalt zu beschließenden Beschaffungsanzahl des Eurofighters in der Höhe von 180 Stück, den zu hohen Stückpreis und der noch unzureichenden Erprobung. Um auch im Verteidigungsbereich sparsam mit Mitteln umzugehen, möchte ich folgendes empfehlen: Die Beschaffung einer begrenzten Anzahl neuer russischer Jagdflugzeuge (MIG 29 M) mit einem Stückpreis von 40 Millionen DM, und zwar als Ersatz für die alte MIG 29 A, die zur Zeit in der Bundeswehr Dienst tut. Diese kostengünstigere Beschaffung würde gleichzeitig schrittweise die militärische, politische und wirtschaftliche Integration Rußlands nachhaltig fördern. Die Bestellung einer ersten Losgröße Eurofighter 2000 bis zu 100 Stück. Ein weiterer Zukauf wird unter den Vorbehalt des Bedarfes gestellt. Einen Jagdflugzeugmix aus Eurofighter 2000 (mit großem Anteil) und MIG 29 M (mit kleinem Anteil) langfristig in Dienst zu stellen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 31 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Maßstab verantwortungsvoller Innenpolitik ist die Fähigkeit, auf wechselnde gesellschaftliche Problemfelder angemessen und zügig zu reagieren. Diesem hohen Anspruch ist die Bundesregierung auch in der laufenden Legislaturperiode in vollem Umfang gerecht geworden. Innenpolitik muß in erster Linie die innere Sicherheit als Grundlage der freien Entfaltung aller rechtstreuen Bürger festigen. Die Bekämpfung neu eingetretener Gefährdungslagen verlangt aber nicht nur das notwendige gesetzgeberische Instrumentarium. Ergänzend hinzukommen müssen grundlegende administrative Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Überall hat die Koalition in beeindruckender Weise das Handwerkszeug für die Verbrechensbekämpfung verstärkt: Das Verbrechensbekämpfungsgesetz rückt der organisierten Kriminalität über eine Kronzeugenregelung zu Leibe, verschärft den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, führt das beschleunigte Verfahren ein und verschärft die Strafvorschriften gegen das Schlepperunwesen. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz packt über strengere Strafvorschriften, die Einbeziehung von Korruptionsvorgängen in der privaten Wirtschaft ins Strafrecht sowie über wesentliche Verschärfungen des öffentlichen Dienstrechts einen wichtigen Teilaspekt organisierter Kriminalität an. Das Bundeskriminalamtgesetz gibt der deutschen Zentralstelle zur Verbrechensbekämpfung eine moderne Rechtsgrundlage und klar definierte Eingriffsbefugnisse. Das Bundesgrenzschutzgesetz enthält das notwendige Instrumentarium für die vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben der Polizei des Bundes. Die Novellierung des Ausländergesetzes verbessert die Möglichkeiten zur Abschiebung schwerkrimineller Ausländer, auch als Reaktion auf die Beteiligung an gewalttätigen Demonstrationen. Der in der parlamentarischen Beratung befindliche Gesetzentwurf zur Änderung von Artikel 13 GG wird zusammen mit dem interfraktionellen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität das elektronische Abhören von Gangsterwohnungen ermöglichen und die Vorschriften gegen die Geldwäsche deutlich verbessern. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen können mit diesen Meilensteinen der Verbrechensbekämpfung in Deutschland endlich wichtige Lücken im Schutz der Bürger gegen das organisierte Verbrechen geschlossen werden. Im gemeinsamen Kampf gegen Alltags- und Massenkriminalität habe ich die Länder zu einer „Aktion Sicherheitsnetz" aufgerufen. Eine entschlossene Sicherheitsstrategie, die der heutigen Gefährdungslage gerecht werden will, muß auf einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Bürger aufbauen, alle staatlichen und kommunalen Kräfte bündeln, die Präsenz der Polizei verstärken, die Justiz in den staatlichen Sicherheitsauftrag stärker einbeziehen und sich zu einem konsequenten Vorgehen gegen jede Form von Kriminalität und Störung der öffentlichen Ordnung bekennen. Kriminalitätsbekämpfung gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Trotz Haushaltsengpässen hat der Bund seit 1993 seine Aufwendungen für Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz kontinuierlich gesteigert. Allein für den Bereich des BGS ist der Haushaltsansatz von 2,15 Milliarden DM in 1993 auf 3,12 Milliarden DM in 1998 und damit um mehr als 45 Prozent angestiegen. Die Politik aller Länder muß diesen Weg entschlossen und kreativ mitgehen. Denn hier liegt ein entscheidendes Bewährungsfeld für eine funktionierende föderative Ordnung. Mit dem Aufbau des Europäischen Polizeiamtes Europol sind wir auch im europäischen Bereich entscheidend vorangekommen. Innerhalb eines vernünftigen Kontrollrahmens soll Europol Mitte 1998 seine Tätigkeit als leistungsfähige europäische Zentralstelle aufnehmen und uns international in die Lage versetzen, mit der Entwicklung der organisierten Kriminalität Schritt zu halten. Im Rahmen der Schengener Kooperation wurde die Zusammenarbeit vertieft. Der unverzichtbaren Sicherung der Außengrenzen dient die Neustrukturierung des Bundesgrenzschutzes, die unter anderem die polizeilichen Einsatzschwerpunkte an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik personell und materiell massiv verstärkt. Die Zahl der dort eingesetzten Polizeivollzugsbeamten ist von 2700 im Jahr 1992 auf heute 5800 angestiegen. Nach Abschluß der Reform werden an diesen Grenzen insgesamt 7400 Polizeivollzugsbeamte im Einsatz sein. Das Konzept verdeutlicht insgesamt, daß die Erfüllung des polizeilichen Sicherheitsauftrages oberstes Ziel und damit zentraler Ausgangspunkt aller konzeptionellen Überlegun- gen zur Neukonzeption des Bundesgrenzschutzes ist. Schwerpunkt im Bereich der Ausländerpolitik war die Novellierung des Ausländergesetzes. Sie ermöglicht nicht nur die erleichterte Ausweisung schwerkrimineller Ausländer, sondern regelt auch andere, die Integration von Ausländern verbessernde Bereiche, die sich die Koalition zu Beginn dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt hatte. Vor allem geht es auch weiterhin um eine entschiedene Umsetzung des geltenden Rechts in administrative Praxis - ein immerwährender Auftrag vor allem für die Länder. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gestaltet das Dienstrechtsreformgesetz 1997 das Beamtenrecht unter Aspekten von Effizienz, Leistung, Mobilität und Führungsverhalten im öffentlichen Dienst grundlegend neu. Der versorgungsrechtliche Teil dieser Reform setzt den von mir vorgelegten Versorgungsbericht um: Neben der Anhebung der allgemeinen Antragsaltersgrenzen, der Kürzung der Zurechnungszeiten bei Dienstunfähigkeit und der Begrenzung des Ruhegehalts wird in Zukunft insbesondere die Bildung einer Versorgungsrücklage aus Beiträgen der Beamten im Vordergrund stehen. Diese Rücklage wird bis zum Jahr 2013 auf 66 Milliarden DM angestiegen sein und es damit ermöglichen, die prognostizierten Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften zu mindern. Das ehrgeizige Ziel „schlanker Staat" ist auf gutem Weg. Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren steht beispielhaft für den Abbau überflüssiger Reglementierung. Die erfolgreiche Neustrukturierung des gesamten Zivilschutzes sollte auch anderen Bereichen erschließbares Verschlankungspotential ebenso wie den Weg zeigen, mit weniger Mitteln effektivere Strukturen zu verwirklichen. Der Sachverständigenrat „schlanker Staat" hat seine Arbeit am 12. September 1997 beendet und konkrete Neuerungsschritte zu diesem Thema und ihrer schnellen Umsetzung in die Praxis vorbereitet. Der auf Staatssekretärsebene eingesetzte Lenkungsausschuß Verwaltungsorganisation wird die vielfältigen Ansätze zur Modernisierung der Bundesverwaltung übergeordnet steuern und jährlich über die Fortschritte der Modernisierungsmaßnahmen auch im Hinblick auf den Berlin-Umzug informieren. Weitere Erfolge kann die Bundesregierung auch in dem schwierigen Bereich der Aussiedlerpolitik verbuchen. Die Lage der deutschen Minderheiten in Osteuropa hat sich fast überall stabilisiert. Mit deutlich weniger als 150 000 Personen ist für 1997 der geringste Zuzug seit 1987 zu erwarten. Schließlich hat das mit den Ländern abgestimmte Wohnortzuweisungsgesetz zu einer besseren Verteilung der Aussiedler in Deutschland beigetragen. Das erleichtert die notwendige Integration. Das gleiche gilt für die eingeführten Sprachprüfungen, die zugleich den Mißbrauch der Zuzugsmöglichkeiten einschränken. Vier Jahre Kulturarbeit des Bundesinnenministeriums stehen für weitere Fortschritte auf dem Weg zur inneren Einheit. Das mit Beginn des Haushaltsjahres 1995 für die neuen Länder und Berlin ins Werk gesetzte „Leuchtturmprogramm" ist auf bundesweite Beachtung gestoßen. Dankenswerterweise hat die Kulturpolitik der Bundesregierung immer großes Verständnis beim Deutschen Bundestag gefunden. Sie kann daher auch 1998 fortgesetzt werden. Vor allem im Denkmalschutz können wir nicht sparen, sondern müssen jetzt handeln, damit nicht unwiderbringliche Kulturgüter verloren gehen. Im Sport ist es in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund gelungen, neue Konzepte zu entwickeln, die einen noch effektiveren Einsatz der Bundesmittel zur Förderung des Spitzensports ermöglichen. Gerade mit Blick auf die im nächsten Jahr mit den Olympischen Winterspielen und den Paralympics in Nagano/Japan anstehenden sportlichen Großereignisse sind damit erfolgreiche Weichen für die Zukunft gestellt. Der Sport bleibt aber weiter gefordert, die verschiedenen Strukturelemente in einem nationalen Spitzensportkonzept zusammenzuführen, wobei insbesondere dem Nachwuchsbereich ein besonderer Stellenwert zukommt. Ziel ist es, ein durchgängiges Förderkonzept von der Talentsichtung bis zur Begleitung der Weltklasseathleten zu schaffen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Man kann den Bürgerinnen und Bürgern nicht oft
    genug vor Augen führen, wie sehr der saarländische
    Ministerpräsident sein Land unverdient heruntergewirtschaftet hat.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Das sehen die aber ganz anders!)

