Rede von
Karl
Diller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte ist eine Debatte über den finanz-, sozial- und wirtschaftspolitischen Konkurs der Regierung Kohl.
Es geht nicht nur um das Versagen des Finanzministers Waigel. Den Scherbenhaufen in der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik haben Sie, Herr Bundeskanzler, ganz persönlich zu verantworten; denn nach dem Grundgesetz bestimmen Sie die Richtlinien der Politik.
CDU/CSU und F.D.P. haben die Krise geschaffen, die Sie jetzt beklagen: Arbeitslosenrekord, Schuldenrekord, Abgabenrekord und Pleitenrekord. Schuld sind bei Ihnen aber immer andere. Doch die Finanzierung der deutschen Einheit und die Globalisie-
Karl Diller
rung des wirtschaftlichen Wettbewerbs haben die bestehenden Strukturprobleme nicht geschaffen, sondern nur zugespitzt. Erst unter Ihrer Regierung wurden diese Herausforderungen zu einer existentiellen Finanz- und Sozialkrise verschärft. Deshalb, Herr Bundeskanzler, hat niemand mehr Vertrauen zu Ihrer Politik.
Sie haben das Vertrauen verspielt, weil zwischen Ihren Ankündigungen und Ihren Leistungen - das habe ich Ihnen erst kürzlich im Haushaltsausschuß vorgehalten - riesige Widersprüche bestehen. Von Ihrer Steuerlüge 1990 bis zum Versprechen, die Arbeitslosenzahl bis zum Jahre 2000 zu halbieren: Stets haben Sie Garantien und Zusagen gebrochen oder Beschlossenes zurückgenommen.
Wozu, Herr Bundeskanzler, Ihre geistig-moralische Erneuerung verkommen ist,
zeigt dieses Beispiel: Während Sie die Leistungen für Rentner und Arbeitslose kürzen, schanzen Sie weiterhin Ihren entlassenen oder ausgeschiedenen Ministern und Staatssekretären Übergangsgelder in Höhe von Lottogewinnen zu. Eine Regierung, die finanzpolitisch am Abgrund steht, sich selbst aber Übergangsgelder in Höhe von 200 000 DM und mehr zuschanzt, hat jede moralische Glaubwürdigkeit verloren.
Dieses Land braucht endlich eine Aufbruchstimmung, einen Neuanfang. Sie sind dazu nicht in der Lage, denn Sie brauchen Ihre ganze Kraft nur für ein einziges Ziel: bis zum Wahltag über die Runden zu kommen.
Diese Regierung löst keine Probleme, diese Regierung ist das Problem.
Dazu paßt, daß sich Bundesfinanzminister Theo Waigel nach dem Motto „Nach mir die Sintflut" aus dem Amt verdrücken will. Sie, Herr Waigel, verletzen Ihren Amtseid auf die Verfassung, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Was Sie, Herr Waigel, machen, ist Konkursverschleppung bis zum Wahltag.
Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger, die noch neun Monate zusehen müssen, wie die Regierung Kohl Monat für Monat ihre Steuern und Abgaben verwirtschaftet, ohne dabei einen Beitrag für die Sicherung der Zukunft oder zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu leisten.
Herr Kohl, so beurteilt der Sachverständigenrat Ihre Leistung. Ich zitiere:
Fehlverhalten und Versäumnisse der Vergangenheit sind maßgeblich für die gegenwärtige Lage in den öffentlichen Haushalten verantwortlich. So geriet die Finanzpolitik immer tiefer in den Teufelskreis aus hohen Abgaben, steigender Abgabenlast, schrumpfender Steuerbasis, anhaltend hohen Defiziten und immer drückenderer Zinslast. Das alles schafft kein Klima, in dem Investoren und Konsumenten Vertrauen schöpfen in stabile mittelfristige Rahmenbedingungen.
Soweit der Sachverständigenrat zu Ihrer Politik. Er fügt hinzu, Probleme würden bei Ihnen „nur zeitlich verlagert, aber nicht gelöst".
Noch nie zuvor ist einer Bundesregierung vom Sachverständigenrat ein derart vernichtendes Urteil über ihre Leistungen ausgestellt worden.
