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    Plenarprotokoll 13/206 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Inhalt: Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18631 A Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksachen 13/8200, 13/8883) . . . 18631 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1997 (Nachtragshaushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/8199, 13/8803) 18631 A Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/9004, 13/9025) . . . 18631 B in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Ausweis der Mittel für den Bundesnachrichtendienst (Drucksachen 13/6531, 13/7299) . . 18631 B Rudolf Scharping SPD 18631 D Michael Glos CDU/CSU 18636 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18642 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 18648 A, C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 18649 B Dr. Gregor Gysi PDS 18654 B, 18685 B Dr. Christa Luft PDS 18657 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 18658 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saar- land) 18669 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . 18675 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 18677 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 18683 B Rudolf Scharping SPD 18684 A Namentliche Abstimmung 18686 D Ergebnis 18689 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/9005, 13/9025) . . 18687 B Günter Verheugen SPD 18687 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18692 A Otto Schily SPD 18694 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18694 C Ulrich Irmer F.D.P 18695 A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18695 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18696 D, 18704 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P 18697 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18699 A Steffen Tippach PDS 18699 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 18700 C, 18703 B Ulrich Irmer F.D.P 18702 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18703 A Eckart Kuhlwein SPD 18703 C Karl Lamers CDU/CSU 18706 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/9013, 13/9025) . . 18708 A Walter Kolbow SPD 18708 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 18712 A Erwin Horn SPD 18713 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18714 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . 18716B, 18720 B Uta Zapf SPD 18718 A Otto Schily SPD . 18718 D Ernst Kastning SPD 18719 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 18720 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 18721 C, 18723 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 18723 B Paul Breuer CDU/CSU 18724 B Manfred Opel SPD 18725 D Namentliche Abstimmungen 18726 D Ergebnisse 18727C, 18730 A Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/9019, 13/9025) . . . 18732 C Dr. Emil Schnell SPD 18732 C Michael von Schmude CDU/CSU 18735A, 18742 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18737 C Armin Laschet CDU/CSU 18737 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18738C, 18740C, 18743 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU 18740 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P 18740 D Dr. Willibald Jacob PDS 18743 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 18744 B Dr. R. Werner Schuster SPD 18746 A Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/9007, 13/9025) . . . . 18747 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/9017, 13/9025) . . . 18747 C Gunter Weißgerber SPD 18747 D Manfred Kolbe CDU/CSU 18749 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18751 A Otto Schily SPD 18752B, 18762 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 18753 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 18754 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18756 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . 18757 D, 18760 D Norbert Geis CDU/CSU 18758 C Norbert Geis CDU/CSU 18760 A Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 18761 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18761 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/9006, 13/9025) . . . 18763 C in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/9023, 13/9025) . . . 18763 C Uta Titze-Stecher SPD 18763 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 18766 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18768 B Dr. Max Stadler F D P. 18770 A Ulla Jelpke PDS 18771 B Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 18772 C Fritz Rudolf Körper SPD 18773 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 18774 C Nächste Sitzung 18775 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18777* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 18777* B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 18779* A Gabriele Fograscher SPD 18779* B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18779* D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU und Hans-Dirk Bierling CDU/CSU 18780* A Ernst Kastning SPD 18780* B Roland Kohn F.D.P. 18780* C Manfred Kolbe CDU/CSU 18780* C Heidemarie Lüth PDS 18780* D Dr. Martin Pfaff SPD 18781* B Jürgen Türk F.D.P 18781 * D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 33 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 18782* A 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 26. 11. 97 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dreßler, Rudolf SPD 26. 11. 97 Hartmann, Hanns-Peter PDS 26. 11. 97 Heubaum, Monika SPD 26. 11. 97 Homburger, Birgit F.D.P. 26. 11. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 26. 11.97 Kurzhals, Christine SPD 26. 11. 97 Lehn, Waltraud SPD 26. 11. 97 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 11. 97 Erich Marx, Dorle SPD 26. 11. 97 Reschke, Otto SPD 26. 11. 97 Scheel, Christine BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schenk, Christina PDS 26. 11. 97 Schlee, Dietmar CDU/CSU 26. 11. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Siebert, Bernd CDU/CSU 26. 11. 97 Stübgen, Michael CDU/CSU 26. 11. 97 Vosen, Josef SPD 26. 11. 97 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 26. 11. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingoldstadt) (SPD): 1. Meine Ausführungen über die Lage der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, wie ich sie bereits am 11. November 1993 in einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages formuliert habe, gilt im Grundsatz noch heute: CDU/CSU und F.D.P. sowie die von ihnen gebildete Regierung haben bis heute im Gegensatz zu den USA, Frankreich, England oder Japan auf eine eigenständige Industrie- und Technologiepolitik verzichtet. Die Investitionsentscheidungen der Regierung sind planlos und auch für die Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie kaum planbar. Zu lange wurde im Rahmen der europäischen Koordinierungsbemühungen zivile und militärische Kooperation im Bereich der Luft- und Raumfahrt getrennt verfolgt. Auch nach Abschluß der WTO-Abkommen, die eine staatliche Subventionie- rung ziviler Luft- und Raumfahrtprojekte auf Druck der USA nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zuläßt, haben die Bundesregierung aber auch der in Deutschland industriell führende Daimlerkonzern an dieser Trennung festgehalten und damit wesentlich zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie zu Technologieverlagerungen innerhalb der EU beigetragen. 2. Der Zusammenschluß von McDonnell Douglas und Boeing in den USA führt eindrucksvoll vor Augen, wie vordringlich die Schaffung einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie ist, die sowohl den zivilen als auch den militärischen Teil umfaßt. Denn nur so lassen sich Synergien in Forschung und Entwicklung sinnvoll zusammenfassen und ermöglichen eine annähernde Wettbewerbsgleichheit mit der US-amerikanischen Konkurrenz, bei der zivile Subvention über den militärischen Bereich auch unter den jetzt gültigen WTO-Regeln möglich bleibt. 3. Bis zum Ende des kalten Krieges 1989 war der militärische Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie weitgehend von rein militärischen Vorgaben bestimmt. Ansätze einer besseren Verzahnung mit dem zivilen Bereich, was technologie- und strukturpolitisch sinnvoll gewesen wäre, sind weitgehend unterblieben und wurden zum Beispiel vom Daimlerkonzern gegen die Vorstellungen der Arbeitnehmervertretung in der Praxis auch nach dem Ende des kalten Krieges konterkariert. Dabei spielte die Regierungskoalition eine erbärmliche Rolle. Obwohl erhebliche staatliche Forschungsmittel und Aufträge dem Konzern zufließen, wurde weitgehend unterlassen, eigene struktur- und technologiepolitische Vorstellungen durchzusetzen. 4. Die Mitte der achtziger Jahre getroffene Entscheidung auf europäischer Ebene ein eigenes Jagdflugzeug, den Jäger 90, zu entwickeln und zu beschaffen, hatte neben den unter dem Gesichtspunkt des kalten Krieges militärischen Anforderungen auch das Ziel, eine eigenständige militärische Komponente einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie aufzubauen. Ob die damals formulierten militärischen Anforderungen sinnvoll oder zumindest geboten waren, kann heute dahingestellt bleiben. Daß man dabei so sehr auf die eigenständige militärische Komponente im Rahmen europäischer Kooperation setzte, anstatt bereits damals auf eine sinnvolle Verzahnung militärischer und ziviler Komponenten abzuzielen, ist im nachhinein nur damit zu erklären, daß strukturpolitische Entscheidungen angesichts der Erfahrungen des kalten Krieges in dem Glauben getroffen wurden, mit dem militärischen Konzept stünde man auf einer krisenunabhängigen sicheren Seite. Dies erweist sich nun speziell für Bayern nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als eine - damals nicht voraussehbare - Fehlentscheidung. 5. Inwieweit der Jäger 90 bzw. der Eurofighter bzw. das EFA 2000 heute militärisch als vordringlich betrachtet werden kann, muß zumindest hinterfragt werden. Sowohl die Veränderung der Bedrohungssituation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als auch die sich neu entwickelnden Aufgabenstellungen einer europäischen Verteidigungsorganisation, haben bereits 1993 den Schluß zugelassen, daß unter den neuen Gegebenheiten eine europäische Entscheidung für den Eurofighter in seiner damaligen Form nicht getroffen worden wäre. Bereits damals bestand unter den Fachleuten die mehrheitliche Meinung, daß angesichts der neuen militärischen Situation und Aufgabenstellung, sowie den gebotenen neuen Kooperationsformen zwischen ziviler und militärischer Luft- und Raumfahrtindustrie in Europa, das Projekt Future Large Aircraft (FLA) Priorität hätte erhalten müssen. Entsprechende Vorschläge hat die SPD-Bundestagsfraktion bereits damals nach Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat der DASA unterbreitet. Ein sinnvolles Umsteuern auf die neuen Gegebenheiten bei Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze sowie des technischen Know how an den Standorten wäre möglich gewesen. Entsprechende Initiativen auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung jedoch ebenso unterlassen wie auch der Daimlerkonzern nicht von seiner strikten Trennung von militärischer und ziviler Luft- und Raumfahrt Abstand genommen hat. 6. Die jetzt vorliegende Beschaffungsvorlage für den Eurofighter wird all diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie läßt weder erkennen, ob die Gesamtzahl der zu beschaffenden Jagdflugzeuge angesichts der gemeinsamen europäischen Verteidigungsaufgaben sinnvoll ist, noch zeigt sie Perspektiven auf, wie auf Grund der europäischen Haushaltszwänge die notwendige FLA-Projektierung vorangetrieben werden kann. Allerdings ist das Projekt Eurofighter derzeit das wichtigste Unternehmen europäischer Kooperation militärischer Luftfahrt und damit eine wichtige Ergänzung der Bemühungen zum Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie als Gegenpol zu dem sich übermächtig entwickelnden US-amerikanischen Konzern Douglas/ Boeing. Die trotz hoher nationaler staatlicher Forschungs- und Auftragsmittel wenig nationale Standortverantwortung zeigende Haltung des DASA-Daimlerkonzerns läßt zudem befürchten, daß jetzt ein Ausstieg aus dem Eurofighterprogramm in Deutschland zu einem erheblichen Verlust von Know-how und Arbeitsplätzen im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie führen würde, was bei einem früheren Tätigwerden der Bundesregierung hätte vermieden werden können. 7. Der Deutsche Bundestag steht auf Grund der konzeptionslosen Luft- und Raumfahrtpolitik der Bundesregierung deshalb vor einer schwierigen Entscheidung: Ein Ja zu der Vorlage bindet auf Jahre die beschränkten öffentlichen Mittel für ein Projekt, das sowohl was das Know-how als auch die Zahl der Jäger angeht, sicherheitspolitisch nicht die höchste Priorität besitzt. Ein Nein würde zwar langfristig die Chancen auf eine schlagkräftige, verzahnte europäische Luft- und Raumfahrtindustrie verbessern, mittelfristig aber Arbeitsplätze und Know-how in Deutschland gefährden und wahrscheinlich unwiderbringlich in andere europäische Länder verlagern. Vor diesem Hintergrund kann ich dem Einzelplan 14 und der darin enthaltenen Beschaffungsvorlage nicht zustimmen. Zwar halte ich eine grundsätzliche positive Entscheidung für die Beschaffung für richtig, nicht jedoch die in der Vorlage genannte Anzahl. Angesichts der Aufgaben, die die nationalen europäischen Streitkräfte im Rahmen der EU und der NATO und als Auftragnehmer von UNO-Aufgaben wahrnehmen können sollen, bezweifle ich, daß die in der Vorlage genannte Beschaffungszahl erforderlich ist. Insofern sehe ich mich auch durch die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes bestätigt. Statt dessen ist zu prüfen, die durch eine geringere Beschaffung frei werdenden Mittel unverzüglich in ein FLA-Projekt zu stecken, das sich zudem auch im zivilen Bereich nutzen läßt. Dabei haben auch die Herstellerkonsortien finanzielle Verantwortung mit zu übernehmen. Auf Grund dieser Position kann ich aber auch dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen. Der Antrag meiner eigenen Fraktion enthält zwar die meisten der von mir aufgeführten Positionen, er kommt jedoch zu einem anderen Schluß, weshalb ich mich dabei, nach sorgfältiger Gewissensprüfung, der Stimme enthalten werde. 8. Diese Entscheidung treffe ich auch mit Rücksicht auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Falsche politische Entscheidungen der CDU/CSU und der Bundesregierung sowie des Daimlerkonzerns dürfen nun nicht auf dem Rücken der betroffenen Werktätigen ausgetragen werden. Allerdings weise ich auch entschieden verdeckte Drohungen einiger Betriebsräte zurück, die an dem Abstimmungsverhalten zu dem Projekt ein Für oder Wider von Arbeitnehmerinteressen festmachen wollen. Die Verantwortung für den Verlust von Arbeitsplätzen in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie tragen ausschließlich die Parteien, die seit nunmehr 15 Jahren die Mehrheit im Parlament stellen. Sie haben sowohl beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie versagt, als auch beim Erstellen eines längerfristig tragbaren europäischen Sicherheitskonzepts. Sie haben zudem alles unterlassen, die Konzerne in die Arbeitsplatz- und Standortverantwortung mit einzubeziehen. Vor allem der Daimlerkonzern, die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung haben deshalb jetzt dafür zu sorgen, im Interesse der Sicherung der Standorte in Bayern und insbesondere in Manching, daß die technologischen Voraussetzungen des Standorts und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu genutzt werden, sowohl militärische als auch zivile Entwicklung und Flugerprobung in Manching zu konzentrieren. Nur so läßt sich dau- erhaft garantieren, daß hochwertige Arbeitsplätze in Bayern und am Standort Manching erhalten bleiben. Die Arbeitnehmervertretungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie sollten, wie ihre Vorgänger in der Vergangenheit, auf diesen Zusammenhang hinweisen und sich nicht zum Büttel einer arbeitnehmerfeindlichen Industrie- und Wirtschaftspolitik machen lassen. Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): 1. Der Eurofighter ist ein Relikt des kalten Krieges. Weder Freiheit noch Sicherheit Deutschlands hängen vom Eurofighter ab. Der Eurofighter hat keine nationale Priorität. Dem Eurofighter fehlt der militärische Gegner. Der Gegner ist offensichtlich weniger militärischer, sondern mehr industriepolitischer Art. Ich bin nicht bereit, ein Wettrennen zwischen europäischer und amerikanischer Rüstungsindustrie mit deutschen Steuergeldern zu subventionieren. 2. Unsere außenpolitische Leitidee ist zwar supranational, doch verteidigungspolitisch handeln wir immer noch national. Wir müssen unsere sicherheitspolitische Konzeption grundlegend überdenken. Die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, ist überfällig. Vor der Entscheidung für einen Jäger brauchen wir ein Konzept für eine wirklich gemeinsame Verteidigung in Europa und eine echte Aufgabenverteilung im Bündnis. Nicht jeder Staat muß alles haben: den besten Panzer, den besten Jäger, die beste Fregatte. 3. Die dem Parlament zugesagte Möglichkeit, getrennt über Entwicklung und Beschaffung des Eurofighters jeweils frei entscheiden zu können, ist faktisch nicht gegeben. Dabei zieht das Argument der Vertragstreue im Bündnis allerdings nicht: Es gibt bisher keinen Produktionsvertrag - somit auch keinen Vertrauensbruch. Abgesehen davon sind gerade die Briten aus mehreren Gemeinschaftsprojekten ausgestiegen, vom Kampfhubschrauber Tiger bis zur Panzerhaubitze. 4. Der Eurofighter schafft keine, sondern gefährdet Arbeitsplätze, zum Beispiel im Heeresausrüstungsbereich. Der Verdrängungseffekt im Verteidigungshaushalt ist groß. Auch der Verteidigungsminister kann jede vom Parlament bewilligte Mark nur einmal ausgeben. Die Eurofighter-Arbeitsplätze sind hoch subventioniert und keine Arbeitsplätze unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. 5. Angesichts der haushaltspolitischen Situation hat dieses 30 Milliarden teure, größte deutsche Rüstungsprojekt keine Priorität. Diese 30 Milliarden würden besser zur Entlastung des Haushalts und der Steuerzahler eingesetzt. Ich kann der Beschaffung des Eurofighters nicht zustimmen. Da ich den Einzelplan 14 ansonsten mittrage, wähle ich die mildeste Form der Ablehnung und enthalte mich. Gabriele Fograscher (SPD): Die Bundeswehr hat den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung. Dazu gehört auch in Zukunft die Fähigkeit der Luftverteidigung in einem Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Für die Luftverteidigung ist ein modernes Jagdflugzeug unverzichtbar. Die Phantom ist veraltet, es bedarf der Anschaffung eines modernen Jagdflugzeuges. Da eine derartige Investition aus diesen Gründen nötig ist, halte ich es für sinnvoll, daß ein neues Jagdflugzeug in Deutschland bzw. mit deutscher Beteiligung entwickelt und gebaut wird. Sicherlich ist dabei auch die Verläßlichkeit Deutschlands als Bündnispartner von Bedeutung. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung für den Eurofighter 2000 nicht alle Fragen beantwortet (technischer Entwicklungsstand, Hauptbewaffnung, Kostenvolumen), kann ich in der jetzigen Situation nur für die Beschaffung des Eurofighters 2000 stimmen. Die Beschaffung des Eurofighters 2000 sichert in den nächsten 15 Jahren etwa 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Luft- und Raumfahrtindustrie und auch in der Zulieferindustrie. Die meisten dieser Arbeitsplätze befinden sich in Bayern, zahlreiche im Regierungsbezirk Schwaben. Bis heute gibt es kein alternatives ziviles Projekt, das diese Arbeitsplätze sichern könnte. Als bayerische und vor allem als schwäbische Abgeordnete ist mir sehr an dem Erhalt dieser qualifizierten Arbeitsplätze gelegen. Mit der Zustimmung zu diesem Rüstungsprojekt ist mein persönlicher Gewissenskonflikt nicht gelöst. Es bleibt weiterhin mein Ziel, daß Arbeitsplätze im zivilen Bereich gesichert und geschaffen werden, Konversionsprogramme entwickelt und Abrüstungsbemühungen verstärkt werden. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Ich kann der Beschaffung des sogenannten Eurofighters nicht zustimmen. Nach dem insoweit unwidersprochenen Gutachten des Bundesrechnungshofes beträgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Preis für den Ankauf von 180 Flugzeugen über 30 Milliarden DM. Das ist angesichts der finanziellen Lage des Bundeshaushaltes und angesichts des mangelhaften Standes der Entwicklung und Erprobung schon wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Zweckbestimmung des Flugzeugs bleibt unklar, sein Export in Länder auch außerhalb der NATO wird nicht verhindert werden können. Ich bin der Überzeugung, daß die Bundesrepublik weit mehr Sicherheit erwerben könnte, wenn sie statt dessen auch nur einen Bruchteil dieses Betrages für soziale Aufgaben, für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für Bildung und Ausbildung im Inland, in Europa und in Ländern der Dritten Welt investieren würde. Ich begrüße es, daß durch die ausdrückliche Abstimmung im Plenum die individuelle Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten für seine Entscheidung in dieser Sache festgestellt wird. Ich stimme daher dem Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/9209 zu und werde mich bei dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/9145 der Stimme enthalten, weil ich die Begründung nicht teile. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU) und Hans-Dirk Bierling (CDU/CSU): Wenn wir heute der Produktion des Eurofighters im Zusammenwirken europäischer Staaten mit deutschem Anteil zustimmen, dann nicht in Erwartung einer kurzfristigen, unmittelbaren Bedrohung der Bundesrepublik oder allein geprägt durch einen positiven Erwartungseffekt für technische Innovation und Arbeitsplätze in Deutschland. Geprägt durch den tiefen Wunsch, daß gewaltsame Konflikte und Kriege - möglichst bereits im Ansatz - verhindert werden mögen, glauben wir jedoch nicht, daß ein waffenloses, zu wenig wehrfähiges oder gar ein neutrales Deutschland ungefährdet oder zur Friedenssicherung ausreichend in der Lage wäre. Nüchternes Denken und verantwortungsvolles Handeln kann sich nicht auf Utopien und Wunschdenken allein gründen, sondern muß auf realen Bedingungen fußen. Real ist leider in unserer Welt, daß durch Ignoranz und Begierde, gepaart mit Aggressivität, täglich neue größere oder kleinere Konflikte vom Zaune gebrochen werden, daß Wehrlosigkeit eher zu Aggression ermutigt. Wenn Verteidigungsfähigkeit gefragt ist, dann halten wir, auch im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten, ein ausreichend hohes technisches Niveau für erforderlich. Verfügbarkeit über Waffensysteme muß im Einklang mit Verantwortung für die Schöpfung einhergehen. Wir vertrauen auf die Mechanismen in unserer Demokratie, die dieser Verantwortung zu entsprechen haben und jedwede Aggression verhindern müssen und können. Wir hoffen und fordern, daß in Zukunft eine aktionsfähige Gemeinschaft, vor allem in Europa, entsteht, die sich rechtzeitig und wirksam dafür einsetzt, daß Kriege bereits im Ansatz verhindert werden. Dann muß auch die Zeit kommen, in der die steigenden Ausgaben für hochkomplizierte Waffensysteme zugunsten humanistischer Anliegen weiter reduziert werden. Ernst Kastning (SPD): Zur Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr, der Landes- und Bündnisverteidigung, gehört auch künftig die Fähigkeit zur Luftverteidigung in einem kombinierten Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Die Erhaltung der Luftverteidigungsfähigkeit erfordert die Beschaffung eines modernen Jagdflugzeuges, das die Phantom ablöst, deren Lebensdauer erschöpft und deren Technologie veraltet ist. Ausgehend von dieser Grundüberzeugung halte ich aus Gründen der Verteidigungssicherheit (mit industriepolitischem Nebeneffekt) und der Verläßlichkeit Deutschlands im Bündnis die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter 2000 für erforderlich. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung noch einige Fragen bezüglich des technischen Entwicklungsstandes des Flugzeugs und seiner Hauptbewaffnung sowie des gesamten Kostenvolumens aufwirft, kann ich in der jetzigen konkreten Entscheidungssituation nur mit ja stimmen. Da die Bejahung des Beschaffungsvorhabens Eurofighter nur über die Zustimmung zum Einzelplan 14 zum Ausdruck gebracht werden kann, werde ich dem Einzelplan 14 in der zweiten Lesung zustimmen. Daraus folgt konsequenterweise, daß ich zu allen Anträgen, die die Ablehnung dieses Beschaffungsvorhabens oder die Streichung des entsprechenden Haushaltsansatzes zum Ziel haben, mit nein stimmen werde. Roland Kohn (F.D.P.): Gemäß § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erkläre ich zu meinem Abstimmungsverhalten zum Eurofighter folgendes: Den vorliegenden Anträgen, die Beschaffung des Eurofighter generell abzulehnen, stimme ich nicht zu. Da der Eurofighter aber mit erheblichen technischen, finanzpolitischen, haushaltspolitischen und sicherheitspolitischen Problemen behaftet ist, trage ich den Beschaffungsvorschlag der Bundesregierung zum Eurofighter nicht mit. Richtig wäre es gewesen, dem Vorschlag des Bundesrechnungshofes zur Risikominderung zu folgen, und jetzt bis zu 100 Flugzeuge zu beschaffen; über die Beschaffung weiterer Flugzeuge jedoch erst nach Abschluß des Truppenversuchs und nach Vorlage der Einführungsgenehmigung für das vollständig ausgerüstete und bewaffnete Waffensystem, voraussichtlich im Jahre 2007, erneut zu beschließen. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Grundsätzlich stimme ich dem Bau und der Beschaffung des Eurofighters 2000 zu. Neben der militärischen Notwendigkeit halte ich es insbesondere auch für erforderlich, daß Europa und Deutschland im Flugzeugbau nicht den internationalen Anschluß verlieren. Gerade im Flugzeugbau steckt ein großes Innovationspotential, zum Beispiel in der Flugtechnik, der Computertechnik, der Elektronik und der Metallurgie. Flugzeugbau ist High-Tech, bedeutet Zukunft, und deshalb ist es grundsätzlich richtig, das Flugzeug in Europa zu bauen und nicht in den USA oder Rußland zu kaufen. Vor diesem industriepolitischen Hintergrund ist es aber nicht akzeptabel, daß die Industrie in den östlichen Bundesländern am deutschen Auftragsvolumen von über 23 Milliarden DM nach Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums nur mit 45 Millionen DM beteiligt ist, also mit nur 0,2 Prozent! Seit 1992 ist immer wieder auf die Notwendigkeit einer angemessenen Beteiligung von Unternehmen aus den östlichen Bundesländern an der Produktion hingewiesen worden, ohne daß in diesen fünf Jahren Ergebnisse erzielt worden sind. Die Bundesregierung wird auch unglaubwürdig, wenn sie einerseits von der Wirtschaft ein stärkeres Auftragsvolumen Ost einfordert, andererseits bei eigenen Auftragsvergaben es nicht durchsetzt. Aus diesem Grunde enthalte ich mich heute der Stimme. Heidemarie Lüth (PDS): Ich stimme dagegen, weil der Eurofighter eine militärpolitische Unsinnigkeit ersten Ranges darstellt. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters nur die Interessen der Rüstungsindustrie befriedigt und ihrer Profitmaximierung dient. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters mit Anschaffungskosten von über 100 Milliarden DM verbunden ist. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters gemeinsam mit 80 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik ab. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil ich damit auch dem Votum des Petitionsausschusses entspreche. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil gerade auch noch in den vergangenen Tagen und Wochen Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in Chemnitz und in Leipzig, Vereine wie Friedensweg e.V. und der Versöhnungsbund e.V. auf den Straßen Unterschriften gegen die Anschaffung gesammelt haben. Ich stimme gegen die Anschaffung des Eurofighters, weil die durch ihn ermöglichte Sicherung der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie einem Vielfachen in der zivilen Produktion und noch mehr Arbeitsplätzen im sozialen Bereich gegenüberstehen. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil mit seinem Bau die weltweite Aufrüstung weiter angeheizt wird. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil nicht die Aufrüstung auf der Tagesordnung steht, sondern Senkung der Militärausgaben und Erhöhung der Ausgaben für friedliche Konfliktbewältigung und Zivilen Friedensdienst. Dr. Martin Pfaff (SPD): Auch wenn ich den Haushaltsplan des Bundesministers für Verteidigung in seiner Gesamtheit ablehne, möchte ich mich hiermit für die Fortführung des Projektes Eurofighter aussprechen. Um die wesentlichen Begründungen nochmals klarzumachen, folgen die entscheidenden Punkte: Wie mir die Verteidigungsexperten der SPD-Bundestagsfraktion versichern, benötigt die Bundesrepublik Deutschland aus sicherheitspolitischer Sicht einen Nachfolger für die Phantom. Es wäre naiv davon auszugehen, jegliche Bedrohung von außen sei seit Ende des kalten Krieges ein für allemal vorbei: Ein Ende der Geschichte gibt es nicht. Und ohne Verteidigungsfähigkeit steht unsere Zukunft auf wackligen Füßen. Ich spreche mich für das Projekt aber auch aus, weil wir - als eine der führenden Industrienationen - nicht von der technologischen Entwicklung abgekoppelt werden dürfen. Das Projekt ist eine technologisch gewaltige Herausforderung. Wir sollten selber das produktionstechnische Know-how entwickeln und realisieren, um einen zukunftsfähigen Hochtechnologie- und Produktionsstandort Deutschland zu fördern. Stellt die Bundesrepublik den Nachfolger der Phantom nicht im Inland her, muß dieser im Ausland gekauft werden. Da ist mir das Hemd schon näher als der Rock. Und ich befürworte auch nicht zuletzt als örtlicher Abgeordneter den Bau - und ich sage dies ganz offen -, weil insgesamt 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze, davon 500 bis 600 allein in Augsburg, betroffen sind - mitsamt der schicksalhaften Bedeutung für die potentiell betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DASA und deren Familien. Eine - wie oftmals vorgeschlagene - Alternative, einen vergleichbaren Auftrag im zivilen Flugzeugbau aus öffentlichen Mitteln zu realisieren, wäre zwar auch aus meiner Sicht wünschenswert, ist jedoch in Anbetracht der desolaten Haushaltslage leider absolut realitätsfern. Auch wenn mit dem Projekt sofort begonnen würde, würden die Arbeitsplätze nicht rechtzeitig und im nötigen Umfang gesichert. Darüber hinaus möchte ich auch folgendes nochmals betonen: Ich halte die aktuelle und speziell die öffentliche Diskussion um die Produktion des Eurofighters für legitim, notwendig und demokratisch gut. Es darf aber nicht vergessen werden, daß die durchaus begründete und verständliche Heftigkeit der Diskussion, den Gutteil der Brisanz diejenigen zu vertreten haben, die in Bonn an den Schalthebeln der Macht sitzen. Schließlich ist es die Regierungskoalition, welche die Verantwortung für die gegenwärtige wirtschafts- und finanzpolitische Misere trägt. Hätten wir heute nicht ein solch dramatisches Ausmaß an Arbeitslosigkeit, könnten und würden öffentliche Steuermittel reichhaltiger fließen und die kostenbezogene Debatte müßte für niemanden so weit in den Vordergrund gerückt werden. Diese aktuelle Problematik des Eurofighter-Projektes ist nicht von der Opposition zu verantworten. Ich habe mich nachhaltig bemüht, bei den zuständigen Ministerien in Bonn und vor Ort den Vorschlägen der DASA-Betriebsräte in Richtung Konversion zur Realisierung zu verhelfen. Leider waren auch diese Bemühungen vergeblich. Auch deshalb fühle ich mich bestärkt in meiner Haltung für den Bau des Eurofighters. Aus den genannten Gründen stimme ich gegen den gesamten Verteidigungshaushalt, obwohl ich für das Projekt Eurofighter bin, und ich stimme auch deshalb gegen den Antrag der Grünen. Mit vielen Argumenten meiner eigenen Fraktion stimme ich überein, komme aber zu anderen Schlußfolgerungen. Deshalb werde ich mich bei diesem Antrag enthalten. Jürgen Türk (F.D.P.): Ich stimme gegen den oben genannten Änderungsantrag, weil er generell die Streichung der Kosten für die vorgesehene Beschaffung des Eurofighters 2000 vorsieht. Ich habe aber eine ablehnende Haltung gegenüber der mit dem Verteidigungshaushalt zu beschließenden Beschaffungsanzahl des Eurofighters in der Höhe von 180 Stück, den zu hohen Stückpreis und der noch unzureichenden Erprobung. Um auch im Verteidigungsbereich sparsam mit Mitteln umzugehen, möchte ich folgendes empfehlen: Die Beschaffung einer begrenzten Anzahl neuer russischer Jagdflugzeuge (MIG 29 M) mit einem Stückpreis von 40 Millionen DM, und zwar als Ersatz für die alte MIG 29 A, die zur Zeit in der Bundeswehr Dienst tut. Diese kostengünstigere Beschaffung würde gleichzeitig schrittweise die militärische, politische und wirtschaftliche Integration Rußlands nachhaltig fördern. Die Bestellung einer ersten Losgröße Eurofighter 2000 bis zu 100 Stück. Ein weiterer Zukauf wird unter den Vorbehalt des Bedarfes gestellt. Einen Jagdflugzeugmix aus Eurofighter 2000 (mit großem Anteil) und MIG 29 M (mit kleinem Anteil) langfristig in Dienst zu stellen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 31 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Maßstab verantwortungsvoller Innenpolitik ist die Fähigkeit, auf wechselnde gesellschaftliche Problemfelder angemessen und zügig zu reagieren. Diesem hohen Anspruch ist die Bundesregierung auch in der laufenden Legislaturperiode in vollem Umfang gerecht geworden. Innenpolitik muß in erster Linie die innere Sicherheit als Grundlage der freien Entfaltung aller rechtstreuen Bürger festigen. Die Bekämpfung neu eingetretener Gefährdungslagen verlangt aber nicht nur das notwendige gesetzgeberische Instrumentarium. Ergänzend hinzukommen müssen grundlegende administrative Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Überall hat die Koalition in beeindruckender Weise das Handwerkszeug für die Verbrechensbekämpfung verstärkt: Das Verbrechensbekämpfungsgesetz rückt der organisierten Kriminalität über eine Kronzeugenregelung zu Leibe, verschärft den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, führt das beschleunigte Verfahren ein und verschärft die Strafvorschriften gegen das Schlepperunwesen. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz packt über strengere Strafvorschriften, die Einbeziehung von Korruptionsvorgängen in der privaten Wirtschaft ins Strafrecht sowie über wesentliche Verschärfungen des öffentlichen Dienstrechts einen wichtigen Teilaspekt organisierter Kriminalität an. Das Bundeskriminalamtgesetz gibt der deutschen Zentralstelle zur Verbrechensbekämpfung eine moderne Rechtsgrundlage und klar definierte Eingriffsbefugnisse. Das Bundesgrenzschutzgesetz enthält das notwendige Instrumentarium für die vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben der Polizei des Bundes. Die Novellierung des Ausländergesetzes verbessert die Möglichkeiten zur Abschiebung schwerkrimineller Ausländer, auch als Reaktion auf die Beteiligung an gewalttätigen Demonstrationen. Der in der parlamentarischen Beratung befindliche Gesetzentwurf zur Änderung von Artikel 13 GG wird zusammen mit dem interfraktionellen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität das elektronische Abhören von Gangsterwohnungen ermöglichen und die Vorschriften gegen die Geldwäsche deutlich verbessern. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen können mit diesen Meilensteinen der Verbrechensbekämpfung in Deutschland endlich wichtige Lücken im Schutz der Bürger gegen das organisierte Verbrechen geschlossen werden. Im gemeinsamen Kampf gegen Alltags- und Massenkriminalität habe ich die Länder zu einer „Aktion Sicherheitsnetz" aufgerufen. Eine entschlossene Sicherheitsstrategie, die der heutigen Gefährdungslage gerecht werden will, muß auf einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Bürger aufbauen, alle staatlichen und kommunalen Kräfte bündeln, die Präsenz der Polizei verstärken, die Justiz in den staatlichen Sicherheitsauftrag stärker einbeziehen und sich zu einem konsequenten Vorgehen gegen jede Form von Kriminalität und Störung der öffentlichen Ordnung bekennen. Kriminalitätsbekämpfung gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Trotz Haushaltsengpässen hat der Bund seit 1993 seine Aufwendungen für Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz kontinuierlich gesteigert. Allein für den Bereich des BGS ist der Haushaltsansatz von 2,15 Milliarden DM in 1993 auf 3,12 Milliarden DM in 1998 und damit um mehr als 45 Prozent angestiegen. Die Politik aller Länder muß diesen Weg entschlossen und kreativ mitgehen. Denn hier liegt ein entscheidendes Bewährungsfeld für eine funktionierende föderative Ordnung. Mit dem Aufbau des Europäischen Polizeiamtes Europol sind wir auch im europäischen Bereich entscheidend vorangekommen. Innerhalb eines vernünftigen Kontrollrahmens soll Europol Mitte 1998 seine Tätigkeit als leistungsfähige europäische Zentralstelle aufnehmen und uns international in die Lage versetzen, mit der Entwicklung der organisierten Kriminalität Schritt zu halten. Im Rahmen der Schengener Kooperation wurde die Zusammenarbeit vertieft. Der unverzichtbaren Sicherung der Außengrenzen dient die Neustrukturierung des Bundesgrenzschutzes, die unter anderem die polizeilichen Einsatzschwerpunkte an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik personell und materiell massiv verstärkt. Die Zahl der dort eingesetzten Polizeivollzugsbeamten ist von 2700 im Jahr 1992 auf heute 5800 angestiegen. Nach Abschluß der Reform werden an diesen Grenzen insgesamt 7400 Polizeivollzugsbeamte im Einsatz sein. Das Konzept verdeutlicht insgesamt, daß die Erfüllung des polizeilichen Sicherheitsauftrages oberstes Ziel und damit zentraler Ausgangspunkt aller konzeptionellen Überlegun- gen zur Neukonzeption des Bundesgrenzschutzes ist. Schwerpunkt im Bereich der Ausländerpolitik war die Novellierung des Ausländergesetzes. Sie ermöglicht nicht nur die erleichterte Ausweisung schwerkrimineller Ausländer, sondern regelt auch andere, die Integration von Ausländern verbessernde Bereiche, die sich die Koalition zu Beginn dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt hatte. Vor allem geht es auch weiterhin um eine entschiedene Umsetzung des geltenden Rechts in administrative Praxis - ein immerwährender Auftrag vor allem für die Länder. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gestaltet das Dienstrechtsreformgesetz 1997 das Beamtenrecht unter Aspekten von Effizienz, Leistung, Mobilität und Führungsverhalten im öffentlichen Dienst grundlegend neu. Der versorgungsrechtliche Teil dieser Reform setzt den von mir vorgelegten Versorgungsbericht um: Neben der Anhebung der allgemeinen Antragsaltersgrenzen, der Kürzung der Zurechnungszeiten bei Dienstunfähigkeit und der Begrenzung des Ruhegehalts wird in Zukunft insbesondere die Bildung einer Versorgungsrücklage aus Beiträgen der Beamten im Vordergrund stehen. Diese Rücklage wird bis zum Jahr 2013 auf 66 Milliarden DM angestiegen sein und es damit ermöglichen, die prognostizierten Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften zu mindern. Das ehrgeizige Ziel „schlanker Staat" ist auf gutem Weg. Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren steht beispielhaft für den Abbau überflüssiger Reglementierung. Die erfolgreiche Neustrukturierung des gesamten Zivilschutzes sollte auch anderen Bereichen erschließbares Verschlankungspotential ebenso wie den Weg zeigen, mit weniger Mitteln effektivere Strukturen zu verwirklichen. Der Sachverständigenrat „schlanker Staat" hat seine Arbeit am 12. September 1997 beendet und konkrete Neuerungsschritte zu diesem Thema und ihrer schnellen Umsetzung in die Praxis vorbereitet. Der auf Staatssekretärsebene eingesetzte Lenkungsausschuß Verwaltungsorganisation wird die vielfältigen Ansätze zur Modernisierung der Bundesverwaltung übergeordnet steuern und jährlich über die Fortschritte der Modernisierungsmaßnahmen auch im Hinblick auf den Berlin-Umzug informieren. Weitere Erfolge kann die Bundesregierung auch in dem schwierigen Bereich der Aussiedlerpolitik verbuchen. Die Lage der deutschen Minderheiten in Osteuropa hat sich fast überall stabilisiert. Mit deutlich weniger als 150 000 Personen ist für 1997 der geringste Zuzug seit 1987 zu erwarten. Schließlich hat das mit den Ländern abgestimmte Wohnortzuweisungsgesetz zu einer besseren Verteilung der Aussiedler in Deutschland beigetragen. Das erleichtert die notwendige Integration. Das gleiche gilt für die eingeführten Sprachprüfungen, die zugleich den Mißbrauch der Zuzugsmöglichkeiten einschränken. Vier Jahre Kulturarbeit des Bundesinnenministeriums stehen für weitere Fortschritte auf dem Weg zur inneren Einheit. Das mit Beginn des Haushaltsjahres 1995 für die neuen Länder und Berlin ins Werk gesetzte „Leuchtturmprogramm" ist auf bundesweite Beachtung gestoßen. Dankenswerterweise hat die Kulturpolitik der Bundesregierung immer großes Verständnis beim Deutschen Bundestag gefunden. Sie kann daher auch 1998 fortgesetzt werden. Vor allem im Denkmalschutz können wir nicht sparen, sondern müssen jetzt handeln, damit nicht unwiderbringliche Kulturgüter verloren gehen. Im Sport ist es in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund gelungen, neue Konzepte zu entwickeln, die einen noch effektiveren Einsatz der Bundesmittel zur Förderung des Spitzensports ermöglichen. Gerade mit Blick auf die im nächsten Jahr mit den Olympischen Winterspielen und den Paralympics in Nagano/Japan anstehenden sportlichen Großereignisse sind damit erfolgreiche Weichen für die Zukunft gestellt. Der Sport bleibt aber weiter gefordert, die verschiedenen Strukturelemente in einem nationalen Spitzensportkonzept zusammenzuführen, wobei insbesondere dem Nachwuchsbereich ein besonderer Stellenwert zukommt. Ziel ist es, ein durchgängiges Förderkonzept von der Talentsichtung bis zur Begleitung der Weltklasseathleten zu schaffen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zirka 15 Jahren hat der amtierende Bundeskanzler seinen Vorgänger im Deutschen Bundestag mit dem Hinweis zu verspotten versucht, er verstehe sich ja nur als der erste Angestellte der Republik. Helmut Schmidt war viel mehr. Aber wie schön wäre es doch, hätten wir wenigstens wieder einen soliden ersten Angestellten der Republik!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Vor 15 Jahren hat Helmut Kohl hier im Deutschen Bundestag die Notwendigkeit einer neuen Regierung mit dem Hinweis darauf begründet, daß man die Verantwortung übernehmen müsse für wachsende Schulden, für fortdauernde Pleiten bei den Unternehmen und für Dauerarbeitslosigkeit. Damit, Herr Bundeskanzler Dr. Kohl, haben Sie den Maßstab für die Beurteilung Ihrer eigenen Arbeit geliefert und die Begründung für eine neue Regierung, die dringend notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Rudolf Scharping
    Vor 15 Jahren gab es gängige Vorurteile über konservative Politik und über konservative Politiker: Sie gingen ordentlich mit dem Staat um - so dachte man -, könnten solide mit dem Geld wirtschaften, gingen pragmatisch mit den gesellschaftlichen Kräften um und wüßten, was sie wollten. Das waren Vorurteile, wie sich herausgestellt hat; denn sie können nicht ordentlich mit dem Staat umgehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und solide mit dem Geld wirtschaften: Wissen Sie, ich schaue gerade so in Ihre Reihen und stelle mir vor, wie Sie sich entweder im Kabinett oder im Koalitionsausschuß treffen. Das sind ja Sitzungen auf Schuldenbergen.
    Und pragmatisch mit den gesellschaftlichen Kräften umgehen, und sie wüßten, was sie wollten: Ich habe mir einmal eine Liste nur der Punkte geben lassen, über die Sie sich in den letzten drei Monaten gestritten haben: der Haushalt und der Solidaritätszuschlag, die Steuererhöhungen und die 610-DM-Verträge, die Renten und die steuerfinanzierte Familienkasse, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Zuzugsregelungen bzw. das Staatsbürgerschaftsrecht, die Ostförderung und das Sexualstrafrecht, die Kabinettsumbildung und die Arbeitserlaubnis für Ausländer, die Drogenpolitik und Rechtsradikale in der Bundeswehr, der Lauschangriff und die Wehrpflicht, das Postgesetz, ausländische Studierende, das Mietrecht, usw.
    Nur in einem ist sich diese Koalition noch einig: Sie will unbedingt den 27. September 1998 erreichen, koste es, was es wolle. Sie haben keine Substanz mehr, Sie sind sich in nichts einig, nur im Machterhalt!