    - Sie können das alles richtigstellen.
    Bei der Wachstumsdynamik bildet das Saarland unter den westdeutschen Bundesländern das absolute Schlußlicht. Es schneidet bezeichnenderweise noch schlechter ab als das Land des automobilpolitischen Sprechers der SPD, Gerhard Schröder.

    (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon gibt es ja noch mehr!)

    Oskar Lafontaine hat für das Saarland trotz milliardenschwerer Bundeshilfen die höchste Pro-Kopf -Verschuldung und die geringste Investitionsquote der deutschen Flächenländer zu verantworten.

    (Zuruf von der SPD: Nach Bayern!)

    - Sie hören das anscheinend ungern; ich werde trotzdem fortfahren. - Dafür gönnt sich die SPD im Saarland die höchsten Personalausgaben aller Flächenländer. Wenn ich richtig informiert bin, ist noch immer ein Starkoch in Ihrer Landesvertretung hier in Bonn tätig. Leidtragende dieser Politik sind die Menschen im Saarland und wegen der vorhin angesprochenen Länderfinanzausgleichsmechanismen die Steuerzahler in ganz Deutschland.
    Ich zitiere eine Hamburger Zeitschrift, die nicht in Verdacht steht, CSU-Politik zu kreieren. Der „Stern" schreibt am 28. Mai, die Lafontainesche Wirtschaftspolitik sei rückwärtsgerichtet, den Bergleuten werde nicht die Wahrheit gesagt; die heimische Wirtschaft werde vom Ministerpräsidenten vernachlässigt. Hier heißt es:
    Die saarländischen Unternehmer erlebten den Mann an der Spitze der Landesregierung als Zauderer und Zögerer, meist allerdings gar nicht: „Lafontaine ist nicht da".

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, normalerweise ist es ein freudiges Ereignis, wenn jemand einen Oscar verliehen bekommt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für das Saarland aber war das ein tragisches Ereignis.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich habe unlängst gelernt, daß die Menschen im Saarland den Oskar gerne weiterreichen würden -

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Warum die ihn wohl immer wählen?)

    aber bitte nicht hierher als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.
    Wir werden im September nächsten Jahres wählen. Wir werden sehen, wie die Wahl ausgeht. Ich bin

    Michael Glos
    da sehr optimistisch; denn die Menschen werden Leistungen beurteilen und nicht Sprüche. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Theo Waigel, der die deutsche Einheit finanziert hat,

    (Lachen bei der SPD)

    ohne daß dabei die D-Mark schwach geworden ist. Wir haben die größte Herausforderung der Weltgeschichte, die es finanziell gegeben hat, nämlich die Finanzierung dieser Vereinigung, ausgezeichnet bewältigt. Wir werden diese Aufgabe auch in Zukunft bewältigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich glaube, ich muß hier ein klein wenig Geschichtsunterricht geben.

    (Lachen bei der SPD)

    - Jetzt hören Sie doch einmal zu! Sechs Finanzminister sind in der Zeit der sozialliberalen Koalition verschlissen worden, in einer Zeit, als es in Deutschland ständig aufwärts ging, als wir Wachstumsraten hatten, von denen wir heute noch träumen.

    (Lachen und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    - Sicher, die 70er Jahre waren eine andere Zeit.

    (Zuruf von der SPD: Aufhören! WolfMichael Catenhusen [SPD]: Bei ihnen geht es nur bergab!)

    - Jetzt hören Sie doch einmal zu. - Ich zähle nur kurz die Namen auf: Alex Möller, Karl Schiller, Helmut Schmidt, Hans Apel, Hans Matthöfer und ganz zum Schluß Manfred Lahnstein.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wir hatten viele gute Leute!)