Herr Waigel, Ihre Haushalte sind erstens durch dauernden Konflikt mit dem Grundgesetz, zweitens durch Explosion der Schulden und Zinsen, drittens durch die Ausplünderung des Bundesvermögens, viertens durch massiven Rückgriff auf den Bundesbankgewinn, fünftens durch Lastenverschiebung in die Zukunft, sechstens durch Kapitulation vor der Arbeitslosigkeit und dem Reformstau und siebtens durch den Zusammenbruch Ihrer mittelfristigen Finanzplanung gekennzeichnet. Sie sind fix und fertig, meine Damen und Herren.
Erstens, Herr Bundeskanzler, Ihr andauernder Konflikt mit dem Grundgesetz: Sie verstoßen im dritten Jahr nacheinander gegen Art. 115 des Grundgesetzes, wonach die Höhe der Neuverschuldung die Höhe der Investitionen nicht überschreiten darf. Es gibt nur eine Ausnahme: wenn der Bundestag feststellt, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Das aber fürchten Sie zusammen mit Herrn Waigel wie der Teufel das Weihwasser, weil es das Eingeständnis Ihres Scheiterns wäre.
Deshalb haben Sie, Herr Bundeskanzler, 1996 den Bundeshaushalt in besonders dreister Weise schönen lassen, als Sie mit Ihrem berüchtigten Waigel-Wisch über Nacht ein Haushaltsloch von 20 Milliarden DM mit reinen Luftbuchungen zuzudecken versuchten. Als Ihre Luftbuchungen dann aufflogen, haben Sie die Neuverschuldung um ein Drittel auf 78 Milliarden DM erhöht, die Investitionsgrenze um 17 Milliarden DM überschritten. Weil Ihr Haushalt 1996 damit von Anfang an verfassungswidrig war, klagen wir zu Recht vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Sie.
Beim Haushalt 1997 wiederholen Sie Ihr sattsam bekanntes Spiel: Erst, Herr Waigel, Zahlen frisieren und sich dann von den aufbrechenden Haushaltslö-
Karl Diller
chern überrascht geben - alles unvorhersehbar. Dazu sagt der Sachverständigenrat:
Es entspricht nicht dem Grundsatz einer soliden Haushaltspolitik, daß in dem im November 1996 verabschiedeten Bundeshaushalt 1997 bereits im Januar 1997 Deckungslücken vermutet wurden.
Dies ist noch vornehm und zurückhaltend ausgedrückt; denn Ihr Haushalt war bereits bei der Verabschiedung im Herbst letzten Jahres Makulatur.
Sie handelten unverantwortlich, Herr Waigel, als Sie sich zu Beginn dieses Jahres - da wäre noch Zeit gewesen, den Anstieg der Arbeitslosigkeit in diesem Jahr mit aktiven Maßnahmen wirksam zu bekämpfen - hartnäckig unserer Forderung nach Vorlage eines Nachtragshaushalts widersetzten. Erst als Ihnen im Sommer die Zahlungsunfähigkeit drohte, haben Sie den Nachtragshaushalt für 1997 vorgelegt, um mit 17,5 Milliarden DM mehr Schulden, als die Verfassung erlaubt, Ihre Haushaltslöcher zu stopfen. Deshalb müssen Sie heute Ihren Kanossagang antreten und die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch den Bundestag feststellen lassen. Da Sie damit aber keinen Politikwechsel verbinden, da Sie damit die Arbeitslosigkeit aber nicht aktiv bekämpfen wollen, ist auch Ihr Nachtragshaushalt nach unserer Auffassung verfassungswidrig.
Erstaunlich, Herr Waigel, ist Ihre Begründung für die zusätzliche Neuverschuldung. Bisher sagten Sie, allein die Senkung der Neuverschuldung würde zu einer Verbesserung der Beschäftigungslage führen. Ich wiederhole: Allein die Senkung würde zu einer Verbesserung der Beschäftigungslage führen. Jetzt erklärt er genau das Gegenteil: Ohne weitere Schulden zu machen, würde die Nachfrage zu sehr gedämpft werden. Meine Damen und Herren, bei dieser Regierung, bei dieser Koalition verkommen die Argumente zur bloßen Beliebigkeit. Gerade wie es paßt, werden sie zurechtgezimmert.
