Rede von
Dieter
Schanz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland als Industrie- und Exportland steht im globalen, harten Wettbewerb. Diesen kann es nur auf einem hohen Niveau von Forschung, Bildung und Ausbildung bestehen. Diesem Anspruch aber wird auch der für 1998 vorgelegte Plafond des Einzelplans 30 - Forschung, Bildung, Wissenschaft und Technologie - in keiner Weise gerecht.
Der Ansatz ist dramatisch unterfinanziert, und das schon seit Jahren.
Meine Damen und Herren, wer Arbeit sichern oder schaffen will, wer Zukunft gestalten will, muß mehr und Besseres tun als diese Bundesregierung und diese Koalition.
Wenn man gutwillig ist, darf man sagen: Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition hat von 1983 bis heute allein im Einzelplan 30 ein Minus von 8 Milliarden DM aufgehäuft. Wo, bitte, geht es dabei in die Zukunft? Daß der Etat für 1998 um zirka 1,3 Prozent steigt - was ich ausdrücklich im Namen meiner Fraktion begrüße -, täuscht nicht über die Tatsache hinweg, daß es im Verhältnis zu 1996 rund 465 Millionen DM weniger sind. Fakt ist somit wieder ein Minus, das sich seit Ihrem Amtsantritt, Herr Minister Rüttgers, im Jahre 1994 auf inzwischen zusammen rund 1 Milliarde DM beläuft.
Vor diesem Hintergrund möchte ich drei Politikfelder aus diesem Einzelplan beschreiben. Am Sonntag, dem 23. November, höre ich unseren Zukunftsminister, bezogen auf die Studentenproteste, sagen, wir brauchten einen Aktionsplan von Bund, Ländern, Hochschulen und Industrie; die Hochschulen brauchten ausreichend Geld, damit sie den erwarteten weiteren Studentenansturm bewältigen könnten. - Richtig, Herr Minister. Das sagen Sie im November 1997, wissend, daß die Ausgaben im Hochschulbau auf Grund der miserablen und chaotischen Finanzpolitik dieser Bundesregierung seit Jahren stagnieren.
Seit Jahren lehnt diese Koalition alle Erhöhungsanträge der Opposition für diese Gemeinschaftsaufgabe ab. Dies hat der Minister heute zu verantworten. Er weiß, daß viele Bundesländer bereit waren, ihren Anteil an der Gemeinschaftsaufgabe entsprechend zu erhöhen und Milliardenbeträge vorzufinanzieren.
Kolleginnen und Kollegen, ich selbst war im zurückliegenden Jahr an zahlreichen Hochschulen und konnte mich von den unzureichenden Studienbedingungen persönlich überzeugen. Es ist ein Skandal, wenn Studentinnen und Studenten in überfüllten Vorlesungsräumen keinen Sitzplatz finden, geschweige denn ordentlich studieren können.
Wer aber beklagt, daß die Studiendauer in Deutschland im Verhältnis zu anderen Kulturnationen zu lang sei, sollte mindestens gleichzeitig dagegen etwas tun, das heißt die Bedingungen für ein zügiges Studium schaffen.
Diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition ist seit Jahren nicht bereit, beim BAföG nachzubessern. Immer weniger Studentinnen und Studenten beziehen BAföG, weil die Eingangsvoraussetzungen nicht verbessert werden. Der Bund spart Geld, anstatt mehr Geld in die junge Generation und ihre Zukunft zu investieren. Auch hier lautet wieder der begründete Vorwurf: Wer von Studentinnen und Studenten verlangt - ich sage: berechtigterweise -, zügig zu studieren, um Platz für andere zu machen, auch um im eigenen Interesse sehr schnell in den Arbeitsprozeß und damit in die sozialen Sicherungssysteme zu kommen, sollte umgekehrt nicht tatenlos zusehen, wenn diese überproportional viel jobben müssen, um ihr Studium zu finanzieren.
Jeder hier weiß - und Sie wissen das auch, Herr Minister Rüttgers; Sie haben das mehrfach, auch im Ausschuß, mit Ihren eigenen Worten so unterstrichen -, daß die Dinge so nicht zusammengehen können. Aber Sie haben dennoch tatenlos zugesehen oder sich im Kabinett nicht durchgesetzt. Ich befürchte, daß Sie auch weiterhin zusehen werden und sich die Karre immer tiefer und tiefer im Dreck einer fehlgesteuerten Politik festfährt.
- Steffen, reg dich nicht auf.
Zur beruflichen Bildung - Jahr für Jahr ein Trauerspiel -: Kanzler, Ministerpräsidenten und Minister reisen - ich beklage das nicht - durch die deutsche Landschaft und betteln um Ausbildungsplätze für die nachwachsende Generation. Jahr für Jahr fehlen dennoch Ausbildungsplätze. Ich begrüße die Bemühungen und Anstrengungen vieler Handwerksbetriebe und auch Industriebetriebe. Nur, es sind immer dieselben, die, wenn gebettelt wird, zusätzliche Ausbildungsplätze anbieten, weil sie ihre Verantwor-
Dieter Schanz
tung spüren, während sich andere ihrer Verantwortung entziehen. Es ist doch nicht hinzunehmen, daß große Teile der Industrie - inzwischen auch im mittelständischen Bereich - sich dieser notwendigen Aufgabe verweigern.
Das Ergebnis, was den Einzelplan 30 betrifft, ist: steigende Ausgaben - was ich nicht beklage - für überbetriebliche und außerbetriebliche Ausbildung und direkte Zuschüsse für Ausbildung insbesondere in den neuen Ländern.
Ich will das, wie ich gesagt habe, nicht beklagen, weil ich um die Not derer weiß, die einen Ausbildungsplatz suchen. Ich bin aber der Ansicht - das beklage ich -, daß es ordnungspolitisch doch nicht tragbar ist, daß der Staat - die Steuerzahler - die Lasten für diejenigen übernimmt, die nach meinem und Ihrem eigenen ordnungspolitischen Verständnis für Ausbildung verantwortlich sind,
nämlich die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern. Ich muß sie nicht alle aufzählen.
Da reisen deutsche Politiker, vom Kanzler angefangen bis zum ganz normalen Abgeordneten, durch alle Länder der Welt und feiern das duale System der Ausbildung in Deutschland; sie übersehen dabei, daß vieles bei uns im argen liegt und daß sich eine Seite auf Kosten der Allgemeinheit bequem von ihrer Verantwortung zurückzieht.
Meine Fraktion hat zu diesem Problembereich einen Gesetzentwurf vorgelegt.