    Das, was Ludwig Erhard gefordert hat - da gehe ich noch ein Stückchen weiter zurück -, ist in der heutigen Zeit notwendiger denn je, nämlich Disziplin und maßhalten.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Bei den Schulden!)

    Da möchte ich jetzt den Sachverständigenrat zitieren:
    Eine Wende am Arbeitsmarkt wird nur zu erreichen sein, wenn in der Lohnpolitik an dem eingeschlagenen beschäftigungsfreundlichen Kurs festgehalten wird.
    Die unabhängige Deutsche Bundesbank weist darauf hin, daß es zum Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland einer moderaten Lohnpolitik über mehrere Jahre bedarf.
    Jetzt komme ich zu Hans Apel, der sagt:
    Dank der zurückhaltenden Lohnpolitik hat unser Land seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wieder deutlich verbessert. Unsere Exporterfolge sind dafür ein deutliches Zeichen.
    Herr Ministerpräsident Lafontaine, Sie greifen zum Mittel der Aufwiegelung.

    (Lachen bei der SPD)

    Sie wiegeln die Gewerkschaften auf, die moderate Lohnpolitik zu beenden und wieder kräftiger zuzulangen. Ihr Motto „Löhne rauf und Arbeitslosigkeit runter" ist nichts als populistisches Gerede. Die Theorie der Kaufkraft der Löhne funktioniert schlichtweg nicht. Lassen Sie mich ein kleines Rechenbeispiel bringen: Von 100 DM Lohnzuwachs erreichen nur 40 DM als zusätzlicher Konsum den deutschen Markt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wegen Ihrer Steuerpolitik!)

    Die Konsumnachfrage geht längst nicht mehr nur in deutsche Güter und Dienstleistungen. Heute steht in den Zeitungen, daß die Summe, die die Deutschen für Auslandsreisen ausgegeben haben, von 70 auf 75 Milliarden DM angestiegen ist, das heißt, daß die Nachfragetheorie auf tönernen Füßen steht.
    Wenn ich jetzt diese Rechnung mit den 100 DM fortsetze: Dem geringen Nachfrageimpuls steht aber eine um 120 DM höhere Kostenbelastung für die Wirtschaft gegenüber, da zur Lohnerhöhung noch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung hinzukommen. Diese Erfahrung zeigt, daß zu hohe Lohnkosten zu noch weiterer Rationalisierung und zu noch mehr Arbeitslosen führen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Vielleicht darf ich hier einmal jemanden ganz neu als Zeugen zitieren, den Herr Scharping entlassen hat und den Sie, Herr Lafontaine, wenn ich das recht sehe, wieder zum wirtschaftspolitischen Sprecher ernannt haben. Der Mann heißt Gerhard Schröder. Er wird heute in der „Süddeutschen Zeitung" zitiert:

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Das ist mit Sicherheit ein falsches Zitat!)

    Zugleich warnt er sein Publikum vor ideologischen Irrwegen. „Steigern werden wir die Löhne nicht mehr können - wer anderes sagt, hat keine Ahnung oder lügt. "

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD)

    Sie können sich jetzt aussuchen, Herr Lafontaine, ob Sie als Lügner oder als Ahnungsloser bezeichnet worden sind. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antwort. Ich halte Sie für ahnungslos; denn wenn ich mir die Kette wirtschaftspolitisch gefährlicher Irrtümer der SPD ansehe, dann kann das gar nicht so böswillig sein.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Wollen Sie allen Ernstes hier behaupten, es gäbe keine Lohnzuwächse mehr? Was für einen Unsinn reden Sie!)

    - Das habe ich nicht gesagt.
    Aber ich möchte Ihnen Ihre Forderung vorhalten, Herr Lafontaine. Sie haben gefordert, daß man in der

    Michael Glos
    Wirtschafts- und Finanzpolitik weniger auf Preisstabilität setzen solle. Das heißt auch, daß die geplante europäische Gemeinschaftswährung nach Ihrem Willen als Instrument der Beschäftigungspolitik einzusetzen sei. Mit anderen Worten heißt das dann: Die SPD will keinen starken, sondern sie will einen schwachen Euro, weil die SPD die europäische Wettbewerbsposition dann über die Notenpresse verbessern möchte. Wir setzen auf Stabilität und nicht auf Inflation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jedem, der mit der Preisstabilität Experimente machen will, dem sei gesagt: Mit mehr Inflation zu höherer Beschäftigung kommen zu wollen, das hat schon Helmut Schmidt in den 70er Jahren erfolglos versucht. Deswegen ist die Politik der Preisstabilität die richtige Politik. 1 Prozent mehr Inflation bringt für Konten- und Lebensversicherungssparer jährlich einen Vermögensverlust von 50 Milliarden DM, also nicht den großen Grund- und Aktienbesitzern, sondern den kleinen Sparern und den Arbeitnehmern.
    Ende Oktober hat der SPD-Parteivorsitzende - ich hoffe, Sie haben es gelesen, Herr Lafontaine - in einem Grundsatzpapier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik eine neue „Aufgeschlossenheit" gegenüber dem technischen Fortschritt gefordert, wie er es genannt hat. Ich kann da nur sagen: Die Papiere lese ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich bin gespannt, wie heute die Entscheidung der SPD zum Hochtechnologieprojekt Eurofighter ausfällt.

    (Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

    Hier geht es auf die Dauer auch um die Kompetenz Deutschlands in der Luft- und Raumfahrttechnik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich erwarte ja nicht, daß alle zustimmen. Aber ein Startverbot für die jägerpolitische Sprecherin wäre wirklich eine Erleichterung der Debatte.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Gut, daß Sie die Leute daran erinnern!)

    Selbst wenn Sie Ihre Genossen überzeugen könnten, selbst wenn es in der SPD hinsichtlich des technischen Fortschritts Konsens gäbe, frage ich Sie: Mit wem wollen Sie das alles verwirklichen?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der weißwurstpolitische Sprecher der CSU!)

    Wenn man Ihren Wunschkoalitionspartner, nämlich die Grünen - ich komme zu Ihnen, Herr Fischer -,

    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bitte nicht!)

    einmal betrachtet und sich vor Augen führt, worüber sie am Parteitag diskutiert und was sie alles beschlossen haben, dann frage ich mich: Wie will man damit eine solche Politik umsetzen?
    Die Grünen wollen einen Benzinpreis von 4,30 DM ohne Rücksicht auf die Menschen im ländlichen Raum.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu wenig!)

    Man schert sich nicht darum, daß jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland vom Automobil abhängt. Es sind immerhin 5 Millionen Arbeitsplätze, die damit zusammenhängen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ihr setzt auf den Jäger 90!)

    Wenn ich es richtig verstanden habe, fordern die Grünen zum Beispiel ein Verbot von PVC. Davon sind 100 000 Arbeitsplätze betroffen. Die Grünen halten die Gentechnologie für unverantwortbar. Davon sind mit steigender Tendenz im Moment 40 000 Arbeitsplätze betroffen.
    Die Grünen wollen aus der Kernenergie aussteigen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die verbieten die Weißwurst!)