Weil Sie trotz steigender Arbeitslosenzahlen für 1998 auf keinen Fall eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen lassen wollen - denn das wäre ja ausgerechnet im Wahljahr die Anerkennung des Scheiterns Ihrer Politik -, drücken Sie die Neuverschuldung 1998 mit einem neuen Buchungstrick unter die Investitionsgrenze, indem Sie Telekomaktien des Bundes im Volumen von 23 Milliarden DM an die bundeseigene Bank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, verpfänden. Diese muß sich das Geld auf dem Kapitalmarkt erst leihen. Die Zinsen dafür zahlt ihr der Bund. Deshalb ist dieses Geschäft nichts anderes als eine versteckte Kreditfinanzierung des Bundeshaushalts.
In Wahrheit, unter Berücksichtigung dieser Tatsache, liegt Ihre Neuverschuldung im nächsten Jahr bei 79 Milliarden DM und überschreitet zum dritten Mal die Verfassungsgrenze. Meine Damen und Herren, dreimal hintereinander verfassungswidrige
Haushalte - wäre der Bund eine Privatfirma, müßten die Herren Kohl, Waigel und Gerhardt wegen Überschuldung den Gang zum Konkursrichter antreten.
Zweitens. Ihre Schulden und Zinsen explodieren. Seit der letzten Wahl erhöhten Sie den Schuldenberg des Bundes um 255 Milliarden DM. Ich wiederhole: Allein seit der letzten Wahl erhöhte diese Regierung den Schuldenberg des Bundes um 255 Milliarden DM auf 1,5 Billionen DM.
Dafür werden im nächsten Jahr 88 000 Millionen DM nur an Zinsen gezahlt werden müssen - erstmals mehr als 26 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes. Mehr als jede vierte Mark geht bei Ihnen inzwischen nur für das Zahlen von Zinsen drauf. Sie haben unser Land damit in die Haushaltsnotlage gewirtschaftet.
Sie stecken so tief in der Zinsfalle, daß Sie nicht einmal mehr die planmäßigen Zinsen für aufgenommene Kredite zahlen. Durch Zinsspekulation wollen Sie 1 Milliarde DM Zinsen in die Zukunft schieben, und zwar wollen Sie für 95 Milliarden DM Bundesschulden bisher langfristige Zinsverpflichtungen gegen niedrigere, kurzfristige Zinsverpflichtungen, die dafür aber ein hohes Zinsänderungsrisiko haben, tauschen. Jeder Häuslebauer macht das Gegenteil. Er verschuldet sich heute möglichst langfristig zu einem festen Zinssatz, weil dieser niedrig ist, weil er damit gut fährt und die Belastungen für ihn sicher und klar kalkulierbar sind. Diese Regierung aber geht um eines kurzfristigen Zinsvorteils willen den umgekehrten Weg. Bundesbank und Bundesrechnungshof haben Sie davor ausdrücklich gewarnt. Erst den Bundeshaushalt in die Zinsfalle führen und dann die Flucht in die Zinsspekulation antreten - das ist keine Konsolidierungsstrategie, sondern ist ein hochriskanter Umgang mit den Staatsfinanzen.
Die volle Dramatik zeigt sich am Volumen Ihrer Bruttokreditaufnahme; denn wenn man von netto 56 Milliarden DM spricht, dann muß man ja an die Bruttokreditaufnahme denken. Um den Bundeshaushalt 1998 mit neuen Schulden zu finanzieren und gleichzeitig fällige alte Schulden abzulösen, müssen Sie im nächsten Jahr neue Kredite in Höhe von rund 300 Milliarden DM aufnehmen. Dazu kommt dann Ihre kurzfristige Zinsspekulation mit weiteren 95 Milliarden DM Schulden,
zusammen also 400 Milliarden DM.
Das bedeutet: Wenn sich die Bundesbank gezwungen sähe, den Zinssatz nur um einen Prozentpunkt zu erhöhen, so stiege die Zinsbelastung für den Bundeshaushalt glatt um 4 Milliarden DM. Mit einem
Karl Diller
Schlag wäre damit mehr als das Doppelte des Umwelt- und Gesundheitshaushalts ausgegeben, nur für die Zinssteigerungen. Die Deutsche Bundesbank stellt dazu fest:
Wenn die Politik so bleibt, wie sie ist, dann werden die nachfolgenden Generationen bis weit über die Grenze des Erträglichen belastet.
Sie hat völlig recht damit. Nur, diese Regierung hört nicht mehr auf die Bundesbank.