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, es mag ja sein, daß Ihnen der Bogen der 15 Jahre zu weit gespannt ist. Wir können uns auch an Ihrer letzten Regierungserklärung orientieren. Da haben Sie gesagt: Wir haben in kürzester Zeit die Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen, wir haben zielstrebig und kollegial zusammengearbeitet, und so wird es in den vier Jahren dieser Legislaturperiode auch bleiben.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Daran ist richtig - und nur das ist richtig -, daß Legislaturperioden in aller Regel vier Jahre dauern.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Sie haben gesagt: Wir wollen die Einbürgerung erleichtern und für in Deutschland geborene Kinder der dritten Generation eine deutsche Kinderstaatszugehörigkeit einführen. - Selbst über dieses Schrittchen streiten Sie immer noch!
    Sie haben gesagt: Wir wollen einen schlanken Staat. Im Rahmen der Steuerreform wird das Steuerrecht spürbar vereinfacht. Die Bundesanstalt für Arbeit wird stärker dezentralisiert und ortsnäher organisiert, die Instrumente der Wirtschaftsförderung werden gestrafft und die Antragsverfahren vereinfacht. - Außer Spesen nichts gewesen.
    Meine Damen und Herren, Sie haben dann auch noch gesagt, Sie seien sich einig darin, den Solidaritätszuschlag baldmöglichst abzubauen und entsprechende Rückführungsmöglichkeiten jährlich festzustellen. - Na, wenigstens ein bißchen war das ja schon.
    So könnte ich ein Zitat nach dem anderen aus Ihrer Regierungserklärung aufrufen, und dann würde sich zeigen, daß Sie vielleicht noch gute Vorsätze, aber keinen Willen, keine Fähigkeit, keinen Mut und keine Entscheidungsstärke hatten, um das durchzusetzen, was Sie gegenüber der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland versprochen haben. Ihre Regierung ist eine komplett unfähige Regierung geworden, die noch nicht einmal ihre eigenen Ziele erreichen kann.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Sie haben damals gesagt, Sie wollten Ihren Ehrgeiz daransetzen, daß Deutschland das erste Land wird, in dem das Fünfliterauto Standard wird. - Ich zweifle, daß Sie den Eichtest bestehen würden. -