    Wenn dann der Strom aus Frankreich, aus Kernkraftwerken im liberalisierten europäischen Strommarkt, kommt, dann stehen wieder 40 000 Arbeitsplätze im Bereich der Hochtechnologie auf Ihrer Abschußliste. Wenn wir auf den preisgünstigeren Kernkraftstrom ganz verzichten würden,

    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dampfkraftwerke!)

    dann stünden 2 Millionen Arbeitsplätze, nämlich in den energieintensiven Bereichen auf der Abschußliste.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auf Garzweiler in Nordrhein-Westfalen muß ich nicht hinweisen.
    Allerdings der abenteuerlichste Beschluß der Grünen auf ihrem Parteitag - das muß ich hier doch noch erwähnen -

    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir bitten darum!)

    ist die Forderung nach einer sozialen Grundsicherung aus der Staatskasse.

    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Lesen Sie, was Kollege Seehofer heute in der „Süddeutschen" sagt!)

    Das würde bedeuten, daß eine fünfköpfige Familie monatlich über 4100 DM netto erhalten würde, ohne daß jemals gearbeitet worden ist - und das, egal, ob Deutsche oder Ausländer. Ihre Politik ist eine Politik der Wirklichkeitsverweigerung. Was Sie propagieren, ist der Einstieg in den Faulenzerstaat. Denn wer soll denn dann am Schluß noch arbeiten, wenn man

    Michael Glos
    nicht zu arbeiten braucht, um für sein Leben und sein Alter selber zu sorgen?

    (Zurufe von der SPD: Unmöglich! Weitere Zurufe)

    Jeder fleißige Arbeitnehmer und jede fleißige Arbeitnehmerin in Deutschland müßte sich fragen, was das soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Lafontaine. Vielleicht sagen Sie uns anschließend, wie Sie gemeinsam mit dieser Partei verantwortungsvolle Politik für Deutschland machen wollen. Wir haben zur Zeit in Deutschland fünf rotgrüne Regierungsbündnisse.

    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es werden immer mehr!)

    In Sachsen-Anhalt gibt es sogar ein Regierungsbündnis mit Unterstützung der kommunistischen PDS. Wer Geschmack auf mehr hat, der muß wissen, wie rotgrüne Politik aussieht.

    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wähler haben Geschmack!)

    Deswegen werden wir nicht müde, darauf hinzuweisen, was die Folgen dieser Politik bringen würden.
    Rotgrün in Sachsen-Anhalt und Hessen kürzt drastisch die Stellen in den Landesämtern für Verfassungsschutz, die für die Abwehr von Terror und Extremismus zuständig sind. Wir haben ja inzwischen ganz stark mit dem Phänomen des Rechtsextremismus zu kämpfen. Statt Kriminalität rigoros zu bekämpfen, überwacht jetzt Rotgrün in Hamburg die Ermittlungsbehörden und sät damit Mißtrauen gegenüber dem Polizeiapparat. In Hessen sollen Richter und Staatsanwälte Anklagen vermeiden, angeblich um Kosten zu sparen. Die eingesparten Gelder fließen dann in mehr Komfort im Strafvollzug, in mit modernen Hallenbädern ausgestattete Gefängnisse.

    (Zuruf von der SPD: Hör doch auf!)

    Sogenannte Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl sollen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Das bedeutet Geringschätzung von Recht und Ordnung. Die Freigabe sogenannter weicher Drogen steht auf der Tagesordnung aller rotgrünen Landesregierungen. Rotgrüne Landesregierungen schieben generell weniger straffällige Asylbewerber in ihre Heimat ab als andere Bundesländer.

    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    - Ich weiß gar nicht, warum Sie das nicht hören wollen. Ich habe geglaubt, Sie seien stolz auf Ihre Leistungen. Jetzt wollen Sie diese Leistungen auch noch vor dem deutschen Volk verstecken.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    In Hessen wurden die Naturschutzbestimmungen von Rotgrün derart verschärft, daß nicht nur die Bauern, sondern jetzt schon jeder Gartenbesitzer bei Eingriffen in die Natur, wenn er zum Beispiel einen Strauch schneidet, Genehmigungen einholen muß.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das alles beweist: Mit der Politik von Rot und Grün ist keine Politik für Arbeitsplätze in Deutschland möglich. Wer mit den Grünen koalieren will, der erteilt sicheren Arbeitsplätzen eine Absage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD als ehemals - leider - -

    (Zuruf des Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine [Saarland])

    - Ich will nicht wiederholen, was von eurer Seite über die Lehrer gesagt worden ist. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich möchte aber trotz Ihrer Zwischenrufe den Satz zu Ende führen.
    Die SPD als ehemals traditionsreiche Arbeitnehmerpartei darf sich weder als Opposition im Bundestag und noch weniger mit ihrer Stimmenmehrheit im Bundesrat ihrer Verantwortung versagen. Deswegen appelliere ich an Sie:

    (Dieter Schanz [SPD]: Lieber nicht! - Weitere Zurufe von der SPD)

    - Was haben Sie denn? Ich kann auch noch warten, bis Sie mit Ihren Zwischenrufen fertig sind.
    Nehmen Sie das auf, was gestern Theo Waigel gesagt hat!

    (Lachen bei der SPD Eckart Kuhlwein [SPD]: Noch mehr Schulden machen!)

    Versagen Sie nicht länger Gespräche über die Steuer- und Rentenreform! Kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück! Ihre Rechnung, durch Verweigerung und Blockade an die Macht zu kommen, wird nicht aufgehen. Das wäre zum Schaden Deutschlands.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es wäre zum Schaden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;

    (Zuruf von der SPD: Nein, zu eurem Schaden!)

    es ginge zu Lasten der Arbeitsuchenden und vor allen Dingen auch zu Lasten unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, die dauerhaft gesicherte Renten wollen und auch einen Anspruch darauf haben. Es wäre vor allen Dingen im Interesse der jungen Menschen in unserem Land, die nach sicheren Zukunftsperspektiven suchen.

    (Zuruf von der SPD: Wer regiert denn?)

    Die Studentendemonstrationen richten sich weniger gegen aktuelle finanzielle Kürzungen, sondern sie sind auch aus der Angst geboren, daß man möglicherweise vor verschlossenen Türen steht, wenn man sein Studium beendet hat. Das ist nicht unsere Politik.

    (Lachen bei der SPD und der PDS)


    Michael Glos
    Wir bekämpfen diese Politik der Verweigerung und fordern Sie deshalb auf: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Klaus Lennartz [SPD]: Vielen Dank, Herr Glos! Das hat uns gutgetan!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Joschka Fischer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erstaunlich, zu welchen Reden der Kanzleretat führen kann. Herr Glos, Sie scheinen - wenn ich Ihre Rede richtig verfolgt habe - die rentenpolitische Debatte um die Niveauabsenkung gründlich mißverstanden zu haben.

    (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Die Lage in diesem Land ist, auch wenn die Politik des Bundeskanzlers und seines Kabinetts in der Spätphase in der Tat eine realsatirische Konkurrenz zum Kabarett abgibt, alles andere als heiter und lädt auch nicht zu närrischen Beiträgen ein.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn ich Michael Glos richtig verstanden habe, hat er seine Hilflosigkeit und seine Angst vor dem Machtverlust, der auf diese Regierung zukommt, zum Ausdruck gebracht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist der letzte Haushalt von Theo Waigel, Herr Kollege Glos. Das haben Sie in Ihrer Weihrauchorgie, die Sie zum besten gegeben haben, zu würdigen vergessen.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Theo Waigel hat auf jeden Fall erklärt, er werde nicht mehr Finanzminister. Für ihn ist mit diesem Haushalt definitiv Schluß.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Gott sei Dank!)