Drittens, Ihre Ausplünderung des Bundesvermögens. Weil Schulden zum Stopfen Ihrer Haushaltslöcher allein nicht mehr reichen, plündern Sie das Bundesvermögen. Nachdem Sie in 15 Jahren Bundesvermögen in Höhe von insgesamt 25 Milliarden DM verkauft haben - das sind also im Schnitt 1,5 Milliarden DM pro Jahr -, wollen Sie jetzt in einem einzigen Jahr, sozusagen in einer „Aktion Schlußverkauf" , 30 Milliarden DM an Staatsbesitz verkaufen oder verpfänden. Alles werfen Sie auf den Markt: Telekom, Postbank, Deutsche Ausgleichsbank, Autobahnraststätten und Hunderttausende von Wohnungen.
Dies ist keine nachhaltige Konsolidierung, Herr Waigel, sondern ein Akt schierer Verzweiflung aus Geldnot. Das Haushaltsloch ist 1999 wieder da, das Pulver dann aber verschossen. Pleitier Theo Waigel betreibt eine Politik des „Nach-mir-die-Sintflut".
Viertens, Ihr Rückgriff auf den Bundesbankgewinn. Im Sommer dieses Jahres griffen Sie nach den Goldreserven der Bundesbank. Ihre „Operation Goldschatz" konnte gerade noch abgewehrt werden. Doch haben Sie, Herr Waigel, damit dem deutschen Ansehen in der internationalen Finanzwelt schwer geschadet.
Dann sind Sie auf eine Ersatzlösung verfallen, die Neubewertung der Devisenbestände der Deutschen Bundesbank. Zusammen mit der regulären Gewinnabführung soll Ihnen die Deutsche Bundesbank mit einer Geldspritze von bis zu 25 Milliarden DM unter die Arme greifen. Ohne diese Geldspritze hätten Sie keine Chance, das Defizitkriterium der Europäischen Währungsunion zu erfüllen. So weit ist es mit Ihnen gekommen. Zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik hängt eine Bundesregierung mit ihrem Haushalt am Tropf der Bundesbank.
Fünftens, Ihre Lastenverschiebung in die Zukunft. Beispiel Telekom: Mit der Privatisierung der Postunternehmen wurde bestimmt, daß die Verkaufserlöse aus dem Bundesanteil an der Telekom - ich zitiere ausdrücklich noch einmal unser aller Beschlußlage -„insbesondere und vorrangig zur Finanzierung der Unterstützungskassen" verwendet werden. Denn der Bund hat sich verpflichtet, die Pensionen der ehemaligen und heutigen Beamten dieser Unternehmen mit zu finanzieren. Weil Sie diese Telekomanteile aber
jetzt schon verscherbeln, treffen die Defizite der Unterstützungskassen im nächsten Jahrzehnt von jährlich bis zu 7 Milliarden DM den Bundeshaushalt nach dem Jahre 2000. Für Ihren Postraub wird die nächste Regierung haften müssen; das ist das Niederträchtige bei dieser Operation.
Beispiel Tilgungsaussetzung. Die Regierung Kohl setzt gesetzlich fällige Tilgungen von Schulden beim Bundeseisenbahnvermögen in Höhe von 8 Milliarden DM in den nächsten drei Jahren - bis 2000 einschließlich - und weitere 11 Milliarden DM Tilgungen beim Erblastentilgungsfonds einfach aus. Daß ein Staat nicht mehr in der Lage ist, für vereinbarte Tilgungen aufzukommen, kannte die Welt bisher nur von Entwicklungsländern. Eine Regierung, die sich ihren Verpflichtungen entzieht, die sogar gesetzliche Regelungen beliebig ändert, zerstört jedes Vertrauen in die Verläßlichkeit ihrer Politik.
Ihre Tilgungsaussetzungen sind nichts anderes als eine Art Kreditaufnahme. Denn in jedem Fall ist der Schuldenberg um 19 Milliarden DM höher als ohne den Tilgungsaufschub. Der Bund muß deshalb die Tilgungen nicht nur später nachholen - was künftige Regierungen und Haushalte belastet -, sondern zusätzlich pro Jahr 1 Milliarde DM mehr an Zinsen zahlen. Man sieht: Wahrhaft innovativ ist die Bundesregierung nur dann, wenn es um die Erfindung neuer Buchungstricks geht.
So wollen Sie mit der Tilgungsaussetzung die Absenkung des Solidaritätszuschlages finanzieren. Auch das hat es in dieser Republik noch nicht gegeben: Ein Finanzminister will eine Steuersenkung mit Schulden finanzieren, die er eigentlich zurückzahlen müßte. Sarkastisch gesagt: Das ist eine Finanzinnovation, wie sie nur Bankrotteuren einfällt und die Sie sich patentieren lassen sollten.