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    Sie haben hinzugefügt, Sie würden selbstverständlich prüfen, wie regenerative Energien und ihre Markteinführung stärker gefördert werden könnten. - Sie prüfen immer noch.
    Und was viel wichtiger ist: Sie haben auch gesagt, Sie hätten den Spitzenvertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften gemeinsame Gespräche vorgeschlagen und Sie hätten sich darüber gefreut, daß die Sozialpartner dies ebenfalls als notwendig ansähen. Wir müssen jetzt, so sagten Sie, alle Kraft aufwenden, um eine neue Beschäftigungsinitiative zum Erfolg zu führen. Sie haben auch diese Möglichkeit wahltaktisch mißbraucht und nach dem März 1996 den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften ins Gesicht geschlagen, statt das Bündnis für Arbeit wirklich zustande zu bringen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Meine Damen und Herren, jedenfalls ist es Ihnen - ob jetzt in den letzten 15 Jahren oder in den letzten vier Jahren, das lasse ich dahingestellt - gelungen, die Vorurteile über angeblich konservative Werte und Verhaltensweisen gründlich zu widerlegen. Sie gehen nicht ordentlich mit dem Staat um, Sie wirtschaften nicht solide mit dem Geld, Sie haben kein pragmatisches Verhältnis zu den gesellschaftlichen Kräften, Sie wissen nicht, was Sie wollen, außer an der Macht zu bleiben, solange es irgend geht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, ist eine Regierung der Vergangenheit geworden. Sie sind nichts anderes mehr als eine Vergangenheit, die allerdings auch eine schwere Belastung der Gegenwart und eine massive Hypothek für die Zukunft bedeutet. Sie sind eine Regierung der Enttäuschungen und der negativen Rekorde geworden. Sie haben Schulden auf-

