Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, weil wir den Zusammenhang brauchen.
Das Motto „Eine Gesellschaft für alle Lebensalter" macht deutlich, daß es um die Integration von älteren Menschen in die Gesellschaft geht. Dazu gehört natürlich auch der Dialog von Alt und Jung. Nur dadurch, daß man sich verständigt, miteinander spricht, kann man einander verstehen und kann man füreinander in der Solidargemeinschaft aufkommen, in der ja die Älteren zugleich ihre Erfahrung und Kompetenz in die Entwicklung junger Menschen einbringen.
Das ist ein Ansatz, den wir auch im Kinder- und Jugendplan verfolgen. Wir haben ihn unverändert bei 180 Millionen DM belassen, weil wir davon überzeugt sind, daß es wichtig ist, eine kontinuierliche Jugendarbeit zu gewährleisten. Dabei stützen wir uns natürlich auf die Jugendverbände und Jugendorganisationen. Und ich habe den Eindruck, daß das von den Verbänden sehr wohl honoriert und anerkannt wird.
Ich kann nur sagen, daß ich überhaupt kein Verständnis für das habe, was derzeit in NordrheinWestfalen passiert. Dort sagt der zuständige SPD-Jugendminister, daß die ganze Förderung nach 30 Jahren viel zu eingefahren und insgesamt verfehlt sei.
Bundesministerin Claudia Nolte
Man kann doch nicht pauschal den Jugendverbänden unterstellen, sie agierten an den Belangen und Bedürfnissen der Jugendlichen vorbei. Schon gar nicht kann man eine Jugendförderpolitik ausschließlich auf benachteiligte Jugendliche konzentrieren; auch reguläre Jugendförderung gehört dazu. Nicht in Bonn wird den Jugendverbänden an den Kragen gegangen; das passiert vielmehr in Düsseldorf. Das sollten Sie Ihren Ministern dort sagen.
Frau Albowitz hat zu Recht darauf hingewiesen: Die wichtigen Themen für junge Menschen sind Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel. In der Tat müssen alle Verantwortlichen alle Anstrengungen unternehmen, daß junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt Chancen haben, daß jedem Jugendlichen eine Lehrstelle angeboten werden kann. Hier kann man natürlich nicht die Tarifvertragsparteien außen vor lassen; sie tragen hier mit die Hauptverantwortung.
Wir wissen, daß es besonders schwierig ist für Jugendliche, die wir unter „benachteiligte Jugendliche" fassen, was man schon an solchen Zahlen festmachen kann, daß 80 Prozent aller arbeitslosen Jugendlichen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Deshalb ist Qualifikation wichtig.
- Natürlich haben wir darauf reagiert.
Dort, wo wir die Zuständigkeit haben, agieren wir auch. So haben wir das Projekt „Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit", das 1997 ausläuft, aufgelegt,
wo es ganz gezielt darum geht, Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen Qualifikation zu ermöglichen. Ich finde dieses Projekt wichtig und werde es deshalb 1998, nach Auslaufen, um eine zweite Phase verlängern, weil es mir darum geht, daß wir eine noch bessere Verzahnung von Schulsozialarbeit, Jugendsozialarbeit und Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erreichen.
Nur, meine liebe Opposition, was wir dort machen müssen, hat ein Stück weit mit Reparaturbetrieb zu tun. Wir müssen uns doch fragen: Wie kommt es, daß so viele Jugendliche ohne Ausbildung dastehen,
daß sie nach ihrer Schulzeit Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Lehrstelle zu finden?
Das hat damit zu tun, daß - besonders in SPD-regierten Ländern - jahrelang eine verfehlte Schulpolitik
betrieben worden ist, bei der die Hauptschule sträflich vernachlässigt worden ist. Jetzt bekommen wir die Quittung dafür.
Die Umsetzung der nationalen Strategien auf Grund der Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz ist für mich eine entscheidende frauenpolitische Aufgabe. Ich habe deshalb am 15. September dieses Jahres die Kampagne „Initiative gefragt - Frauen gefragt" gestartet, bei der wir schon heute einen guten Rücklauf beim Ideenwettbewerb haben. Mir ging es ganz gezielt darum, breit zu informieren und viele Frauen und Männer anzusprechen, daß sie sich daran beteiligen, weil ich davon überzeugt bin, daß es vor Ort sehr viele praktikable Ansätze gibt.
- Frau Schewe-Gerigk, da geht es oft gar nicht um große Beträge, sondern da geht es um gute Ideen, um Strukturverbesserung, so daß Frauen Möglichkeiten haben, sich einzubringen. - Mir war dabei wichtig, daß wir eine praxisbezogene Kampagne haben, weshalb ich acht regionale Veranstaltungen vorgesehen habe. Wir haben inzwischen vier davon mit guter Resonanz durchgeführt.
Ich sage aus Überzeugung, daß Gleichberechtigung sich nur dann durchsetzen läßt, wenn Frauen an Entscheidungspositionen beteiligt werden und sie ihre entsprechenden Wünsche selbst anmelden. Sosehr ich das EuGH-Urteil zur Quotenregelung im Gleichstellungsgesetz von Nordrhein-Westfalen begrüßt habe, weil es Rechtssicherheit schafft, weil es ein ganz klares Signal zugunsten von Frauen und für die Frauenförderung ist und weil es auch deutlich macht, wie oft Frauen bei ihren Bewerbungen noch immer zurückgestellt und benachteiligt werden, meine ich doch, daß der Prozeß auch gezeigt hat, daß solche Regelungen in ihrem Erfolg sehr begrenzt sind. Letztendlich brauchen wir hier Überzeugungsarbeit und ein Umdenken in den Köpfen.