    Man hört und liest zur Zeit, daß selbst die Haushälter der Koalition diesen Haushalt als Wundertüte bezeichnen: Man weiß nicht, was herauskommt, vor allem an negativen Wundern. Wir finden eine haushaltspolitische Trümmerlandschaft vor, das ist der Haushalt 1998, und das dicke Ende kommt mit dem Haushalt 1999.
    Wer die letzte Rede des Finanzministers mit seinen früheren Reden in dieser Legislaturperiode vergleicht, stellt einen erstaunlichen Wechsel nicht nur in der Rhetorik, sondern auch in der Begründung fest. Von Konsolidierung ist keine Rede mehr, sondern es geht nur noch darum, wie man sich mit
    Finanzierungstricks und Konkursverschleppung über die Runden rettet.
    Wenn Sie das als privater Unternehmer machen würden, Herr Bundesfinanzminister, was Sie sich in den letzten zwei Jahren, vor allen Dingen im letzten Jahr, geleistet haben, dann wären Sie vermutlich ein Fall für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und nicht für Weihrauchschwenken, wie es gerade Michael Glos gemacht hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Unverschämtheit!)

    Herr Bundeskanzler, es ist Ihr Haushalt. Sie tragen die Verantwortung für diese Politik. Ich muß mich gar nicht auf Reden der Opposition beziehen; das Jahresgutachten 1997/98 Ihres Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - es ist nur wenige Wochen alt - war nicht nur eine Ohrfeige, waren nicht nur zehn Ohrfeigen, sondern das war ein Faustschlag auf die Kinnspitze dieser Koalition.
    Ich will länger aus diesem Gutachten vorlesen, weil ich annehme, Herr Kohl, daß Sie solche negativen Botschaften gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen, weil sie so unangenehm sind.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Jetzt ist eine gewaltige Niveausteigerung eingetreten!)

    Dort steht auf Seite 12 - hören Sie gut zu, Herr Glos; da können Sie etwas lernen, und bei Ihnen ist der Lernbedarf groß, wie wir gerade gehört haben -:

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    „Die Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik wiedergewinnen". Das schreiben Ihre Sachverständigen, durchweg konservative Ökonomen, meine Damen und Herren.
    Ich zitiere:
    Die Finanzpolitik trägt große Verantwortung für die ungünstigen Angebotsbedingungen in Deutschland.
    Verantworten tun dies die Herren Kohl und Waigel, füge ich hinzu.
    Sowohl über die Einnahmenseite - weil die Steuer- und Abgabenlast seit längerem auf hohem Niveau verharrt - als auch über die Ausgabenseite - insbesondere weil die wichtigen Aufgaben in der Infrastruktur sowie bei Bildung und Wissenschaft zunehmend schlechter erfüllt werden - verantwortet der Staat Belastungen für Investoren und Konsumenten. Die Hoffnung auf eine baldige und grundlegende Besserung erscheint derzeit kaum begründet ...
    Die Angebotsbedingungen werden allerdings nicht nur direkt über die Einnahmen- und Ausgabenpolitik des Staates belastet, sondern auch dadurch, daß die Finanzpolitik mit ihrem Handeln tiefsitzende Vertrauensschäden verursacht hat:

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    Als notwendig erkannte und versprochene Maßnahmen wurden nicht umgesetzt; schon beschlossene Änderungen wurden wieder zurückgenommen oder substantiell verwässert; an einer Stelle des Steuersystems wurden Änderungen beschlossen, die in ihrer Wirkung die anderer, mehr oder weniger zeitgleich umgesetzter steuerpolitischer Maßnahmen konterkarierten; entgegen dem wiederholt vorgetragenen Grundsatz, steuerliche Sonderregelungen abbauen zu wollen, wurden neue Steuerprivilegien gewährt; für absehbare Belastungen in den Haushalten wurden keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen; es wurde zu Maßnahmen Zuflucht gesucht, die erkennbar allenfalls temporär den Konsolidierungsdruck mindern; mit Blick auf das finanzpolitische Kriterium des Vertrages von Maastricht wurde sogar ein Konflikt um die Unabhängigkeit der Bundesbank in Kauf genommen.
    Ich fahre fort, weil es so schön ist:
    Die Misere der öffentlichen Finanzen - so die Sachverständigen -
    kommt in ihrer ganzen Schärfe darin zum Ausdruck, daß der Bundesminister der Finanzen in diesem Jahr angesichts deutlich schwächer als erwartet ausfallender Steuereinnahmen und zusätzlicher Belastungen durch die höhere Arbeitslosigkeit den Ausweg nur in einer größeren Verschuldung sah.
    Da die Kreditaufnahme die Summe der im Haushalt veranschlagten Investitionsausgaben überstieg, mußte die Ausnahmeregelung des Artikel 115 Absatz 1 GG ... in Anspruch genommen werden ...
    Die Zukunft wird nicht nur durch die Tilgungs-
    und Zinsverpflichtungen für den übernommenen Schuldenstand belastet, sondern auch
    - jetzt hören Sie gut zu, Herr Bundesfinanzminister, Herr Bundeskanzler -
    durch Tilgungsstreckungen, Forderungsverkäufe und die Verwendung von Privatisierungserlösen für den laufenden Haushalt. So ist beabsichtigt, die Tilgung der aus der deutschen Vereinigung resultierenden Schulden des Erblastentilgungsfonds ebenso wie die Tilgung für die von den deutschen Bahnen in das Bundeseisenbahnvermögen übernommenen Schulden im Vergleich zu den festgelegten Bedingungen zu strecken; die Erlöse aus dem Verkauf der Aktienanteile des Bundes an den Nachfolgeunternehmen der Post sollen nicht, zumindest nicht vollständig - wie gesetzlich vorgesehen - zur Finanzierung der Versorgungsansprüche der Postbeamten verwendet werden; Forderungen aus dem früheren Verkauf von Liegenschaften sollen veräußert werden.
    Alle diese Maßnahmen
    - das ist die Conclusio der Sachverständigen -
    erhöhen zwar heute den finanzpolitischen Spielraum, sie beschränken ihn aber in der Zukunft;
    Probleme werden so nur zeitlich verlagert, nicht aber gelöst.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Hier haben Sie es von Ihren eigenen Sachverständigen schwarz auf weiß: Sie betreiben keine Konsolidierungspolitik der öffentlichen Finanzen, sondern mit Bilanzierungstricks, mit Konkursverschleppung vertagen Sie die Probleme auf die kommenden Haushalte. Ich kann Rudolf Scharping nur zustimmen, wenn er sagt: nach Ihnen die Sintflut. Das ist in der Tat Ihre Politik, die Sie mit dem Haushalt 1998 hier zu Protokoll gegeben haben.
    Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer Situation, in der dieses Land ein Maximum an Handlungsfähigkeit bräuchte, diese Koalition aber in völligem Immobilismus verharrt. Es ist in der Tat nicht zum Lachen, sondern zum Weinen, wenn man sich anschaut, wie auf der einen Seite Theo Waigel in einem Sommertheater die Notwendigkeit einer Kabinettsumbildung fordert und wie auf der anderen Seite die Realität des Handelns in bezug auf die Kabinettsumbildung aussieht.
    Erinnern wir uns doch nur einmal einen Augenblick zurück: Da kreißte in diesem Sommer ja nicht nur ein Berg, sondern die bayerischen Alpen gerieten regelrecht in Aufruhr. Das Kabinett sollte umgebildet werden. Nachdem die bayerischen Alpen wieder zur Ruhe gekommen waren, schritten Helmut Kohl und Theo Waigel zur Tat, und es kreißte nicht nur ein Berg, sondern, wie gesagt, die Alpen dröhnten nachgerade. Heraus aber kam nicht einmal eine Maus, sondern ein neuer Bundesbauminister. Kollege Oswald, ich kann Sie dafür, daß Sie diese wenigen Monate noch ins Amt gehen, nur meines allergrößten Mitleids versichern. Das ist tapfer, aber es wird vergeblich sein.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Theo Waigel hat hier auf ein neues Gesicht gesetzt - immerhin. Helmut Kohl hätte diese Kabinettsumbildung gern ganz anders gehabt - typisch Kohl: ein Maximum an Reform bei einem Minimum an Bewegung.