    Rudolf Scharping
    gehäuft. Sie haben auf diese Weise die Bundesrepublik Deutschland in eine fast ausweglose Lage geführt, dem Staat die Fähigkeit geraubt, etwas für die Zukunft zu tun und in der Gegenwart wirtschaftlichen Gefahren entgegenzuwirken. Und Sie haben das alles zu bemänteln versucht, indem Sie im Sommer 1997 davon sprachen, nun müsse eben Wahlkampf sein.
    Ich sage, wenn der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 14 Monate vor einem Wahltermin von nichts anderem beherrscht wird als von der Überlegung, wie er seine Koalition zusammenhalten und wie er den Wahltermin erreichen kann, dann verfehlt er seine Pflichten, verletzt seinen Amtseid und sorgt dafür, daß die Glaubwürdigkeit politischer Institutionen noch mehr verringert wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich fürchte, daß angesichts dieser Haltung keine Chance mehr besteht, wirklich durchgreifende Reformen in den nächsten 10 Monaten zu vereinbaren. Wenn das aber nicht möglich ist, dann sollten wir doch wenigstens die Schritte tun, die angesichts der drängenden Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger und der großen Gefahren für das Gemeinwesen wirklich notwendig und sinnvoll sind.
    Wenn wir dazu wegen Ihrer Selbstblockade, wegen Ihrer Unfähigkeit, in der Koalition zu gemeinsamen Auffassungen zu kommen, wegen Ihres Willens, 14 Monate Wahlkampf zu führen, schon nicht mehr in der Lage sind, dann sollten wir wenigstens noch einmal den Versuch machen, in den Fragen, die mit der Erosion von Grundlagen des Gemeinwesens zu tun haben, Ergebnisse zu erzielen.
    Dazu gehört die fortschreitende Erosion der Sozialversicherungen. Sie, wie auch alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, wissen, daß ein Rentenversicherungsbeitrag von 21 Prozent eine Gefahr für Arbeitsplätze, eine Gefahr für die Konjunktur in Deutschland und eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Bereich ist.
    Deswegen will ich Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit und Konsequenz anbieten, die Erosion der Grundlagen der sozialen Sicherheit in Deutschland zu stoppen. Dem Ziel, die Erosion des Sozialstaates zu beenden, könnten wir in Schritten näherkommen, indem wir das Ausufern der versicherungsfreien Tätigkeiten, die Flucht aus der Sozialversicherung und die Flucht in die Scheinselbständigkeit endlich stoppen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn auf Grund dieses Haushalts in der Bundesrepublik Deutschland das Sechsfache für Zinsen aufgewendet wird, verglichen mit jenen Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft - also für die Zukunft unseres Landes -, dann sollten wir wenigstens auf diesem fortdauernden Marsch in den verschuldeten Staat die Erosion der Steuergrundlagen beenden, weil sie zugleich eine Erosion des Vertrauens der
    Bürgerinnen und Bürger in die Gerechtigkeit und die Sinnhaftigkeit staatlichen Handelns bedeutet.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sorgen Sie mit uns dafür, daß wenigstens die Steuerschlupflöcher geschlossen werden!
    Wenn man hinter die Entwicklungen im Sozialsystem und im Steuersystem schaut, dann stellt man fest: Das bedrückendste Ergebnis von 15 Jahren konservativer Regierung und des Mißbrauchs ihrer Möglichkeiten ist, daß uns auf der einen Seite die Bürgerinnen und Bürger in ihrem privaten Leben und in ihrem persönlichen Engagement Tag für Tag demonstrieren, wie stark die Bereitschaft zur Leistung und Verantwortung in Deutschland ist - sie zeigen uns das durch ihre Mitarbeit in den Betriebsräten und in den Gewerkschaften, in den Kirchen und ihren Wohlfahrtsorganisationen, durch ihr freiwilliges Engagement in den Vereinen, bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz und vielen anderen Stellen -, daß wir aber auf der anderen Seite eine Regierung haben, die die tiefste Kluft zwischen diesem persönlichen Engagement und der Entwicklung im Bereich des öffentlichen Lebens verantworten muß.
    Es ist aus meiner Sicht das bedrückendste Ergebnis, daß eine Partei, die das Christliche für sich beansprucht, verantworten muß, daß die Rücksichtslosigkeit, die Kaltherzigkeit und der Egoismus noch nie zuvor wie in diesen Tagen einen so hohen öffentlichen Stellenwert haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Deshalb will ich nicht nur über das, was Sie verantworten müssen, reden, sondern auch darüber, wie man diese Kluft schließen könnte. Es geht darum, in Deutschland wieder Chancen zu öffnen, Zusammenhalt zu fördern und Gerechtigkeit durchzusetzen.
    Eine gute Regierung, Herr Bundeskanzler, würde Chancen eröffnen, anstatt Chancen zu verbauen. Sie würde den Menschen Mut machen, anstatt sie mit Angst in eine Entwicklung hineinzutreiben, die sie tatsächlich nicht wollen. Die Vereinigung Deutschlands war eine große Chance. Sie haben diese Chance in wirtschaftlicher, in sozialer, in finanzieller und in kultureller Hinsicht in vielen Fragen vertan. Globalisierung ist eine Chance, eine Chance, unter neuen wirtschaftlichen Bedingungen und neuen Herausforderungen das zu behaupten, was die Zivilisation in Europa eigentlich ausmacht, nämlich die kluge Verbindung von wirtschaftlicher Stärke, sozialer Verantwortung und Vorsorge für die Zukunft.
    Aber wenn man sich die Ergebnisse Ihrer Regierung über den Zeitraum der letzten Jahre, insbesondere in dieser Legislaturperiode, anschaut, dann kann man sehen: Sie tun nichts gegen die Gründe für Sorgen und Angst. Im Gegenteil: Sie versuchen sogar, sie zu nutzen. Die Erfahrung beispielsweise mit der Arbeitslosigkeit ist allgegenwärtig. Sie rauben den Menschen das Vertrauen, daß wir gemeinsam noch etwas dagegen tun können, manchmal so-