CDU/CSU und F.D.P. haben bis vor kurzem behauptet, die Bürger um netto 30 Milliarden DM entlasten zu können. Jetzt sind Sie nicht einmal in der Lage, 7,5 Milliarden DM für die Soli-Absenkung seriös und dauerhaft zu finanzieren. Sie beschließen eine Steuersenkung, ohne zu wissen, wie sie ab 1999 weiter finanziert werden soll. Was wollen Sie denn noch alles an Erblasten der nächsten Bundesregierung vor die Tür kippen?
Sechstens, Ihre Kapitulation vor Arbeitslosigkeit und Reformstau. Sie versprechen die Halbierung der Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2000 und täuschen damit die Bürger. Denn tatsächlich rechnen Sie in Ihrer Finanzplanung für eben dieses Jahr 2000 damit, daß es 3,9 und nicht 2,0 Millionen Arbeitslose geben wird. Ihre Politik bekämpft nicht, sie erzeugt Arbeitslosigkeit. Mit weniger Lohn, mit weniger so-
Karl Diller
zialer Sicherheit und dafür immer höheren Steuern und Abgaben für die Arbeitnehmer - mit dieser Politik vernichtet die Regierung Kohl Arbeitsplätze, und zwar Hunderttausende von Arbeitsplätzen.
Sie versprechen die Rückführung der Steuer- und Abgabenquote auf den Stand von 1989 und täuschen damit die Bürger. Denn tatsächlich erhöhen Sie jetzt den Beitragssatz zur Rentenversicherung auf die Rekordmarke von 21 Prozent. Eine dramatische Verschärfung der Situation bei den Lohnnebenkosten und eine weitere Belastung der Binnennachfrage sind die Folge.
Wenn die Koalition unsere Hilfe will, dann muß sie erst den Streit in den eigenen Reihen beenden. Was die CDU will, will die F.D.P. nicht, und was die F.D.P. will, will die CSU nicht. Das ist die Lage. Sie in der Koalition haben sich selbst blockiert. Aber damit eines klar ist: Für Sozialdemokraten ist eine Kürzung des Rentenniveaus von 70 auf 64 Prozent nicht akzeptabel.
Sie, Herr Bundeskanzler, versprachen in Ihrer Regierungserklärung 1994 - ich zitiere -:
Forschung, Technologie und Innovation sind heute die wichtigsten Wachstumsquellen unserer Wirtschaft... Trotz aller Haushaltszwänge
- ich wiederhole: trotz aller Haushaltszwänge; so der Bundeskanzler 1994 -
werden wir deshalb den Forschungsetat im Bundeshaushalt überproportional steigern.
Damit haben Sie die Bürgerinnen und Bürger erneut getäuscht. Denn tatsächlich ist der Anteil des Forschungsetats in Ihrer Regierungszeit um ein Drittel auf 3,2 Prozent der Bundesausgaben zurückgegangen. Sie haben der Forschungsförderung systematisch den Hahn zugedreht und eine Innovationslücke von 7 Milliarden DM zu verantworten. Sie sind mit schuld, daß in Deutschland zu wenig geforscht wird, meine Damen und Herren.
Weiter sehen Sie angeblich mit Sorge, daß größere Betriebe die Lehrlingsausbildung immer mehr verweigern, während kleine und mittlere Betriebe inzwischen 80 Prozent der Ausbildungslasten schultern. Tatsächlich aber legen Sie die Hände in den Schoß, statt die finanziellen Lasten zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben gerecht zu verteilen. Sie haben damit die Misere bei den Lehrstellen mit zu verantworten.
Sie fordern mehr Selbständigkeit, mehr Existenzgründungen. Tatsächlich aber fehlen Ihre Initiativen zur Abstützung von Unternehmensgründungen, zur verstärkten Bereitstellung von Risikokapital. Im laufenden Jahr wird mit 28 000 Unternehmenspleiten gerechnet; das sind 10 Prozent mehr als 1996. Dieser Kohlsche Pleitenrekord vernichtet 50 000 Arbeitsplätze und verursacht einen volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 65 Milliarden DM. Das sind die
Auswirkungen Ihrer falschen Politik in bezug auf Existenzgründer und Mittelstand.