Frau Schewe-Gerigk, was ich nicht ganz verstanden habe und worüber ich sehr erstaunt bin, ist die Ignoranz in Ihrer Wahrnehmung dessen, was wir an Bemühungen anstellen, um Gewalt gegen Frauen zu ächten und dagegen vorzugehen. Es ist nicht möglich, im Rahmen einer Haushaltsdebatte all die Dinge, die Sie genannt haben, jetzt im Detail aufzugreifen und zu beantworten. Aber Sie wissen ganz genau, daß wir es möglich gemacht haben - die Umsetzung liegt nun einmal in der Verantwortung der Länder -, daß Frauen, die über Menschenhandel nach Deutschland gekommen sind und zur Prostitution gezwungen werden, jetzt in die Zeugenschutzprogramme aufgenommen werden können. Sie wissen um meine Zusammenarbeit mit den NGOs. Wir haben erst kürzlich wieder ein neues Projekt aufgebaut, Beratungsstellen für Osteuropäerinnen, die
Bundesministerin Claudia Nolte
hierher verschleppt worden sind. In diesen Beratungsstellen sollen sie leichter Rechtsberatung erhalten, um ihre Heimkehr zu ermöglichen oder um von ihren Rechtsmitteln Gebrauch zu machen. Sie wissen um die anderen Bemühungen, die vielen Projekte, die wir ins Leben gerufen haben. Ich muß sagen, ich fand es sehr erstaunlich, daß Sie das gar nicht zur Kenntnis nehmen.
Schwerpunktbereich - das hat Frau Klemmer richtig herausgestellt -, nicht zuletzt an den Finanzmitteln gemessen, war in dieser Legislaturperiode eindeutig die Familienpolitik. Wir haben mit der Reform des Familienlastenausgleichs in Richtung eines Familienleistungsausgleichs einen deutlichen Schritt zur besseren Förderung von Familien vorgenommen,
so daß die Familien heute in der Summe jährlich mit 12 Milliarden DM mehr entlastet werden als 1995. In Zeiten enger finanzieller Spielräume ist das eine ganz klare Prioritätensetzung.
Es ist auch nicht richtig, daß Sie so ein Horrorszenario zeichnen, Frau Klemmer, was die Sozialhilfe anbelangt. Lassen Sie mich aus einer Untersuchung von Zapf und Habich, „Die Wohlfahrtsentwicklung im vereinten Deutschland", 1994 erschienen, zitieren, wo berechnet wird, daß gegenüber dem Jahre 1984, als es auf der Grundlage des sozioökonomischen Panels einen Anteil von 20,5 Prozent minderjähriger Kinder gab, die über weniger als 50 Prozent des damaligen nach der BSHG-Skala personengewichteten Aquivalenzeinkommens verfügen konnten, im Jahre 1994 der Anteil dieser Minderjährigen nur noch 8,3 Prozent betrug. Dies ist also eine andere Entwicklung als die, die Sie hier beschrieben haben - ganz zu schweigen von der Verbesserung auch der materiellen Situation in der ehemaligen DDR, in den jetzigen neuen Bundesländern.
Sie dürfen bitte nicht ausblenden, daß wir gerade in den 90er Jahren einen erheblichen Zuzug von Ausländern hatten. Es ist doch nur richtig, daß sich die Menschen, die zu uns kommen - darunter sind viele kinderreiche Familien -, auf ein System wie die Sozialhilfe stützen können und dort entsprechende Unterstützung erfahren. Auch das ist natürlich in der Sozialhilfestatistik wiederzufinden.
Familienpolitik hat nicht nur mit Geld zu tun. Es ist meines Erachtens richtig, auch das hier herauszustellen und deutlich zu sagen. Deshalb möchte ich die von mir eingerichtete Familienkonferenz erwähnen, die alle zwei Jahre tagen wird und auf der man sich gemeinsam Gedanken über eine kohärente Familienpolitik auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene machen kann. Ich denke an die Bundeswettbewerbe „Der familienfreundliche Betrieb " und „Die kinder- und familienfreundliche Gemeinde", die große Resonanz gefunden haben. Auch das ist ein Zeichen für innovative Familienpolitik.
Ich war sehr gespannt, ob die Kolleginnen von der Opposition das Erziehungsgeld ansprechen. Sie haben mich nicht enttäuscht. Deshalb möchte ich hier wiederholen: Ich halte es für eine absolute Heuchelei, hier auf Bundesebene ein Kernstück christdemokratischer Familienpolitik einzufordern und in Ihren Ländern, in denen Sie die Verantwortung tragen, genau das Gegenteil zu machen.
Nochmals sage ich: Rheinland-Pfalz hat das Erziehungsgeld gerade abgeschafft. Ich verstehe nicht, daß Sie hier immer wieder das Erziehungsgeld ansprechen. Sie können mir nicht erzählen: Sie sind hier für den Bund verantwortlich, und die Länder sind eine ganz andere Ebene. - Wir haben unseren politischen Willen für das Erziehungsgeld artikuliert. Davon zeugen Beschlüsse von Parteitagen auf Bundes- und Landesebene. Ich habe nirgendwo äquivalente Anträge Ihrerseits bzw. auf Ihren Parteitagen gefunden.
Es ist keine Frage, daß auch ich mir eine Anhebung der Einkommensgrenzen für die Gewährung von Erziehungsgeld gewünscht hätte. Daraus mache ich keinen Hehl. Es ist aber nicht alles möglich, was man sich wünscht. Das habe ich eingangs deutlich gemacht.
Ich möchte es nicht versäumen, all denjenigen im Fachausschuß und im Haushaltsausschuß, die mich in meiner Politik und bei dieser Haushaltsaufstellung unterstützt haben, ganz herzlich für diese konstruktive Zusammenarbeit und diese Unterstützung zu danken.
Vielen Dank.