    Rudolf Scharping
    gar schon das Zutrauen, daß Sie wirklich etwas dagegen tun wollen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Was ist mit den vielen Menschen, die zur Seite gedrängt werden? Was ist mit den jungen Menschen?
    Ich habe hier vor etwa vier Jahren Ihr Stichwort vom Wirtschaftsstandort Deutschland aufgegriffen und versucht, darauf aufmerksam zu machen, daß es um mehr geht, nämlich um den Lebensstandort Deutschland. Wenn wir, das Parlament, und vor allen Dingen Sie, die Regierung, nicht mehr klarmachen können, daß Sie mit Leidenschaft und Mut wirklich darum ringen, daß jeder junge Mensch in Deutschland ausgebildet wird, wenn Sie das alles auf eine pseudotechnokratische Debatte um irgendwelche Finanzierungsfragen verkürzen, dann wird das Hauptanliegen verschüttet. Es müßte doch möglich sein, daß ein so reiches Land wie Deutschland seiner Jugend eine Chance eröffnet und jedem die Ausbildung garantiert.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn Sie achselzuckend darüber hinweggehen, daß hier ein Mitglied Ihrer Regierungskoalition sagt, die Tätigkeit ohne Sozialversicherung sei das letzte Stück Freiheit auf dem Arbeitsmarkt, dann nenne ich das eine Fehlentwicklung des Denkens, wie sie schlimmer nicht sein kann. Diese Ausbeutung, diese Ausnutzung von Menschen muß beendet werden.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Herr Bundeskanzler, ich kann nicht bestreiten, daß Sie am Anfang Ihrer Regierungstätigkeit auch die eine oder andere Entscheidung getroffen haben, die für Deutschland insgesamt nützlich und gut war.