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Der Bundespostminister Bötsch hätte als Bundespostminister aus dem Kabinett ausscheiden sollen. Dann wäre der Bundeskanzler, der große Reformer, gekommen, und, Simsalabim, das Kabinett wäre umgebildet worden, indem Bötsch in Gestalt des Wohnungsbauministers wieder erschienen wäre.

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Dieses Verhalten in einer Situation, in der in der Tat - die Sachverständigen haben es Ihnen Marge-macht - ein Maximum an gesellschaftlichen Reformen erforderlich ist und ein Maximum an Veränderungs- und Handlungsbedarf besteht, zeigt, wie ernst Sie es mit Ihren eigenen Ansprüchen meinen.

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    Herr Bundeskanzler, Sie sind Historiker.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist aber lange her!)

    Ich habe mir gedacht, schauen wir - jetzt, am Ende Ihrer Ära - doch mal, was Helmut Kohl ganz zu Beginn, in seiner ersten Regierungserklärung, formuliert hat. Versuchen wir doch mal, sozusagen in einer vergleichenden historischen Forschung

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    abzugleichen, was der junge Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl damals kritisiert, an Problemen erkannt und an Lösungen versprochen hat. Schauen wir uns einmal seine erste Regierungserklärung an. Was wir da lesen, ist hochinteressant, wenn wir es auf die jetzige Schlußphase beziehen;

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Was haben Sie damals dazu gesagt?)

    denn wir werden feststellen: Die Probleme sind nahezu dieselben geblieben; aber sie haben sich quantitativ wesentlich verstärkt, und das nach 15, 16 Jahren Helmut Kohl.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    In Ihrer Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 - lange ist es her -

    (Zuruf von der SPD: Viel zu lange!)

    stellten Sie die Frage, die ich heute auch stellen will:
    Wie ist die Lage der Bundesrepublik Deutschland?

    (Heiterkeit bei der SPD) Wir erleben

    - so Helmut Kohl -
    zur Zeit eine Arbeitslosigkeit, die schlimmer ist als jene in den Jahren des Wiederaufbaus.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Hört! Hört!)

    Fast jeder vierzehnte Erwerbstätige in der Bundesrepublik ist arbeitslos. Im Winter können fast 2,5 Millionen Menschen arbeitslos sein.
    Ihr Herr Rexrodt kündigt gegenwärtig 5 Millionen an.
    Noch mehr Mitbürger bangen um ihren Arbeitsplatz... .
    Eine schlichte Verdoppelung haben Sie in Ihrer Regierungszeit hingelegt, Herr Bundeskanzler, nicht eine Halbierung.
    Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es so viele Firmenzusammenbrüche gegeben wie in diesem Jahr, und noch nie sind so viele selbständige Existenzen vernichtet worden...
    Helmut Kohl spricht von 1982 und nicht von 1997,
    meine Damen und Herren. Wir haben heute - nach
    15 Jahren Helmut Kohl - eine einmalig hohe Zahl
    von Firmenzusammenbrüchen, einen einmaligen Pleitenrekord in der Bundesrepublik Deutschland.
    Was das Schlimmste ist:
    - so Helmut Kohl weiter -
    Fast 200 000 Jugendliche sind arbeitslos. Wie viele sind es heute, Herr Bundeskanzler?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Eine halbe Million!)

    Mehr als doppelt so viele.
    Viele finden keinen Ausbildungsplatz und sind damit nicht nur ohne Arbeit, sondern auch ohne Chance, sich beruflich zu qualifizieren. ...
    Während in normalen Wirtschaftsjahren die Investitionsquote bei 24 % des Bruttosozialprodukts lag, sind wir heute bei weniger als 21 % angelangt.
    Gleichzeitig erhöhten sich die Abgabebelastungen so sehr, daß heute ein Facharbeiter in der Bundesrepublik von jeder zusätzlich verdienten Mark rund 60 Pfennig an öffentliche Kassen abliefern muß. Aber, meine Damen und Herren, auch dies reichte nicht aus; der Staat hat sich dennoch in höherem Maße verschuldet.
    So - und das weiß jeder - kann kein Wachstum entstehen.
    So sprach Helmut Kohl 1982. Nun beziehen Sie das einmal auf die Lage heute!

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Schauen Sie sich einmal die Abgabenlast an, die heute ein Arbeitnehmer hat. Nehmen Sie einmal die Investitionsquote. Nach dem Jahresgutachten des Sachverständigenrats auf Seite 72 - in der Rechnung der Sachverständigen bezieht sich die Relation auf das Bruttoinlandsprodukt - betrug die Investitionsquote in den Jahren 1980 bis 1984 7,9 Prozent. Heute, 1997, liegen wir darunter, nämlich bei 7,6 Prozent, meine Damen und Herren. Das alles haben Sie damals kritisiert. Sie hatten 15 Jahre Zeit, die Dinge zu ändern. Sie haben es nicht getan.
    Fahren wir mit Helmut Kohl fort:
    Wo soll Zuversicht herkommen, wenn diese Probleme noch verstärkt werden durch einen nun ebenfalls im zweiten Jahr erlebten
    - nun hören Sie gut zu; das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen -
    realen Einkommensverlust von Arbeitnehmern und Unternehmern?
    Wir liegen heute bei den Reallöhnen auf dem Stand von 1989, Herr Bundeskanzler; das wissen Sie so gut wie ich.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das weiß er nicht!)

    - Doch, doch, das weiß er. Er ignoriert es nur. Unwissen unterstelle ich unserem Bundeskanzler nun wirklich nicht. Den Gefallen sollten wir ihm nicht tun.