    (Unruhe bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will das auch nicht bestreiten. Aber das, was Sie jetzt tun, ist eine Ignoranz, eine Mißachtung, ein ZurSeite-Drängen von Millionen Menschen, an deren Entwicklungschancen auch die Zukunft unseres Landes hängt. Wenn ich mir die Jugendlichen in Deutschland betrachte, dann muß ich sagen: Sie haben es nicht verdient, so behandelt zu werden, wie Sie das tun.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Auch wenn ich mir die Frauen in Deutschland betrachte - über fünf Millionen von ihnen werden außerhalb der Sozialversicherung beschäftigt, und andere müssen dafür höhere Beiträge zahlen -, dann muß ich feststellen: Diese Frauen haben es nicht verdient, so behandelt zu werden, wie Sie das tun, und so zur Seite gewischt zu werden, wie das manchmal geschieht.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Hinsichtlich der Globalisierung und der Angst, die Sie den Menschen damit manchmal machen, sage ich: Jawohl, wir könnten in Europa gemeinsam etwas zur Behauptung unserer sehr speziellen, unserer historisch gewachsenen Vorstellungen von einem würdevollen und freiheitlichen Zusammenleben der Menschen tun. Das war es eigentlich, was hinter der Debatte um das Beschäftigungskapitel im Europäischen Vertrag stand. Das stand dahinter, als es darum ging, den Beschäftigungsgipfel zu einem Erfolg werden zu lassen.
    Mich macht besorgt, daß wir jetzt in Deutschland eine Bundesregierung haben, die Gefahr läuft, vielleicht noch an der Seite Spaniens zu sein, aber jedenfalls isoliert von den wichtigen Entwicklungen in Europa zu sein, die auf Vollbeschäftigung, Wachstum, soziale Verantwortung und Schutz der Umwelt zielen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der CDU/CSU: Mexiko!)

    Es ist besorgniserregend, zu sehen: Sie haben sich hier lange Jahre damit geschmückt - jedenfalls haben Sie den Versuch gemacht -, uns, die Sozialdemokratie, als isoliert in Europa darzustellen. Auch gestern klang das noch einige Male an.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das seid ihr auch!)

    Tatsächlich ist es aber so, daß Ihre Regierung in keiner Weise verstanden hat, daß die Bevölkerung Frankreichs, Großbritanniens und vieler anderer europäischer Länder mittlerweile gemeinsam mit ihren Regierungen den Versuch machen, den Sie hier in Deutschland verweigern, nämlich den Versuch, wirtschaftliche Stärke zu entwickeln und dabei die soziale Verantwortung nicht kaputtgehen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nein, eine gute Regierung würde Chancen für die vielen Menschen eröffnen, und sie würde dafür sorgen, daß man wieder Vertrauen in eine gemeinsame, gegenseitig verantwortete, rücksichtsvolle Entwicklung unseres Landes fassen kann. Eine gute Regierung würde Zusammenhalt und Gemeinsinn stärken.
    Man hat einmal von Konservativen vermutet, daß sie sich vielleicht den einen oder anderen Fehler leisten, daß sie vielleicht die eine oder andere falsche Entscheidung treffen, daß sie aber auf keinen Fall das Prinzip des Zusammenhalts und der Gemeinsamkeit gefährden.
    Ich habe noch nie erlebt, wie eine Regierung mit diesem Anspruch so konsequent und ignorant gegen diesen Anspruch selbst gehandelt hat. Sie haben auf Konfrontation gesetzt, wo es um Gemeinsamkeit gegangen wäre. Man kann das mit vielen Beispielen belegen. Sie sind zur Kooperation nicht mehr fähig.
    Ich bleibe bei dem einen Beispiel: Die Menschen wußten ganz genau, daß das Leben nach der deutschen Einheit nicht so weitergehen konnte wie zuvor.