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    Die Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft, die vor zehn Jahren bei rund 26 % lag, ist inzwischen unter 21 % abgesunken, ...
    1997 liegt sie bei 18 Prozent und sektoral sogar darunter. Das ist das Ergebnis der Regierung Kohl.
    Ich könnte noch die Sozialversicherung anführen, die Sie beklagen. Sie sagten damals weiter:
    Die Neuverschuldung reicht kaum noch aus, um die jährliche Zinslast zu bezahlen.
    Mit einer Zinslast in Höhe von 88 Milliarden DM, die wir heute zu entrichten haben, liegen wir über der Neuverschuldung. Auch das ist eine einsame Spitzenleistung der Regierung Kohl.
    Sie sagten damals weiter:
    Wenn nicht rasch gehandelt wird - und das wäre eben bei sofortigen Neuwahlen nicht möglich gewesen -, würde die tatsächliche Haushaltslücke für 1983 allein beim Bund auf etwa 55 bis 60 Milliarden DM ansteigen.
    Heute - auf das Jahr 1997 bezogen - liegen wir über 70 Milliarden DM.
    Dann verzeichnet der Sitzungsbericht - das wollte ich noch loswerden -: „Zurufe von der SPD - Dr. Waigel (CDU/CSU): Da lachen die noch!"
    Meine Damen und Herren, ich habe das in dieser Ausführlichkeit einmal klargemacht, weil Bilanz über die Ara Kohl gezogen werden muß.
    Nun ignoriere ich nicht die Schwierigkeiten, Herr Bundeskanzler, die die deutsche Einheit mit sich gebracht hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Ich unterstelle Ihnen das überhaupt nicht. Das ist nicht mein Punkt; vielmehr ist die entscheidende Frage, was Sie aus der Chance der deutschen Einheit tatsächlich gemacht haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der SPD und der PDS)

    Haben Sie diese Chance genutzt? - Sie haben sie nicht genutzt! Sie haben geglaubt, mit einem Nachbau West wäre der Aufbau Ost möglich. Sie haben eben nicht erkannt, daß strukturelle Veränderungen, bedingt durch das Ende des kalten Krieges und die Globalisierung, für beide Teile Deutschlands notwendig wurden. Sie haben den Bürgern nicht die bitteren Wahrheiten der strukturellen Veränderungen klargemacht. Sie haben nicht darauf gesetzt, eine Steuerentlastungsreform zu machen, als das Geld noch da war; vielmehr haben Sie zu dieser Zeit auf „Weiter so!" gesetzt. Sie haben gesagt „keine Steuererhöhungen", als klar war, daß wir Steuererhöhungen brauchen. Sie haben Wahlen gewonnen, indem sie den Menschen erklärt haben, es gehe so weiter wie bisher. „Weiter so!" war Ihre Devise, und dieses „Weiter so!" hieß, den gesamtdeutschen Aufbauprozeß gegen die Wand zu fahren. - Das werfen wir Ihnen vor, und das ist das Ergebnis Ihrer Arbeit.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie doch zumindest dem Gutachten, das ich vorhin schon zitiert habe. Es ist eine für die Opposition vergnügliche und für das Land tieftraurige und deprimierende Lektüre. Ich empfehle Ihnen, auf den Seiten 231 und 232 folgendes nachzulesen. Ich lese Ihnen die Worte der Sachverständigen sogar vor:
    Die Wirtschaftspolitik unterlag zu Beginn der neunziger Jahre einer zweifachen Fehleinschätzung: Einerseits herrschte die Erwartung, die deutsche Vereinigung ließe sich wirtschaftlich einigermaßen reibungslos unter den Bedingungen der früheren Bundesrepublik bewältigen und eine grundsätzliche Revision der bestehenden Regelwerke in den Bereichen Besteuerung, staatliche Leistungserstellung, föderaler Finanzausgleich, soziale Sicherung, Arbeitsmarkt und Tarifverhandlungssystem sei nicht gefordert, zumindest nicht bald und nicht grundlegend. Andererseits täuschten die quantitativen Erfolge der achtziger Jahre bei der Rückführung der staatlichen Kreditaufnahme und der Verringerung der Arbeitslosigkeit gemeinsam mit den durch den Vereinigungsboom ausgelösten Entwicklungen bei den Steuereinnahmen und auf dem Arbeitsmarkt über die tatsächliche Problemlage hinweg. Diese Fehleinschätzungen haben dazu geführt, daß notwendige Anpassungen hinausgezögert oder gar verhindert wurden.
    Diese Fehleinschätzungen von Dr. Helmut Kohl hatten zur Konsequenz, daß wir heute, 1997, einen Stand erreicht haben, der weit hinter den von 1982, den Sie damals beklagt haben, weit hinter die damals von Ihnen kritisierte Realität zurückgefallen ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir brauchen dringend einen Neuanfang; damit können wir nicht warten. Sie wollen keine Neuwahlen; Sie haben mit Ihrer Mehrheit die Möglichkeit, das hinauszuschieben. Dennoch brauchen wir angesichts dramatischer Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, angesichts dramatisch wegbrechender Steuereinnahmen endlich Aktivität. Ich bin schon heilfroh, daß es in dieser Debatte bereits nicht mehr um die Nettoentlastung bei der großen Steuerreform gegangen ist.
    Herr Bundeskanzler, ich appelliere nachdrücklich noch einmal an Sie: Bewegen Sie sich endlich! Wir sind bereit zu einer Senkung von Spitzensteuersatz und Eingangssteuersatz entlang einer linear-progressiven Struktur. Wir sind zu einem Schließen der Steuerschlupflöcher bereit, was Sie schon längst hätten machen können. Wir sind bereit, hier das Notwendige zu tun und den Weg hierzu gemeinsam mit Ihnen zu gehen. Wenn wir nicht länger über eine Vergrößerung von Haushaltslöchern in Gestalt einer angeblichen Nettoentlastung diskutieren müssen, dann sind wir kompromißfähig und bereit, eine Steu-

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    erreform zu vereinbaren, noch bevor die Bundestagswahlen stattgefunden haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es liegt ausschließlich an Ihnen, Herr Bundeskanzler - ausschließlich. Ich appelliere noch einmal nachdrücklich an Sie: Bewegen Sie sich endlich bei diesem Punkt und auch in der Frage der Rentenreform. Ich bin mir sicher, die Sozialdemokraten werden - die Angebote liegen öffentlich genauso auf dem Tisch, Kollege Scharping hat es heute wiederholt - -

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    - Indem Sie darüber hinweglärmen, können Sie doch nicht die Tatsache verdrängen, daß die Probleme hier allein an der Bundesregierung und an der F.D.P. liegen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Ich weiß doch, daß die Union sofort bereit wäre, diesen Schritt zu gehen. Ich weiß doch, daß Sie den Quatsch mit der Soli-Senkung, den Sie schuldenfinanziert gemacht haben, nur gemacht haben, um der F.D.P. einen Gefallen zu tun, weil diese damit die Koalitionsfrage verbunden hat. Ich weiß, daß CDU und CSU sofort bereit wären, auf dieser Grundlage zu handeln, wenn sie durch die F.D.P. nicht ausgebremst würden.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Und der Bundesrat?)

    Die F.D.P. möchte sich schlicht und einfach an dem letzten Haar, an dem sie hängt, nämlich an dem Ruf, die Steuersenkungspartei zu sein, festhalten; dadurch sieht sie die fünf Prozent erreichbar. Das ist der wahre Grund dafür, daß sich der Bundeskanzler nicht bewegt.
    Ich appelliere hier nochmals an alle: Wir sind so nah beieinander. Es gibt jenseits einer nicht möglichen, weil nicht finanzierbaren, Nettoentlastung wesentliche Übereinstimmung. Es darf doch nicht wahr sein, daß wir angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen, die drohen, und weltwirtschaftlicher Herausforderungen - wir schauen uns mit Sorge die Entwicklung in Ostasien an und das, was auch hier in Europa auf uns zukommen kann - nicht handeln. Es darf doch nicht wahr sein, daß eine Partei, die - rein selbstverschuldet - um ihr Überleben kämpft, letztendlich den strukturellen Erneuerungsprozeß in diesem Lande weiter blockieren kann.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Herr Bundeskanzler, das gleiche gilt für die Rente. Bei der Rente haben wir ein doppeltes Problem. Das erste Problem ist die aktuell zu hohe Beitragslast. Das zweite Problem ist struktureller Art. Beide haben miteinander zu tun, aber nicht in unmittelbarer Art und Weise. Der Kollege Schäuble wird sicherlich
    gleich fragen, warum wir dem Rentenreformgesetz der Koalition nicht zustimmen.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja, warum nicht?)

    Dazu sage ich Ihnen, Herr Kollege Schäuble: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent, die Sie da veranschlagt haben, sollte nicht zur Abwehr der Beitragserhöhung auf 21 Prozent, sondern zur Gegenfinanzierung einer verbesserten Anrechnung von Kindererziehungszeiten dienen; mit dem Beitragssatz von 21 Prozent hat das nichts zu tun.
    Unsere Hauptkritik richtet sich gar nicht so sehr gegen die Absenkung des Rentenniveaus; da besteht ein Widerspruch zwischen uns und den Sozialdemokraten. Aber was Sie bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten in diesem Bereich gemacht haben, bedeutet klar eine Privatisierung des Erwerbsunfähigkeitsrisikos zu Lasten der Erwerbsunfähigen. Das ist eine soziale Sauerei, die wir nicht mitmachen! Das ist für uns der entscheidende Punkt; damit das hier völlig klar ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Mich erstaunt, daß Ihr Arbeitnehmerflügel das mitgemacht hat.

    (Zuruf von der SPD: Den gibt es doch nicht mehr!)

    Denn Ihre Maßnahmen in bezug auf die Erwerbsunfähigkeitsrenten bedeuten den ersten Schritt raus aus der solidarischen Rente und rein in die Privatisierung eines existentiellen Risikos. Herr Kollege Geißler, Sie wissen so gut wie ich, daß es sich dabei um den Abschied vom Grundgedanken der Solidarität handelt. Den machen wir so nicht mit; das ist mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der drohende Beitragssatz von 21 Prozent ist ein aktuelles Problem; er ist das Ergebnis einer falschen Finanzierung der deutschen Einheit. Anstatt die Steuern zu erhöhen, haben Sie die Abgaben, vor allen Dingen die Rentenversicherungsbeiträge und auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, erhöht. Sie haben die Lohnnebenkosten dramatisch nach oben explodieren lassen. Das wiederum führte in einem Verstärkungseffekt zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit, weil Arbeit zu teuer war. Nicht unsere Nettolöhne liegen zu hoch, sondern unsere Bruttolöhne. Verantwortlich dafür ist der Kostenfaktor Kohl und Waigel und nicht der Kostenfaktor Gewerkschaften! Auch das muß man hier einmal klipp und klar sagen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Schauen Sie sich doch einmal an, was die Menschen gegenwärtig erleben! Sie bekommen ein Weihnachtsgeld in Höhe von 10 000, 12 000 oder 13 000 DM brutto. Bei Steuerklasse I bleiben ihnen 5100 bis 5600 DM. Die Leute fragen sich: Wo sind wir

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    eigentlich? Sie freuen sich auf das Christkind und blicken Theo Waigel tief in die Augen. Das ist die Konsequenz.

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Das ist doch Ihre Politik, meine Damen und Herren.
    Nein, hier könnten wir entlang dem Schäuble-Vorschlag sofort vorgehen. Eine Kombination aus Mehrwertsteuererhöhung und Mineralölsteuererhöhung wäre sofort machbar, um die Anhebung des Rentenversicherungsbeitrags auf 21 Prozent abzuwenden. Dazu sagt aber wiederum die CSU nein; das will sie als Automobil-Partei vor der Landtagswahl in Bayern nicht. Hier gibt es ebenfalls wieder eine Blockade im Regierungslager.
    Herr Bundeskanzler, auch hier fordere ich Sie auf: Bewegen Sie sich endlich! Es darf doch nicht wahr sein, daß wir einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen, nur weil Sie einen Gegenfinanzierungsvorschlag, den Ihr Fraktionsvorsitzender gemacht hat, nicht durchsetzen können.
    Steuern und die Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge sind zwei Bereiche, in denen sofort gehandelt werden könnte, für die wir keine Neuwahlen brauchen und bei denen wir in der Sache - ich sage es nochmals - weitgehend einer Meinung sind. Wir wären sofort bereit, hier im Interesse des Gemeinwohls auch als Opposition Verantwortung wahrzunehmen und dies mitzutragen. Es muß aber von der Regierung gemacht werden.
    Es bleibt jedoch natürlich das strukturelle Problem. Das strukturelle Problem der Rentenkrise hängt unmittelbar an der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Arbeitslosigkeit und Rentenkrise hängen direkt und unmittelbar zusammen.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, einige Entwicklungen - -

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Nur nicht sparen!)

    - Daß ausgerechnet Sie, Herr Schäuble, den Zuruf machen „Bloß nicht sparen!", ausgerechnet Sie, der Spitzenverdienern 9 Milliarden einfach hinterhergeworfen hat durch die Abschaffung der Vermögensteuer!

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Daß die Bürgerinnen und Bürger es damals nicht wahrgenommen haben, ärgert mich auch. Heute wird man oft angesprochen, wenn man erkannt wird: Was macht ihr da in Bonn? - Da sage ich immer: Warum habt ihr, als die 9 Milliarden gerade mal weggeworfen wurden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Lüge!)

    nicht aufgeschrien? Wenn heute die Studenten demonstrieren, dann zeigt das doch, wohin Ihre Politik des billigen Staates tatsächlich führen kann!

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Als Helmut Kohl die Regierung übernommen hat, lagen wir bei den Forschungsmitteln weltweit auf Platz zwei, heute sind wir auf Platz sechs zurückgefallen. Das ist eine weitere deprimierende Bilanz, die man erwähnen muß.
    Wenn ausgerechnet die F.D.P. glaubt, mit zusätzlich 40 Millionen - Sie können ruhig die 12,4 Millionen, die Sie zurückzahlen müssen, noch drauflegen, denn sie sind voll gedeckt -, auskommen zu können, dann sind das angesichts der Probleme, die wir im Hochschulbereich haben, Peanuts.