    Rudolf Scharping
    Sie wußten, daß es mit der Verteilung von Zuwächsen und dem Versuch, auf diese Weise ein Stück mehr Gerechtigkeit zu verwirklichen, vorbei sein würde. Sie wußten ganz genau, daß wir von der westdeutschen Verteilungs- und Wohlstandsgesellschaft zu einer gesamtdeutschen Aufbaugesellschaft werden würden.
    Was haben Sie getan? - Sie haben im Wahlkampf 1990 die Illusion erzeugt, es könne alles so weitergehen. Sie haben die Illusion erzeugt, es bedürfe keiner Anstrengung, und Sie haben damit Egoismus gefördert und Gemeinsamkeit geschwächt.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben die Bereitschaft von Menschen, Verantwortung zu übernehmen, zurückgewiesen.
    Ich will gar nicht auf die einzelnen Beispiele eingehen. Aber in dieser Grundlinie gibt es zwei Entwicklungen, die hoch bedenklich sind: Sie trafen erstens die historische Fehlentscheidung, einen großen Teil der finanziellen Folgen der deutschen Einheit in der Sozialversicherung zu verankern. Dies hat uns Arbeitsplätze gekostet, das hat uns Ausbildungsplätze gekostet. Es hat bei den Menschen - leider zu Recht - das Gefühl erzeugt, daß es mit der Gerechtigkeit nicht mehr sehr weit her sei und daß die deutsche Einheit in der Verantwortung derjenigen liege, die dem Handeln ihrer Regierung nicht ausweichen konnten.
    Sie haben das zweitens mit Schulden und - wie wir gesehen haben - zunehmend durch Privatisierungserlöse finanziert. Ein solider Haushälter, eine solide konservative Regierung würde auf solche Schnapsideen überhaupt nicht kommen. Den laufenden Haushalt aus einmaligen Erträgen zu finanzieren, ist unverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Es wäre gut gewesen, wenn man diese Privatisierungserlöse für Zukunftsinvestitionen, für den Ausbau der Hochschulen, für die Entwicklung des Bildungswesens, für die Forschung und Entwicklung sowie für die Stärkung der erneuernden, der innovatorischen Kräfte der Gesellschaft insgesamt verwendet hätte.
    Sie aber haben damit laufende Ausgaben finanziert. Dies war die Frucht Ihrer Feigheit, den Bürgerinnen und Bürgern und damit allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern die Wahrheit über die große Aufgabe zu sagen, die vor uns stand. Sie haben eine historische Chance nicht nur verpaßt, sondern Sie haben sie in eine immer stärker wachsende Belastung des Gerechtigkeitsempfindens und des Gemeinsinns in Deutschland verkehrt.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es ist nicht so, daß sich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht dagegen wehrten. Ich fand es erstaunlich, daß eine solche Regierung, die von christlichen Demokraten geführt wird, jedenfalls von Menschen, die dieses Etikett für sich beanspruchen, nichts von dem aufgreift, was die beiden christlichen Kirchen in einem bemerkenswerten Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage unseres Landes gesagt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sind nicht in einen öffentlichen Dialog eingetreten. Sie haben so weitergewurschtelt, anstatt einen Moment zu überlegen, ob nicht die Mahnungen beider christlichen Kirchen einen wirklich harten und bedenkenswerten Kern haben.
    Sie haben das Angebot aus der eben zitierten Regierungserklärung taktisch mißbraucht, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es ernst genommen hatten. Sie haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zunächst den Eindruck vermittelt, Sie wollten gemeinsam mit den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern etwas tun. Tatsächlich aber haben Sie dieses Angebot nur taktisch benutzt und den Gewerkschaften und den Arbeitnehmern nach den Landtagswahlen im März 1996 ins Gesicht geschlagen.
    Die Spaltung, die daraus folgt, die Enttäuschung des Vertrauens, die Schwächung des Gemeinsinns sind bedrückende Ergebnisse. Jede neue Regierung, die mit dieser Erbschaft beginnen muß - es bleibt ihr nichts anderes übrig -, wird Monate und Jahre darauf verwenden müssen, Schritt für Schritt das Vertrauen in die Fähigkeit zu stärken, gemeinsam Verantwortung zu tragen, ein Bündnis für Arbeit herzustellen, Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen und eine Steuer- und auch eine Rentenreform zu machen, die den Menschen nicht ins Gesicht schlägt, sondern ihnen die Gewißheit gibt, daß wir alle gemeinsam eine große Anstrengung unternehmen, daß dieses Land eine gerechte Zukunft erfährt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Eine gute Regierung würde in die Zukunftsaufgaben investieren, anstatt Schulden zu machen, den Staat in die Zinsfalle zu stürzen sowie Forschung und Entwicklung, Bildung und Wissenschaft immer weiter zu kürzen. Sie würde nicht nur Ausverkauf betreiben, sondern ganz im Gegenteil etwas tun für einen leistungsfähigen Staat, für Investitionen in die Zukunft, für eine vernünftige, für eine gerechte Steuerreform.
    Herr Bundeskanzler, ich sprach von der Kluft, die Sie erzeugt haben zwischen dem privaten Verhalten, den privaten Hoffnungen und Erwartungen, dem persönlichen Leben, den Maßstäben, die für Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gelten, dem Beweis für den Willen zur Gerechtigkeit, die Fähigkeit zur Verantwortung und die Chance auf gemeinsame Entwicklung, den uns die Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag liefern, und Ihrem Verhalten: Eine gute Regierung würde Chancen eröffnen und Zusammenhalt stärken. Sie tun das nicht mehr.
    Ich weiß sehr genau, daß alle Appelle, diese Regierung möge ihre hilflosen Versuche aufgeben, diese

    Rudolf Scharping
    Regierung möge auf einen Pfad der Vernunft zurückkehren, der uns bis zum Wahltag Entscheidungen im Interesse unseres Landes ermöglicht, diese Regierung möge ihre hilflosen Dummheiten beenden, wie wir sie in diesen Tagen erlebt haben, nichts bringen. Ich will Ihnen sagen, was ich für eine solch hilflose Dummheit halte: daß auf einem bayerischen CSU-Parteitag beschlossen werden kann - und zwar mit dem dabeisitzenden Bundesfinanzminister,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es! Der war auf dem Klo!)

    der schweigt -, man solle jetzt das gemeinsame Prinzip der Sozialversicherung aufgeben. Diese Übertragung separatistischen Denkens in die Bundespolitik ist eine Schande für das Land und ein Ausweis für die Unfähigkeit ihrer Führer.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Herr Bundeskanzler, wenn man Ihre Ansprüche mit den Realitäten vergleicht und wenn man miteinander vergleicht, was die Menschen hoffen und erwarten und wozu Sie bereit sind, dann muß man leider sagen: Es wäre besser, diese Regierung würde noch einen Akt der Selbstachtung und der Bewegungsfähigkeit ermöglichen, nämlich den Weg frei machen für eine sofortige Entscheidung. Das wird nicht möglich sein; auch ich weiß das. Deswegen will ich das auch gar nicht fordern.
    Was wir aber vielleicht tun könnten - ich mache dieses Angebot, obwohl ich weiß, daß das schon mehrfach geschehen ist -, das ist, wenigstens die dringend notwendigen Entscheidungen zu treffen, die einer weiteren Erosion der sozialen und der finanziellen Grundlagen unseres Landes entgegenwirken.
    Meine Damen und Herren, wenn man über die Generallinien eines Haushaltes und über die Generallinien der Politik eines Bundeskanzlers spricht, dann kann man über viele Einzelheiten reden und tatsächlich über die Grundlinien.
    Für mich und für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Bundestagsfraktion bleibt es dabei: Das bedrückendste Ergebnis dieser Regierungszeit ist die Tatsache, daß noch nie zuvor das Empfinden und der Wunsch der Menschen nach Solidarität, nach Gerechtigkeit, nach einer soliden und anständigen Zukunft so weit entfernt war von dem, was diese Regierung tut. Es wäre besser, wir könnten morgen wählen.

    (Klaus Dieter Reichardt [Mannheim] [CDU/ CSU]: Mit welchem Kandidaten?)

    Wenn das aber nicht möglich ist, dann lassen Sie uns wenigstens die Entscheidungen treffen, die der genannten Erosion entgegenwirken, und lassen Sie uns wenigstens diese Zeit mit dem Anstand zu Ende bringen, der ihr die ganze Zeit gefehlt hat.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Abgeordnete Michael Glos.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann den Ärger von Herrn Scharping verstehen. Er hat noch den Eichtest der Troika im Kopf. Die Troika ist umgefallen, er ist herausgekippt und muß jetzt unter einem Parteivorsitzenden Lafontaine dienen. Ich kann Ihnen nachempfinden, lieber Herr Scharping.

    (Zuruf von der SPD: Kommen Sie zur Sache!)

    Aber eines habe ich nicht verstanden: Sie reden von Deutschland wie von einem ganz fernen Land, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Sie reden die Erfolge herunter,

    (Lachen bei der SPD)

    Sie neiden dieser Regierung die Tatsache, daß wir es geschafft haben, daß es mit der Wirtschaft jetzt wieder bergauf geht, daß wir im Export ungeheure Erfolge erzielen. Ich bin auch ganz sicher, daß sich dieser Aufschwung am Schluß auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt niederschlagen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn man beklagt, daß die Privatisierungserlöse nicht in Zukunftsinvestitionen angelegt werden, negiert man die deutsche Wirklichkeit. Die Zukunftsinvestition par excellence in unserem Land ist die Verwirklichung der deutschen Einheit und die Schaffung einer gemeinsamen starken Währung in Europa. Daran arbeiten wir mit großem Nachdruck.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es gibt noch ein Zweites, das die Sozialdemokraten bewegt; das ist die Tatsache, daß wir einen erfolgreichen Bundeskanzler haben,

    (Lachen und Zurufe bei der SPD)

    der auch bei der nächsten Wahl wieder Bundeskanzlerkandidat ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Fünf Millionen Arbeitslose!)

    während in der SPD noch nicht einmal ein Kandidat zur Verfügung steht.